freiheitliche und soziale demokratie: freiheit vs. gleichheit

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Freiheitliche und soziale Demokratie - - Freiheit versus Gleichheit - - Inhalt 1. Einleitung....................................................................................2 1.1. Begriff und Entstehungsformen der Demokratie.................................3 1.1.1. Demokratie in Abgrenzung zu anderen Herrschaftsformen...............3 1.1.2. Demokratie und ihre historisch entstandenen Ausprägungen............4 2. Begriffliche Abgrenzungen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene............6 2.1. Zentralverwaltungs-, Markt und soziale Marktwirtschaft......................6 2.2. Sozialismus, Liberalismus und Sozialdemokratie................................7 3. Entstehung und Bedeutung von Freiheit und Gleichheit als Werten...............9 3.1. Die Freiheit und der Liberalismus..................................................9 3.2. Die Gleichheit und der Sozialismus...............................................10 4. Freiheit versus Gleichheit oder Freiheit und Gleichheit?...........................11 4.1. Freiheit versus Gleichheit als gegensätzliche Elemente......................11 4.2. Freiheit und Gleichheit als sich ergänzende Elemente........................12 5. Zusammenfassung.........................................................................14 Literaturverzeichnis......................................................................15 1

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Hausarbeit zur politischen/wirtschaftlichen/soziologischen Betrachtung der Beziehung "Freiheit vs. Gleichheit". Wissenschaftliche Verwendung nur unter korrekter Zitierung, Link auf das Dokument oder http://derjesko.de erwünscht.

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Page 1: Freiheitliche und soziale Demokratie: Freiheit vs. Gleichheit

Freiheitliche und soziale Demokratie- - Freiheit versus Gleichheit - -

Inhalt

1. Einleitung....................................................................................2

1.1. Begriff und Entstehungsformen der Demokratie.................................3

1.1.1. Demokratie in Abgrenzung zu anderen Herrschaftsformen...............3

1.1.2. Demokratie und ihre historisch entstandenen Ausprägungen............4

2. Begriffliche Abgrenzungen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene............6

2.1. Zentralverwaltungs-, Markt und soziale Marktwirtschaft......................6

2.2. Sozialismus, Liberalismus und Sozialdemokratie................................7

3. Entstehung und Bedeutung von Freiheit und Gleichheit als Werten...............9

3.1. Die Freiheit und der Liberalismus..................................................9

3.2. Die Gleichheit und der Sozialismus...............................................10

4. Freiheit versus Gleichheit oder Freiheit und Gleichheit?...........................11

4.1. Freiheit versus Gleichheit als gegensätzliche Elemente......................11

4.2. Freiheit und Gleichheit als sich ergänzende Elemente........................12

5. Zusammenfassung.........................................................................14

Literaturverzeichnis......................................................................15

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Page 2: Freiheitliche und soziale Demokratie: Freiheit vs. Gleichheit

1. Einleitung

Nicht nur in unserem deutschen Parteiensystem, sondern auch in der allgemeinen Politik

ebenso wie in sämtlichen die Politik betreffenden und beeinflussenden Themen herrschen in

Bezug auf die Demokratie zwei (vermeintliche) Gegensätze vor, die sich schon bis in die

historischen Entstehung der demokratischen Regierungsformen der Demokratie

zurückverfolgen lassen: die Begriffe Liberalismus und Sozialismus, vereinfacht auf die Werte

Freiheit und Gleichheit. Jegliche politische Entscheidung kann im Lichte dieser beiden

Gegensätze betrachtet werden, und allzu oft scheint die Schaffung von mehr Gleichheit mit

einer Freiheitseinschränkung einherzugehen, während ein erhöhter Bedarf an Freiheit meist

mit Ungleichheit bezahlt wird.

Die politischen Fronten zwischen den Liberalisten und den Sozialisten sind oft

solchermaßen verhärtet, dass der jeweiligen Position die Existenzberechtigung abgesprochen

wird.1 Dabei fällt häufig unter den Tisch, dass sowohl die Freiheit als auch die Gleichheit

historisch mit der Entstehung der modernen Demokratie eng verwoben sind. Es stellt sich die

Frage, ob eine Koexistenz beider Werte in einem Gleichgewicht nicht doch möglich ist,

beziehungsweise wie diese sich verwirklichen lassen könnte.

Im folgenden werde ich die jeweiligen Positionen von tendenziell liberalen und tendenziell

sozialen Autoren behandeln und anschließend zu betrachten versuchen, ob und in wie weit

eine Ergänzung der beiden Ideale wünschenswert und realisierbar ist.

1 Hierbei muss zwischen der liberalen und sozialen Überzeugung einerseits und der liberalen und sozialen Parteipolitikandererseits unterschieden werden, da letztere häufig im Sinne des parteipragmatischen Machtstrebens agiert und sich dieParteien trotz der entsprechenden Selbstdefinition nicht ausschließlich auf eine dieser Überzeugungen dezimieren lassen.

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1.1. Begriff und Entstehungsformen der Demokratie

Bevor auf die Positionen von Freiheit und Gleichheit im System der Demokratie

eingegangen werden kann, muss zuerst die Demokratie an sich behandelt werden. Zwar

dürfte eine klassische Definition des Begriffs Demokratie in unserer Gesellschaft aufgrund

seiner allgemeinen Bekanntheit hinfällig sein, bei einer intensiveren Behandlung mit der

Materie fällt jedoch auf, dass Demokratie im Vergleich zu anderen politischen Systemen

keineswegs so dichotomisch betrachtet werden kann, wie gemeinhin oftmals angenommen

wird. Im Folgenden möchte ich deshalb erst eine Abgrenzung zwischen der Demokratie und

Herrschaftssystemen wie Autokratie, Monarchie und Diktatur vollziehen (in dem Ausmaß, in

welchem eine solche Abgrenzung möglich ist), gefolgt von einer inneren Analyse der

Demokratie, bei der ich die verschiedenen Ausprägungen betrachten werde, und wie diese

sich historisch entwickelt haben.

1.1.1 Demokratie in Abgrenzung zu anderen Herrschaftsformen

Als prinzipielle Abgrenzung der Demokratie im Vergleich zu anderen Herrschaftsformen

kann man Demokratie als ein „Ensemble von (primären oder Grund-)Regeln begreifen, die

festlegen, wer zur Teilnahme an den kollektiven Entscheidungen berechtigt ist und mit

welchen Verfahren diese Entscheidungen getroffen werden“2. Bezeichnend ist hierbei, dass

die Entscheidungsmacht einer besonders großen Anzahl der Mitglieder der sozialen Gruppe

zukommt, die mit dem Entscheidungsverfahren der Mehrheitsregel als kollektiv geltende

Entscheidungen fällen.

Als konträre Systeme gelten die Aristokratie (Herrschaft des Adels) und die Theokratie

(Herrschaft der Priesterklasse). Im Alltagsgebrauch wird die Begrifflichkeit allerdings

synonym zur Republik benutzt, welche streng genommen keine Herrschafts-, sondern eine

Staatsform ist. Die Alternativen zur Republik sind Monarchie und Diktatur sowie in einigen

Definitionen (siehe Staatsformenschema nach Aristoteles3) die Oligarchie als Herrschaft einer

Gruppe.

Wie bereits erwähnt kann es innerhalb dieser Unterteilungen größere und kleinere

Differenzen geben. In den kommunistischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts beispielsweise

existierten der Form nach Wahlen, was dem System den Anstrich einer Demokratie geben

sollte. Gleichfalls existieren auch heute noch parlamentarische bzw. konstitutionelle

2 Bobbio, N. 1988:83 Aristoteles 1994

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Monarchien in Europa (z.B. Monaco als konstitutionelle und Spanien als parlamentarische

Monarchie), die zwar von einem König regiert werden aber in der alltäglichen Politik einer

Demokratie sehr nahe stehen. Die Unterscheidung anhand der drei von Norberto Bobbio

erwähnten Bedingungen4 der hohen Anzahl von Bürgern mit Teilnahmerecht an

Entscheidungen, der Existenz von Verfahrensregeln zur Entscheidungsbestimmung sowie das

Vorhandensein von realen Wahlalternativen kann demnach nur als grundlegende Abgrenzung

genutzt werden – parlamentarische Monarchien würden nach dieser „Minimaldefinition“

ebenfalls als Demokratien betrachtet werden.

1.1.2 Demokratie und ihre historisch entstandenen Ausprägungen

Innerhalb der Begrifflichkeit der Demokratie lassen sich weitere Ausprägungen

unterscheiden. Gängig ist hierbei die Unterscheidung zwischen direkter Demokratie und

repräsentativer Demokratie sowie den dazwischenliegenden Mischformen der plebiszitären

Demokratien, die Unterscheidung zwischen präsidentiellen und parlamentarischen

Regierungssystemen und die Einteilung in Mehrheits- und Konkordanzdemokratie. Diese

Unterscheidungen haben selbstverständlich ihre Berechtigung, sollen aber an dieser Stelle

nicht weiter behandelt werden, da sie zur Erörterung der Thematik nicht weiter

ausschlaggebend sind. Stattdessen werde ich mich den Ausprägungen in sozialistische bzw.

sozialdemokratische Demokratie auf der einen und liberale Demokratie auf der anderen

Seiten konzentrieren.

Huber unterscheidet in seiner Schrift „Das GG-Szenario“ eine „freiheitliche“5 und eine

„soziale und partizipative“6 Demokratie, die sich (vor allem in Deutschland) konträr

gegenüberstehen. Obwohl Huber die heutige partizipative Demokratie in Verbindung mit

dem „Sozialetatismus“7 und einem Klientelismus zwischen Wählern und Parteien bringt und

sie deshalb überwiegend als negative Entwicklung schildert, so wird stellenweise

nichtsdestoweniger deutlich, dass sie ihre historische Berechtigung hat und (laut Huber) die

freiheitliche Demokratie lediglich zu weit in den Hintergrund gedrängt habe.

Historisch lag die Aufgabe des Staates fast ausschließlich darin, das Eigentum mithilfe von

Gesetzen und der Durchsetzung dieser zu schützen. Damit erfüllte der Staat vor allem den

Wunsch der wohlhabenden Bürger, der Eigentümer – das ist nur logisch, da das Wahlrecht

anfangs den freien Männern gewährt wurde, ergo nur denen, die Eigentum besaßen und

4 Bobbio, N. 1988:105 Huber, J. 2005: 23ff6 ebd.7 Ebd., 429f

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entsprechend die Entwendung ihres Eigentums fürchten konnten. Mit der Ausweitung des

Wahlrechts auch auf die niedrigen Klassen entstand verständlicherweise das

Partikularinteresse der arbeitenden Menschen, das einzige zu schützen, was sie hatten: ihre

Arbeit. Entsprechend entwickelten sich Parteien, die sich dem Schutz von Arbeit durch

Kündigungsschutz, Sozialversicherungen u.ä. widmeten. Die liberale Position hingegen

beruht auf dem Bedürfnis der freiheitlichen Bürgerrechte nach einem Staat, der diese

garantieren kann (was nur in einer Demokratie möglich ist, dazu siehe auch Abschnitt 3.).

Soziale Umverteilungen wie sie im Laufe der Sozialpolitik entstanden, konnten natürlich mit

den (bürgerlichen) Freiheitsvorstellungen in Konflikt treten – wenn ein Reicher mehr

Sozialabgaben zahlen muss als ein Armer um diesem einen Schutz im Falle von Arbeitsverlust

zu garantieren, kann dies leicht als Einschränkung seiner Freiheit angesehen werden.8 Da der

weitaus größere Teil unserer Gesellschaft nettobegünstigt ist (Minderjährige, Rentner,

Arbeitslose, Hausfrauen, Auszubildende und Studenten, Mutter- bzw. Vaterschafts-

Auszeitnehmende, Teilzeitarbeitende, geringfügig Beschäftigte etc) und eine majorisierte

Minderheit der Vollbeschäftigten nettobelastet ist, ist eine Ausbreitung der Sozialstaats auch

ins ehemals konservative Lager (und in Ansätzen sogar in die liberale Partei) nachvollziehbar.

Im Folgenden möchte ich nun die beiden Elemente Freiheit und Gleichheit in Verbindung

mit der Demokratie betrachte, wobei ich mich erst der wechselseitigen Beziehung von

Freiheit und Demokratie widmen werde, und im Abschnitt 4 die Gleichheit im Sinne des

modernen Sozialstaats betrachten werde.

8 Vgl. Huber 2005

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2. Begriffliche Abgrenzungen auf wirtschaftlicher / politischer Ebene

Um das Wechselspiel aus Freiheit und Gleichheit sowie die politischen Orientierungen aus

Liberalismus und Sozialismus sowie Sozialdemokratie betrachten zu können, müssen zuerst

einige begriffliche Abgrenzungen vorgenommen werden, um dann mit den definierten

Begriffen arbeiten zu können. Hierbei ist vor allem eine Trennung der wirtschaftlichen und

der politischen Ebene nicht zu vernachlässigen, wobei jedoch nicht vergessen werden sollte,

dass diese natürlich in beträchtlichem Maße miteinander zusammenhängen (vor allem im

Falle der Zentralverwaltungswirtschaft und dem politischen Sozialismus).

2.1. Zentralverwaltungs-, Markt- und soziale Marktwirtschaft

Die Begriffe „Kommunismus“ und vielmehr noch „Kapitalismus“ sind als solche äußerst

schwer zu definieren, da sie in vergangenen Theorien und Schriften stets neue, teils

voneinander unabhängige Eigenschaften zugeschrieben bekommen haben.9 Zur Betrachtung

der wirtschaftlichen Ebene möchte ich deshalb hauptsächlich die Begrifflichkeiten der

„Zentralverwaltungswirtschaft“ und der „Marktwirtschaft“ verwenden, wie sie Walter

Eucken in seiner Ordnungstheorie aufgestellt hat10. Eine Marktwirtschaft zeichnet sich durch

eine dezentrale „Planung der arbeitsteiligen Gesamtprozesse“11 aus und ersetzt als solche

zumindest eine der Definitionen des „Kapitalismus“, die Zentralverwaltungswirtschaft ist,

wie der Name vermuten lässt, eine „Wirtschaftsordnung zentraler Planung der

arbeitsteiligen Prozesse“12 und ersetzt in der Definition den Kommunismus. Ein weiterer

Aspekt, der Kapitalismus und Kommunismus unterscheidet, in den genannten Begriffen

Euckens so jedoch nicht auftaucht, ist das Vorhandensein von Privateigentum an

Produktionsgütern im Kapitalismus gegenüber dem gesellschaftlichen Eigentum im

Kommunismus.

Als drittes mögliches Wirtschaftssystem sei hier die soziale Marktwirtschaft genannt, die in

der hier verwendeten Interpretation zwischen Zentralverwaltungs- und Marktwirtschaft13

steht. Die ursprüngliche Idee der sozialen Marktwirtschaft stammt, ebenso wie die oben

9 Vgl. Bog, I., 1978: 42110 Vgl. ebd.: 42611 Ebd.12 Ebd.13 Im Gegensatz zur sozialen Marktwirtschaft wird diese oft als freie Marktwirtschaft bezeichnet, was ich hier jedoch

vermeiden möchte, da diese Begrifflichkeit auf die Gegensätzlichkeit von Freiheit und Gleichheit abzielt.

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angebrachten Begrifflichkeiten, vom Begründer der Freiburger Schule, Walter Eucken14.

Wichtige Elemente in Euckens Definition der sozialen Marktwirtschaft waren die

Verhinderung von Monopolen und die Sicherung des Wettbewerbs15, sowie eine

funktionierende Sozialpolitik: „So ist die soziale Frage ein Teil der großen Frage nach einer

zureichenden freien Wirtschaftsordnung“16. Übernommen wurde das System der sozialen

Marktwirtschaft vom Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard und

seinem Staatssekretär, dem Wirtschaftswissenschaftler Alfred Müller Armack, die den Begriff

erstmals in der Politik verwendeten. Laut Erhard, der die soziale Marktwirtschaft als

„liberalen Sozialismus“ bei seinem Lehrer Franz Oppenheimer17 kennenlernte, nimmt in

dieser Richtung der Staat die Position als Gestalter und Regelsetzer ein um den Wettbewerb

als Mittel zur „Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns“18, also zum „Wohlstand für

alle“19 zu nutzen. Die Tatsache, dass Erhard formell CDU-Politiker war, zeigt die

Brückenfunktion der sozialen Marktwirtschaft, die nicht an ein linkes politisches Spektrum

gebunden ist.

2.2. Sozialismus, Liberalismus und Sozialdemokratie

Sozialismus und Liberalismus als politische Orientierungen sind als solche stark mit der

Bevorzugung des Wertes Gleichheit auf der einen, und Freiheit auf der anderen Seite

verbunden.

Der Liberalismus, zu bedeutenden Teilen von John Locke geprägt, ist im ursprünglichen

Sinne ein Konzept, dass heute alle demokratischen Parteien vertreten: die freiheitlichen

Bürgerrechte, Toleranz und Meinungsfreiheit und die unanfechtbaren Grundrechte, die noch

vor demokratisch gefällten Entscheidungen stehen, werden heute weniger als liberalistisch,

sondern vielmehr als unbedingtes Element unserer Demokratie angesehen. Der Begriff des

Liberalismus wird daher oft in seiner engeren, ökonomischen Sicht verstanden, die ich auch

in dieser Arbeit vorrangig benutzen werde. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier bei dem

Recht auf Privateigentum, das aus liberaler Sicht Garant für die Freiheit des Bürgers ist. Der

Staat besitzt in dieser Auffassung vor allem die Aufgabe, das Privateigentum zu sichern, und

sich ansonsten aus dem sich selbst regulierenden Markt zurückzuziehen. Besonders

14 Vgl. Gerken, L. [Hrsg.], 2000.15 Vgl. Körner, H., 2007: 23f16 Eucken, W, zitiert nach: Goldschmidt, N., 2008.17 Vgl. Lukomski, J. M., 1965: 36f18 Erhard, L., 1957: 819 Ebd.: 354

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vielsprechend ist hier das allseits bekannte Konzept der „unsichtbaren Hand“ von Adam

Smith20, laut dem sich durch das eigennützige Handeln der Wirtschaftsakteure der Markt

selbst zum besten aller reguliert, solange der Staat sich nicht in die Wirtschaftsgeschehnisse

einmische. Hieraus wird deutlich, dass die Freiheit des Einzelnen sehr viel höher bewertet

wird, als die Gleichheit, die nur durch einen eingreifenden Staat zu erreichen wäre.

Im Sozialismus liegt die Wertpräferenz hingegen deutlich bei der Gleichheit. Heute wird

der Begriff hauptsächlich mit der Arbeiterbewegung im Zuge der Industrialisierung assoziiert,

die natürlich ein größeres Interesse an einer materiellen Gleichheit und Verteilungsfairness

hatte als die besitzenden Arbeitgeber, während die individuelle (wirtschaftliche) Freiheit

hinter den drängenderen Bedürfnissen zurücktreten musste. Tatsächlich ist der Sozialismus

jedoch nur schwer einzugrenzen und es existieren zahllose Definitionen. Einer der

wichtigsten Punkte ist jedoch auch hier wirtschaftlich, da vor allem das Privateigentum

kritisiert wird. Dem Staat kommt hier die Aufgabe der Umverteilung zu, um eine materielle

Gleichheit zu schaffen. Auf die weiteren Details sowie die Unterscheidung in Sozialismus und

Kommunismus soll hier nicht weiter eingegangen werden, von Interesse für die vorliegende

Arbeit sind vor allem die wirtschaftlichen Aspekte, allen voran der Vorwurf, Profitinteresse

führe zu einer Allokation des privaten Kapitals bei wenigen Wirtschaftsakteuren, was laut

ursprünglichen Marxismus sogar wirtschaftlich erfolglosere Gesellschaften zur Folge habe, als

es im Sozialismus der Fall wäre. Wie man sieht, sind auch hier Politik und Wirtschaft eng

verbunden, und kaum getrennt zu behandeln.

Auch auf politischer Ebene lässt sich in gewisser Weise eine Position zwischen den beiden

Ideologien finden. Unabhängig von der Selbstdarstellung der SPD als sozialdemokratisch,

lässt sich die Sozialdemokratie an sich in gewisser Weise als politisches Pendant zur sozialen

Marktwirtschaft kategorisieren. Im Gegensatz zum Sozialismus wird die herrschende

demokratische Staatsordnung befürwortet und die freiheitlichen Grundrechte als wichtig

erachtet, gleichzeitig wird durch eine soziale Umverteilung beziehungsweise die Bekämpfung

der Wurzeln sozialer Ungleichheiten einer Verringerung der materiellen Unterschiede

forciert. Selbstverständlich ist damit nicht die Politik der SPD als solche beschrieben,

sondern lediglich die Maßstäbe, an denen diese sich ihrem Selbstverständnis nach messen

sollte. Besonders der letzte Punkt tendiert in Richtung der Chancengleichheit, ein Aspekt,

den ich weiter unten noch behandeln werde.

20 Vgl. Smith, C., 2006

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3. Entstehung und Bedeutung von Freiheit und Gleichheit als Wert

Ein traditionelles Beispiel, in dem sich die Positionen Gleichheit und Freiheit

wiederfinden, findet sich in der Wirtschafts- bzw. Sozialpolitik. Vertreter liberalistischer

Positionen wollen die Freiheit, sich zu differenzieren und durch die eigene Arbeit reich zu

werden (und mit ihrem Lohn frei umzugehen) für sich beanspruchen, und stehen damit den

sozialistischen Positionen gegenüber, für die der reichere Bürger die Verantwortung trägt,

für die ärmeren Mitglieder der Gesellschaft zu sorgen (was durch Umverteilung geschehen

soll). Entsprechend stehen sich die beiden Ideologien gegenüber und sprechen sich

gegenseitig die Existenzberechtigung ab. Dies ist jedoch, wie ich im Folgenden zeige, von

beiden Seiten nicht gerechtfertigt.

3.1 Die Freiheit und der Liberalismus

Im Liberalismus gilt die größtmögliche Freiheit, nicht zuletzt in der Wirtschaft, als

zentraler Wert unserer Gesellschaft. Die Hauptaufgabe des Staates ist es dementsprechend,

die freiheitliche Selbstentfaltung der Bürger zu sichern und zu garantieren – die Präambel

der Gleichheit gilt vom Grundverständnis her lediglich als Gleichheit vor dem Gesetz.

Die Freiheit als Wert, das kann auch von Vertretern der sozialen Position nicht

abgestritten werden, ist elementar für unser Verständnis von Demokratie. Tatsächlich stehen

Demokratie und Freiheit in einer wechselseitigen Beziehung zueinander, in der sie sich

gegenseitig bedingen: Die bürgerlichen Freiheiten der Versammlung, der Presse, der

Berufswahl etc. sind in diesem Ausmaß historisch bisher nur in demokratischen Staaten

entstanden. Selbst in dem Fall, dass sie ohne diese entstehen würden, kann ein Bestehen der

Freiheiten über einen längeren Zeitraum hinweg nur durch die Demokratie garantiert

werden, da nur in diesem Herrschaftssystem überhaupt ein Interesse an freiheitlichen

Bürgern besteht – für die Existenz einer Diktatur oder Oligarchie wären solche Freiheiten in

der Regel kontraproduktiv. Auf diese Weise betrachtet ist die Freiheit von der Demokratie in

hohem Maße abhängig. Doch auch umgekehrt kann ein demokratischer Staat nicht ohne die

Garantie eines Mindestmaßes an Freiheiten bestehen: jede Repräsentantenwahl wird zur

Farce, wenn die Bürger nicht frei über die Regierung urteilen können sondern von ihm in

ihren Tätigkeiten über alle Maßen eingeschränkt werden.21

21 Vgl. Huber, J. 2005

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Man kann also sagen, dass die Freiheit von allen Befürwortern der Demokratie akzeptiert

werden muss – höchstens die Berechtigung des Ausmaßes der (wirtschaftlichen) Freiheit kann

angegriffen werden, sofern man diese als Wert der Gleichheit gegenüberstellt.

3.2. Die Gleichheit und der Sozialismus

Sowohl der Sozialismus Osteuropas als auch die politische Bewegung der Sozialdemokraten

im Westen entstanden mit der „sozialen Frage“ im Zuge der Industrialisierung die zu einer

zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen Arbeitern und Eigentümern geführt

hatte. Neben der formalen Gleichheit vor dem Gesetz sah diese Position die Notwendigkeit,

eine tatsächliche Gleichheit von Lebenschancen in Ausbildung, Beruf, Einkommen,

Wohnverhältnissen etc. zu schaffen. Dahrendorf erklärt die Entstehung der Dynamik der

staatsbürgerlichen Gleichheit unter Bezugnahme auf seinen Lehrer Marshall in einem Vortrag

folgendermaßen: Am Anfang stand demzufolge „die Vorstellung, daß [sic] die Menschen vor

dem Gesetz gleich sind“22, gefolgt von der politischen Gleichheit, also dem gleichen

Wahlrecht. Der entscheidende Schluss ist jedoch folgender: „Auch das gleiche Wahlrecht

bleibt eine Farce, wenn es soziale Abhängigkeiten gibt, die es dem einzelnen verwehren, von

seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen“23.

Das heißt, die von allen akzeptierte Gleichheit vor dem Recht und die damit

einhergehende politische Gleichheit verlangt eine gewisse soziale Gleichheit zur

Vervollständigung24, und auch hier kann die Berechtigung der Gleichheit in einer Demokratie

schwerlich negiert werden. Erneut ist höchstens die Berechtigung des Ausmaßes der

„Gleichmacherei“ zu Ungunsten der Freiheit angezweifelt werden, stellt man die Werte

einander gegenüber.

22 Dahrendorf 1974:723 Ebd.24 Vgl. ebd.

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4. Freiheit versus Gleichheit oder Freiheit und Gleichheit?

Nach der Betrachtung der einzelnen Elemente Freiheit und Gleichheit an sich und ihren

jeweiligen Bezug zur Demokratie möchte ich mich nun dem wichtigsten Betrachtungspunkt

dieser Arbeit widmen: dem Zusammen- und Gegenspiel von Freiheit und Gleichheit. Zwar

habe ich als Titel für die vorliegende Arbeit „Freiheit versus Gleichheit“ gewählt, möchte

jedoch nichtsdestoweniger keinen voreiligen Schluss über die Beziehung dieser Werte

zueinander ziehen. Denn, wie sich nach intensiver Betrachtung zeigt, gibt es nicht nur in der

Präferenz einer der Werte gegensätzliche Meinungen, sondern auch in der Beurteilung des

Verhältnisses dieser zueinander.

4.1. Freiheit versus Gleichheit als gegensätzliche Elemente

Johann Wolfgang von Goethe prägte einen Satz, der sich in immer wieder abgewandelter

Form durch politische Debatten zieht: „Gesetzgeber oder Revolutionärs, die Gleichsein und

Freiheit zugleich versprechen, sind entweder Phantasten oder Charlatans.“25 Die Gedanken,

die sich der Dichter, Denker und Politiker diesbezüglich gemacht zu haben scheint,

entbehren nicht einer gewisser Logik: allzu häufig ist die Gleichmachung zu Gunsten des

Einen eine Freiheitsbeschränkung des Anderen und vice versa. Auch Max Horkheimer, seines

Zeichen führender Kopf der „Frankfurter Schule“, kam in einem Vortrag Ende der 70er Jahre

zum selben Schluss: „Je mehr Freiheit, desto weniger Gleichheit, je mehr Gleichheit, desto

weniger Freiheit“26. Dahrendorf macht die Gegensätzlichkeit schon an den Begriffen fest:

„Freiheit kann ein Privileg sein, die Gleichheit ist es schon vom Begriff her nicht“27, da es

theoretisch möglich ist, als Einziger in einer Gesellschaft frei zu sein, jedoch nicht, als

solcher gleich zu sein28. Allein aufgrund dessen sei eine Harmonie zwischen Freiheit und

Gleichheit nicht möglich. Freiheit beruhe auf der Chance der Auswahl in einem

differenzierten Angebot, die Gleichheit habe hingegen eine Entdifferenzierung zur Folge29,

was verständlicherweise stetige Konflikte zufolge habe.

Eine noch eindeutigere Positionierung zugunsten der Freiheit in einer Gegensätzlichkeit

der beiden Werte nimmt Norbert Bolz in seinem „Diskurs über die Ungleichheit“ vor – die

Massenmedien inszenieren seiner Meinung nach eine laut ihm so nicht vorhandene

25 Goethe, J.W., 1949/1977: 62226 Zitiert nach: Geiger, S. 200527 Dahrendorf, R., 1974:928 Vgl. ebd.29 Vgl. ebd.

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Ungleichheit, was dazu führe, dass die „Verschiedenheiten [sich] vermindern […], aber die

Gleichheitserwartungen wachsen“30 - mit anderen Worten: „Je mehr Gleichheit, desto höher

die Wut gegen Ungleichheit“31. Ihm zufolge reagiere die Massendemokratie auf die, laut ihm,

natürliche Überlegenheit anderer „mit scharfen Ressentiment zunächst gegen Meisterschaft

und Autorität, dann gegen Kanon und Elite und schließlich gegen Erfolg und Leistung“32. Er

schließt: „Materielle Ungleichheiten sind […] nur dann ungerecht, wenn sie das Resultat

bewusster Verteilung sind. Und daraus folgt: Nicht der Zufall des Marktes, sondern die Politik

der Umverteilung produziert Ungerechtigkeiten“33. So richtig manche Überlegungen zur

Gleichmacherei des Ungleichen sein mögen, die Bolz darlegt, durch eine Aussage über die

öffentliche Meinung34 macht er sich leider auf polemisierende und unwissenschaftliche Weise

unglaubwürdig.

4.2. Freiheit und Gleichheit als sich ergänzende Elemente

Für das Bundesverfassungsgericht (BverfG) sind „Freiheit und Gleichheit dauernde

Grundwerte der staatlichen Einheit“35. In seinem mit dem Theodor-Wolff-Preis prämierten

Kommentar „Keine Freiheit ohne Gleichheit – und umgekehrt“ in der Stuttgarter Zeitung gibt

des weiteren der Journalist Stefan Geiger für die Vereinbarkeit von Freiheit und Gleichheit

das Beispiel der demokratischen Wahlen an: „Frei sind Wahlen nur, wenn alle die gleiche

Möglichkeit haben, sich an ihnen zu beteiligen, und gleich sind sie nur, wenn alle Bürger

tatsächlich auch in ihrer Wahlentscheidung frei sind“36. Das bringt ihn sogar zu dem

bedeutenden Schluss: „Keine Freiheit ohne Gleichheit; keine Gleichheit ohne Freiheit“.37

Die Wortwahl ist hier von elementarer Bedeutung, denn Geiger redet von den gleichen

Möglichkeiten, insofern also ein Synonym für Chancengleichheit. Im Unterschied zu Aussagen

von Verfechtern der Wert-Gegensätzlichkeit wird hier klargestellt, dass es durchaus

materielle Unterschiede geben darf – gefordert werden allerdings gleiche Chancen und

gleiche Würde.38 Dieser Weltsicht zufolge kann es Freiheit nicht ohne Gleichheit geben und

30 Bolz, N., 2009: 1531 Ebd.32 Ebd.: 1133 Ebd.: 1234 „Film und Fernsehen zeigen uns vor allem auch in ihrem Unterhaltungsprogramm seit Jahren nur noch starke Frauen und

lächerliche Männer; Kinder, die klüger sind als ihre Eltern und sehr gut ohne sie auskommen; nette Immigranten die von„rechten“ [Hervorhebung im Zitat] Einheimischen geprügelt werden; Homosexuelle, die ein kultiviertes, politischkorrektes Leben führen.“ ebd.:33.

35 SRP-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.10.1952 zum Verbot der rechtsextremistischen SRP36 Geiger, S., 200537 ebd.38 Vgl. ebd.

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Page 13: Freiheitliche und soziale Demokratie: Freiheit vs. Gleichheit

vice versa. Wenn nicht allen Bürgern, unabhängig ihrer sozialen Herkunft, die gleiche

Möglichkeit gegeben wird, etwas zu erreichen, so können sie auch nicht im gleichen Maße

frei leben. Umgekehrt wird ein Versuch, Gleichheit in unfreien Bedingungen zu schaffen,

zum Scheitern verurteilt sein. Die Forderung von mehr Freiheit beim gleichzeitigen Verzicht

auf Gleichheit ist dieser Position zufolge meist egoistisch: die eigene Freiheit soll auf Kosten

anderer vergrößert werden. Dies wiederum kann mit einem Zitat Rosa Luxemburgs ergänzt

werden: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. […] [W]eil all das Belebende

[…] der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die

'Freiheit' zum Privilegium wird.“39

Die Idee der Chancengleichheit als Maßstab für Gerechtigkeit (anstatt der tatsächlichen

Gleichheit) stammt vor allem von John Rawls, was aus seinem zweiten Grundsatz der

Gerechtigkeit hervorgeht: „soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu gestalten,

dass (a) vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen und (b) sie

mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen“40 - mit anderen Worten:

dass alle die gleichen Chancen haben, diese Ämter zu erreichen. Das dies (noch) ein Ideal

ist, belegt eine französische Studie Pierre Bourdieus, derzufolge Chancengleichheit in der

Realität derzeit nicht existiert41.

Betrachtet man also die Gleichheit mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung als

Chancengleichheit, muss auch der Liberalist Dahrendorf anerkennen: „Staatsbürgerliche

Gleichheit im Sinne der Grundrechte ist eine Voraussetzung für die Freiheit möglichst

vieler“42 - das zeigt sich vor allem an den Beispielen von Meinungs- oder Koalitionsfreiheit,

die diesen Namen nicht für sich beanspruchen könnten, würden nicht alle Bürger das gleiche

Recht auf sie haben.43 Erstaunlicherweise tauchen sogar in bereits erwähnter Schrift von

Norbert Bolz einige Stellen auf, die den unwiderruflichen Zusammenhang der beiden Werte

betonen. So schreibt er beispielsweise: „Für den Liberalen ist Freiheit der […] Weg zur

Gleichheit. Für den Sozialisten ist Gleichheit die Bedingung konkreter Freiheit“44 - auch er

erkennt also die Notwendigkeit beider Werte an, die Ausprägungen aus Sozialismus und

Liberalismus erscheinen nur als unterschiedliche Wege.

39 Luxemburg, R., 1920: 10940 Rawls, J., 1975:8141 „Die Chancen, die Universität zu besuchen, sind für das Kind eines höheren Angestellten achtzig mal größer als für das

Kind eines Landarbeiters, vierzig mal größer als für ein Arbeiterkind und immer noch doppelt so groß wie für das Kindeines mittleren Angestellten.“ Bourdieu 2001: 25

42 Dahrendorf, R., 1974:943 Vgl. ebd.44 Bolz, N., 2009: 26

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Page 14: Freiheitliche und soziale Demokratie: Freiheit vs. Gleichheit

5. Zusammenfassung

Obgleich seiner, wie er selbst zugibt, voreingenommenen Position als Liberaler, drückt

Dahrendorf in einem Satz aus, was die Positionen aus Gegensätzlichkeit und Koexistenz von

Gleichheit und Freiheit verbindet: Ein Gleichgewicht zwischen den beiden jeweils

berechtigten Werten von Freiheit und Gleichheit ist nur durch die stetige

Auseinandersetzung einer „Gleichheitspartei“ und einer „Freiheitspartei“ möglich45. Sieht

man den Wert der Gleichheit eben nicht als Gleichmacherei, wie sie von liberalisitischer

Seite oft denunziert wird und von sozialistischer Seite dem Prinzip nach verfolgt wurde,

sondern als das ursprüngliche Konzept der Chancengleichheit, wie es in sozialdemokratischer

Politik zu tragen kommen sollte, so lösen sich die Widerstände selbst bei Bolz auf: „Jeder

soll die gleichen Chancen haben, ungleich zu werden“46 - sogar die Startseite des

Webauftrittes der liberalen Friedrich-Naumann Stiftung verkündet: „So vehement Liberale

jede freiheitsfeindliche Gleichmacherei bekämpfen, so unnachgiebig müssen sie die

„freiheitskonstituierenden“ Gleichheiten verteidigen: Die Gleichheit vor dem Gesetz und

auch eine richtig verstandene Chancengleichheit.“47

Die Frage, die sich also stellt, ist weniger die nach einer Präferenz einer der beiden Werte

Freiheit oder Gleichheit, noch über eine existierende oder erreichbare Vereinbarkeit dieser,

sondern vielmehr über die Bedeutung der

Chancengleichheit, und ob diese das Konzept

der Gleichheit an sich ersetzen sollte oder an

eine neue Stelle treten sollte. Um die

Positionierung und damit Bedeutung der

Chancengleichheit zu veranschaulichen, sei

auf Grafik 1 verwiesen. Der Gedanke, der

dahinter steht, ist folgender: Die Chancen-

gleichheit, sofern sie denn tatsächlich

umgesetzt ist, ermöglicht allen die gleichen Möglichkeiten, die freie Auswahl zwischen

Karrieremöglichkeiten, Konsumgegenständen etc. zu treffen und verbindet somit die

Elemente der beiden Werten, die ihren Verfechtern am wichtigsten sind.

45 Vgl. Dahrendorf, R., 1974:1046 Bolz, N., 2009:1347 Raichle, G., Friedrich-Naumann Stiftung für die Freiheit http://www.politik-fuer-die-

freiheit.de/webcom/show_page.php/_c-98/_nr-1/i.html, aufgerufen am 7.1.2010

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