freistil 04-01 anything ghost (binnberg) › anything...ich dachte: okay, tue ich ihm diesen...

30
1 Sonntag, 01. April Sonntag, 01. April Sonntag, 01. April Sonntag, 01. April 2012 (20:05 2012 (20:05 2012 (20:05 2012 (20:05-21:00 Uhr), KW 21:00 Uhr), KW 21:00 Uhr), KW 21:00 Uhr), KW 13 13 13 13 Deutschlandfunk / Abt. Musik und Information Deutschlandfunk / Abt. Musik und Information Deutschlandfunk / Abt. Musik und Information Deutschlandfunk / Abt. Musik und Information - Wiederholung immer samstags 07:05 Wiederholung immer samstags 07:05 Wiederholung immer samstags 07:05 Wiederholung immer samstags 07:05-08:00 Uhr auf Dradio Wissen 08:00 Uhr auf Dradio Wissen 08:00 Uhr auf Dradio Wissen 08:00 Uhr auf Dradio Wissen - FREISTIL FREISTIL FREISTIL FREISTIL Anything Ghost Anything Ghost Anything Ghost Anything Ghost - Von Phantom Von Phantom Von Phantom Von Phantom- und Auftragsschreibern und Auftragsschreibern und Auftragsschreibern und Auftragsschreibern Von Von Von Von Nils Binnberg Nils Binnberg Nils Binnberg Nils Binnberg Redaktion: Redaktion: Redaktion: Redaktion: Klaus Pilger Klaus Pilger Klaus Pilger Klaus Pilger [Produktion WDR 2010 [Produktion WDR 2010 [Produktion WDR 2010 [Produktion WDR 2010] M a n u s k r i p t M a n u s k r i p t M a n u s k r i p t M a n u s k r i p t Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - ggf. unkorrigiertes Exemplar -

Upload: others

Post on 28-May-2020

3 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

1

Sonntag, 01. AprilSonntag, 01. AprilSonntag, 01. AprilSonntag, 01. April 2012 (20:05 2012 (20:05 2012 (20:05 2012 (20:05----21:00 Uhr), KW 21:00 Uhr), KW 21:00 Uhr), KW 21:00 Uhr), KW 13131313

Deutschlandfunk / Abt. Musik und InformationDeutschlandfunk / Abt. Musik und InformationDeutschlandfunk / Abt. Musik und InformationDeutschlandfunk / Abt. Musik und Information

---- Wiederholung immer samstags 07:05 Wiederholung immer samstags 07:05 Wiederholung immer samstags 07:05 Wiederholung immer samstags 07:05----08:00 Uhr auf Dradio Wissen 08:00 Uhr auf Dradio Wissen 08:00 Uhr auf Dradio Wissen 08:00 Uhr auf Dradio Wissen ----

FREISTILFREISTILFREISTILFREISTIL

Anything Ghost Anything Ghost Anything Ghost Anything Ghost ----

Von PhantomVon PhantomVon PhantomVon Phantom---- und Auftragsschreibern und Auftragsschreibern und Auftragsschreibern und Auftragsschreibern

Von Von Von Von Nils BinnbergNils BinnbergNils BinnbergNils Binnberg

Redaktion: Redaktion: Redaktion: Redaktion: Klaus PilgerKlaus PilgerKlaus PilgerKlaus Pilger

[Produktion WDR 2010[Produktion WDR 2010[Produktion WDR 2010[Produktion WDR 2010]]]]

M a n u s k r i p tM a n u s k r i p tM a n u s k r i p tM a n u s k r i p t

Urheberrechtlicher Hinweis

Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden.

Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

©

- ggf. unkorrigiertes Exemplar -

2

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Für einen Einzelgänger, der die meiste Zeit zuhause eingesperrt vor seinem Rechner

verbringt, führe ich eigentlich ein ziemlich aufregendes Leben. Ich trinke jeden Abend

Champagner, meinen Sommerurlaub verbringe ich auf einer Privatyacht an der Cote d’Azur

und in meinem kurzen Leben bin ich schon über so gut wie jeden roten Teppich dieser

Welt geschritten. Ich bin ein Ghostwriter. Ich bin Angelo Flaccavento, der Impersonator.

Einer dieser gesichtslosen Schreiberlinge, die ihr Gehirn und ihren Stift gegen Bezahlung

ausleihen. Philosophen haben das bereits für römische Kaiser gemacht, Cyrano für

Cristiano. Und bei mir? Ist es ein weltbekannter Modedesigner – dessen Name unter

Verschluss bleiben muss, wie es in meinem Vertrag steht. Sollte ich auffliegen, würde ich

fristlos gefeuert – was meine Erzählungen, um das vorweg zu sagen, sehr riskant macht.

Sprecher CarloSprecher CarloSprecher CarloSprecher Carlo

Hi Angelo. Anbei die Fragen. Wie schnell kannst du sie zurückschicken? Gruß, Carlo.

Atmo (Email wird verschickt)

Sprecher AngeloSprecher AngeloSprecher AngeloSprecher Angelo

Kümmer’ mich sofort drum. Angelo

Atmo (Email wird verschickt)

Sprecher CarloSprecher CarloSprecher CarloSprecher Carlo

Angelo, Notfall! Kannst du dir bitte schnell Antworten ausdenken?! Das „i-D“-Magazin braucht sie

umgehend! Carlo

Atmo (Email geht ein)

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

(Murmelt) Beschreiben Sie einen typischen Tag auf Ihrer Yacht. (Denkt nach) Typisch? Was glaubst

3

du, was ein Modedesigner so auf seiner Yacht macht! (Liest während er tippt) Ein typischer Tag.

Fragezeichen. So etwas gibt es in meinem Leben nicht. Selbst im Urlaub nicht. Ich handele aus

dem Bauch heraus. Ich verabscheue Routine. (Kurze Pause) Besser: Ich handele, typisch Skorpion,

aus dem Bauch heraus. Er glaubt doch an Astrologie? Doch, doch. Das ist brillant!

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ich erschaffe einen Traum, einen Lifestyle, eine Welt. Das Interessante und Faszinierende daran:

Ich erschaffe diese Welt mit Wörtern. Ich benutze Satzteile, Vorstellungen und Bilder, um einen

Lifestyle zu kreieren. Es geht um einen Traum. Eine Hyperrealität vielleicht? Ich weiß nicht, wie ich

es nennen soll. Ganz sicher handelt es sich dabei nicht um die Realität. Niemand will etwas über

die Realität lesen, wie sie ist.

[You create a dream, a lifestyle, so you create a world. The most interesting and intriguing thing for

me is that you are building a world and words were part of this. So you are helping with phrases,

with ideas, with images that you are turning into words to build a lifestyle. It's about a dream. A

hyper-reality? I don't know how to call it. For sure it's not reality as it is. Nobody wants to read or

imagine reality as it is.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

(Liest) Sie sind bekannt für Ihren luxuriösen Lebensstil. Wenn ich Sie bitte, unseren Lesern einen

Tipp zu geben, an welchem Ort man den exklusivsten Urlaub verbringen kann, welcher wäre das?

(Denkt) Da hat er doch einige! Aber ein Ort ist ja nur solange exklusiv, wie ihn niemand kennt. Das

ist die Logik des Begehrens. (Liest während er tippt) Einfach mit einer Yacht über das Meer

wandern! So habe ich eine kleine, unberührte Insel entdeckt. Den Namen verrate ich Ihnen aber

nicht. Das ist mein eigenes kleines Königreich. Wenn ich dort bin, fühle ich mich wie ein

Dschungelkönig. (Denkt) Das sollte die Fantasie beim Leser ankurbeln.

Sound (Klick)

Sprecher ComputerSprecher ComputerSprecher ComputerSprecher Computer

Sie haben für Ihre Nachricht keinen Betreff eingegeben. Möchten Sie die Nachricht wirklich

senden?

4

AnsageAnsageAnsageAnsage

(Sprechen als wenn geschrieben) Anything Ghost, von Nils Binnberg

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

In meinem Vertrag steht, dass ich als Berater für das Pressebüro eingestellt wurde, um Pressetexte

und Pressemitteilungen zu schreiben. Vom Ghostwriting steht da nichts. Das ist ein stilles

Abkommen. Mittlerweile besteht meine Haupttätigkeit darin, Email-Interviews für den Designer zu

beantworten. Viele, sehr viele Email-Interviews. Stylische, tratschige, trashige, das Übliche. Sex ist

allerdings tabu. Traurig, aber wahr: In der Öffentlichkeit gibt sich der dekadente Designer prüde...

Außerdem schreibe ich die obligatorischen Dankeskarten, Einladungen, Kündigungsschreiben,

sogar Briefings für Fernseh- und Radiointerviews. Wer weiß? Vielleicht ist der Einkaufszettel des

Designers meine nächste Aufgabe?

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Carlo, kann ich das so schreiben? Angelo

Atmo (Email wird verschickt)

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ich habe angefangen im Namen dieses Designers zu schreiben, ohne wirklich zu wissen, wie es

geht. Ich erinnere mich noch, ich war in Mailand zur Möbelmesse als ich plötzlich einen Anruf

bekam von der Pressestelle des Designers. Ein Freund von mir arbeitete damals dort, so kamen sie

auf mich. Er fragte, ob ich für den Designer ein Statement für ein Buchprojekt schreiben könnte.

Ich dachte: Okay, tue ich ihm diesen Gefallen. Einen Monat später war der Designer dann in

Cannes, um Stars für das Filmfestival einzukleiden. In dieser Hektik kamen Fragen an ihn vom

britischen „i-D“ Magazin. Es stand außer Frage, dass sie den Designer dafür anrufen konnten. Also

sagten sie zu mir: Mach’ du das mal.

[I found myself writing in the name of this designer without even knowing. Actually I can

remember. I was in Milan for the furniture fair, and I got a call from the press office from the

designer. I got this call because I am friend with a guy who at that time used to work there asking

for a quote for a book they were writing about Milan. And so I came up with something and they

liked it. I thought, okay, I just made him a favor. Then one month later he was in Cannes for the

festival, he was dressing celebrities for the designer. And they got this interview, this questionnaire

5

for the back page of “i-D” magazine in England. And they could not deal with it at any rate, because

they were rushing between fittings and of course calling the designer for this kind of magazine was

out of the question. So they just told me: go ahead.]

Atmo (Email geht ein)

Sprecher CarloSprecher CarloSprecher CarloSprecher Carlo

Er trägt gerade lieber T-Shirts mit Dekoration. Carlo

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Also gut (Spricht während er tippt) Meine heißgeliebten schwarzen T-Shirts lasse ich

vorübergehend im Kleiderschrank – zugunsten von lässigeren Shirts mit kleinen Verzierungen oder

schlichten Teilen, bei denen ich einfach die Ärmel hochkrempele. (Denkt nach) Ein paar Klischees

sollte ich vielleicht noch bringen... (Liest) Dazu trage ich Jeans – natürlich – und eine Lederjacke,

die ich am Abend durch ein Smokingsakko ersetze. (Denkt) Das ist gut! Das ist sogar ziemlich gut.

(Liest) Im Sommer laufe ich gerne barfuss, da fühle ich mich ganz wild. Meine Loafer und

Stiefeletten aus Reptilienhaut sind aber immer in Reichweite – für den Fall der Fälle.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Viel Zeit hatte ich nicht. Also habe ich mich einfach an meinen Schreibtisch gesetzt und bin in die

Person des berühmten Designers geschlüpft. Die Ideen sprudelten nur so aus mir heraus, das

können Sie sich gar nicht vorstellen! Ich war wie in Trance. Mit so albernen Fragen wie „was ist Ihr

Lieblingswein“ oder „wie sehen Ihre Gewohnheiten beim Sonnenbaden aus“ war es nicht

schwierig, mit Antworten aufzuwarten. Carlo fand sie großartig. Die Presse übrigens auch. Die

Geschichte wurde zur Titelstory. Ich hatte meine Ghostwriter-Taufe praktisch über Nacht.

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Den Begriff Ghostwriter führte 1921 der amerikanische Journalist Christy Walsh ein. Walsh

kontrollierte damals den gesamten literarischen Output US-amerikanischer Sporthelden, die für

gewöhnlich Nachhilfe in Rhetorik benötigten. Er gründete dazu eine Agentur, die Ghostwriter an

Prominente vermittelte - und später sogar eine Schule für Ghostwriter. Für seine Tätigkeit stellte er

einen strikten Code auf.

6

SprecherSprecherSprecherSprecher

Regel Nummer 1: Jeder Ghostwriter muss in täglichem Austausch mit der Person stehen, die er

verkörpert.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ehrlich gesagt: Ich habe den Designer noch nie getroffen. In den ersten sechs Monaten habe ich

noch nicht ein Mal ein Wort mit ihm gesprochen. Er wusste überhaupt nichts von meiner Existenz.

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Pamela Anderson hat das wohl wörtlich genommen? Sie soll von ihrem Ghostwriter verlangt

haben, High-Heels zu tragen, damit er sich besser in die weibliche Hauptfigur Ihres Buchs

einfühlen kann.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Carlo, die GQ Italia, für die ich manchmal schreibe, möchte, dass ich ein Interview mit dem

Designer mache. Als Autor. Du kannst sicherlich verstehen, dass ich mir nicht die Fragen UND die

Antworten ausdenken werde. Angelo.

Atmo (Email wird verschickt)

SpSpSpSprecher Flaccaventorecher Flaccaventorecher Flaccaventorecher Flaccavento

Ich sollte ihn dann tatsächlich interviewen. Während des Gesprächs sagte er mir: Ihre Fragen

gefallen mir wirklich gut. Sie scheinen, mich sehr gut zu kennen. Und ich dachte nur: Oh ja, ich

kenne Sie wiiiiirklich gut. Nur konnte ich das ja nicht sagen. Ich würde übrigens sehr davon

profitieren, täglich mit dem Designer kommunizieren zu können. Auf diese Weise könnte ich dem

Image leichter entsprechen, das er vorgeben will. Aber es ist nicht leicht, mit ihm ihn Kontakt zu

treten, weil er einfach ein Star ist und so gut wie nie erreichbar. Also muss ich das als Ghostwriter

selbst in die Hand nehmen, mir Dinge ausdenken oder versuchen, den geringen Input, den ich

bekommen kann, einfließen zu lassen. Andererseits: Die Distanz gefällt mir auch. So bleibt der

Designer eine Idee für mich und ich kann über ihn phantasieren. Ich habe eine lebhafte Phantasie–

und ich kann meine Leser daran teilhaben lassen. Wenn man Dinge tatsächlich sieht, verfängt man

sich manchmal schnell in der Realität, während ich mich meiner Vorstellungskraft vollkommen

hingeben kann. Ich hatte eine großartige Vorstellung von dem Leben des Designers. Dann war ich

zufällig mal in Cannes und wurde auf seine Yacht eingeladen. Aber sie hatte rein gar nichts mit der

in meiner Fantasie zu tun. Und wenn ich jetzt an die Yacht denke, könnte ich über meinen Eindruck

gar nicht mehr schreiben. Und so ist es auch mit seinen Entwürfen. Wenn ich sie auf den

Kleiderständern oder an den Models sehe, gefallen sie mir oft überhaupt nicht, obwohl sie sich in

7

den Beschreibungen so gut anhörten. Aber nun hängen sie da und es ist nur irgendein Pink oder

Hellblau, das keine Seele hat. Manchmal ist es besser, Dinge nicht zu sehen.

[At that time, I interviewed him and at one point he told me, oh I really like your questions, it looks

like you know me very well. And I was thinking, of course I know you so well, but I couldn't tell

anything. I would have benefitted a lot from communication with the designer on a daily basis,

because that way you don't offend the intelligence of the reader. And also you will keep more loyal

to the image that the person wants to give of him or of herself. But that was not easy. For me I

think in fashion entertainment is not very easy to attain, because stars he's not there all the time,

so most of the time as a ghostwriter you're doing that on yourself where ever you are based on the

little things that you have in mind, the input that you can have and that's it. If I have a fantasy

myself, I can make readers fantasize with me. Sometimes if you see things you just get trapped in

reality, in details and stuff whereas I can just imagine. Like the designer's job. I had a huge fantasy

about this. Believe me I was on the yacht once, because I was in Cannes for chance. But it had

nothing to with my fantasy. And now if I think of the yacht and what I actually saw, I could not write

about that anymore. All the time I have seen the clothing on the racks or on the models it was a

nightmare, because actually I never really liked them, you know, maybe they talk to you about a

tone of color, you think, great we can do this line and this. And then you see it and it's just a pink or

a light blue with no soul, so it's better not to see things.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

(Liest) Was ist das ultimativste Kleid, das Sie jemals entworfen haben? (Denkt) Schwierige Frage.

Als Journalist hat mir eigentlich nie gefallen, was er macht. Die Sachen sind einfach „over-the-top“.

Da passiert zu viel. Zu viel Drapierungen. Zu viel Farbe. Zu viel Animal-Print! Aber das kann ich ja

nett verpacken. (Spricht während der tippt) In jedem Stück, das ich mache, ist immer etwas von

mir, daher fällt es mir schwer, mich für ein Teil zu entscheiden. Nichtsdestotrotz: Das bodenlange

Kleid mit Tigerprint aus meiner Frühjahr/Sommerkollektion 2007 bringt meinen Spirit sehr gut auf

den Punkt.

Atmo (Email geht ein)

SprecherSprecherSprecherSprecher Carlo Carlo Carlo Carlo

Und immer dran denken Angelo: Alles in seiner Welt soll gesund und positiv sein. Niemals

konzeptuell, niemals dunkel oder smart, sondern energiegeladen. „Positiv“ ist das wichtigste

Adjektiv! Carlo

8

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Carlo ist der Regisseur. Ich bin nur, nicht sein Assistent, eher sein Drehbuchautor, der im Tandem

mit ihm arbeitet. Ich habe nie die finale Entscheidungsgewalt. Ich bin dafür da, alles in schöne

Worte zu verpacken. Aber ich führe ganz bestimmt nicht Regie in diesem Stück.

SprecherSprecherSprecherSprecher

Regel Nummer 2: Ein Ghostwriter muss seinen Schreibstil trainieren. Viele denken, sie müssten so

schreiben wie der Prominente spricht. Das ist ein Irrtum. Ein Ghostwriter muss so schreiben wie

die Öffentlichkeit glaubt, dass der Prominente spricht.

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Ivana Trump hat ihrer Ghostwriterin nach eigenen Angaben 350,000 US-Dollar gezahlt, um mit

ihrem Roman „For Love Alone” ihr Image einer geld- und vergnügungssüchtigen Geschäftsfrau

korrigieren zu lassen. Das Buch wurde 1992 veröffentlicht und ein Bestseller. Und trotzdem denkt

bis heute jeder bei ihrem Namen an eine frivole Businessfrau.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Der Job hat mir gezeigt, dass es eine Balance gibt zwischen dem, was man schreiben kann und den

Erwartungshaltungen der Leser an bestimmte Persönlichkeiten. Ich muss immer etwas einbinden,

das übertrieben ist. Besonders wenn es um sein Leben im Sommerurlaub geht, auf seiner Yacht,

wenn er schwimmen geht und mit dem Boot aufs Meer fährt. Es soll immer etwas Glanz haben –

andernfalls ist es nicht wert, gedruckt zu werden.

[The thing is, it showed me that there is a balance between what you can actually say, and the

expectations of the readers about certain personalities. I had always to put something over the top.

Especially about his life in the summer, because he has a yacht, and he likes swimming and he likes

boats and everything. Because there always has to be an element of shiny hyper-reality, otherwise

it's not worth the printed page.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Was soll ich denn dazu schreiben? (Liest) In keiner Ihrer Kollektionen darf der Leoparden-Print

fehlen. Woher kommt Ihre Faszination für die Raubkatze? (Denkt nach). Leo-Prints sind so

geschmacklos. Irgendwie vulgär. Aber mir war ja schon bevor ich den Job angenommen habe klar,

dass sich sein Geschmack komplett von meinem unterscheidet. Wir sind total gegensätzlich. Ich

bin schüchtern, er ist leichtlebig. Dieser Mann hat noch nie eine Universität von Innen gesehen, er

hat vielleicht „ein“ Buch gelesen. Ob er überhaupt liest? Er interessiert sich wohl eher für Frauen

9

mit großen Brüsten. Und für seine Yacht. (Pause) Da habe ich ja schon die passende Antwort:

(Tippt beim sprechen) Die gepunktete Katze ist wie eine Frau: wild, sinnlich und elegant. Sie

verführt mit ihren Augen. Wenn man ihr zu nahe kommt, kratzt sie und hinterlässt eine Narbe auf

der Haut. Das ist ein gutes Sinnbild, für den Typ Frau, von dem ich mich angezogen fühle.

SprecherSprecherSprecherSprecher Flaccavento Flaccavento Flaccavento Flaccavento

Für den Designer muss alles sehr einfach und direkt formuliert sein. Es sollen auf keinen Fall

Missverständnisse entstehen. Ein Mal sollte ich beispielsweise die Frage nach seinem

Lieblingscocktail beantworten. Da habe ich mir etwas ausgedacht, das sein einfaches Gemüt

widerspiegelt. Ich schrieb in etwa so was wie „Ich bevorzuge Champagner. Er ist einfach und

luxuriös zugleich – wie ich“. Obwohl es die Person des Designers meiner Meinung nach zu 100%

trifft, würde er es wahrscheinlich nicht so formulieren. Diese Leute haben ja kein Gefühl für

Sprache. Sie wurden ausgebildet, als Designer zu arbeiten und alles was sie machen wollen, ist zu

entwerfen. Mit Sprache zu arbeiten ist etwas vollkommen anderes. Da muss man sehr vorsichtig

sein, Sprache ist eine sehr delikate Angelegenheit. Deshalb haben Politiker ja auch oft Ghostwriter,

die die Reden für sie schreiben.

[For the designer it was all about saying it in the simplest way, in the most direct way, not giving

space to any misunderstanding. And that was it… Often they're not very good with words. After all

they were not trained to speak or to write, they were trained to design, what they want to do is

designing. I mean there is space for everybody in this world. Working with words is a completely

different thing, you have to be careful about everything. Speaking is so delicate. Even politicians

sometimes have ghostwriters writing speeches for them.]

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Es ist eine wahre Kunst, jemanden authentisch klingen zu lassen! Das kann nicht jeder.

[The art of capturing somebody else’s voice, it’s a real art. Not everybody can do it.]

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Ich bin eine Verkupplerin. Eine literarische Verkupplerin.

[I’m a matchmaker. I’m a literary matchmaker.]

Sound

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

10

Ich heiße Madeleine Morel und arbeite als Agentin in New York. Das einzige, was ich repräsentiere,

sind Ghostwriter. Ich werde von vielen Lektoren von Verlagshäusern kontaktiert. Oft haben sie

einen Autoren, der eine Grundkenntnis vom Schreiben hat, aber sie brauchen jemanden, der richtig

gut schreiben kann. Ich habe in meiner Agentur über hundert Autoren, wahrscheinlich habe ich

zwischen hundert und hundertfünfzig, auf die ich jederzeit zurückgreifen kann. Wenn jemand auf

mich zukommt, biete ich ihm zwischen vierzig bis sechzig Autoren an, zwischen denen er wählen

kann. Man sollte sich wirklich wohlfühlen mit der ausgewählten Person. Der Ghostwriting-Prozess

ist ein bisschen wie eine Ehe. Man ist für viele Monate eng aneinander gebunden. Da sollte die

Chemie besser stimmen.

[I’m Madeleine Morel and I am an agent in New York City, and the only thing I do is represent

ghostwriters, to the exclusion of all other writers. I’m the go-to-go girl now in ghostwriting.

Sometimes I’m approached by the editor of the publishing house who has already signed up

someone who has some form of know-how to write it and they need somebody to write it. I have

well over a hundred authors, I probably have between a hundred and hundred and fifty authors that

I can access at any time. When somebody approaches me I always give him a choice of 40, 60

different writers from whom to choose. And once they found the person with whom they feel the

most comfortable, and ghostwriting is a bit like a marriage, you’re stuck together for many months.

So it’d better work out.]

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Der amerikanische Fernseh-Entertainer Milton Berle hat 1950 seine Ghostwriterin verklagt. Das

Problem: Ihm gefiel der Titel nicht, unter dem der Verlag das Buch veröffentlichen wollte – obwohl

er ihm einst zustimmte. Das Buch wurde nie veröffentlicht.

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Wenn es Streit gibt, geht es meistens darum, dass ein Ego gekränkt wurde. Es gibt viele

Auftraggeber, die sich beschweren, dass der Ghostwriter sie nicht richtig wiedergibt. Oder sie

haben einfach vergessen, was sie zu Protokoll gegeben haben und erwarten dann, dass alles

umgeschrieben wird. Wer ein Ghostwriter sein möchte, muss eine Faust in der Tasche machen

können. Er sollte kein Ego haben, darf kein Ego haben. Er muss sich sagen: Ich mache das für das

Geld.

[Ultimately they’re always about somebody’s ego. But disputes are normally about the fact that the

writer didn’t capture what the person was saying. Or maybe the celebrity forgot what they said and

they changed, they completely changed it, so then the writer has to go back and rework the

manuscript. In order to be a decent ghostwriter you have to be prepared to put up with a little bit of

shit, and also, you can’t have an ego. Cannot have an ego. You just have to, you know, say, I’m

11

working for my paycheck.]

SpSpSpSprecherin Klatschreporterinrecherin Klatschreporterinrecherin Klatschreporterinrecherin Klatschreporterin

Der amerikanische Politiker Bob Barr wurde von seinem Ghostwriter verklagt. Er soll das Honorar

von 47,000 US-Dollar für sein Buch „Lessons In Liberty“ nie bezahlt haben.

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Ich konnte in meinem Job als Agentin beobachten, wie das Verlagswesen immer stärker zu einem

Geschäftsmodell wurde, das eher Werke von Autoren veröffentlicht, die eine so genannte Plattform

haben. In anderen Worten: Leute, die bereits über eine Öffentlichkeit verfügen, bevor sie ein Buch

schreiben. Diese Leute kommen aus der Business-Welt, aus der Medienwelt, Medizinwelt. Die

Verlagsindustrie ist in den USA ein bisschen wie die hiesige Filmindustrie, in der jeder einen

großen Namen haben muss, um ein großes Publikum anziehen zu können. Das liegt teilweise

daran, dass unsere Gesellschaft – und das ist nicht nur in den USA so – dass unsere Gesellschaft

fasziniert ist von Prominenten, egal ob groß oder klein oder ob sie etwas zu sagen haben oder

nicht. Diese Leute können aber nicht schreiben. Daher ist Ghostwriting inzwischen ein

bedeutsames Sub-Genre im Verlagswesen.

[I could see that publishing was becoming more and more of a merchandisable, franchiseable type

of business, where the people getting the books published were the people who have quote

unquote platform. Are they either known in the media, or they travel constantly around the country

giving talks and seminars, in other words: People who can bring a pre-existing audience to their

book. And most of these people aren’t writers. They come out of the business world, they come out

of the media world, out of the medical world, and they all need writers to put their books together

for them. And publishing in America has become a bit like the movie industry where everything has

to have a big banner name in order to, you know, attract a large audience. All these people have a

pre-existing audience, but they’re not writers and that has given the rise, the birth of the ghostwriter

and ghostwriting as a whole sub-genre of publishing.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Als ich mit dem Job angefangen habe, hatte ich einige Bedenken, ob ich dem gerecht werden

würde. Wissen Sie, ich neige eigentlich dazu, Dinge zu überintellektualisieren, während der

Designer jemanden brauchte, der sehr direkt sein konnte. Er handelt eher aus dem Bauch heraus,

ist nicht sehr reflektiert, einfach ein Mann aus einer anderen Zeit. Ich habe das Ghostwriting dann

aber als eine gute Übung gesehen, an meinem Stil zu arbeiten. Außerdem bin ich als Journalist

immer sehr kritisch mit meinen eigenen Texten, immerhin veröffentliche ich sie unter meinem

eigenen Namen. Dass ich diesen jetzt plötzlich nicht mehr unter meine Beiträge setzen musste,

war sehr befreiend.

12

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Ich würde sagen, dass bestimmt 30 Prozent aller Sachbücher von Ghostwritern geschrieben sind.

Bei Büchern, die von Fernseh-Promis geschrieben sind, kann man eigentlich davon ausgehen, dass

da Ghostwriter am Werk waren. Es gibt übrigens ganz unterschiedliche Auffassungen von

„Ghostwriting“. Man spricht zum Beispiel auch von Kollaboration, Co-Autorenschaft oder „Book-

Doctoring“. Der Begriff „Ghostwriting“ deckt viele unterschiedliche Felder ab. Ein Co-Autor wird

allerdings in der Regel namentlich im Werk erwähnt, während der Ghostwriter strenge

Verschwiegenheitsklauseln unterschreiben muss, dass er niemals ein Wort darüber verlieren wird,

dass er das Werk für eine andere Person geschrieben hat.

[I would say that probably 30 % of all non-fiction books are written by ghosts nowadays. And you

can assume that any book that’s written by a TV personality you can assume that their books been

ghosted. Now, there are different definitions of ghosting. There is ghosting, there is collaborating,

there’s co-authoring, there is book-doctoring, the word ghosting sort of covers a lot of different

areas. But the primary difference between ghosting and co-authoring is that the author will get or

the writer gets cover credit. Whereas the ghost, they mostly get an acknowledgement. And they

have to sign these very strong confidentiality clauses that they’ll never breathe a word to anyone

that they have written somebody’s book.]

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Virginia Andrews, Autorin des Romans „Blumen der Nacht“, ist 1986 verstorben. Über ihren Tod

hinaus erschienen trotzdem weiter neue Titel von ihr – bis irgendwann aufflog, dass ein

Ghostwriter dafür beschäftigt wurde.

SprecherSprecherSprecherSprecher

Regel Nummer 3: Beleidige niemals die Intelligenz der Öffentlichkeit, indem du behauptest, diese

Personen schrieben ihre Geschichten selbst.

Musik

OOOO----Ton von der LeyenTon von der LeyenTon von der LeyenTon von der Leyen

Wir haben keine Idole mehr, wir haben Stars stattdessen. Das stammt leider nicht von mir, sondern von

Sloterdijk.

Sprecherin (Klatschreporterin)Sprecherin (Klatschreporterin)Sprecherin (Klatschreporterin)Sprecherin (Klatschreporterin)

Ich bin Katharina von der Leyen. Journalistin und Ghostwriterin aus Berlin.

13

OOOO----Ton von der LeyenTon von der LeyenTon von der LeyenTon von der Leyen

Wir erwarten in den Medien, zumindest wird so stark erwartet, dass die Leute alles können. Also, sie

müssen sowohl in der Lage sein, ihr Haus phänomenal einzurichten – und zwar alleine. Sie müssen

sich komplett stilsicher kleiden. Sie müssen einen hervorragenden Musikgeschmack haben, etc. pp.

Also wir setzen dieses Tausendsassatum irgendwie voraus und neigen inzwischen auch dazu, Leute für

ihre Fehlbarkeiten zu vernichten, also können sie sich das momentan eigentlich nicht leisten,

zuzugeben, dass sie irgendetwas nicht können. Ich persönlich wäre auch für mehr Transparenz, aber

ich habe natürlich gut Reden, ich kann das ja.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Also ich bevorzuge... nicht den Schatten, aber ich bin gerne für mich. Das letzte, was ich möchte,

ist mit einem Designer in Verbindung gebracht zu werden. Selbst wenn es jemand wie Miuccia

Prada wäre, würde ich nicht gerne als ihr Ghostwriter wahrgenommen werden. Ich möchte mit

niemandem als Ghostwriter in Verbindung gebracht werden.

[In general I prefer, not the shadow, but to be on my own. Personally I've been approached in the

last month from a label and they want to dress me, because they like my style. The last thing that I

want to imagine is not being associated, even if the designer is Miuccia Prada, I don't want to be

recognized as her ghostwriter. If I'm recognized as a right hand creative person is another thing,

but I don't want to be associated with anyone as a ghostwriter.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

(Liest während er schreibt) Carlo, eine Freundin von mir, die bei der „La Repubblica“ arbeitet, hat

Verdacht geschöpft, dass der Designer einen Ghostwriter hat! Sie erzählte, dass sie für eine Beilage

der Zeitung ein Zitat des Designers angefragt habe. Sie war verwundert, wie schnell sie es

zugeschickt bekommen habe. Daher fragte sie mich, ob unser Pressebüro einen Ghostwriter

beschäftige. Wir müssen unbedingt vorsichtiger sein! Bitte schickt meine Antworten nicht zu

schnell. Das wirkt nicht authentisch. Angelo.

Atmo (Entourage, Email wird versandt)

OOOO----Ton von der LeyenTon von der LeyenTon von der LeyenTon von der Leyen

Wenn man eine Kunstfigur erschafft, ohne Kunst zu sein, muss es transparent sein, dass es diese Figur

nicht gibt. Das ist wie mit dieser Auseinandersetzung mit Rembrandt und seinen Schülern und der

Frage: Wer hat welches Bild letztendlich gemalt und so weiter. Doch, das finde ich problematisch,

14

glaube ich. Weil das hat was mit einer Lüge zu tun. Wenn man das natürlich so aufrollt, ist das, was ich

da mache theoretisch auch, wenn man das so streng bewertet... Nein, es ist schon etwas anderes. Ich

sitze hier irgendwie nicht im Elfenbeinturm und denke mir den komplett alleine aus, den Kram.

Ghostwriting, das ist so, als wenn man die Sprache ein wenig glättet. So glätte ich auch zum Teil, wenn

die Leute dazu neigen in unfassbaren Schachtelsätzen zu sprechen – und das ist auch etwas, das oft

passiert. Es gibt eine amerikanische Schauspielerin, für die ich sehr viele Texte schreibe, Lauren Hutt..

Das musst du rausnehmen. Das müssen wir anders formulieren.

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

(Flüstert) Es ist die Schauspielerin Lauren Hutton.

OOOO----Ton von der LeyenTon von der LeyenTon von der LeyenTon von der Leyen

Der Punkt ist einfach: Ich spreche mit ihr vorher und sie blubbert dann so los, was sie meint. Aber die

redet zum Beispiel, das ist wirklich Chaos wie die spricht, wenn die etwas schreiben soll, versteht kein

Mensch irgendwas. Ich würde aber nie einen Text schreiben, ohne mit ihr zu sprechen vorher. Wobei

ich das sogar dürfte, das wäre ihr ganz egal, ob ich das mache oder nicht. Aber das würde ich nicht tun.

Das wäre Betrug.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ich glaube, es gibt so etwas wie ein natürliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Leser und

demjenigen, der schreibt. Finden Sie nicht? Wenn man eine Zeitschrift kauft, erwartet man doch,

dass die Worte vom Interviewten tatsächlich aus dessen Mund stammen? Ansonsten ist dieses

Vertrauensverhältnis nicht mehr gültig. Daher mag ich den Begriff Ghostwriter auch so, weil man

komplett unsichtbar ist und nur dafür sorgt, dass das, was die Person zu sagen hat, in der besten

Art und Weise formuliert wird. Du bist nicht da. Deine Worte sind seine Worte.

[There is a kind of trust between the reader and the one who writes, I mean, if they buy a magazine

they expect, if someone is interviewed that he's actually saying these words. Otherwise it's not

validated anymore. That's the point maybe. So it's like, I like the definition ghostwriter, because

actually it's like you completely disappear. You just make sure that what he has to say, is said in the

best and most effective way. You're not there, these words are his words.]

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Man würde es natürlich bevorzugen in einer Welt zu leben, in der die Leute wirklich selber

sprechen. Aber es scheint nicht möglich zu sein. Barack Obama zum Beispiel hat so viele

15

Verpflichtungen und gar keine Zeit, seine Reden selbst zu schreiben. Außerdem haben wir hohe

Erwartungen an diese Leute. Ständig sind irgendwelche Kameras auf sie gerichtet. Klar, brauchen

sie da die Hilfe von Öffentlichkeitsarbeitern.

[One would prefer to live in a world where people spoke for themselves, but it seems, it’s not

possible. I mean, you know, Barack Obama has so many responsibilities but he doesn’t have time

to write all these speeches. We kinda create expectations of these people. We have so many

cameras aimed at these people, we have so many people interviewing them, so it’s understandable

that they require public relations help.]

Sprecher ComputerSprecher ComputerSprecher ComputerSprecher Computer

Barack obama dot com slash page slash s slash socnetsmanager: Stellenausschreibung. Die

Landesgruppe der Demokraten und „Organizing for America“ stellt einen Social Media Manager

ein. Der Social Media Manager ist für die Pflege unserer sozialen Netzwerke verantwortlich, wie

Facebook, Twitter, Myspace, etc. Voraussetzungen: 1. Bereit, hart zu arbeiten; dies ist kein Nine-to-

Five Job. 2. Sie sind motiviert, Millionen von Amerikanern davon zu überzeugen, die Agenda des

Präsidenten voran zu bringen und damit unser Land zu verändern. 3. Bewerber müssen nach

Washington D.C. ziehen.

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Das Weiße Haus kann natürlich seine eigenen Propagandavideos auf Youtube stellen und

jemanden einstellen, der für sie twittert und Dinge auf Facebook postet. Aber was davon im Netz

viral wird, kann es ganz sicher nicht kontrollieren. Auch nicht das, was ich als User an anderen

Meinungen finde, wenn ich durch’s Netz surfe.

[The White House can put out its own propaganda video on youtube and have somebody do

Twitter, and have somebody do Facebook. But they really can’t control what’s gonna go viral and

they certainly can’t control what I’m gonna see when I just go wandering on my own and try to find

opinion.]

SSSSprecher Computerprecher Computerprecher Computerprecher Computer

Doubleyoudoubleyoudoubleyou dot community dot new york times dot com slash comments slash

internet slash (Pause) ghost-twitterer

SprecSprecSprecSprecherherherher

Obama hat also einen Social-Media-Manager, der sein Twitterkonto zum zwitschern bringt? Man

würde doch denken, dass er seit der Wahl mehr als drei Tweets zusammenkriegen sollte... Er sollte

16

ihn feuern und dafür seinen Teleprompter den Job machen lassen.

Shawn, Berkeley Heights, New Jersey.

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Der Rapper 50 Cent hat kürzlich bekannt gegeben, dass nicht er persönlich twittert. Der Redakteur

seiner Webseite generiert für ihn Tweets aus seinen Interviews.

SprecherSprecherSprecherSprecher

Habt ihr wirklich gedacht, die Promis nehmen sich die Zeit und posten ihre Tweets selbst? Für die

ist das doch Marketing.

Jonathan T, Portland, Maine

SprecherinSprecherinSprecherinSprecherin

@ Jonathan: Was für eine vertane Chance von den Promis, einen Ghost-Twitterer einzusetzen.

Twitter ist eine beispiellose Möglichkeit, mal ungefiltert mit Fans und der Öffentlichkeit zu

kommunizieren.

SavvyAuntie, New York

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Diese ganze Social-Media-Sache ist enorm wichtig geworden. Wer also selbst keine Zeit hat, sich

darum zu kümmern, muss jemanden dafür bezahlen, dass er dies übernimmt. Und diese

Investition lohnt sich. Denn, wer nicht schon eine eigene Webseite hat oder viele „Follower“ bei

Twitter oder Freunde bei Facebook, wird es schwieriger haben, ein Buch zu verkaufen. Ich glaube,

die Welt, in der wir leben, ist mehr und mehr bestimmt von Promis, Pop und eben den neuen

Medien.

[This whole social media stuff has become critical, so you know, if you can’t do it yourself, you have

to pay someone to do it for you. And it’s a good investment. If you don’t already have a website,

and if you don’t already have a big following on Facebook or on Twitter or whatever else, it’s harder

to get a book going. I think more and more the world in which we live, is a celebrity driven, pop

driven, media driven, instant gratification driven world.]

SprecherinSprecherinSprecherinSprecherin

Ich wünschte, ich wäre ein Star. Wäre großartig einen Ghost-Twitterer zu haben. Es ist hart, sich

gleichzeitig auf all den Kanälen, die wie Pilze aus dem Boden schießen, selbst zu vermarkten.

Vielleicht sollte mal jemand diesen Dienst für Nicht-Stars anbieten?

Inna, New York

17

SprecherSprecherSprecherSprecher

Wie komme ich an so einen Job?

OOOO----Ton StepTon StepTon StepTon Stephenshenshenshens

Sobald ein neues Medium auftaucht, eine neue Technologie, versuchen wir immer herauszufinden,

welche schrecklichen Dinge sie mit uns anstellen wird. Und meistens liegen wir falsch.

Sprecher StephensSprecher StephensSprecher StephensSprecher Stephens

Ich heiße Mitchell Stephens und bin Professor für Journalistik am Arthur Carter Institute der New

York University.

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Meistens liegen wir falsch. Es gibt immer zwei Möglichkeiten einer neuen Technologie zu

begegnen. Ein Mal, wie man sie missbraucht und dann aber auch wie sie sinnvoll genutzt werden

kann. Twitter ist ein gutes Beispiel. Klar wurde dieser Dienst inzwischen von der PR missbraucht

und beliefert das Publikum mit Nachrichten über Film- und Popstars. Aber trotzdem werden über

Twitter immer noch sehr wichtige Informationen ausgetauscht.

[When a new medium comes along and when any new technology comes along we always try to

figure it out what terrible thing it gonna do to us. And we’re usually wrong. // There are two ways

of looking at any new technology. One is how it is being used badly, and the other is how it is being

used well. And Twitter is an example of that. It has been taken over by business, and pr, and the

biggest audiences go to the sports stars and the movie stars and the pop music stars. But on the

other hand there is still a lot of information being exchanged fast, really interesting information on

Twitter.]

Sprecher Sprecher Sprecher Sprecher

Regel Nummer 4: Ein guter Ghostwriter arbeitet wie ein Journalist und bleibt bei den Fakten.

Atmo (Email geht ein)

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

(Liest gelangweilt) Ihre Entwürfe stehen stellvertretend für Glamour. Was macht einen guten Stil bei

einer Frau aus?

18

Atmo (Email geht ein)

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Was gefällt Ihnen an dem Stil von Victoria Beckham?

Atmo (Email geht ein)

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ist Shakira Ihre Traumfrau? Verkörpert sie den perfekten Stil?

Atmo (Email geht ein)

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ist der Stil von Kate Moss für Sie inspirierend?

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Irgendwann habe ich mich wirklich darüber geärgert, dass immer dieselben albernen Fragen gestellt

wurden. Ich habe meine Antworten dann einfach kopiert und ein wenig optimiert.

[At one point I got really upset for the repeating. At one point the sillier the questions, the more

identical the question I just started cut & paste all answers and tweaking them a little bit.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

(Tippt und liest gelangweilt) Es ist ihre Persönlichkeit. Stilsichere, glamouröse Frauen sind immer

starke Menschen – und sie sehen immer perfekt aus, als hätten sie alles unter Kontrolle.

Sprecher FlaccavenSprecher FlaccavenSprecher FlaccavenSprecher Flaccaventotototo

In meinem ersten Sommer sollte ich hauptsächlich die Pressemitteilungen für die Modenschau

schreiben. Der Designer machte gerade einen großen Imagewechsel durch. Eigentlich war er

bekannt für eine sehr freche Mode für Starlets, auf italienisch sagen wir „vallina“. Doch dieses Mal

19

ging es genau in die andere Richtung: Alles war sehr leicht, sehr romantisch. Ich sollte dazu ein

Statement schreiben. Ich muss dazu sagen, dass ich als Journalist nie mochte, was der Designer

entworfen hat. Aber diese Kollektion gefiel mir wirklich. Also schrieb ich dieses Statement. Es

wurde von allen kopiert, sogar die angesehene Modekritikerin Suzy Menkes hat es für ihren Bericht

in der „International Herald Tribune“ verwendet.

[That summer it was mainly about writing the press release for the show. The designer was making

a huge change in his image, because he was used to be known for a very bold, brush, very starlet,

“vallina” in Italian, clothing, and that season it went the other way around. It was super soft,

romantic, and they needed a quote. I have to say, as a journalist I never liked what the designer was

doing. But this collection I really liked. It was fresh, it was romantic, but not in a very fussy way. So I

just wrote the quote and that quote got cut and paste by everyone, and also Suzy Menkes in the

International Herald Tribune reported it as it was and gave a very good review to the show.]

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Aus einer philosophischen Perspektive ist der gesamte Journalismus eine Neuordnung und

Änderung des Lebens. Aber als Professor für Journalismus beharre ich auf der Trennlinie von

„wahr“ und „falsch“. Als Journalist bin ich nicht so philosophisch und stelle diese Einteilung nicht

in Frage. Sobald wir sicherstellen, dass Redakteure Fakten überprüfen und wir uns gegen den

Etikettenschwindel schützen, bringt uns das voran.

[From a philosophical perspective the whole journalism is a rearrangement and a change of life.

But I think, you know, as a journalism professor I certainly insist on the line between true and false.

For example I am not that philosophical that as a journalist I’m really going to question those

distinctions. So I think once we make sure that editors are going to check, we gonna be careful and

we’re gonna guard against this happening, and then we move on.]

SprecherSprecherSprecherSprecher

Beyoncé, angeblich muss Ihnen Jay-Z im Fall einer Trennung nach zwei Jahren Ehe 10 Millionen Dollar

zahlen, für jedes weitere zusätzliche Ehejahr kommt 1 Million hinzu.

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Wer denkt sich denn so was aus? Ich bestreite nicht, dass es einen Ehevertrag gibt. Ich möchte jede

heiratswillige Frau ermutigen, einen solchen Vertrag aufzusetzen, sie wird dadurch an Einfluss, an

Selbstwertgefühl gewinnen. Zu Einzelheiten äußere ich mich aber nicht. Ich stehe hier nicht vor Gericht.

20

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Es gab eine Zeit als der Designer nicht mit seiner Frau zusammenwohnte. Ich wusste das, jeder

wusste das. Natürlich kamen ständig Fragen über seine Familie und über seine Frau. Irgendwann

mussten wir schreiben, meine Frau ist der Mittelpunkt meines Lebens und bla, bla, bla. Es fühlte

sich total erzwungen an, aber es war das, was die Leute lesen wollten.

[There was a time he was not living together with his wife, and I knew that and everybody knew

that, but all the time, because there were always questions about his family and the wife and

everything. At one point of course we had to write, ha, my wife is the center of my universe, and bla,

bla, bla, bla, bla. And it felt completely forced to me, but of course it's what readers want to read.]

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

In der ganzen Welt geht es immer mehr um Unterhaltung. Das ist etwas, was wir wirklich verstehen

müssen. Der Anteil an Unterhaltung, der für unsere Großeltern und Urgroßeltern verfügbar war,

war um einiges kleiner als heute. Wir sind auf gewisse Weise „über-entertaint“. Das hat

weitreichende Implikationen, weil es jetzt eine Art Wettbewerb gibt.

[The whole world is filled with more and more entertainment. I mean that is something we really

have to understand. The amount of entertainment available to our grandparents and great-

grandparents were so much less than it is today you know, we’re all kind of over-entertained. From

most of human history most people were under-entertained. This is a big change, and this has

tremendous implications, and it means there is some kind of competition now.]

Sprecher Sprecher Sprecher Sprecher

Beyoncé, wissen Sie eigentlich noch, was ein Päckchen Butter kostet?

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Butter ist in meinem Leben nicht unbedingt von zentraler Bedeutung. Aber ich kann Ihnen sagen, was

der Preis für ein T-Shirt in der „Latina Boutique“ in Leederville in Australien ist. Ich habe erst vor ein

paar Wochen eines gekauft, ein einfaches weißes T-Shirt. Warten Sie. Es hat etwa 15 Dollar gekostet.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Inzwischen bin ich mir sicher, dass nichts wirklich so ist, wie es scheint. Es ist alles erfunden.

Vielleicht nicht alles, aber das meiste. Besonders im Unterhaltungsbereich, in der Literatur, der

Mode, ist die Grenze, die die Wahrheit vom Etikettenschwindel trennt schwindend gering,

vergänglich.

21

[Now I'm sure that nothing is at it seems or as you read. It's all made up. It's not all made up, but

most of it. In particular entertainment, reading, fashion there is, the line that separates truth from

mock-up is like so thin, so fading.]

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Es gibt inzwischen mehr Wettbewerb im Unterhaltungsbereich, es gibt mehr Orte, an denen wir

unterhalten werden können, also müssen wir auch unterhaltsamer sein. Ist das etwas Schlechtes?

Ich weiß nicht, ob ich das zwangsläufig schlecht finden soll. Vielleicht hat es etwas Gutes. Die

Leute schreiben besser, sie sind ehrlicher. Vielleicht sollten Journalisten nicht nur über Britney

Spears berichten und wie sie endlich ihr Leben in den Griff bekommt. Aber wenn die

Berichterstattung unterhaltsamer oder ehrlicher ist, dann ist das eine gute Sache.

[There is more competition in entertainment, there is more things coming into the house, a lot

more things, there are a lot more places people can be stimulated, so you have to be more

stimulating. Is this a bad thing? I’m not sure I’d say it’s a bad thing, but maybe a good thing.

People are writing better, they’re less phony, they’re less...They shouldn’t just be talking about

whether Brittney Spears is finally gotten her life together, but if they do it in a more entertaining or

real, more honest, more thought out manner, then that’s a good thing.]

SprecherSprecherSprecherSprecher

Ist Ihr Leben wirklich nicht einfacher geworden, seit Sie Multimillionärin sind?

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Die Angst der Studentin, keine Zukunft zu haben, abhängig zu sein von ihrem Freund, wiegt objektiv

schwerer als die Ängste, die mich plagen. Nur entsteht Musik aus subjektivem Empfinden – und

subjektiv haben viele Musikerinnen Verlustängste. Wir empfinden Schmerz und Depressionen, genau

wie andere Menschen. Was uns trennt, ist vielleicht der Butterpreis.

SprecherSprecherSprecherSprecher Flaccavento Flaccavento Flaccavento Flaccavento

Ich bin mir darüber im Klaren, dass das, was ich mache, hyperreal ist. Ich werde angewiesen, das

hyperreale Image des Designers mit seinem wahren Image in Deckung bringen. Ich soll etwas

Überraschendes hinzufügen, zeigen, dass er auch anders denken kann, eine Seele hat und es bei

ihm nicht nur um Schotter, Kohle und Bling-Bling geht. Dass er ein echter Mensch ist. Ich soll ihn

als Pop-Persönlichkeit inszenieren, aber als eine, die Substanz hat. In gewisser Weise lassen wir ihn

wie einen echten Menschen aussehen, der zufällig ein erfolgreicher Designer ist.

22

[It's hyper-real. Actually the briefs of my friend wanted me in a way match the hyper-real image of

the designer. Adding a little twist, showing that he had some different thinking behind it, that he

has a soul, that he is not about brash and cash and flash. That he is a real man. That is what he

wanted me to add. His briefings were very good because he was very keen on presenting him both

as a pop-personality, but he didn't want, or I didn't want him to appear like a pop-personality with

nothing behind it. In a way we made him look like a real man, who happens to be a very successful

designer.]

OOOO----Ton vTon vTon vTon von der Leyenon der Leyenon der Leyenon der Leyen

Es ist fragwürdig, wenn das wirklich als Journalismus verkauft wird. Das ist in Wirklichkeit eine

Kunstform. Es gab ja auch in Deutschland jemand, der das gemacht hat, Tom Kummer, der ja auch

sozusagen, der sich irgendwie gerechtfertigt hat darüber, dass es sozusagen eine Kunstform sei, die er

da erfunden hat. Tatsache aber ist, den fasst kein seriöser Verlag mehr an.

Sprecher Sprecher Sprecher Sprecher

Immer noch Kummer mit Kummer?

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Immerhin hat der Schweizer Journalist mit seinem Borderline-Journalismus über Jahre die

Redaktion und die Leser des SZ-Magazins geprellt! Wie ein wild gewordener Computervirus hat er

die Realitäten von Hollywood-Celebrities neu montiert und ihnen in seinen Interviews Worte in den

Mund getextet. Ingo Mocek vom Magazin „Neon“ ist jetzt durch sein Butter-Interview ebenfalls

aufgeflogen. Durch ihn war Kummer kurzzeitig mal wieder Thema. Der einstige „Global Player“

unterrichtet mittlerweile übrigens „Tennis-Player“ - in der Traumfabrik L.A.

OOOO----Ton EngelmannTon EngelmannTon EngelmannTon Engelmann

Wir erwarten vom Journalismus eine gewisse Form von Faktentreue, allenfalls im Bereich der

Reportage oder angeschlossenen Genres, im Bereich des „New Journalism“, das sich in den USA

etabliert hatte irgendwie in den 60er Jahren gestatten wir uns einen stärkeren Moment der

Subjektivität und so weiter und so fort.

23

SprecherSprecherSprecherSprecher

Jan Engelmann, Referent für Kunst und Kultur bei der Heinrich-Böll Stiftung in Berlin.

OOOO----Ton EngelmannTon EngelmannTon EngelmannTon Engelmann

Der Fall Mocek hatte den Vorläufer von Tom Kummer und bei einem Interview, dass da zwei

Urheber vereint auftreten, der Fragesteller und der Befragte. Zumeist werden diese Dinge

autorisiert, im angelsächsischen Journalismus nicht unbedingt und so gibt es immer einen

Restbestand an Zweifel, ob das Interview so in dieser Form stattgefunden hat. Journalisten müssen

in ihrer täglichen Praxis Interviews sehr stark redigieren, das heißt von einem authentischen Abbild

können wir sowieso nicht sprechen, in dem Sinne, dass jetzt bekannten Persönlichkeiten Worte in

den Mund gelegt worden sind, ist natürlich eine Grenze überschritten worden, das Ganze wurde

skandalisiert und die beteiligten Personen, sowohl Kummer als auch Mocek wurden von ihren

Arbeitgebern entlassen.

SprecherSprecherSprecherSprecher

Politik, so scheint es, lassen Sie lieber außen vor, Beyoncé. Haben Sie das auch von einem

Interviewtrainer gelernt?

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Eigentlich war es eine Trainerin, und zu unserem jetzigen Präsidenten habe ich mich schon oft

geäußert. Ich war sehr gerührt, als ich sah, wie Barack Obama zu „Single Ladies“ tanzte; er hatte sogar

ein paar Schritte aus dem Video einstudiert. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, dass es mein Lied

ist. Ich finde es einfach gut, dass wir einen Präsidenten haben, der überhaupt wahrnimmt, was junge

Menschen um ihn für Musik hören. Was für ein Leben sie führen.

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Ich bin überzeugt, dass es im Allgemeinen eine große Ehrlichkeit im Journalismus gibt. Und

einiges daran haben wir dem „Gonzo-Journalismus“ zu verdanken. Diese Autoren waren teilweise

vom Stil der Literatur und dem Roman beeinflusst und sie waren gewillt, grenzüberschreitend zu

denken, zu spekulieren. Der Begründer dieses Genres, Hunter S. Thompson, hat Anfang der 70er

die wildesten Übertreibungen in seine Reportagen eingebunden. Es ist schwierig das Wort

Wahrheit im Zusammenhang mit seinen Reportage zu benutzen, aber es gab eine subjektive

Wahrheit, die auch den Mainstream-Journalismus beeinflusst hat.

24

[I do think there is a great honesty in global culture, in the world presented through journalism, and

some of that we owe to gonzo-journalism, because, you know, these writers in part influenced by

literature and by the novel, by deliberates that fiction has always taken, were much more willing to

blur things out and to speculate. The original gonzo-journalist Hunter Thompson would include

wild exaggerations in his stories, so it’s hard to use the word truth in connection with his writings,

but I think there was a truth in Hunter Thompsons gonzo-journalism, and I think that truth has

filtered down into mainstream journalism.]

OOOO----TTTTon Stephenson Stephenson Stephenson Stephens

Man könnte sagen, dass Gonzo-Journalismus Rock and Roll-Journalismus ist. Es gab diese Art von

Dringlichkeit und Ehrlichkeit im Rock and Roll, die durch Gonzo auch in den Journalismus

geflossen ist. Aber es gab auch Andy Warhol, Liechtenstein, Pop-Kultur, auch sie haben

interessante Aspekte einfließen lassen, vielleicht sogar postmoderne Aspekte.

[You could say that gonzo-journalism is rock’n roll journalism, there was some kind of urgency to

rock’n roll music, loudness to rock’n roll music, and I would say an emotional honesty to rock’n roll

music that made its way into journalism in part through gonzo. But there’s also a kind of Andy

Warhol, Liechtenstein, pop culture that I think has filtrated things in interesting ways, maybe even

post-modern ways.]

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ich weiß jetzt, dass im Pop-Journalismus ein großer Etikettenschwindel praktiziert wird. Man

existiert nur, wenn man ein Publikum hat, selbst für die banalsten Dinge. Dabei geht es nicht um

Wahrheit, sondern um Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht, wie lange ich dieses Theater noch

mitspielen soll? In letzter Zeit frage ich mich immer häufiger, wofür ich es mache. Die Bezahlung

ist miserabel. Aber es ist zumindest ein geregeltes Einkommen. Aber ist es das wert? Die

Arbeitszeiten sind unmöglich! Carlo ruft mich auch schon mal um zwei Uhr morgens mit einer Idee

an. Als er anrief, habe ich gezögert, bin dann aber doch ans Telefon gegangen. Es war eine Falle.

Jetzt arbeite ich nonstop. Die Anfragen werden täglich mehr, schneller und überhaupt: Rund um

die Uhr. Ich habe ein Angebot für einen Roman bekommen, den ich ghostschreiben soll. Die

Autorin ist eine bekannte Journalistin bei einer angesehenen italienischen Tageszeitung. Vielleicht

sollte ich bei dem Modehaus kündigen und dieses Buch schreiben? Vielleicht ist es weniger

unehrlich, Literatur für jemand anderes zu schreiben? Weil es dort nicht um Faktentreue geht?

[It's a big swindle the pop journalism. You just exist if someone sees what you're doing, you need

an audience even for the most basic thing that you're doing. You just exist to the public side

otherwise you're not there. So the truth is not important anymore. It's important as long as it's

there. The working hours were impossible. Because it was like crazy working all the time, having

25

ideas at two in the morning. And I was like, I was always very scrupulous. Should I answer a phone

call at two am? Maybe not. But I did, which was a trap in a way. Because I found myself trapped in

a (?) of absolute request on Saturdays and Sundays. At one point I got really upset, because the

requests were so many and so fast and so all the time that I didn't have any kind of time for me.]

SprecherSprecherSprecherSprecher

Regel Nummer 5: Überschreite niemals den schmalen Grat zwischen Kunst und Plagiat.

Sprecherin KlatsSprecherin KlatsSprecherin KlatsSprecherin Klatschreporterinchreporterinchreporterinchreporterin

Der Literaturnobelpreisträger Camilo Jose Cela wurde im Jahr 2001 beschuldigt, die meisten seiner

Werke mit Hilfe von Ghostwritern geschrieben zu haben. Bei mindestens zwei seiner Romane

sollen ihm Autoren Handlungsstränge und Figuren geschrieben haben. Außerdem soll er sich bei

anderen Autoren bedient haben. Cela haben diese Vorwürfe nicht geschadet. Von seinen

Hilfsautoren hat man nie wieder etwas gehört.

OOOO----Ton EngelmannTon EngelmannTon EngelmannTon Engelmann

Es gibt eine Renaissance des Starsystems, also diese sozusagen sehr populären, von vielen Leuten

gelesenen Autoren, ein Text verknüpft sich sozusagen mit einer Marke, mit einem Brand. Das ist

momentan der starke Trend sozusagen. Vielleicht gibt es wirklich für den zeitgenössischen

Menschen immer noch so eine Sehnsucht nach Verfügungsgewalt und Souveränität, die uns ja

sozusagen im Alltag etwas entgleitet. Sozusagen das Gefühl der Komplexitätssteigerung der

Überforderung ist allgegenwärtig und wir wünschen uns eigentlich in unseren Vollzügen so was wie

eine Grundautonomie und Souveränität. Obwohl man ja sagen muss, dass jüngere Menschen in

gewisser Weise mit diesen Imperativen des Authentischen, Originalen, Eigenschöpferischen,

Individuellen, im Grunde genommen nichts mehr anfangen können. Sie sind vernetzt über soziale

Netzwerke, sie schreiben eventuell mit an Online-Enzyklopädien, wie Wikipedia, das heißt, sie

haben eine Form der Kenntnis über kollaborative Zusammenhänge, die auf diese Vereinzelung weit

weniger abstellen und daran schlicht nicht mehr glauben.

SprecherSprecherSprecherSprecher

„Copy & Paste Gives It Some Taste!“

26

Sprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin KlatschreporterinSprecherin Klatschreporterin

Als Untermieterin im eigenen Kopf hat die „Digital Native“ Helene Hegemann ganze Textpassagen

aus einem Blog in ihren Debütroman kopiert. Axolotl Roadkill killed the copyright – und den Autor

als Schöpfer seines eigenen Universums.

OOOO----Ton von der LeyenTon von der LeyenTon von der LeyenTon von der Leyen

Im Fall von Frau Hegemann sehe ich das ein bisschen anders, weil dieses Buch war unter anderem so

eindrucksvoll, weil man dachte, wow, eine 17jährige, wie wenig Erfahrung kann die eigentlich nur haben,

und was für einen Sprachgebrauch schafft sie tatsächlich. Mittlerweile weiß man dann eben, also die

Kunstform ist einfach, die Kunst ist geschmälert dadurch, dass sie a) die Erfahrung nicht gemacht hat,

b) die sowieso durch das Buch durchweg relativ uneinheitliche Sprache ganz offensichtlich nicht auf

ihren Mist gewachsen ist. Hätte sie es raus gebracht als Kunstform, als Copy & Paste Buch hätte man

gedacht, gute Idee, oder auch nicht, je nachdem. Aber so sozusagen kam es zu Lorbeeren, die nicht

angebracht waren, weil es weder ihre Sprache war noch ihre Erfahrung und was bleibt denn da noch

eigentlich?

OOOO----Ton EngelmannTon EngelmannTon EngelmannTon Engelmann

In dem Moment, wo sie Textquellen kenntlich gemacht hätte beziehungsweise auch eine

Nachdruckgenehmigung erwirkt hätte von dem Blogger „Airen“, da wäre eine Ebene der

Skandalisierung weggefallen. Interessant war einfach, dass es sehr schnell diesen Link gab zur

Urheberrechtsdebatte und Helene Hegemann in diesem fast schon legendären Statement natürlich

dazu aufgerufen hat, mit diesem ganzen Müll aufzuhören. An der Stelle spätestens gehen viele

Leute nicht mit, die das Urheberrecht als etwas ansehen wie eine Kohärenz und wie eine

Unversehrtheit eines Werkes aufrechtzuerhalten, um sich damit rechtlich abzusichern. Die

Vermischung zwischen dem, was justiziabel erscheint und die Vermischung, was ästhetisch

zulässig ist, da gab es eine sehr unzulässige Vermischung. Denn Prinzipien der Bricollage, des

Pastiche, des offenen Zitierens sind tatsächlich Standards in der modernen Literatur. Insofern sage

ich, sind das Dinge, die einer postmodernen Ästhetik gehorchen und die sollten möglichst auch im

Roman zugelassen werden. Man sollte jetzt wirklich genau darauf achten, inwieweit es wirklich um

die konkrete Verletzung von Urheberrechten geht, was noch mal was anderes ist als im Grunde

genommen mit einer offenen Referenz so was wie Respekt auch vor einem anderen Künstler

auszudrücken.

OOOO----Ton StephensTon StephensTon StephensTon Stephens

Dieser Gedanke, dass der Autor das Recht an seinem Werk hat, lässt sich in der Geschichte bis zur

27

Erfindung der Druckerpresse zurückverfolgen. Es gibt nun Stimmen, die von einer Rückkehr zu der

Zeit davor sprechen. Das geht mir allerdings einen Schritt zu weit in Richtung Postmoderne.

[This whole notion that the author owns her work is one that we can trace in history in a more or

less to the arrival of the printing press. So in some ways we’re kind of, you know, they’re talking

about the return of that, but no, that’s one step in post-modernism that I’m not willing to take.]

OOOO----Ton EngelmanTon EngelmanTon EngelmanTon Engelman

Anknüpfend an Barthes hat Michel Focault auch die Frage gestellt, was ist ein Autor? Hat ein Zitat

von Becket benutzt, wen kümmert’s wer spricht. Und hat sozusagen die Analyse, nicht nur der

Literaturgeschichte, sondern der Zeitgeschichte einfach an Diskursformationen geknüpft, die dann

immer vielleicht von Einzelpersonen losgetriggert sind, aber an denen ja im Prinzip sehr viele Leute

beteiligt sind. Und dieser Form einer interaktiven Kommunikation haben sich bestimmte Autoren

zu eigen gemacht. Natürlich die so genannte Popliteratur, natürlich aber auch hochkomplexe,

literarische Oeuvres, die sozusagen über eine fast Totalitätsbeschreibung der gesamten

Gesellschaft ausufernd mit Referenzen arbeiten und dem steht vielleicht noch eben auch die

Vorstellung eines geschlossenen Systems gegenüber, das heißt der Autor als Originalgenie, der

sozusagen autonom tätig ist. Aber das ist, glaube ich, eine Vorstellung, die in der Form nur noch

von sehr, sehr wenigen Autoren aufrechterhalten wird, die im Grunde genommen auch antiquiert

ist.

OOOO----ToToToTon Stephensn Stephensn Stephensn Stephens

So weit würde ich nicht gehen. Wenn ich etwas schreibe, möchte ich nicht, das jemand anderes

vorgibt, dies geschrieben zu haben. Aber kann jemand anderes etwas nehmen, das ich geschrieben

habe und dann interessante Dinge damit machen, in einer ehrlichen Weise, die meine Arbeit

respektiert? Das wäre großartig. Muss ich dafür bezahlt werden? Ich bin mir nicht sicher, ob ich

dafür Geld bekommen sollte, wenn jemand nur Sätze oder Absätze von mir benutzt. Aber er sollte

nicht vorgeben, dass meine Arbeit seine Arbeit ist.

[I’m not willing to go that far. If I write something, I don’t want somebody else to pretend they

wrote it. But can somebody else take what I wrote and do interesting things with it, in an honest

way, where my work would be acknowledged? That would be fantastic. That would be great. Do they

have to pay me for that? I’m not sure they have to pay me if they’re just taking, you know,

sentences, even a paragraph, I don’t need money for that, just don’t pretend that my work is your

work.]

28

SpSpSpSprecher Flaccaventorecher Flaccaventorecher Flaccaventorecher Flaccavento

In gewisser Weise ist es nicht ethisch, wenn sich ein Ghostwriter alles ausdenkt – was heute aber

üblich ist. Es wäre ethischer für mich, wenn ein Designer oder Politiker einen Autor an ihrer Seite

hätten, dem sie Dinge diktierten, die er dann in eine verständliche Form brächte. Das wäre ein

ethisches Ghostwriting. Aber das passiert so nicht. Ich bin wenig überrascht, dass der Designer

nicht in der Lage war, Email-Interviews zu beantworten. Ich würde mir wünschen, dass er sie selbst

beantwortet. Aber was erwartet man von einem Mann, der sechs Monate lang gar nicht wusste,

dass ich für ihn als Ghostwriter gearbeitet habe und er noch nicht Mal mein Gesicht kannte?

[In a way it is unethical when the ghostwriter makes everything up, that what happens today. For

me it would be ethical to have a writer at your side if you're a designer, a politician that just, you

know, he dictates things and you put it in a very nice, elegant, understandable form. That would not

be an unethical ghostwriting. But that would never happen. I am not surprised that the designer is

not able to answer an email-interview. I would hope that he actually answers the questions. It's not

that he, like for me it was a little bit of a shock that for six months the designer, I was writing for

him and he didn't see my face. That's the point.]

OOOO----Ton MorelTon MorelTon MorelTon Morel

Ich finde nicht, dass hier ein Etikettenschwindel betrieben wird. Nein. Es ist nur eine andere

Medienform. Es ist ein weiterer Weg, den Büchermarkt zu bedienen. Es ist einfach eine Erweiterung

des Verlagsgeschäfts.

[I don’t think it’s a media fake. No. I think it’s just another form of media. It’s another way to

deliver. It’s a media enhancement. It’s a publishing enhancement.]

OOOO----Ton Ton Ton Ton von der Leyenvon der Leyenvon der Leyenvon der Leyen

Ich bewege mich ja hier nun sehr stark in diesem Lifestylebereich, da habe ich jetzt nicht so ein

Auffassungsproblem. Ich hätte ein großes Problem mit Politikern. Für die könnte ich das einfach nicht

machen. Aber in der, in dem, da befinde ich mich ja nicht an dem Punkt. Ich sage sonst auch, das ist

totaler Quatsch, das kann man so nicht sagen, da stehe ich nicht dahinter, ist nicht. Aber das ist ja nun

kein gefährdeter Bereich, in dem ich mich da bewege.

Sprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher FlaccaventoSprecher Flaccavento

Ich bin übrigens bis heute nicht aufgeflogen. Macht mich mein Versteckspiel zum Feigling? Ich

weiß es nicht. ich sage mir immer selber: Es ist nur Mode. Ich rette nicht die Welt. Und vielleicht

kann ich den Designer zumindest ein paar kluge Dinge sagen lassen. Außerdem – das ist vielleicht

29

keine Entschuldigung, aber – wenn ich den Job nicht gemacht hätte, hätte ihn jemand anderes

gemacht. Ich werde dieses System nicht verändern. Immerhin habe ich mein bestes getan, den

Designer wie einen echten Menschen klingen zu lassen, mit seinen ganzen Schwächen. Nicht wie

einen Superhelden. Ich betrachte mich als Make-up-Artist. Anstelle von Puder und Lippenstift

arbeite ich eben mit Wörtern. Eigentlich bin ich Relativist. So sehr, dass auch meine Erzählungen

hier in Wirklichkeit eine reine Erfindung sein könnten.

AbspannAbspannAbspannAbspann

Anything Ghost. Von Nils Binnberg.

Mit dem Ghostwriter Angelo Flaccavento

Der Agentin Madeleine Morel

Der Journalistin Katharina von der Leyen

Dem Professor für Journalismus Mitchell Stephens

Und dem Kulturreferenten Jan Engelmann

Regieassistenz: Sven Töniges

Regie Thomas Wolfertz.

Redaktion Leslie Rosin.

Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2010.

ENDE

Mitwirkende im OMitwirkende im OMitwirkende im OMitwirkende im O----TonTonTonTon

Angelo Flaccavento, Ghostwriter aus Ragusa, Italien

Katharina von der Leyen, Ghostwriterin aus Berlin

Madeleine Morel, Agentin für Ghostwriter in New York

Mitchell Stephens, Professor für Journalismus an der NYU in New York

Jan Engelmann, Kulturreferent der Heinrich Böll-Stiftung in Berlin

30

Mitwirkende im StudioMitwirkende im StudioMitwirkende im StudioMitwirkende im Studio

Sprecher Angelo Flaccavento

Sprecherin Over Voice Madeleine Morel

Sprecher Over Voice Mitchell Stephens

Sprecher Computer

Sprecher Carlo

Sprecher / Regeln

Sprecherin Klatschreporterin