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zeo 2 | Magazin für Umwelt, Politik und Neue Wirtschaft | www.zeozwei.taz.de Das Umweltmagazin Ausgabe 03 / 2012 UNSERE IRRE LUST AUF FLEISCH 5,50 Euro EIN DORF IM KLIMAKAMPF Reportage aus El Salvador »DARAN WIRD MAN MERKEL MESSEN« Klaus Töpfer zur Energiewende BAYERISCHE BIBER IM SCHUSSFELD Militanter Streit um die Nager

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Das Umweltmagazin • Ausgabe 03 / 2012

Unsere irre LUst aUf

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5,50 Euro

ein Dorf imKLimaKampfReportage aus El Salvador

»Daran wirD man merKeL messen«Klaus Töpfer zur Energiewende

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Bessere energiezukunftmit erdgas Wir alle brauchen Strom zum Leben. Wenn Strom aus Erdgas erzeugt wird, entstehen nur halb soviel CO2 -Emissionen wie bei Kohle. Erdgas ist eine der ergiebigsten, heute verfügbaren Energiequellen. Aufgrund ständiger Innovationen könnte es die Menschheit für die nächsten 250 Jahre mit saubererer Energie versorgen. Mehr als jedes andere Energieunternehmen unterstützt Shell die Lieferung von Erdgas in möglichst viele Länder. Machen Sie mit und setzen auch Sie auf eine bessere Energiezukunft mit Erdgas. www.shell.com/letsgo

Let’s go.

editorialzeo2 – Magazin für Umwelt, Politik und Neue Wirtschaft

Mit dem arteFakt Stifterfonds erhalten wir in Apulien und auf Kreta Olivenhai-ne, die in ihrer ursprünglichen Anlage der Mischbepflanzung frühe Vorbilder einer nachhaltigen Wirtschaftsweise dar-stellen. In der Konzeption aktiver Land-schaftsmuseen erhalten wir sie inmitten der heutigen Plantagenwirtschaft als sichtbare Ermutigung für Auswege und Alternativen. Im Bild eine Reisegruppe vor dem restau-rierten Trullo des Oliven-Landschafts mu-seums in Palombaio / Apulien.

www.artefakt-stifterfonds.de

Autochthone Olivensorte Koroneiki in Messenien

www.artefakt.eu

Olivenöl aus der Fettecke holen,

dafür werben wir seit 15 Jahren. Junge Olivenanbauer aus Spanien, Italien und Griechenland machen sich auf, orientie-ren sich an der Kunst der Winzer und ent-wickeln sich zu Oliviers. Ein spannendes Unterfangen – schauen Sie mal rein.

Kriener & Franken Chefredakteure

Fett auf die KetteDie Nachricht vom Wechsel im Umweltministerium platzte mitten in die Heftprodukti-on. Peter altmaier löst Norbert röttgen ab. der jovial Umgängliche folgt auf den distanzierten autisten. Was wir nicht vergessen sollten: röttgen war von Beginn seiner amtszeit an – und lange vor Fukushima – auf distanz zu den fliegenden Neutronen der Kernkraft gegangen. das ist sein bleibender Ver-dienst. Und altmaier? Klaus töpfer schätzt ihn, das spricht schon mal für ihn. Wir erinnern uns zudem an Gespräche mit altmaier anfang der 90er Jahre, als er einer der Wenigen in der Union war, der auch mit Journalisten von al-ternativen tageszeitungen ungezwungenen Umgang pflegte und gerne auskunft gab. Und dann soll er ja auch noch selber kochen. Nicht unsympathisch. Wir wünschen ihm erfolg in seinem neuen Habitat mit den absaufenden atommüll-lagern, der tuberkulösen energiewende und den rasant wegsterbenden arten. da braucht es gute gelaunte Schwergewichte.

So gut gelaunt wie Klaus Töpfer? Wir trafen ihn zum interview in nachgerade un-terirdischer Stimmung. töpfer leitet seit nun schon drei Jahren das institut für Nachhaltigkeitsforschung – kurz iaSS – in Potsdam. Untergebracht in einer alten Villa, der ehemaligen residenz der Bundesbank, soll dieser think tank die Politik beflügeln. Freilich hört man aus Potsdam bisher nicht viel, nur töp-fer selber macht immer wieder Schlagzeilen: als möglicher Bundespräsident und davor als leiter der ethikkommission zur energiewende. Von den auf-trägen, die er der Merkel-regierung ins aufgabenheft geschrieben hat, ist frei-lich nicht viel angekommen. erst jetzt, mit dem rauswurf Norbert röttgens, hat Merkel die energiepolitik zur Chefinnen-Sache gemacht. aber nicht wegen der verschlafenen energiewende war töpfer an diesem regnerischen Morgen mies drauf: der Schienenersatzverkehr! die regionalbahn hatte zwei volle Stunden von Berlin nach Potsdam gebraucht. es hat die Stimmung nicht auf-gehellt, dass wir pünktlich waren: »da reden Sie in zeo2 über neue Mobilität und kommen mit dem auto!«

Und das macht uns gute Laune: diese leserinnen und leser gehörten zu den ers-ten, die ihre Zuneigung zu zeo2 mit einem abo ausgedrückt und bei unserer Verlosung gewonnen haben: Kay teckenburg aus Berlin bekommt die lenker-tasche, Gerhard Heckelsmüller aus Mindelheim die Standluftpumpe, doris tintenherr aus Waidhofen das »taz-rad black«. Und wer kriegt das sündteu-re elektro-taz-rad Marke easy rider? »ich hatte noch nie was gewonnen«, freut sich Katharina ait Haddi aus Köln. Sie will immer wissen, »was umwelt-technisch los ist.« da passe ihr neben der tageszeitung ein Magazin, das nicht zu oft erscheint. Und wie gefällt das Heft? »Sehr gut«, sagt sie. Puh, ein Glück. Na denn: Viel Spaß mit dem rad. Und immer reichlich Fett auf die Kette.

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inhaltzeo2 Ausgabe 3 | Juni 2012

autoren dieser ausgabe

20 Titelthema

alles WurstJetzt bruzzeln sie auf dem Grill: dicke Steaks und fette Würste. Die Deutschen lieben mächtige Fleischportionen. Aber nicht nur sie. Weltweit legt der Fleischverbrauch zu, die ökologischen Kollateralschäden sind gewal-tig. Wie kommen wir runter vom Fleischberg, warum fällt uns der Ausstieg aus der Brat-pfanne so schwer? Die jüngere Generation zeigt schon mal wo es langgeht.

25 Sternekoch Michael Hoffmann: Roter Russe statt Kalbsnüsschen

26 Philosophin Ursula Wolf: Dürfen wir Tiere töten?

30 Wurst mit Gesicht: Eine neue Idee, die die Kunden begeistert

Nachrichten

06 Weltblick: Kurznachrich-ten rund um den Globus

07 Energieeffizienz: Lobby macht Politik

07 Asse: Neue Turbulenzen im Atomklo

08 Zahlenspiel: Der Blutzoll des Straßenverkehrs

09 Solarpolitik: Wie Sigmar Gabriel die Branche retten will

10 Gentechnik: Hängepartie beim Lachs

11 Ressourcenfraß: Chinas ungebremster Bauboom

12 Desertec: Deutscher Wüstenstrom am Ende

13 Fukushima mon amour: Ein Wort des Herausgebers

Tabuzone Schlachthof: Der größte Fleischproduzent Brasiliens verarbeitet täglich Tausende Rinder.

Klaus Töpfer über den Versuch, die Energiewende zu wenden

Bauen für die postfossile Zukunft: Arbeiterin in der französischen Vorreiter-Kommune Trièves

Standpunkt14 Die Goldmine im Mülleimer: Armin Reller über den Kampf um die Rohstoffe

16 Immer mehr schwarze Schwäne: Stefan Rahmstorf zeigt, wie Hitzewellen und Klimawandel zusammen-hängen

17 Sind wir jetzt glücklich? Bai Yansong über Wohlstand und Unglück in China

19 Leserstandpunkt: Reaktionen auf unser neues Heft

Medien32 Internet: Kauft das Berliner Stromnetz!

33 Buch: Der neue Report des Club of Rome

Konsum34 Vorzeigbar: Gute Wahl von der Wiege bis zur Bahre

Portrait36 Nina Scheer: Jetzt tritt sie ihr Erbe an

Politik38 Solar: Wie die Branche wieder auf die Beine kommen will

40 Rollback bei der Ener-giewende: Klaus Töpfer im Interview

42 Erbswurst und Ringel-tanz: Die Öko-Offensive im Lager der Rechten

44 Trollinger und Klimakatastrophe: Claus Leggewie über den Grünen Landesvater Winfried Kretschmann

Natur46 Biber im Schuss-feld: Die Einfälle der bayerischen Beamten

International48 Transition Town: Reportage über die Speer-spitze der französischen Öko-Bewegung

50 Interview: Transition-Netzwerker Gerd Wessling

52 Reportage aus El Salvador: Ein Dorf im Tal des Jiboa kämpft gegen den Klimawandel

58 Indien: Ein Volk, wie es radelt und geht

Verkehr60 Mobilitätstest: Renaults knuffiger Twizy elektrisiert die Passanten

Reise62 Interrail: Das Beste in einem Zug

64 Nahreise: Fünf Reisetipps in der Nähe

65 Weintipp: Ein blauer Silvaner aus dem Fränkischen

Kolumne 66 Basta: Peter Unfried zum Dauerspott über das grüne Spitzenpersonal

20

40

Hanne May geboren 1965, bis april

Chefredakteurin der Zeitschrift neue energie. Kennt das gesamte Per-

sonal der Öko-energien-branche. Für uns traf sie nina scheer – am

»Wohnsitz im sonnen-schein».

Claus Leggewie geboren 1950 in Wanne-eickel, einer der ökolo-gisch-politischen Köpfe im land, direktor des

kulturwissenschaftlichen instituts der uni essen. Politikwissenschaftler, denker, umweltsach-verständiger, autor,

tausendsassa.

Martin Rasper geboren 1961, lebt mit

Familie in München als Journalist und

guerilla-gärtner. hat Philosophie, geolo-

gie und Journalismus studiert, schreibt seit 20 Jahren über natur und umwelt, diesmal über

bayerische biber.

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dieser ausgabe

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Im Test:

StadtstromerRenault Twizy

Seite 60 – 61

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nachrichtenUmwelt, Politik und Neue Wirtschaft

ALFA MIX

Umweltschonende Technik OLFS & RINGEN

Richtweg 4 • 27412 Kirchtimke Tel. 04289-926692 • Fax.04289- 926693 [email protected] • www.olfs-ringen.de

Waschen mit Sonnenwärme

ALFA MIX Das Vorschaltgerät für die Waschmaschine

ALFA MIX speist die Waschmaschine mit warmem Wasser aus Solaranlagen und anderen umweltfreundlichen Wärmequellen. Ein 4-Personen-Haushalt kann damit mehr als 300kWh Strom im Jahr einsparen. Mit ALFA MIX wird Solarwärme wirtschaftlicher nutzbar. Für Waschmaschinen mit Startzeitvorwahl auch in der Version Autostart.

Lobbyismus beim Wirtschaftsminister

energieeffizienz À la industriedie Bundesregierung scheint ausgerechnet bei der energieef-fizienz in verbrauchsintensiven unternehmen einzuknicken. die rund 23.000 firmen, die heute wegen ihres hohen strom-verbrauchs von der Ökosteuer ausgenommen sind, sollen in zukunft ganz von einsparverpflichtungen entbunden werden. Wirtschaftsminister Philipp rösler will durchsetzen, dass die-se unternehmen lediglich energiemanagementsysteme einfüh-ren und der Bund auf klare Vorgaben verzichtet. das sieht ein

gesetzesentwurf vor, der sich auf eine lobby-Vorlage des Bundesverbandes der industrie

(Bdi) stützt. der Bdi hat dem Wirtschafts-minister bereits einen entwurf für eine dementsprechende freiwillige selbstver-pflichtung zugestellt, die zeo2 vorliegt. dank hoher energiepreise und techni-

schem fortschritt steigt die energieeffizi-enz derzeit jährlich um 0,4 Prozent. durch

die selbstverpflichtung würde dieser Wert le-diglich auf 0,5 Prozent zulegen – exakt wie es der industrie-verband will.

»damit vergibt die Bundesregierung eine riesige chance, den energieverbrauch zu senken«, sagt Martin Bornholdt von der deutschen unternehmensinitiative energieeffizienz (deneff). noch ende 2011 hatten das umwelt- und finanz-ministerium wesentlich schärfere energiespar-Vorgaben ge-macht, sie lagen bei jährlich 0,9 Prozent weni-ger Brennstoff- und 1,2 Prozent weniger stromverbrauch. die nationalen Vor-gaben sind notwendig und müssen von der eu abgesegnet werden, da-mit die ausnahmen von der Öko-steuer nicht als Wettbewerbsverzer-rung einstuft werden. deutschland gehen durch die ausnahmen jährlich 2,3 Milliarden euro verloren.

Marodes Atomklo Asse

neue turBulenzen uM die fässer-Bergungdie weltweit einmalige rückholaktion von 126.000 fässern mit atommüll aus dem maroden, vom absaufen bedrohten endla-ger asse soll beschleunigt werden. der neue umweltminister Pe-ter altmaier (cdu) will sich für eine möglichst schnelle Bergung stark machen. Kurz nach amtsantritt hatte altmaier demonst-rativ die asse besucht und das Projekt damit zur chefsache ge-macht. der Wolfenbütteler landrat Jörg röhmann (sPd) und viele anwohner fordern seit langen, die Operation »raushole« mit dem notfallparagraphen des atomgesetzes zur akuten ge-fahrenabwehr entscheidend zu beschleunigen.

einer solchen »lex asse« ist altmaier, wie im umweltminis-terium zu erfahren war, offenbar nicht abgeneigt. ende Mai wa-ren von gegnern der Bergungsaktion erneut Meldungen lanciert worden, dass wegen der aufwändigen Vorbereitung erst im Jah-re 2036 mit der Bergung der fässer begonnen werden könne. diese zahl geht auf ein gutachterliches Worst-case-szenario zu-rück. Wann tatsächlich der startschuss für die Bergung fällt, ver-mag derzeit niemand zu sagen. gegenwärtig wird in der asse die nukleare grabkammer nummer sieben angebohrt, um eine Ka-mera durchzustecken und einblicke zu gewinnen. doch die Be-tonwand vor der Kammer ist 20 Meter dick. allein diese erste Bohrung wird deshalb sechs Wochen dauern.

Pazifik

Kontinent im AusverkaufAllein in Ost-Afrika wurden in den vergan-genen Jahren mehr als 13 Millionen Hektar Land an ausländische Investoren verkauft. Genau 293 Deals zählt die Internetseite »Landmatrix« unter www.landportal.info. Hinter der Datensamm-lung stehen verschie-dene Entwicklungs-organisationen. Die Nachfrage kommt da-bei längst nicht immer nur aus China. USA, Malaysia und England führen die Einkäufer-liste an. Meist werden Nahrungsmittel und Energiepflanzen für den Export ange-baut. Banken nutzen das Ackerland als Spekulationsobjekt.

Endgültiges Aus für BeleneBulgarien hat den umstrittenen Atom-standort Belene dieses Frühjahr end-gültig beerdigt. Vor allem Kostenexplo-sionen und fehlende Investoren waren die Ursache des Aus für die beiden schon seit den 80er Jahren im Bau befindlichen Meiler. Was passiert jetzt mit den Bau- und Lieferverträgen? Die Umweltgruppe »Global 2000« be-fürchtet, dass zumin-dest einer der bei russischen Firmen georderten Reaktor-druckbehälter im ma-roden Atomkomplex Kosloduj in einen der dort laufenden Blö-cke »reingeschraubt wird«. Dennoch wer-den saftige Entschä-digungszahlungen fällig.

7

3

BrasilienSpanien

Saudi-Arabien

Öko-Strom ohne Subventionendie sonne ist konkurrenzfähig. gleich drei solare großkraftwerke sollen ab dem kommenden Jahr in spanien gebaut werden, und zwar ganz ohne förderung. die Photo-voltaik-anlagen mit zusammen 1.000 Megawatt – so viel wie ein atomkraftwerk – sollen strom für erstaunlich niedrige 6 bis 9 cent je Kilowattstunde liefern und ab 2015 ans netz gehen. die investoren – darunter zwei deutsche firmen – wollen den strom direkt an Kunden in europa vermarkten.

Solarer Weltmeisterin der saudischen hauptstadt riad liefert die größte solaranlage der Welt Warmwasser für 45.000 stu-denten. der österreichische herstel-ler Green One Tec hat das Projekt konzipiert und dieses frühjahr in Betrieb genommen. 36.000 Quadrat- kilometer sonnenkollektoren, deren spezialglas vor sandstürmen ge-schützt ist, machen die anlage welt-weit zur nummer eins, weit vor dem bisherigen spitzenreiter, einer halb so groß dimensionierten anlage in dänemark. für Österreich, tech-nologieführer bei Kollektoren, ist die anlage ein weiteres Vorzeige-projekt mit türöffner-funktion.

14

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CO2-Handel kommt

Südkorea, Australien und vor allem China wollen ab 2013 in den Emissionshandel mit dem Treibhausgas CO2 einsteigen. Auch der US-Bundesstaat Kali-fornien und die kana-dische Provinz Québec sind auf einem solchen Weg. Zusammen mit dem Emissionshandel in Europa würde so für 40 Prozent aller welt-weiten Klimagase eine Obergrenze gesetzt. »Die Bepreisung von CO2 ist im Aufwind«, sagt Ann-Kathrin Schneider, Klimaex-pertin des BUND.

Bulgarien

Afrika6

Abholzungsgesetz in Kraft

das neue forstgesetz der brasilia-nischen regierung ist anfang Juni von Präsidentin dilma rousseff un-terschrieben worden. ein schwerer rückschlag für natur und Klima. illegale abholzungen der Vergangen-heit werden dadurch legalisiert. Vor-schriften zur Wieder- auffors-tung werden aufge-weicht, und

auch nicht-heimi-

sche Baumarten dürfen nun angepflanzt

werden. an den flussufern können Bäume leichter gefällt

werden. die umweltverbände rech-nen mit großflächigen abholzungen.

Japan2

Atomstrom auf Null

seitdem am 5. Mai das letzte japa-nische aKW vom netz ging, hat sich die diskussion um die energie-politik zugespitzt. Premierminister Yoshihiko noda kündigte anfang Juni an, der termin für ein Wieder-anfahren der ersten beiden Meiler in der Präfektur fukui rücke nä-her. doch im land ist eine stabile Mehrheit der Bevölkerung weiter-hin dagegen. eine Petition gegen die Wiederinbetriebnahme der ersten aKW wurde auch von zwei Kabi-nettsmitgliedern unterzeichnet.

Anzeige

23.000 Firmen wird die

Ökosteuer erlassen

2,3 Milliarden Euro

kostet das die an- deren steuer-

zahler

Es geht um Kohle: Wirtschaftsminister Rösler (FDP) informiert sich auf einer so genannten Energiereise über das umstrittene Kraftwerk Datteln.

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LeserstandpunktSchreiben Sie uns: [email protected] oder zeo2, Mariannenstr. 9 – 10, 10999 Berlin

Provozierende FernreiseMit Vergnügen habe ich das neue Heft gelesen. seine wichtigste neuerung scheint mir das 100 prozent recycling-papier – etwas dauerhaft Gutes. Ver-missen werde ich die optische Geschlos-senheit der alten zeo2. Man wird jetzt mehr zum Blättern animiert als dazu, sich in text zu vertiefen. dass der neue Verlag mit einer ganzseitigen annon-ce für Fernreisen wirbt, ist eine provo-kation, zumal auf seite 31 Otto ull-rich zitiert wird: Was machen die Leute mit dem Geld, das sie durch anderes konsumverhalten sparen – sie inves-tieren es doch nur in eine Fernreise.Ulrich Zimmermann, Frankfurt/Main

Ab ins Gorleben-Archiv die neue ausgabe habe ich gleich ge-lesen – nicht nur überflogen! »um recht zu behalten, muss die energie-wende scheitern. daran arbeiten sie« (seite 20). Wie wahr! Ich finde die neue zeo2 gut. Wichtige themen sind angepackt wie die »Verlorenen Mäd-chen«. Gleich drei artikel zum the-ma »atom«. da freut sich natürlich mein Herz. sehr gut der Beitrag von Gerd rosenkranz. und urlaub mit taz-korrespondentInnen würde ich auch gern mal machen. Im Übrigen wandert eure Zeitschrift nach Lektüre gleich ins Gorleben-archiv. Glückwunsch!Marianne Fritzen, Kolborn

Quellengeheimnis es finden sich im Magazin sehr viele Zahlenangaben. Was mir abgeht, ist die jeweilige Quellenangabe, damit ich die Werte seriös weiterverwenden kann.Richard Zieglmeier per mail

Infohäppchen sattLiebe redaktion, in sachen Infohäppchen seid ihr für mein Gefühl deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Im Vorderteil gibt’s zu viel kleinklein. es dauert zu lan-ge, bis der erste große artikel kommt. die Gast-kommentare fand ich al-le sehr gut, aber insgesamt wür-de ich über die Blattstruktur noch-mal nachdenken. Bringt die zeo2 wei-ter voran, ich werde sie jedenfalls abonnieren und kritisch begleiten.Wolfgang Zügel, Berlin

Gut gemacht – gern gelesenBesonders positiv: sie drucken jetzt auf echtem recycling-papier inklusi-ve Blauer engel. das Heft ist sehr gut gemacht, die Mischung aus »ernsten« themen – wie gewohnt gut aufberei-tet – und unterhaltung ist gelungen. Besonders anregend finde ich die kom-mentare und Gastbeiträge. das Layout hat mich zunächst nicht angesprochen. Zu fragmentiert, zu durcheinander, zu viele Farben, Formen, schrifttypen. Mir fehlt klarheit. aber: Mit der Zeit entdeckte ich doch eine reihe interes-santer elemente – etwa bei den Grafi-ken. kurzum: Ich las das Heft gern und freue mich auf die nächsten ausgaben!Karsten Klenner, Berlin

Neues Personal? Ich bin enttäuscht. es fehlt die Leichtig-keit, die kürze, die Freude am thema und vieles, was die alte zeo2 ausgemacht hat. das design ist beliebig, die artikel teilweise zu lang, die guten rubriken kaum wiederzuerkennen. Wie kommt das? sind vielleicht doch ein paar Men-schen mehr ausgetauscht worden? Julian Gröger per mailNein, hier arbeitet das alte Team – Die Red.

»Das neue Layout ist eine Geschmacksfrage und sicher auch eine Genera-tionsfrage. Wenn zeo2 sich stärker an jüngere, nur bedingt öko-affine Leser wenden will, dann müss-ten auch Themen und Stil einige Brüche zeigen. An-sonsten ist das Blatt redak-tionell sehr gut gemacht, aber für mich zu kleinteilig. Euren Titelbildern werde ich nachtrauern.«Petra Granzow, Usedom

»Tolles Heft, Kompliment! Für mich derzeit das Beste, was es auf dem Markt zum Thema Nachhaltigkeit gibt. Weiter so!«.

Lothar Klatt, zeo2-Leser aus Ulm

zeo2 hat ein neues Gesicht. Eine neue Struktur. Neue Rubriken. Neue Seiten. Wir haben unsere LeserInnen gefragt: Wie gefällt euch das neue Heft?

Die ganze Leserbefragung auf: http://bewegung.taz.de/organisationen/zeo2/aktionen

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Ist uns wIrklIch alles wurst?Schnitzel oder Spargelspitzen, Bockwurst oder Bohnentopf? Unser Speiseplan entscheidet mit über die Zukunft der Welt. Fleisch ist auf bestem Weg, von einem »Stück Lebenskraft« zu einem Stück Klimakatastrophe zu werden. Vor allem die jüngere Generation reagiert darauf mit kleineren Fleischportionen und vegetarischen Tagen. Doch während hierzulande der Appetit aufs Tier leicht zurück- geht, steigt er weltweit in schwindelerregende Höhen.

Von Manfred Kriener und Alexandra Rigos

U nentschieden! es steht immer noch unentschieden. am Berliner Mehringdamm kämpfen Zucchini

gegen currywürste, ein spannendes kopf-an-kopf-rennen. als der u-Bahn-schacht eine vierköpfige Männergruppe im Blau-mann ausspuckt, fällt die Vorentscheidung: Die arbeiter steuern ohne zu zögern den stand mit der roten Markise an: »viermal currywurst ohne Darm, einmal extra-scharf!« Der sieg für die wurst. Doch der Gemüse-kebap nebenan hat sich prächtig geschlagen an diesem schwülen Frühsom-mer-nachmittag, ein starker Gegner. und schon morgen beginnt ein neuer wett-kampf zwischen den beiden Verkaufsstän-den, die nur 30 Meter voneinander entfernt um die Gunst der Berliner Mägen ringen.

hier lockt das curry 36, eine 30jährige Berliner Institution in sachen fetter schwei-newurst zu 1,50 euro. Dort gibt‘s seit sechs Jahren Gemüse-kebap für 2,50 euro, ein gebratenes buntes Gemüse-allerlei in der weißbrottasche mit soßenklecks.

Die beiden Stände sind exemplarisch. Sie mar-kieren zwei Wege, zwischen denen sich der Al-lesfresser Mensch Tag für Tag entscheiden muss. Fleisch und Wurst satt oder die Abrüstung an der Kühltheke. es ist eine entscheidung zwi-schen Massentierhaltung, klima-Gau und tötungsbucht auf der einen seite oder ei-ner sanfteren ernährung, die ressourcen, tiere und umwelt schont, auf der anderen. es gibt tageszeiten, an denen ist die Ge-müseschlange länger als die bei der wurst.

und eines fällt auf: unter der roten Mar-kise des curry 36 drängeln sich mehr Män-ner, beim Gemüse stehen die Frauen. Die Gemüseschlange ist jünger, die currywürs-te sind älter!

es sind Beobachtungen, die andreas schneider nur bestätigen kann. Der Pro-jektleiter des Deutschen Vegetarierbundes sitzt gut gelaunt an seinem schreibtisch und widerlegt damit schon mal Bayern-Boss und wurstfabrikant uli hoeneß, der noch nie einen fidelen Vegetarier gesehen haben will. schneiders laune wird noch besser, wenn er in die statistik schaut. In-nerhalb der letzten vier Jahre hat sein ar-beitgeber die Mitgliederzahl glatt auf 6.000 Mitstreiter verdreifacht, »täglich kommen neue dazu«.

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I n der Trockenzeit schlängelt sich der Río Jiboa wie ein

kümmerliches Rinnsal durch ein viel zu breites Bett. Rinder nutzen ihn als Tränke, Fußgänger queren ihn mit kaum hoch-gekrempelter Hose. In der Re-genzeit aber, wenn ein tropischer Sturzregen niederbricht, dann schwillt er an. Das ist die Zeit, in der Ovidio Rivera nervös wird. Er stellt das knackende Funk-gerät vor sich auf den Tisch und starrt hi-nein, als würde gleich die Übertragung der Fußballmeisterschaft beginnen.

Rivera wohnt in San Pedro Masahuat, einer Siedlung in der Küstenebene El Sal-vadors, nahe an der Mündung des Río Ji-boa in den Pazifischen Ozean. Weiter oben im Tal gehen Männer im strömenden Re-gen hinaus an den Fluss zu den Pegeln: einfache Säulen aus Stahlbeton, gut zwei Meter hoch. Das untere Drittel ist grün gestrichen, danach kommt ein Drittel gelb und oben sind sie knallrot.

»Gerade noch im grünen Bereich«, knackt es in Riveras Funkgerät. Und zehn Minuten später: »gelb und steigend«. Ri-vera geht hinüber zur Hütte des lokalen Notstandskomitees. »Wenn es oben im Tal eine Stunde lang schüttet, saufen wir hier unten ab«, sagt er. »Da braucht bei uns kein einziger Tropfen zu fallen.« Rivera greift zum Mikrofon.

»Achtung! Achtung!« krächzt es aus den Lautsprechern. Die sind in jedem der 25 Weiler der Gemeinde auf hohen Eisengerüsten montiert. »Der Jiboa nä-

hert sich der Alarmstufe rot! In zehn Minuten leiten

wir die Evakuierung ein!« Die Männer und Frauen vom Katas-

trophenschutz-Komitee gehen von Hütte zu Hütte und klopfen an die Türen. Ein schwieriger Job. »Es ist wie beim Pokern«, sagt Rivera. »Kommt das Wasser oder kommt es nicht? Wenn man zu oft warnt, gehen die Leute nicht mehr aus ihren Häu-sern.«

Überschwemmungen sind nur eine von vielen Herausforderungen, die San Pedro Masahuat bewältigen muss. Im Süden vor der Küste stoßen die karibische und die Cocosplatte aufeinander. Wenn sie sich aneinander reiben, kommt es zu schweren Erdbeben, manchmal auch zu einem Tsu-nami. Im Norden der Gemeinde steht der Chinchontepeque, ein aktiver Vulkan.

Eigentlich ist das schon mehr als genug an Gefahrenpotenzial. Aber es kommen noch selbst gemachte Probleme dazu: 98 Prozent des ursprünglichen Baumbestan-des von El Salvador sind der Zersiedelung und den Monokulturen zum Opfer gefal-len: zuerst Indigo, dann Kaffee, schließlich Baumwolle und Zuckerrohr. Der nackte, monokulturell bebaute Boden schluckt

WEHE, WENN DER REGEN KOMMTKlima-Notstand in El Salvador – Das Land wird von Wirbelstürmen und Überschwemmungen bedroht, von Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüchen. Und jetzt auch noch vom Klimawandel. Ein Dorf bereitet sich vor.VON Toni Keppeler und Cecibel Romero

1998Hurrikan »Mitch« rast

über Zentralamerika, 11.000 Tote. El Salvador beklagt 500 Opfer. In San Pedro

Masahuat sterben 24 Menschen.

Nochmal gut gegangen! Beim letzten Hochwasser im November kam der Ort glimpflich davon. In ihren Regencapes inspizieren drei Helfer des Katastrophenschutzes die Lage.

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Nahreise

als die DDr untergegangen war, habe ich per interrail mehr von der Welt gesehen, als ich es mir Jahre zuvor hätte erträumen können. Zum Übernachten war London schon damals sehr teuer. also sind wir mit dem Nachtzug nach edinburgh gefahren. im Zug kann man wunderbar in isomat-ten im Gang schlafen und so das hotel sparen. in edinburgh war es allerdings kaum besser. also sind wir abends wieder die 600 Kilometer nach London gefahren. Den Tag in London. Über Nacht nach edinburgh. Und so weiter. insgesamt ging das zwei oder drei Mal so hin und her. Von den städten ist nicht viel hängen geblieben: ich weiß nur noch, ich habe mich gewun-dert, dass die Leute in schottland so ko-misches englisch sprechen und dass in London Pizza und Cheddar unglaublich teuer waren. Die Betten auf dem Gang wa-ren hart - aber billig. Und im Unterschied zum Kampieren im Park konnte man nicht nass werden. Wenn man von umgekippten Bierflaschen absah.Wir sind dann schnell wieder von der insel verschwunden. Richard Rother, 1990 von Ost-Berlin aus

1 Mein Vater war nicht unbedingt begeistert, dass sein 17-jähriger Sohn mit zwei Freun-den Richtung Portugal wollte. Vielleicht auch nach Afrika. Aber bevor er dem Zug hinterher-winken und meiner Mutter die Hand halten musste, hat er mir noch 100 Mark in die Hand gedrückt. Das ist Liebe. Marcus Franken, erste Reise ohne Eltern, 1986

Die interrail-Werbung zog vielleicht zwei Minuten. Mit der Bahn durch ganz euro-pa? Tolle idee! einfach ein- und aussteigen, wo es passt? Grandios! 440 Mark für vier Wochen? Vollkommen unmöglich. Kin-

derreiche Familie. Frisch gebautes reihen-haus. Vater alleinverdiener – das hieß: Geld für reisen, Kino, Bücher und Kla-motten wollte in den sommerferien erst verdient werden. ich hatte weder vier Wo-chen noch 440 Mark. Und was wäre mit Brot, Wein, Kippen? Wo bliebe da der Ur-laub? statt auf die Bahn setzten meine Freunde und ich aufs auto. Und trampten. Billig (hurra!), öko (worüber wir keine se-kunde nachdachten) und schnell. Wir Frauen brauchten zwei Tage von Mön-chengladbach ins Baskenland. schlaf fan-den wir in einem Graben irgendwo in Frankreich und bei einer Baskin, die uns mit nach hause nahm. Morgens tauschten wir einen Traveller-scheck und kauften ihr eine Flasche Wein. Die Jungs waren einen Tag länger unterwegs, dafür aber bereits betrunken. auf dem Campingplatz mel-deten wir ein Zelt und zwei Leute an, kon-trolliert wurde nie. Der Urlaub kostete keine 200 Mark, und mir blieb sogar noch was übrig für die wunderhübsche Zola-Gesamtausgabe aus dem antiquariat.Beate Willms, auf Reisen 1983

2 »Wenn Du nich ganz blind auf beide Augen biss, dann kannse an der Costa Brava jeden abend mindestens zwei Nummern schieben«, schwor dieser sackalte Mittzwanziger mit den ausgebeulten, mintfarbenen Frotteeturnho-sen. Der Zug war noch lange nicht in Paris, da hatte er mir beim Skat («Ramschen kannst Du?«) schon 40 Mark abgenommen. Wir wa-ren wirklich noch sehr unschuldig. mf

essen, genießen, entspannen. ich wollte in italien zwei Wochen lang «dolce vita« – das süße Leben genießen. sonst nix. Bolo-gna, «Die Fette«, macht ihrem Namen alle

ehre. Dort gibt es selbstge-machte Tortellini: Kleine und große, mit Käse oder Pilzen, angebraten und in der suppe. in der Toskana bin ich im Chianti- Tal gewesen. Mit Wein und Panzanella, einem Brotsalat, und Dessertwein, vin san-to, zu Cantuccini. in Perugia schmeckt man Landschaft und Zeiten in der Mines-trone: frühlingshaft frisch mit Gemüse, Kräutern und hülsenfrüchten aus der Ge-gend. Die beste Pizza gibt es entgegen aller Behauptungen nicht in Neapel, sondern in rom. hier ist sie dünner und sehr knusp-rig. außerdem ist in rom mein Lieblings-café, das santa Maria dell‘anima bei der Piazza Navona. Neapel und die amalfi-küste machten die Fresstour perfekt, die Pasta ist kombiniert mit allem, was das Meer hergibt. Dank Grappa und espresso war nach der schlemmerreise nicht mal eine Diät nötig. Nicole Paganini, im Frühjahr 2009

3 Hinter Biarritz haben wir gezeltet. Der Strand war toll. Die Mädchen am Strand: 10 – die Traumfrau. Die Traumfrauen blieben Theorie und das Zelten habe ich mir gründ-lich abgewöhnt: Dauerregen, matschweiche Ravioli über dem Campingkocher, drei Mann im Zweimannzelt. So was prägt. mf

Meine eltern haben das nur erlaubt, weil sie befürchteten, dass ich sonst trampen würde. ich war 15. Die anderen drei Mäd-

ToTaL GeChiLLT iM ZUG Best-of Interrail – Erinnerungen an 40 Jahre freies Zugfahren »für junge Leute« in Europa.

ZeiT

chen nicht älter. Wir wollen von osnabrück über Paris, die atlantikküste und das Mittelmeer nach spanien. am ersten Tag in Paris haben wir am Cen-tre Pompidou einen Künstler kennengelernt – wir fanden ihn wahnsinnig cool. Mit dem waren wir algerisch essen – da habe ich das erste Mal CousCous probiert. in den heißen Zügen nach Bordeaux sind wir unter unseren riesigen, sperrigen und schweren »Tramperge-stellen« fast gestorben. Wir kamen mitten in der Nacht in Bordeaux an. ein netter älterer herr sprach uns an und bot uns an, bei ihm im Keller zu schlafen. er hat dann auch prompt versucht, zwei von uns zu begrapschen. Da ha-ben wir die Flucht ergriffen und sind die ganze Nacht durch die stadt geirrt. an der atlantik-küste wäre ich fast umgekommen: Vom strand weg bin ich mit einer Luftmatratze aufs Meer getrieben. ich muss einen sonnenstich bekom-men haben, auf jeden Fall hatte ich einen völ-ligen Black-out und konnte mich an nichts er-innern. Nachdem ich an einem anderen strand angespült worden war, musste ich fünf Kilo-meter zurück zum Zelt laufen. interrail mit 15 würde ich meiner Tochter nie erlauben. Birgit Bierenriede, war 1980 unterwegs

4 »Hast Du unsere Rucksäcke gesehen«. Nö, in Zentralspanien wurden wir bis auf die Unterhosen ausgeraubt. Im weinseligen Tiefschlaf und im Ra-tata-ratata des Zuges haben wir nichts gemerkt: Kamera, Zelt, Schlafsäcke, ein Reisepass. Übrig war nur ein Rucksack mit Unterwäsche. Mitten im spanischen Nirgendwo sind wir ausgestiegen und haben in der Bahnhofskneipe Tortilla gegessen.

Im Hintergrund lief Tennis, was uns so gar nicht interessierte. «Kennt ihr den? Kennt ihr den?« Der Wirt war hartnäckig. Becker? Boris? Nie gehört. Ein Deutscher in Wimbledon? Wir waren aber sofort bereit, ihm unsere Sympa-thie zu schenken. Und haben die Reise dann nicht abgebrochen. Mit der Wäsche für einen kamen wir zu dritt gut zurecht. mf

Berlin, amsterdam, Paris, Brüssel, Paris, von da wollte ich dann direkt nach spanien. aber so einen Zug gibt es nicht und ich habe zwei Tage in irgendwelchen Dörfern in Frankreich verloren. in den Pyrenäen – ich hatte keine ahnung, wo ich war – kam plötzlich so ein Cabrio-Zug vorbei: Wirklich, ohne Dach. alle saßen in ihren sitzen und haben gechillt. aber der coolste Typ war der mit dem Kind, das war etwa 13 Jahre alt und schon vier oder fünf mal im Knast. Der Typ war der Pate des Kindes, eine art sozialarbeiter. Der erzählte gute Ge-schichten, hat Zigaretten verteilt und selber geraucht wie eine Dampflok. Das Kind hat die ganze Zeit böse geguckt. Billig ist interrail üb-rigens nicht. 450 euro für das Ticket und dann immer 5 bis 10 euro für reservierungen, so-bald man nicht den regionalzug nimmt. Das hat noch mal 200 oder 300 euro gekostet. Das ist eine Warnung an alle, die interrail machen wollen! Camilo Correa, 2009

5 Im Regionalzug nach Portugal musste sich ein Freund im Klo verstecken. Was sollte er machen, ohne Reisepass? mf

entdeckung der Langsamkeitdie Horden von Jugend-lichen, die auf dem Boden der Bahnhöfe schliefen, waren der Schrecken aller Eltern: Da wurde sich tagelang nicht gewaschen! Wer in den 80er Jahren mit dem weiß-blauen Ticket unterwegs war, durfte sich auch ein bisschen wie ein Hippie fühlen: Hasch und billiger Wein inklusive. Für nur

waren 1972 alle Bah-nen in Europa für einen Monat gratis.

370 dm

638 €kostet der Monatspass heute. Trotzdem erlebt Interrail ein Comeback.

Billigflieger sind out: Nach einem Boom in den Wendejahren war die Nachfrage ums Jahr 2000 gering. Nun geht es wieder aufwärts. 2011 wurden europa-weit 236.000 Interrail-Tickets verkauft. Es lebe die Entdeckung der Langsamkeit!

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ISSN 2194-1246

66 zeo2 03|2012

Basta

Deutsche Spitzenpolitiker

Darf man über Claudia Roth Witze reißen?von Peter Unfried

N icht nur bei den Linken, auch in der grünen umweltpartei beharken sich die spitzenkräfte. Ist deren ewiges

Führungsquartett noch satisfaktionsfähig? und was ist mit Claudia roth? Darf man sich zum Beispiel noch über Frau roth lus-tig machen? Über jene Frontfrau der partei, die wie keine andere immer wieder in Hohn und spott gebadet wird? Diese Frage ist in aufgeklärten Kreisen nach wie vor nicht befriedigend beantwortet. nun kann man mit guten Gründen sagen, dies sei eines der geringeren probleme bei der Bewältigung von energiewende und Klimakatastrophe. Doch Claudia roth ist nicht nur empö-rungsliesel und nervensäge vom Dienst, sondern auch parteichefin.

Die antwort auf die Witzfrage kann im Grunde nur »Ja« sein, denn wir leben ja in einer Demokratie bzw. spaßdiktatur. andererseits hat auch der größte Witzbold seit längerem das Gefühl, sich über Clau-dia roth lustig zu machen, sei durch. aber dann tut es doch wieder einer. Warum? politische Witze sind in totalitären regi-men weit verbreitet. aber die Grünen-po-litikerin ist eindeutig keine Diktatorin. vielleicht kommt man der sache näher, wenn man bedenkt, dass der Witz nach Freud die ohnmächtigen erleichtert. Wo-rin aber besteht die ohnmacht der Witz-bolde gegenüber roth?

sie besteht darin, dass man Frau roth inhaltlich-argumentativ nicht an den Kar-ren fahren kann. Die Kritiker können nur sagen, dass sie irgendwie peinlich ist, zu

laut lacht etc. Dann sagen ihre anhänger: nein, sie ist authentisch. man kann Frau roth auch nicht fehlende Fachlichkeit vor-werfen. Der grüne antidiskriminierungs-Fortschritt besteht ja gerade darin, dass nicht nur ahnungslose männer, sondern auch ahnungslose Frauen in Führungspo-sitionen gelangen können müssen.

Zweitens erwartet kein mensch von roth fachliche Brillanz. niemand würde auf die Idee kommen, sie müsse die ener-

giewende voran-bringen. Innerhalb der Grünen hält man sie sogar für komplett unfähig, ein ministerium zu führen – es sei

denn ein neu zu gründendes für

trauer und empö-rung. Das heißt aber

nicht, dass sie nicht als spitzenkandidatin für die

Bundestagswahl antreten soll. roth ist ja gerade deshalb so be-

liebt, weil sie für ihre Fans keine Fach-politikerin ist. sondern ein mensch. mit Gefühlen. mit Fehlern. mit kleinen eigen-heiten. Bei der Kleidung angefangen. Im Grunde ist Claudia roth eine piratin. Des 20. Jahrhunderts. und dann noch ihre ver-gangenheit als praktikantin bei ton steine scherben!

Damit ist Frau roth die einzige unkri-tisierbare spitzenfunktionärin der deut-schen politik. sie ist die seele der grünen partei. Witze können ihr nichts anhaben. Die partei wirbt sogar mit ihr: niemand nervt so schön wie C.r. na dann. ■

© U

lrike

Dor

es