ermüdung in wasserstoffhaltiger umgebung

26
ERMÜDUNG IN WASSERSTOFFHALTIGER UMGEBUNG M. MOESER (Proc. 7th Colloquium on Mechanical Fatigue of Metals, Miskolc, Hung. 1983 Publications Technical University of Miskolc, Series C Vol. 39 p. 57-79) Zusammenfassung Von fließenden metallischen Oberflächen wird atomarer Wasserstoff nicht nur aus Wasserstoffgas, sondern auch aus Ethylen, Wasser bzw. Wasserdampf abgespalten und über Versetzungstransport in das Gitter eingeschwemmt. (Wieder) zum Molekül geworden, behindert der Wasserstoff zunehmend das Gleiten und bewirkt das Aufreißen der Gleitbänder. Das Rückhaltevermögen für Wasserstoff ist besonders hoch, wenn im Zugschwellbereich belastet wird. Schon unter dem Einfluß erhöhter Luftfeuchtigkeiten kann sich ein gewisser Überschuss an Wasserstoff einstellen, der sich in Anteilen interkristallinen Bruches äußert. Der Mechanismus dieser Wasserstoffermüdung wird auf der Grundlage des Fischaugen-Konzeptes vorwiegend anhand von Schadensfällen erläutert. 1. Wasserstoffbruch durch Ethylen In den Rohren einer Ethylenanlage wurden Risse gefunden. Betrieben wurden diese Rohre bei einem Druck von 2000 ... 2300 bar, entsprechend dickwandig waren sie ausgeführt, und gefertigt waren sie aus niedriglegiertem CrMoV-Stahl, den man auf Festigkeiten um 1000 MPa vergütet hatte. Es wurden zwei Proben (Fall A und B) zur fraktographischen Untersuchung angeliefert. Die Risse hatte man vorher aufgebrochen. In beiden Fällen handelte es sich um Längsrisse als Folge der Beanspruchung durch den Druck bzw. seiner Schwankungen durch die Kompressionsschübe. Fall A: Eine Teilübersichtsaufnahme des Rissgebietes bringt Bild 1a. Auffallend ist, dass hier eine gewisse zeilige Struktur vorliegt. Ausgegangen war der Riss von einem ca. 0,2 mm tiefen Defekt (Bild 1b und 1c), der darauf zurückzuführen war, dass man bei zu hohen Temperaturen geschmiedet (gebogen) hatte. Hier war ein ultrareiner Stahl eingesetzt worden, und solche Stähle neigen, wenn der Restschwefel nicht durch Cer oder Calcium stabilisiert wurde, zur Überhitzung [1]. Darunter wird verstanden, dass die Sulfide in Lösung gehen und beim Kornwachstum von

Upload: susanweb

Post on 04-Sep-2015

8 views

Category:

Documents


2 download

DESCRIPTION

Ermüdung in wasserstoffhaltiger Umgebung

TRANSCRIPT

  • ERMDUNG IN WASSERSTOFFHALTIGER UMGEBUNG M. MOESER

    (Proc. 7th Colloquium on Mechanical Fatigue of Metals, Miskolc, Hung. 1983 Publications Technical University of Miskolc, Series C Vol. 39 p. 57-79)

    Zusammenfassung

    Von flieenden metallischen Oberflchen wird atomarer Wasserstoff nicht nur aus Wasserstoffgas,

    sondern auch aus Ethylen, Wasser bzw. Wasserdampf abgespalten und ber Versetzungstransport in das

    Gitter eingeschwemmt. (Wieder) zum Molekl geworden, behindert der Wasserstoff zunehmend das

    Gleiten und bewirkt das Aufreien der Gleitbnder. Das Rckhaltevermgen fr Wasserstoff ist besonders

    hoch, wenn im Zugschwellbereich belastet wird. Schon unter dem Einflu erhhter Luftfeuchtigkeiten

    kann sich ein gewisser berschuss an Wasserstoff einstellen, der sich in Anteilen interkristallinen Bruches

    uert. Der Mechanismus dieser Wasserstoffermdung wird auf der Grundlage des Fischaugen-Konzeptes

    vorwiegend anhand von Schadensfllen erlutert.

    1. Wasserstoffbruch durch Ethylen

    In den Rohren einer Ethylenanlage wurden Risse gefunden. Betrieben wurden diese Rohre bei

    einem Druck von 2000 ... 2300 bar, entsprechend dickwandig waren sie ausgefhrt, und gefertigt

    waren sie aus niedriglegiertem CrMoV-Stahl, den man auf Festigkeiten um 1000 MPa vergtet

    hatte.

    Es wurden zwei Proben (Fall A und B) zur fraktographischen Untersuchung angeliefert. Die

    Risse hatte man vorher aufgebrochen. In beiden Fllen handelte es sich um Lngsrisse als Folge

    der Beanspruchung durch den Druck bzw. seiner Schwankungen durch die Kompressionsschbe.

    Fall A: Eine Teilbersichtsaufnahme des Rissgebietes bringt Bild 1a. Auffallend ist, dass hier

    eine gewisse zeilige Struktur vorliegt. Ausgegangen war der Riss von einem ca. 0,2 mm tiefen

    Defekt (Bild 1b und 1c), der darauf zurckzufhren war, dass man bei zu hohen Temperaturen

    geschmiedet (gebogen) hatte. Hier war ein ultrareiner Stahl eingesetzt worden, und solche Sthle

    neigen, wenn der Restschwefel nicht durch Cer oder Calcium stabilisiert wurde, zur berhitzung

    [1]. Darunter wird verstanden, dass die Sulfide in Lsung gehen und beim Kornwachstum von

  • 2

    der Korngrenze mitgeschleppt werden. Liegen whrenddessen hhere Spannungen an oder wird

    gar verformt, kommt es hnlich wie bei flssigem Lot zur Rissbildung (Schmelzrissigkeit,

    Bild 1d).

    Man hatte zunchst vermutet, dass hier reiner Ermdungsbruch vorliegt, denn wegen des relativ

    langsamen Laufes der vorgeschalteten Kolbenverdichter war anzunehmen, dass der Druck

    erheblich pulsierte. Dazu passte allerdings das zeilige Bruchgefge wenig. Dieses verweist

    vielmehr darauf, dass die verbliebenen Verunreinigungen als Einschlsse beim Rohrschmieden

    in eine zeilige Anordnung gebracht eine wesentliche Rolle bei der Rissausbreitung haben, und

    das ist fr reinen Ermdungsbruch vllig untypisch. Man knnte eher glauben, einen Fliebruch

    (Verformungs-, Duktilbruch) vor sich zu haben. Bekanntlich wirken bei diesem die Einschlsse

    als Keime fr eine mehr oder weniger ausgeprgte Wabenbildung (Bild 1h), und je nach

    Duktilitt des Werkstoffes nehmen Einschlsse in einer schmaleren oder breiteren Gefgezone

    am Bruchgeschehen teil. Nun bevorzugt aber der Fliebruch die 45o-Lage zur Hauptspan-

    nungsrichtung, whrend hier durchgngig die 90o-Lage gegeben war. Auerdem ist es nicht das

    Wesen eines Gewaltbruches, ob nun als Sprd- oder Fliebruch, Anrisse zu bilden. Der

    Gewaltbruch ist vielmehr fr den Rest(-Bruch) zustndig.

    Es musste sich hier also um eine anderweitig einschlusssensible Bruchart handeln, wofr nach

    den Erfahrungen des Verfassers nur der Wasserstoffbruch (Wasserstoffrissigkeit) in Frage kam.

    Dies lie sich durch mikrofraktographische Untersuchungen besttigen (Bild 1e und 1f): feine,

    zeilig angeordnete (Sulfid-) Einschlsse dienten als Ausgangspunkte fr schmale Bruchbahnen,

    bildeten mit ihnen zusammen kleine Fischaugen. Zum Vergleich bringt Bild 1g einen Ausschnitt

    aus dem umliegenden Sprdbruchgebiet mit seinen groen Spaltflchen, die durch Trennung

    entlang der {100} Ebenen entstehen.

    Das Ethylen (H2C = CH2) war hier offensichtlich in der Lage, atomaren Wasserstoff abzuspalten,

    wie es auch schon fr Azethylen [2] gefunden wurde. Beide Gase verhalten sich demnach nicht

    anders als molekularer Wasserstoff. Dessen Wirkung auf die mechanischen Eigenschaften von

    Stahl wurde Ende der fnfziger Jahre von Hofmann und Rauls [3] untersucht. Sie dehnten glatte

    Zugproben aus weichem Stahl in reiner Wasserstoffatmosphre und ermittelten die

    Einschnrung. Diese war schon bei einem Druck von 1 bar merklich gegenber der an Luft

  • 3

    ermittelten abgefallen, verringerte sich mit zunehmendem Wasserstoffdruck weiter, und betrug

    bei 150 bar nur noch etwa 60%. Die rtliche Einschnrung fiel ganz weg (siehe auch [4]).

    Whrend des Dehnens im plastischen Bereich (Flieen) werden neue (aktive) Oberflchen

    geschaffen, und hier knnen die Wasserstoffmolekle offensichtlich adsorbiert und dissoziiert

    werden. An die gleichzeitig entstehenden Versetzungen gekoppelt, dringen die Wasserstoffatome

    in das Gitter ein, wo schlielich die Trennung entlang von Gleitebenen ({110}-Ebenen [5]

    einsetzt.

    Bild 1. Ethylenleitung (A)

    a) streifig strukturierter Anriss (nur halb sichtbar) umgeben von Sprdbruchgefge b) Rissstart an einem 0,2 mm tiefen Defekt

  • 4

    Bild 1. Ethylenleitung (A) ff

    c) Die Defektrnder sind entkohlt d) feinstreifige Sulfid-Erstarrungsmuster auf den Korngrenzflchen

    Bild 1. Ethylenleitung (A) ff e) kleine Einschlsse als lokale Rissstarter f) bersicht zu e): die Zeilenstruktur deutet sich an

  • 5

    Bild 1. Ethylenleitung (A) ff g) Spaltbruch auerhalb des Anrisses h) zum Vergleich echter Fliebruch mit Wabenstruktur

    Die geschilderten Versuche waren durchgefhrt worden, um den Bildungsmechanismus der

    sogenannten Fischaugen aufzuklren, die sich gelegentlich auf den Bruchflchen von

    Schweibiegeproben finden, wenn etwas feucht geschweit wurde. Ihr fein schimmerndes

    Bruchgefge hebt sich deutlich vom umliegenden Gewaltbruch ab (Bild 2a).

    Zentrum eines Fischauges ist seltener ein Lunker, hufiger eine Pore, die sich wiederum meist

    um einen Schlackeneinschluss gebildet hat (Bild 2b). An solchen Einschlssen sammelt sich der

    Wasserstoff, der beim Erstarren die Schmelze nicht mehr verlassen konnte. Er findet dort Raum

    zur Rekombination, kann somit wieder zum Gas werden. Als solches erzeugt er Druck und drngt

    das umliegende teigige Material zurck. Bei der weiteren Abkhlung (insbesondere aber

    unterhalb 100oC) erhht sich der Druck in den Poren durch weiter andiffundierenden

    Wasserstoff, woraus sich eine betrchtliche Innenlast ergeben kann. Wird so hoch belastet, dass

    in berlagerung von Auen- und Innenlast die Porenwnde zu flieen beginnen, kommt es in

    beschriebener Weise zur Adsorption und Dissoziation des Wasserstoffes. Dieser berschwemmt,

    einem Dammbruch vergleichbar, die umliegenden Gitterbereiche. Je nach gespeicherter

    Wasserstoffmenge bildet sich nun ein grerer oder kleinerer Innenriss mit dem

    charakteristischen, feinstrukturierten Bruchgefge (Bild 2c).

  • 6

    Bild 2. Schweibiegeprobe

    a) zwei Makro-Fischaugen im Schweigut

    b) eine kleine Pore. die sich um einen Schlacken-einschluss gebildet hat, als Zentrum eines Fischauges

    c) feinstrukturiertes Bruchgefge im Fischaugenhof

    Warum aber nun die Gleitbnder aufreien, das kann nur vermutet werden: Nicht wahrscheinlich

    ist, dass die Wasserstoffatome die Gleitung erschweren. Es gibt eher Hinweise dafr, dass sie

    diese sogar erleichtern [6]. Wird der Wasserstoff aber chemisch gebunden, kann er die Bewegung

    der Versetzungen dagegen sehr wirksam blockieren.

  • 7

    Vom Titan ist bekannt, dass sich U. a. entsprechende Hydride bilden. Mit Eisen ist das nicht

    mglich. Hier kann der Wasserstoff das Hydrid nur mit sich selbst bilden, d. h., er muss

    rekombinieren, und offensichtlich findet er in den stark gestrten Gleitebenen bzw. -bndern

    gengend Raum dazu. In der Form feinster Hochdruckblschen stellt er eine Dispersion von

    kleinen Eigenspannungsfeldern dar und entfaltet die gleiche versprdende Wirkung wie echte

    Ausscheidungen.

    Der eben beschriebene Fischaugeneffekt wurde vom Verfasser bei der Aufklrung von Schden

    zur Deutung aller mglichen Varianten der Wasserstoffrissigkeit angewendet [7, 8]. Der Begriff

    Variante bezieht sich einmal darauf, dass die Risse sich sowohl trans- als auch interkristallin

    ausbreiten knnen, zum andern auf die Art der Wasserstoffanlieferung. Diese kann auer den

    bereits genannten Mglichkeiten auch noch ber die Schmelze beim Gieen, ber das

    galvanische Plattieren und ber Korrosion (insbesondere durch H2S) erfolgen. Ob sich Risse

    bilden oder nicht, hngt im Wesentlichen davon ab

    wie hoch die Temperatur ist. Die gnstigsten Bedingungen liegen um 0 oC vor. Oberhalb

    90 oC besteht im Allgemeinen keine Rissgefahr, da die Wasserstoffatome so beweglich sind,

    dass fr sie keine Zwang besteht, sich irgendwo im Gitter zu konzentrieren bzw. Speicher

    aufzusuchen,

    ob mehr Wasserstoff in den Stahl eindringt als entweicht (Fass mit Loch),

    wie anfllig der Werkstoff grundstzlich ist. Das wird zum einen bestimmt vom

    Gefgezustand (Sthle mit Festigkeiten ber 1000 ... 1250 MPa sind besonders gefhrdet),

    zum anderen von der Art, Verteilung und Anzahl der Speicher.

    In den Speichern wird wie schon angedeutet nicht nur Wasserstoff gesammelt, sondern es

    wird ber den Druck (x Flche) eine Innenlast erzeugt. Diese ist bei normal schwefelhaltigen

    Bausthlen in der Lage, auch ohne Auenlast Risse zu bilden (Blistering), aber nur bei hohem

    Wasserstoffangebot (ber H2S-Angriff) und dann auch nur in Dickenrichtung.

  • 8

    Zurck zum vorgestellten Fall: Die Gastemperatur betrug ber 90 C, damit befand sich die

    Anlage auerhalb jeder Rissgefahr. Wann und wie nun der Wasserstoff tatschlich in den

    Werkstoff hineingelangt ist, dafr sind folgende Mglichkeiten denkbar:

    I. Whrend des Anfahrens ber den bei nur leicht pulsierender Oberlast vorwiegend einsinnig

    flieenden Grund der Grodefekte, begleitet von sofort einsetzender Rissbildung analog der

    Versuchen von Hofmann und Rauls.

    II. Whrend des Betriebes

    a) ber den zyklisch-flieenden Grund der Grodefekte

    b) ber die gesamte, sich elastisch-zyklisch dehnende Rohrwand

    c) ber den zyklisch-flieenden Grund von Rauhigkeiten (Mikrorauhigkeiten),die sich aus

    dem normalen Herstellungsprozess ergeben haben.

    Zu I: Diese Mglichkeit erscheint zunchst als recht naheliegend. Dann htte der Wasserstoff

    aber nicht der Zwischenspeicherung bedurft, d.h., die hier gefundene ausgeprgte

    Fischaugenbildung spricht gegen diese Annahme.

    Zu IIa: Einer kleinen Einlasspforte htte die gesamte Rohrauenflche als Auslasstor gegenber

    gestanden, so dass nur wenig Wasserstoff im Stahl verblieben wre.

    Zu IIb: Diese Mglichkeit wrde der bisherigen Argumentation widersprechen, dass die

    Abspaltung des Wasserstoffes im Wesentlichen auf Fliebereiche beschrnkt ist.

    Zumindest mssen die Oxidschichten aufgerissen werden. Allerdings verhlt sich eine

    Bauteiloberflche bei Wechselbeanspruchung nie vllig elastisch: ber Extrusionen und

    Intrusionen stellt sich allmhlich ein gewisser Betrag an Mikroflieen ein.

    Zu IIc: Das eben genannte Mikroflieen wird natrlich zuerst an den blichen

    Herstellungsrauhigkeiten einsetzen, so dass man diese Annahme als die

    wahrscheinlichste betrachten kann. Offensichtlich ist fr solche Rohre eine hohe

    Oberflchengte zu fordern.

    Die Anlage musste gelegentlich auer Betrieb genommen werden, und whrend des Stillstandes,

    nachdem sich die Rohre abgekhlt hatten, fllte der Wasserstoff die Speicher auf. Als wieder

    angefahren wurde mglicherweise geschah das relativ schnell kamen durch berlagerung von

  • 9

    Auen- und Innenlast offenbar grere Gefgebereiche ins Flieen, und der Fischaugeneffekt

    wurde ausgelst; die Rissbildung setzte ein. Bezogen auf die kleinen Speicher (Einschlsse)

    haben sich recht groe Fischaugen gebildet. Der Wasserstoff muss also stark komprimiert

    gewesen sein.

    Zusammenfassend kann fr diesen Schaden festgestellt werden, dass er der Kategorie

    Wasserstoffbruch durch zunehmende Auenlast angehrt, die fr warmgehende Anlagen typisch

    ist (Wasserstoffaufnahme wahrend des Betriebes, reien beim Wiederanfahren), wogegen sich

    die Risse bei kalten Anlagen und Bauteilen whrend des Betriebes infolge zunehmender

    Innenlast bilden. Im vorliegenden Fall war also die Ermdungskomponente nur dafr

    verantwortlich, dass (whrend des Betriebes) berhaupt ausreichend Wasserstoff in den Stahl

    gelangte.

    Fall B: Hier war der Riss von tzgrben die Rohre waren gebeizt ausgegangen. Da es sich

    um einen normal schwefelhaltigen Stahl handelte, hatte sich der zeilige Charakter der

    Bruchflche noch strker ausgebildet (Bild 3a). Dass Einschlsse freigelegt worden waren,

    konnte mikrofraktographisch besttigt werden; der Riss hatte sich jedoch durchgngig

    interkristallin ausgebreitet (Bild 3b). Interkristalliner Wasserstoffbruch wird im (quasi-)statischen

    Belastungsfall vor allem bei hochfesten Sthlen (>1000 MPa) gefunden und ist als Ausdruck der

    erhhten Empfindlichkeit zu werten.

    Tatschlich waren hier wohl unbeabsichtigt weit hhere Festigkeiten als 1000 MPa eingestellt

    worden. Die Korngrenzen, denen der Riss gefolgt ist, sind die des (primren) Austenits, also

    Korngrenzen, die im Temperaturbereich der Wasserstoffrissigkeit gar nicht existieren. Ihre Lage

    ist aber durch Verunreinigungen markiert, insbesondere durch Mangansulfide, die mit Strken

    von 10-15 Nanometern eine Art zweidimensionaler Mikroeinschlsse bilden [9]. Diese bieten

    dem Wasserstoff gengend Raum zur Rekombination, so dass hier schlielich in submikrosko-

    pischen Bereichen der Fischaugenmechanismus ablaufen kann [7, 8]. Durch ihre extreme

    Flchigkeit und schalenartige Anordnung sind diese Mikroeinschlsse hochwirksame Speicher.

    Sie knnen auch noch bei relativ geringem Wasserstoffangebot kritische Drcke aufbauen und

    ber eine hohe Innenlast eine niedrige Auenlast kompensieren. Damit bestimmen sie die Lage

    des bruchmechanischen Schwellenwertes KIH bzw. die Empfindlichkeit des Stahles generell.

  • 10

    Wie der Wasserstoff, so lagern sich auch die Atome anderer Elemente (As, P, Sb) an diese

    Korngrenzensulfide an, vorausgesetzt, sie sind diffusionsfhig. Das ist im Bereich um 500 oC der

    Fall und fhrt nicht nur zur bekannten Anlassversprdung, sondern begnstigt auch den

    Wasserstoffbruch.

    Bild 3. Ethylenleitung (B) a) Anriss (Leck) mit ausgeprgter Streifigkeit b) durchgngig Korngrenzenbruch, freigelegter

    Einschlusshohlraum

    Es ergibt sich hier die Frage, ob sich die Risse auch htten bilden knnen, wenn die

    Arbeitstemperatur wesentlich niedriger gelegen htte. Das ist anzunehmen. Denn wenn die

    Plastifizierung ausreicht, bei 90 oC das Ethylen zu spalten, kann sie dies sicherlich auch bei

    beispielsweise 40 oC. Die Risse wren als unmittelbare Folge der Druckpulsation entstanden,

    whrend des Betriebes also, und somit als echte berlagerung von Wasserstoffbruch und

    Ermdung (Wasserstoffermdung). In diesem Fall dient das ganze Anlagensystem vor der

  • 11

    Rissstelle als Speicher; eine Zwischenspeicherung in Einschluhohlrumen ist nicht mehr

    erforderlich, und es bilden sich daher auch keine Normalfischaugen aus.

    Wie fraktographische Untersuchungen verschiedener Autoren an unter Wasserstoff [10-13] bzw.

    Ethylen [14] im Zugschwellbereich ermdeten Proben bereinstimmend zeigen, ergeben sich hier

    folgende Regelmigkeiten: Bei sehr niedrigen Amplituden der Spannungsintensitt (in

    Schwellenwertnhe) ist der Rissverlauf rein transkristallin. Er wird mit zunehmender Amplitude

    teilweise interkristallin (Bild 4), schlielich, bei starker mechanischer Komponente, wieder rein

    transkristallin. Der interkristalline Bruchanteil verweist darauf, dass die Wasserstoffaufnahme so

    hoch ist, dass sich ein berschuss einstellt, durch den nun wieder Korngrenzenspeicher aufgefllt

    werden knnen. Diese drften sich nicht in, sondern vor der plastischen Zone (Fliezone)

    befinden, da in dieser von stillgelegten Gleitbndern abgesehen der Wasserstoff allenfalls

    zerlegt werden kann.

    Bild 4. Kurzzeitermdung in Ethylen bei Raumtemperatur, einzelne

    Korngrenzen freigelegt, Aufnahme [14]

    Wie gelang nun das Wasserstoffatom zu den Korngrenzenspeichern? Anzunehmen ist, dass es in

    blicher Weise, also an eine Versetzung gekoppelt, durch die Fliezone transportiert und in die

    dahinterliegende dreiachsig verspannte Zone (Verspannungszone) abgekippt wird. Diese Zone

    stellt mit ihren vergrerten Atomabstnden eine Art Sammelstelle fr atomaren Wasserstoff

    (Gitterwasserstoff) dar; hier knnen die Wasserstoffatome wahrscheinlich auch relativ schnell

  • 12

    diffundieren. Im Gleichgewicht mit dem hohen Gehalt an atomarem Wasserstoff werden die

    Speicher relativ schnell auf Druck gebracht.

    In dem Mae, wie sich die Fliezone diesen Speichern nhert, erhht sich fr sie die Auenlast,

    und sukzessive wird fr sie der Fischaugeneffekt ausgelst. Mglich ist dies jedoch erst, wenn

    der Schwellenwert fr Wasserstoffbruch unter statischer Last (KIH) berschritten ist, das heit, es

    handelt sich hier um einen rein statisch bedingten Bruchanteil, der den Rissforschritt pro

    Lastwechsel (da/dn) sprunghaft erhht, wie u. a. Enterlein et al. [15] bei Simulationsversuchen an

    Wasserstoffflaschen gefunden haben. Um den dafr erforderlichen Wasserstoffberschuss zu

    sichern, muss das Bauteil offenbar im Zugschwellbereich beansprucht werden, denn sowohl

    Verspannungszone als auch Fliezone verlieren ihre Aufnahmekapazitt, wenn sie unter Druck

    geraten bzw. gestaucht werden. Die Wasserstoffatome werden dann auf dem gleichen Wege zum

    Werkstoff hinausbefrdert, wie sie herein gekommen sind. Dieses Herausquetschen ist von

    Stauchversuchen an beladenen Proben her bekannt (Erdmann-Jesnitzer [16]).

    Mit zunehmender Amplitude der Spannungsintensitt (K) wchst das Volumen der Fliezone

    schneller als ihre Oberflche im Rissgrund, die Einlasspforte. Der eingebrachte Wasserstoff wird

    nun in der Fliezone selbst verbraucht und verliert allmhlich seinen Einfluss auf das

    Bruchgeschehen.

    Der Prozess der Rissbildung luft in der Fliezone selbst sicherlich nicht anders ab als unter

    statischer Belastung: der Wasserstoff rekombiniert in stillgelegten Versetzungsanhufungen und

    wird zunehmend zum Sand im Getriebe.

    Die Tatsache, dass bei Wasserstoffermdung der Bruch allenfalls teilweise interkristallin sein

    kann, ist eine wichtige Orientierungshilfe bei der Schadensdiagnose. Ein rein interkristalliner

    Bruch, wie im Fall B gefunden, kann demnach nur durch eine vorwiegend statische Belastung

    entstanden sein und somit nicht als echte Wasserstoffermdung.

    2. Ermdungsbruch ein Sonderfall der Wasserstoffrissigkeit?

    Wie gezeigt wurde, sind flieende Metallbereiche leistungsfhige Wasserstofferzeuger. ber sie

    atmet der Werkstoff den Wasserstoff regelrecht ein, aber auch wieder aus, sofern er ihn nicht

  • 13

    verschluckt hat, was dann eintritt, wenn er vorwiegend im Schwellbereich beansprucht wird. Es

    liegt dann eine Tribosorption vor, die in diesem Mae nur fr Wasserstoff mglich ist, da sein

    Atome auf Grund ihres geringen Durchmessers (~0,05 Nanometer) zwanglos in den Kern der

    Versetzungen passen und von ihnen beliebig transportiert werden knnen.

    Es ist zu vermuten, dass atomarer Wasserstoff auf diese Weise nicht nur aus Wasserstoffgas,

    Ethylen oder Azethylen herausgebrochen wird, sondern beispielsweise auch aus Wasserdampf,

    den die uns umgebende Luft in unterschiedlichen Anteilen enthlt.

    Dass der atmosphrische Wasserstoff wesentlich dafr verantwortlich ist, dass die

    Ermdungsfestigkeit an Luft niedriger liegt als im Vakuum oder in trockenem Edelgas, diese

    Hypothese ist nicht neu, aber sie wurde mglicherweise noch nicht so konsequent wie hier von

    der Wasserstoffrissigkeit her diskutiert. Sie konkurriert insbesondere mit der Meinung, der

    Sauerstoff sei schuld, da er die Wiederverschweiung der abgeglittenen Bereiche verhindere. Fr

    Aluminium wurde allerdings lngst nachgewiesen, dass in feuchtem Argon, also in Abwesenheit

    von Luft-Sauerstoff, die Ermdungsfestigkeit nicht hher liegt als in Luft [17] (siehe auch [18].

    Gelegentlich wurde die Ermdung an Luft als schon zur Korrosionsermdung gehrig betrachtet,

    wobei als Unterschied zu dieser die Existenz einer Dauerfestigkeit wie sie sich bei Stahl findet

    hervorgehoben wurde. Deshalb sollen zunchst die Besonderheiten der Korrosionsermdung an

    Beispielen diskutiert werden, denn bei Korrosion im wssrigen Medium wird relativ viel

    Wasserstoff freigesetzt. So haben Trrnen et al. [19] Proben aus ferritischem Stahl in reinem

    Hochtemperaturwasser (288 oC) ermdet, wobei diese derart viel Wasserstoff aufnahmen, dass

    die nach dem Abkhlen erzeugte Restbruchflche Fischaugen zeigte. Die Rissausbreitung

    whrend des Experimentes konnte der Wasserstoff wegen der hohen Temperatur natrlich nicht

    beeinflussen.

    2.1 Brche von Turbinenschaufeln

    Die Schaufeln von Dampfturbinen sind blicherweise aus 13%-igem Chromiumstahl gefertigt

    und werden auf Fliegrenzen von 450-750 MPa vergtet. Im Betrieb werden sie durch die

    Fliehkraft auf Zug und durch den Dampfstrom auf Biegung beansprucht; sie schwingen

    auerdem, was insgesamt eine ausgeprgte Schwellbelastung (hoher R-Wert) ergibt. In

  • 14

    Kondensationsturbinen brechen die Schaufeln gehuft in der Zone beginnender Nsse

    (Wilsonzone), weil sich hier zeitweise die Verunreinigungen des Dampfes darunter auch die als

    besonders aggressiv bekannten Chloride ablagern knnen. Da Unterdruck herrscht, liegen die

    Dampftemperaturen nicht hher als 80 oC, somit noch im Temperaturbereich des

    Wasserstoffbruches.

    Bild 5. Schaufelbruch in Dampfturbinen

    a) Rissstart an Austrittskante

    b) freigelegte Austenitkorngrenzen

    c) bersicht zu b): Der Korngrenzenbruch beschrnkt sich auf einen schmalen Streifen (Rohwassereinbruch)

    Die Risse starten im Bereich der Austrittskante (Bild 5a). Ihr Verlauf ist zunchst rein

    transkristallin, dann im speziellen K-Bereich teilweise interkristallin, schlielich wieder rein

    transkristallin. Ist der Anteil des Korngrenzenbruches hoch (Bild 5b, c), kann geschlossen

  • 15

    werden, dass das Wasserstoffangebot hoch war. Dann hat es gewhnlich einen

    Rohwassereinbruch gegeben, d. h., es wurde stark chloridhaltiger Dampf eingetragen.

    Die Schaufeln der Endstufen werden oft an der Eintrittskante gehrtet, damit diese besser dem

    Tropfenschlag widerstehen kann. Mit Fliegrenzen oberhalb 1000 MPa ist dieser Bereich bereits

    gegenber statisch bedingtem Wasserstoffbruch anfllig, und der Rissverlauf ist durchgehend

    interkristallin (siehe [20]).

    Zum Einfluss der Temperatur auf die Korrosionsermdung von Schaufelstahl sind

    fraktographische Untersuchungen aus [21] aufschlussreich: Bei 20 oC, im gnstigen Bereich fr

    Wasserstoffbruch, ist der interkristalline Bruchanteil recht hoch, bei 80 oC ist er wesentlich

    geringer, und bei 150 oC fehlt er.

    Interkristalline Anteile fanden sich auch auf den Bruchflchen von Leitschaufeln eines Axial-

    Turboverdichters (Bild 6). Diese Schaufeln waren aus austenitischem Stahl (18%Cr, 10%Ni)

    hergestellt. Geht man nach dem Bruchbild (als dem Hauptindiz fr einen Schadensuntersucher),

    muss es sich hier um Wasserstoffermdung handeln.

    Bild 6. Bruch von Leitschaufeln in einem Turboverdichter a) Makroaufnahme b) freigelegtes Einzelkorn

  • 16

    Austenitische Sthle sind bei statischer Beanspruchung unempfindlich gegenber

    Wasserstoffbruch, weniger aber unter schwellender und zgiger Beanspruchung, worauf im

    folgenden Abschnitt nher eingegangen wird.

    2.2 Bruch von chirurgischen Implantaten

    Die Knochen des menschlichen Krpers sind bedauerlicherweise nicht allzu bruchfest (Erm-

    dungsbrche sind allerdings die Ausnahme). Die Gelenke, insbesondere die Hftgelenke,

    verschleien auerdem mehr oder weniger. Um solchen Gebrechen abzuhelfen, werden

    metallische Implantate eingesetzt: Platten (fr Knochenbrche) und Hftgelenkprothesen. Erstere

    Verbleiben etwa zwei Jahre im Krper, letztere mglichst fr immer. Es wird fr Platten fast

    ausnahmslos austenitischer CrNiMo Stahl (V4A bzw. AISI 316L) eingesetzt, fr Hftgelenke ist

    er weniger gebruchlich.

    Die Krperflssigkeit ist mit einem Chloridgehalt von 0,9% ungefhr so aggressiv wie

    Meerwasser bei Raumtemperatur, und fr Brche von Stahlimplantaten konnte auch gezeigt

    werden, dass das Bruchgeschehen von der Korrosion beeinflusst bzw. bestimmt wird (u. a. [22]).

    Aber in welcher Art; mehr ber Auflsungsprozesse, oder auch hier mehr ber den Wasserstoff?

    Interkristalline Anteile fehlen hier (Bild 7), vielmehr sieht es nach Spaltbruch aus, das heit, der

    Riss hat innerhalb eines Kornes kaum die einmal gewhlten Gleitbnder verlassen.

    Im Umlaufbiegeversuch war zwar fr solchen Stahl ein Verlust an Schwing-Festigkeit von etwa

    10% zu Lasten der Korrosion ermittelt worden [23], doch erschien dieser als tragbar. Um die

    50% betrug er dagegen im Simulationsversuch fr Hftgelenke (einseitige Biegung), wie indirekt

    [24] zu entnehmen ist.

    Die Resistenz der austenitischen Sthle gegenber Wasserstoff bei ruhender Last ergibt sich im

    Wesentlichen daraus, dass er in ihnen kaum diffusionsfhig ist: der Diffusionskoeffizient betrgt

    etwa ein Zehntausendstel des sonstigen. Folglich kann der Wasserstoff gar nicht erst in kritischer

    Menge in den Stahl eindringen, aber an Versetzungen gekoppelt kann er das offensichtlich sehr

  • 17

    gut. Wie in [2, 25] (Frandsen et al.) gezeigt, betrgt sowohl fr ferritische und martensitische

    Sthle einerseits und Nickel-Kupfer- und Nickel-Kobalt-Legierungen als stabile Austenite

    andererseits der Rissfortschritt bei Ermdung unter Wasserstoff ungefhr das Zehnfache dessen,

    was im Vakuum ermittelt wurde. Bei den Austeniten begnstigt bzw. erzwingt der Wasserstoff

    das planare Gleiten, als dessen Folge sich der gezeigte Pseudo-Spaltbruch, der bliche teilinter-

    kristalline und sogar vollinterkristallin Bruch einstellen kann, letzterer aber, wie es scheint, nur

    bei den stabilen Austeniten.

    In [2, 25] wurde auch gefunden, dass bei + 100 oC und 100 oC der Stahl nicht mehr auf

    Wasserstoff reagiert.

    Das Bild 8 bringt eine Aufnahme von Wasserstoffbruch, der an CrNi-Stahl durch langsame

    Dehnung, allerdings unbeabsichtigt (als Schadensfall), erzeugt wurde, und es ist durchaus eine

    gewisse hnlichkeit mit der eben besprochenen Bruchstruktur an Implantaten gegeben.

    Man hat Hftgelenke auch aus Titan gefertigt, zum einen wegen seines niedrigen E-Moduls (um

    einen weniger groen Steifigkeitsunterschied zum Knochen zu haben), zum anderen wegen

    seiner hohen Korrosionsbestndigkeit. Trotzdem hat es Brche gegeben, sowohl bei Reintitan (-

    Titan) [26] als auch bei den festeren /-Legierungen (z. B. Ti-5Al-2Sn), wofr Bild 9 ein

    Beispiel bringt: Die Bruchflche lsst schon makroskopisch keinen Ermdungsbruch vermuten;

    sie ist ausgesprochen grobkrnig, und es kann weder der Rissausgang noch der Rissverlauf

    bestimmt werden. Mikroskopisch zeigen sich isolierte Spaltflchen in einer Matrix mit Rillen-

    Struktur. Die Spaltflchen drften zu -Krnern gehren. Diese haben ein hexagonales Gitter, in

    dem der Wasserstoff die Basisebene bzw. eine um etwa 15o dazu geneigte Ebene aufbricht [27].

    Ob es sich hier um ein echtes Spalten handelt, ist fraglich. Diesem msste wohl eine strkere

    Hydridbildung vorausgegangen sein, von der fraktographisch aber nichts zu bemerken ist. Eher

    ist zu vermuten, dass diese Ebenen bevorzugter Ort von Ausscheidungen sind analog den

    Primrkorngrenzen im Stahl und dass die Trennung auch hier ber die Bildung von

    Mikrofischaugen abluft.

    Durch das Aufspalten eines Kornes ergibt sich zunchst ein Innenriss, der fr den weiterhin

    andiffundierenden Wasserstoff als Grospeicher dient. Ist die Innenlast gengend hoch, wird fr

  • 18

    die umliegenden -Krner der Fischaugeneffekt ausgelst. Die sich dabei einstellende Rillen-

    Struktur drfte eine Folge ausgeprgter Gleitbandbildung sein, d. h., die -Krner brechen erst

    nach einer gewissen Verformung.

    Es handelt sich also hier um einen Wasserstoffbruch statischer Natur; die Wechselbeanspruchung

    war wie im eingangs gebrachten Fall der Ethylenrohre nur fr die Wasserstofferzeugung

    ausschlaggebend. Die etwas rau (!) gearbeitete Oberflche (des Prothesenschaftes) wies wie

    auch bei den drei vorher genannten Fllen keinerlei Spuren von Korrosion auf, so dass diese als

    Wasserstoffquelle ausscheiden drfte, und dafr nur die Tribosorption brig bleibt. ber diese

    kann der Wasserstoff offenbar auch direkt aus dem Wasser abgespalten werden.

    Wenn es hier aber keine merkliche Korrosion gibt, worin besteht dann die Aggressivitt der

    Chloride? Wahrscheinlich darin, dass sie im an sich gegenteiligen Sinne wirksam werden, indem

    sie selbst frische Oberflachen passivieren. Dies aber nur soweit, dass die Normalpassivierung

    unterbunden wird und somit diese Bereiche weiterhin wasserstoff-aktiv bleiben knnen.

    Auf diese Fhigkeit zur Pseudopassivierung ist man bei den Chloriden zuerst im Zusammenhang

    mit der Spannungsrisskorrosion im aktiven Zustand aufmerksam geworden.

    Bekanntlich luft die (Chlorid-)Spannungsrisskorrosion bei CrNi-Sthlen nur oberhalb 80 oC ab.

    Wirken jedoch Chloride mit einer starken Sure zusammen, bilden sich Risse auch bei

    Raumtemperatur. Deren isoliertes Auftreten (siehe [29]) verweist jedoch darauf, dass sie ihre

    Existenz dem eingedrungenen Wasserstoff zu verdanken haben. Es mssen also lokal hohe

    Wasserstoffmengen freigesetzt worden sein. Das setzt eine starke Lokalisierung des Sure-

    angriffes voraus, und diese ergibt sich wiederum aus der genannten Pseudopassivierung. Je nach

    Begleitmedium knnen die Chloride somit als Trhalter oder Einweiser fr den Wasserstoff

    fungieren (siehe auch Ergebnisse in [30])

  • 19

    Bild 7. Bruch von Implantaten aus CrNiMo-Stahl a) Hftgelenkprothesen b) Bruchflche der rechten Probe in a) c) streng kristallographisch orientierte Bruchbahnen d) Ausschnitt aus c)

  • 20

    Bild 8. Zum Vergleich: echter Wasserstoffbruch an CrNi18.10-Stahl a) Spaltbruch b) bersicht zu a)

  • 21

    Bild 9. Gebrochene Hftgelenkprothese aus Ti-5Al-2Sn a) Links die am oberen Langloch gebrochene Prothese, in der Mitte die Bruchflche, rechts eine intakte

    Prothese b) die obere Teilbruchflche krnige Bruchstruktur c) zwei Einzelspaltflchen, umgeben von Rillenbruch d) grere Einzelspaltflche

  • 22

    2.3 Wasserstoffeinfluss bei Ermdung an Luft

    a) Bei Ermdungsversuchen an Bruchmechanikproben fanden sich im mittleren K-Bereich

    interkristalline Bruchanteile (Bild 10, [31]), was von den jeweiligen Autoren [32, 33, 34]

    bereinstimmend dem Wasserstoff angelastet wurde. Solche Proben werden bekanntlich im

    Zugschwellbereich geprft, so dass wie ausgefhrt der Wasserstoff verschluckt werden kann,

    und es hat sich auch gezeigt, dass der Anteil des interkristallinen Bruches mit dem R-Wert als

    Ausdruck der Verschluckungstendenz zunimmt.

    Es ist vielleicht kein Zufall, dass im wesentlichen Forscher aus Grobritannien ber dieses

    Phnomen berichtet haben. Aber auch in anderen Teilen Europas ist die Luftfeuchtigkeit

    gelegentlich hoch, was im Sommer, wenn die Atmosphre in den Labors nicht durch Heizen

    trockengelegt wurde, dazu fhren drfte, dass vorwiegend auf Wasserstoffermdung geprft

    wird. Fr Bauteile, die im Einsatz schwellend (blicherweise auf Zug) beansprucht werden,

    mssten demnach die Feuchttage lebensdauerbestimmend sein. Eine besondere Gefahr ergibt

    sich daraus, dass einmal entstandene Risse sehr schnell wachsen.

    Bild 10 [31]: Anteil des interkristallinen Bruches in Abhngigkeit von der Amplitude der Spannungsintensitt; Zusammenfassung von Ergebnisse aus verschiedenen Arbeiten, darunter [32; 33]

    Hier lsst sich brigens auch der von Stanzl in Weicheisen gefundene teilinterkristalline

    Bruchverlauf bei Wechselbeanspruchung im Ultraschallbereich einordnen [35]. Die

  • 23

    Korngrenzenbrche finden sich nur im Temperaturbereich der Wasserstoffrissigkeit: bei 50C,

    RT und + 50 C. Da sich die Proben durch Dmpfungswrme stark erhitzten, wurde

    hauptschlich l, aber auch Wasser zur Khlung eingesetzt. Ob das Khlmittel an der Rissspitze

    verdampft, wre klrenswert, auf alle Flle wird ins Eisen so viel Wasserstoff gepumpt, dass

    dieser trotz reiner Zug-Druckbeanspruchung (R = 1) auch tiefer in die Verspannungszone

    gelangt. Bei dem weniger empfindlichen Kupfer wurde Korngrenzenbruch erst unter NaCl-

    Lsung gefunden (vergl. [36] mit [37]).

    b) Hochfeste Sthle sind bei Ermdung sehr kerbempfindlich. Kerben intensivieren nicht nur die

    Spannung, sondern auch die Fhigkeit, Wasserstoff zu sammeln und zu halten. Fr Gewinde-

    bolzen usw. eingesetzt, werden solche Sthle gewhnlich im (kritischen) Zugschwellbereich

    belastet.

    c) Im Torsionsversuch wird etwa nur die halbe Ermdungsfestigkeit erreicht wie im

    Umlaufbiege- und Zug/Druckversuch in Torsion reagiert der Stahl auch viel empfindlicher auf

    Druckwasserstoff [4] als Folge davon, dass sich die Verformung im wesentlichen auf die

    Oberflche beschrnkt und somit dem Wasserstoff eine groe Reaktionsflche geboten wird.

    3. Schlussfolgerungen (Gegenmanahmen)

    Der Wasserstoff sollte mglichst gar nicht erst in den Werkstoff gelangen. Man kann berzge

    aufbringen, die aber nachgiebiger sein sollten als der Werkstoff, um ihn nicht spannungsmig zu

    beeinflussen. So konnte mit Aralditberzgen fr Aluminium eine Erhhung der Zugschwell-

    festigkeit um etwa ein Drittel bzw. eine Verdopplung der Lebensdauer erreicht werden [38]. Stahl

    (rostfreier Stahl) sollte so legiert werden, dass die Pseudopassivierung durch Chloride

    unterdrckt wird, die Normalpassivierung also schneller abluft. Hier scheinen sich besonders

    hhere Molybdngehalte zu bewhren.

    Es sollten verstrkt Werkstoffe eingesetzt werden, die auf Wasserstoff wenig ansprechen. Mit

    etwas Vorsicht kann man zumindest bei Sthlen davon ausgehen, dass eine hohe Resistenz,

    die sich unter statischer Beanspruchung gezeigt hat, auch unter Wechselbeanspruchung erhalten

    bleibt. Da der Schwellenwert fr den Wasserstoffbruch (KIH) annhernd proportional der

  • 24

    (Gewalt-) Bruchzhigkeit (KIc) ist und etwa 15% betrgt, kann weiterhin geschlossen werden,

    dass ein bruchzher Stahl auch relativ ermdungsfest ist.

    Indem man Druckeigenspannungen aufbringt (so durch Kugelstrahlen) bzw. fr eine hohe

    Oberflchengte sorgt, lsst sich das Mikroflieen der Oberflche und damit die Wasserstoff-

    aufnahme zurckdrngen oder ganz vermeiden.

    In Rohrleitungen sollte ein mglichst konstanter Druck eingestellt werden.

    SCHRIFTTUM

    [1] MIDDLETON, J. C.: Reheat cavity nucleation and nucleation control in bainitic creep resisting low-alloy steels: role of manganese sulphide, residual and sulphur stabilizing elements. Metal Science, 15 (1981), 154-167.

    [2] FRANDSEN, J. D.- MARCUS, H. L.: Environmentally assisted fatigue crack propagation in steel. Metallurgical Transactions 8A (1977), 265 272.

    [3] HOFMANN, W. - RAULS, W.: Erzeugung von Fischaugen im Stahl durch uere Einwirkung von Wasserstoff bei Raumtemperatur. Archiv Eisenhttenwesen, 32 (1961), 169-171.

    [4] VIBRANS, G.: Plastische Verformung und Bruch von Stahl unter dem Einfluss von Wasserstoff. In: Verformung und Bruch, Hrsg. H. P. Stwe, Wien, 1981, 141-147.

    [5] KIKUTA, Y. - ARAKI, T. - KURODA, T.: Analysis of fracture morphology of hydrogen assisted cracking in steels and its welds. In: Fractography in failure analysis, ASTM STP 645, Philadelphia, 1978, 107-127.

    [6] DAHL, W. - LANGE, K. W. - HWANG, S.-H.: Untersuchungen zur Wasserstoffversprdung von Stahl. Opladen, 1979, Westdeutscher Verlag.

    [7] MSER, M.: Fraktographie der Wasserstoffrissigkeit in Stahl. Proc. 8th Congress on Materials Testing, Budapest, 1982, Vol. 1. 46-50.

    [8] MSER, M.: Zur Wasserstoffrissigkeit nach dem Schweien. ZIS-Mitteilungen, 25 (1983), No. 3. 261-268

    [9] JOSHI, A.: Influence of density and distribution of intergranular sulfides on the sulfide stress cracking properties of high strength steels. Corrosion, 34 (1978), 47-52.

    [10] AUSTEN, I. M. - McINTYRE, P.: Corrosion fatigue of high-strength steel in low pressure hydrogen gas. Metal Science, 13 (1979), 420-428.

    [11] STEWARD, A. T.: The influence of environment and stress ratio on fatigue crack growth at near threshold stress intensities in low alloy steel. Engineering Fracture Mechanics, 13 (1980), 463-478.

    [12] SASTRY, C. N. - WOOD, W. E. - DAS, K. B.: The effect of internal hydrogen on fatigue crack propagation in HSLA steels. SAMPE Quarterly, 12 (1981), 27-32.

    [13] SURESH, S. - RITCHIE, R. O.: Mechanism of environmentally assisted fatigue crack growth in low strength steels. Proc. 5th Int. Conf. on Fracture, Cannes, 1981, Vol. 4. 1873-1880.

    [14] PRFER, M.: Unverffentlichte Untersuchungen (1982).

  • 25

    [15] ENTERLEIN, G. et al.: Verhalten von Druckgasflaschen unter Wasserstoff bei schwellender Beanspruchung. Werkstofftechnik, 13 (1982), 290-297.

    [16] ERDMANN-JESNITZER, F.: Plastische Verformung und Wasserstoff bei der Fleckenbildung in unlegiertem Stahl. Archiv Eisenhttenwesen, 28 (1957), 355 -365.

    [17] BRADSHAW, F. J. - WHEELER, C.: Int. J. Fracture, 5 (1969), 255. [18] HUDSON, C. M. - SEWARD, S. K.: A literature review and inventory of the effects of

    environment on the fatigue behaviour of metals. Engineering Fracture Mechanics, 8 (1976), 315-329.

    [19] TRRNEN, K. et al.: The effect of inclusions on the environmentally accelerated cyclic crack growth of reactor pressure vessel steels in simulated LWR environments. Proc. 4th European Conference on Fracture, Leoben, 1982, Vol. 2, 539-546.

    [20] BOHNSTEDT, H. J. et al.: Zum Problem der Spannungs- und Schwingungsrisskorrosion an Dampfturbinenschaufeln im bergangs- und Nassdampfgebiet. Maschinenschaden, 51 (1978), 73-79.

    [21] SCHMITT-THOMAS, K. G. et al.: Schwingungsrisskorrosion am Stahl X20Cr13 bei Zugschwellbeanspruchung in chloridionenhaltigen Medien bei Temperaturen bis zu 200 C. Archiv Eisenhttenwesen, 46 (1975), 223-227.

    [22] HILDEBRANDT, G. - MSER, M.: Implantatbrche klinische und fraktographische Untersuchungen, Beitrge zur Orthopdie und Traumatologie, 29 (1982), 541-554.

    [23] FSSLER, K. - SINN, R. - SPHN, H.: Versagen von Knochenngeln infolge Schwingungsrisskorrosion. Archiv Eisenhttenwesen, 40 (1979), 693-697.

    [24] SEMLITSCH, M. - WILLERT, H. G.: Kobaltbasis-Legierungen in Guss- und Schmiedezustand als Implantatwerkstoffe. Medizinisch-Orthopdische Technik, 96 (1976), 86-90.

    [25] MORRIS, W. L. - FRANDSEN, J. D. - MARCUS, H. L.: Environmentally induced transition in fatigue fracture mode. ASTM STP 600 (1976), 49-61.

    [26] DOBBS, H. S.: Fracture of titanium orthopaedic implants. Journal Materials Science, 17 (1982) 1, 2398-2404.

    [27] Prfbericht VEB Filmfabrik Wolfen, 1982. [28] SCULLY, J. C.: Fractographic aspects of stress corrosion cracking. In: The theory of

    stress corrosion cracking. Ed.: Scully, J. C. Brssel, 1971, 128-165. [29] HERBSLEB, G. - PFEIFFER, B. - TERNES, H.: Spannungsrisskorrosion an

    austenitischen Chrom-Nickel-Sthlen bei aktiver Korrosion in chloridhaltigen Elektrolyten. Werkstoffe und Korrosion, 30 (1979), 322-340.

    [30] LUKAS, P. - KUNZ, L. - BARTOS, J.: Influence of the gaseous environment on fatigue crack propagation in an austenitic steel. Materials Science and Engineering, 56 (1982), 11-18.

    [31] SPEIDEL, M. O.: Interkristalline Korrosionsermdung in Stahl. In: Bruchuntersuchung und Schadenklrung Mnchen Berlin: Allianzversicherungs-AG, 1976. 83-87.

    [32] COOKE, R. J. et al.: The slow fatigue crack growth and threshold behaviour of a medium carbon alloy steel in air and vacuum. Engineering Fracture Mechanics, 7 (1975), 69-77.

    [33] RITCHIE, R. O.: Kommentar zu [32]. Engineering Fracture Mechanics, 7 (1975), 187-189.

    [34] CLARK, G. - PICKARD, A. C. - KNOTT, J. F.: A note on the effect of stress intensity and frequency on the occurrence of intergranular facets during the fatigue of a low alloy steel. Engineering Fracture Mechanics, 8 (1976), 449-451.

  • 26

    [35] STANZL, S.: Schwingungsbrche bei Wechselbeanspruchung mit Ultraschall, Radex-Rundschau, (1978), No. 3-4, 674-703.

    [36] STANZL, S.: ber den Einfluss der Probendicke auf die Wachstumsgeschwindigkeit von Ermdungsrissen. Metallkunde, 71 (1980), 195-202.

    [37] STANZL, S, - TSCHEGG, E.: Fatigue crack growth and threshold measured at very high frequencies (20 kHz). Metal Science, 14 (1980), 137-143.

    [38] SCHOTT, G. (Hrsg.): Werkstoffermdung, Leipzig, 1980 (2. Aufl.), 144.

    Anmerkung: Bei der in Bild 9 gezeigten Hftprothese handelt es sich um ein Modell nach K. M. SIVASH (Moskau 1968)

    FATIGUE IN HYDROGEN CONTAINING ENVIRONMENTS

    Summary

    Yielding metallic surfaces can split off atomic hydrogen by tribosorption from various media

    e. g. hydrogen gas, ethylene, water and water steam. Dislocations carry the hydrogen into the

    lattice where it, after recombination, induces glide band separation. When loading occurs in the

    range of pulsating tension (R > 0) the metal keeps the hydrogen strongly and an excess of

    hydrogen is obtained already under the influence of a moist atmosphere. This can result in a

    partly intergranular cracking. The mechanism of this hydrogen fatigue is explained on the base of

    the fisheye concept and is illustrated by crack formation in ethylene pipelines, fracture of turbine

    blades and orthopaedic implants.