ein rückenmarkspräparat vom kaninchen

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Ein Rnokenmarkspraparat vom Kaninchen.' Von Carl Tigerstedt. (Aus dem physiologischen Institut der Universitat Helsingfors.) VOl' eimgen Jahren veroffentlichte Sherrington 2 eine Methode, urn den Kopf del' Katze zu entfernen, so daf ein vollstandig bewuBtloses, abel' dennoch lebendes Praparat erhaIten wurde, welches sich Iur die praktischen physiologischen Ilbungen del' Studierenden in hohem Grade eignete. Uber die Ausfiihrung del' Operation hat Sherrington folgende Beschreibung gegeben. The animal being deeply anresthetised with chloroform, a cannula is inserted into the trachea. Both common carotids are ligated. A trans- verse incision through the skin is made over the occiput and extended laterally close behind the pinna. The skin is retracted backwards so as to expose the neck muscles at the lever of the axis vertebra. The ends of the transverse processes of the atlas are then felt for and a deep incision made through the musculature just behind these processes. The large spinous process of the axis is notched with the bone forceps. A strong thick ligature is passed by a sharp-ended aneurism needle close under the body of the axis and is tied tightly in the groove left by the incision behind the transverse processes of the atlas and the notch made in the spinous process of the axis. This compresses the vertebral arteries where they pass from transverse process of axis to transverse process of atlas. A second strong ligature is then looped round the neck at the level of 1 Der Redaktion am 15. September 1914 zugegangen. 2 Sherrington, Journ. of physiol. 1909. Vol. XXXVIII. p. 375. Quarterly [ourn: of physiol. 1910. Vol. III. p. 209.

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Ein Rnokenmarkspraparat vom Kaninchen.'

Von

Carl Tigerstedt.

(Aus dem physiologischen Institut der Universitat Helsingfors.)

VOl' eimgen Jahren veroffentlichte Sherrington 2 eine Methode,urn den Kopf del' Katze zu entfernen, so daf ein vollstandig bewuBtloses,abel' dennoch lebendes Praparat erhaIten wurde, welches sich Iur diepraktischen physiologischen Ilbungen del' Studierenden in hohem Gradeeignete.

Uber die Ausfiihrung del' Operation hat Sherrington folgendeBeschreibung gegeben.

The animal being deeply anresthetised with chloroform, a cannulais inserted into the trachea. Both common carotids are ligated. A trans­verse incision through the skin is made over the occiput and extendedlaterally close behind the pinna. The skin is retracted backwards so asto expose the neck muscles at the lever of the axis vertebra. The endsof the transverse processes of the atlas are then felt for and a deep incisionmade through the musculature just behind these processes. The largespinous process of the axis is notched with the bone forceps. A strongthick ligature is passed by a sharp-ended aneurism needle close underthe body of the axis and is tied tightly in the groove left by the incisionbehind the transverse processes of the atlas and the notch made in thespinous process of the axis. This compresses the vertebral arteries wherethey pass from transverse process of axis to transverse process of atlas.A second strong ligature is then looped round the neck at the level of

1 Der Redaktion am 15. September 1914 zugegangen.2 Sherrington, Journ. of physiol. 1909. Vol. XXXVIII. p. 375.

Quarterly [ourn: of physiol. 1910. Vol. III. p. 209.

CARL TIGERSTEDT: EIN RticKENJlfARKSPRAPARAT VONI KANINCHEN. 55

the cricoid and is so passed as to include the whole neck except the trachea.Decapitation is then performed with an amputating knife passed fromthe ventral aspect of the neck through the occipito-atlantal space, se­vering the cord just behind its junction with the bulb. The ligatureround the neck is drawn tight at the moment of decapitation. The severedhead of the deeply narcotised animal is then destroyed. Hremorrhage isextremely slight. If there is oozing from the vertebral canal it is arrestedby raising the neck somewhat above the rest of the carcase. The carcassis placed on a small metal-topped table warmed by an electric lampbelow. Artificial respiration is employed. To ventilate the lungs, thefresh air supplied from the bellows being warmed by passing through achamber containing a small electric lamp. The skin flaps are stitchedtogether, covering the exposed end of the spinal cord and other struc­tures bared by the amputation wound. The carcase will continue forseveral hours to exhibit good reflexes employing the skeletal muscles,although the arterial blood-pressure is low, often not more than 80 mmHg. Reflexes on the arterial blood-pressure are usually obtainable butare poor.

The execution of the whole procedure occupies about six minutes.Obgleich die Rerstellung dieses Praparates, selbst in einer groBeren

Anzahl, zum Zwecke des praktischen Unterrichtes keineswegs als besonderslastig beirachtet werden kann, schien mir die Methode nichtsdestowenigeretwas zu kompliziert zu sein und ich habe seit dem Friihlingssemesterdieses Jahres bei dem physiologischen Praktikum folgendes, wesentlicheinfacheres Verfahren benutzt.

Bei der Ausarbeitung der vorliegenden Methode ging ich von derAnnahme aus, daB man imstande sein mulste, an kleineren Saugetierenmittels einer krartigen Quetschzange den Hals abzuklemmen, ohne einenennenswerte Blutung zu riskieren, indemdie in der nachstenNahederZange befindlichen, stark komprimierten Gewebe durch ihren Druck aufdie abgeklemmten GefaBe eine vollstandige oder so gut wie vollstandigeHamostase bewirken sollten.

Dies war in der Tat der Fall. Da aulserdem die Zange so schmalgemacht werden konnte, daB nur ein verhaltnismahig kleiner Teil desHalses des Tieres (Kaninchens) von ihr umfaBt wurde und infolgedessendiePraparation der Gefal3e und der Nerven am Halse wie sonst aus­gefiihrt werden konnte, wurde ein Praparat hergestellt, das sioh wenigstensfiir Unterrichtszwecke ebensoleistungsfahig als das RuokenmarkspraparatSherringtons envies.

56 CARL TIGERSTEDT:

Meine Quetschzange besteht aus zwei Teilen, namlich 1. del' eigent­lichen Zange und 2. dem Griff.

Die eigentlichc Zange (Fig. 1, a) ist ihrer Form nach am meisteneinem Zirkel ahnlich. Sie besteht aus zwei 14 cm langen, stahlernenSehenkeln, von einem Durchmesser von 5 bis 7 mm. An ihrem freien

o a.m. 'I

Fig-. l.

a. die Zange; b del' Griff.

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Ende sind diese Schenkel mit einem automatisch wirkenden Schlof ver­sehen, welches sich beim Zusammendriicken del' Schenkel schlielst,Geschlossen, lassen die Schenkel zwischen einander einen gleich breitenSpalt von 0·5 mm Breite offen. Die inneren Oberflachen del' Schenkelsind leicht abgerundet und Iein geriffelt.

Del' Griff (Fig. 1, b) hat im gro13en und ganzen die gleiche Formwie die eigentliche Za~e und besteht aus zwei 70 cm langen stahlernenBranchen mit einem Diameter von 2 em, Ihre zentralen Enden sind aufdel' Innenseite in del' Langsriehtung rinnenformig ausgestanzt und inden solcherart entstandenen Rinnen Iindet die eigentliche Zange Platz.Diese wird also vom Griff vollstandig umschlossen und ihre Achse Ialltmit del' des Griffes zusammen.

Die Praparation wird in folgender Weise ausgefiihrt.Nachdem das Kaninchen in Riickenlage am Operationstisch auf­

gebunden und in tiefe Narkose versetzt worden ist, wird die Tracheotomiemoglichst nahe del' oberen Brustapertur gemacht. Dabei darf die Haut­wunde nicht zu lang sein und VOl' allem nicht zu weit nach oben reichen,Wenn das Praparat von einem Anianger benutzt werden solI und Kaniilenin die Halsgefa13e eingebunden werden sollen, ist es zweckmalsig, dieseGefa13e schon jetzt zu praparieren und zu binden. Bei del' Entfernung

EIN RtiCKENMARKSPRAPARAT VOM KANINCHEN. 57

des Kopfes werden namlich die praparablen Teile der HalsgefaBe etwasverkiirzt, und dem Anfanger bereitet dann die Einfilhrung der KaniilegroBere Schwierigkeiten als sonst.

Nach Ausfiihrung dieser vorbereitenden Praparationen wird dieHautwunde geschlossen und dann der Hals des Tieres mit seinem oberstenTeil zwischen den offenen Schenkeln der eigentlichen Zange gelagert,der Kopf wird etwas flektiert, der Hals gestreckt und die Zange schlieb­lich durch den Griff kraitig zusammengedriickt, so daf das an der Zangeangebrachte Schlof geschlossen wird.

Jetzt wird mit der kiinstlichen Atmung angefangen, der Griff wirdentfernt, der Kopf des Tieres wird oberhalb der Zange weggeschnitten;das Praparat ist fertig.

Bei der Durchschneidung des Halses muf man die Ohren am Pra­parat bleiben lassen; unter ihrer Hilfe kann man dann unsehwer dasPraparat in seiner natiirlichen Stellung lagern.

Zuweilen entsteht bei der Abklemmung des Halses eine geringeBlutung in der Gegend des durch die Zange durchschnittenen Kehl­kopfes, was, wie es scheint, davon bedingt ist, daB del' Hautschnitt Iurdie Tracheotomie zu lang und die Hautwunde nicht richtig geschlossengewesen ist. Diese Blutung wird durch Kompression mit einem be­feuchteten Schwamm leicht gestillt; sollte dies aber nicht gelingen,wendet man eine gewohnliche hamostatische Pinzette an.

Da ja die Blutstillung durch den Druck der Gewebe auf die GefaBehergestellt wird, muf man bei der nach der Entfernung des Kopfes statt­findenden Praparation der Karotis eine gewisse Behutsamkeit beobachten,damit der periphere Stumpf des GefaBes nicht aus der Zange weggezogenwerden soll, Es hat sich dabei vorteilhaft erwiesen, in erster Linie einkurzes Stiick der Karotis am unteren Teil des Halses frei zu praparieren,Nachdem hier eine kleine Arterienklammer angelegt worden ist, kannder periphere Teil des GefaBes bis zu der Zange ohne jede Gefahr pra­pariert werden. Am peripheren Ende wird eine Ligatur gelegt, undnachdem das GefaB durch momentane Liiftung der Klammer mit Blutgefiillt worden ist, wird die Kaniile hineingefiihrt.

Fig. 2 zeigt einen Abschnitt eines Versuches, wo der Blutdruckmittels des Hg-Manometers registriert wurde. Die oberste Linie stelltden Blutdruck, die zweite die Abszisse, die dritte die Zeit in 21/ dar.

Wegen der Durchschneidung des Halsmuskels ist der Druck, wieanders nicht zu erwarten war, anfangs ziemlich niedrig, 27 mm Hg. Beia wurde in die V. jugularis 0 ·15 ccm Adrenalin (1 : 1000) injiziert. Einige

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Sekunden spater kommt eine bedeutende GefaBkontraktion zum Vor­schein und der Druck steigt schnell auf 134 mm Hg an.

Das Praparat eignet sich ubrigens Iur die verschiedensten Versuche.Bei Reizung des Vagus nimmt die Herzfrequenz ab und der Druck sinktdabei mehr oder weniger herab. Die Reizung des Splanchnikus treibt

« ««a..

Fig. 2.Blutdruek beim Ruckenmarksprdparat.

Bei a. Injektion von 0·15 cern Adrenalin (1: 1000). Auf '/2 verkleinert.

den Blutdruck in die Hohe, Nach Entfernung der vorderen Thoraxwandkonnen die Bewegungen des Herzens in allen Einzelheiten studiert werden.Auch konnen die Bewegungen der Gedarme und die Einwirkung desSplanchnikus auf dieselben studiert werden. SchlieBlich kann das Pra­parat zum Studium der Ruckenmarksreflexe benutzt werden.

Diese Methode, den Kopf auszuschalten, laEt sich naturlich nichtnur beim .Kaninchen, sondem auch bei anderen kleinen Tieren, wieKatzen, Tauben usw., anwenden.