falk gastro-kolleg leber und gallenwege · len (lkm) und löslichen (sla/lp) autoantigene. 1992...

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Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 1 Autoimmune Hepatitis – Update 2011 Zusammenfassung Die autoimmune Hepatitis (AIH) ist eine chronisch entzündliche, immunvermittelte Erkrankung des Lebergewebes, bei der die Leber durch ursächlich inkomplett verstan- dene Mechanismen eines Toleranzverlusts irreversibel geschädigt wird. Sie führt zum Bild einer chronischen Hepatitis, welches durch weitere extrahepatische immunvermit- telte Zeichen wie Immunthyreopathie, Colitis ulcerosa, Hauterscheinungen (z. B. Vitiligo) und Diabetes mellitus gekennzeichnet sein kann. Ungefähr zwei Drittel der Patienten sind weiblich. Die AIH ist durch eine Erhöhung der Alaninaminotransferase und Gamma- globuline (IgG), durch ein Auftreten von Serumantikörpern wie ANA, SMA, LKM oder SLA sowie durch ein Ansprechen auf Steroide gekennzeichnet. Unbehandelt ist mit einer raschen Zirrhoseprogression und einer Mortalität von 90% in 10 Jahren zu rechnen, sodass die Diagnose, die durch Ausschlussdiagnostik abgesichert wird, von höchster Bedeutung ist. Die Therapie der Wahl sind immunsuppressive Strategien, die meist auf Steroidbasis erfolgen. Diese erreichen in rund 80% der Fälle eine Remission und eine Normalisierung der Lebenserwartung. Schlüsselwörter Autoantikörper | Immunsuppression | Immunglobuline | Lebertransplantation | Leberzirrhose | Überlappungssyndrome | Leberbiopsie | Schwangerschaft Titelbild: Histologischer Aspekt einer autoimmunen Hepatitis: lymphoplasmazelluläres Infiltrat Prof. Dr. C.P. Strassburg Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. Hannover

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Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

1

Autoimmune Hepatitis – Update 2011Zusammenfassung

Die autoimmune Hepatitis (AIH) ist eine chronisch entzündliche, immunvermittelte Erkrankung des Lebergewebes, bei der die Leber durch ursächlich inkomplett verstan-dene Mechanismen eines Toleranzverlusts irreversibel geschädigt wird. Sie führt zum Bild einer chronischen Hepatitis, welches durch weitere extrahepatische immunvermit-telte Zeichen wie Immunthyreopathie, Colitis ulcerosa, Hauterscheinungen (z. B. Vitiligo) und Diabetes mellitus gekennzeichnet sein kann. Ungefähr zwei Drittel der Patienten sind weiblich. Die AIH ist durch eine Erhöhung der Alaninaminotransferase und Gamma-globuline (IgG), durch ein Auftreten von Serumantikörpern wie ANA, SMA, LKM oder SLA sowie durch ein Ansprechen auf Steroide gekennzeichnet. Unbehandelt ist mit einer raschen Zirrhoseprogression und einer Mortalität von 90% in 10 Jahren zu rechnen, sodass die Diagnose, die durch Ausschlussdiagnostik abgesichert wird, von höchster Bedeutung ist. Die Therapie der Wahl sind immunsuppressive Strategien, die meist auf Steroidbasis erfolgen. Diese erreichen in rund 80% der Fälle eine Remission und eine Normalisierung der Lebenserwartung.

Schlüsselwörter

Autoantikörper | Immunsuppression | Immunglobuline | Lebertransplantation | Leberzirrhose | Überlappungssyndrome | Leberbiopsie | Schwangerschaft

Titelbild: Histologischer Aspekt einer autoimmunen Hepatitis: lymphoplasmazelluläres Infiltrat

Prof. Dr. C.P. StrassburgKlinik für Gastroenterologie, Hepatologie und EndokrinologieMedizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Str. Hannover

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Autoimmune Hepatitis – Update 2011

Historie

Nachdem Amberg 1942 eine Hyperproteinämie mit schwerem Leberschaden und Wood 1948 eine nicht-suppurative chronische und akute Hepatitis beschrieben hatten, war es Waldenström, der zuerst 1950 eine zur Zirrhose führende chronische Hepatitis junger Frauen mit Ikterus, erhöhten Gammaglobulinen (vor allem Immunglobulin G) und Amenorrhö beschrieb, die sich bei Gabe von ACTH deutlich besserte. Damit wurde aus nosologischer Sicht erstmalig eine neue Hepatitis sui generis beschrieben. Kunkel berichtete 1951, dass es sich dabei um eine Erkrankung junger Frauen handelte; 1956 wurde durch die Assoziation mit antinukleären Antikörpern und anderen Charak-teristika von Mackay die Bezeichnung lupoide Hepatitis eingeführt, bis sich 1965 eben-falls durch Mackay der Begriff der autoimmunen Hepatitis (AIH) durchsetzte. In den 1970er- und 1980er-Jahren erfolgte die Charakterisierung der serologischen Autoimmunität, gefolgt von der molekularen Definition der Leber-Niere-mikrosoma-len (LKM) und löslichen (SLA/LP) Autoantigene. 1992 wurde durch die „International Autoimmune Hepatitis Group“ schließlich eine Definition mit Score-System vorge-schlagen, 1999 revidiert und kürzlich vereinfacht (Tab. 1A und B), sodass die AIH heute eine etablierte Erkrankung ist. Die AIH ist die erste chronische Lebererkrankung gewe-sen, bei der bereits in den 1970er-Jahren der Nutzen einer medikamentösen Therapie belegt werden konnte. Ihr Erkennen und ihre konsequente Therapie hat bis heute einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose der Betroffenen.

Tab. 1A – AIH-Score nach Alvarez et al. 1999

Parameter Punktewert

Geschlecht weiblich männlich

+ 2

0

Klinische Chemie Verhältnis von alkalischer Phosphatase

und Aminotransferasen > 3,0 1,5–3,0 < 1,5

– 2 0

+ 2

Serumglobuline, Gammaglobulin oder IgG Vielfaches des oberen Normbereichs

> 2,0 1,5–2,0 1,0–1,5 < 1,0

+ 3 + 2 + 1 0

Autoantikörper (Titer in der Immunfluoreszenz) Erwachsene

ANA, SMA oder LKM-1 > 1:80 1:80 1:40 < 1:40

Antimitochondriale Antikörper (AMA) positiv

negativ

+ 3 + 2 + 1 0

– 4

0

3

Parameter Punktewert

Virushepatitismarker negativ

positiv

+ 3 – 3

Andere Genesen Drogenabusus anamnestisch

ja nein

Alkohol (durchschnittlicher Gebrauch) < 25 g/Tag

> 60 g/Tag

Genetische Faktoren: HLA DR3 oder DR4 Andere Autoimmunerkrankungen

Ansprechen auf Therapie komplett

Rückfall

– 4 + 1

+ 2 – 2

+ 1 + 2

+ 2 + 3

Leberhistologie Interface-Hepatitis

Lymphoplasmazelluläre Infiltrate Rosettenphänomen der Leberzellen Keines der genannten Gallenwegsveränderungen Andere Veränderungen

+ 3 + 1 + 1 – 5 – 3 – 3

Seropositivität für andere definierte Autoantikörper + 2

Interpretation: Definitive AIH: mehr als 15 Punkte vor Behandlung, mehr als 17 Punkte nach Behand-lung. Wahrscheinliche AIH: 10–15 Punkte vor Behandlung, 12–17 Punkte nach Behandlung.

P Die autoimmune Hepatitis (AIH) kann mithilfe eines Scores mit hoher Wahr­scheinlichkeit diagnostiziert werden.

B – Vereinfachter Diagnosescore für die AIH (Hennes et al. 2008)

Parameter Grenzwert (Titer) Punkte (Score)

ANA oder SMA ≥ 1:40 1

ANA oder SMA oder LKM oder SLA

≥ 1:80 ≥ 1:40 positiv

2*

IgG > oberer Referenzbereich > 1,10 x oberer Referenzbereich

1 2

Leberhistologie (Nachweis einer Hepatitis ist notwendige Bedingung)

vereinbar mit AIH 1

typische AIH 2

Keine Virushepatitis positiv 2

*Addition für jeden nachgewiesenen Autoantikörper (Maximum: 2)

Interpretation: Wahrscheinliche AIH: ≤ 6 Punkte. Definitive AIH: > 6 Punkte

ANA, antinukleäre Antikörper; SMA, Antikörper gegen Aktin glatter Muskelzellen; LKM, Leber/Niere- mikrosomale Antikörper; SLA, Antikörper gegen lösliches Leberantigen; IgG, Immunglobulin G

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Definition und Epidemiologie

Die AIH ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Leber, die durch einen immu-nologischen Toleranzverlust gegenüber den Hepatozyten zur Gewebedestruktion, zur Leberzirrhose und zum Leberversagen führt und zu ca. 60–70% Frauen betrifft. Sie wird als eine chronische, überwiegend periportale Hepatitis definiert, die gewöhnlich mit Hypergammaglobulinämie und Serumautoantikörpern (ANA, SMA, LKM oder SLA, vgl. Tab. 2) einhergeht und die in den meisten Fällen auf eine immunsuppressive Be-handlung anspricht. Zusätzlich wird sie durch die Bevorzugung der HLA-Haplotypen B8, DR3 und DR4, die Präsenz assoziierter Autoimmunsyndrome (Immunthyreopathie, Colitis ulcerosa, Hauterscheinungen wie Vitiligo und Diabetes mellitus) und die Abwe-senheit von Markern einer viralen Infektion gekennzeichnet. Die AIH kann in bis zu 20% auch akut auftreten und ist für geschätzte 10% aller Fälle einer chronischen Hepa-titis verantwortlich. Sie ist keine seltene Erkrankung. Basierend auf wenigen verlässli-chen epidemiologischen Daten muss man von einer Prävalenz von 0,1–1,2 auf 100.000 in der westlichen Hemisphäre sowie von 0,08–0,15 auf 100.000 in Japan ausgehen.

P Die AIH ist eine entzündliche Erkran­kung der Leber, bei der es zu einem immunologischen Toleranzverlust gegenüber Hepatozyten gekommen ist.

Tab. 2

Autoantikörperdiagnostik bei der AIH

Antikörper Abkürzung Zielstruktur Methode Erkrankung

Antinukleäre Antikörper

ANA*

Diverse Zellkernantigene

Immunfluoreszenz: Gewebeschnitte und Hep.2-Zellen

AIH Typ 1

Antikörper gegen Aktin glatter Muskelzellen

SMA*

Aktin

Immunfluoreszenz auf Gewebeschnitten

AIH Typ 1

Leber/Niere- mikrosomale Antikörper 1

LKM-1*

Cytochrom P450 2D6

Immunfluoreszenz auf Gewebeschnitten (Screening) Western-Blot, enzyme-linked immuno-sorbent assay (ELISA)

AIH Typ 2 (selten Hepatitis C)

Leber/Niere- mikrosomale Antikörper 2

LKM-2

Cytochrom P450 1A2

Immunfluoreszenz auf Gewebeschnitten (Screening) Western-Blot, enzyme-linked immuno-sorbent assay (ELISA)

AIH bei autoimmunem polyendokrinem Syndrom Typ 1

Antikörper gegen lösliches Leberantigen

SLA/LP

UGA-Repressor-t-RNA-assoziiertes Protein

Western-Blot, enzyme-linked immuno-sorbent assay (ELISA)

AIH Typ 3

Antimitochondriale Antikörper

AMA

Pyruvatdehydrogenase (PDH-E2), Verzweigtkettendehydrogenase (BCKD-E2)

Immunfluoreszenz auf Gewebeschnitten (Screening) Western-Blot, enzyme-linked immuno-sorbent assay (ELISA)

PBC

Antikörper gegen leberzytosolisches Antigen

LC-1* Formiminotransferase- Cyclodeaminase (FTCD)

Immunfluoreszenz, Immundiffusion

AIH Typ 2 (schwerer Krankheitsverlauf ) Hepatitis C

Die mit * markierten Autoantikörper werden nach der AIH-Leitlinie der AASLD 2010 als konventionelles serologisches Repertoire der Diagnostik einer AIH definiert, wobei weitere Autoantikörper als nützlich eingestuft werden.

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Eine historisch bedingte Wahrnehmung führt dazu, dass die AIH vor allem bei jungen Frauen vermutet und bei älteren Patienten später oder gar nicht diagnostiziert wird. Tatsächlich ist das mittlere Erkrankungsalter um die 40–45 Jahre und die AIH manifes-tiert sich häufig bei Patienten jenseits des 55. Lebensjahres (Abb. 1).Aus der recht unspezifischen Krankheitsdefinition der AIH ergibt sich, dass es keine einzelnen pathognomonischen Faktoren gibt, auf denen eine sichere Diagnose fußt.

Klinische Präsentation der AIH

Als Teil des Syndroms der „chronischen Hepatitis“ liegt bei der AIH eine 6 Monate an-dauernde hepatozelluläre Entzündung mit einer Erhöhung der Aspartat- und Alanin-aminotransferasen (AST, ALT) um mindestens das 1,5-Fache der Norm vor. Die Höhe der Aminotransferasen kann schwanken und somit bei Kontrolluntersuchungen zeit-weise im Normbereich liegen, was die Diagnose oft verzögert. Bei 20–40% der Patien-ten kommt es zu einem akuten Krankheitsbild zu Beginn der Erkrankung, das oft diffe-renzialdiagnostisch nicht erkannt wird. Seltener sind fulminante Verläufe bis hin zur akuten Lebertransplantationsindikation. Ansonsten ist die klinische Präsentation in den meisten Fällen unspezifisch und durch Leistungsminderung, rechtsseitigen Ober-bauchschmerz, selten auch Ikterus und bei fortgeschrittener Lebererkrankung durch Palmarerythem und Spider Naevi gekennzeichnet. In späten Stadien stehen die Fol-gen der portalen Hypertension im Vordergrund: Aszites, Ösophagusvarizenblutungen und Enzephalopathie. In variabler Frequenz treten assoziierte extrahepatische Au-toimmunsyndrome wie die Autoimmunthyreoiditis, Vitiligo, Alopezie, Nageldystro-phie, Colitis ulcerosa, rheumatoide Arthritis, aber auch die Glomerulonephritis und der Diabetes mellitus auf, die der Manifestation einer AIH vorausgehen und daher initial zu einer nicht gastroenterologisch-hepatologischen klinischen Evalua tion füh-ren können.

Natürlicher Verlauf

Die Prognose der unbehandelten AIH ist schlecht. Bei einer 5–10-fachen Erhöhung der Aminotransferaseaktivitäten und einer 2-fachen Gammaglobulinerhöhung ist die Mor-talität ohne Behandlung 90% in 10 Jahren. Patienten mit histologischem Nachweis von Brückennekrosen entwickeln in 82% der Fälle innerhalb von 5 Jahren eine Leber-zirrhose.

Abb. 1

Altersverteilung bei Diagnose einer AIH (nach Al-Chalabi et al. 2006), die die Inzidenz der AIH auch jenseits des 40. Lebensjahres (rote Balken) dokumentiert.

Zahl der Patienten

40

30

20

10

< 20 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 70–80

Alter in Jahren

P Die klinische Präsentation unter­scheidet sich nicht grundsätzlich von der einer akuten oder einer chronischen viralen Hepatitis. Wichtig zur Diagnose ist der Nachweis von typischen Antikörpern (SMA, ANA, LKM, SLA).

P Meist sind Frauen betroffen.

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Pathogenese

Die Pathogenese aller autoimmunen Lebererkrankungen ist bislang nicht schlüssig geklärt, wird aber durch einen Toleranzverlust des Immunsystems gegenüber dem eigenen Lebergewebe verursacht. Ätiologisch werden hier virale und bakterielle Auslöser (Mimikry-Hypothese) impliziert, die vor dem Hintergrund einer immungene-tischen Prädisposition des Betroffenen (HLA-Antigene) zur Überwindung der immu-nologischen Toleranz führen. Schlüssige Beweise für diese Effekte liegen für die Auto-immun erkrankungen der Leber nicht vor. Autoimmune Lebererkrankungen haben 2 potenzielle Zielepithelien: die Hepatozyten und die Cholangiozyten. Sie führen zu 3 Krankheitsbildern: der primär biliären Zirrhose (PBC), der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) und der AIH. Diese entzündlichen Erkrankungen befallen entweder die proximalen (PBC) oder sämtliche Gallenwege (PSC) oder das hepatozelluläre Epithel (AIH). Zusätzlich finden sich Überlappungssyndrome (Overlap-Syndrome), bei denen klinische und serologische Befunde sowohl der PBC, PSC und der AIH gemein-sam auftreten können.

Diagnose der AIH

Die Diagnose der AIH erfordert eine Ausschlussdiagnostik, deren Ziel die Exklusion anderer Ursachen einer chronischen Hepatitis ist (Tab. 3). Die Diagnose der AIH kann bei Unsicherheit und vor allem zur wissenschaftlichen Vergleichbarkeit durch den AIH-Score abgesichert werden, der die verschiedenen Kennzeichen der Erkrankung nutzt, um die Krankheitswahrscheinlichkeit zu beschreiben (Tab. 1A und B). In diesem Score erhalten Befunde wie eine Virushepatitis, Alkoholkonsum sowie Hinweise auf Gallenwegserkrankungen einen negativen Punktewert und reduzieren die Wahrschein-lichkeit des Vorliegens einer AIH. 1999 wurde der initiale AIH-Score modifiziert, da Pa-tienten mit einer PBC oder PSC bei Verwendung des originalen Scores häufig Werte einer wahrscheinlichen AIH erhielten. 2008 wurde ein vereinfachter Score berechnet und validiert, bei dem nur noch 4 Variablen einfließen (Autoantikörper, Immunglobu-lin G, Histologie und Virushepatitisdiagnostik).

P Die Pathogenese des Toleranzverlusts bei autoimmunen Lebererkrankungen ist noch immer unklar.

P Eine Leberbiopsie sollte vor Beginn einer Therapie durchgeführt werden.

P Die serologische Subklassifikation zeigt die Heterogenität der Erkrankung. Die Therapie wird dadurch allerdings nicht modifiziert.

Tab. 3Ausschlussdiagnostik und Differenzialdiagnose der AIH

Differenzialdiagnose: Ausschluss durch:

Hepatitis-C-Virus (HCV) anti-HCV (HCV RNA)

Hepatitis-B- und -D-Virus (HBV, HDV) HBsAg, anti-HBc (HBV DNA) anti-HDV, HDV RNA nur, wenn HBsAg positiv ist

Hepatitis-A-Virus (HAV) Antikörper, Serologie: IgG, IgM

Hepatitis-E-Virus (HEV) Nur im Verdachtsfall

Epstein-Barr-Virus (EBV) Nur im Verdachtsfall

Herpes-simplex-Virus (HSV) Nur im Verdachtsfall

Zytomegalievirus (CMV) Nur im Verdachtsfall

Varicella-Zoster-Virus (VZV) Nur im Verdachtsfall

Medikamenten-/toxisch induzierte Hepatitis

Anamnese, Auslassversuch LKM-2, LM-Autoantikörper in seltenen Fällen

Primär biliäre Zirrhose (PBC)

Antimitochondriale Antikörper (AMA) Spezifität: PDH-E2, BCKD-E2 Leberhistologie: Kupferablagerung in den Gallenwegen Kein Ansprechen auf Steroide

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Das prompte Ansprechen auf eine Steroidtherapie ist ebenfalls ein diagnostischer Pa-rameter, der die Diagnose bei Vorliegen der oben genannten Kriterien weiter bestätigt.Wie sich aus den AIH-Scores ergibt, sollte eine Leberbiopsie regelhaft gewonnen wer-den. Allerdings kann die Diagnose einer AIH histologisch oft nicht zweifelsfrei gestellt werden, da die Abgrenzung anderer Hepatitisformen mit Interface-Hepatitis unsicher ist. In Hinblick auf die Therapie, die Prognose und für eine spätere Kontrolle des Thera-pieerfolgs sind jedoch Ausmaß der Inflammation (Grading) und Fibrosegrad (Staging) relevant. Außerdem sind Immunglobulinerhöhung und Autoantikörper nicht für die AIH exklusiv, sondern auch bei anderen hepatologischen und nicht-hepatologischen Erkrankungen möglich. In der 2010 aktualisierten Leitlinie der „American Association for the Study of the Liver“ (AASLD) werden Histologie, Biochemie, Serologie, Immun-globuline, virologischer Ausschluss und Ausschluss anderer Ätiologien weiterhin als diagnostische Basis der AIH empfohlen.

Die Immunserologie bei der AIH

Autoantikörper sind zusammen mit der Immunglobulin-G-Erhöhung die wichtigsten diagnostischen Marker der AIH. Die verschiedenen Autoantikörper zeigen überdies, dass die AIH durch serologische Heterogenität charakterisiert wird. Für die klinische Praxis ist es wichtig, dass Autoantikörper per se jedoch – mit wenigen Ausnahmen – nur eine geringe Spezifität für die Diagnose AIH haben. Sie können außerdem als Epi-phänomene bei viralen Erkrankungen, bei medikamentös induzierter Hepatitis und bei genetischen Lebererkrankungen auftreten. Autoantikörperbestimmungen tragen dennoch innerhalb der Ausschlussdiagnostik in den meisten Fällen trotz ihrer gerin-gen Spezifität entscheidend zur Diagnosefindung bei. Für die immunserologische Diagnostik der AIH werden antinukleäre Antikörper (ANA), Antikörper gegen Aktin glatter Muskulatur (SMA), Leber-Niere-mikrosomale Antikörper gegen Antigene des endoplasmatischen Retikulums (LKM) und Antikörper gegen lösliches Leberantigen (SLA/LP) unterschieden, zur Abgrenzung gegenüber der PBC zusätzlich Autoantikör-per gegen mitochondriale Antigene (AMA) (Tab. 2). Aus praktischer Sicht ist zunächst die Screening-Untersuchung von ANA, SMA, LKM (LC-1) durch indirekte Immunfluo-reszenz kostengünstig und ausreichend. Bereits durch die Immunfluoreszenzmuster können bei entsprechender Qualität des Labors spezielle Autoantikörper erkannt wer-den, wie z. B. die ähnlich imponierenden, aber dennoch distinkte Immunfluoreszenz von LKM und AMA auf Leber- und Nierenschnitten (Abb. 2) oder der Nachweis von LC-1-Autoantikörpern (Tab. 2, Abb. 3). Insbesondere die Immunfluoreszenz der ANA ermöglicht eine weitere Subtypenerkennung, die zum Teil Spezifität für andere Erkrankungen aufweisen: nukleoläre Muster bei rheumatologischen Erkrankungen, nuclear dots und nuclear rings bei der PBC (Abb. 4). Diese Information geht bei aus-schließlicher Bestimmung, z. B. eines anti-Aktin-Antikörpers (SMA) durch ELISA, ver-loren, was für ein initiales Immunfluoreszenz-Screening spricht. Bei serologischer Ne-gativität sollten SLA/LP-Antikörper durch ELISA (in der Immunfluoreszenz nicht detektierbar) bestimmt werden. Bei LKM-Positivität erfolgt durch ELISA oder Western-Blot die Bestätigung der Reaktivität mit Cytochrom P450 2D6 (LKM-1-Autoantikörper)

P Die Autoantikörper können durch Immunfluoreszenz, Western­Blot oder ELISA nachgewiesen werden.

Differenzialdiagnose: Ausschluss durch:

Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Cholangiografie (ERC/MRC)

Morbus Wilson

Coeruloplasmin, Kupfer im Urin, Augenuntersuchung, Kupfer quantitativ in der Leberbiopsie

Hämochromatose Serumferritin, Serumeisen, Transferrin-sättigung Leberhistologie: Eisenfärbung, Eisen quantitativ Genetik: C282Y, H63D-Mutationen des HFE-Gens bei Kaukasiern

α1-Antitrypsinmangel α1-Antitrypsinerniedrigung im Serum → Genotyp: PiZZ/PiSS/PiMZ/PiSZ

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unter Verwendung rekombinanter Antigene. Als konventionelles Autoantikörper-Re-pertoire wird in der US-amerikanischen AIH-Leitlinie 2010 die Bestimmung von ANA, SMA, LKM und LC-1 definiert, das bei Bedarf allerdings um weitere Autoantikörper (SLA/LP) erweitert werden kann. Basierend auf diesen Autoantikörpern können 3 sero-logische Typen der AIH unterschieden werden, ohne dass dies einen Einfluss auf die therapeutische Strategie hat.

Abb. 2

Aspekt der indirekten Immunfluoreszenz bei Leber-Niere-mikrosomalen (LKM)-Antikörpern (links) und antimitochondrialen Antikörpern (AMA) (rechts). Die Immunfluoreszenz auf Gewebe-schnitten von Rattenleber und -niere hat einen ähnlichen Aspekt, unterscheidet sich aber deut-lich, z. B. durch die inkomplette Markierung der renalen Tubuli beim LKM-Antikörper, was zu Verwechslungen führen kann. Das Immunfluoreszenz-Screening bietet somit durch spezifische Muster oft Hinweise auf andere relevante Autoantikörper.

Abb. 3

Aspekt der Immunfluoreszenz eines LKM-Antikörpers und eines LC-1-Antikörpers beim Screening auf Lebergewebeschnitten. Diese Musterunterschiede können schon beim Screening frühzeitig zur Identifikation eines relevanten Autoantikörpers (hier LC-1) beitragen.

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Serologische Subklassifikation

Die AIH Typ 1 wurde auch als „klassische“ oder „lupoide“ AIH bezeichnet und ist mit 80% der Fälle die häufigste Form der Erkrankung (ANA, SMA positiv). Sie betrifft in 70% der Fälle Frauen. In 48% zeigt sich eine Assoziation mit extrahepatischen Immun-erkrankungen, darunter die Immunthyreopathie, die Synovitis und die Colitis ulcerosa. Die klinische Präsentation ist oft inapparent und akute Fälle sind sehr selten. Bei 25% der Patienten besteht bei Diagnosestellung bereits eine Leberzirrhose.Die AIH Typ 2 zeichnet sich durch LKM-1-Autoantikörper gegen Cytochrom P450 2D6 aus und ist in Europa für 10–20%, in den USA nur für 4% der Fälle verantwortlich (Abb. 3). Seltener sind LC-1-Autoantikörper nachweisbar, was mit schwereren Verläu-fen assoziiert ist. Frauen sind bevorzugt betroffen und extrahepatische Immunsyndro-me wie die Immunthyreopathie, der Diabetes mellitus und Vitiligo sind häufiger als bei der AIH Typ 1. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 10 Jahre, die Typ-2-AIH wird insbesondere in Europa auch bei Erwachsenen angetroffen. Das Zirrhoserisiko ist hö-her und ein fulminanter Verlauf häufiger.Die AIH Typ 3 zeichnet sich durch SLA/LP-Autoantikörper aus. Anders als bei den ANA-, SMA- und LKM-1-Autoantikörpern zeichnen sich SLA/LP-Autoantikörper durch eine hohe Krankheitsspezifität aus. Klinisch unterscheidet sich die AIH Typ 3 nicht ent-scheidend vom Typ 1, daher wird die Subklassifikation dieses Typs kontrovers disku-tiert.

Indikation zur Therapie

Die Behandlungsindikation ergibt sich nach aktueller Leitlinie (2010 AASLD) bei 10-facher Aminotransferasenerhöhung, 5-facher Aminotransferasenerhöhung und 2-facher Im-munglobulin-G-Erhöhung, Brücken- oder multiazinären Lebernekrosen in der Histolo-gie oder unerträglichen extrahepatischen Manifestationen. Diese sehr hohe Therapie-hürde wird aber insofern abgeschwächt, als eine relative Therapieindikation auch bei Aminotransferasen- und Immunglobulinerhöhungen unterhalb dieses Niveaus emp-fohlen wird.

Abb. 4

P Antinukleäre Antikörper (ANA) können bei der Immunfluoreszenz unterschiedliche Muster aufweisen.

Variabilität antinukleärer Antikörper (ANA), die verschiedene Autoantigene erkennen. Homo-gene ANA (links) werden bei der AIH häufig angetroffen. Nukleoläre Muster sind häufiger bei rheumatologischen Erkrankungen (Mitte) und Ring- sowie Punktimmunfluoreszenz (rechts) haben eine höhere Spezifität für die PBC.

Kern

Zellplasma

Homogene Immunfluoreszenz

Nukleoläre Immunfluoreszenz

Ringimmunfluoreszenz

„nuclear dots“

Strassburg und Manns. J Hepatol 1999

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Aus praktischer Sicht ist wegen der schlechten Prognose einer aktiven AIH weniger die absolute Höhe der Aminotransferasen zugrunde zu legen, sondern bei jeder akti-ven AIH eine Therapieinitiation unter Beachtung möglicher Medikamentennebenwir-kungen eher großzügig zu stellen (Tab. 4). Leider zeigt sich, dass 25% der Patienten mit AIH zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits eine Zirrhose aufweisen.Eine Behandlungsindikation besteht allerdings nicht, wenn eine immunologisch inak-tive Zirrhose vorliegt, oder die Aminotransferaseaktivität im Serum sehr niedrig oder normal ist und somit keine supprimierbare immunologische Aktivität nachweisbar ist. Höheres Alter ist keine Kontraindikation für eine immunsuppressive Therapie, da neuere Studien einen sehr guten Therapieeffekt gerade bei Patienten über 45 Jahre belegen können. Kompressionsfrakturen, unkontrollierter Diabetes oder Hypertonus sowie Psychosen können allerdings individuelle Therapiekontraindikationen sein.

Therapie der AIH

Die aktuellen Empfehlungen zur Behandlung basieren auf Studien, die inzwischen 3–4 Jahrzehnte zurückliegen und zu einer Zeit durchgeführt wurden, als eine sichere Virusdiagnostik (z. B. HCV) nicht verfügbar war. Die Therapie verfolgt 2 Ziele: die Induktion einer Remission und die Erhaltung der Remission. Zur Induktion der Remission werden 2 gleich effektive Strategien einge-setzt: die Prednis(ol)on-Monotherapie oder die Prednis(ol)on/Azathioprin-Kombina-tionstherapie. In der Regel wird die Kombinationstherapie bevorzugt, da sie zur grö-ßeren Vermeidung von Steroidnebenwirkungen beiträgt, deren kosmetische Effekte die Patienten-Compliance deutlich mindern können. Die Entscheidung für eine der Varianten ist jedoch von prinzipiellen Überlegungen geleitet. Bei jungen Patienten mit Kinderwunsch wird eher eine Prednisolon-Monotherapie angewandt, bei älteren Patientinnen mit Osteoporose oder Osteoporoserisiko wird die Kombinationstherapie bevorzugt. Die Kombinationstherapie beginnt mit 30 mg Prednisolon täglich p.o., die im Verlauf von 4 Wochen auf 15 mg oder individuell je nach Ansprechen niedriger reduziert wer-den. In Europa wird die Azathioprin-Dosis mit 1–2 mg/kg Körpergewicht eingesetzt, in den USA hat sich eine nicht gewichtsadaptierte Dosis von 50 mg täglich p.o. durchge-setzt. In der Praxis kann bei schweren Fällen eine höhere Prednisolon-Dosis (z. B. 1 mg/kg Körpergewicht und sukzessiver wöchentlicher Reduktion) eingesetzt werden.Die Monotherapie beginnt mit 60 mg Prednisolon täglich p.o. und einer nachfolgen-den Reduktion auf 20 mg oder niedriger über 4 Wochen. Die Erhaltungsdosen für Prednisolon liegen oft unter 10 mg täglich, können aber interindividuell verschieden sein. Sie sollten erst nach Erreichen einer kompletten biochemischen Remission wei-ter auf 7,5 mg und 5 mg p.o. täglich reduziert werden.Bei Erreichen einer Remission kann zur Steroidersparnis eine Azathioprin-Monothera-pie (2 mg/kg Körpergewicht täglich p.o.) begonnen werden, mit der eine Remissions-erhaltung möglich ist. Eine Induktionsbehandlung mit Azathioprin-Monotherapie gelingt nicht.

Tab. 4Klinisch relevante Komplikationen der AIH

Komplikation Häufigkeit

Leberzirrhose 25% bei Diagnosestellung 82% bei Brückennekrosen unbehandelt 10% Therapieversager

Fulminante Hepatitis Vor allem Typ 2, selten

Immunthyreopathie, Autoimmunsyndrome

10–50%

Rückfall nach Therapieende 70%

Wiederauftreten nach Lebertransplantation

11–35%

P Zur Therapie der AIH wird eine Kombination aus Prednison (Prednisolon) und Azathioprin bevorzugt.

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Diese steroidbasierte Therapie ist in 80% aller Behandelten innerhalb von 2 Jahren mit typischen Nebenwirkungen wie Mondgesicht, Striae rubrae, Büffelnacken, Hirsu-tismus oder Alopezie assoziiert. Osteopenie, Kompressionsfrakturen der Wirbelsäule, Diabetes sowie Hypertonus werden bei ca. 13% der Patienten unter Therapie beob-achtet. Vor diesem Hintergrund sind Therapiealternativen mit geringeren Nebenwirkungen für eine langfristige Remissionskontrolle wünschenswert. Ein attraktiver Kandidat ist hier das Steroid Budesonid, das einen hohen hepatischen First-pass-Metabolismus aufweist und deshalb typische Steroidnebenwirkungen reduzieren oder verhindern helfen kann. In der ersten und bislang größten prospektiven randomisierten Therapie-studie der AIH seit den 1970er-Jahren wurden 207 Patienten aus 30 Zentren einge-schlossen und es konnte gezeigt werden, dass Budesonid in der Kombination mit Azathioprin komplette Remissionen erreichte. Budesonid mit Azathioprin wurde ge-genüber Prednison (40 mg) und Azathioprin randomisiert, wobei nach 6 Monaten Behandlungsdauer eine „open label“-Weiterbehandlung des Prednison-Arms mit Bu-desonid erfolgte. Eine komplette Remission, definiert als vollständige Normalisierung der Aminotransferasen und Fehlen von Steroidnebenwirkungen, wurde im Budeso-nid-Arm nach 12 Monaten in 60,2% beobachtet (Prednison: 49,4%), eine biochemische Remission in 68% (Prednison: 50,6%). Bei den Patienten, die nach 6 Monaten auf Bude-sonid umgestellt wurden, reduzierten sich die Steroidnebenwirkungen von 40,2% auf 18,4%. Diese Studie zeigt einen deutlichen Fortschritt bei der Reduktion unerwünsch-ter Nebenwirkungen bei der AIH-Therapie mit Budesonid, das für die Induktion und Remissionserhaltung eingesetzt werden kann. Allerdings darf Budesonid nur bei nicht-zirrhotischen Patienten ohne portalen Hypertonus angewendet werden, eine Zulassung für die Indikation AIH ist beantragt.Nichterreichen einer Remission: Bei refraktären Verläufen, die in ca. 10% der Fälle auftreten, können im Rahmen von Studien oder in Rücksprache mit einem Zentrum Immunsuppressiva der Transplantationsmedizin eingesetzt werden, die allerdings ein höheres Nebenwirkungsprofil aufweisen. Dazu zählen: Ciclosporin A, Tacrolimus (FK506), Cyclophosphamid und Mycophenolsäure.Therapie der Komplikationen: Die immunsuppressive Therapie wird von einer The-rapie der Komplikationen chronischer Lebererkrankungen begleitet, die nach den Leitlinien der Osteoporose eine Vitamin-D- und Kalzium-Substitution für die Knochen-homöostase einschließen sollte.Lebertransplantation: Fortschreitende Leberinsuffizienz, multilobuläre Nekrose, steigendes Bilirubin sowie das Nichterreichen einer Remission innerhalb von 4 Jahren bilden die Indikationen für eine Lebertransplantation. In Europa hat die AIH einen Anteil von 4% an allen Lebertransplantationen mit 5-Jahres-Überlebensraten von 80–90%. Die Rekurrenzrate der Erkrankung nach Transplantation beträgt 11–35%. Wichtig ist, dass in der Basisimmunsuppression nach Lebertransplantation möglichst keine steroidfreien Protokolle bevorzugt werden, da diese die Wahrscheinlichkeit der Rekurrenz zu erhöhen scheinen.Nachsorge: Patienten mit AIH bedürfen einer lebenslangen hepatologischen Über-wachung, die bei gutem Therapieansprechen in jährlichen Abständen erfolgen kann.

Überlappungssyndrome autoimmuner Lebererkrankungen

Eine einheitliche Definition der Überlappungssyndrome (syn. Overlap-Syndrome) existiert nicht. Auf rein serologischen Befunden fußende Überlappungen sind meist klinisch nicht relevant. Das wahre Überlappungssyndrom erfüllt die Definitionen zweier Erkrankungen, z. B. AIH und PBC. Unter Überlappungssyndromen finden sich Krankheitsbilder mit hepatitischer und cholestatischer Ausprägung. Hierunter fallen die AMA-negative, ANA-positive PBC, die ANA-positive Autoimmuncholangiopathie und die Überschneidung von PSC und AIH. Standardisierte Therapieempfehlungen existieren nicht und orientieren sich am jeweils führenden Krankheitsbild (Ursodeoxy-chosläure-Therapie mit und ohne Kortikosteroide).

P Die Kombination von Budesonid mit Azathioprin hat einen besseren Thera­pieeffekt als die Kombination von Prednison mit Azathioprin und kann Steroidnebenwirkungen deutlich reduzieren. Budesonid darf nicht bei zirrhotischen Patienten gegeben werden.

P Bei Unverträglichkeit oder Nicht­ansprechen können statt Azathioprin auch andere Immunsuppressiva eingesetzt werden.

P Nach Lebertransplantation kommt es in etwa 25% zu einem Rezidiv im Transplantat.

P Für die Überlappungssyndrome gibt es bisher keine verbindliche Definition oder Therapieempfehlung.

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AIH und Schwangerschaft

Das Risiko einer Exazerbation einer AIH in der Schwangerschaft ist erhöht, vor allem im 3. Trimenon und nach der Entbindung. Die Rate an Spontanaborten und Frühge-burten liegt bei ca. 20%. Entscheidend ist eine gute Kontrolle und eine stabile Remis-sion der AIH im Verlauf der Schwangerschaft, was durch Verlaufskontrollen und eine Beibehaltung der Immunsuppression (auch von Azathioprin nach Aufklärung der Schwangeren) am ehesten erreicht werden kann. In einer Studie wurde gezeigt, dass die Gabe von Azathioprin nicht zu erhöhten Komplikationen führt.

Prognose und Auslassversuche

Die Prognose der unbehandelten AIH ist schlecht. Im Gegensatz dazu haben Patien-ten, die eine Remission erreichen, eine annähernd normale Lebenserwartung. Ziel der Behandlung ist eine biochemische und histologische Remission der entzündlichen Aktivität. Diese wird innerhalb von 3 Jahren bei 87% der Behandelten erreicht. Nach 3 Jahren erreichen nur 7% pro weiteres Behandlungsjahr eine Remission. Das größte Problem ist die Rezidivrate, die 6 Monate nach Therapieausschleichen 50% und nach 3 Jahren 70% beträgt. Nur 17% der Patienten erreichen eine dauerhafte Remission, so-dass in den überwiegenden Fällen eine lebenslange Therapie notwendig ist. Wenn histologisch eine komplette Normalisierung der Leberarchitektur erreicht wird, ist die Rezidivrate allerdings nur 20%. Da der Therapieentzug das Risiko eines Krankheitsschubs birgt, wird die Frage nach einem Therapieabsetzen kontrovers diskutiert. In keinem Fall sollte dies ohne Nach-weis einer kompletten histologischen Remission erfolgen (Leberbiopsie), die der bio-chemischen Remission 3–6 Monate nachlaufen kann. Bei der Entscheidung für einen Auslassversuch sollte die Immunsuppression unter regelmäßiger Überwachung der biochemischen Parameter langsam über 6 Wochen ausgeschlichen werden.

Fazit

Da bei 25% der neu diagnostizierten autoimmunen Hepatitiden bereits eine Zirrhose vorliegt, wird diese Erkrankung über 50 Jahre nach ihrer Erstbeschreibung noch im-mer nicht ausreichend früh diagnostiziert. Remissionsraten und eine Normalisierung der Lebenserwartung bei ca. 80% der Erkrankten sind eine hohe Motivation, bei jeder Hepatitis an diese Differenzialdiagnose zu denken, die einen Ausschluss anderer Ätio-logien bei erhöhten Gammaglobulinen, kompatibler Histologie und Serum-Autoanti-körpern erfordert. Die AIH betrifft allerdings nicht nur junge Frauen. Ein Drittel der Erkrankten sind Männer und das mittlere Alter beträgt 40–45 Jahre, sodass eine AIH erstmalig bei vielen Patienten über 50 Jahre diagnostiziert werden kann, was oft ver-zögert oder gar nicht erfolgt. Die höhere Altersgruppe profitiert signifikant von einer immunsuppressiven Therapie unter Beachtung der mit Kortikosteroiden verbunde-nen Nebenwirkungen. Auch heute noch ist die AIH eine Erkrankung, bei der die me-dikamentöse Therapie die entscheidende Behandlungsoption darstellt und bei der – im Gegensatz zu anderen chronischen Lebererkrankungen – die Lebertransplantation eine untergeordnete Rolle für eine kleine Gruppe von Patienten mit komplizierten Verläufen spielt.

P Entscheidend ist die Überwachung und Erhaltung einer stabilen Remission während der Schwangerschaft.

P Vor einem Auslassversuch der Immunsuppression sollte die Remission histologisch durch eine Leberbiopsie verifiziert werden.

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Zu empfehlende Literatur

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Literatur

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23 Summerskill WH, Korman MG, Ammon HV, Baggenstoss AH. Prednisone for chronic active liver disease: dose titration, standard dose, and combination with azathioprine compared. Gut 1975; 16: 876–883.

24 Vogel A, Heinrich E, Bahr MJ, Rifai K, Flemming P, Melter M, Klempnauer J, Nashan B, Manns MP, Strassburg CP. Long-term outcome of liver transplantation for autoimmune hepatitis. Clin Transplant 2004; 18: 62–69.

25 Waldenström J. Leber, Blutproteine und Nahrungseiweisse. Dtsch Gesellsch Verd Stoffw 1950; 15: 113–119.

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Literatur

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Leber und Gallenwege

Fragen zur autoimmunen Hepatitis

Welche Aussagen sind richtig?

Frage 1:Die autoimmune Hepatitis (AIH)

EE ist eine Erkrankung junger Männer mit chronisch entzündlicher DarmerkrankungEE ist eine Erkrankung, die jenseits des 50. Lebensjahres nicht mehr vorkommtEE kann mit extrahepatischen Immunsyndromen assoziiert seinEE ist selten und kommt bei ca. 0,1/1 Million vorEE betrifft Männer und Frauen ungefähr gleich häufig

Frage 2:Die klinische Präsentation der AIH

EE ist typisch und sichert die VerdachtsdiagnoseEE wird selten übersehen, da die Virusmarker negativ sindEE unterscheidet sich nicht grundlegend von anderen chronischen

LebererkrankungenEE zeichnet sich durch eine frühe Cholestase mit Ikterus ausEE ist nur bei Männern nicht wegweisend

Frage 3:Für die Diagnose der AIH ist ein Score entwickelt worden.

EE Die vereinfachte Score-Variante (2008) verzichtet auf eine LeberbiopsieEE Der Score ersetzt die Bestimmung der VirusserologieEE Der Score beschreibt die Wahrscheinlichkeit der Diagnose einer AIHEE Der Score differenziert exakt zwischen AIH und überlappenden („overlap“)

Varianten autoimmuner LebererkrankungenEE Der Score unterscheidet zwischen männlichen und weiblichen Patienten

Frage 4:Zur Altersverteilung bei der AIH gilt,

EE dass die AIH bei Männern über 50 Jahre nicht beobachtet wirdEE dass ein Diagnosealter über 50 Jahre keine Therapie erforderlich machtEE dass ältere Patienten, sofern möglich, therapiert werden sollten und davon auch

profitierenEE dass bei älteren Patienten wegen eines gealterten Immunsystems die Diagnose

nicht mehr gestellt werden kannEE dass bei älteren Patienten wegen eines gealterten Immunsystems keine Langzeit-

folgen zu befürchten sind

Frage :Die Autoantikörperbestimmung bei AIH

EE beinhaltet SMA-, ANA-, LKM- und SLA-AntikörperEE definiert den serologischen Subtyp, der jeweils eine spezifische Therapiestrategie

erfordertEE umfasst nur solche Antikörper, die für Lebererkrankungen spezifisch sindEE ist nicht Teil des diagnostischen AIH-ScoresEE erübrigt sich bei erhöhten Gesamtglobulinen im Plasma

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Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Frage 6:Die Diagnose einer AIH fußt u. a. auf einer Bestimmung von Immunglobulinen,

EE da es bei immunallergischen Erkrankungen wie der AIH regelhaft zur Immun-globulin-E-Erhöhung kommt

EE weil eine Erhöhung des Immunglobulin A die AIH ausschließt, da es sich um eine alkoholische Lebererkrankung handeln muss

EE da durch eine Immunglobulin-M-Bestimmung ein Hinweis für eine akute AIH vorliegt

EE da bei den meisten Patienten mit AIH das Immunglobulin G erhöht ist und deshalb Teil des Diagnosescores ist

EE da sich bei erhöhten Immunglobulinen die Autoantikörperdiagnostik erübrigt und Kosten gespart werden können

Frage 7:In der Schwangerschaft

EE sollte die immunsuppressive Therapie einer unter Therapie in Remission befind-lichen AIH aus Sicherheitsgründen immer abgesetzt werden

EE kann eine AIH nicht manifest werden, da die mütterliche Toleranz gegenüber dem fremden Gewebe des wachsenden Kindes auch die Leber schützt

EE konnte nicht gezeigt werden, dass eine AIH einen Einfluss auf die Abortrate und die Frühgeburtlichkeit hat

EE ist bei AIH-Patientinnen vor allem im 3. Trimenon und postpartal das Risiko eines Schubs erhöht

EE sollte eine vorbestehende Behandlung mit Prednison und Azathioprin grundsätz-lich prophylaktisch höher dosiert werden

Frage 8:Für die Therapie der AIH gilt:

EE Sie repräsentiert eine ideale Therapie mit Nebenwirkungsraten, die unter 10% in 2 Jahren Therapiedauer liegen

EE Budesonid ist vor allem für zirrhotische Patienten zur effektiven Vermeidung von Nebenwirkungen eine gute Alternative

EE Die zur Remissionserhaltung notwendige Dosis des Prednisolons in einer Prednisolon/Azathioprin-Kombinationstherapie kann von Patient zu Patient individuell verschieden sein

EE Die Therapie der AIH folgt einem Ausschleichschema und wird nach 6 Monaten beendet

EE Bei guter Betreuung und Kontrollen ist die lebenslange Immunsuppression in den seltensten Fällen notwendig

Frage 9:Die Lebertransplantation bei AIH

EE ist europaweit eine führende Indikation, da 25% der Patienten mit Zirrhose diagnostiziert werden

EE hat weitaus schlechtere Langzeitüberlebensraten als bei chronischer Hepatitis CEE führt bei ca. 25% der Patienten zu einer Rekurrenz der AIH im TransplantatEE erfordert postoperativ nur eine geringe oder keine BasisimmunsuppressionEE führt zur Ausheilung der immunologischen Prozesse, die einer AIH zugrunde

liegen; sie ist damit kurativ mit einem ausgesprochen geringen postoperativen Risiko für die Transplantatleber

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Leber und Gallenwege

Frage 10:Verschiedene Autoimmunerkrankungen wie AIH, primär biliäre Zirrhose und primär sklerosierende Cholangitis der Leber können koexistieren.

EE Diese sogenannten Überlappungssyndrome werden durch den dafür etablierten „Overlap-Score“ definiert und diagnostiziert

EE Überlappungssyndrome müssen nicht behandelt werden, da eine AIH in diesem Kontext keine Progressionsneigung aufweist

EE Überlappungssyndrome werden durch Autoantikörper eindeutig definiertEE Für Überlappungssyndrome gibt es bislang keine verbindliche Definition und

TherapieempfehlungEE Überlappungssyndrome werden zur Vermeidung von Steroidnebenwirkungen

zunächst immer mit Ursodeoxycholsäure therapiert