formen von gedächtnis und erinnerung in beim häuten der zwiebel und die box
TRANSCRIPT
HAMID TAFAZOLI
University of Washington
Formen von Gedächtnis und Erinnerung in Beim
Häuten der Zwiebel und Die Box1
Das Gedächtnis beruft sich gerne auf Lücken. Was haften bleibt, tritt ungerufen,
mit wechselnden Namen auf, liebt die Verkleidung. Auch gibt die Erinnerung
oftmals nur vage und beliebig deutbare Auskunft. Sie siebt mal grob-, mal
feinmaschig. Gefühle, Gedankenkrümmel fallen wortwörtlich durch.
—Grass, Zwiebel 183
“Was in Literatur umgemünzt wird, spricht für sich” (Zwiebel 373). Wie in
seinen früheren Werken Blechtrommel, Katz und Maus, Hundejahre und Krebs-
gang thematisiert Grass auch in Beim Häuten der Zwiebel erlebte Geschichten
und Erinnerungen literarisch. Im Mittelpunkt stehen die Aufarbeitung der
Geschichte und der Erinnerungsprozess. Als Metapher für Erinnerungen soll
die Zwiebel “Haut nach Haut der Erinnerung auf die Sprünge” helfen oder
“vertrocknete Tränendrüsen erweich[en] und in Fluß” bringen (Zwiebel 373).
Ebenfalls um “Erinnerungen” (Box 101) geht es in Die Box. Hier ist die Kamera,
dieErinnerungendurchdasKnipsenaufbewahrt;dasEntwickelnderNegative
machtsiedannzugänglich. InbeidenWerkenfolgtGrassseinerLebensaufgabe
in literarischer Verarbeitung seines Lebens wie seiner Zeit und bestätigt die
Auffassung, dass Erinnerungen, bald vage, bald konkret, den Stoff bilden, aus
dem die Literatur ist (Humphrey 73). Erinnerungskulturelle Wirkungspoten-
tiale durchstreifen beide Werke. Im Hinblick auf individuelle und kulturelle
Gedächtnis- und Erinnerungsprozesse möchte ich den Text als Ort der
Fixierung erinnerungskultureller Wirkungspotentiale und als Ort des Ge-
dächtnissesdiskutieren.AlsMedium,somöchte ichmeineThese formulieren,
bewegt sich der Text als ästhetischer Ort der Erinnerungsarbeit2 zwischen
einer individuell wie kulturell nachweisbaren Authentizität und einer rheto-
risch und kommunikativ gestalteten Poetitzität. Als Zwischen-Stimme,3 die
über Fakten und Fiktionen in Abhängigkeit und in Abgrenzung voneinander
spricht, lässt der Text beide Stimmen hören und wird durch die Multiperspek-
tivität zu einem konstruierten Ort von Geschichte und Erinnerung.
BegonnenwirddieReflexionaufdieeigeneGeschichtemiteinemBekennt-
nis: “Ob heute oder vor Jahren, lockend bleibt die Versuchung, sich in dritter
The German Quarterly 85.3 (Summer 2012) 328
©2012, American Association of Teachers of German
Person zu verkappen: Als er annähernd zwölf zählte […], begann und endete
etwas.Aber läßtsich,wasanfing,wasauslief, sogenauaufdenPunktbringen?
Was mich betrifft, schon” (Zwiebel 7). Dieser Eröffnungsparagraph expliziert
den Wunsch, sich in dritter Person zu äußern; zugleich vollzieht sich der
Wechsel von einem Er zu einem Ich. Die Perspektive der dritten Person Singu-
lar deutet auf Distanzgewinnung als notwendige Strategie des autobiographi-
schen Romans: Das Ich schlüpft in die Rolle eines anderen und macht sich
selbst zum Objekt. Durch die Angabe über das Alter und über den Anfang und
das Ende des Geschehens sowie durch die individuelle Auffassung und Verar-
beitung des Geschehenen wird ein Rahmen gesetzt, der mit dem Griff nach
literarischem Gebrauch jene erzählte Geschichte (wie auch sonst in Grass’
autobiographischem Werk) als individuelle (Re)Konstruktion derselben
erscheinen lässt. Der Perspektivenwechsel durch die Person des Anderen
kommt an mehreren Stellen vor und steuert den Wechsel von unmittelbarer
Anschauung zu nachgeholter Betrachtung:
Von jung an: ihm war nicht beizukommen, weder mit asketischem Maßhalten –
Beschränkung auf schwarzweiß – noch durch Sucht, die alles Papier beflecken
wollte. Selbst Übersättigung bis zum Wortekel hat ihn nicht abstellen können.
Nie gab es genug. Stets war ich gierig nach mehr. (279)
Das Individuum sieht sich von außen und erfährt sich als ein Anderes. Es ist
sich selbst auf der Spur, betritt “die Bühne der Selbstwahrnehmung” (Wagner-
Egelhaaf 11) und versucht, sich seiner selbst bewusst zu werden:
Ich bereits angejahrt, er unverschämt jung; er liest sich Zukunft an, mich holt die
Vergangenheit ein; meine Kümmernisse sind nicht seine; was ihm nicht schäd-
lich sein will, ihn also nicht als Schande drückt, muß ich, der ihm mehr als ver-
wandt ist, nun abarbeiten. Zwischen beiden liegt Blatt auf Blatt verbrauchte
Zeit. (Zwiebel 51)
Das Ich steht in einer doppelten Funktion: Es macht eine Aussage und
markiert die sprechende und beschreibende Instanz; gleichzeitig erfüllt es die
Rolle eines beschriebenen Ichs und nimmt eine sich von der Sprecherinstanz
zeitlich wie räumlich klar unterscheidende Position ein. Das beschreibende
Ich ist der angejahrte Großvater mit einer Vergangenheit, die es in der Gegen-
wart reflektierend in das beschriebene Ich hineinprojiziert. Die zwischen
beiden liegende Zeit belegt—wie die Häute die Zwiebel—“Schicht auf
Schicht” Erinnerungen; zu erkennen sind bei der Zwiebel “Ritze” und bei den
Erinnerungen einen “Zeitspalt, der mit Anstrengung zu erweitern ist”; durch
ihn “sehe ich mich und ihn zugleich” (51).
In Die Box bezeichnet die Fotografin Marie ihre Kamera, wie wir aus Patriks
Munde hören, als etwas, was den Durchblick hat. Hier ist das Spiel mit dem
Perspektivenwechsel das künstlerische Hauptanliegen. In jedem der neun
Kapitel nehmen bis zu acht Erzähler Aufstellung und sprechen über das Ich,
TAFAZOLI: Grass 329
das bereits zu Beginn des Romans über sie spricht und sie als seine Söhne und
Töchter vorstellt, die über den abwesenden Vater sprechen:
Es war einmal ein Vater, der rief, weil alt geworden, seine Söhne und Töchter zu-
sammen – vier, fünf, sechs, acht an der Zahl –, bis sie sich nach längerem Zögern
seinem Wunsch fügten. Um einen Tisch sitzen sie nun und beginnen sogleich zu
plaudern: jeder für sich, alle durcheinander, zwar ausgedacht vom Vater und
nach seinen Worten, doch eigensinnig und ohne ihn, bei aller Liebe, schonen zu
wollen. Noch spielen sie mit der Frage: Wer fängt an? (Box 7)
Doch das erste Gespräch findet bei dem Vater selbst statt; jedes weitere
Kapitel wird auch von ihm abgeschlossen. Er ist derjenige, der den Rahmen
setzt und das letzte Wort haben will (Zwiebel 8). Dazwischen stehen in Box
Dialoge der Kinder, bei denen der Leser im Verlauf der Gespräche erschließen
soll, wer spricht. Während der Erzähler in Zwiebel den Kunstgriff auf die dritte
Person anwendet, lässt er das Wort Ich in Box seinen Kindern in den Mund. Die
Selbstthematisierung des beschreibenden Ichs erfolgt in beiden Texten als ein
zweifaches Selbst: Ein Selbst als bloßes Lebensresultat mit individuellen
Erfahrungen und mit einem individuellen Gedächtnis und ein Ich, das seine
Selbstheit ausdrücklich macht und sie zum Gegenstand von Darstellung und
Kommunikation erhebt. Die Übernahme von Fremdperspektiven und soziale
Festlegungen machen den “Selbstbezug” des Ichs auf ein Bild, das es von sich
malt, überhaupt möglich (Hahn 10). Es handelt sich also um Spiegelungs-
prozesse.
Die Literarisierung der eigenen Lebensgeschichte macht den Text zu einem
Medium, das sowohl ein Gedächtnis hat als auch es schafft. Gedächtnis und
Erinnerung sind im Prozess der retrospektiven Selbstvergegenwärtigung zwei
Hauptakteuren des autobiographischen Schreibens (A. Assmann, Erinnerungs-
räume 64); ihre einzige Ausdrucksform ist die Sprache. Als Autobiographie
sind Zwiebel und Box bezeichnet worden. Stuart Taberner charakterisiert sie
als “quasi-autobiography” und sieht in ihnen “the instrumentalization of pri-
vate failings for public edification” (505–06). Seine Unterscheidung zwischen
privater und politischer Lebensgeschichte erfolgt durch das Kontrastieren von
Grass’ political private biography und private private biography in der Frage nach
Scham, Mitverantwortung und Mitgliedschaft bei der Waffen SS. Vor allem in
Die Box sieht Taberner “the tension between self and performance, between
private shame and public persona” (507). Die Unterscheidung privater und
politischer Lebensgeschichte erlaubt zudem die Frage nach dem Bezug des
Privaten und des Politischen, der durch Gespräche mit wechselnden und nur
durch den Text hörbaren Stimmen rekonstruiert wird. Den Theorien über
Textualität—besonders Intertextualität—als Gedächtniskonzept der Litera-
turwissenschaft, dem Oliver Scheidings Artikel “Intertextualität” hauptsäch-
lich gewidmet ist, liegen Taberners Überlegungen über eine fiktionalisierte
Lebensgeschichte ebenfalls zugrunde.
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Die primäre sprachliche Faktur aller literarischen Äußerungen zeigt ihre
Konsequenz in der Konzeption des literarischen Ichs, und zwar in der Ablö-
sung des empirischen Subjektbegriffs zugunsten einer Beschreibungsperspek-
tive. Das Ich der Autobiographie markiert einerseits die sprechende Instanz
und bezieht andererseits eine Position, die sich räumlich wie zeitlich von der
sprechenden Instanz unterscheidet. Die erzähltheoretische Unterscheidung
zwischen der sprechenden und erzählenden Instanz beruht auf der Vorstel-
lung von einer Differenz zwischen pränarrativer Erfahrung und Erinnerung,
welche die Vergangenheit narrativ überformt und retrospektiv Sinn und Iden-
tität stiftet. Die Kollision beider Ich-Varianten konstruiert eine Redesituation,
die sich im Text als Medium ihrer Sprachlichkeit vollzieht und deshalb für die
Literaturwissenschaft von Bedeutung ist. Aktuell wird die Frage nach dem
Stellenwert von Grass’ Werken für Gedächtnis- und Erinnerungsforschung
diskutiert und die These vertreten, dass Grass’ Werk zum wichtigsten zeit-
geschichtlichen Dokument avanciert und das Potential besitzt, in seiner medi-
alen Form das kulturelle Gedächtnis auf unterschiedliche Art und Weise zu
reflektieren, zu entfalten und kulturelle Erinnerungen zugänglich zu machen
(Paaß 14). Die individual-politische Bedeutung und Funktion von Box und
Zwiebel unterstreicht ihre Relevanz für das Generationen- und das kulturelle
Gedächtnis. Mit Taberner gesprochen, hat das Geschehen und mit ihm auch
die Erinnerung in beiden Romanen eine individuelle und eine politische Di-
mension. Wie der Großvater auf das Leben des Zwölfjährigen zurückblickt,
wie das Ich die Kritik an seinem Leben als Familienvater aus dem Munde seiner
Kinder hören lässt und letztlich was seine Texte zum kulturellen Gedächtnis
beitragen, sind meine Ausgangsfragen.
1. Autobiographisches Schreiben als Erinnerungsakt
Beim Häuten der Zwiebel ist als “Roman zum Leben” bezeichnet worden
(Spiegel). Autobiographisches4 ist hier ungebrochen in einer Reihe von Perso-
nen- und Ortsnamen sowie von historischen Daten und Ereignissen einge-
baut. Momente der Fiktion in der Selbstdarstellung sind ebenfalls am Werk.
Dem Wechselspiel von Fiktivem und Faktischem verleihen poetische Bilder
Ausdruck, was gleichermaßen gegen eine absolut faktische wie eine absolut
fiktive Charakterisierung des Textes spricht. Dass die Grenze zwischen dem
Faktischen und dem Fiktiven eher verschwimmt als verdeutlicht wird, ist ins-
besondere dort ersichtlich, wo ein erinnerndes und erzählendes Subjekt die
Bühne betritt, sein Leben “[a]us rückläufiger Sicht” (Box 121) erzählt und
durch Metaphern künstlerische Formen der Erinnerungen gestaltet. Individu-
elles Erinnern und Erzählen durch literarische Strategien lassen den Text
weder als historischen Tatsachenbericht noch als faktische Wiedergabe des
Geschehenen lesen, sondern “als erzählte Geschichte über den Erzähler”
TAFAZOLI: Grass 331
(Pakendorf 55). Entschlossener wird der Erzählstoff in Box in eine Form ge-
hüllt, die ihn einer faktisch-historischen Kritik entzieht, wie Taberner dies
auch betont. In beiden Werken werden Erinnerungen multiperspektivisch
bald genau, bald lückenhaft erzählt. Faktisches und Fiktives sind nicht immer
auseinanderzuhalten.
Der im Anschluss an dem Schriftsteller und Literaturkritiker Serge Dou-
brovsky gebrauchte Terminus der Autofiktion (ego-fiction) für Texte, in denen
die Grenze des Faktischen und des Fiktiven verschwimmt,5 meint die Thema-
tisierung und die Untersuchung von Schilderungen des Erlebten sowie der
Existenzerfindung unter gleichzeitiger Beibehaltung der fiktiven und der
realen Identität 6 (Baumann 51–145). Das Gedächtnis-Gewebe im Sinne Dou-
brovskys liegt Erinnerungen zugrunde und ermöglicht ihre sprachliche Fixie-
rung im Text, wodurch der Text wiederrum zu einem Speicher- und Gedächt-
nismedium wird. Der unmittelbare Zusammenhang von Erinnerung als
kognitivpsychischer Konstruktion, die bewusst werden muss und dann bild-
lich dargestellt bzw. sprachlich formiert werden kann, und Gedächtnis als
mechanischem Vermögen des Speicherns bedeutet für die Autobiographie,
dass der Text selbst als Raum eines Gedächtnismusters fungieren und zugleich
die Imagines im Netzwerk des kulturellen Gedächtnisses aufrufen kann. Vor
allem hier wird der Text für das Zusammenwirken des individuellen und des
kollektiven Gedächtnisses interessant. Der Ausdruck Gewebe impliziert einen
Prozess und lässt Roland Barthes’ Auffassung vom Text erkennen. Der Text als
“Gewebe” entsteht durch ein ständiges Flechten, bearbeitet sich selbst (Lust
94) und wächst immer nach (Leçon 51). Die Anspielung auf das “Flechten” und
auf die Selbstbearbeitung des Textes hinterfragt dessen Präsentation als etwas
Abgeschlossenes.
In Zwiebel als Medium des Erinnerns in Ijoma Mangolds Interpretation in
der Süddeutschen Zeitung wird im Prozess autobiographischer Selbstvergegen-
wärtigung das zurückliegende Leben von dem in der Gegenwart schreibenden
Subjekt erinnernd in einer gegenwärtigen Redesituation eingeholt. Dabei ist
das Sich-Erinnern ein “Willensakt,” und der Prozess des Sich-Erinnerns ein
Vorgang der (Re)Konstruktion im Text (Wagner-Egelhaaf 13). Orientiert an
Maurice Halbwachs’ Theorie der Gruppenbezogenheit von Erinnerungspro-
zessen inLescadres sociauxde lamémoire (1925), erfolgtder individuelleVorgang
jedoch nicht losgelöst vom Erinnerungshorizont anderer Gesellschaftsmit-
glieder. Individuen sind in unterschiedliche Gedächtnishorizonte mit einem
unmittelbaren Bezug auf weitere Kreise (Familie, Generation, Gesellschaft
und Nation) mit eigenem Gedächtnis eingespannt, woraus die binäre Analyse
des Gedächtnisses als dynamischen Mediums subjektiver und kollektiver
Erfahrungsverarbeitung resultiert.7 Gedächtnis- und Erinnerungsarbeit ha-
ben einen kommunikativen Charakter, weil sie in einem Milieu räumlicher
Nähe, regelmäßiger Interaktion, gemeinsamer Lebensformen und geteilter
Erfahrungen mit einem spezifischen Zeithorizont entstehen. Eng verknüpft
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mit der Identität einer Gesellschaft oder Nation ist das kulturelle Gedächtnis
mit dem Rückgriff auf Archiven, Gedächtnissorte und öffentliche Rituale. Für
dieLiteraturheißtes,dassGedächtnisinhalteerst imSchreibaktanPräsenzge-
winnenunddieSprachezuderwichtigstenStützedesGedächtnissesmachen.
Als solche Gedächtnisinhalte existieren Erinnerungen perspektivisch, frag-
mentarisch, begrenzt, flüchtig, labil und ungeformt in der Vernetzung mit
Erinnerungen anderer und gewinnen an Kohärenz, Glaubwürdigkeit und Ver-
bindlichkeit. Die perspektivische und nachträgliche Versprachlichung des
Inhalts, der Form und Struktur von Erinnerungen stellt ihre absolute Glaub-
würdigkeit in Frage.
Im kritischen Diskurs mit der Gedächtnis- und Erinnerungstheorie richtet
sich meine Frage in Zwiebel und Box nach dem individuellen Erinnerungspro-
zess und seiner Vernetzung und Verortung in einem kollektiven und kulturel-
len Kontext. Konkret möchte ich fragen: Wer erinnert sich und welchen kultu-
rellen Stellenwert haben seine Erinnerungen für andere im literarischen
Schreibakt?
2. Autobiographisches Schreiben und das individuelle Gedächtnis
Problematisch ist im Hinblick auf nicht homogene Gesellschaften die Ein-
bettung von Erinnerungen in einen kollektiven und kulturellen Kontext. In
diesem Zusammenhang stellt Friderike Eigler in der Assmanschen Theorie die
“unausgesprochene Annahme einer homogenen Gesellschaft,” die der ethni-
schen Heterogenität der heutigen Bundesrepublik nicht gerecht wird (Eigler
45–54)8 in Frage und diskutiert die Öffnung der Gedächtnistheorie auf weitere
Fragestellungen durch das Aufzeigen von Grenzen, wo sowohl die Erfassung
und Beschreibung von Gedächtnisdiskursen als auch ihre kritische Analyse
angestrebt wird.9 Die Leistung der Literatur besteht darin, dem Gedächtnis
eine Fassung zu geben, welche stets präsent hält, dass es diese nicht geben
kann. Die kritische Analyse von Gedächtnisdiskursen und die Formen von
kulturellen Erinnerungen sind also weiterführende Ansätze der Literaturwis-
senschaft. Die Einbettung von individuellen Erinnerungsprozessen in die
Perspektive einer Generation, einer Politik und einer Kultur mit dem Bezug auf
den Prozess eines kollektiven Erinnerns führt zu der Frage, wie normativ sich
die individuelle Erinnerungsarbeit im kulturellen Kontext aufweisen kann,
vor allem wenn sie in der Literatur geschieht.10 Weil die Erinnerungsperspekti-
ve individuell ist, weil sich jeder von seiner sich von der anderer unterscheiden-
den Gegenwart aus auch anders erinnert und weil es letztendlich um literari-
sche Prozesse des Erinnerns geht, spreche ich von Formen von Erinnerung und
kulturellem—nicht zwingend kollektivem—Gedächtnis, denn das kollektive
Gedächtnis schließt die Homogenität ein, die heute—Eigler zufolge—kaum
auf eine Gesellschaft zutrifft. Auch innerhalb derselben Generation wird, wie
TAFAZOLI: Grass 333
Grass’ Texte auch zeigen, unterschiedlich erinnert. Eine besondere Stelle un-
terstreicht meine Annahme, wo sich das beschreibende Ich an seinen erschos-
sen Onkel Franz Krause erinnert:
Der erschossene Onkel, Franz Krause, hinterließ Frau und vier Kinder, die etwas
älter, gleichen Alters, zwei oder drei Jahre jünger als ich waren. Mit ihnen durfte
nicht mehr gespielt werden. Sie mußten die altstädtische Dienstwohnung auf
dem Brabank räumen und aufs Land ziehen, wo die Mutter zwischen Zuckau
und Ramkau eine Instkate und einen Acker besaß. Dort, in der gehügelten Ka-
schubei, hausen des Briefträgers Kinder noch heute, geplagt von üblichen Alters-
gebrechen. Sie erinnern sich ganz anders. (Zwiebel 17)
Es wird hier deutlich, dass auch innerhalb derselben Generation Varianten von
Erinnerungen angenommen werden können, was Defizite im öffentlichen
Umgang mit Erinnerungsdiskursen bestätigt. Das beschriebene Ich ist Zeuge
des Zweiten Weltkrieges und des Untergangs des Großdeutschen Reiches;
Journalisten bezeichnen es als Zeitzeuge des Dritten Reiches. Der literarische
Blick des beschreibenden Ichs auf das beschriebene ich, der durch die zeitliche
Distanz zwischen ihnen deutlich wird, lässt beim beschreibenden Ich
Fremdheitsgefühle aufkommen. Das Leben des beschriebenen Ichs wird in
Abschnitte des Nichtrauchers, des Rauchers von selbstgedrehten Zigaretten
und des Pfeifenrauchers geteilt. (344–45) Das junge Ich leidet an einer
dreifachen Hunger: der “ordinäre Hunger” (279), der “Fleisch versessene Hun-
ger,” der ihn “weitläufig” macht (327), und das nicht zu stillende “Verlangen
nach bildlicher Besitznahme” (279). In der Nachkriegszeit sieht sich das Ich als
“elternlos, heimatlos, als entwurzelt” und geht mit sich selbst “wie mit einem
Waisenkind” um (219). All dies sind seine individuellen Erfahrungen, betrach-
tet durch die zeitlich-räumlich wechselnde Perspektive des Großvaters auf
den Jungen. Vom Großvater gefragt, erzählt der Zwölfjährige über sich und
richtet zugleich die Perspektive auf die Schuljahre zurück. Das zwölfte
Lebensjahr, das mit dem Krieg zusammenfällt, markiert—genauso wie der
Krieg selbst—einen Wendepunkt. Von hier wird nämlich auf das Geschehen
vor und nach dem Ende der Kindheit geblickt; hier “begann und endete etwas”
(7). Was endete, sind die Kindheitsjahre, was beginnt, ist das in die Zukunft
gerichtete Leben des Zwölfjährigen. Die Zeit, in der “das Ende der Kinderjahre
ausgerufen” wird, bleibt entgegen der anfänglichen Behauptung, “[s]ogar die
Uhrzeit wollte unvergesslich sein,” nur vage im Spätsommer bestimmt (7). In
der zeitlichen Einschränkung zwischen der Perspektive des Großvaters und
der des Zwölfjährigen öffnen sich weitere Perspektiven, wie etwa die auf das
vierzigste Lebensjahr und von hier aus wiederum zurück auf die Kindheit. Die
Brücke, die von hier zurückgeschlagen wird, zeigt sich durch das Gedicht
“Kleckerburg” (15), das Historisches ins Gedächtnis zurückruft; die Kindheit
wird also historisiert, poetisiert und im Text, in dem das Kind und der Vierzig-
jährige aufeinandertreffen, rekonstruiert.
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Die Kindheit wird in einem Mietshaus beendet, wo sich auch das Familien-
leben abspielt. Der Krieg bricht die Kontinuität dieses Familienlebens in der
Stadt Danzig ab, die im Verlauf der Erzählung zu einem Familienort wird, und
ist u.a. die Antriebskraft zu der ungewollten Reise des jungen Soldaten an die
Front. Der Kontinuitätsabbruch zeigt sich bildlich in der Kollektion von
Bildern in den Zigarettenschachteln, die das junge Ich vor dem Krieg sammel-
te. Die Rationalisierung der Tabakware nach dem Kriegsausbruch bewirkte
Lücken inseinerBildersammlung,dieallerdingsnachträglichgeschlossenwer-
den konnten. Solche Lücken lassen sich auch in Erinnerungen nachweisen, die
im besten Falle durch Fiktion geschlossen werden. Darauf komme ich später
zurück. Als zentraler Punkt in der Lebensgeschichte des Ichs erweist sich der
Krieg auch deshalb, weil an ihm die Erzählungen über das, was endete und was
begann, sowie die Darstellung weiterer Ereignisse unmittelbar angeschlossen
werden (26–27).
Die individuelle Perspektive des Ichs umfasst seine Lebensgeschichte zwi-
schen 1939 und 1959. Sie beschränkt sich auf den Ausbruch des Zweiten Welt-
krieges, in dem das Ich zwölf Jahre alt zählte und den Kampf um die polnische
Post in Danzig erlebte und das Erscheinen von Blechtrommel. In der Zeitspanne
zwischen dem zwölften und dem einundzwanzigsten Lebensjahr, die eine
entscheidende Relevanz für den individuellen Erinnerungsprozess besitzt,11
ist das junge Ich Spannungen ausgesetzt, die durch ständige Distanzierung
und Annäherung des beschreibenden Ichs an Dynamik gewinnen. Durch die
individuelle Erinnerungsarbeit werden hier zwei Selbst-Bilder inszeniert, die
sich in einem empirischen und einem künstlerischen Porträt widerspiegeln.
Das empirische Ich steht in der dritten Person Singular, sucht nach Ausflüch-
tenundAusreden;esverschweigtmanches.Oft istvoneinemjungenSoldaten
die Rede, der ein Mitläufer, ein Verdränger und ein Sünder ist:
Noch während der letzten Jahre der Freistaatzeit — ich zählte zehn — wurde der
Junge meines Namens durchaus freiwillig Mietglied des Jungvolks, einer Auf-
bauorganisation der Hitlerjugend. […] Auf dem Weihnachtstisch wünschte ich
mir die Uniform samt Käppi, Halstuch, Koppel und Schulterriemen. (Zwiebel 27)
Die Verdrängungsarbeit des empirischen Ichs bleibt jedoch nicht verdeckt,
sondern wird vom dichterischen Ich erinnernd aufgedeckt. Dieses Ich arbeitet
auf, analysiert, erklärt, hat Erinnerungslücken und macht sich selbst kraft der
Literatur zum Objekt. Bei Erinnerungen an den Schulfreund Wolfgang Hein-
richs, dessen Verschwinden das beschriebene Ich verschwiegen und nicht
nach Gründungen gefragt hatte, bildet nun das beschreibende Ich eine Kausal-
kette:
weil ich mich begnügt hatte, nichts oder nur Falsches zu wissen, weil ich mich
kindlich dummgestellt, sein Verschwinden stumm hingenommen und so aber-
mals das Wort “warum” vermieden hatte, so daß mir mein Schweigen nun, beim
Häuten der Zwiebel, in den Ohren dröhnt. (25)
TAFAZOLI: Grass 335
Damit wird gezeigt, dass beide Ichs sich keineswegs in einem harmonischen
Verhältnis befinden, sondern vielmehr in einem konfliktreichen Verhältnis
stehen, in dem durch Entdecken und Verstecken der Prozess der Selbst-
findung gesteuert wird. Mit einem Blick auf das Gedicht Was gesagt werden
muss fällt es deutlich auf, dass Grass’ Ich-Figur auch hier einen verstörten
Eindruck hinterlässt, wenn es um das Schweigen und das Ver-schweigen geht.
Sie fühlt sich genötigt, durch die Bildung von kausalen Verhältnissen das
(Ver-)Schweigen zu rechtfertigen und erzeugt dabei Spannungen, die eben
einem Versteckspiel ähneln.
3. Versteckspiele der Erinnerungen
Orte, Gegenstände, Personen und Ereignisse sind miteinander verflochten
und beeinflussen gemeinsam den Erinnerungsprozess, der durch mediale
Träger gesteuert wird. Als wesentliche Anhaltspunkte bei der Schilderung der
Lebensgeschichte bilden der Zweite Weltkrieg und die Stadt Danzig neben der
Familie den Gedächtnishorizont des erinnernden Subjekts, das durch den
Gebrauch von Metaphern beim Schreiben der Lebensgeschichte zeigt, wie die-
se auf die Gedächtnis- und Erinnerungsarbeit angewiesen ist. Das zentrale
Motiv ist die Zwiebel, die das unbeobachtbare organische Gedächtnis meta-
phorisiert und “den feinen Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge, zwi-
schen verschwommenem Blick und Betroffenheit veranschaulichen” soll (Pa-
kendorf 56). Das Zeichen der Archivierung ist, wenn der Zwiebelhaut etwas
eingeritzt steht. Mit dem Bild des Häutens der Zwiebel—das Graben à la Ben-
jamin—wird der Freilassungsprozess von Gespeichertem dargestellt. Der
“Moment der nur Rückbesinnung” gleicht dem “des Griffes nach der Zwiebel”
(Zwiebel 281).12 Wenn Ritze in Zwiebelhäuten einen Speichervorgang symbo-
lisieren, so sind die Häute als Erinnerungsmedien zu deuten, an denen die zu
erzählende und zu memorierende Vergangenheit abgelesen werden kann. Das
Häuten und Hacken der Zwiebel, das Fließen von Tränen und die symbolische
Bedeutung für Schuldbewusstsein, Scham und Trauerarbeit finden ihren ers-
ten Keim in einem ganzen Kapitel der Blechtrommel. Die Zwiebel ist ein Tränen
spendendes Mittel; indem sie tränen fordert, trübt sie den Blick und symboli-
siert einen Erinnerungsakt, bei dem es nur beschränkt gelingt, den memorier-
ten Gegenstand in seinen Varianten klar zu erkennen. Somit verweist das Bild
der Zwiebel bei der Entzifferung und Deutung von Erinnerungen auf Schwie-
rigkeiten, welche die “Problematik eines nur mühsam zu initiierenden Erinne-
rungsprozesses und die Vagheit der schließlich rekonstruierten Ereignisse der
Vergangenheit” beleuchten (Paaß 487). Die Deutungs- und Interpretations-
problematik von Erinnerungen spiegelt sich außerdem darin wider, dass
Erinnerungen oft eine “Spiegelschrift,” verkehrt “oder sonstwie verästelt” sind
(Zwiebel 9), und erst entziffert werden müssen; ein Phänomen, das für Die Box
336 THE GERMAN QUARTERLY Summer 2012
ebenfalls gilt, denn auch Bilder einer Kamera sind Spiegel verkehrt. Das be-
schreibendeIchnenntschoninZwiebeldengesamtenErinnerungsprozessund
die Entzifferungsversuche einen Blick in den “Rückspiegel” (44); es betrachtet
also die Spiegelungen, entziffert und beschreibt diese.
Wenn die Zwiebelhaut nicht eingeritzt ist, dienen andere Gegenstände als
“Hilfsmittel”, die, “wenn sie intensiv genug beschworen werden, zu raunen
beginnen” (64). “Materielle Träger” (A. Assmann, Erinnerungsräume 15) des
Gedächtnisses—Bilder, Gutscheine im Zigarettenpäckchen der Mutter, die
drei Alben in den Farben blau für die Sammlung der gotischen Malerei, rot für
die Sammlung der Malerei der Renaissance und goldgelb für die Bilder des Ba-
rock, die Tabakdose, der Koffer und der Pappkarton, der Zettelkram, der Klei-
derschrak und die Kamera—haben selbst eine archivierende Funktion und
werden befragt, wenn “die imaginierte Zwiebel nichts ausplaudern will”
(Zwiebel 65), oder deren Nachrichten nicht entschlüsselt werden können. Auf
diese Träger stützen sich das Erinnern und das Schreiben des beschreibenden
Ichs; beides stellt sowohl eine Entzifferungsarbeit von Gedächtnisinhalten als
auch einen Akt des Erinnerns und des Speicherns dar, denn durch das Schrei-
benwerdenErinnerungsinhalte interpretiert, fixiertundzugänglichgemacht.
Weder die Gedächtnisarbeit noch das Fixieren von Erinnerungen folgt einem
systematischen Vorgang. Erinnerungen werden als “Bilderfolge” bezeichnet,
bei “deren Produktion der Zufall Regie geführt hat” (140). Als zufällige
“Schnappschüsse” werden sie archiviert (249). Schon hier lassen sich durch die
bildliche Funktion des Films Anspielungen auf Die Box erkennen, wo der Erin-
nerungsprozess ebenfalls unsystematisch verläuft. Hier knippst Marie “im-
mer nur nach Gefühl” und guckt “oft in ne andere Richtung” (Box 16). Die
schlichte Kastenkamera macht das Gespeicherte sichtbar, indem sie
“Schnappschüsse” macht (147); sie macht sie aber auch hörbar, indem sie er-
zählt. In der Funktion des Erzählens wird das Aufbewahrungs- und Speicher-
medium Kamera als Metapher für das Buch gebraucht. Während dort die einge-
ritzte Haut der Zwiebel Gespeichertes ahnen lässt, übernimmt hier die Box
diese Funktion, wenn sie den Durchblick gewährt. Hier sollen Fotos als spre-
chendes Medium den Vater glaubwürdig erscheinen lassen, denn dieser “er-
zählt viel” und “keiner weiß hinterher, wieviel davon wahr ist” (26). Die Fotos
sind “Momentaufnahmen, mehr nicht” (10) und sind nur immer dann ent-
standen, wenn der Vater “Knips mal, Mariechen!” sagte (11). Erinnert wird
auch zum Teil unter “Paps Regie” (170): “Aber auch an die verlorengegangenen
Schnappschüsse, an alles, was Mariechen aus uns gemacht hat, wenn sie mit
den Rollfilmen in ihrer Dunkelkammer verschwand, sollen wir uns erinnern,
nur weil Vater will …” (12).
Ebenfalls als Metapher gilt der starr und leblos erscheinende Bernstein in
Zwiebel, der das Vergangene auf ewig einschließt und den Moment des Todes
konserviert. Der Bernstein und die Zwiebel gleichen einem Vanitas-Motiv:
Der Zwiebel fehlt der Kern, was von ihr nach dem Häuten bleibt, sind ihre
TAFAZOLI: Grass 337
vertrockneten Häute. Der Bernstein konserviert und verspricht Ewigkeit.
Durch das Zwiebelschälen wird ein aktiver Erinnerungsprozess durch immer
neue, verborgen liegende Hautschichten symbolisiert. Die Unterschiede zwi-
schen beiden Metaphern verdeutlichen die Differenz, die das erzählende Ich
zwischen Erinnerung und Gedächtnis vornimmt:
Die Erinnerung liebt das Versteckspiel der Kinder. Sie verkriecht sich. Zum
Schönreden neigt sie und schmückt gerne, oft ohne Not. Sie widerspricht dem
Gedächtnis, das sich pedantisch gibt und zänkisch rechthaben will. (Zwiebel 8)
Die Variabilität und Verschlossenheit der Erinnerungen zeigen sich darin, dass
sie “mal so, mal so” (10) erzählt werden und sich “leichthin in Variationen”
(56) und “Versteckspiele” (8) verlieren, die vor allem dann vorkommen, wenn
sie nachgearbeitet werden.13 Es soll “Blatt nach Blatt” (12) erinnert werden;
manchmal findet sich aber ein “leeres Blatt,” was wiederum bedeutet, dass
entweder nichts gespeichert ist, oder “ich bin es, der nicht entziffern will”
(114). Erinnerungen des beschreibenden Ichs sind lückenhaft (44), sind “die
fragwürdigste aller Zeuginnen” und “je nach Marktlage käuflich” (64). Ge-
wollte und ungewollte Erinnerungslücken füllen das Blatt aus; geplante und
ungeplante Schummeleien füllen die Lücken aus (9). Solche Anspielungen
heben die Schwierigkeit hervor, an die Wahrheit des eigenen Lebens heran-
zukommen.
Das Versteckspiel geschieht zwischen dem beschreibenden und dem
beschriebenen Ich,14 und tritt an einer Stelle besonders hervor, die sowohl für
das individuelle Gedächtnis relevant ist, als auch eines der zentralen Merk-
male des kulturellen Gedächtnisses ausmacht. Gespielt wird bei der Frage
nach einer verjährten Schuld und dem Schweigen:
Weil aber so viele geschwiegen haben, bleibt die Versuchung groß, ganz und gar
vom eigenen Versagen abzusehen, ersatzweise die allgemeine Schuld einzukla-
gen oder nur uneigentlich in dritter Person von sich zu sprechen: Er war, sah, hat,
sagte, er schwieg … Und zwar in sich hinein, wo viel Platz ist für Versteckspiele.
(36)
Das Schweigen, bereits thematisiert in Aus dem Tagebuch einer Schnecke, verleiht
dem Erinnerungsprozess eine entscheidende Bedeutung, denn dieser bricht
das Schweigen, wandelt es ins Sprechen um und wird als Entlastung der
eigenen Person und Befreiung “von selbstverschuldeter Unmündigkeit” auf-
gefasst (335). Schweigen und Vergessen prägen die Momente der Selbst-
darstellung genauso wie Sprechen und Erinnern. Dass es sich beim Erinnern
und Vergessen um zwei Seiten des einen Prozesses handelt, wird durch
Erinnerungslücken veranschaulicht, die im Text Variationen von Erinne-
rungen und somit auch Fiktionen ermöglichen. Sie tauchen dort auf, wo das
beschreibende Ich nicht mehr weiß, wann oder wie gewisse Handlungen des
beschriebenen Ichs erfolgten. Es wird beispielsweise an einen Koffer erinnert,
338 THE GERMAN QUARTERLY Summer 2012
in dem sich der spärliche Nachlass von zwei Onkeln mütterlicherseits
befindet. An diesen Fund wird eine Reihe von unbeantworteten Fragen
verknüpft; sogar das Alter bleibt rätselhaft (58…59). Beim Abschied von den
Eltern (1944) erinnert sich der junge Soldat an die Abschiedsszene: Der
Abschied von der Mutter wird kurz und klar dargestellt; hingegen fällt der
Abschied vom Vater in Erinnerungslücken: “Er [der Vater H.T.] umarmte
mich. Nein, ich bestehe darauf, meinen Vater umarmt zu haben. Oder kam es
nur männlich zum Händeschütteln” (116)? Den Erinnerungsverlust belegt
außerdem ein verloren gegangenes Tagebuch (135–36). Vermisst werden
auch Oktavhefte, in die das beschriebene Ich Inhalte seines Kochkurses
geschrieben haben will: “Aus ihnen zu zitieren, würde mich glaubwürdiger
machen” (209). Damit deutet das beschreibende ich zwar an, um Glaub-
würdigkeit bemüht zu sein, seine Erinnerungen sind jedoch “löchrig” (200).
Der Zustand, in dem nicht mehr erinnert werden kann, wird mit einem
Filmriss verglichen: “Sooft ich ihn [den Film H.T.] flicke und wieder anlaufen
lasse, bietet er Bildsalat” (138). Scheint die Reihenfolge der Geschehnisse nicht
bestimmbar zu sein, so heißt es: “Die Zwiebel nimmt es nicht allzu genau mit
der Reihenfolge” (422). Wenn nicht mehr erinnert werden kann oder will,
heißt es: “Die Zwiebel verweigert sich” (340). Ähnliches geschieht in Die Box.
Marie lässt Sachen, die noch weh tun können, in ihrer Dunkelkammer oder sie
hat die Negative zu Schnipseln gemacht. Der Drogenkonsum der älteren
Söhne oder exhibitionistische Träume von Laura bleiben im Dunkeln.
Glaubwürdig ist nur, was “Marie mit ihrer Agfa belichtet hatte” und was
genauso — “total ohne Schummel” — aus der Kamera herauskam, so “irre das
aussah” (Box 27).
Beim Vergessen erweist sich das Gedächtnis nicht als schützender Faktor,
sondern mehr als eine Kraft mit eigener Gesetzlichkeit. Dabei kann die Rück-
griffmöglichkeit erschwert (Vergessen) oder blockiert (Verdrängen) werden.
Beides veranlasst eine Neubestimmung der Erinnerungen.15 Erinnerungs-
lücken werden nicht verschwiegen, sondern merklich versprachlicht und zei-
gen, dass die Vergangenheit sich im Gedächtnis des beschreibenden Ichs teil-
weise als Leerstelle manifestiert hat und machen den Entwurf einer an biogra-
phischen Fakten geknüpften Lebensgeschichte unerfüllbar. Die Unzuverläs-
sigkeit und die reduzierte Kapazität des Gedächtnisses, welche die Faktizität
der Lebensgeschichte wiederum relativieren, werden rhetorisch durch eigen-
händige und variantenreiche Komposita mit weißnicht- zum Ausdruck ge-
bracht, die sich im Text kaum wiederholen.
4. Von individueller zu kultureller Erinnerungsarbeit
Krieg als übergeordnetes und Rahmenbildendes Thema stellt den Über-
gang vom individuellen zum Generationengedächtnis wie zum kulturellen
TAFAZOLI: Grass 339
Gedächtnis dar. Das beschreibende Ich fasst die Ereignisse im Umfeld des
elfjährigenJungenkurzvordemKriegzusammen: InDanzigbrennenSynago-
gen, Schaufenster fielen in Scheiben, Plünderung und Verwüstung sind an der
Tagesordnung. Im “Laub” seiner “Erinnerungen” finde sich nichts, was ihm
günstig wäre; zugleich heißt es aber, dem Jungen gebe sich der Alltag “aufge-
regt aufregend als ‘Neue Zeit’” aus (Zwiebel 26): Max Schmeling siegt, Bernd
Rosemeyer ist der schnellste Rennfahrer, die Luftschiffe Graf Zeppelin und
Hindenburg werden bestaunt und die Waffen siegen. Durch die Schilderung
vonEreignissen,die sichaufdaskollektiv-episodischeGedächtnis stützenund
kulturell einen normativen Verbindlichkeitscharakter aufweisen (Kölbl und
Straube 32), bettet das Ich seine Erinnerungen in einen Kontext mit kulturel-
len Codes. Der Rückgriff auf den historischen Kontext bedeutet für die Ge-
dächtnis- und Erinnerungsforschung, dass das individuelle Gedächtnis in
seiner zeitlichen Erstreckung und in Formen seiner Erfahrungsverarbeitung
vom Horizont des Generationengedächtnisses bestimmt wird.16 Familienge-
nerationen und soziale Generationen verfügen zwar selbst über eigenes
Gedächtnis, erweitern und kontextualisieren aber die individuelle Perspektive
auf die Geschichte.17 Im Erinnerungsprozess sind das historisch Faktische und
das literarisch Fiktive gemeinsam am Werk. Das Wechselspiel von Fakt und
Fiktion, die Lückenhaftigkeit der Erinnerungen und die poetische Freiheit
durch zahlreiche Techniken des literarischen Schreibens verweisen darauf,
dass bei Grass Märchenhaftes (Hinck 4) und Phantasievolles (Kesting 17)
präsent sind, und erlauben den Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von
Gedächtnis und Erinnerung. Die Relation der Erinnerungen von Generatio-
nenmitgliedern vor dem Hintergrund deren Gedächtnishorizont bestätigt die
Annahme über die gleichzeitige Präsenz des Faktischen und des Fiktiven im
literarischen Erzählen. Das beschreibende Ich stützt der Glaubwürdigkeit
wegen seinen Erinnerungsprozess auf das Familien- und das Generationenge-
dächtnis, greift auf die Perspektive anderer Personen und konstruiert durch sie
eine Wir-Perspektive, in die es seine individuellen Erinnerungen einbettet. Zu-
nächststelltesdieFamilie indenVordergrund:DieMutterhateineVerwandt-
schaftsseite kaschubischen Teils, ist einfühlsam, häuslich, kunstliebend,
warmherzig, freundlich, romantisch, träumerisch, liebevoll, zärtlich, gegen
den Krieg und die “besorgteste aller Mutter” (Zwiebel 30). Ihr Name, Helene,
fällt erst bei der Erzählung über ihre Geschäftstüchtigkeit im Kolonialwaren-
laden des Vaters. Die Mutter bildet nicht nur die emotionale, sondern auch die
finanzielle Seite eines Mutter-Sohn-Verhältnisses, wenn sie ihrem Sohn Ta-
schengeld gibt und ihn für die Tätigkeit als Schuldantreiber anteilig belohnt.
Bei Erzählungen über die Mutter geht es um die Erinnerungen an die eigene
Kindheit und an die Kaschuben im “hügeligen Hinterteil der Stadt Danzig,”
die “nie polnisch, nie deutsch genug” war (41). Die Bedeutung von Danzig als
Familienort wird so auf einen Generationsort erweitert und dabei die Ge-
dächtniskraft dieses besonderen Ortes verstärkt. Die andere Seite der Familie
340 THE GERMAN QUARTERLY Summer 2012
bildet der Vater Wilhelm. Zwischen ihm und seinem Sohn herrscht ein gespal-
tenes Verhältnis, das als eine Art Hass des Müttersöhnchens auf den “nicht
zum gefügigen Haßobjekt” taugenden Vater und als “zusätzlicher Antrieb”
bezeichnetwird (79),dassderSohndenFluchtwegausdemHausesucht.Erin-
nerungen an das Vater-Sohn-Verhältnis stützen sich auf mediale Träge wie
auf die Uhr, die der Vater seinem Sohn geschenkt hatte, oder auf die Speiseöl-
und Fettmarken. Das Kleben dieser Marken verbildlicht einen Moment der
Annäherung des Vaters und des Sohnes, der seinen sentimentalen Höhepunkt
in der Abschiedsszene am Bahnhof erreicht. Familiäre Erinnerungen werden
durch die Figur der Schwester ergänzt. Ein weiteres Familienmitglied, das Va-
riationen der Erinnerungen des beschreibenden Ichs preisgibt, ist der bereits
erwähnteOnkelFranzKruse,dereineFrauundvierKinderzurückließ.Sieper-
sonifizieren den Kriegselend und Vertreibung (18, 117).
Die Wir-Perspektive außerhalb der Familie gestalten Freunde. Mit dem
Schuldfreund Wolfgang Heinrichs teilt das Ich Erinnerungen an das Schlacht-
schiff Warspite und an den Austausch von Kenntnissen über den Kampf um
Narvik. Durch Erinnerungen an Heinrichs’ plötzliches Verschwinden proble-
matisiert das beschreibende Ich das Schweigen. Mit Erinnerungen an dem
Kochmeister werden Beschreibungen historischer Momente—Folgen des Hit-
ler-Stalin-Paktes und der Volksvertreibung—thematisiert. Erinnerungen an
die Besatzungszonen, Arbeitskolonen und die Verschiffung von Arbeitskräf-
ten auf Gebiete der Alliierten werden an Philipp, den Kumpel der Tage im
Munsterlager unter britischer Besatzung geschildert. Die zentrale Figur bei
den Erinnerungen an die Ausbildungsjahre als Künstler und Bildhauer ist der
Lehrer Otto Pankok. Erinnerungen an die erste Liebe spiegeln sich in der Figur
Annerose wider.
Im politischen Umfeld des beschriebenen Ichs in den Kriegsjahren bilden
sich zwei Erinnerungsgruppen: die eine Gruppe tritt gemeinsam zum “Fah-
nenappel” (99) an und zeigt sich an der politischen Richtung aktiv beteiligt.
Mit ihr wird die zweite Gruppe kontrastiert und als Ausnahme vorgestellt, die
durch einen “weizenblond[en],” “blauäugig[en]” und “hochaufgeschosse-
ne[n] Junge[n]”personifiziertwird(96),der sichweigert,demSchießbefehlzu
folgen: “Er oder seine Finger handelten strafwürdig” (97). Beide Gruppen sind
so konstruiert, dass sie das individuelle und das soziale Gedächtnis miteinan-
der vernetzen, und zwar dadurch, dass sie im unmittelbaren Umfeld des Ichs
wirken und zum tagespolitischen Geschehen Stellung nehmen. Dem Wir der
am Krieg aktiv beteiligen Soldaten steht ein anderes Wir gegenüber, das in der
Figur jenes blonden und blauäugigen Soldaten personifiziert ist, der, wie die
anderen flüstern, “schon lange reif fürs KZ” (101) war. In dem Kapitel “Er hieß
Wirtunsowasnicht” äußert sich dieser Soldat stets im Plural und spricht “für
eine Mehrzahl aus, was er zu tun verweigerte” (100). Die Contra-Perspektive
zu dieser Mehrheit wird in den Erinnerungen an die Dienstzeit bei der Waf-
TAFAZOLI: Grass 341
fen-SS, an die Figur des Führers und an das Wir der Jungnazis in der amerikani-
schen Arbeitslage konstruiert.
Auch Erinnerungen an die Nachkriegszeit sind an eine Wir-Perspektive ge-
bunden, so etwa am Tag der Befreiung Deutschlands, in den Arbeitskolonen,
in Kontakten mit den Befreiern und in der Stellungnahme zur gegenwärtigen
Politik, personifiziert durch die Figur des Kanzlers Adenauer, der wie eine
“Maske” wirkt (341), hinter der sich alles verbirgt, was dem Ich verhasst war:
“die sich christlich gebende Heuchelei” und “die katholische Kungelei gaben
sich als Politik aus” (341). Durch das Kontrastieren mit dieser Figur werden po-
litische und religiöse Ansichten des Ichs durchleuchtet.
Man kann schlussfolgern, dass durch die Variationen der Wir-Perspektive
unterschiedliche Formen gemeinsamer Erinnerungen rekonstruiert, themati-
siert und kontextualisiert werden. Erinnerungen des beschreibenden Ichs an
das beschriebene Ich im individuell und sozial konstruierten Kontext werden
einerseits intertextuell, andererseits mit historisch abrufbaren Daten ver-
netzt. Die Judenverfolgung, das Leben in den Arbeitslagern, der Zweite Welt-
krieg, Volksvertreibungen, die Befreiung und Teilung Deutschlands, der Ab-
wurf der Atombomben auf Japan, der Verfall der Reichsmarkwährung, die
Währungsreform, Anspielungen auf Danzig, West- und Ost-Berlin, Dresden
und Düsseldorf als “Gedächtnisort[e]” (A. Assmann, Erinnerungsräume 21),18
das Wirtschaftswunder und der Kalte Krieg werden in die Erzählungen über
die individuelle Lebensauffassung des Ichs eingebettet. Sie werden durch eine
Wir-Perspektive des Familien- und Generationengedächtnisses eingerahmt
und glaubwürdig gestützt. Zwar dienen historisch nachprüfbare Fakten als
Stütze der Erinnerungen, durch Erinnerungslücken und Fiktionen, durch den
literarischen Kunstgriff, leere Blätter und nicht-eingeritzte Zwiebelhäute
wird die Vergangenheit und mit ihr auch die Geschichte konstruiert und nur li-
terarisch glaubwürdig gemacht. Darum ist das beschreibende Ich darüber hin-
aus bemüht, wenn es seine Erinnerungsarbeit durch Verweise auf Fotos und
durch die Herstellung von intertextuellen Bezügen zum eigenen Werk unter-
stützt.19 Allerdings sind Erinnerungen alles andere als genau, wie zahlreiche
Metaphern und Anspielungen—von der Zwiebel bin hin zu den Momentauf-
nahmen—erkennen lassen. Selbst wenn historische Belege zum Glaubwür-
digmachen der Erinnerungen herangezogen werden, repräsentiert die Aus-
wahl von willkürlich, individuell und literarisch erzählten Erinnerungen nur
einen konstruierten Raum der Geschichte zwischen Blechtrommel und Box.
Durch die Intertextualität erinnert sich Literatur an sich selbst und wird zu ei-
nerArtErinnerungspraktik.DiestrittdurchdiepersönlichenStellungnahmen
des beschriebenen Ichs in fiktiven Dialogen mit Schriftstellern bei Tisch,
durch die Rezeption von literarischen Werken, durch das Kommentieren vom
Erzählten und nicht zuletzt auch durch Verweise auf das eigene Werk zum
Vorschein.
342 THE GERMAN QUARTERLY Summer 2012
5. Fazit
Subjektive Perspektive auf das Geschehen, Lückenhaftigkeit und Variatio-
nen von Erinnerungen, Schweigen und Verdrängen sowie metaphorische
Anspielungen des erinnernden Ichs auf die Zuverlässigkeit der Erinnerungen
lassen bei der Frage nach ihrem kollektiven Bezug Zweifel aufkommen. Die
Analyse von Zwiebel und Box mit der Frage nach kultureller Gedächtnis- und
Erinnerungsarbeit sollte unter Berücksichtigung des multiperspektivisch
organisierten literarischen Verfahrens gestellt werden. So löst sich der Begriff
einer Gesamtwahrheit für literarische Schilderung von individuellen wie
gesellschaftspolitischen Prozessen auf, ohne dass die Stimme des Ichs entkräf-
tet wird. Dies ist nur möglich, wenn man den literarischen Text als medialen
Ort betrachtet, der die Versprachlichung von Erinnerungen und ihre perspek-
tivische Verortung in sozialen und historischen Kontext ermöglicht und zu-
gleich Erinnerungen archiviert. Der Ort des Erinnerungsprozesses ist weder
mit dem Befindlichkeitsort des beschriebenen noch mit dem des beschreiben-
den Ichs identisch, sondern ist der Text, der folglich selbst als Aufbewahrungs-
medium zu einem Gedächtnisort und durch seine kommunikative Funktion
zueinemErinnerungsmediumwird,dessensich jederperspektivischbedienen
kann. Dadurch, dass das beschriebene und das beschreibende Ich im Text-Ort
aufeinandertreffen, wird die Zeitlichkeit ihres Verhältnisses zueinander
zugunsten ihrerRäumlichkeitaufgehoben.Trotz ihrerDifferenzenals jemand
der vertuscht und verschweigt und als jemand, der entdeckt und aufarbeitet,
finden beide im Text-Ort zusammen. Die Stimme des Texts als Raum ihrer
Handlung versprachlicht Differenzen beider Ichs.
Es wurde gezeigt, dass das beschreibende Ich bei seinen Schilderungen auf
außerliterarische Wirklichkeit Bezug nimmt und ihre Diskurse durch Fiktion
reorganisiert. Durch den Zugriff auf Vergangenheitsversionen und Gedächt-
nisinhalte anderer Menschen und anderer Symbolsysteme wie Politik, Ge-
schichte und Alltagsdiskurse kodiert der Text ein kulturelles Wissen über das
Gedächtnis und formt es ästhetisch durch narrative Strukturen, Symbolik
und Metaphern. In der Literarisierung von Erinnerungen und kulturellem
Gedächtnis durch Intertextualität, Interdiskursivität und Selbstreflexion
liegt auch der Versuch über die Herstellung einer textuellen Kohärenz und
Authentizität. Auf diese Weise bildet sich ein Gedächtnis in der Literatur, das
—mit Zygmunt Baumann gesprochen—Vergängliches in ein Unvergängli-
ches übersetzt.
Die Normativität von Grass=Werk für die Gedächtnis- und Erinnerungsar-
beitkannnurvordemHintergrundderFragenachderMedialitätvonLiteratur
und Gedächtnis gestellt werden. Rezeptionsästhetisch betrachtet, stabilisiert
bzw. vermittelt Grass= literarisches Werk nicht die eine Wahrheit, sondern
poetisiert die Formen von individuell wie kulturell geteiltem Wissen über die
Vergangenheit. Wenn über das ABewußtsein von Einheit und Eigenart@ (J. Ass-
TAFAZOLI: Grass 343
mann, AKollektives Gedächtnis@ 15) einer Gesellschaft gesprochen wird, dann
könnendiesenichtaufdas eineWissengestütztwerden, sondernaufdiemulti-
perspektivischen Formen des Wissens, die Mitglieder der Gesellschaft besit-
zen. So wird jeder Leser im literarischen Text eine besondere normative Ver-
bindlichkeit für die Gesamtheit seiner Gesellschaft finden. Durch den Einbe-
zug der Rezeptionsseite avancieren literarische Texte zu kulturellen Texten,
die kollektive und identitätsstiftende Wissensbestände einer Gesellschaft
transportieren und das Selbstbild dieser Gesellschaft konturieren und somit
einen beständigen Kanon darstellen (A. Assmann, AWas sind kulturelle Texte@
232-44). Astrid Erll verbindet mit Assmanns Theorie erzähltheoretische und
gedächtnistheoretische Kategorien und ergänzt, dass literarische Texte als
kulturelle Texte innerhalb der jeweiligen Rezeptionskontexte unterschiedli-
che erinnerungskulturelle Funktionen erfüllen und auf diese Weise als Spei-
chermedium das kulturelle Gedächtnis bilden. Ein literarischer Text kann in-
nerhalb einer Erinnerungsgemeinschaft als kultureller Text rezipiert werden,
wenn er an die spezifischen Wahrnehmungsweisen des Leserkreises, an die
ASinnhorizonte, kulturspezifischen Schemata, Narrationsmuster sowie Ima-
ginationen der Vergangenheit@ der jeweiligen Erinnerungskultur angeschlos-
sen werden kann (Erll, Kollektives Gedächtnis 106). Als Literatur steht Grass=
Werk in einem Spannungsverhältnis zu Gedächtnisdiskursen. Als sprachli-
ches Medium unterliegt es nicht der Identitätslogik der öffentlichen, politi-
schen und historischen Diskurse. Das literarische Schreiben über Erinnerun-
gen kann hier nicht als Resultat inszeniert werden, sondern muss im Sinne
Barthes als Prozess betrachtet werden, der zeigt, wie sich die Verschränkung
vonGedächtnisundkultureller Identität in ihrenVariantenmodifizieren lässt
(Eigler 56–57) und die Frage nach der literarischen Entfaltung von Erinne-
rungsdiskursen erlaubt. Durch die poetische Bearbeitung von Erinnerungen
macht Grass weder an die bohrende Unruhe der Selbstbefragung Rousseaus
noch an die wechselseitige Durchdringung von Dichtung und Wahrheit, dem
historischen und dem poetischen Ich Zugeständnisse. Sein Werk steht als Ge-
dächtnismedium im Dienst einer selbstreflexiven Erinnerungsarbeit und the-
matisiert Prozesse von Erinnern und Vergessen in ihren Variationen, in denen
das lebendig individuelle und das kulturelle Gedächtnis ineinandergreifen.
Der Text versprachlicht Prozesse dieser Art; was er leistet, ist weder die voll-
kommene Opposition von Geschichte und Gedächtnis noch ihre absolute
Gleichsetzung. Vielmehr wird der Bezug von Gedächtnis und Geschichte als
zwei Modi der Erinnerung (A. Assmann, Erinnerungsräume 133–34) am
Text-Ort literarisiert.
344 THE GERMAN QUARTERLY Summer 2012
Notes
TAFAZOLI: Grass 345
1 Richard Gray in Dankbarkeit.2 Mit dem Begriff der Erinnerungsarbeit soll ein Gedächtnismodell hervorgehoben
werden, das seine “eigene Medialität nicht ausblendet” (Eigler 62). Erinnerungsarbeit
schließt unterschiedliche Formen kritischen Erinnerns, d.h. literarische Strategien,
ein.3 Die dritte Stimme in Beim Häuten der Zwiebel und die der Kinder in Die Box ge-
stalten den Text zu einem Ort, an dem jene Stimme zu hören ist, die Gary L. Baker Im
Krebsgang eine Zwischen-Stimme nennt. Bei der Erzählweise im Roman Im Krebsgang
spricht Baker von einer “middle voice;” sie “makes possible talk of distinctive suffering
situated between the passivity of victims and the agency of perpetrators” (237).4 Siehe zur literaturwissenschaftlichen Diskussion über die Autobiographie aus-
führlich in Wagner-Egelhaaf.5 Doubrovskys Gedanke in Autobiographiques lässt sich so verstehen: Der Erzähler,
der schnell den Namen des Autors übernimmt, verfügt über ein Gedächtnis, das ein
Gewebe knüpft, in dem sich neueste, lang vergangene Erinnerungen vollkommen
durcheinander mischen. In ihm kommen Fiktives und Faktisches gleichermaßen vor.
Das Privileg eines sich im Lebensabend befindenden Autors besteht darin, die Sprache
des Abenteuers dem Abenteuer der Sprache zu überlassen. Kritisch soll hier angemerkt
werden, warum eigentlich die Öffentlichkeit ausgerechnet Schriftsteller zu morali-
schen Autoritäten erhebt. Ist es doch nicht das literarische Werk, für es sie sich inte-
ressieren sollte? Diese Frage stellt man sich im Falle Günter Grass’ besonders, denn
seine Autorität wackelte nicht, weil Zweifel über den ästhetischen Wert seiner Bücher
aufkam, sondern weil die Person des Schriftstellers, seine Handlungen und Meinungen
plötzlich Risse aufweisen. Der ästhetische Maßstab verschwindet schnell aus dem
Blick der Öffentlichkeit; das Werk und mit ihm auch der Schriftsteller werden einer
realen Verurteilung ausgesetzt (Farron).6 Claudia Gronemann diskutiert in der Frage nach Voraussetzungen und Bedin-
gungen neuerer autobiographischer Konzepte die Problematik der Autobiographie für
aktuelle Fragestellungen im Kontext von Lejeune, Serge Doubrovsky und Paul de Man.
Sie hält “[d]as Modell einer retrospektiv erzählten, auf Identität und Kohärenz
gestützten individuellen Persönlichkeitsentwicklung” für problematisch (243). Im
Begriff der Autofiktion sieht sie die Ablehnung des traditionellen Modells der
Lebensdarstellung und die “neue Möglichkeit autobiographischen Schreibens jenseits
von tradierten Gattungsgrenzen” (252). Das Modell der Autofiktion bindet fiktionale
Strukturen, die den Akt des Fingierens kennzeichnen, in die autobiographische Selbst-
darstellung ein.7 Vgl. zuerst A. Assmann: “Konstruktionen von Vergangenheit.” Die außerordent-
liche Fülle von Forschungsbeiträgen (siehe hierzu A. Assmann, “Gedächtnis als Leit-
begriff” 27–45) dokumentiert die Konjunktur, die das Thema Gedächtnis und Erin-
nerung hat und öffnen den Blick auf ein Paradigma, das verschiedene kulturelle
Phänomene und Felder wie etwa Kunst und Literatur, Politik und Gesellschaft, Reli-
gion und Recht in neue Zusammenhänge bringt (J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis
11).8 Aus der Vielzahl von dem im letzten Jahrhundert veröffentlichten Texten
beschränkt Eigler ihre Analyse auf eine Textauswahl aus Werken von Senocak,
Schmidt, Marion und Wackwitz.
346 THE GERMAN QUARTERLY Summer 2012
9 Vgl. Eigler 39–62, hier 40: Diese Öffnung erfolgt im Hinblick auf den nationalen
Identitätsdiskurs in der Konzeption der Deutschen Erinnerungsorte mit der Kritik daran,
dass in diesen Diskursen die in Deutschland lebenden ethnischen Minderheiten
ausgeschlossen bleiben.10 Johannes Fried hat in Der Schleier der Erinnerung an Fallbeispielen aus der poli-
tischen Geschichte die Wandelbarkeit der Erinnerungen betont und demonstriert,
dass einerseits die individuelle Aufnahme von Signalen aus der Umwelt durch unsere
Sinnsysteme und andererseits die Überformung der Vergangenheitsperspektive durch
spätere Erfahrungen die Erinnerungsarbeit steuern. Auf die Wandelbarkeit der Erin-
nerungen von einzelnen Subjekten an dieselbe Zeit verweist Katja Fullard in einem
Vergleich zwischen Grass und Wallershoff und untersucht deren individuelle Perspek-
tive auf das Zeitgeschehen im Rahmen des Fiktionalisierens, um das es in der Literatur
geht: “Both wrote about war in their fiction” (71). “[B]oth demonstrate an awareness
of the unstable nature of memories” and “both insist on the authenticity of their mem-
ories and point to an unchangeable basic truth” (74).11 Karl Mannheim geht davon aus, dass Individuen im Alter von 12 bis 25 Jahren für
lebensprägende Erfahrungen besonders aufnahmefähig sind und dass das, was in
diesem Zeitraum erlebt wurde, für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung eines
Menschen bestimmend bleibt (509–65).12 Das Häuten symbolisiert einen nicht abschließbaren, narrativ entfalteten
Erinnerungsprozess. Mit einem Verweis auf textexterne Passagen aus einem Interview
der FAZ mit Grass schildert Paaß, wie der Akt des Zwiebelschälens und der Akt des
Erinnerns zusammenfallen (488–89).13 Hier zwei Beispiele: Während seiner Ausbildungszeit als Panzermann erinnert
sich das Ich bei seinem Gang durch ein Waldstück zu einem Gutshof mit einem
schlossartigen Bau: “Einmal glaube ich von dorther Musik gehört zu haben. Heute bin
ich mir manchmal sicher, es habe ein Streichquartett etwas von Hayden und Mozart
geübt” (Zwiebel 129). Zu Beginn heißt es: Für das Ich lasse sich, was anfing und was
auslief, genau auf den Punkt bringen, was die Absicht über eine genaue Erinnerungs-
arbeit impliziert. Eine Reihe von Erinnerungslücken bestätigt jedoch die Ungenau-
igkeit von Erinnerungen. Schon in Die Blechtrommel spielt Grass mit Worten, die eine
Ungenauigkeit des Erinnerungsprozesses darstellen sollen wie etwa in der Phrase
“mein hoffentlich genaues Erinnerungsvermögen” (Hall 47–79).14 Bereits in Die Blechtrommel vollziehen sich solche Versteckspiele zwischen dem
Erzähler und Oskar (20).15 Vgl. A. Assmann, Erinnerungsräume (29); siehe zur Diskussion Haverkamp und
Lachmann.16 Im Hinblick auf das Individuum und auf die Darstellung dessen Geschichte
betrachtet Hans Glagau die individuelle Fundierung des autobiographischen
Schreibens als Störfaktor der historischen Wahrheit (55–71). Auch für Roy Pascal
schränkt der individuelle Charakter des autobiographischen Ichs den Wert der
Autobiographie im Auge des Historikers ein. Anders als der Historiker sieht der
Autobiographietheoretiker die individuelle Erfahrung als Besonderheit des autobio-
graphischen Schreibens, in das Ich und die Umwelt in ein wechselseitiges Verhältnis
treten (20–21, 179).17 An Karl Mannheims Theorie einer Einbindung des Individuums in der Dynamik
der gesellschaftlichen Prozesse anknüpfend, erörtert J. Assmann, dass soziale Genera-
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TAFAZOLI: Grass 347
tionen die Zeiterfahrung einer Gesellschaft rhythmisieren. Demnach wird das indi-
viduelle Gedächtnis nicht nur in seiner zeitlichen Erstreckung vom Horizont des
Generationengedächtnisses bestimmt, sondern auch in den Formen seiner Erfah-
rungsverarbeitung durch den kommunikativen Austausch stabilisiert, bei dem
Zeitzeugen einer Erinnerungsgemeinschaft eine herausragende Rolle spielen. Ihre
lebendigen Erinnerungen, ihre biographischen und persönlich erfahrenen und
kommunizierten Erfahrungen bilden einen Erinnerungsraum, der mit ihrem Tod nach
drei bis vier Generationen dem neuen Erinnerungsraum folgender Generationen
weicht (Das kulturelle Gedächtnis 11). Die Tradierung dieser Gedächtnisform obliegt
nur ausgewählten Personen. Daran schließt sich das für die Literaturwissenschaft
relevante Merkmal, denn Jan Assmann zählt zu diesen ausgewählten Personen die
Schriftsteller (54).18 Entweder ist das Gedächtnis an den Ort selbst, oder das Gedächtnis wird in den
Ort lokalisiert. Ferner können Orte selbst zu Trägern, und damit zu Subjekten der
Erinnerung werden und Erinnerungen festigen.19 So finden sich zahlreiche Hinweise auf Die Blechtrommel, auf Tagebuch einer
Schnecke, Die Rättin, Im Krebsgang, Hundejahre, Der Butt, Das Treffen in Telgte, Katz und
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Verlorene Schlachten. Durch intertextuelle Bezüge zu eigenem Werk wird die Absicht
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