entwicklung eines recycling-mauersteins – verwendung von abbruchmaterial und baurestmassen und...
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Berichte
1 Ziele des Forschungsprojektes
Die Forschungsaufgabe besteht in derEntwicklung eines Recycling-Mauer-steins, der unter Einsatz von minerali-schem Abbruchmaterial und Baurest-massen und unter Anwendung derKalksandstein-Technologie hergestelltwird. Die übergeordneten Ziele diesesForschungsvorhabens sind nachfol-gend zusammengestellt:1. Weiterverwendung von Abbruch-
material und Baurestmassen auf ei-nem höherwertigen Verwertungs-niveau
2. Reduzierung der Deponierung vonBauabfällen
3. Schließung von Materialkreisläufenim Baubereich
4. Nachhaltige, das heißt ökologischeund wirtschaftliche Verwendung vonRecycling-Materialien.
Aus diesen übergeordneten Zielen er-geben sich für die gestellte Forschungs-aufgabe folgende Einzelziele:
– Entwicklung eines neuen Recyc-ling-Materials für Mauersteine
– Anwendung der Kalksandstein-Tech-nologie
– Einsatz eines hohen Anteils an Se-kundärrohstoffen
– einfache Herstelltechnologie beigeringem Energieeinsatz
– Verwendung des Recycling-Mauer-steins insbesondere auch im Do-It-Yourself-Bereich
Die Untersuchungsergebnisse zeigenAnsätze zur Auslegung von optimalenHerstellparametern für die Erzeu-gung von Recycling-Mauersteinen aufund sind direkt in der betrieblichenPraxis der Kalksandsteinwerke an-wendbar.
2 Untersuchungen2.1 Ablauf der Untersuchungen
Die Entwicklung des Recycling-Mauer-steins besteht in einer stufenweisenVorgehensweise, das heißt einemschrittweisen, iterativen Herantastenan die Optimalrezepturen.
– den Kalksand-Rohmischungen wur-den Abbruchmaterialien unter-schiedlicher Menge und Beschaf-fenheit zugegeben
– aus diesen Mischungen wurden un-ter Anwendung der Kalksandstein-Technologie Prüfkörper erzeugt undnach baustofftechnischen Gesichts-punkten untersucht
– nach Vorliegen der qualitätskenn-zeichnenden Eigenschaftskennwertewurden die Herstellparameter schritt-weise in Richtung der erwartetenVerbesserung der Steineigenschaf-ten verändert.
Folgende Herstellparameter haben ei-nen wesentlichen Einfluss auf dieSteinqualität, sind in der betrieblichenPraxis der Kalksandstein-Produktionveränderbar und wurden deshalb stu-fenweise variiert:
– Kalkdosis:CaO = 5/7/9 M.-%
– Zugabemenge an Abbruchmaterial:25/50/75 M.-%
– Kornfraktion des Abbruchmaterials:0/2 mm und 2/4 mm
Entwicklung eines Recycling-MauersteinsVerwendung von Abbruchmaterial und Baurestmassen und Anwendung der Kalksandstein-Technologie
Wolfgang EdenBernhard Middendorf
Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde ein neuer Recycling-Mauerstein ent-wickelt, dessen Herstellung unter Verwendung von Original-Mauerwerk-Abbruchmate-rial und unter Einsatz der Kalksandstein-Technologie erfolgt. Bei den auf diese Weisehergestellten Mauersteinen handelt es sich nicht um Kalksandsteine, sondern um Recy-cling-Mauersteine. Die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojektes sind im folgen-den Beitrag zusammengestellt. Der komplette Bericht mit allen Untersuchungsergebnis-sen ist in [1] wiedergegeben.
Bild 1. Übersicht Forschungsvorhaben Recycling-Mauerstein
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– Pressdruck beim Verdichten derRohlinge: sp = 10/15 N/mm2
– Härtedauer bei Autoklavieren:th = 1-4-1 h und 1-6-1 h
– Härtetemperatur bzw. -druck:Th = 194/203 °C bzw. pe = 14/16 bar.
2.2 Baustofftechnische Untersuchungen
Die im Labor und in einem Kalksand-steinwerk erzeugten optimierten Prüf-körperserien werden schließlich fol-genden Untersuchungen unterzogen:
– Festigkeit (Druck-, Biegezug-, Zug-,und Verbundfestigkeit Stein-Mörtel)
– Gefügeeigenschaften (Rohdichte,Porosität, Wasseraufnahme)
– Verformungseigenschaften (E-Mo-dul, Temperaturausdehnung, …)
– chemisch-mineralogische Eigen-schaften (röntgenografische Phasen-analyse, Licht- und Rasterelektro-nenmikroskopie).
2.3 Bestimmung von Umweltparametern
– VOC-Emissionen nach dem AgBB-Schema, Eurofins A/S, Hamburg
– Auslaugung nach dem DEV-S4-Ver-fahren, Chemisches Labor Dr. E.Wessling
2.4 Untersuchtes Recycling-Material
Folgende sortenreine Abbruch-Mate-rialien wurden bei den Versuchenberücksichtigt (Bilder 2 bis 4):
– Kalksandsteine– Mauerziegel– Porenbetonsteine– Beton– Naturstein
Die beiden Diagramme in den Bil-dern 5 und 6 zeigen exemplarisch fürein Kalksandstein-Recycling-Materialdessen Einfluss auf die Steineigen-schaftswerte. Mit produktionstechni-schen Maßnahmen können die Stein-eigenschaftswerte gezielt verändertwerden.
Die Steindruckfestigkeiten lie-gen bei Verwendung von sortenrei-nem Kalksandstein-Recycling-Mate-rial der Körnung 0/2 mm gegenüberder Nullserie auf einem niedrigerenWerteniveau (s. Bild 5). Durch denAustausch von 50 M.-% des Mittel-sandes durch dieses Kalksandstein-Bruchmaterial der Körnung 0/2 mm
reduziert sich die Steindruckfestig-keit von bD,St = 21,6 N/mm2 deutlichauf 16,0 N/mm2. Die Reduzierungdes Pressdrucks von sp = 15 N/mm2
auf 10 N/mm2 führt zu einer weite-ren Abnahme der Steindruckfestig-keit von bD,St = 16,0 N/mm2 auf13,8 N/mm2.
Die übrigen Kennwerte (Steinzug-festigkeit, Frostwiderstandsfähigkeit,Wasseraufnahme, Wärmeleitfähigkeit,Bezugsfeuchtegehalt, Schwinddehnungund Hg-füllbare Porosität) liegen in
der für Kalksandsteine üblichen Grö-ßenordnung [2].
Bei Verwendung von sortenrei-nem Kalksandstein-Recycling-Mate-rial der Körnung 2/4 mm liegen dieSteindruckfestigkeiten auf einem deut-lich niedrigeren Werteniveau (s.Bild 5).
Durch den Austausch von 50 M.-%des Mittelsandes durch dieses Kalk-sandstein-Bruchmaterial der Körnung2/4 mm reduziert sich die Steindruck-festigkeit von bD,St = 21,6 N/mm2 deut-
Bild 2. Ausgangsmaterial: sortenreines Mauerwerk-Abbruchmaterial (Beispiel);Brockmann Recycling GmbH, Nützen; Foto: TerraTextura GmbH, Soest
Bild 3. Recycling-Bruchmaterial der Fraktion 0/5 mm Kalksandstein-, Ziegel- undBeton-Material; Brockmann Recycling GmbH, Nützen; Foto: TerraTextura GmbH,Soest
Bild 4. Zerkleinertes Kalksandstein-Recycling-Material (Beispiel)
Bild 5. Einfluss der Zugabe von sortenreinem Kalksandstein-Recycling-Materialauf die Steindruckfestigkeit und die Steinrohdichte (Beispiel)
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lich auf 8,2 N/mm2. Die Reduzierungdes Pressdrucks von sp = 15 N/mm2
auf 10 N/mm2 führt zu einer weiterenAbnahme der Steindruckfestigkeit vonbD,St = 8,2 N/mm2 auf 5,6 N/mm2.Die Steinzugfestigkeit und die Stein-biegezugfestigkeit werden ebenfallsdeutlich reduziert.
Die übrigen Kennwerte (Wasser-aufnahme,Wärmeleitfähigkeit, Bezugs-feuchtegehalt, Schwinddehnung undHg-füllbare Porosität) liegen in derfür Kalksandsteine üblichen Größen-ordnung [2]. Bei den unter Verwen-dung des groben RC-Materials herge-stellten Prüfkörpern (Bild 7) werdenAufrauhungen an den Steineckenund Steinkanten festgestellt.
3 Ergebnisse des Forschungsvorhabens
– Die Herstellung von Recycling-Mau-ersteinen unter Anwendung derKalksandstein-Technologie ist grund-sätzlich möglich.
– Jedes der im Rahmen der hier durch-geführten Versuche verwendete RC-Material verhält sich gemäß seinenspezifischen Eigenschaften (Korn-größenverteilung, Wasseranspruch,
chemisch-mineralische Zusammen-setzung, …) unterschiedlich bei derHerstellung von Recycling-Mauer-steinen und ebenfalls hinsichtlichseines Einflusses auf deren Eigen-schaftswerte.
– Bei Zugabe von Recycling-Sandenaus Mauerwerk-Abbruchmaterialtreten in den meisten Fällen ge-genüber den Nullserien (ohne Re-cycling-Material) Einbußen beiden Qualitätskennwerten auf. Sowerden beispielsweise in den aller-meisten Fällen kleinere Steinroh-dichten und geringere Steindruck-festigkeiten erzielt.
– Holz, Tapetenreste und andere or-ganische Materialien sind vorherauszusortieren.
– Die Qualitätseinbußen steigen imAllgemeinen mit zunehmender Zu-gabemenge von RC-Material an.Die Zugabemengen sind daher zubegrenzen.
– Bei Verwendung der gröberen Frak-tion von RC-Materialien (2/4 mm)sind größere Einbußen als bei denfeineren RC-Materialien (0/2 mm)zu verzeichnen. In der Folge ist eineEinschränkung auf die feine Frak-tion und geringe Mengen zu emp-fehlen.
– Die Verwendung von Kalksand-stein-, Ziegel-, Beton- und Natur-stein-Recycling-Material ist grund-sätzlich möglich. Die Zugabe von Po-renbeton-Recycling-Material kannnicht empfohlen werden.
– Mit verschiedenen produktionstech-nischen Maßnahmen kann denQualitätseinbußen in den meistenFällen entgegengewirkt werden:z. B. Steigerung des Verdichtungs-drucks, Erhöhung der CaO-Dosisbzw. Verlängerung der Härtezeiten.
– Diese unter Verwendung von demo. g. üblichen Mauerwerk-Recycling-
Material hergestellten Mauersteinesind – ebenso wie handelsüblicheKalksandstein-Produkte – hinsicht-lich ihrer Umweltverträglichkeit er-wartungsgemäß als ungefährlich ein-zustufen. Eine gesundheitliche Ge-fährdung durch die auf diese Weisehergestellten Recycling-Mauersteineist aus Sicht der Autoren ausge-schlossen. Weitergehende Umwelt-analysen sind nicht erforderlich.
Die Anwendung der im Rahmen dieserUntersuchungen ermittelten Grund-lagenerkenntnisse auf die Produktions-bedingungen in Kalksandsteinwerkenist in jedem Einzelfall unter Berück-sichtigung werksspezifischer Gegeben-heiten durch eingehende Vorunter-suchungen im Kalksandsteinwerk undim Labor zu überprüfen. Das Prüf-und Forschungsinstitut der Kalksand-stein-Dienstleistung GmbH unterstütztbei dieser Arbeit.
4 Umweltanalyse der Recycling-Mauersteine
Die Untersuchungsergebnisse zeigen,dass sämtliche gemessene Konzentra-tionen entweder unterhalb der derzei-tigen, sehr niedrigen Messgrenzen lie-gen oder so gering sind, dass keinerleiGefährdung für den Nutzer zu erwar-ten ist. Schadstoffe wurden nicht nach-gewiesen und sind auch nicht zu er-warten. Die exemplarisch untersuchtenProdukte sind in der Konsequenzgemäß der „Vorgehensweise bei der ge-sundheitlichen Bewertung der Emissio-nen von flüchtigen organischen Ver-bindungen (VOC und SVOC) ausBauprodukten“ des AgBB in der Fas-sung vom September 2005 für die Ver-wendung in Innenräumen geeignet.Diese Produkte sind erwartungsge-mäß – ebenso wie handelsübliche Kalk-sandstein-Produkte – als ungefährlicheinzustufen. Eine gesundheitliche Ge-fährdung durch die auf diese Weisehergestellten Recycling-Mauersteineist aus Sicht derAutoren ausgeschlos-sen. Weitergehende Umweltanalysensind nicht erforderlich.
5 Allgemeine Anwendung
Die Untersuchungsergebnisse zeigendie optimalen Herstellparameter fürdie Erzeugung von Recycling-Mauer-steinen auf und sind direkt in derPraxis umsetzbar. Eine schnelle Ein-
Bild 6. Mit einer Steigerung der Kalkdosis können die Steindruckfestigkeit und dieSteinrohdichte angehoben werden.
Bild 7. Prüfkörper der Serie 9 – Zugabevon 50 M.-% Kalksandstein-Recycling-Material der feinen Fraktion 0/2 mm(Beispiel)
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führung ist wünschenswert. Die For-schungsergebnisse werden den rd.100 deutschen Kalksandsteinwerkenneben dem Forschungsbericht direktin Form einer praxisorientiertenHandlungsanleitung zur Verfügunggestellt.
Die Unternehmen der Kalksand-steinindustrie werden angeregt, ihreProduktpalette um einen umwelt-freundlichen und wirtschaftlich her-stellbaren Recycling-Mauerstein zuerweitern. Darüber hinaus wird demDo-It-Yourself-Bereich ein einfach zuverwendendes ökologisches undauch kostengünstiges Produkt zurVerfügung gestellt, woraus sich ent-sprechende Impulse für diesen Sektorergeben.
6 Förderung
Projekt:Az: Z6-10.08.18.7-6.30 II2-F2006-26Dieses Forschungsvorhaben wurde mitMitteln des Bundesamtes für Bauwe-sen und Raumordnung gefördert.
Mit Unterstützung durch:TerraTextura Baustoff- undVegetationstechnologie GmbH, SoestBrockmann Recycling GmbH,Nützen
Literatur
[1] Eden, W.; Middendorf, B.: Entwick-lung eines Recycling-Mauersteins un-ter Verwendung von Abbruchmaterialund Baurestmassen und Anwendungder Kalksandstein-Technologie (Schluss-bericht). Hannover, März 2008.
[2] Eden, W.: Handbuch zur Herstellungvon Kalksandsteinen, Hannover, 2004.
Autoren dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Wolfgang Eden, ForschungsvereinigungKalk-Sand eV Hannover, Entenfangweg 15,30419 Hannover, [email protected]. Dr. rer. nat. Bernhard Middendorf,Technische Universität Dortmund – Fakultät,Bauwesen, Lehrstuhl Werkstoffe des Bauwesens,August-Schmidt-Str. 8, 44227 Dortmund,[email protected]
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