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Einfluss photosphärischer Bewegungen auf die Struktur der solaren Korona Jörn Warnecke

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Einfluss photosphärischer Bewegungen aufdie Struktur der solaren Korona

Jörn Warnecke

3D-Darstellung der Simulationsbox mit dem Geschwindigkeitsfeldern eines einzelnen Wir-bels [1]. Die untere Ebene gibt die z-Komponente des Magnetfeldes an (pink negative, blauneutral und grün positiv). Die roten Linien stellen die Magnetfeldlinien und die grünendie Stromlinien dar. Die obere Ebene ist ein schräger Querschnitt, der die quadratischeStromdichte zeigt (rot für geringe und pink für hohe Stromdichten).

Fakultät für Mathematik und Physik

Einfluss photosphärischer Bewegungen auf dieStruktur der solaren Korona

Diplomarbeit

eingereicht von

Jörn Warneckeaus Eckernförde

3. August 2009

BetreuerPD Dr. Hardi Peter

Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als dieangegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Freiburg, den 3. August 2009

(Jörn Warnecke)

Inhalt

Zusammenfassung 1

1 Einleitung 51.1 Die Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Korona der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.2.1 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.2.2 Zustandsgrössen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.2.3 Physikalische Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.3 Solare Flares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.4 Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2 Magnetohydrodynamik 152.1 Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.1.1 Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.1.2 Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.1.3 Die Lagrange’sche Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.4 Impulserhaltung und Navier-Stokes-Gleichung . . . . . . . . . . . . . 172.1.5 Reynoldszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.2 Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.3 Magnetohydrodynamische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.3.1 Induktionsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.3.2 Die magnetische Reynoldszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.3.3 Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.3.4 Energiegleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.4 Alfvéns Theorem der eingefrorenen Feldlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.5 Plasma β . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3 Dreidimensionale Modellierung der solaren Korona 253.1 Der PENCIL CODE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.2 Modellierung der solaren Korona im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3.2.1 Vereinfachte MHD-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.2.2 Rand- und Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.2.3 Durchführung der Simulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4 Photosphärische Geschwindigkeitsfelder 334.1 Erzeugung von Geschwindigkeitsfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334.2 Wirbel und tangentiale Geschwindigkeitsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4.2.1 100 Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

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vi Inhalt

4.2.2 Ein Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364.2.3 Zwei Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374.2.4 Acht Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.2.5 2500 Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4.3 Granulen und radiale Geschwindigkeitsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.3.1 100 Granulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.3.2 Eine Granule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.3.3 2500 Granulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4.4 Scherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.5 Periodische Ränder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.6 Realistische Granulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.7 Vergleich der Geschwindigkeitsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

5 Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona 495.1 Strukturen der modellierten Korona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5.1.1 Das Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495.1.2 Die Struktur der ohmschen Heizung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535.1.3 Magnetfeld- und Stromlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

5.2 Abfall der Heizrate mit der Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.2.1 Vergleich mit anderen Simulationen und Messungen . . . . . . . . . 61

5.3 Energiewege in der Korona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625.3.1 Entwicklung des Poyntingflusses mit der Zeit . . . . . . . . . . . . . 625.3.2 Entwicklung der ohmschen Heizrate mit der Zeit . . . . . . . . . . . 635.3.3 Energieverteilung und Energiewege in der Korona . . . . . . . . . . . 64

5.4 Speicherung magnetischer Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.5 Magnetische Energie für einen Flare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

6 Diskussion und Fazit 71

Literaturverzeichnis 75

Danksagung 79

Zusammenfassung

Es wurden mehrere Geschwindigkeitsfelder, einige mit tangentialen Strömungen, z.B. Wir-beln, einige mit radialen Strömungen, z.B. Granulen, und ein Geschwindigkeitsfeld miteiner Scherung, erzeugt. Alle verwendeten Geschwindigkeitsfelder haben in etwa die glei-che mittlere Geschwindigkeit. Die meisten dieser Felder unterscheiden sich von den beob-achteten horizontalen Geschwindigkeiten der Sonne, sind aber trotzdem geeignet um dieEmpfindlichkeit des Verhaltens der Korona auf unterschiedliche photosphärische Treiber zuuntersuchen.Diese photosphärischen Treiber werden als untere Randbedingung eines vereinfachten 3D

MHD Koronamodells implementiert. Um die Rechenzeit während einer Parameteruntersu-chung mit vielen unterschiedlichen Umsetzungen zu verkürzen, wurden die Gleichungendahingehend vereinfacht, dass nur noch die Induktionsgleichung und die Bewegungsglei-chung gelöst werden müssen. Analog zu einem vollständigen MHD Korona Modell, wirdeine 50×50×30Mm3 große Simulationsbox benutzt.Als ein Ergebnis ist festzuhalten, dass die Struktur des magnetischen Feldes und der

ohmschen Energie für die zehn unterschiedlichen Simulationen, trotz unterschiedlicher Ge-schwindigkeitsfelder, sehr ähnlich ist. Bemerkenswert ist, dass es fast keinen Unterschiedgibt, zwischen den in dieser Arbeit verwenden Feldern, bestehend aus 2500 Wirbeln bzw.Granulen mit 0.5 Mm Durchmesser, und einem realistische Granulationsfeld (Gudiksen &Nordlund, 2005). Untersucht man die Heizrate, so erkennt man im horizontalen Mittel, dasssie exponentiell mit der Höhe im koronalen Teil abfällt, was vollständigen MHD Modellenentspricht. Interessanterweise zeigt die Skalenhöhe in allen Simulationen eine ähnliche Grö-ßenordnung. Diese und andere Ergebnisse der gesamten Untersuchung geben Gewissheitdarüber, dass die Dynamik in der Korona kaum von den photosphärischen Bewegungender Fußpunkten abhängt. Das bedeutet, dass für die Untersuchung der Korona die genaueWahl des Geschwindigkeitstreibers nicht der wichtigste Betrachtungspunkt ist.Ein anderer Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der magnetischen Energiedichte. Obwohl

die meiste Energie durch Ströme dissipiert wird, nimmt die im Magnetfeld gespeicherteEnergie langsam mit der Zeit zu. Der Anstieg der gespeicherten magnetischen Energie wirdüber 42 Stunden für einen photosphärischen Treiber mit Granulation simuliert. Dadurchkonnte gezeigt werden, dass, unter der Annahme einer kontinuierlichen zunehmenden Spei-cherung nach 9 Tagen genug Energie gespeichert wurden, um einen Flare von 1025 J zuerzeugen.

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Abstract

In this work we investigate the influence of the horizontal motions in the photosphere on thestructure of the solar corona by applying different velocity drivers to a 3D MHD simulation.We have created several velocity fields, some with tangential flows, e.g. eddies, some with

radial flows, e.g. granules and additionally, one with a shear flow. All the applied fields haveapproximately the same average velocity. Most of them differ from the observed horizontalvelocities on the Sun, but are very useful in order to investigate the sensitivity of the coronato different motions in the photosphere.These photospheric velocities are applied to the bottom boundary of a simplified 3D

MHD coronal model. In order to save computational time during a parameter study withdifferent realisations, we used a simplified set of MHD equations, that is, the inductionequation and the momentum balance. As in our full MHD model of the corona, we use a50×50×30Mm3 computational box.We found that for ten different simulation runs, the coronal structure is roughly the same

in terms of the magnetic field and the ohmic energy, regardless the type of the velocitydriver at the lower boundary. Noteworthy is, that there is almost no difference betweenour field consisting of 2500 eddies or granules with a diameter of 0.5 Mm, respectively,and a realistic granulation field (Gudiksen & Nordlund, 2005). Investigations of the heatingrate showed, that in a horizontal average the former decreases exponentially with heightin the coronal part, which is similar to full MHD models. Interesting is, that the scaleheight shows almost the same magnitude in all simulations. This and other results of ourinvestigation provide evidence that the coronal dynamics is not significantly sensitive todifferent forms of photospheric motions at the footpoints. This implies that the exact choiceof the photospheric driver is not of major interest when modelling the corona .Another finding of our work concerns the energy density of the magnetic field. While

most of the energy is dissipated through the currents, the energy stored in the magneticfield rises slowly by time. The increase of stored magnetic energy is simulated for 42 solarhours using a granulation-type photospheric driver. Assuming that the storage continuesmonotonously, we find, that after 9 days enough energy has been deposited to produce asolar flare of about 1025 J.

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Kapitel 1

Einleitung

1.1 Die SonneDie Sonne ist ein ganz normaler Stern der G2V-Klasse. Was sie aber interessant und be-sonders macht ist ihre Nähe zu uns. Dadurch kann man sie deutlich besser beobachtenund untersuchen, als jeden anderen Stern. Selbst mit bloßem Auge (und entsprechenderSchutzbrille) lassen sich Strukturen auf der Sonne erkennen. Moderne Beobachtungstechni-ken machen es möglich, dass Strukturen bis zu einer Größe von wenigen hundert Kilometernaufgelöst werden können.Die Sonne bildet mit ihrer Masse von M� =2·1030 kg, dem Radius R� =7·108 m

=700 Mm und ihrer effektiven Temperatur von Teff =5780 K einen 4 Milliarden altenHauptreihenstern. Sie besitzt, wie viele andere Sterne, mehrere physikalisch unterschiedli-che Atmosphärenschichten. Die unterste und gleichzeitig deutlich abgrenzende Schicht istdie Photosphäre. Sie bildet die sichtbare Grenze des Gasballes und wird deshalb auch zurRadiusbestimmung verwendet. Diese Grenze ist in Wirklichkeit kein fester Rand, sondernnur eine sehr kleine Übergangsregion (4·10−4R�), in der die Dichte und die Opazität starkabfällt. Dort findet ein Übergang zwischen den Regimes, deren Wärmetransport durch Kon-vektion (Wasserstoffkonvektionszone) einerseits und Strahlung (Atmosphäre) anderseits do-miniert werden, so dass die Photonen weitgehend ungehindert die Sonne verlassen könnenund sich dadurch ein scharfer Rand der Lichtkugel ergibt. Das emittierte Licht ähnelt sehreinem Planck’schen Schwarzen Strahler, enthält aber die Fraunhofer-Absorbtionslinien. DieOberfläche der Photosphäre wird überzogen mit einem Netzwerk aus sogenannten Granu-len und intergranulare Bahnen. Die Granulen sind einige Megameter große Blasen, in derenMitte heißes Plasma nach oben strömt und dann radial nach außen zerfließt und abströmt.Die Konvektionszone lässt immer wieder neue Granulen an der Photosphäre entstehen undverschwinden und erzeugt damit ein sehr komplexes Geschwindigkeitsmuster.Über der Photosphäre erstreckt sich die ungefähr einige tausend Meter dicke Chromo-

sphäre. Sie ist in bestimmten Spektrallinien wie zum Beispiel Hα und CaII H und K zubeobachten, da die Dichte sehr viel niedriger als in der Photosphäre ist und damit auch dieLichtintensität abnimmt. Definiert wird der Beginn der Chromosphäre mit dem Tempera-turminimum. Dieses liegt bei ca. 500 km (Modellabhängig) über dem optischen Rand. Vondieser Höhe steigt die Temperatur nach außen bis auf die 10fache Effektivtemperatur an.Dies hat zur Folge, dass man dort keine Fraunhofer-Absorbtionslinien mehr sehen kann,sondern nur schwache Emissionslinien, die von höher ionisierten Atomen stammen. In Be-obachtungen erkennt man eine netzartige Struktur der Chromosphäre, die großskalige Be-wegungen der Photosphäre im Bereich von tausend Granulen, also 20-30 Mm, wiedergeben

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6 Kapitel 1: Einleitung

und eine Dynamik besitzen, die nur schwer mit Standardatmosphärenmodellen beschrie-ben werden kann. Deshalb steht die Chromospäre und ihre Dynamik in einem der Foci derheutigen Sonnenphysikforschung.In einer Höhe von ca. 2000 km schließt sich die Übergangsregion an, ein Bereich, in

dem die Temperatur um 2 Größenordnungen von zehntausend auf ca. eine Million Kel-vin ansteigt. Diese Region ist sehr inhomogen und besitzt viele Diskontinuitäten in derTemperatur- und Dichteverteilung, daher wird sie mehr als ein theoretisches Konstrukt,denn als eine wirkliche Atmosphärenschicht angesehen. Sie zeichnet sich allerdings dadurchaus, dass sie wegen hohen Temperaturgradienten Emissionslinien von gleichen Atomen mitunterschiedlichem Ionisierungsgrad besitzt.Die Sonne als Ganzes ändert in einem Zyklus von elf Jahren ihre magnetische Aktivität

sehr stark. Dieser Zyklus macht sich unter anderem durch die erhöhte Anzahl an AktivenRegionen und Sonnenflecken in der Photosphäre bemerkbar. Bei einem Minimum beobachteman einige 10 und bei einem Maximum fast 200 Sonnenflecken pro Jahr. Hierbei werdenstarke Magnetfelder in sogenannten Flussröhren aus der Konvektionszone an die Oberflächetransportiert und treten als dunkle Flecken hervor, da sie den Wärmefluss hemmen unddadurch eine geringere Temperatur besitzen. Außerdem entstehen große Magnetfeldbögen,die weit in die Korona ragen können. Den Einfluss solch eines Magnetfeldes auf die Dynamikdes Plasmas kann man abschätzen, indem man die Größe des Plasma β einführt. Sie gibt dasVerhältnis des kinetischen zum magnetischen Drucks an (siehe Abschnitt 2.5) und variiertsehr stark in der Sonnenatmosphäre mit der Höhe. Im unterem Teil, also der Photosphäre,dominiert die Dichte des Plasma und β ist grösser als eins. In der oberen Atmosphärewird es kleiner als eins, um weiter draußen, am Rande der Korona, wo die Sonnenwindeentstehen, wieder gößer als eins zu werden, d.h. das Magnetfeld wird vom Sonnenwind inden interplanetaren Raum getragen.

1.2 Korona der SonneÜber der Chromosphäre liegt die mehrere Sonnenradien große Korona. Ihr Name entstammtdem lateinischen Wort corona und bedeutet Krone. Bei einer totalen Sonnenfinsternis er-scheint die Korona als Krone, die die verdeckte Sonnenscheibe umgibt.

1.2.1 Historische EntwicklungDas emittierte Licht aus der Korona ist nur sehr schwach und wird vom photosphärischendeutlich überstrahlt. Deshalb wurde die Korona erstmals bei einer totalen Sonnenfinsternisentdeckt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist bekannt, dass die Korona aus der K- undder F-Korona besteht. Die K-Korona (K für Kontinuum) fällt sehr schnell nach außen abund entsteht durch Thompson-Streuung von photosphährischen Licht an hochenergetischenElektronen. Sie zeigt dasselbe Spektrum wie die Photosphäre, jedoch ohne Fraunhoferlinien.Die F-Korona (F für Fraunhofer) hat eine Ausdehnung von bis zu drei Sonnenradien undgenau dasselbe Spektrum wie die Photosphäre. Photonen, die in der Photosphäre emittiertwurden, streuen an den langsamen Staubteilchen in der Korona und verursachen so diesesSpektrum. Im Jahre 1942 wurden von Edlén 19 Spektrallinien von hochionisierten Atomenwie Fe X und Fe XIV in der Korona entdeckt. Billings fand 1966 weitere 42 Linien, die

Korona der Sonne 7

auch alle aus Übergängen hochionisierter Atome stammten. Begründen konnte man das nurdamit, dass die solare Korona eine Temperatur von bis zu 2 Million Grad Kelvin besitzenmuss.Früher konnte man nur bei totaler Sonnenfinsternis die Spektren der Korona aufnehmen.

Aber seit den von B. Lyot in den dreißiger Jahren entwickelten Koronographen, bei dem dasphotosphärische Licht der Sonnenscheibe nach außen aus dem Instrument abgelenkt wird,war die Messung der Korona im sichtbaren Licht auch ohne totale Sonnenfinsternis mög-lich. Noch bis heute werden mit dieser Methode die koronalen Emissionslinien gemessen.Mit zusätzlichen Instrumenten im Weltraum konnte die Korona auch in nicht sichtbarenWellenlängenbereichen beobachtet werden, da sonst diese Bereiche in der Erdatmosphäreabsorbiert wurden. Im ultravioletten und im Röntgenlicht erscheint so die Korona sehrstrukturiert und heterogen. Man erkennt deutlich, die von magnetischer Aktivität hervor-gerufenen Plasmabewegungen und Strukturen, wie Protuberanzen und Koronale Massen-auswürfe (CMEs). Mit Beobachtungen in diesen Frequenzbereichen ist es sogar möglichdie Sonnen als ganze Scheibe ohne die Verwendung eines Koronographen aufzunehmen, dabei diesen Wellenlängen des Röntgenlichts die Emissivitäten der Photospähre fast auf Nullgefallen sind.

1.2.2 ZustandsgrössenDie Korona zeichnet sich durch eine sehr kleine Dichte, eine extrem hohe Temperatur undstrukturbestimmende Magnetfelder aus. Die Teilchendichte beträgt n = 1013 1

m3 . Die hohenTemperaturen reichen bis zu zwei Millionen Kelvin und sind für stark dopplerverbreiter-te Linien verantwortlich. Die Spektren im fernen Ultravioletten zeigen in erster Linie dasEmissionspektrum der inneren Korona mit zahlreichen erlaubten und verbotenen Linienhoher Ionisationsstufen und im Röntgenbereich ein Kontinuum. Die elektrische Leitfähig-keit ist durch die hohe Temperatur und dem Ionisationsgrad so hoch, dass die Feldlinienim Plasma eingefroren sind (siehe Abschnitt 2.4). Dies führt dazu, dass sich das Plasmabevorzugt entlang von Magnetfeldlinien bewegt und Strukturen wie Koronale Bögen bildet.Geschlossene magnetische Flussröhren formen Bögen, in denen sich dann Plasma anlagernkann. In Abbildung 1.1 ist so ein Koronale Bogen zu sehen, aufgenommen mit TRACE, ei-nem Koronasatellit. Dieser Bogen ist ca. siebzig Megameter hoch und fünfzig breit. TRACEbeobachtet im Wellenlängenbereich von 171 Å, wodurch Plasma mit einer Temperatur voneiner Million Grad Kelvin sichtbar wird. Weitere Strukturen werden besonders im Röntgen-und ultravioletten Licht deutlich. Dort erkennt man neben starker bogenartiger Struktur,Intensitätsminima, wie die Koronalen Löcher, und CMEs; besonders deutlich werden dieStrukturen bei hoher magnetischer Aktivität. In Abbildung 1.2 wird die Entwicklung derKorona im Röntgenbereich gezeigt. Oberhalb von Aktiven Regionen und Sonnenflecken er-geben sich stärkere Emissivitäten als in den Koronalen Löchern. Die Korona ist also einesehr komplexe Atmosphärenschicht mit einem sehr hohen Temperatur- und Dichtebereichund wird von dem Magnetfeld der Sonne dominiert.

8 Kapitel 1: Einleitung

Abbildung 1.1: Aufnahme eines Koronalen Bogens vom Satelliten TRACE im 171 Å-Band. DieserFilter entspricht einer Temperatur von einer Million Kelvin. Die Höhe dieses Bogensbeträgt ca. 70 Mm.

Abbildung 1.2: Entwicklung der Sonnenaktivität im Röntgenbereich. Die Fotos entstanden in einemAbstand von 90 Tage durch den NASA-Satellit Yohkoh in den Jahren 1991-1993.

1.2.3 Physikalische ZusammenhängeEin seit vielen Jahren untersuchtes, aber dennoch ungelöstes Problem ist die Frage nachdem Mechanismus, der für die Aufheizung der Korona verantwortlich ist. Die Temperatursteigt ausgehend von dem Minimum von viertausend Kelvin in der unteren Chromosphärebis auf mehre Million Kelvin in der Korona an. Dieser Temperaturverlauf widerspricht demzweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Die Gaskugel ist im Inneren zehn Millionen Gradheiß, bei einem Radius von 700 Megametern nur 4000 Kelvin und heizt sich dann bei 10 Mmdarüber auf zwei Millionen Grad auf. Dies ist nur möglich, wenn ein Heizungsmechanismusfür die Chromosphäre und die Korona vorliegt. Schockfronten, die sich durch den rapiden

Korona der Sonne 9

Abbildung 1.3: Aufgebogenes Bündel von Feldlinien in einem Bogen, oben und unten liegt die Pho-tosphäre, in der Mitte die Spitze des Bogens. Es zeigt veranschaulich die durch dieFußpunktbewegung verursachten Verdrillung und Verflechtung von Magnetfeldlini-en. An Stellen, wo sich Magnetfeldlinien überschneiden und berühren, können sierekonnektieren und in ohmsche Wärme dissipiert werden (Parker, 1983).

Dichteabfall mit zunehmender Höhe aus MHD-Wellen1 bilden, reichen jedoch nur aus, umdie Chromosphäre und Teile der Korona zu heizen.Um die Temperaturen von mehren Millionen Kelvin zu erreichen, würde nach der im Mo-

ment favorisierte Theorie die Energie der Heizung aus dem Magnetfeld stammen. Durch dieRekonnektion von Magnetfeldlinien entstehen elektrische Ströme, die in ohmsche Wärmedissipiert werden. Diese Wärme reicht aus, um die Korona auf ihre hohen Temperaturenaufzuheizen. Die Magnetfeldlinien durchstoßen die Photosphäre meist senkrecht zur Ober-fläche und bilden in der Korona Magnetfeldbögen. Durch in der Photosphäre vorhandenegranulare und supergranulare Bewegungen werden die Fußpunkte der Magnetfeldlinien ver-schoben. Dies bewirkt vor allem bei großen und starken Magnetfeldbögen eine Verdrillungund Verflechtung der Linien. Wie in Abbildung 1.3 von Parker (1983) dargestellt, könnensich die Linien in diesem Fall berühren und verbinden. Dabei entstehen elektrische Strö-me, die in Wärme dissipiert werden und dadurch die Korona heizen. Betrachtet man dieEnergien der Magnetfelder, so sind diese stark genug, um ausreichend ohmsche Wärme zubilden. Das beweisen nicht nur Beobachtungen, sondern auch in jüngster Zeit auch Simula-tionen von Gudiksen & Nordlund (2002), Gudiksen & Nordlund (2005) und Bingert et al.(2009), die explizit zeigten, dass die durch einen photosphärische Fusspunktbewegung, diedas Magnetfeld schert, eine ausreichende ohmsche Energie dissipiert wird, um die Koronazu heizen.Die Struktur der Korona kann in zwei Bereiche eingeteilt werden, die offenen und ge-

schlossenen Feldregionen. In Abbildung 1.4 wird eine Skizze dazu gezeigt. Die offenen Re-gionen treten in der Form von Koronalen Löchern und Helmet Streamers auf und bilden dieUrsprünge des Sonnenwinds, bei dem ein kontinuierlicher Strom von energetischen Teilchennach außen beschleunigt wird. Die geschlossenen Regionen werden meistens mit Koronalen

1Magnetohydrodynamische Wellen

10 Kapitel 1: Einleitung

Abbildung 1.4: Skizze der Strukturen in der unteren Korona. Kleine Bögen dominieren die Emissio-nen des Netzwerks. Koronale Trichter sind entweder mit anderen Teilen des Netz-werks verbunden oder dehnen sich bis nach außen aus, um den Ursprung des Son-nenwinds zu bilden(nach Peter (2001).)

Bögen gleichgesetzt und entstehen aus Koronalen Trichter über Aktiven Regionen. Die-se Trichter verbinden sich mit anderen Trichtern der gegensätzlichen Polarität zu Bögen.In diesen kann sich dann Plasma anlagern und durch Fusspunktbewegungen aufgeheiztwerden.

1.3 Solare FlaresSolare Flares sind Explosionen, deren Energie alle bekannten Explosionen auf der Erdedeutlich übersteigt. Für etwa ein Zehntel einer Sekunde erreichen die Temperaturen solcherExplosionen fast hundert Millionen Grad Kelvin und halten dann für mehr als eine Minute20 Millionen Grad. Bei diesen Temperaturen besteht die meiste freigesetzte Strahlung ausRöntgenstrahlung, die nicht durch die Erdatmosphäre gelangen kann. Eine Explosion einesFlares dehnt sich schnell aus und kühlt sich ebenso schnell wieder ab.Man unterscheidet zwischen kleinen (Nanoflares) und großen Flares (White Light Flares).

Die meisten Flares sind klein und bedecken nur einen kleinen Teil der Aktiven Regionen.Diese dauern nur einige Minuten und ein Dutzend dieser können pro Tag über einer AktivenRegion auftreten. Sie gehören zu den ganz normalen Phänomenen einer solchen magneti-schen Region.Die großen Flares hingegen bedecken oft die ganze Aktive Region und dauern mehre

Stunden an. Sie beginnen meistens in der Nähe oder direkt über einem Sonnenfleck alsausgedehnte Bögen (siehe Abbildung 1.5). Häufig leuchten diese Bögen für gerade mal einoder zwei Minuten auf (Flash Phase) und erscheinen als eine helle Region auf der Son-nenscheibe, die vom Erdboden aus beobachtet werden kann. Die hellen Bögen breiten sichdann explosionsartig für eine oder mehrere Minuten aus und erreichen im Maximum eineGrösse von 150 Megametern Durchmesser, was ungefär einem Prozent der Sonnenscheibeentspricht. Nach einer etwa zehn Minuten langen Ausdehnungsphase verblasst der Flare

Solare Flares 11

Abbildung 1.5: Diese Aufnahme in Hα wurde am 7. August 1972 vom Big Bear Solar Observa-tory gemacht. Zu sehen ist die charakteristische Form der Bogenpaare über einemSonnenfleck. Dieser Flare hatte ungewöhnlich starke terrestrische Effekte, wie zumBeispiel Stromausfälle. Er produzierte genügen Strahlung, um Apollo-Astronautenin Lebensgefahr zu bringen, wenn sie zu dieser Zeit in ihrer Raumfähre gewesenwären. Er ereignete sich aber genau zwischen den Starts von Apollo 16 und 17.

und schrumpft allmählich. Die intensivsten Flares können mit bloßem Auge beobachtetwerden und wurden so auch tatsächlich Ende 1859 durch Richard C. Carrington entdeckt.Der Zwischenraum ist dann üblicherweise gefüllt mit quer laufenden Strukturen. Da diese

Strukturen den magnetischen Feldlinien folgen und auch Filamente meist nur in einemkleinem Winkel von der Richtung des Magnetfeldes abweichen, lässt dies darauf schließen,dass sich die magnetische Konfiguration nach dem Flare verändert hat.Die Gesamtenergie, die bei einem großem Flare entstehen kann, liegt bei ca. 1025J . Die

meiste Energie wird dafür verwendet, um wie bei Protuberanzen oder CMEs Masse aus derKorona zu schleudern und energetische Teilchen zu beschleunigen. Nur ein sehr kleiner Teilder Energie wird als Flare in verschiedenen Spektren abgestrahlt. Die große Mehrheit derFlares treten in Aktiven Regionen auf, also in Regionen mit erhöhter Magnetfeldtstärkeund komplexer Magnetfeldlinienkonfiguration.Bevor der Flare in Erscheinung tritt, wird Energie im Magnetfeld durch Fusspunktbe-

wegungen gespeichert. Diese wird dann eruptiv bei Rekonnektion der Magnetfeldlinien freiund verursacht in einigen Fällen Koronale Massenausbrüche. Durch diese Eruption hat sichdas Magnetfeld rekonfiguriert und führt zu weiteren Rekonnektionen, die das Plasma auf ei-nige 10 Millionen Kelvin aufheizen und beschleunigte Teilchenströme abstrahlen. Man gehtdavon aus, dass eine sehr entscheidende Rolle für die Speicherung und die Auslösung solchergroßen Flares die magnetische Konfiguration in Verknüpfung mit der Fusspunktbewegungder beteiligten Magnetfeldlinien ist.

12 Kapitel 1: Einleitung

Flares können sehr starke Auswirkungen und Folgen auf die Heliosphäre und sogar dieErdoberfläche haben. Der in Abbildung 1.5 gezeigte Flare verursachte mehre große Strom-ausfälle in den USA und hätte jeden Menschen in Lebensgefahr gebracht, der sich auf einerWeltraummission auf dem Mond oder einer Erdumlaufbahn befunden hätte. Deshalb ist esvon entscheidender Wichtigkeit für die Zukunft der Raumfahrt, die Bildung von Flares zuverstehen, um ihr Auftreten voraussagen zu können.

1.4 Ziel der ArbeitDie Heizung der Korona umfassend zu verstehen ist bis heute eine großen Herausforderun-gen in der Sonnenphysik. Eine Möglichkeit die physikalischen Vorgänge in der Korona zuuntersuchen, ist die Simulation von 3D MHD Modellen. Das in (Bingert et al., 2009) undin dieser Arbeit verwendete Modell benutzt eine Box mit einer horizontalen Ausdehnungvon 50 × 50 Mm2 und einer Höhe von 30 Mm. Mit dem Beginn in der Photosphäre reichtsie so bis in die untere Korona. Dabei wird die Konvektionszone nicht in die Modellierungmit einbezogen, was dazu führt, dass das Geschwindigkeitsfeld und das Magnetfeld in derPhotosphäre extern vorgegeben werden muss. Das Magnetfeld wird einer Beobachtung ent-nommen und entwickelt sich durch die verwendeten MHD-Gleichungen mit der Zeit fort.Das Geschwindigkeitsfeld muss aber in jedem Zeitpunkt neu eingelesen werden und dientals einzige dauerhafte Energiezufuhr.Die Verfügbarkeit von photosphärischen Geschwindigkeitsmessungen ist sehr begrenzt, da

nur die vertikale Komponente der Geschwindigkeiten direkt bestimmt werden kann (Dopp-lerverschiebung). Für die Simulation ist jedoch die horizontale Komponente entscheidend,weil nur sie die Fusspunkte der Magnetfeldlinien verschieben kann und damit die Koronaaufgeheizt wird. Zur Bestimmung der horizontalen Geschwindigkeiten gibt es zwar einemögliche Methode, das sogenannte Local Correlation Tracking (LCT), diese ist aber imMoment durch die Auflösung der Teleskope auf zwei Megameter Auflösung beschränkt. Dader Durchmesser einer Granule allerdings im Durchschnitt einen Megameter beträgt, wirdmit der LCT-Methode keine Granulation aufgelöst. Außerdem verwenden wir eine Simu-lationsauflösung von ca. 400 km, welche sich im Geschwindigkeitsfeld widerspiegeln sollte.Die kleinskaligen Bewegungen der Granulation sind maßgeblich für die Verschiebung derFusspunkte der Magnetfeldlinien und damit für die Heizung der Korona verantwortlich.Als Ausweg verwendeten Gudiksen & Nordlund (2005) in ihren Simulationen einen von

außen eingesetzten Geschwindigkeitstreiber, der die horizontalen Bewegungen in der Photo-sphäre möglichst realistisch wiedergibt. In Abschnitt 4.6 wird näher beschrieben, wie dieserTreiber die Bewegungen erzeugt.In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern die Wahl eines Geschwindigkeitstrei-

bers auf die Struktur der solaren Korona Einfluss nimmt. Sind die expliziten Bewegungeneiner Granulation wirklich notwendig für die Ausbildung von Strukturen und der Heizungoder reichen auch andere Geschwindigkeitsfelder aus, die Prozesse zu ermöglichen. Dazuwerden in dieser Arbeit mehrere photosphärische Geschwindigkeitsfelder entwickelt, vondenen einige ähnliche Geschwindigkeitsstrukturen aufweisen, aber andere sehr untypischeFormen der Bewegung in der Photosphäre zeigen. Zu untersuchen ist, ob diese Felder die

Ziel der Arbeit 13

gleichen Strukturen und physikalische Prozesse erzeugen wie ein realistisches granularesFeld?Bei der Wahl der Geschwindigkeitsfelder wurde in dieser Arbeit neben einer Scherung

der Fokus auf tangentiale Felder, d.h. Felder aus ein oder mehreren Wirbeln zusammenge-setzt, und auf radiale Felder, d.h. Felder aus ein oder mehren Granulen zusammengesetzt,gelegt. Sie eignen sich gut für die Analyse, da diese Art von Feldern für die Bewegung derMagnetfeldlinien entscheide Informationen liefern kann, wie diese die Struktur der Koronabeeinflussen.Dabei werden die folgenden Aspekte der Struktur und der physikalischen Prozesse in der

Korona untersucht. Zum einen die räumliche Verteilung des Magnetfeldes und des Stroms,sowie der ohmschem Energie und zum anderen die zeitliche Entwicklung der kinetischen,magnetischen und ohmschem Energie in Bezug auf den Poyntingfluss. Außerdem werdendie Informationen zur zeitlichen Entwicklung der magnetischen Energie dazu genutzt, umzu ermitteln, bei welchem Zeitpunkt genügend Energie gespeichert wurde, um einen Flareentstehen zu lassen. Dabei ist zu untersuchen, ob eine spezielle magnetische und kinetischeKonfiguration notwendig ist, um diese Menge an gespeicherter Energie aufzubauen.

Kapitel 2

Magnetohydrodynamik

In der Magnetohydrodynamik (MHD) wird die Hydrodynamik, also die Theorie der Bewe-gung von Flüssigkeiten und Gasen, mit der (nichtrelativistischen) Elektrodynamik, also derTheorie von elektrischen und magnetischen Feldern verbunden. Die Verknüpfung wird vonder Lorentzkraft und von bewegten Inertialsystemen gebildet.Hier sollen zunächst einmal die Grundzüge der jeweiligen Theorien vorgestellt, bevor

dann die Grundgleichungen der Magnetohydrodynamik eingeführt werden.

2.1 HydrodynamikDie Theorie der Hydrodynamik beschreibt das Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen unterEinfluss von Kräften.Eine Beschreibung einer Menge als Kontinuum (Flüssigkeit) ergibt nur Sinn, wenn der

durchschnittliche Abstand der Teilchen λ sehr viel kleiner als die globale Größenskala L ist.Sie hängt nicht von der Dichte ab, allein vom Verhältnis von λ und L. Die Tabelle 2.1 zeigteine Übersicht über Dichten und Längenskalen in wichtigen astrophysikalischen Kontinua.Daran ist ersichtlich, dass trotz der Variation der Dichten über 20 Größenordnungen dasVerhältnis von λ und L immer mindestens 10−8 beträgt.ImWeiteren können wir nun die Teilchen in der solaren Korona als Kontinuum annehmen.

In der Hydrodynamik gelten die gleichen Gesetze wie in der klassischen Mechanik, diesemüssen nur in die Kontinuumsschreibweise umgewandelt werden.

Kontinuum Massendichte Teilchendichte Abstand Größenskalaρ[kg/m3] N [m−3] λ[m] L[km]

Inneres der Sonne 100 1029 10−10 105

Atmosphäre der Sonne 10−4 1023 10−8 103

Korona der Sonne 10−11 1017 10−6 105

Sonnenwind 10−21 107 0.006 105

Molekülwolke 10−20 107 0.001 1014

Interstellares Medium 10−21 106 0.01 1016

Tabelle 2.1: Dichten und Längenskalen von einigen astrophysikalischen Objekten und Kontinua

15

16 Kapitel 2: Magnetohydrodynamik

2.1.1 KontinuitätsgleichungDie Erhaltung der Masse wird durch folgende Gleichung ausgedrückt:

∂M

∂t= −Φ (2.1)

dabei ist M die Masse in einem Volumen V einer Flüssigkeit, die sich mit einer Masendichteρ(x) und der Geschwindigkeit u(x) am Ort x bewegt, mit:

M =∫VρdV (2.2)

Das Φ aus Gleichung 2.1 steht für den Massenfluss durch die Fläche A, die das Volumen Veinschließt:

Φ =∮Aρu · da (2.3)

da ist der Einheitsvektor, der an jeder Stelle senkrecht nach außen zur Oberfläche A steht.Setzt man nun 2.2 und 2.3 in 2.1 ein, erhält man:

∂t

∫VρdV = −

∮Aρu · da (2.4)

Mit dem Gauß’schen Satz und der Vertauschung von ∂∂t und

∫V ergibt sich:∫

V

[∂ρ

∂t+∇· (ρu)

]dV = 0 (2.5)

Da das Volumen V allgemeingültig gewählt wurde, führt dies zur der Kontinuitätsgleichung:

∂ρ

∂t+∇· (ρu) = 0 (2.6)

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass ein Fluid als inkompressibel gilt, wenn folgendeBedingung erfüllt ist:

∇· u = 0 (2.7)

2.1.2 ZustandsgleichungDer Zusammenhang zwischen Dichte ρ, Temperatur T und Druck p eines Idealen Gases istdie Zustandsgleichung gegeben durch:

p = (cp − cV ) ρT (2.8)

Dabei sind cp und cV jeweils die spezifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck undkonstantem Volumen.

Hydrodynamik 17

2.1.3 Die Lagrange’sche AbleitungFür eine physikalische Größe F , die von Ort x und Zeit t abhängt, ist die absolute Ableitungfolgendermaßen definiert:

dF (x, t) = ∂F

∂tdt+ ∂F

∂ridri (2.9)

daraus folgt für die zeitliche Veränderung:

dF (x, t)dt

= ∂F

∂t+ ∂F

∂ri

dridt

= ∂F

∂t+ v ·∇F (2.10)

mit v der Geschwindigkeit an dem Punkt x und t.Oft ist man an der Ableitung interessiert, die sich an dem mitbewegten Fluidelement

orientiert (Strömungsgeschwindigkeit, v = u(x, t)). Hieraus leitet sich die Definition derLangrange’schen oder auch mitbewegten Ableitung ab:

D

Dt≡ ∂

∂t+ u ·∇ (2.11)

2.1.4 Impulserhaltung und Navier-Stokes-GleichungEine Veränderung des Impulses wird in der Hydrodynamik analog zur Mechanik durch eineSumme von Kräften hervorgerufen:

ρ

∫V

DuDt

dV =i∑Fi (2.12)

Diese Kräfte setzen sich in einer kompressiblen und viskosen Flüssigkeit aus folgendenTermen zusammen:

i∑Fi =

∫Apda +

∫Vρ∇ΦdV +

∫Aτda (2.13)

Der erste Term auf der rechten Seite beschreibt den Druck p, der auf die Oberfläche A mitdem nach außen stehenden Normalvektor da wirkt und der zweite bezieht die Auswirkungendes Gravitationspotentials Φ mit ein. Der dritte beinhaltet den auf die Oberfläche wirkendeviskosen Spannungstensor τ , der hier ohne den isotropen Teil berücksichtigt wird, da dieserTeil im Druck enthalten ist.Schreibt man nun den ersten und dritten Term mit dem Gauß’schen Satz in ein Volu-

menintegral um und setzt 2.13 in 2.12 ein, erhält man:∫V

(ρDuDt−∇p− ρ∇Φ−∇· τ

)dV = 0 (2.14)

Betrachtet man den viskosen Spannungstensor τ einmal genauer, so erkennt man, dassdie viskose Kraft, die durch τ repräsentiert wird, als Reibung zwischen den sich mit ver-schiedenen Geschwindigkeiten bewegenden laminaren Schichten angesehen werden kann.Daher erwartet man eine lineare Abhängigkeit des Tensors von der ersten Ableitung derGeschwindigkeiten und wählt folgenden Ansatz:

τij = µ (∂iuk + ∂kui) (2.15)

18 Kapitel 2: Magnetohydrodynamik

Dabei ist µ eine Konstante, die sich später zur Viskosität ergeben wird. Mit diesem Ansatzist τ zwar symmetrisch, aber noch nicht spurfrei, d.h. er besitzt noch einen isotropen Anteil.Deshalb wird noch das Mittel der Spur komponentenweise subtrahiert.

τij = µ

(∂iuk + ∂kui − δij

23∇· u

)(2.16)

Wenn wir nun 2.16 in 2.14 einsetzen, ergibt sich die Navier-Stokes-Gleichung:

ρDuDt

= ρ∂u∂t

+ ρ (u ·∇) u = −∇p− ρ∇Φ− µ(∇2u + 1

3∇ (∇· u))

+ (fext) (2.17)

Die Gleichung beschreibt eine kompressible Flüssigkeit, auf die auch noch zusätzliche Kräftefext wirken können. Für inkompressible Flüssigkeiten (siehe Gleichung 2.7) vereinfacht sichdie Gleichung zu:

ρDuDt

= ρ∂u∂t

+ ρ (u ·∇) u = −∇p− ρ∇Φ− µ∇× (∇× u) + (fext) (2.18)

Wenn man nun eine Flüssigkeit ohne Viskosität betrachtet (d.h. µ = 0), erkennt man sofortdie Euler-Gleichung:

ρDuDt

= ρ∂u∂t

+ ρ (u ·∇) u = −∇p− ρ∇Φ + (fext) (2.19)

2.1.5 ReynoldszahlWenn man nun den Advektionsterm ρ (u ·∇) u mit dem viskosen Termµ(∇2u + 1

3∇ (∇· u))vergleicht, kann man eine einfache Einheitenabschätzung machen:

ρ (u ·∇) uµ(∇2u + 1

3∇ (∇· u)) ∼ ρu2

0L

· L2

µ·u0= ρLuo

µ= Luo

ν≡ Re (2.20)

Dabei ist u0 eine typische Geschwindigkeit, L eine typische Länge und ν = µρ die dyna-

mische Viskosität. Das Verhältnis der beiden Terme wird mit der Reynoldszahl Re = Luoν

angegeben. Sie ist ein Maß dafür, ob eine Strömung laminar oder turbulent ist. Bewegungenin Flüssigkeiten, die eine höhere Reynoldszahl als 2000 haben, gelten als turbulent.

2.2 Maxwell-GleichungenNachdem wir die wichtigsten hydrodynamischen Gleichungen behandelt haben, gilt es nun,die Gleichungen der Elektrodynamik damit zu verbinden. Ausgangspunkt für unsere Über-legungen sind die von Maxwell (1865) aufgestellten Gleichungen:

∇· E = ρeε0

, [Gauß’sches Gesetz] (2.21)

∇· B = 0 , [keine magnetischen Monopole] (2.22)

∇×E = −∂B∂t

, [Faraday’sches Gesetz] (2.23)

∇×B = µoj + µoεo∂E∂t

, [Amper’sches und Maxwell’sches Gesetz] (2.24)

Magnetohydrodynamische Gleichungen 19

Dabei ist ρe die Elektronendichte, ε0 die Permittivität und µ0 die Permeabilität (jeweils imVakuum). Die Lichtgeschwindigkeit c setzt sich aus den beiden Größen ε0 und µ0 zusammen:c = 1√

ε0µ0.

2.3 Magnetohydrodynamische GleichungenDie Maxwell-Gleichungen werden nun auf den nichtrelativistischen Teil reduziert und durchdie Verwendung von bewegten Inertialsystemen mit der Hydrodynamik verknüpft.

2.3.1 InduktionsgleichungVor der Induktionsgleichung werden die Grundannahmen der MHD vorgestellt. Diese er-möglichen es, viele Gleichungen und Zusammenhänge sehr viel einfacher darzustellen undzu lösen.

Grundannahmen der MHD

1. keine relativistische MHD: das bedeutet, dass alle Geschwindigkeiten v im Plasmadeutlich kleiner sind als die Lichtgeschwindigkeit c:

v � c (2.25)

2. keine elektromagnetischen Wellen: Die Phasengeschwindigkeit vph ist sehr kleingegenüber der Lichtgeschwindigkeit c:

vph � c (2.26)

die Phasengeschwindigkeit vph ist folgendermaßen definiert:

vph = L

τ=| ∂F∂t || ∂F∂x |

(2.27)

Die zeitliche Ableitung | ∂F∂t | und die räumliche | ∂F∂x | einer Funktion F kann durchdie Quotienten F

τ und FL abgeschätzt werden.

3. Hohe Leitfähigkeit σ: Die Leitfähigkeit ist so hoch, dass sich keine signifikanteTrennung von Ladungsträgern bildet und dadurch elektrische Felder entstehen. Dar-aus folgt, dass die magnetische Feldenergie größer als die elektrische ist:

B2

2µ0� ε0E2

2 (2.28)

20 Kapitel 2: Magnetohydrodynamik

Folgerungen

Im mitbewegten System des Plasmas verändern sich die folgenden Gleichungen unter Be-rücksichtigung der Grundannahmen der MHD:

1. Das Magnetische Feld bleibt invariant:

B′ = B (2.29)

2. Das Elektrische Feld erhält einen zusätzlichen Term:

E′ = E + u×B (2.30)

3. Die vierte Maxwellgleichung 2.24 vereinfacht sich zu:

∇×B = µoj (2.31)

4. Das ohmsche Gesetz erweitert sich mit 2.30 zu:

j = σ (E + u×B) (2.32)

Wenn man nun 2.31 in 2.32 einsetzt, die Rotation auf beiden Seiten bildet und 2.24 benutzt,ergibt sich die magnetohydrodynamische Induktionsgleichung :

∂B∂t

= ∇× (u×B− η∇×B) (2.33)

Dabei istη = 1

µ0σ(2.34)

die magnetische Diffusivität. Der erste Term auf der rechten Seite beschreibt die Indukti-on, die aus einer strömenden Flüssigkeit und einem dazu senkrecht stehenden Magnetfeldentsteht. Dadurch kann in einem Dynamoprozess ein neues Magnetfeld aufgebaut werden.Der zweite Term beschreibt die Diffusivität des Magnetfeldes in elektrische Ströme.Definiert man sich nun einVektorpotential A = ∇×B, das unter Eichtransformationen

invariant ist, so kann man die Induktionsgleichung umschreiben in:∂A∂t

= u× (∇×A)− η∇2A (2.35)

2.3.2 Die magnetische ReynoldszahlFür die Verwendung der Induktionsgleichung ist es wichtig abzuschätzen, wie groß dasVerhältnis von induktivem zu dissipativem Teil ist. Dazu werden wieder die mittleren Ska-lengrößen L, u0 und B0 benutzt:

∇× (u×B)∇× (η∇×B) ∼

uoBoLηB0L2

= u0L

η≡ Rem (2.36)

Rem bezeichnet man als magnetische Reynoldszahl. Typische Werte für die Korona derSonne sind 108. Dabei ist die typische Länge L = 10 km, die typische Geschwindigkeitu0 = 10 km/s und die Diffusivität η = 1 m2/s.

Magnetohydrodynamische Gleichungen 21

2.3.3 BewegungsgleichungLorentzkraft

Die Lorentzkraft ist definiert durch:

FL = q (E + u×B) (2.37)

Dabei ist ρq die Ladungsdichte der Teilchen, auf die die Kraft FL wirkt. Durch die Grun-dannahmen der MHD (siehe 2.27) und ρqu = j vereinfacht sich die Gleichung für dieLoretzkraftdichte zu:

fL = j×B (2.38)

Die Navier-Stokes-Gleichung (2.17) wird durch eine zusätzliche Kraft, die Lorentz-kraft erweitert:

ρDuDt

= ρ∂u∂t

+ρ (u ·∇) u = −∇p−ρ∇Φ−µ(∇2u + 1

3∇ (∇· u))

+(fext)+ j×B (2.39)

2.3.4 EnergiegleichungDie Gesamtenergie E in einem Plasma setzt sich zusammen aus der kinetischen EKin ,der elektromagnetischen EEM und der inneren Energie EInn. Sie ist eine Erhaltungs-größe:

E = EKin + EEM + EInn = const. (2.40)

Die kinetische Energie ergibt sich aus der Bewegung des Plasmas. Über die Lorentzkraftkann ein Austausch zwischen kinetischer und elektromagnetischer Energie stattfinden. Fürdie auf das Volumen bezogene kinetische Energie gilt mit Gleichung 2.39, an die skalar vonlinks mit u multipliziert worden ist:

d

dtEKin = d

dt

∫VeKin dV = d

dt

∫V

12ρu

2dV =∫V

12ρDu2

DtdV

=∫V

{ρu∇Φ− u∇p− ρνu

(∇2u + 1

3∇ (∇· u))

+ u · (j×B)}dV

(2.41)

Dabei repräsentiert der dritte Term auf der rechten Seite die Verformungsenergie sowie dieviskosen Verluste durch Reibung. Daraus entsteht ein Zuwachs an innerer Energie.Die zeitliche Änderung der elektromagnetischen Energiedichte eKin wird durch die Lor-

entzkraft, die ohmsche Heizung und den Poyntingfluss beeinflusst:

d

dteEM = d

dt

(B2

2µ0+ ε0E2

2

)2.28= −u · (j×B)− ηµ0j2︸ ︷︷ ︸

ohmsche Heizung

+∇· S +∇· (eKinu)︸ ︷︷ ︸∇· S∗

(2.42)

Der effektive Poyntingfluss S∗ beschreibt den Transport von elektromagnetischer Energiedurch eine geschlossene Fläche. Dabei kann der Strom des Plasmas Energie durch eine

22 Kapitel 2: Magnetohydrodynamik

Fläche transportieren∇· (eKinu) oder es kann durch den Poyntingfluss elektromagnetischeEnergie durch eine Fläche gelangen S. Für diesen gilt:

S = 1µ0

(E×B) 2.32= 1µ0

(ηj− u×B)×B (2.43)

Die zeitliche Änderung der inneren Energie wird meistens als Änderung der Entropie an-gegeben:

ρTDS

Dt= ηµ0j2 + ρνu

(∇2u + 1

3∇ (∇· u))

+∇· [(χ+ χr)∇T ] (2.44)

Dabei beschreibt der erste Term die ohmsche, der zweite Term die viskose Heizung und derdritte den thermischen und radiativen Wärmetransport, mit den Koeffizienten χ und χr.In der Schreibweise der Temperatur:

∂ lnT∂t

= − (u ·∇) lnT − (γ − 1)∇· u

+ γ

cpρT

(ηµ0j2 + ρνu

(∇2u + 1

3∇ (∇· u))

+∇· [(χ+ χr)∇T ]) (2.45)

Wobei sich der Adiabatenkoeffizent γ = cVcp

aus den spezifischen Wärmekapazitäten ergibt.

2.4 Alfvéns Theorem der eingefrorenen FeldlinienWenn die Leitfähigkeit in einem Plasma sehr hoch ist (σ →∞), dann folgen die Feldliniender Bewegung des strömenden Plasmas. Zur anschaulichen Darstellung betrachtet man eineFläche A, die durch eine Kurve C umrandet wird. Durch diese Fläche fließt ein magneti-scher Fluss Φ =

∫A B · da, wobei B das Magnetfeld und da die Flächennormale ist. Die

Kurve C bewegt sich innerhalb eines Plasmas mit der Strömungsgeschwindigkeit u. Nacheiniger Zeit hat die Kurve sich zu C ′ entwickelt. Der magnetische Fluss, der nun durch dieeingeschlossene Fläche fließt, kann sich auf zwei Arten ändern:

1. Änderung des Magnetfeldes:

dφ1 = dt

∫A

∂B∂t

· da (2.46)

2. Verlust durch Ausfluss durch die von C und C ′ gebildete Mantelfläche M :

dφ2 =∫AM

B · daM (2.47)

mit daM = (u× dl) dt, wobei dl das Linienelement entlang der Kurve C ist, ergibt sich:

dφ2 = −dt∮C

(u×B) · dl = −dt∫A

(∇× (u×B)) · da (2.48)

Plasma β 23

Bildet man nun das Produkt der beiden Änderungen, so erhält man:

dΦdt

= dφ1dt

+ dφ2dt

= −dt∫A

(−∂B∂t

+∇× (u×B))

· da (2.49)

Mit 2.24, 2.32 und dem Stokes’schen Satz lässt sich die Gleichung umschreiben als:

dΦdt

= −∫A

(∇× j

σ

)· da = −

∮C1

· dl (2.50)

Jetzt sehen wir, dass unter der Bedingung des Unendlichwerdens der Leitfähigkeit σ dermagnetische Fluss der Plasmabewegung folgen muss.

2.5 Plasma βDie solare Atmosphäre ist ein komplexes Plasma, in der kinetische und magnetische Kräfteinteragieren. In der Korona folgt das Plasma in seinen Bewegungen dem Magnetfeld. Dasführt zur Ausbildung von Strukturen, wie Koronale Bögen, Protuberanzen, Filamenten undCMEs. Um den Einflusses des Magnetfeldes auf das Plasma abschätzen zu können, führteman die Größe des Plasma β ein und beschreibt damit, welche Kraft die dominierende ist.Plasma β gibt das Verhältnis von kinetischen p zu magnetischen Druck pm an:

β = p

pm= 2µ0p

B2 (2.51)

Dabei ist µo die Permeabilität und B das lokale Magnetfeld.Wenn β größer als eins ist, dominiert das Magnetfeld die Strukturbildung, wenn β kleiner

eins ist, der kinetische Druck. Wenn man β als Funktion entlang einer Magnetfeldliniebetrachtet, dann variiert es von β > 1 an den Fusspunkten in der Photospähre über β � 1in der mittleren Korona zu β > 1 in der oberen Korona, wo der Sonnenwind entsteht. InAbbildung 2.1 ist der genaue Verlauf für ein Plasma-β-Modell gezeigt. Die durchgezogeneLinie zeigt das Plasma β für eine Magnetfeldlinie, die über einem Sonnenfleck mit ca. 2500Gauss entstanden ist und das schattierte Band die Region von Magnetfeldlinien, die bisüber einer Plage Region mit 150 Gauss entstanden sind. In der Photosphäre dominiert derkinetische Druck außer bei Strukturen mit starken Magnetfeldern, wie Sonnenflecken. In deroberen Chromosphäre und der unteren und mittleren Korona bestimmen die Magnetfelderdie Formen und Bewegungen. Erst bei einer Höhe von bis zu 1000 Mm über der Photosphäresind die Magnetfelder auf unter einem Gauss abgefallen, und das Plasma β steigt über einenWert von eins, da auch der Gasdruck durch die Beschleunigung zum Sonnenwind gestiegenist.

24 Kapitel 2: Magnetohydrodynamik

Abbildung 2.1: Plasma-β-Modell über einer Aktiven Region. Das Plasma β ist als Funktion überdie Höhe für offenen und geschlossenen Feldlinien dargestellt. Die Schattierung decktden Bereich der Entstehung von Magnetfeldlinien über einem Sonnenfleck mit 2500G bis zu einer Plage Region mit 150 G ab. Die Kurve der Plage Region kann aucheine ältere zerfallende Region, die keine umbrale Strukturen besitzt, repräsentieren(Gary, 2001).

Kapitel 3

Dreidimensionale Modellierung der solarenKorona

Die Auswahl an nummerischen Schemata (Codes), die für eine dreidimensionale numerischeSimulation der Korona geeignet wären ist zahlreich und vielfältig. Aufgrund seiner Flexibi-lität und einfachen Anwendung wurde der PENCIL CODE - entwickelt von Brandenburg& Dobler (2002) - für diese Arbeit gewählt. Zwar liegen seine Ursprünge in der Physik derTurbulenz, aber er wird sehr häufig in der Sonnenphysik benutzt. Außerdem muss für eineSimulation die richtigen Ausgestaltung wie zum einen der geometrische Aufbau und zumanderen die physikalischen Eigenschaften gewählt, und die Rand- und Anfangsbedingungenfestgesetzt werden. Denn Ziel muss es sein, dass die Simulation bei geringem Aufwand undkleiner Rechnerleistung die geforderten Ergebnisse modelliert.

3.1 Der PENCIL CODEDer PENCIL CODE wurde ursprünglich bei der Turbulence Sommer School des Helm-holtz Instituts Potsdam 2001 entwickelt, um leicht kompressible turbulente Strömungenzu beschreiben. Aus diesem Grund ist der Code geeignet, um erste und zweite Ableitun-gen höherer Ordnung zu bestimmen. Typische wissenschaftliche Anwendungsgebiete sindMHD-Turbulenzen in einer periodischen Box, Konvektion in einer Scheibe mit nichtperi-odischen unteren und oberen Randbedingungen, konvektive Sterne, die in nach alle Seitenhin nichtperiodischen Boxen eingeschlossen sind, oder die in dieser Arbeit verwendetenKorona-Boxmodelle. Neben den ca. 20 wissenschaftlichen Entwicklern, die an der Verbes-serung und Optimierung dieses freien und offenen Codes arbeiten, gibt es mittlerweile über100 Nutzer. Obwohl es eine sehr große Anzahl von 3D MHD Codes mit sehr verschiedenenAnwendungen und Vorteilen gibt, wird in dieser Arbeit der PENCIL CODE aus folgendenGründen gewählt:Der Code ist für sehr große Berechnungen auf einem Rechencluster mit einem einfachen

Linux-Betriebssystem konstruiert worden. Dieser Cluster kann aus herkömmlichen Desktop-Computern zusammengesetzt sein. Für eine Parallelisierung, bei der die Domänen auf vieleProzessoren aufgeteilt werden, wird MPI (Message Passing Interface) verwendet, damit dieProzessoren untereinander kommunizieren können. Viele Implementierungen für MPI sindheutzutage frei zugänglich und können so einfach für den Code installiert und angewendetwerden.Der Code löst alle partiellen Differentialgleichungen für ein leitendes und kompressibles

Plasma, wie zum Beispiel die Induktionsgleichung und die Bewegungsgleichung, auf einem

25

26 Kapitel 3: Dreidimensionale Modellierung der solaren Korona

äquidistanten als auch nicht äquidistanten Gitter. Dabei benutzt es für die räumlichen Ab-leitungen ein Schema der sechsten Ordnung und für die zeitliche das Runge-Kutta Schemader dritten Ordnung. Das magnetische Feld wird durch die Verwendung des Vektorpoten-tials in den Code eingebettet, da es so fortwährend divergenzfrei bleibt (siehe Gleichung2.22). Um die physikalischen Randbedingungen (siehe Abschnitt 3.2.2) und Ränder derProzessoren beschreiben zu können, verwendet der Code sogenannte Geisterzonen. Sie be-stehen aus jeweils drei Gitterpunkten in jeder Richtung, und dienen zur Darstellung vonRandbedingungen und zur Berechnung von Ableitungen am Rand.Ein hohes Maß an Flexibilität wird durch die Separation individueller physikalischer

Prozesse und Variablen in einzelnen Modulen gewährleistet, die aktiviert und deaktiviertwerden können.Der Code ist in FORTRAN90 geschrieben und kann auf Grund der Open-Source-Politik

der Entwickler von jedem weiterentwickelt und verändert werden. Als Analyseprogrammbietet sich INTERACTIVE DATA LANGUAGE (IDL) an, da es bereits sehr viele undanwendungsorientierte IDL-Prozeduren in Verbindung mit dem PENCIL CODE gibt.

3.2 Modellierung der solaren Korona im KastenDie Größe des dreidimensionalen Kastens beträgt 1283 Gitterpunkte, womit sich auch aufeinem kleinen Rechencluster eine schnelle Modellierung realisieren lässt. Daraus ergibt sichdie physikalische Größe der Box: Bei einer Auflösung von ca. 400 km für die horizontaleAusdehnung ergibt sich eine Breite und Länge von 50 Mm. Da die Simulation auch ent-wickelt worden ist, um Koronale Bögen darzustellen, benötigt man unter Annahme einesHalbkreises eine Höhe von ca. 30 Mm. 50 Megameter sind ca. ein hundertstel des Sonnen-umfangs und die Fläche von 2500 Mm2 entspricht einem sechhundertstel der Sonnenscheibe.Die Höhe von 30 Mm beschreibt 4 Prozent des Sonnenradius. Damit reicht die Box vonder Photosphäre bis zur unteren Korona. Die Krümmung der Sonnenoberfläche ist hierbeivernachlässigbar, da sie nur eine Veränderung der Bodenhöhe von einem halben Megameterin der Mitte verursachen würde. Die Gitter sind alle äquidistant in einer Richtung ange-ordnet, das heißt, dass die Auflösung in der Horizontalen 394 km und in der Vertikalen 236km beträgt.Ziel der Simulation ist es, möglichst viele unterschiedliche Geschwindigkeitsfelder zu un-

tersuchen und dabei zu beobachten, wie sich die Strukturen in der Korona verändern. Dashat zur Folge, dass viele Simulationen nötig, jedoch die Reproduktion einer sehr realisti-schen Korona mit allen notwendigen Variablen und Gleichungen nicht von entscheidenderBedeutung sind. Um dies im Rahmen der vorhandenen Zeit für diese Arbeit durchführenzu können, war es notwendig, die benötigte Rechenzeit für die Simulationen zu reduzie-ren. Dazu wurden vorhandene Simulationen von Bingert et al. (2009) stark vereinfacht,wodurch sich die Rechenzeit, um einen Faktor von beinahe 100 verkürzt. Eine Simulation,die vier Stunden Sonnenzeit berechnet, dauert mit den vereinfachten Gleichungen und Va-riablen auf 16 Prozessoren fast 17 Stunden, mit den vollen MHD-Gleichungen würde siejedoch über zwei Monate dauern. Auch wenn man die Rechenleistung auf mehrere Prozes-soren verlagert, bräuchten man bei 64 Prozessoren immer noch zweieinhalb Wochen umvier Stunden Sonnenzeit zu berechnen. Bei zehn verschiedenen Geschwindigkeitsfeldern er-

Modellierung der solaren Korona im Kasten 27

gäbe sich dann eine Rechendauer von fünfeinhalb Monaten. Dabei wäre der Rechenclustermit 64 Prozessoren stark ausgelastet und die Nichtlinearität bei der Erhöhung der Anzahlder Prozessoren nicht mit eingerechnet. Im folgendem Abschnitt werden die verwendetenGleichungen beschrieben.

3.2.1 Vereinfachte MHD-GleichungenZur Vereinfachung der Gleichungen wird auf den Einfluss der Gravitation verzichtet. DieGravitation wirkt zwar dem aufströmenden Plasma entgegen, aber sie ist im Vergleich zuanderen beteiligten Kräften relative schwach und beeinflusst die Struktur der Korona nurunwesentlich. Die Dichte wird zeitlich und räumlich konstant gewählt, und macht damit dieKontinuitätsgleichung (2.6) obsolet. Dieses widerspricht allerdings deutlich den Beobach-tungen und den Modellen, in denen die Dichte von der Photosphäre bis zur unteren Koronaum fast acht Größenordnungen variiert. Die ausgewählte Größe und deren Auswirkungenwerden in Abschnitt 3.2.2 beschrieben und diskutiert. Die Bewegungsgleichung (2.39) ver-einfacht sich dadurch sehr stark und das Plasma wird nur durch die Lorentzkraft und dieviskosen Kräfte getrieben:

∂u∂t

= − (u ·∇) u + ν

(∇2u + 1

3∇ (∇· u))

+ 1ρj×B (3.1)

Die Induktionsgleichung wird vollständig und in der Form von Gleichung 2.35 benutzt.Die entscheidende Vereinfachung für den Zeitschritt ist der Wegfall der Energiegleichung

und damit der inneren Energie. Dadurch sind die Temperatur, die Entropie und der Druckzeitlich und räumlich konstant und beeinflussen in keiner Weise die zu lösenden Gleichun-gen der Simulation, da sie dort nur als Gradienten auftreten. Die einzige Ausnahme bildetder Druck, der auch in seinem Absolutwert zur Berechnung des Plasma β verwendet wird.Das heißt, die Energie die das Magnetfeld als ohmsche Heizung abgibt, geht verloren undtritt nicht als Heizung im eigentlichen Sinne auf. Es folgt daraus, dass auch keinerlei Über-legungen zum Strahlungstransport und Wärmeleitung gemacht werden müssen. Besondersdie Wärmeleitung ist bei den vollständigen Simulationen die dominierende Größe für einenkleinen Zeitschritt.

3.2.2 Rand- und AnfangsbedingungenDie Rand- und Anfangsbedingungen gliedern sich nach den physikalischen Größen:

Geschwindigkeiten

In x- und y-Richtung ist der Kasten periodisch, so dass die Geschwindigkeiten und Plasma-ströme sich auf der jeweiligen anderen Seite vorsetzen. Am unteren Rand der Box, also in derPhotosphäre, wird ein Geschwindigkeitstreiber für die horizontalen Bewegungen eingelesen.Dieser wird, da dies der Ausgangspunkt der Arbeit ist, in Kapitel 4 genauer beschrieben.Die eingelesenen Geschwindigkeiten werden für alle Simulationen auf einen Bereich von±10 km/s normiert, damit die zugeführte kinetische Energie in allen Simulationen in dergleichen Größenordnung ist. Der externe Treiber erzeugt ein zeitlich veränderliches Ge-schwindigkeitsfeld und schreibt davon für zwei bestimmte Zeiten jeweils ein Feld heraus.

28 Kapitel 3: Dreidimensionale Modellierung der solaren Korona

Der PENCIL CODE liest diese beiden Felder mit ihrer entsprechenden Zeit ein und interpo-liert aus diesen die dazwischenliegenden Zeitschritte. Somit verfügt die Simulation über einzeitlich variierendes Geschwindigkeitsfeld am unteren Rand. Wenn die beiden eingelesenenFelder identisch sind, ergibt sich ein statisches Geschwindigkeitsfeld für die Photosphäre.Die z-Komponente der Geschwindigkeit wird am unteren Rand auf Null gesetzt, so dass

keine Masse in die Box von unten herein- oder herausströmen kann. Auf der Sonne ist diemagnetische Konfiguration an der photosphärischen Oberfläche tief in der Konvektionszo-ne verwurzelt. Auch wenn durch Geschwindigkeiten versucht wird, die Magnetfeldlinien zuverschieben, so sind die starken unter ihnen durch ihre Verwurzelung festgehalten. Deshalbwerden die Geschwindigkeiten am unterem Rand durch ein sogenannte Quenching an eini-gen Stellen gedämpft. Um dies in die Simulation einzubeziehen, wird ein Quenching-Faktorq eingeführt. Dieser Faktor ergibt sich aus dem Plasma β (siehe 2.5) zu:

q = β2 + 1β2 + 3 (3.2)

Bei einem starken Magnetfeld ist das Plasma β klein und der Dämpfungsfaktor q ungefährein Drittel, so dass die Geschwindigkeiten auf ein Drittel reduziert werden. Dieses entsprichtBeobachtungen von Geschwindigkeiten in Aktiven Regionen der Sonne. Am oberen Randwerden die Geschwindigkeiten alle auf Null gesetzt, so kann kein Plasma den Rand nachoben verlassen.

Magnetfeld

Stokes Vektoren und der Zeemaneffekt aus der Photosphäre sind die besten Möglichkeiten,um Magnetfelder auf der Sonne mit einer für uns ausreichenden Genauigkeit zu bestimmen.Daher wird als Anfangswert für die Simulation ein photosphärisches Magnetfeld eingelesen.Dieses Magnetfeld (Abbildung 3.1) setzt sich zusammen aus einer herunterskalierten Ak-tiven Region und einem verstärkten Solaren Netzwerk der ruhigen Sonne. Die verwendeteAktive Region NOAA 9114 wurde am 8. August 2000 mit dem hochauflösenden Michel-son Doppler Imager (MDI), ein Instrument auf dem Solar and Heliospheric Observatory(SOHO), aufgenommen und dann von 225 Mm × 225 Mm auf 50 Mm × 50 Mm herunters-kaliert. Die Verteilung des magnetischen Flusses auf der Sonnenoberfläche ist in Näherungbis zu einer Größe von ca. 180 km selbstähnlich (Schrijver et al. (1997); Wang et al. (1995))und damit kleiner als die hier benutzte Auflösung.Simulationen von Gudiksen & Nordlund (2002), Gudiksen & Nordlund (2005) und Bin-

gert et al. (2009) zeigen, dass es nicht ausreicht nur eine herunterskalierte Aktive Regionals Magnetfeld zu verwenden, um die feinen und komplexeren Strukturen zu modellieren,die unter anderem mit TRACE zu beobachten sind. Deshalb wurde ein verstärktes Magne-togramm der ruhigen Sonne, ebenfalls von MDI/SOHO aufgenommen, dazu addiert, umdas Solare Netzwerk auch in Simulationen modellieren zu können.Die Abbildung 3.1 zeigt auf der linken Seite (a) die herunterskalierte Aktive Region, mit

zwei bipolaren Flecken. Auf der rechten Seite wurde dazu ein verstärktes Solares Netzwerkaddiert. Wie zu erkennen ist, bewegt sich die Magnetfeldstärke im Bereich von -1500 bis1500 Gauss. Dieses Magnetfeld wird als Eingabe für die z-Komponente des Magnetfeldesam unteren Rand benutzt. Es wird aber nur im ersten Zeitschritt verwendet, und in den

Modellierung der solaren Korona im Kasten 29

Abbildung 3.1: a) MDI/SOHO Aufnahmen der Aktiven Region NOAA 9114, von 225 Mm × 225Mm auf 50 Mm × 50 Mm herunterskaliert. b) wie a) plus einem verstärktem SolarenNetzwerks der ruhigen Sonne, ebenfalls eine MDI/SOHO Aufnahme.

darauffolgenden durch die Induktionsgleichung (2.35) verändert. Um das Magnetfeld zu-sätzlich zu stabilisieren, benutzt man in der untersten Gitterebene das Alfvén Theorem dereingefrorenen Feldlinien (2.4) und setzt η in der Induktionsgleichung Null. Damit könnensich die Bewegungen entlang der Feldlinien nicht ändern, nur Strömungen senkrecht zu denFeldlinien tragen das Feld mit. Die Induktionsgleichung reduziert sich zu:

∂A∂t

= u× (∇×A) (3.3)

Des Weiteren werden am unteren Rand die zweiten Ableitungen des Vektorpotentials aufNull gesetzt und damit verhindert, dass sich der magnetische Fluss durch diesen Randändert.Am oberen Rand gibt es als Bedingung eine Potentialfeldentwicklung. Dabei wird aus

den Werten des Magnetfeldes an den letzten Gitterpunkten ein Potentialfeld in den darüberliegenden Geisterzonen errechnet. So werden Magnetfeldbögen, die aus der Box herausra-gen, mit einer Potentialfeldentwicklung geschlossen und dadurch die Magnetfeldstrukturennicht durch die Box begrenzt. Leider führt eine Potentialfeldentwicklung die Bögen nichtrealistisch und stetig fort, so dass dies zu einer ungewollten Erhöhung der Ströme in denoberen Gitterebenen führt. Diese haben wenig Auswirkung auf die Strukturen innerhalb desganzen Kastens, müssen aber in der Auswertung als numerisches Phänomen berücksichtigwerden.Die Startwerte des Magnetfeldes in der gesamten Simulation ergeben sich durch eine

Potentialfeldentwicklung des am unteren Rand eingelesenen Magnetfeldes und werden dannmit der vollen Induktionsgleichung in den nächsten Zeitschritten berechnet.

30 Kapitel 3: Dreidimensionale Modellierung der solaren Korona

Dichte

Die in dieser Arbeit benutzte räumliche und zeitlich konstante Dichte beträgt ρ = 10−8

kg/m3 und entspricht damit einer mittleren chromosphärischen Dichte, also in einer Höhevon einigen Megametern. Das bedeutet: sie repräsentiert den Teil der Sonne, in der die Lor-entzkraft durch das hohe Magnetfeld am stärksten wirkt. Durch die Wahl einer geringerenDichte würde die Lorentzkraft (siehe Gleichung 3.1) in dieser Region zu erhöhter Plasma-beschleunigung führen. Eine hohe und konstante Dichte hat außerdem den Vorteil, dass siefür eine größere numerische Stabilität sorgt.

Viskosität

Die Viskosität ν ist zeitlich und räumlich konstant und beträgt 5·1010 m2/s. Sie liegt damitsehr nahe am realistischen Wert der solaren Korona von 1·1011 m2/s, aber übersteigt beiweitem den typischen Werten in der Photo- und Chromosphäre um einige Größenordnun-gen. Da die grössten Geschwindigkeiten in den hier gerechneten Simulationen erst ab einigenMegametern auftreten, ist die Verwendung einer koronalen Viskostität gerechtfertigt.

Diffusivität

Die Diffusivität η beinflusst durch die Induktionsgleichung (siehe Gleichung 2.35) die Än-derung des Magnetfeldes und bestimmt die Größe der ohmschen Energie (ηµ0j2). Der indieser Arbeit verwendete Wert von η =5·1010 m2/s übertrifft den aus Beobachtungen ab-geleiteten Wert der solaren Korona von η =1 m2/s um mehr als zehn Größenordnungen.Diese Wahl lässt sich zum einen mit einer viel höheren numerischen Stabilität und einerdeutlichen Verringerung des Zeitschritts erklären, zum anderem sind die physikalischenAuswirkungen minimal.Zwar führt ein zu hohes η zu einer erhöhten Dissipation an ohmsche Energie, aber diese

tritt nur lokal auf, das heißt, bei einem höheren η verteilt sich die ohmsche Energie auch aufeine größere Stromschicht, denn die Größe der Diffusivität hängt sehr eng mit der Auflösungdes Magnetfeldes B und damit auch der Stromdichte j zusammen. Also bei einem kleinerenη benötig man eine viel höhere Auflösung, die dann aber etwa die gleiche Dissipation aneinem der jetzt verwendeten Gitterpunkte aufweisen würde. Die gesamte Dissipation inohmsche Energie kann nicht steigen, wenn man die Diffusivität erhöht, da im Gleichgewichtdie in die Simulation am unteren Rand hereinfließende Energie, die unabhängig von η ist,mit der durch ohmsche Heizung dissipierten Energie übereinstimmen muss.

3.2.3 Durchführung der SimulationenNachdem die Startwerte eingelesen wurden, beginnt der PENCIL CODE mit der nume-rischen Lösung der Gleichungen in vereinfachter Form und berücksichtigt dabei die obengenannten Randbedingungen. Am unteren Rand werden horizontalen Geschwindigkeitendurch die Eingabe von externen Geschwindigkeitsfeldern, die in Kapitel 4 detailliert be-schrieben werden, vorgegeben.Während der gesamten Simulation werden die Werte des Vektorpotentials und der Ge-

schwindigkeiten für jeden Gitterpunkt für jede Minute Sonnenzeit herausgeschrieben und

Modellierung der solaren Korona im Kasten 31

gespeichert. Aus diesen zeitlichen Verläufen kann man dann in der Auswertung mithilfeder Startwerte alle benötigten physikalischen Größen, wie das Magnetfeld B, die ohmscheEnergie ηµ0j2 oder den Poyntingfluss S ausrechnen. Die Berechnung und Darstellung derin Kapitel 5 ausgewerteten Ergebnisse wurden alle mit zum Teil selbstgeschriebenen Pro-zeduren des Programms IDL erstellt.

Kapitel 4

Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Die Geschwindigkeiten in der Photosphäre werden durch die Granulation bestimmt. HeißesPlasma aus der Konvektionszone steigt in ca. 1 Mm großen Blasen an die Oberfläche undströmt dann radial nach außen. An den Rändern dieser Granulen sinkt das nun kühlerePlasma wieder in die Konvektionszone ab. Durch Entstehung und Auflösen dieser Granulenentwickeln sich neben den radialen Strömen, von der Mitte zum Rand, auch Plasmaströ-mungen in horizontaler Richtung in den Zwischenräumen, dem granularem Netzwerk. DieseStrömungen bilden ein komplexes Geschwindigkeitsprofil, welches eine Verdrillung und Ver-flechtung der Magnetfeldlinien verursacht und so eine Möglichkeit darstellt die Korona zuheizen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, mehr über diese Geschwindigkeitsfel-der zu erfahren und wie sie die Heizung der Korona beeinflussen.

4.1 Erzeugung von GeschwindigkeitsfeldernDer Dopplereffekt ist in der Astronomie ein zentrales Werkzeug zur Geschwindigkeitsdia-gnostik. Objekte, die sich relativ zum Beobachter bewegen, verursachen eine Verschiebungvon Spektrallinien zu kleineren bzw. größeren Wellenlängen (Blau- bzw. Rotverschiebung).Durch den Vergleich mit im Labor genau bestimmten Linien ist es möglich, sehr genaudie Geschwindigkeit eines Objektes zu bestimmen. Diese Methode hat aber einen entschei-dende Einschränkung: Es kann nur die Geschwindigkeitskomponete gemessen werden, dieparallel zur Sichtlinie ist. Das bedeutet für die Sonne, dass nur vertikale Geschwindigkeitengemessen werden können. Wenn man also die Photosphäre als Dopplerkarte betrachtet,erkennt man das vertikale Aufströmen in der Mitte der Granulen und das Abströmen anden Rändern. Man erkennt aber nicht die für die Rekonnektion entscheidenden horizontalenBewegungen.Um die horizontalen Geschwindigkeiten bestimmen zu können, verwendet man das Local

Correlation Tracking (LCT) (Leese et al. (1970), Leese et al. (1971),November (1986) undNovember & Simon (1988)). Dabei untersucht man Zeitserien einer Region in der Photo-sphäre und berechnet daraus die Geschwindigkeitsvektoren. Ein Nachteil dieser Methodeist, dass die räumliche Auflösung stark begrenzt ist. Man benötigt, um die Methode an-wenden zu können, eine schnell abfolgende Zeitserie mit einer hohen Auflösung. Für einenGeschwindigkeitsvektor benötigt man neun Pixel zur Berechnung. Dies führt dazu, dassdie Auflösungsgrenze dieser Methode bei den heutigen Zeitserienmessungen bei etwa 2 Mmliegt. Auch, wenn die Auflösung weitaus besser wäre, bräuchte man für eine Auflösung, wiesie hier in den Simulationen verwendet werden (≤ 500 Mm), verfolgbare Strukturen diekleiner als 200 Kilometer groß sind, aber diese gibt es nicht immer auf der Sonne.

33

34 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Eine Auflösung von 2 Mm ist um ca. einen Faktor 10 zu klein, um numerische Simu-lationen der Sonnenkorona mit photosphärischen Bewegungen zu simulieren. Es lässt sichdamit keine Granulation auflösen, weswegen aus Beobachtungen stammende Geschwindig-keitsfelder als Grundlage für eine Modellierung nicht geeignet sind. Die derzeitige einzigeLösung ist daher, einen Geschwindigkeitstreiber zu entwickeln, der dem photosphärischenGeschwindigkeitsfeld möglichst nahe kommt.Dies wurde von Gudiksen & Nordlund (2005) in einem Treiber umgesetzt, der nicht

nur die geometrischen Erscheinungen, sondern auch das Leistungsspektrum der solarenGranulation abbildet (siehe Kapitel 4.6). Für eine Deutung, welchen Einfluss die photo-sphärischen Bewegungen auf die Struktur der Korona der Sonne haben, ist es wichtig zuuntersuchen, ob andere Geschwindigkeitsfelder, die zum Teil gerade nicht realistisch sind,andere Strukturen bewirken. Interessant ist es auch zu erfahren, wie sensitiv die Koronaauf die Art der Geschwindigkeitsfelder reagiert. Daraus ergibt sich, ob es sinnvoll ist, auf-wendigere und bessere Geschwindigkeitstreiber zu entwickeln, um realistische Simulationenrechnen zu können, oder ob es sinnvoller ist, einen Geschwindigkeitstreiber zu haben, derzwar unrealistische Bewegungen erzeugt, aber dafür den beobachteten Poyntingfluss unddas Leistungspektrum der photosphärischen Bewegungen liefert. Diese Frage soll in dieserArbeit mit Hilfe von vielen verschiedenen Geschwindigkeitsfelder untersucht werden.Die Photosphärische Granulation besteht vermutlich aus einer Überlagerung von radia-

len Geschwindigkeiten in den einzelnen Granulen und den tangentialen Geschwindigkeitenim intergranularen Netzwerk. Als Extreme dieser Bewegungen werden in dieser Arbeittangentiale Felder, wie Wirbel und radiales Ausströmen sowie einzelne Granulen separatuntersucht. Die Einflüsse dieser Extremfälle auf die Struktur sollen studiert werden und mitdem realistischen Granulations-Geschwindigkeitstreiber von Gudiksen & Nordlund (2005)verglichen werden.

4.2 Wirbel und tangentiale GeschwindigkeitsfelderAls tangentiales Geschwindigkeitsfeld wird im Folgenden ein Feld bezeichnet, in dem dieGeschwindigkeiten tangential um ein oder mehrere Zentren zeigen. Diese Zentren werdenauch Wirbel genannt. Die tangentiale Geschwindigkeitsverteilung jedes Zentrums ist rota-tionsymetrisch, das heißt, die Geschwindigkeit jedes Zentrums hängt allein vom radialenAbstand r vom Zentrum ab. Damit im Zentrum der Geschwindigkeitsgradient nicht zu großwird und somit eine Sigularität entsteht, wird folgende Verteilung verwendet:

u(r) = umaxr

rmexp

(− r

rm+ 1

)(4.1)

Dabei ist umax die maximale Geschwindigkeit, die im Abstand r = rm erreicht wird. Damitwird die Idee von Simon & Weiss (1989) gefolgt, die u(r) ∝ r exp (−(r/rm)n) annahmen.In Abbildung 4.1 ist diese Funktion für umax = 1 und rm = 1 zu sehen. Dabei ist zu er-kennen, dass in der Mitte, im Zentrum des Wirbels, die Geschwindigkeit auf Null abfälltund auf den Maximalwert von umax im Abstand von rm ansteigt, bevor sie dann exponen-tiell wieder auf Null absinkt. Es zeigt damit einen radialen Schnitt durch einen Wirbel,wobei die Geschwindigkeit auf den umax-Wert von 1 normiert wurde und der Betrag derGeschwindigkeiten dargestellt ist.

Wirbel und tangentiale Geschwindigkeitsfelder 35

Abbildung 4.1: Darstellung der Gleichung 4.1 für das Geschwindigkeitsfeld eines Wirbels mit umax =1 und rm = 1. Dabei ist die Mitte des Wirbels bei r = 0.

Um daraus die tangentialen Geschwindigkeitsfelder entstehen zu lassen, müssen die Ge-schwindigkeitsvektoren in φ-Richtung zeigen. Durch Variation der umax-Werte kann sowohldie maximale Geschwindigkeit als auch die Laufrichtung der Wirbel angepasst werden. Ausder Umrechnung in kartesische Koordinaten, die sich auf den unteren Rand der Simulati-onsbox beziehen, ergibt sich:

u(x, y)i = umax,i exp

−√

(x− xi)2 + (y − yi)2

rm,i+ 1

−(y − yi)

(x− xi)0

1rm,i

(4.2)

Die einzelnen Geschwindigkeitsfelder u(x, y)i hängen von ihrem jeweiligen Maximalwertumax,i bei radialen Abstand rm,i sowie ihrem Ort (xi, yi) ab. Nun kann durch geschicktesWählen dieser Parameter und einfaches Aufaddieren ein komplexes Geschwindigkeitsfelderzeugt werden.Für einen einzelnen Wirbel sind tangentiale Felder per Definition divergenzfrei. Aber die

numerische Ungenauigkeit bei der Addition der Geschwindigkeiten verletzt die Divergenz-freiheit und lässt einige kleine Quellen und Senken entstehen. Die Rotation eines tangentia-len Feldes erreicht durch die Wahl der radialen Geschwindigkeitsverteilung (siehe Gleichung4.1) ihr Maximum in den Zentren der Wirbel.Zur Umsetzung wurden mit dem Programm IDL einige Prozeduren geschrieben, mit de-

nen man durch die Angabe der Anzahl der Wirbel, der Maximalgeschwindigkeiten umax,i,den Radien rm,i , der Orte (xi, yi) und der Größe des Feldes das gewünschte Geschwindig-keitsfeld erzeugen kann. Diese Prozeduren erzeugen mit Hilfe der Funktion 4.2 für jedenWirbel ein Geschwindigkeitsfeld und addieren diese zusammen.Nach der allgemeinen Einführung wird nun die in den Simulationen verwendeten tangen-

tialen Geschwindigkeitsfelder vorgestellt. In Tabelle 4.1 ist eine Übersicht der verwendetenradialen Geschwindigkeitsfelder zu sehen.

36 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Kennzifferder

Simulation

Anzahl derWirbel

Ort derWirbel in

GP

Stärke derWirbel(umax)

Radius derWirbel in

GP[1] 100 zufällige

Verteilung-1 oder 1 3

[2] 1 (38,64) 0.7 9

[3] 2 (43,85) 1 128(85,43) -1 128

[4] 8 (13,13) 1 26(13,64) -1 26

(13,115) 1 26(64,13) -1 26

(64,115) -1 26(115,13) 1 26(115,64) -1 26

(115,115) 1 26

[11] 2500 zufälligeGleichvertei-

lung

zufälligeNormal-

verteilung um1

1.3

Tabelle 4.1: Eine Übersicht der tangentialen Geschwindigkeitsfelder. GP steht für Gitterpunkte.

4.2.1 100 WirbelDas erste Geschwindigkeitsfeld besteht aus 100 Wirbeln, die zufällig in der 128 × 128Gitterpunkte großen Fläche verteilt sind. Sie alle besitzen das gleiche Maximum bei ca. 3Gitterpunkten Abstand. Allein die Rotationsrichtung der Wirbel ist unterschiedlich. Beider Erzeugung wurde die schon in Abschnitt 4.5 beschriebene Methode verwendet, diedie periodischen Ränder berücksichtigt. Abbildung 4.2 zeigt die räumliche Verteilung undein Histogramm der Geschwindigkeiten. Die räumliche Verteilung der Geschwindigkeitenist sehr inhomogen und die Geschwindigkeiten reichen von wenigen km/s bis hin zu 10km/s. Im Histogramm sieht man, dass durch die erzeugten Wirbel gerade die kleineren Ge-schwindigkeiten stark vertreten sind und die höheren nur selten vorkommen. Der deutlicheUnterschied zur Granulation in der Photosphäre ist, dass sehr große Bereiche der Flächeüberhaupt keine Geschwindigkeit besitzen.

4.2.2 Ein WirbelDas zweite Geschwindigkeitsfeld dient ausschließlich dazu, das tangentiale Feld und dessenEinfluss auf die Korona zu untersuchen. Es besteht aus nur einem großen Wirbel, der ineiner Hälfte der Fläche sein Zentrum hat. Dieser Wirbel erreicht sein auf eins normiertes

Wirbel und tangentiale Geschwindigkeitsfelder 37

Abbildung 4.2: 100 Wirbel, Kennziffer [1], zufällig gleichverteilt. Gleiche Maxima der Wirbel beiRadien von 3 Gitterpunkten. Die linke Abbildung zeigt die räumliche Verteilungder Beträge der Geschwindigkeiten. Sie reichen von Null bis fast 10 km/s. Auf derrechten Seite ist die Häufigkeitsverteilung der Geschwindigkeiten zu sehen.

Abbildung 4.3: 1 Wirbel [2]mit Maximum bei einem Radius von 9 Gitterpunkten. Die Beschreibungder linke Seite ist wie in Abbildung 4.2. Auf der rechten Seite ist eine Skizzierungdes Strömungsverlaufs zu sehen. Die Länge der Vektoren ist proportional zu denGeschwindigkeiten.

Maximum bei einem Abstand von 9 Gitterpunkten und erfasst damit einen großen Teilder Fläche. Zur Verdeutlichung ist in Abbildung 4.3 eine Darstellung der Strömung undder räumlichen Verteilung der Geschwindigkeiten gezeigt. Dieser einzelne Wirbel bedecktjedoch nicht den gesamten Teil der Fläche. Mehr als ein Drittel der Fläche zeigt keineGeschwindigkeitsstruktur.

4.2.3 Zwei WirbelDas dritte Geschwindigkeitsfeld wurde aus zwei Wirbeln erzeugt. Beide haben einen ver-gleichsweise großen Radius von 128 Gitterpunkten, so groß wie die gesamte Ausdehnungder Fläche. Dies führt mit periodischen Rändern zu einem Geschwindigkeitsfeld, das keinenWirbelstrukturen mehr entspricht, sondern einer gleichförmigen Strömung von der linkenunteren in die rechte obere Ecke. Für die spätere Untersuchung der Auswirkungen auf die

38 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Abbildung 4.4: 2 Wirbel [3] mit Maxima bei einem Radius von 128 Gitterpunkten. Durch die großenRadien und die Periodizität am Rand, wird ein gleichförmiges nach rechts obenströmendes Feld erzeugt. Beschreibung wie in Abbildung 4.3.

Strukturen der Korona ist dies ein sehr interessantes Geschwindigkeitsfeld, da eine solchegroßflächige gleichförmige Bewegung nicht in der solaren Photosphäre zu finden ist. Ab-bildung 4.4 zeigt die Geschwindigkeitsverteilung und eine Skizze des Strömungsverlaufs.Dieses sehr einfach geformte Geschwindigkeitsfeld erreicht nicht die hohen Betragswerteder anderen Felder.

4.2.4 Acht WirbelDas vierte Geschwindigkeitsfeld besteht aus acht Wirbeln, die alle auf einem Quadrat in derMitte der Fläche liegen. Die Seiten des Quadrats sind 13 Gitterpunkte vom Rand entferntund die Zentren der Wirbel liegen in den vier Ecken bzw. in der Mitte der Seiten. Durchdie Wahl der Rotationsrichtung der Wirbel und durch die Periodizität entstanden durchInterferenz vier Wirbel in den Ecken der Fläche. Abbildung 4.5 zeigt die Geschwindigkeits-verteilung und eine Skizze der Strömungen.

4.2.5 2500 WirbelDas fünfte Geschwindigkeitsfeld wird aus 2500 Wirbeln mit Radien von 1.3 Gitterpunktenerzeugt, das entspricht 0.5 Mm. Dieser Radius repräsentiert die Größe einer typischen Gra-nule. Mit diesem Feld soll untersucht werden, ob radiale Strömungen notwendig sind, umdie Strukturierung der Korona zu erzeugen, oder ob dies mit tangentialen ebenso möglichist. Die Wirbel sind uniform über die Fläche verteilt und ihre Maximalgeschwindigkeitennormalverteilt um 1. Die Abbildung 4.6 zeigt links die räumliche Verteilung und rechtsein Histogramm der Geschwindigkeiten. In der räumlichen Verteilung erkennt man, dassdie gesamte Fläche durch das Geschwindigkeitsfeld erfüllt wird. Es haben sich kleinskaligeGeschwindigkeitsansammlungen und Senken gebildet. Durch die uniform verteilten Orteund die normalverteilten Maximalwerte entstand eine stochastische Geschwindigkeitsver-teilung, wie im Histogramm gut zu erkennen ist. Dies deckt sich gut mit den Vorstellungender Geschwindigkeiten in der Photosphäre.

Granulen und radiale Geschwindigkeitsfelder 39

Abbildung 4.5: 8 Wirbel [4] mit Maxima bei einem Radius von 26 Gitterpunkten. Die Zentrender Wirbel liegen in den Ecken und in der Mitte der Seiten eines verkleinertenQuadrats (siehe Text). Die Addition und Periodizität lassen vier der acht Wirbelverschwinden, so dass nur noch die vier in den Ecken befindlichen Wirbel übrigbleiben. Beschreibung wie in Abbildung 4.3.

Abbildung 4.6: 2500 Wirbel [11], zufällig gleichverteilte Orte der Zentren. Normal um 1 verteilteMaxima bei einem Radius von 3 Gitterpunkten. Beschreibung wie in Abbildung 4.2.

4.3 Granulen und radiale GeschwindigkeitsfelderAls radiale Geschwindigkeitsfelder werden Felder bezeichnet, in den die Geschwindigkeits-vektoren radial von einem Zentrum weg zeigen. Diese Zentren stellen Granulen dar. Ein Feldum solch ein Zentrum ist rotationsymetrisch. Die Verteilung der Beträge der Geschwindig-keiten erfolgt analog zu den tangentialen Feldern aus Abschnitt 4.2 und kann mit Gleichung4.1 beschrieben werden. Das bedeutet, dass im Zentrum die Geschwindigkeit Null ist undihr Maximum umax beim Radius rm erreicht, um dann exponentiell nach außen hin flachabzufallen. Das Profil der Geschwindigkeitsbeträge gleicht dann der Funktion in Abbildung

40 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Kennzifferder

Simulation

Anzahl derGranulen

Ort derGranulen in

GP

Stärke derGranulen

(umax)

Radius derGranulen in

GP[8] 100 zufällige

Gleichvertei-lung

zufälligeNormal-

verteilung

3

[9] 1 (38,64) 0.7 13

[12] 2500 zufälligeGleichvertei-

lung

zufälligeNormal-

verteilung um1

1.3

Tabelle 4.2: Eine Übersicht der radialen Geschwindigkeitsfelder. GP steht für Gitterpunkte.

4.1 für umax = 1 und rm = 1. Die Geschwindigkeitsvektoren zeigen im Gegensatz zu dentangentialen Felder radial nach außen und deshalb muss die Gleichung 4.2 in

u(x, y)i = umax,i exp

−√

(x− xi)2 + (y − yi)2

rm,i+ 1

(x− xi)

(y − yi)0

1rm,i

(4.3)

umgeformt werden.Nun können durch die Variation der Parameter umax und rm und durch Addition der

erzeugten Granulen radiale Geschwindigkeitsfelder geschaffen werden.Für eine einzelne Granule sind radiale Felder per Definition rotationsfrei. Aber die nume-

rische Ungenauigkeit bei der Addition der Geschwindigkeiten verschiedener Wirbel verletztdiese Rotationsfreiheit und lässt einige kleine Ort mit Vortizität entstehen. Die Divergenzeines radialen Feldes erreicht durch die Wahl der radialen Geschwindigkeitsverteilung (Glei-chung 4.1) ihr Maximum in den Zentren der Wirbel.In den folgenden Abschnitten wird genauer auf die einzelnen Felder, die in Tabelle 4.2 in

einer Übersicht gezeigt sind, eingegangen.

4.3.1 100 GranulenDas sechste Geschwindigkeitsfeld besteht aus 100 Granulen, die gleichförmig über die Flä-che verteilt sind. Ihre Maximalwerte umax sind bei Radien rm von 3 Gitterpunkten normalum 1 verteilt und ist damit analog zu den 100 Wirbeln in Abschnitt 4.2.1. Abbildung 4.7zeigt die räumliche Geschwindigkeitsverteilung und ein Histogramm der Geschwindigkei-ten. In der Abbildung sind die 100 Granulen mit ihrem Geschwindigkeitsfeld als hellerRing zu erkennen. Sie bedecken nur Teile der Fläche und lassen große Regionen frei vonGeschwindigkeiten.

Granulen und radiale Geschwindigkeitsfelder 41

Abbildung 4.7: 100 Granulen [8], zufällig gleichverteilt. Normalverteilte Maxima bei einem Radiusvon 3 Gitterpunkten. Beschreibung wie in Abbildung 4.2.

Abbildung 4.8: 1 Granule [9] mit Maximum bei einem Radius von 13 Gitterpunkten. Beschreibungwie in Abbildung 4.3.

4.3.2 Eine GranuleDas siebte Geschwindigkeitsfeld besteht aus einer einzelnen Granule mit einem Radius von13 Gitterpunkten und dient zur genauen Untersuchung einer radialen Strömung. Außerdemkann wegen der Analogie zu dem einzelnem Wirbel (siehe Abschnitt 4.2.2) der Unterschiedzwischen tangentialen und radialen Felder explizit untersucht werden. In Abbildung 4.8 istdie einzelne Granule zu erkennen, deren Geschwindigkeitsbetrag von ihrem Maximum nachaußen und innen abfällt und die Strömungsrichtung radial nach außen zeigt.

4.3.3 2500 GranulenDas achte Geschwindigkeitsfeld besteht aus 2500 Granulen, die gleichförmig über die Flächeverteilt sind (siehe Abbildung 4.9). Die Maximalwerte liegen bei einem Radius von 1.3Gitterpunkten, also 0.5 Mm und folgen einer Normalverteilung um 1. Mit einer Anzahlvon 2500 Granulen und einem Radius von 0.5 Mm, der einer typischen Granule in derPhotosphäre entspricht, erreicht man theoretisch bei nicht überlappender Anordnung eine

42 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Abbildung 4.9: 2500 Granulen [12] mit zufällig gleichverteilten Maxima bei Radien von 1.3 Gitter-punkten. Beschreibung wie in Abbildung 4.2.

gesamte Abdeckung der 50 Mm × 50 Mm großen Fläche. Das Histogramm zeigt eine typischstochastische Geschwindigkeitsverteilung. Werte über 8 km/s kommen nur sehr selten vor.

4.4 ScherungIn vielen Modellen zur Simulation von CME und Flares wird eine bipolare Aktive Regiondurch ein photosphärisches Magnetfeld geschert und so eine Verdrillung der Magnetfeldli-nien erzeugt. Dabei bewegen sich beide magnetische Pole in die entgegengesetzte Richtung.Durch das Interagieren der Granulen und dem intergranularen Netzwerk kann bei Be-

trachtung zweier einzelner magnetischer Pole in der solaren Photosphäre eine Scherungbeobachtet werden. Deshalb wird in dieser Arbeit auch ein Geschwindigkeitsfeld mit einerScherbewegung simuliert, um neben den beiden Geschwindigkeitsbestandteilen der radialenund tangentialen Strömung auch ein drittes in der Photosphäre auftretende Merkmal zustudieren. In der einen Hälfte zeigen die Geschwindigkeitsvektoren in eine Richtung, in deranderen in die entgegengesetzte. Durch die Periodizität müssen die Geschwindigkeiten zurMitte und zu den Seiten hin abfallen. Abbildung 4.10 zeigt das neunte Geschwindigkeitsfeldmit einer räumliche Verteilung und einer Skizzierung des Strömungsverlaufs.Starke Strömungen zeigen sich im Bereich von 20 bis 50 und 80 bis 110 Gitterpunkten auf

der x-Achse, in der ersten Hälfte in positive y-Richtung und in der zweiten in die negative.

4.5 Periodische RänderWie in Abschnitt 3.2.2 beschrieben, verhält sich die Geschwindigkeit am Rand des Kastenin der x- und y-Richtung periodisch. Die Erzeugung von Geschwindigkeitsfeldern mussdaher berücksichtigen, dass das einzulesende Feld auch an den Rändern periodisch seinsoll. Durch Aufaddieren und dem exponentiellen Abfall zu den Enden der Wirbel undGranulen hin läßt sich die Periodizität nicht einfach umsetzen. Anstatt die Erzeugungder Geschwindigkeitsfelder zu ändern, wird das erzeugte Feld soweit angepasst, dass esan den Rändern periodisch wird. Dazu wird ein 896 × 896 Gitterpunkten (GP) großes

Realistische Granulation 43

Abbildung 4.10: Scherung [20]: Die rechte Seite des Feldes bewegt sich parallel zur positiven y-Achse, die andere Seite in die entgegengesetzte Richtung. Beschreibung wie in Ab-bildung 4.3.

Feld, was aus 49 Unterfelder mit einer Größe von 128 × 128 GP besteht, erzeugt. In jedesdieser Unterfelder werden die gewünschten Strukturen eingelesen und dabei überlappen undaddieren sich diese über die Feldgrenzen hinweg. Benutzt man nun das mittlere Feld alseigentliches Geschwindigkeitsfeld, so erhält man eine fast vollständige Periodizität. Die dreiFelder an den Rändern des ausgeschnittenen sorgen für ein sehr hohes Maß an Periodizität.Abbildungen 4.11 und 4.12 zeigen eine Beispiel, wo periodische Rnader erzeugt wurden.

Abbildung 4.11 zeigt deutlich keine Periodizität an den Rändern. In den Simulationen wür-de dies zu sehr starken Geschwindigkeitsgradienten und zu Plasmaanhäufungen führen. Dieshätte zur Folge, dass physikalische Größen, deren Änderung von dem Geschwindigkeitsgra-dienten abhängen, an diesen Stellen um Größenordnungen fallen bzw. steigen und so diegesamte Simulation beinflußen würden. Die Anwendung der oben beschriebenen Methodeerzeugt das Geschwindigkeitsfeld in Abbildung 4.12. Dort sind die Geschwindigkeiten amRand periodisch und lassen sich so gut für die Simulationen verwenden. Beim Vergleichder Abbildungen wird deutlich, dass sich neben den periodischen Rändern auch das Strö-mungsverhalten und die räumliche Geschwindigkeitsverteilung verändert haben. Die Formdes Wirbels links unten wird stark verändert und ist nur noch rudimentär zu erkennen.Außerdem entstehen an den Rändern neue Wirbel und neue Geschwindigkeiten mit hohenBeträgen. Aus der reinen Addition von drei Wirbeln ist ein sehr viel komplexeres Systementstanden. Für die Produktion und Verwendung von Geschwindigkeitsfelder müssen dieseVeränderungen stets mit einbezogen und berücksichtigt werden.

4.6 Realistische GranulationVor einigen Jahren entwickelte Boris Gudiksen einen photosphärischen Treiber für 3D-MHDSimulationen (Gudiksen & Nordlund, 2005). Dieser Treiber sollte Granulation mit einer derRealität sehr nahe kommenden Geschwindigkeitsverteilung erzeugen. Das bedeutet, dassdie Geschwindigkeiten grob mit der Wellenzahl u ∝ k skalieren und eine Lebensdauer vonτ ∝ k−2 haben. Diese Eigenschaft der photosphärischen Bewegungen gilt von den Granulenbis zu den supergranularen Strukturen (Stein & Nordlund (1998), Hathaway et al. (2000),

44 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

Abbildung 4.11: Geschwindigkeitsfeld ohne Periodizität. Auf der rechten Seite sieht man mit einerauf 1 normierten Skala den Strömungsverlauf, auf der linken Seite die Geschwin-digkeitsverteilung, wobei der Farbcode die Stärke der Geschwindigkeiten in einernormierten Einheit angibt. Das Feld besteht aus drei Wirbeln, mit Maximalge-schwindigkeiten von 0.5, 0.66 und 1, Radien von 0.1, 0.33 und 0.05 und Ortskoor-dinaten von (13,115) für den ersten Wirbel, (90,13) für den zweiten, und (115,64)für den dritten, auf die 128 × 128 große Box bezogen. Man sieht deutlich, dass dieRänder nicht periodisch sind.

Abbildung 4.12: Geschwindigkeitsfeld aus Abbildung 4.11 nach Anwendung der Periodizitätsmetho-de. Beschreibung wie in Abbildung 4.11. Man sieht ganz deutlich, dass die Ränderperiodisch sind.

Shine et al. (2000)). Außerdem sollten die geometrischen Eigenschaften der Granulen imTreiber wiedergegeben werden.Dazu wird die Theorie der sogenannten Voroni tessellation (siehe zum Beispiel: Okabe

et al. (1992)) verwendet. Mit dieser kann eine 2 dimensionale Fläche in kleine Kachelnunterteilt werden, die dann als Granule fungieren können. Durch die Einführung einerGewichtung kann man dann Granulen und intergranulare Zwischenräume schaffen. Einezeitliche Entwicklung der Gewichtung führt zur Entstehung und zum Verschwinden derGranulen. Es entstehen ausschließlich nur Granulen an Stellen, wo entsprechend Platz zurAusbreitung vorhanden ist. Um das Leistungspektrum der Geschwindigkeiten in der Photo-sphäre nachbilden zu können, werden Geschwindigkeitsfelder mit drei verschiedenen Größen

Vergleich der Geschwindigkeitsfelder 45

Abbildung 4.13: Realistische Granulation von Boris Gudiksen (Gudiksen & Nordlund, 2005). Be-schreibung wie in Abbildung 4.2.

von Granulen separat erstellt und dann addiert. So werden granulare Bewegungsmuster fürmehrere Skalen berücksichtigt. Die Granulen werden ausgehend von ihrer Mitte mit radia-len Geschwindigkeiten gefüllt und es wurde hier eine ähnliche radiale Verteilung wie die inAbschnitt 4.3 verwendet: u(r) = r2 exp

(−(r/rm)2).

Dieser Geschwindigkeitstreiber kann für verschiedene Gittergrößen ein realistisches gra-nulares Geschwindigkeitsfeld erzeugen. Dies ist in Abbildung 4.13 für eine Größen von 128× 128 Gitterpunkten dargestellt. So wurde ein Treiber entwickelt, der sowohl die geome-trischen Strukturen als auch das Leistungspektrum der photosphärischen Bewegungen sehrgut widerspiegelt. Die damit erzeugten Geschwindigkeitsfelder können im Vergleich mit denanderen Felder als ein realistisches Abbild der Granulation der Sonne angesehen werden.

4.7 Vergleich der GeschwindigkeitsfelderNach der Vorstellung der einzelnen Geschwindigkeitsfelder werden kurz die Unterschiedeund Gemeinsamkeiten der Felder vergleichend dargestellt.

Zeitlicher Verlauf

Alle in dieser Arbeit erzeugten Felder sind statisch. Das heißt, es wird bei jedem Zeitschrittin der Simulation das gleiche Feld eingelesen und die Struktur des Feldes bleibt zeitlichkonstant. Allein durch das in Abschnitt 3.2.2 beschriebene Quenching können die Felderverändert werden. Das Feld der realistischen Granulation ist nicht statisch. Die Strukturenwerden bei jedem Zeitschritt verändet eingelesen.

Häufigkeitsverteilung der Geschwindigkeiten

Die Geschwindigkeiten haben eine unterschiedliche Häufigkeitsverteilung in den Feldern.Abbildung 4.14 zeigt für jedes Feld ein Histogramm der Geschwindigkeiten. Die einzel-nen Darstellungen sind mit der Kennziffer ihres Feldes bezeichnet (siehe Tabellen 4.1 und4.2 sowie Abschnitte 4.4 und 4.6). Die strukturell sehr ähnlichen Felder zeigen auch eine

46 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

vergleichbares Histogramm, wie zum Beispiel die Felder mit den 2500 Wirbel [11], 2500Granulen [12] und dem realistischen Granulationsfeld [5]. Diese drei Felder stellen eine sto-chastische Geschwindigkeitsverteilung dar, und es wird bei der Auswertung der Simulationan den Feldern [11] und [12] studiert werden, ob statische Felder die selben Strukturenausbilden können wie vergleichsweise zeitlich veränderliche Felder.

Leistungspektrum der Geschwindigkeiten

Die photosphärischen Bewegungen skalieren grob mit der Wellenzahl u ∝ k (siehe Abschnitt4.6). In Abbildung 4.15 wird das Leistungspektrum der Geschwindigkeitsfelder dargestellt.Es ist ein Maß für die Energieverteilung abhängig von Größenskalen. Dabei korreliert dieräumliche Struktur der Geschwindigkeitsfelder klar mit dem Leistungspektrum. Die Fel-der mit größeren Strukturen, wie [4],[2] und [9], zeigen ein Abfallen der Geschwindigkeitenhinzu kleineren Werten von l. Felder mit kleineren Strukturen ([12],[11] und [5]) haben ihrMaximum bei größeren Wellenzahlen. Besonders [12] und [5] zeigen erstaunliche Ähnlich-keiten im Kurvenverlauf, obwohl das Maximum der Geschwindigkeiten bei [12] bei kleinerenSkalen liegt als bei [5]. Dies läßt sich mit der kleineren Granulengröße in [12] im Vergleichzu [5] erklären.

Vergleich der Geschwindigkeitsfelder 47

[1]

[4]

[9]

[20]

[2]

[11]

[12]

[3]

[8]

[5]

Abbildung 4.14: Häufigkeitsverteilung der Geschwindigkeiten in der Übersicht. Dargestellt sind fürjedes Feld (repräsentiert durch die Kennziffer) das Histogramm der Beträge derGeschwindigkeiten.

48 Kapitel 4: Photosphärische Geschwindigkeitsfelder

[1]

[4]

[9]

[20]

[2]

[11]

[12]

[3]

[8]

[5]

Abbildung 4.15: Skaleneigenschaften der Geschwindigkeiten in der Übersicht. Dargestellt sind fürjedes Feld (repräsentiert durch die Kennziffer) das Leistungspektrum der Geschwin-digkeiten. Die harmonische Wellenzahl repräsentiert die Skalengröße, l=1 entsprichtdem Radius der Sonne und l=100 ca. 10 Mm. Die gestrichelte Linie gibt einen Zu-sammenhang von u ∝ k an.

Kapitel 5

Einfluss photosphärischerGeschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Die Auswirkungen der unterschiedlichen photosphärischen Geschwindigkeitsfelder auf dieKorona der Sonne wird in dieser Arbeit anhand von fünf Aspekten untersucht. Zuerstbetrachtet man die groben Strukturen innerhalb der gesamten Box in Bezug auf die ma-gnetische Energie (∼ B2) und die ohmsche Heizrate (∼ j2). Außerdem werden die Wegeder Magnetfelder und Ströme in der Simulationsbox untersucht und in einem weiterenSchritt die Heizraten über der Höhe aufgetragen und damit den Abfall der Heizrate alsexponentielle Skalenhöhe für die verschiedenen Simulationen verglichen. Daneben werdendie Energiewege innerhalb der modellierten Korona und dazu die zeitliche Entwicklung desPoyntingflusses sowie der ohmschen, kinetischen und magnetischen Energie untersucht. Be-sonderes Augenmerk wird der zeitlichen Entwicklung der magnetischen Energie unter derFrage, welcher Geschwindigkeitstreiber sich eignet, um möglichst viel Energie im Magnet-feld zu speichern, gewidmet. Als fünften Aspekt wird untersucht, ob über einige Tage genugmagnetische Energie für ein Flare aufgebaut werden kann.

5.1 Strukturen der modellierten Korona5.1.1 Das MagnetfeldZunächst wird die zeitliche Entwicklung der magnetischen Energie innerhalb der gesamtenBox betrachtet. Die Abbildungen 5.1 bis 5.8 zeigen, logarithmisch aufgetragen, das Ma-gnetfeld zum Quadrat (B2) nach 30, 120 und 240 Minuten Simulationszeit. Die untersteFläche zeigt die Ebene mit der Höhe z = 0 Mm. Diese repräsentiert die Photosphäre, in derauch der Geschwindigkeitstreiber greift. Die äußeren Flächen des Würfels stellen nicht, wieman zunächst annehmen könnte, die Ränder der Simulationsbox dar, sondern sind jeweilsdie mittigen Schnitte durch diese Box.Die Abbildungen 5.1 bis 5.4 zeigen die vier Simulationen mit tangentialen Geschwindig-

keitsfeldern. Die erste ist ein einzelner, die Hälfte der Box ausfüllender Wirbel [2] (5.1),die beiden nächsten sind 100 [1] (5.2) und 2500 [11] (5.3) zufällig über die Fläche verteiltekleine Wirbel, und die vierte zeigt ein Geschwindigkeitsfeld, das zwar durch Wirbel erzeugtworden ist, aber paralleles Fließen von der vorderen zur hinteren Ecke bewirkt[3](5.4).In den Bildern ganz links, erkennt man jeweils die granulare Struktur des Magnetfeldes,

das unterbrochen wird von Aktiven Regionen, wie dies bereits in Abbildung 3.1 zu sehenwar. Diese im Magnetfeld befindlichen Strukturen (Aktive Regionen, Granulares Netzwerk)

49

50 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.1: 100 Wirbel,[Kennziffer 1], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. B2 ist lo-garithmisch aufgetragen. Die untere Ebene zeigt die Gitterebene bei z = 0 Mm mitdem photosphärischen Magnetfeld. Der Würfel darüber ist zusammengesetzt aus dendrei mittleren Schnitten durch die Simulationsbox. Die Farbtabelle am Rand zeigtdie logarithmische Darstellung von B2 in PENCIL-CODE Einheiten (PCE), dabeientsprechen die Werte 9 und -1 PCE 1.3·109 und 0.13 G2. Zu erkennen ist, dasseine strukturelle Sättigung bereits nach 2 Sonnenstunden erreicht ist, und dass sichtrichterartigen Magnetfeldbereichen ausbilden.

werden durch die Geschwindigkeitsfelder immer mehr zerstört und es entsteht eine neueStruktur, die den Geschwindigkeitsfeldern folgt und die vorhandene Polaritätsunterschiedenivelliert und verwischt. Dies geschieht umso stärker und schneller je mehr Wirbel vorhan-den sind, d.h. wenn große Teile der Photosphäre von dem Geschwindigkeitsfeld erfasst sind.Das bedeutet auch, dass hier die Magnetfeldkonfiguration sehr stark dem photosphärischenGeschwindigkeitsfeld folgt und damit die Theorie stützt, dass die Heizung der Korona mitder Verwirbelung der Magnetfelder mit Hilfe der photosphärischen horizontalen Geschwin-digkeiten einhergeht.Betrachtet man nun die Entwicklung in den Würfeln, so zeigt sich, dass die Art der Struk-

turen sehr ähnlich ist. Zum einen ändert sich die Struktur der Würfel nach den ersten 120Minuten kaum noch. Die Simulationen haben sozusagen eine strukturelle Sättigung erreicht.Zum anderen scheint sich die Struktur in der gleiche Form bei allen Simulationen auszubil-den. Großräumig entstehen nach unten verengte Trichter, die mit Magnetfeldern gefüllt sindund an ihren Rändern von einem um ca. 7 Größenordnungen schwächeren Feld umgebenwerden. Zwischen den verengten Bereichen sowie am unteren Rand der Trichter bilden sichkleinere bogenartige Strukturen aus. Es zeigt sich auch, dass die Lage der Trichter starkmit den Aktiven Regionen der Photosphäre und den Orten höheren Geschwindigkeiten inder Photosphäre korreliert.In den Simulationen der radialen Felder (Abbildung 5.5 und 5.6) sowie bei dem realis-

tischen Granulenfeld von Gudiksen & Nordlund (2005) (Abbildung 5.7) erkennt man sehrähnliche Strukturen wie bei den tangentialen Feldern. Auch hier entstehen die Trichterüber den Aktiven Regionen oder anderen starken Magnetfeldstrukturen der Photosphäre.Sehr bemerkenswert ist die große Ähnlichkeit der Simulationen mit 2500 Granulen und derrealistischen Granulation. Bei der Betrachtung der Magnetfeldstrukturen scheint es keinenUnterschied zu machen, ob man ein statisches oder ein zeitlich veränderliches Feld benutzt.Eine leicht unterschiedliche Struktur entsteht bei der Verwendung einer Scherung (Ab-

Strukturen der modellierten Korona 51

Abbildung 5.2: 1 Wirbel,[2], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbeschreibung wie inAbbildung 5.1.

Abbildung 5.3: 2500 Wirbel,[11], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbeschreibungwie in Abbildung 5.1

bildung 5.8). Zum einen entsteht hier die Struktur sehr viel früher als bei den anderenSimulationen, und zum anderen sind die Trichter sehr viel dünner, kleiner und komplexer.Die frühere Ausbildung der Strukturen liegt eindeutig an den höheren Geschwindigkeitender Scherung. Die Komplexität lässt sich aber nicht einfach mit den erhöhten Geschwindig-keiten erklären, sondern vielmehr mit der gegenläufigen Richtung der Geschwindigkeiten,die zu einer starken Verwirbelung und Verdrehung der Magnetfeldlinien führt.

Abbildung 5.4: 2 Wirbel,[3], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbeschreibung wie inAbbildung 5.1

52 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.5: 1 Granule,[9], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbeschreibung wiein Abbildung 5.1

Abbildung 5.6: 2500 Granulen,[12], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbeschreibungwie in Abbildung 5.1

Zur besseren Deutung der Trichterstrukturen wird die z-Komponente des Magnetfeldes inähnlicher Weise dargestellt, wie die quadratische Magnetfeldstärke (Abbildungen 5.9). Dieblauen bis gelben Regionen repräsentieren ein Magnetfeld mit negativem, die roten solchemit positivem Vorzeichen. Es zeigt sich, dass sich über den Aktiven Regionen Magnetfeldermit der gleichen Polarität bilden. Die gelbgrünen Linien in den B2-Abbildungen zeigen dieÜbergänge der beiden Magnetfeldpolaritäten. Projiziert man diese auf die Photosphäre, so

Abbildung 5.7: Realistische Granulation [5], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbe-schreibung wie in Abbildung 5.1

Strukturen der modellierten Korona 53

Abbildung 5.8: Scherung,[20], Simulation nach 30, 120, 240 Sonnenminuten. Bildbeschreibung wiein Abbildung 5.1

erkennt man deutlich, dass sie genau auf den Grenzen zwischen den Einflussbereichen dieserAktiven Regionen bzw. kleine Poren liegen. Außerdem ist in der Darstellung des Magnet-feldes in z-Richtung deutlich erkennbar, dass gerade granulare großflächige Strömungen,dargestellt durch die Geschwindigkeitsfelder [11] und [12], die vorgegebene Magnetfeld-konfiguration nachhaltig verändern und konzentrierte Ansammlungen von Magnetfeldernfragmentiert und verteilt werden.Es zeigt sich einer der ersten fundamentalen Unterschiede der in dieser Arbeit durch

geführten Simulationen im Vergleich zur beobachteten Sonne: Dort halten sich aktive Re-gionen meistens mehrere Tage, einige sogar mehrere Wochen. Auf der Sonne existieren dieMagnetfelder nicht nur in der Photosphäre, sondern sind in der Konvektionszone verwurzeltund werden somit in ihrer Lage und Struktur gestützt. Zwar wird, wie in Abschnitt 3.2.2beschrieben, durch das Quenching, also die Unterdrückung der Geschwindigkeiten bei star-ken Magnetfeldern und durch den Wegfall des Difusivitätsterms in der Induktionsgleichungin der unteren Ebene die Struktur des Magnetfeldes gestützt, dies reicht aber nicht aus,um sie zu erhalten.

5.1.2 Die Struktur der ohmschen HeizungDie Abbildungen 5.10 bis 5.13 zeigen die Strukturen und räumlichen Verteilungen derohmschen Heizung für vier Schnitte durch die Simulationsbox zu vier verschiedenen Zeiten.Die erste Reihe stellt die unterste Ebene der Box und somit die Photosphäre dar. Die zweiteReihe zeigt einen Schnitt durch die Box in der Mitte der Abszisse, die dritte durch die Mitteder Ordinate und die vierte die der Aplikate. Die drei Spalten geben den temporären Verlauffür 30, 120 und 240 Sonnenminuten an. Die Farben, die jeweils rechts als Skala dargestelltsind, stellen die ohmsche Heizung logarithmisch in Watt pro Kubikmeter dar.Die erste der vier Abbildungen zeigt die Simulationen des Geschwindigkeitsfeldes [2], dort

erkennt man das Geschwindigkeitsprofil des einen Wirbels in der Photosphäre. Bei den Si-mulationen [5],[12] lassen sich die einzelnen Granulen nicht auflösen, die Aktive Region inder rechten unteren Ecke ist jedoch als grüner Fleck zu erkennen. Es wird deutlich, dass sichdurch das Quenching und durch die ideale Magnetohydrodynamik am unteren Rand (sieheAbschnitt 3.2.2) das Magnetfeld nicht sehr stark bewegt, und dort somit auch keine sehrstarken Ströme entstehen können wie in den anderen Bereichen der Photosphäre. In den an-

54 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

[1]

[3]

[5]

[2]

[9]

[20]

[11]

[12]

Abbildung 5.9: Die neun Abbildungen zeigen jeweils die z-Komponente des Magnetfeldes nach 240Sonnenminuten. Die Ziffern stehen für die Simulationen. Die untere Ebene zeigt dieGitterebene bei z = 0 mit dem Photosphärischen Magnetfeld. Der Würfel darüberist zusammengesetzt aus den drei mittleren Schnitten durch die Simulationsbox. DieFarbtabelle am Rand zeigt die Stärke des Magnetfeldes in Gauss an. Man erkennt,dass die Trichter sich über den Aktiven Regionen ausbilden und ihrer Polaritätfolgen.

Strukturen der modellierten Korona 55

Abbildung 5.10: 1 Wirbel [2]. Logarithmische Darstellung der ohmschen Heizrate in der Simulati-onsbox anhand von vier Schnitten (z=0, x=64, y=64,z=64, Erkärung siehe Text)von links nach rechts und drei Zeitschritten (t=30min, 120 min, 240 min) von obennach unten. Die Farbtabelle jeweils am rechten Rand gibt die ohmsche Heizratelogarithmisch W/m3 an.

deren Schnitten werden folgende interessante Eigenschaften deutlich. Zum einen entstehenin allen Simulationen am oberen Rand erhöhte Ströme, also auch hohe ohmsche Energie.Dies ist sehr untypisch für die Korona der Sonne und ist ein Effekt, der ausschließlich vonden Randbedingungen am oberen Rand verursacht wird. In Abschnitt 3.2.2 wurden bereitsdie entstehenden Ströme durch die Potentialfeldentwicklung des Magnetfeldes am oberenRand erwähnt. In den Darstellungen der ohmschen Heizung werden diese Auswirkungenbesonders deutlich.Zum anderen sind auch die entstehenden massiven Säulen ohmscher Energie, die von

unten aus der Photosphäre nach oben in die Korona reichen, interessant. Sie sind zumeinen nicht parallel und fächern leicht nach oben hin auf. Zum anderen fällt ihre Energiemit der Höhe stark ab. Der Schnitt durch die mittlere z-Ebene verrät aber, dass es sich beiden Säulen eher um trichterförmige Strukturen handelt, die sich über den Aktiven Regionbilden. Man sieht die gleichen Strukturen wie in den Darstellungen des magnetischen Feldes,nur dass die Ströme eine massive Außenhaut der Trichter bilden. Starke Ströme und hoheohmsche Energien entstehen also da, wo sich zwei Polaritäten der Magnetfelder treffen undrekonnektieren können.Die sehr große strukturelle Ähnlichkeit der Simulationen [12] und [5] wird auch in den

Darstellungen der ohmschen Heizung deutlich. Nach einer Zeit von 240 Sonnenminutengleichen sich die drei Schnitte der beiden Simulationen fast in jedem Detail, nur die Dauer

56 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.11: Realistische Granulation [5]. Logarithmische Darstellung der ohmschen Heizrate.Bildbeschreibung wie in Abbildung 5.10

Abbildung 5.12: 2500 Granulen [12]. Logarithmische Darstellung der ohmschen Heizrate. Bildbe-schreibung wie in Abbildung 5.10

Strukturen der modellierten Korona 57

Abbildung 5.13: Scherung [20]. Logarithmische Darstellung der ohmschen Heizrate. Bildbeschrei-bung wie in Abbildung 5.10

der Ausbildung ist unterschiedlich, was aber durch höhere Geschwindigkeiten, zu sehen inden Histogrammen der Abbildungen 4.9 und 4.13, zu erklären ist.

5.1.3 Magnetfeld- und StromlinienUm die Magnetfeld- und Stromlinien besser untersuchen zu können, werden diese mit demProgramm VAPOR1 grafisch dargestellt. In den Abbildungen 5.14 und 5.15 sind die vierSimulationsboxen mit den jeweiligen Magnetfeldlinien in rot und den Stromlinien und ingrün dargestellt. Im unteren Teil der Box sieht man die z-Komponente des Magnetfeldesbei z = 0, in pink die negativen Felder, in grün die positiven und in blau die neutralen. Imoberen Teil der Box liegt einen Querschnitt, der die quadratische Stromdichte (j2) darstellt,dabei geht die Farbskala von kleinen zu großen Werten logarithmisch von rot über grünnach pink.Der linke Seite der Abbildung 5.14 zeigt die Box mit dem Geschwindigkeitsfeld [2]. Die

Struktur des einzelnen Wirbels, dessen Zentrum nahe an der Aktiven Region liegt, erzeugtverdrehte Magnetfeldlinien, die sich weiter oben in der Box zu einem Teil weit am oberenRand verteilen und zu einem anderen Teil einen Loop zur zweiten Aktiven Region bilden.Die Stromlinien steigen teilweise spiralförmig von unten nach oben auf, entstehen aber auchdirekt innerhalb des Wirbels und steigen senkrecht nach oben auf. In den oberen Ebenen

1Visualization and Analysis Platform for Ocean, Atmosphere, and Solar Researchers, www.vapor.ucar.edu

58 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.14: 3D-Darstellung der Simulationsbox mit den Geschwindigkeitsfeldern [2] (links) und[20] (rechts). Die untere Ebene gibt die z-Komponente des Magnetfeldes an (pinknegative, blau neutral und grün positiv). Die roten Linien stellen die Magnetfeld-linien und die grünen die Stromlinien dar. Die obere Ebene ist ein schräger Quer-schnitt, der die quadratische Stromdichte zeigt (rot für geringe und pink für hoheStromdichten).

Abbildung 5.15: 3D Darstellung der Simulationsbox mit den Geschwindigkeitsfeldern [5] (links) und[12] (rechts). Bildbeschreibung wie in Abbildung 5.14

Abfall der Heizrate mit der Höhe 59

der Box erzeugen die horizontalen Magnetfelder vertikale Ströme, die am stärksten an denAußengrenzen des vom Magnetfeld gebildeten Trichters präsent sind.Eine andere Struktur zeigen die drei weiteren Darstellungen. Zum einen ist in der rech-

ten Seite von Abbildung 5.14 gut die horizontale Scherung in y-Richtung zu erkennen undbei den anderen das durch die Granulen fragmentierte Magnetfeld. Die Magnetfeldlinienbilden viele parallele Bögen von einer zur anderen Aktiven Region aus. Einige davon sindvergleichsweise klein, gerade 5 Mm groß. Die meisten allerdings bilden große, im oberen Teilder Box schließende Bögen aus. Diese haben nicht die Form, die sich durch einen Poten-tialfeldentwicklung ergeben würde, sie sind vielmehr in der Höhe verzerrt. Das deutet aufungewöhnlich hohe Geschwindigkeiten in z-Richtung hin, die sich auch in allen Simulatio-nen in einem Bereich von 300 km/s beobachten lassen. Diese parallelen und steilen Bögenschaffen ein nahezu homogenes, nach oben ausgebildetes Magnetfeld. Dieses erzeugt dannnahezu planare horizontale Ströme, die sich in Kreisen um die Magnetfeldlinien winden. Inden Abbildungen 5.11 bis 5.13, in den horizontalen Schnitten durch die Mitte der z-Achse,sind diese Kreisströme bereits zu erkennen.Bemerkenswert ist, dass auch hier die Unterschiede der Strukturen sehr marginal sind.

Besonders beim Vergleich der beiden granularen Felder [5] und [12] gibt es nur leichteUnterschiede in der Stärke der Stromdichte, ansonsten sind die Strukturen dieser beidenSimulationen identisch. Das heißt insbesondere, dass die Struktur der Korona nicht von derArt des Geschwindigkeitsfeldes abhängt.

5.2 Abfall der Heizrate mit der HöheEin wichtiges Kriterium, um die verschiedenen Simulationen mit einander zu vergleichen,ist der Abfall der Heizrate mit der Höhe. Die Abbildung 5.16 zeigt für 10 verschiedeneSimulationen den Abfall der Heizraten über die Höhe. Im unteren Teil der Box (bis 10Mm) entstehen starke Stöme durch die Geschwindigkeitsfelder am unteren Rand und de-ren viskosen Einfluss auf die direkt darüber liegenden Schichten. Hier tauchen durch dasdirekte Verschieben des Plasmas vermehrt Ströme auf. Im Gegensatz dazu entwickeln sichStröme im mittleren Teil der Box (10-20 Mm) allein durch die Fusspunktbewegung derMagnetfelder. Im oberen Teil wiederum ist das vermehrte Auftreten der Ströme allein einEffekt der durch die Randbedingungen zustandekommt. Wie in Abschnitten 3.2.2 und 5.1.2erwähnt ist die Ursache hierfür die Potentialfeldentwicklung des Magnetfeldes am oberenRand. Untersucht man nun die Heizrate Φ für den rein koronalen Teil (10-20 Mm), so er-kennt man einen stetigen Abfall. Dieser Abfall kann durch eine Exponentialfunktion miteiner Skalenhöhe Hm beschrieben werden:

Φ = Φ0 exp(− z

Hm

)(5.1)

Dabei ist Φ0 die Heizrate bei ca. 10 Mm.Durch einen Fit an die einzelnen Kurven erhält man nun für jede Simulation einen spe-

zifischen Wert der Skalenhöhe Hm. Diese sind, wie aus der Abbildung 5.16 und der Tabelle5.2 zu entnehmen ist, alle im Bereich von 10 Mm. Daran ist besonders bemerkenswert, dassdie Skalenhöhe Hm fast unabhängig von der Art des Geschwindigkeitsfeldes ist.

60 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.16: horizontal gemittelte Heizrate ηµ0j2 logarithmisch über der Höhe der Box aufge-

tragen für 10 verschiedene Simulationen. Jede Farbe repräsentiert eine Simalation,mit den Kennziffern aus den Tabellen 4.1 und 4.2, sowie [5] für die realistischeGranulation und [20] für die Scherung. Hm bezeichnet die Skalenhöhe in Mm. Diefarbigen Werte zeigen die aus den exponentiellen Fits (gestrichelte Linien) (sieheGleichung 5.1) im Bereich von 10-20 Mm erhaltenen Skalenhöhen. Bemerkenswertist, dass alle im Bereich von 10 Mm liegen.

Kenngrößen derSimulation

Art desGeschwindig-

keitsfeldes

Anzahl der Wir-bel/Granulen

SkalenhöheHm/Mm

1 tangential 100 9.022022 tangential 1 10.51573 tangential 2 11.62574 tangential 8 10.7258

11 tangential 2500 10.42175 Granulation realistisch 11.95958 radial 100 10.95009 radial 1 10.9324

12 radial 2500 13.480420 Scherung — 11.1062

Tabelle 5.1: Übersicht über die Skalenhöhen der Simulationen mit 10 verschiedenenGeschwindigkeitstreibern.

Abfall der Heizrate mit der Höhe 61

Abbildung 5.17: Magnetisch Engerie B2/2µ0 logarithmisch über die Höhe der Box aufgetragen für10 verschiedene Simulationen. Es zeigt ähnliche Skalenhöhen wie bei den Heizraten.Bildbeschreibung wie in Abbildung 5.16.

Vergleicht man die radialen mit den tangentialen Feldern, so ist kein signifikanter Unter-schied erkennbar. Sogar eine Scherung erzeugt einen Wert nahe an 10 Mm. Der Minimalwertwird zwar durch ein tangentiales Feld gegeben, und der Maximalwert durch ein radiales,aber diese Unterschiede könnten auch mit den leicht unterschiedlichen Absolutgeschwindig-keiten in den Feldern zusammenhängen.Untersucht man außerdem den Abfall der magnetischen Energie mit der Höhe, erkennt

man in Abbildung 5.17, dass diese beiden Kurven fast parallel laufen bzw. leicht größereWerte für die Skalenhöhe aufweisen. Die Heizrate folgt also näherungsweise dem Magnet-feld. Dies könnte einen Hinweis darauf sein, dass in diesen Regionen das Magnetfeld kräfte-frei ist und somit mit einem konstanten α beschrieben werden kann, wobei α = j · B

B2 gilt.Um eine verlässliche Aussage über ein konstantes α machen zu können, müsste α eigentlichentlang aller Feldlinien bestimmt werden. Nur wenn es entlang einer Feldlinie konstant ist,kann man von einem kräftefreien Magnetfeld sprechen. Aber es ergibt durchaus Sinn, dassim Bereich von 10 bis 20 Mm Höhe, die Magnetfeldkonfiguration der einer kräftefreien sehrnahe kommt. Startpunkt der Simulation ist ein Magnetfeld in z-Richtung am unteren Rand,von dem aus im ersten Zeitschritt ein Magnetfeld, das die gesamte Box füllt, kräftefrei ex-trapoliert wird. Erst dann wird dieses durch die Induktions- und Bewegungsgleichungenund die Auswirkungen der Fußpunktbewegungen verändert. Das bedeutet, dass sich dieSimulation nicht sehr stark von diesem extrapolierten Magnetfeld wegbewegt.

5.2.1 Vergleich mit anderen Simulationen und MessungenBereits sehr früh postulierte Serio et al. (1981) einen exponentiellen Abfall der Heizratemit der Höhe. Zwar bezog er sich dabei nur auf Koronale Bögen, aber durch die konstanteDichte in der Box lassen sich diese Aussagen mit den hier vorgestellten Simulationen sehrgut vergleichen. Müller et al. (2003) benutzte diesen exponentiellen Abfall für Simulationen

62 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

eindimensionaler Loop-Modelle. Bei einer Skalenhöhe von über 6 Mm wurden die KoronalenBögen stabil und statisch. Bis hin zu 12.5 Mm wurden die Bögen in zunehmende Maßestabiler und konnten auch höhere Temperaturen erreichen. Auch jüngere Beobachtungenmit TRACE von Aschwanden et al. (2000) und Aschwanden et al. (2001) zeigen einenexponentiellen Abfall mit einer Skalenhöhe von 12± 5 Mm für Koronale Bögen.Außerdem gibt es seit nunmehr 7 Jahren numerische Simulationen der solaren Korona

als 3D MHD-Modell. Schon Gudiksen & Nordlund (2002) erhielten mit ihren SimulationenSkalenhöhen von Hm ≈ 5 Mm und auch in späteren Simulationen (Gudiksen & Nordlund(2005) werden diese Werte erreicht. Die aktuellsten und detailliertesten Rechnungen vonBingert et al. (2009) zeigen einen exponentiellen Abfall und eine Skalenhöhe von 8.5 Mm,was sehr nah an den Werten der hier vorgestellten Simulation liegt.

5.3 Energiewege in der KoronaDie durchgeführten Simulationen geben Aufschluss darüber, wie sich die Energie in der sola-ren Korona verteilt bzw. wo und wie sich die Energie ändert. Hierfür wird der Poyntingflussund die ohmsche Heizung über die Zeit verfolgt und die Verhältnisse der kinetischen, ma-gnetischen und ohmschen Energie mit dem Poyntingfluss verglichen.

5.3.1 Entwicklung des Poyntingflusses mit der ZeitDer Poyntingfluss ist, wie in Abschnitt 2.3.4 mit Gleichung 2.43 beschrieben, der Trans-port von elektromagnetischer Energie durch eine Fläche. Hier wird der Poyntingfluss fürdie Analyse der Simulationen an der vierten Gitterebene untersucht. Das heisst, die Mengean elektromagnetischer Energie, die durch die Fläche der vierten Gitterebene in die Boxströmt. Für die Berechnung des Poyntingflusses werden Ableitungen innerhalb der Simu-lationsbox benötigt. Diese wiederum brauchen 3 benachbarte Gitterzellen zur numerischenBerechnung der Ableitung. Werden dafür Gitterpunkte der Geisterzonen verwendet, hatder damit berechnete Poyntingfluss keinerlei physikalische Relevanz mehr. Trotzdem kanndurch Extrapolation nach unten dieser Poyntingfluss gut die elektromagnetische Einspei-sung wiedergeben, die durch den photosphärischen Treiber hervorgerufen wird.In Abbildung 5.18 sieht man die Entwicklung des Poyntingflusses über die Zeit für die

tangentialen und radialen Geschwindigkeiten getrennt aufgetragen. Die Werte des Poyn-tingflusses liegen bei den tangentialen Geschwindigkeitsfeldern um einen Faktor 2.5 überden Werten der radialen Felder. Die höheren Werte der Scherung [20] und der 8 Wirbel [4]ergeben sich aus dem höheren Geschwindigkeitsprofil (siehe Abbildung 4.14), wobei die Artdes Geschwindigkeitsfeldes [20] sich scheinbar besser eignet, um einen hohen Poyntingflusszu erzeugen (Faktor 1.8 größer). Bemerkenswert ist, dass die radialen Felder unabhängigvon der Art der Geschwindigkeitsfelder deutlich unter denen der tangentialen liegen.Betrachtet man die strukturell ähnlichen Felder ([1] und [8],[2] und [9], [11] und [12,5]),

so erkennt man bei den Häufigkeiten und Leistungsspektren der Geschwindigkeiten einesehr gute Übereinstimmung der jeweiligen Paare bzw. Tripel (siehe Abbildung 4.14). Die-ses setzt sich aber eindeutig nicht bei dem Poyting fluss fort. Nur [2] und [9] verhalten sichauch beim Poyntingfluss ähnlich, da sie eine sehr einfachen Struktur haben und nicht dieGesamtheit der Fläche ausfüllen. Die Konfiguration von radialen Bewegungen (Granulen)

Energiewege in der Korona 63

Abbildung 5.18: Poyntingfluss durch die vierte Gitterebene, aufgetragen über die Zeit von 240 Mi-nuten. Dargestellt sind auf der linken Seite die Simulationen mit den tangentialenFeldern [1],[2],[4],[11] und der Scherung [20], auf der rechten Seite die Simulationenmit radialen Feldern [8],[9],[12] und der realistischen Granulation [5].

bildet einen mehr als um die Hälfte reduzierten Poyntingfluss aus als vergleichbare tangen-tiale Strömungen und erreicht damit eine um die Hälfte reduzierten Energieeinspeisung beiähnlicher Geschwindigkeitsverteilung.Zwar gibt es die genannten Unterschiede, doch sie sind im Bereich einer Größenordnung.

Man kann daher davon sprechen, dass der Poyntingfluss zwar beeinflusst wird durch dieWahl der Art des Geschwindigkeitsfeldes, sich aber nicht entscheidend ändert.

5.3.2 Entwicklung der ohmschen Heizrate mit der ZeitDie ohmsche Heizrate beschreibt, wieviel Energie pro Zeitschritt für die Heizung der Ko-rona bereitgestellt wird. Sie entsteht aus der Dissipation der Ströme (EH = ηµ0j2). Wiein Abbildung 5.19 zu erkennen, verhält sich die Heizrate im Verlauf ähnlich wie der Poyn-tingfluss. Die Scherung setzt am meisten Energie zur Heizung frei und die tangentialenFelder haben höhere Werte als die radialen. Die einfacheren Geschwindigkeitsfelder [2],[9]erreichen die geringsten Werte und sind beinahe identisch. Für die anderen tangentialenund granularen Geschwindigkeitspaare verkleinern sich die Unterschiede im Bezug auf denPoyntingfluss. Besonders die Unterschiede der Scherung zu den radialen Felder verkleinernsich deutlich. Zu erkennen ist aber auch, dass die Heizrate im unteren Teil der Korona (10-20 Mm) deutlich kleiner, aber proportional zu den Werten in der gesamten Box (5-20 Mm)ist. Das heißt die Art der Geschwindigkeitsfelder hat keine Auswirkungen auf die Verteilungder ohmschen Energie in der Höhe, bezogen auf den Bereich von 5-25 Mm.

64 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.19: Mitttlere ohmsche Heizrate, aufgetragen über die Zeit von 240 Minuten. Auf derlinken Seite die Simulationen mit den tangentialen Feldern [1],[2],[4],[11] und derScherung [20], auf der rechten Seite die Simulationen mit radialen Feldern [8],[9],[12]und der realistischen Granulation [5]. Die durchgezogene Linie repräsentiert diemittlere ohmsche Heizrate zwischen 5 und 25 Mm, die gepunktete zwischen 5 und20 Mm und die gestrichelte zwischen 10 und 20 Mm.

5.3.3 Energieverteilung und Energiewege in der KoronaEine sehr interessante Fragestellung beim numerischen Modellierungen der Korona der Son-ne ist, in welchen Formen die Energie vorhanden ist und wie sie ineinander umgewandeltwerden.Da die Simulationen hier sehr vereinfachte physikalische Gleichungen verwenden (siehe

Abschnitt 3.2.1), wird nur die kinetische, die ohmsche und die magnetische Energie be-trachtet. Bei einer vollständigen Koronamodellierung würden zusätzlich die innere bzw.thermischen Energie hinzukommen. In den hier vorgestellten Simulationen gibt es nur ei-ne beständige Energiequelle: der Geschwindigkeitstreiber in der untersten Ebene. Dieserbewirkt eine Erhöhung der kinetischen und magnetischen Energie im unteren Rand. DieGeschwindigkeiten werden bei jedem Zeitschritt eingelesen und geben so eine stetige Zufuhran kinetischer Energie. Diese wird über die Viskosität in die darüberliegenden Schichtenweiter nach oben getragen. Durch die Verschiebung und die Änderung der räumlichen Ver-teilung des Magnetfeldes wird durch die Induktionsgleichung (2.33) neues Magnetfeld undneue magnetische Energie erzeugt. Diese Erhöhung der magnetischen Energie kann dannals Poyntingfluss bezeichnet werden und ist weitaus höher als die der kinetischen. Die Vis-kosität trägt mit ihrem hohen Wert von ν = 5 · 1010 m2/s die kinetische Energie nur sehrschlecht in die oberen Gitterebenen.Innerhalb der Box kann die magnetische Energie über die Lorentzkraft in kinetische,

oder über den Diffusivitätsterm der Induktionsgleichung in ohmsche Heizung, umgewan-delt werden. Die kinetische und magnetische Energie können Energie in beide Richtungenaustauschen. Die ohmsche Heizung dagegen wandelt sich nur in innere Energie um und istfür die Energietransformation innerhalb der Simulationsbox verloren. Die ohmsche Heizung

Energiewege in der Korona 65

Abbildung 5.20: Schematische Darstellung der Energiewege einer 3D-Simulation mit realistischenMHD-Gleichungen (Freundlicherweise zu Verfügung gestellt von S. Bingert, 2009).

steigt also stetig an und wird mit der Zeit um Größenordnungen höher sein als die anderenEnergieformen.Abbildung 5.20 zeigt eine schematische Darstellung des Energietransports in einer 3D-

Simulation mit realistischen MHD-Gleichungen. Dort wird die magnetische Energie stetigdurch den Poyntingfluss in die Simulationsbox gesteigert. Mit der kinetischen Energie kann,wie oben beschrieben, ein ständiger Austausch stattfinden und über die ohmsche Dissipationmagnetische in innere Energie umgewandelt werden. Innere Energie ist gleichbedeutend mitder thermischen Energie, also der Temperatur der Korona. Durch Strahlungsverluste wirdinnere Energie aus der Box abgegeben und ist für den Energiekreislauf verloren. In einerrealistischen Simulation der Korona sollte sich nach einer gewissen Anfangsphase ein stabilerZustand einstellen, in der ein großer Teil der Energie im Magnetfeld und der inneren Energiesteckt und nur ein kleiner Teil in der kinetischen Energie. In einem Gleichgewichtszustandsollte der Poyntingfluss identisch mit der Heizrate und den Strahlungsverlusten sein.Um diese Aussagen für die vereinfachten Simulationen zu überprüfen, sind die Steigerung

der kinetischen, magnetischen und ohmschen Energie über dem Poyntingfluss für die ge-samte Simulationszeit von 240 Minuten in Abbildung 5.21 gezeigt. Man sieht deutlich, dassnach einer kurzen Anfangsphase nahezu der gesamte Poyntingfluss in die ohmsche Heizungfließt. Nach den physikalischen Gesetzen darf die ohmsche Energie pro Zeitschritt nie denPoyntingfluss übersteigen, solange das Geschwindigkeitsfeld stetig eingelesen wird. Leiderkommt es aber durch numerische Ungenauigkeiten und die physikalischen Vereinfachungder Problematik zu Verhältnissen größer eins, die aber nie einen Wert von zwei übersteigen.Die Steigerung der magnetischen Energie fällt von den anfänglichen Werten von 1 bis

10 % kontinuierlich um zwei Größenordnungen auf 0.1 bis 0.01 % ab. Am Anfang fließtnoch einige Energie in den Aufbau magnetischer Strukturen, und sinkt dann aber im Laufeder Zeit auf ein Minimum. Die Steigerung der kinetischen Energie erhöht sich nach ca. 20bis 40 Minuten auf ein Maximum von bis zu 40 %, um dann in 240 Minuten auf 1 % zufallen.

66 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.21: Verhältnis der ohmschen Energie (durchgezogene Linie), der magnetischen Energie(gestrichelte Linie) und der kinetischen Energie (gepunktete Linie) pro Zeitschrittzum Poyntingfluss durch die vierte Gitterebene, aufgetragen über die Zeit. Auf derlinken Seite die Simulationen mit den tangentialen Feldern [1],[2],[4],[11] und derScherung [20], auf der rechten Seite die mit radialen Feldern [8],[9],[12] und derrealistischen Granulation [5].

Bezogen auf die verschiedenen Arten der Geschwindigkeitsfelder lässt sich kein gravieren-der Unterschied feststellen. Das Erreichen des Gleichgewichtszustandes, in dem nur wenigEnergie in das Magnetfeld und die Geschwindigkeiten fließt, sich aber die ohmsche Heizrateerhöht ist bei allen in dieser Arbeit verwendeten Simulationen fast identisch.

5.4 Speicherung magnetischer EnergieDie Verflechtung und Verschiebung der Fusspunkte der Magnetfeldlinien führt zu Rekon-nektion, die mit Hilfe der ohmschen Dissipation die solare Korona heizen kann. Aber diesführt auch zur einer erhöhten Magnetfeldspannung, die wiederum die magnetische Energiestetig erhöht. Zwar sinkt das Verhältnis der magnetischen Energie zum Poyntingfluss mitder Zeit und es fließt um zwei Größenordnungen mehr Energie pro Zeit in die ohmscheHeizung, aber es wird stetig neue Energie im Magnetfeld gespeichert.Wie in Abschnitt 5.3.2 zu sehen war, folgt die Entwicklung der Heizrate für alle Simulatio-

nen stark dem Poyntingfluss. Dies begründet sich mit dem Erreichen eines Gleichgewichts-zustandes, in dem die gleiche Menge an Energie sowohl in die Box als auch aus ihr hinausfließt. Die Entwicklung der magnetischen Energie ist nicht in dem Maße an den Poynting-fluss gekoppelt, wie die ohmsche Heizung. Die Speicherung kann deshalb viel sensibler aufdie verschiedenen photosphärischen Geschwindigkeitstreiber reagieren als der Poyntingflussoder die ohmsche Heizung.Abbildung 5.22 zeigt den zeitlichen Verlauf der magnetischen Energie für 9 verschiede-

ne Geschwindigkeitsfelder. Dabei wird in dieser Darstellung zwischen der gesamten ma-gnetischen Energie (durchgezogene Linie), der Energie eines magnetischen Potentialfeldes(gepunktete Linie) und der freien magnetischen Energie (gestrichelte Linien) unterschieden.

Magnetische Energie für einen Flare 67

Das magnetisches Potentialfeld ist das Feld, welches sich mit minimaler magnetischerEnergie auf dem photosphärischen zweidimensionalen Magnetfeld bilden könnte. Die freiemagnetische Energie bezeichnet die Differenz der beiden anderen Energien, also genau dieEnergie, die frei werden könnte.Man sieht eindeutig ein Unterschied der verschiedenen Simulationen. Die Felder mit der

realistischen Granulation [5] und den 2500 Granulen [12] weisen bei relativ geringem Poyn-tingfluss ein starken Anstieg der magnetischen Energie auf. Dort scheint, weniger Energiein die kinetische und ohmsche Energie zu fließen als bei tangentialen Feldern. Das bedeutet,dass granulenförmige Geschwindigkeitsstrukturen besser als tangentiale und andere unter-suchte Strukturen geeignet zu sein scheinen, um große Mengen an magnetischer Energie zuspeichern.Ein Grund dafür könnte die Veränderung der magnetischen Konfiguration in der Photo-

sphäre sein. Da die Energie des Potentialfeldes nur von dem Magnetfeld der Photosphäreabhängt, muss eine Änderung dieser durch eine Veränderung der magnetischen Konfigu-ration in der Photosphäre bewirkt worden sein. Betrachtet man unter diesem Aspekt diebeiden Abbildungen, so wird deutlich, dass die Simulationen mit den tangentialen Feldernnicht die Energien des Potentialfeldes erhöhen. Nur die Felder [20] und [4] können durchihre größeren Geschwindigkeiten die Energie des Potentialfeldes leicht steigern. Das heisst,diese Felder verändern die magnetische Konfiguration in der Photosphäre nicht in demMaße, dass sich die Energie des Potentialfeldes erhöht.Im Gegensatz dazu erhöht sich bei den Simulationen mit radialen Feldern die magnetische

Energie der Potentialfelder im gleichen Ausmaß wie die freie magnetische Energie. Dabeiwerden aber auch Unterschiede zwischen der Art der radialen Felder deutlich. Die höheder potentiellen Energie scheint sich an der größe der Strukturen zu orientieren. Die Feldermit großen Strukturen, wie eine einzelne Granule [9], erzeugen deutlich weniger Energie alsdie Felder mit kleineren Strukturen, wie [5] und [12]. Dieses Verhalten lässt sich dadurcherklären, dass radiale Strömungen Magnetfeldlinien trennen und von einander weg schieben.Tangentiale Strömungen verschieben nur Magnetfeldlinien und trennen keine. KleinskaligeStrukturen können so auch Magnetfeldlinien auf kleinen Skalen trennen. Dies erzeugt eineErhöhung der potentiellen Energie, die bei kleineren Skalen höher als bei großen ist.Dadurch ist nun auch verständlich, dass radiale Felder mehr Energie im Magnetfeld

speichern können als tangentiale. Die Speicherung von freier Energie ist bei den tangentialenFeldern zum Teil sogar höher als bei den radialen. Nur durch die Eigenschaft die potentielleEnergie erhöhen zu können erreichen die radialen Felder eine deutlich höhere Speicherungmagnetischer Energie als die tangentialen.

5.5 Magnetische Energie für einen FlareEin Flare ist eine große und energiereiche Explosion, in der ein Lichtblitz von ein biszwei Minuten Dauer entsteht. Die große Menge an freigesetzter Energie muss vorher imMagnetfeld gespeichert worden sein.Die vereinfachten Simulationen lassen sich gut dafür verwenden, um zu berechnen wie

lange es dauern würde, in einer Box von 50×50×30Mm3 die Energie von 1025 J für einentypischen großen Flare aufzubauen.

68 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

Abbildung 5.22: Magnetische Energie, aufgetragen über die Zeit für 9 verschiedene Simulationen.Auf der linken Seite die Simulationen mit den tangentialen Feldern [1],[2],[4],[11]und der Scherung [20], auf der rechten Seite die mit radialen Feldern [8],[9],[12] undder realistischen Granulation [5]. Die durchgezogene Linie repräsentiert die gesamtemagnetische Energie, die gepunktete die Energie eines magnetischen Potentialfeldes(siehe Text) und die gestrichelte die freie magnetische Energie.

Dazu lief eine Simulation mit dem realistischen Granulations-Feld über 2 Tage Sonnen-zeit. Es wurde nicht die gesamte magnetische Energie, sondern nur die freie magnetischeEnergie für die Analyse benutzt. Bei der Betrachtung der solaren Korona unterscheidet manzwischen der gesamten magnetischen, der freien magnetischen und der Energie des magne-tischen Potentialfeldes. Wie im Abschnitt 5.4 beschrieben ist das Potentialfeld das Feldmit der minimalen magnetischen Energie für vorgegebene Randbedingungen. Eine der ent-scheidende Randbedingungen ist das zweidimensionale Magnetfeld der Photosphäre, dennes bildet die Basis für eine Entwicklung des Potentialfeldes. Es kann nur magnetische Ener-gie frei werden, die nicht im Potentialfeld steckt, das ist der Grundzustand der Energie,die nicht unterschritten werden kann. Beobachtungen haben gezeigt, dass sich die Strukturdes Magnetfeldes in der Korona näherungsweise als Extrapolation der z-Komponente desphotosphärischen Magnetfeldes beschreiben lässt. Durch die Fußpunktbewegung der Gra-nulation und dem Geschwindigkeitstreiber der Simulation verändert sich mit der Zeit dieseKonfiguration und damit die Energie des Potentialfeldes.Die freie magnetische Energie ist diejenige, die über die Energie des Potentialfeldes hinaus

entsteht. Die Bewegungen des Plasmas und die elektrischen Ströme in der Korona veränderndie magnetischen Strukturen soweit, dass sie nicht mehr vollständig dem Potentialfeld folgenund somit neue magnetische Energie speichern können. Sollten sich nun die Ströme undPlasmabewegungen und damit die Magnetfeldkonfiguration ändern, kann diese gespeicherteEnergie wieder freigesetzt werden.Dies ist in den hier beschriebenen Simulationen aber nicht möglich, da die Energieglei-

chung nicht gelöst wird. Es kann aber abgeschätz werden, wie lange es dauern würde dienötige Energie für einen Flare zu sammeln. Dabei ist die freie Energie die obere Grenze, der

Magnetische Energie für einen Flare 69

im Flare freiwerdenden Energie: Für jeden Zeitschritt wird die freie magnetische Energieberechnet und über die Zeit von zwei Sonnentagen aufgetragen.Wie in Abbildung 5.23 zu erkennen, wird nach zwei Tagen die Energie von 1025 J nicht

erreicht, sondern nur etwa die Hälfte davon. Um die benötigte Zeit für die volle Ener-gie auszurechnen, wurden an der vorhandenen Kurve zwei verschiedene Extrapolationendurchgeführt. Die erste (im Plot mit blauen Punkten dargestellt) versucht mit einer Wur-zelfunktion eine Annäherung zu schaffen, da in den ersten Stunden die magnetische Energieeinen wurzelfunktionsförmigen Verlauf zu haben scheint. Aus dieser Annäherung ergibt sicheine Zeit von etwa 685 Stunden, also etwa 29 Tagen. Das hieße, man bräuchte ca. vier Wo-chen bzw. knapp einen Monat, um die nötige Energie aufzubauen, einen Flare erzeugen zukönnen.

Abbildung 5.23: Entwicklung der freien magnetischen Energie über die Zeit. An diese Kurve ist eineWurzelfunktion (blaue Punkte) und eine Gerade (rote Striche) angefittet. Damitlässt sich über die mögliche Zeit spekulieren, die benötigt wird, um die Energieeines Flares zu speichern. Aus der Extrapolation mithilfe einer Wurzelfunktionergibt sich ein Zeitspanne von knapp einem Monat, mithilfe einer Geraden eineZeitspanne von anderthalb Wochen.

Für die zweite Extrapolation wurde eine Gerade (in der Abbildung 5.23 rot gestricheltdargestellt) gewählt, da die magnetische Energie ab ca. zehn Stunden linear anzusteigenscheint. Somit erhält man einen um einen Faktor drei kleineren Wert von etwa 214 Stunden,entsprechend 9 Tagen. Nur ein- bis anderthalb Wochen würden also ausreichen, um dienötige Energie für einen Flare zu speichern.Zwar ist es schwer, zu messen und zu beobachten, wie lange die Sonne benötigt, um

die notwendige Energie in das Magnetfeld einzulagern, aber die allgemeine Häufigkeit unddas sehr plötzliche Auftreten dieser Phänomene, gepaart mit der engen Verknüpfung mitSonnenflecken und Aktiven Regionen suggeriert eine Größenordnung von einigen Tagenbis zu wenigen Wochen. Die in dieser Arbeit durchgefhrten Simulationen zeigen, dass dieEnergie von Flares tatsächlich durch die Fußpunktbewegungen der Photosphäre erzeugtwerden könnte.Außerden legen diese Simulationen dar, dass es mit der Verwendung eines Granularen

Feldes möglich ist, eine große Menge an Energie im Magnetfeld zu speichern. Modellen

70 Kapitel 5: Einfluss photosphärischer Geschwindigkeitsfelder auf die solare Korona

von CME- und Flare-Ausbrüchen wie von Antiochos et al. (1999) liegen zwei spezielle Sze-narien zu Grunde. Zum einen werden starke photosphärische Scherbewegungen benötigt,um allein die nötige Menge an Energie zu speichern. Zum anderen muss aber auch einespezielle magnetische Konfiguration vorliegen, dass ein CME bzw. Flare überhaupt aus-gelöst wird. Im Gegensatz dazu demonstriert die hier verwendete Simulation, dass einespezielle Scherbewegung nicht vorhanden sein muss. Eine reine Granulation reicht aus, umin einer realistischen Zeitspanne eine Energie eines Flares im Magnetfeld zu speichern. Esist aber weiterhin eine spezielle magnetische Konfiguration erforderlich, um den eigentli-chen Flare auszulösen. Bei zukünftigen Modellrechnungen sollte deshalb auf die spezielleScherbewegung verzichtet und versucht werden, die nötige magnetische Energie allein miteiner granularen Bewegung zu erzeugen. Der Fokus dieser Modelle sollte auf der speziellenmagnetischen Konfiguration liegen.

Kapitel 6

Diskussion und Fazit

Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss unterschiedlicher photosphärischer Geschwindigkeits-treiber auf die Strukturen der solaren Korona zu untersuchen. Die Struktur der Koronawird in erster Linie durch die Verschiebung und Verdrillung von Magnetfeldern bestimmt,dessen Ursache die photosphärischen Fußpunktbewegungen sind. Durch Rekonnektion derMagnetfeldlinien entsteht ohmsche Heizung, die für die hohen Temperaturen in der Koronaverantwortlich ist.Es ist also von zentraler Bedeutung, die Auswirkungen der photosphärischen Bewegun-

gen auf die Struktur der Korona zu verstehen. Außerdem ist es für numerische 3D MHD-Simulationen der Korona essentiell, die Reaktion der Korona auf die Art des verwendetenGeschwindigkeitsfeldes zu kennen. Lohnt es sich, zeitlich und numerisch aufwendige Treiberzu entwickeln, um die Granulation möglichst realistisch darzustellen oder genügt auch einvereinfachter, rudimentärer Treiber?Hierfür wurden neun verschiedene Geschwindigkeitsfelder erzeugt, fünf mit tangentialen,

drei mit radialen Feldern sowie eine Scherung. Diese wurden mit einem Geschwindigkeits-treiber verglichen, der eine realistische Granulation modellieren kann. Diese realistischeSimulation ist im Unterschied zu den für diese Arbeit erzeugten nicht statisch; mit der Zeitlösen sich die Granulen auf und entstehen neu. Das Geschwindigkeitsfeld ist damit zeitlichvariabel. Alle zehn Geschwindigkeitsfelder besitzen sehr ähnliche Geschwindigskeitsbeträgemit einem Maximum von 10 km/s. Zwei der erzeugten Felder haben im Verlgeich mit derrealistische Granulation eine sehr ähnliche Geschwindigkeitsverteilungen. Für die Simulati-on der Korona wurde ein 3D MHD Code, der PENCIL CODE, verwendet. Dabei werden dieGleichungen der Magnetohydrodynamik numerisch gelöst. Um mehrere Geschwindigkeits-felder testen zu können, musste die Simulationsdauer reduziert und ein vereinfachtes Modellverwendet werden. Es wurde nur die Bewegungsgleichung mit der Lorentzkraft sowie dieInduktionsgleichung verwendet, es gibt also keinen thermalen oder gravitativen Einfluss derKräfte. Die verschiedenen photosphärischen Geschwindigkeitsfelder wurden dann als unte-re Randbedingung in die Simulation eingefügt. Es wurde jeweils 240 Minuten Sonnenzeitmodelliert und ausgewertet.Als ersten Schritt wurde die räumliche Struktur der magnetischen und ohmschen Ener-

gie sowie das vertikale Magnetfeld in der Korona analysiert. Dabei war kein fundamentalerUnterschied der Strukturen zu erkennen. Die räumliche Verteilung der magnetischen undohmschen Energie ist in allen Simulationen sehr ähnlich. Sogar die Simulationen mit sehrähnlicher Verteilung der photosphärischen Geschwindigkeiten im Vergleich mit der realisti-schen Granulation bilden fast identische Strukturen aus, obwohl diese völlig andere Artenvon Geschwindigkeitsfeldern repräsentieren. Eine detaillierte Analyse der Strukturen ergab,

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72 Kapitel 6: Diskussion und Fazit

dass sich durch die physikalische Vereinfachung des Systems unrealistische Kreisströme umdie Aktiven Regionen bilden. Die Verfolgung der Magnetfeld- und Stromlinien ergab jedochkeine fundamentalen Unterschiede. Auch hier stimmten die drei Simulationen mit ähnlichenphotosphärischen Geschwindigkeiten sehr gut überein.Des Weiteren wurde der Abfall der Heizrate über der Höhe analysiert. Dabei ergab sich

das bemerkenswerte Ergebnis, dass die Heizrate exponentiell mit der Höhe in den Bereichenvon 10 bis 20 Megametern abfällt und in diesem Bereich eine für alle Simulationen sehrähnliche Skalenhöhe von ca. 10 Mm aufweist. Ein exponentieller Abfall der Skalenhöhedeckt sich mit anderen Simulationen von Bingert et al. (2009) und Gudiksen & Nord-lund (2005), Gudiksen & Nordlund (2002), sowie Beobachtungen von Koronalen Bögen vonAschwanden et al. (2001). Es liegt also nahe, dass die Skalenhöhe nicht von der Art desGeschwindigkeitsfeldes in der Photospäre abhängt.Untersuchungen des Poyntingflusses ergaben, dass es Unterschiede im zeitlichen Verlauf

des Poyntingflusses bei radialen und tangentialen Geschwindigkeitsfeldern gibt. Die tan-gentialen erreichen um einen Faktor zwei bis drei höhere Werte als die radialen. DiesesVerhalten läßt sich auch in der zeitlichen Entwicklung der ohmschen Heizrate erkennen.Der Unterschied beträgt jedoch mehr als ein Faktor 2.5 und ist damit sehr klein. Dieslegt nahe, dass auch bei der zeitlichen Entwicklung des Poyntingflusses und der ohmschenHeizung die Wahl des Geschwindigkeitsfeldes keinen signifikanten Unterschied bewirkt.Betrachtet man die zeitliche Energieverteilung, d.h. wieviel Energie fließt pro Zeitschritt

in die Heizrate, in die magnetische oder in die kinetische Energie, so erkennt man bei allenSimulationen dasselbe spezifische Verhalten. Bereits nach einigen Minuten wird der mitAbstand größte Teil in die ohmsche Heizung transportiert, während die magnetische unddie kinetische Energie stetig auf 0.1 beziehungsweise 1 Prozent abfallen.Die zeitliche Entwicklung der Speicherung von magnetischer Energie zeigt, dass die radia-

len Felder bei einem geringeren Poyntingfluss mehr Energie im magnetischen Feld speichernkönnen. Dies läß sich dadurch begründen, dass die radialen Felder durch das trennen vonMagnetfeldlinien die magnetische Konfiguration in der Photosphäre stark ändern und sodem Magnetfeld sehr viel mehr Energie zuführen. Dabei haben kleinskalige Bewegungengrößere Effekte als großskalige. Die Unterschiede der Felder überschreiten auch hier nieeinen Faktor von zwei.Zusammenfassend läßt sich sagen, dass sich die räumliche wie auch physikalische Struktur

der solaren Korona nicht signifikant durch die Art des Geschwindigkeitsfeldes beeinflussenläßt. Es ist also nicht nötig, koronalen Simulationen ein möglichst realistisches photosphä-risches Geschwindigkeitsfeld zugrunde zu legen. Vielmehr reicht ein statischer und verein-fachter Treiber aus, um eine fast identische Korona zu schaffen.Es muss aber in Betracht gezogen werden, dass die hier verwendete Simulation eine

sehr vereinfachte Form der solaren Korona darstellen, wodurch einige Phänomene nichtkorrekt berechnet werden konnten. Um dies zur überprüfen sollten weiterführend mit denverwendeten Geschwindigkeitsfeldern volle 3D MHD-Modellierungen berechnet werden.Eine weitere Erkenntnis ergibt sich aus der Speicherung der magnetischen Energie. Lässt

man eine Simulation nicht 240 Minuten, sondern fast 2 Tage berechnen, und extrapoliertman die zeitliche Entwicklung der magnetischen Energie, so zeigt sich, dass die vereinfachteSimulation nach nur neun Tagen die benötigte Energie von 1025 J für einen Flare aufbauenkann. Vergleicht man diese Simulationen mit CME- und Flaremodellen, dann zeigt sich,

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dass man keine spezielle magnetische Konfiguration oder ein spezielles Geschwindigkeitsfeldals Voraussetzung braucht, um die nötige Menge an Energie aufzubauen. Als granularesFeld ist eine reine Granulation ausreichend und es bedarf keine Scherbewegungen, um eineEnergie von 1025 J im Magnetfeld zu speichern. Trotzdem ist eine spezielle magnetischeKonfiguration weiterhin unerlässlich, die den Ausbruch des CMEs bzw. Flares auslöst unddamit diese Menge an Energie freisetzt.

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Danksagung

Mein allererster Dank gebührt meinem Betreuer PD Dr. Hardi Peter, der mich nicht nurwährend dieser Arbeit intensiv begleitete, er hat mir auch den Weg zur Faszination dersolaren Korona gezeigt. Seine überaus wissenschaftliche und natürliche Art hat mich sowohlfachlich als auch menschlich vorangebracht.Des Weiteren möchte ich der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg für die fachliche Grund-

steinlegung und Förderung sowie allen MitarbeiterInnen am Kiepenheuer-Institut für Son-nenphysik für die sehr gute fachliche und soziale Atmosphäre danken. Dabei denke ichbesonders an die von den Doktoranden organisierten sozialen Veranstaltungen.Ein Dank für die Unterstützung bei dieser Arbeit verdient Hans-Peter Doerr, Pia Zacha-

rias und Morten Franz und besonders Christian Behtge, der neben seiner umfangreichenorthographischen Korrektur und den telefonischen Weckanrufen, auch so eine sehr großeHilfe war.Ganz großer und speziellen Dank spreche ich Sven Bingert aus, der mich nicht nur in

die Thematik der numerischen MHD zur Simulation der Corona mit dem PENCIL CODEeingearbeitet hat, sondern niemals genervt war, wenn ich ihn mehr als oft mit Fragengelöchtert habe. Gerade meiner Schlussphase investierte er für die unterstürzende Kritikund Korrektur meiner Arbeit sehr viel Zeit, die er eigentlich gar nicht hatte.Außerdem danke ich Vincent Wächter und Sarah Grigo für ihre fächerübergreifende or-

thographischen Korrekturen meiner Arbeit.Großer Dank gilt aber auch neben meiner Familien, ohne die ein Studium am anderen

Ende Deutschland nie möglich gewesen wäre und die mich stets vertrauliche unterstützthaben, meinen Freundinnen und Freunde hier in Freiburg, Kiel und auf der ganzen Welt.Ihr wart da, wenn ich Euch gebraucht habe!

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