ein blick auf die molekularebene

2
40 © Regina Beets-Tan aktuell Die Radiologie liefert wesentliche Grundlagen für die personalisierte Medizin Ein Blick auf die Molekularebene Sowohl in der frühzeitigen Diagnose als auch in der Auswahl und Überwachung der Therapie hat sich die Ra- diologie einen unverzichtbaren Platz geschaffen. Bildgebende Verfahren sind in der Lage, bis in die Moleku- larebene vorzudringen, können Abläufe darstellen und ermöglichen damit individuelle Behandlungslösun- gen, die besser wirksam sind und dem Patienten unnötige Nebenwirkungen ersparen. Optimale Nutzung, die Kombination verschiedener Methoden aber auch die Umsetzung in die klinische Praxis standen beim diesjäh- rigen Europäischen Radiologenkongress (ECR) Anfang März in Wien zur Diskussion. Die personalisierte Medizin, die auf die ganz individuellen Gegeben- heiten des jeweiligen Patienten und seiner Erkrankung abgestimmt ist, gilt derzeit als ideale Zielvorstellung, weg vom System des Krankheitsmanage- ments hin zum Patientenmanagement: „Die richtige Behandlung für den rich- tigen Patienten zur richtigen Zeit“, fass- te Prof. Gabriel P. Krestin, Präsident der Europäischen Radiologiegesellschaft (ESR) bei der Präsentation der High- lights des Kongresses zusammen. Die Personalisierung werde dabei von der Prävention bis zur Nachbehandlung zum Tragen kommen und die Bildge- bung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Zahlreiche biologische Veränderungen und Biomarker können identifiziert und gemessen werden, häufig bevor Symp- tome auftreten, womit der Ausbruch der Erkrankung möglicherweise recht- zeitig verhindert werden kann. Beispie- le sind etwa onkologische Erkrankun- gen aber auch Herz-Kreislauf- und neurologische Erkrankungen. Bildgebende Verfahren ermöglichen auch wie keine andere Methode die ge- naue Lokalisierung und Quantifizie- rung der Erkrankung, die Erkennung möglicherweise anderer betroffener Areale und Durchblutung, Stoffwech- sel und Diffusion innerhalb des er- krankten Gewebes. „Derartige Infor- mationen“, so Krestin „können für eine präzise Auswahl , Steuerung und Über- wachung der Behandlung verwendet werden.“ Allerdings sei es notwendig, das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Bildgebenden Verfahren in der mo- dernen Medizin zu heben. Gemeinsam noch stärker: Strahlentherapie und Radiologie Als eigenständige Fachrichtung steht die Strahlentherapie in enger Koopera- tion mit der Radiologie, die, so Prof. Re- gina Beets-Tan von der Maastricht Uni- versität, zu einer noch nie dagewese- nen Effizienz der neuen Methoden ge- führt hat. Die morphologischen und funktionellen Informationen, die mit der Bildgebung ermittelt werden, werden durch die intensitätsmodulierte Be- strahlungstherapie (IMRT) (Abb. 2) und das Dose-Painting (Abb. 1) genützt und optimal ergänzt. Dabei geht es vor al- lem darum, die Strahlenleistung mög- lichst intensiv nur in das Zielgebiet ein- zubringen und das gesunde Gewebe zu schonen. Erreicht wird dies durch die nun mögliche abgestufte Dosierung der Strahlung je nach dem Bedarf der unter- schiedlichen Areale – dem Tumor selbst, dem Sicherheitsabstand im tumorum- gebenden Gewebe und Regionen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen. Parame- trische Bildgebung (parametric ima- ging) ermöglicht die Programmierung der Bestrahlung innerhalb eines Rasters, der für jedes Segment eine andere Do- sierung zulässt. Der Nutzen für den Pa- tienten ist klar: Höchste Wirksamkeit mit geringst möglichen Nebenwirkungen. Damit orientieren sich die beiden stark Technik ausgerichteten Disziplinen gleichzeitig verstärkt am Patienten, so Beets-Tan. Die weiter verbesserte Zu- sammenarbeit zwischen den beiden Fä- chern müsse vorangetrieben werden. Nutzen und Möglichkeiten von PET-MRT Der Aspekt der Zusammenarbeit zwi- schen den einzelnen Fächern und Be- rufsgruppen wird in der Radiologie schon seit geraumer Zeit immer wieder betont. Im diagnostischen und thera- peutischen Netzwerk stellt der Radiolo- ge ein wesentliches Bindeglied dar. Zu- sätzliche Informationen müssen jeweils im interdisziplinären Board auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse hinsichtlich der weiteren Vorgehenswei- se entschieden werden. Mit der Kombi- nation der Positronen-Emissions-Tomo- graphie (PET) und der Magnetresonanz- tomographie (MRT) in einer Einheit kön- nen noch exaktere morphologische und funktionelle Informationen gewonnen werden als mit der Kombination PET-CT. Die Kombination von PET und MRT kann beispielsweise, so Prof. Heinz-Peter Schlemmer, Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidel- berg, die Tumorerkennung verbessern, weil die Läsion sowohl auf dem mor- phologischen als auch auf dem meta- bolischen Bild mit einer noch nie dage- wesenen Sensitivität zu sehen ist. Ganz- körper PET-MRTs sind bereits kommer- ziell erhältlich und eignen sich, so Schlemmer, besonders für neurologi- sche, kardiovaskuläre und onkologische Fragestellungen. Allerdings müsse ge- Abb. 1: Zielgenau mit Dosepainting | Wiener klinisches Magazin 2 · 2013

Post on 12-Dec-2016

215 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Ein Blick auf die Molekularebene

40

© R

egin

a Be

ets-

Tan

aktuel l

Die Radiologie liefert wesentliche Grundlagen für die personalisierte Medizin

Ein Blick auf die MolekularebeneSowohl in der frühzeitigen Diagnose als auch in der Auswahl und Überwachung der Therapie hat sich die Ra-diologie einen unverzichtbaren Platz geschaffen. Bildgebende Verfahren sind in der Lage, bis in die Moleku-larebene vorzudringen, können Abläufe darstellen und ermöglichen damit individuelle Behandlungslösun-gen, die besser wirksam sind und dem Patienten unnötige Nebenwirkungen ersparen. Optimale Nutzung, die Kombination verschiedener Methoden aber auch die Umsetzung in die klinische Praxis standen beim diesjäh-rigen Europäischen Radiologenkongress (ECR) Anfang März in Wien zur Diskussion.

▬▬ Die personalisierte Medizin, die auf die ganz individuellen Gegeben-heiten des jeweiligen Patienten und seiner Erkrankung abgestimmt ist, gilt derzeit als ideale Zielvorstellung, weg vom System des Krankheitsmanage-ments hin zum Patientenmanagement: „Die richtige Behandlung für den rich-tigen Patienten zur richtigen Zeit“, fass-te Prof. Gabriel P. Krestin, Präsident der Europäischen Radiologiegesellschaft (ESR) bei der Präsentation der High-lights des Kongresses zusammen. Die Personalisierung werde dabei von der Prävention bis zur Nachbehandlung zum Tragen kommen und die Bildge-bung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Zahlreiche biologische Veränderungen und Biomarker können identifiziert und gemessen werden, häufig bevor Symp-tome auftreten, womit der Ausbruch der Erkrankung möglicherweise recht-zeitig verhindert werden kann. Beispie-le sind etwa onkologische Erkrankun-gen aber auch Herz-Kreislauf- und neurologische Erkrankungen.

Bildgebende Verfahren ermöglichen auch wie keine andere Methode die ge-naue Lokalisierung und Quantifizie-

rung der Erkrankung, die Erkennung möglicherweise anderer betroffener Areale und Durchblutung, Stoffwech-sel und Diffusion innerhalb des er-krankten Gewebes. „Derartige Infor-mationen“, so Krestin „können für eine präzise Auswahl , Steuerung und Über-wachung der Behandlung verwendet werden.“ Allerdings sei es notwendig, das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Bildgebenden Verfahren in der mo-dernen Medizin zu heben.

Gemeinsam noch stärker: Strahlentherapie und RadiologieAls eigenständige Fachrichtung steht die Strahlentherapie in enger Koopera-tion mit der Radiologie, die, so Prof. Re-gina Beets-Tan von der Maastricht Uni-versität, zu einer noch nie dagewese-nen Effizienz der neuen Methoden ge-führt hat. Die morphologischen und funktionellen Informationen, die mit der Bildgebung ermittelt werden, werden durch die intensitätsmodulierte Be-strahlungstherapie (IMRT) (Abb. 2) und das Dose-Painting (Abb. 1) genützt und optimal ergänzt. Dabei geht es vor al-lem darum, die Strahlenleistung mög-lichst intensiv nur in das Zielgebiet ein-zubringen und das gesunde Gewebe zu schonen. Erreicht wird dies durch die nun mögliche abgestufte Dosierung der Strahlung je nach dem Bedarf der unter-schiedlichen Areale – dem Tumor selbst, dem Sicherheitsabstand im tumorum-gebenden Gewebe und Regionen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen. Parame-trische Bildgebung (parametric ima-ging) ermöglicht die Programmierung der Bestrahlung innerhalb eines Rasters, der für jedes Segment eine andere Do-sierung zulässt. Der Nutzen für den Pa-

tienten ist klar: Höchste Wirksamkeit mit geringst möglichen Nebenwirkungen. Damit orientieren sich die beiden stark Technik ausgerichteten Disziplinen gleichzeitig verstärkt am Patienten, so Beets-Tan. Die weiter verbesserte Zu-sammenarbeit zwischen den beiden Fä-chern müsse vorangetrieben werden.

Nutzen und Möglichkeiten von PET-MRTDer Aspekt der Zusammenarbeit zwi-schen den einzelnen Fächern und Be-rufsgruppen wird in der Radiologie schon seit geraumer Zeit immer wieder betont. Im diagnostischen und thera-peutischen Netzwerk stellt der Radiolo-ge ein wesentliches Bindeglied dar. Zu-sätzliche Informationen müssen jeweils im interdisziplinären Board auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse hinsichtlich der weiteren Vorgehenswei-se entschieden werden. Mit der Kombi-nation der Positronen-Emissions-Tomo-graphie (PET) und der Magnetresonanz-tomographie (MRT) in einer Einheit kön-nen noch exaktere morphologische und funktionelle Informationen gewonnen werden als mit der Kombination PET-CT. Die Kombination von PET und MRT kann beispielsweise, so Prof. Heinz-Peter Schlemmer, Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidel-berg, die Tumorerkennung verbessern, weil die Läsion sowohl auf dem mor-phologischen als auch auf dem meta-bolischen Bild mit einer noch nie dage-wesenen Sensitivität zu sehen ist. Ganz-körper PET-MRTs sind bereits kommer-ziell erhältlich und eignen sich, so Schlemmer, besonders für neurologi-sche, kardiovaskuläre und onkologische Fragestellungen. Allerdings müsse ge-

Abb. 1: Zielgenau mit Dosepainting

| Wiener klinisches Magazin 2 · 2013

Page 2: Ein Blick auf die Molekularebene

© R

egin

a Be

ets-

Tan

Quelle: Pressekonferenz ECR 2013, 7. März 2013, Wien

aktuel l

nau betrachtet werden, wieweit diese Methode im klinischen Alltag relevant ist. Denn: Die Verfügbarkeit ist derzeit noch sehr eingeschränkt und die Me-thode sehr kostenintensiv. Demgegen-über stehen Untersuchungen wonach

sich in 64 Prozent der Fälle die Therapie durch Erkenntnisse aus MR und PET-CT ändert. Der Ersatz des CT durch die MRT in der Kombination mit PET wäre für den Patienten jedenfalls schonender, da sich damit die Strahlenbelastung reduziert. Der klinische Vorteil sei gegeben, so Schlemmer: „Wir glauben, dass die Me-thode wertvoll für den Patienten ist.“

Am Flughafen ersetzt Mikrowelle die Röntgenstrahlung Das Thema Strahlenbelastung stand auch im Zusammenhang mit den Si-cherheitsscannern vor allem im Bereich der Flughäfen auf dem Programm des diesjährigen 25. ECR in Wien: So hat die EU jüngst die Röntgenscanner verbo-ten, die nun durch andere Scanner mit nicht-ionisierenden Mikrowellen ersetzt werden. Allerdings ist selbst bei den Röntgenscannern die Dosis derart ge-ring, dass sie vergleichbar ist mit zwei

Minuten in einem Flugzeug in Reisehö-he. Die biologischen Auswirkungen sind dennoch unbekannt. Die Skepsis gegen-über den Röntgenscannern, die die menschliche Körperoberfläche sehr de-tailgenau darstellen, bezieht sich jedoch nicht nur auf die Strahlenbelastung son-dern vor allem auch auf die Verletzung der Privatsphäre. Darüber hinaus benö-tigen sie mehr Zeit als die nicht-ionisie-renden Scangeräte auf Mikrowellenba-sis. Auf kleineren Flughäfen in den USA werden die Röntgenscanner allerdings noch einige Zeit im Einsatz sein, stellte Prof. Peter Vock, Abteilung für Radiolo-gische Diagnostik am Universitätsspital Bern, fest.

ki

Abb. 2: Die intensitätsmodulierte Bestrah-lungstherapie ermöglicht eine optimale Behandlungsplanung.