dynamisches verhalten, simulation und regelung einer flüssig/flüssig-extraktionskolonne

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Synopse 2067 Dynamisches Verhalten, Simulation und Regelung einer Flussig/Flussig-Extraktionskolonne* Harry Hufnagl und Eckhart BlaB** 1 Problemstellung In den vergangenen Jahren wurden groBe Anstrengungen unter- nommen, das Stromungsgeschehen und den Stoffaustausch in Flussig/Flussig-Extraktionskolonnen zu modellieren. Obwohl vie- le Details noch immer ungelost sind, ist es doch gelungen, Modelle und darauf aufbauend Berechnungsprogramme zu entwickeln, mit denen eine Simulation des stationaren Betriebes von Flussigl Flussig-Extraktionskolonnen in vielen Fallen moglich ist. Der Einsatz der Kolonnen im Verbund mit anderen Apparaten inner- halb einer chemischen Anlage wirft jedoch auch Fragen hinsicht- lich des dynamischen Verhaltens auf, die mit stationaren Simula- tionsprogrammen nicht beantwortet werden konnen. Ziel der hier angestellten Untersuchungen ist es deshalb, ein dynamisches Simulationsmodul fur FlussiglFliissig-Extraktionsko- lonnen in einem chemischen Anlagensimulator zu implementie- ren. Zur Unterstutzung der dynamischen Modellierung wurden experimentelle Untersuchungen an einem Ruhrzellenextraktor vorgenommen. Dabei zeigte sich, daB auch die Art der Regelung des Phasentrennspiegels in der Abscheidekammer einen bedeuten- den EinfluB auf das dynamische Verhalten des Extraktors ausuben kann . Die Untersuchungen umfassen sowohl das Storverhalten nach sprungformigen Storungen der Zulaufstrome und -konzentratio- nen in einem stationaren Betriebszustand als auch das An- und Abfahrverhalten des Extraktors. Mit Unterstutzung durch den Simulator wurde eine Regelung fur die Raffinatkonzentration entwickelt und experimentell getestet. 2 Versuchsaufbau Das dynamische Verhalten von Fliissig/Flussig-Extraktionskolon- nen wurde anhand einer Kuhni-Extraktionskolonne (d~ = 150 mm, hK = 2,5 m) experimentell untersucht. Abb. 1 zeigt schema- tisch den Versuchsaufbau. Zur Aufzeichnung der Konzentrations- verlaufe sind 6 Probenentnahmen entlang der Kolonne installiert, aus denen kontinuierlich ein kleiner Probenstrom abgezweigt wird. Die Entnahme aus dem aktiven Kolonnenteil erfolgt mittels spezieller Sonden, die ein getrenntes Abziehen der beiden Phasen ermoglichen. Zur Charakterisierung des dynamischen Verhaltens der fluiddyna- mischen Zustandsparameter wurden die zeitlichen Verlaufe des Hold-up (Differenzdruckmessung) und der TropfengroBe (photo- elektrische Absaugsonde) gemessen. Als eine weitere, fur die Dynamik der Kolonne bedeutende MeBgroBe envies sich der aus der Kolonne austretende Volumenstrom an kontinuierlicher Pha- se. Er dient der Grenzschichtregelung in der oberen Abscheide- kammer als StellgroBe. Storungen, die zu einer Veranderung der Trennspiegellage fuhren, ziehen somit auch eine Storung des ~~ ~~~ * Vortrag von H. Hufizagl auf dem Jahrestreffen der Verfahrens- Ingenieure, 25. bis 27. Sept. 1991 in Koln. ** Dip].-Ing. H. Hufnaglund Prof. Dr.-Ing. E. BZafl, Lehrstuhl A fur Verfahrenstrechnik, TU Munchen, Arcisstr. 21, 8000 Miin- chen 2. - disperse Phose - kontinuierliche Phose I----- I I I I L--+zJ- A+ CYBER cc I b : Konzentrationsrnessung dp : Tropfengr@3enmessung MU : Me5stellenumschalter Tr : Traceraufgabe E : Holdupmessung d Abb. 1. Versuchskolonne mit MeRtechnik. Phasenverhaltnisses nach sich. Der Volumenstrom wird deshalb rnit einem Schwebekorper-DurchfluBmesser mit clektrischem Ausgang gemessen. Die axiale Vermischung der beiden Phasen kann mittels impuls- formiger Tracer-Zugaben von Farbstoff (organische Phase) oder Kochsalz (waRrige Phase) und Messung der Tracer-Ausbreitung zwischen zwei stromabwarts liegenden MeBstellen ermittelt wer- den. Die Farbstoff- bzw. Salzkonzentration wird mittels Messun- gen des Streulichtes oder der elektrischen Leitfahigkeit analysiert. Alle MeBsignale werden auf ein auf PC-Basis aufgebautes MeRda- tenerfassungssystem iibertragen, wo sie weiter ausgewertet und archiviert werden. 3 Dynamische Modellierung Die Modellierung des Kernteils der Extraktionskolonne erfolgt mit dem Dispersionsmodell. Die Abscheidekammern, deren Ein- fluB auf das dynamische Verhalten nicht vernachlassigt werden darf, werden gesondert als Mischer- bzw. Totzeitelemente model- liert. Fur den Kernteil des Extraktors wurden zwei unterschiedli- che Versionen des Dispersionsmodells programmiert. Die einfachere Version, Modell 1, rechnet rnit quasistationarer Fluiddynamik, d. h. die fluiddynamischen Modellparameter folgen den sich andernden Eingangsgrohen ohne dynamisches Eigenver- halten. Es ergeben sich somit fur ein differentielles Hiihenelement aus dem Bereich der Kolonnenmitte die bekannten partiellen Differentialgleichungen nach dem Dispersionsmodel I. 742 ~~~ ~ Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 8, S. 742-743 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1992 0009-286X/92/0808-0742 $ 03.50 + .2510

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Page 1: Dynamisches Verhalten, Simulation und Regelung einer Flüssig/Flüssig-Extraktionskolonne

Synopse 2067

Dynamisches Verhalten, Simulation und Regelung einer Flussig/Flussig-Extraktionskolonne*

Harry Hufnagl und Eckhart BlaB**

1 Problemstellung

In den vergangenen Jahren wurden groBe Anstrengungen unter- nommen, das Stromungsgeschehen und den Stoffaustausch in Flussig/Flussig-Extraktionskolonnen zu modellieren. Obwohl vie- le Details noch immer ungelost sind, ist es doch gelungen, Modelle und darauf aufbauend Berechnungsprogramme zu entwickeln, mit denen eine Simulation des stationaren Betriebes von Flussigl Flussig-Extraktionskolonnen in vielen Fallen moglich ist. Der Einsatz der Kolonnen im Verbund mit anderen Apparaten inner- halb einer chemischen Anlage wirft jedoch auch Fragen hinsicht- lich des dynamischen Verhaltens auf, die mit stationaren Simula- tionsprogrammen nicht beantwortet werden konnen. Ziel der hier angestellten Untersuchungen ist es deshalb, ein dynamisches Simulationsmodul fur FlussiglFliissig-Extraktionsko- lonnen in einem chemischen Anlagensimulator zu implementie- ren. Zur Unterstutzung der dynamischen Modellierung wurden experimentelle Untersuchungen an einem Ruhrzellenextraktor vorgenommen. Dabei zeigte sich, daB auch die Art der Regelung des Phasentrennspiegels in der Abscheidekammer einen bedeuten- den EinfluB auf das dynamische Verhalten des Extraktors ausuben kann . Die Untersuchungen umfassen sowohl das Storverhalten nach sprungformigen Storungen der Zulaufstrome und -konzentratio- nen in einem stationaren Betriebszustand als auch das An- und Abfahrverhalten des Extraktors. Mit Unterstutzung durch den Simulator wurde eine Regelung fur die Raffinatkonzentration entwickelt und experimentell getestet.

2 Versuchsaufbau

Das dynamische Verhalten von Fliissig/Flussig-Extraktionskolon- nen wurde anhand einer Kuhni-Extraktionskolonne ( d ~ = 150 mm, hK = 2,5 m) experimentell untersucht. Abb. 1 zeigt schema- tisch den Versuchsaufbau. Zur Aufzeichnung der Konzentrations- verlaufe sind 6 Probenentnahmen entlang der Kolonne installiert, aus denen kontinuierlich ein kleiner Probenstrom abgezweigt wird. Die Entnahme aus dem aktiven Kolonnenteil erfolgt mittels spezieller Sonden, die ein getrenntes Abziehen der beiden Phasen ermoglichen. Zur Charakterisierung des dynamischen Verhaltens der fluiddyna- mischen Zustandsparameter wurden die zeitlichen Verlaufe des Hold-up (Differenzdruckmessung) und der TropfengroBe (photo- elektrische Absaugsonde) gemessen. Als eine weitere, fur die Dynamik der Kolonne bedeutende MeBgroBe envies sich der aus der Kolonne austretende Volumenstrom an kontinuierlicher Pha- se. E r dient der Grenzschichtregelung in der oberen Abscheide- kammer als StellgroBe. Storungen, die zu einer Veranderung der Trennspiegellage fuhren, ziehen somit auch eine Storung des

~~ ~~~

* Vortrag von H . Hufizagl auf dem Jahrestreffen der Verfahrens- Ingenieure, 25. bis 27. Sept. 1991 in Koln.

** Dip].-Ing. H. Hufnaglund Prof. Dr.-Ing. E. BZafl, Lehrstuhl A fur Verfahrenstrechnik, TU Munchen, Arcisstr. 21, 8000 Miin- chen 2.

- disperse Phose - kontinuierliche Phose I - - - - - I I

I I L--+zJ- A+

CYBER

cc I b : Konzentrationsrnessung dp : Tropfengr@3enmessung MU : Me5stellenumschalter Tr : Traceraufgabe E : Holdupmessung d

Abb. 1. Versuchskolonne mit MeRtechnik.

Phasenverhaltnisses nach sich. Der Volumenstrom wird deshalb rnit einem Schwebekorper-DurchfluBmesser mit clektrischem Ausgang gemessen. Die axiale Vermischung der beiden Phasen kann mittels impuls- formiger Tracer-Zugaben von Farbstoff (organische Phase) oder Kochsalz (waRrige Phase) und Messung der Tracer-Ausbreitung zwischen zwei stromabwarts liegenden MeBstellen ermittelt wer- den. Die Farbstoff- bzw. Salzkonzentration wird mittels Messun- gen des Streulichtes oder der elektrischen Leitfahigkeit analysiert. Alle MeBsignale werden auf ein auf PC-Basis aufgebautes MeRda- tenerfassungssystem iibertragen, wo sie weiter ausgewertet und archiviert werden.

3 Dynamische Modellierung

Die Modellierung des Kernteils der Extraktionskolonne erfolgt mit dem Dispersionsmodell. Die Abscheidekammern, deren Ein- fluB auf das dynamische Verhalten nicht vernachlassigt werden darf, werden gesondert als Mischer- bzw. Totzeitelemente model- liert. Fur den Kernteil des Extraktors wurden zwei unterschiedli- che Versionen des Dispersionsmodells programmiert. Die einfachere Version, Modell 1, rechnet rnit quasistationarer Fluiddynamik, d. h. die fluiddynamischen Modellparameter folgen den sich andernden Eingangsgrohen ohne dynamisches Eigenver- halten. Es ergeben sich somit fur ein differentielles Hiihenelement aus dem Bereich der Kolonnenmitte die bekannten partiellen Differentialgleichungen nach dem Dispersionsmodel I .

742 ~~~ ~

Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 8, S. 742-743 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1992 0009-286X/92/0808-0742 $ 03.50 + .2510

Page 2: Dynamisches Verhalten, Simulation und Regelung einer Flüssig/Flüssig-Extraktionskolonne

Kontinuierliche Phase:

Disperse Phase:

Die Leerrohrgeschwindigkeiten der Phasen sind langs der Kolonne konstante, von auRen vorgegebene GroBen. Storungen in der dispersen Phase breiten sich aber mit der Aufstiegsgeschwindigkeit der Tropfen durch den Apparat aus und sind somit nicht schlagartig im gesamten Kolonnenraum wirksam. Ebenso wirken sich Storun- gen in der kontinuierlichen Phase auf die Tropfenbewegung und den Hold-up aus. Es kommt folglich zu zeitlichen und ortlichen Ungleichverteilungen des Hold-up und der Phasengeschwindig- keit. In einer erweiterten Version, Modell 2, wurden deshalb die Phasenstrome in Abhangigkeit von der Phasenrelativgeschwindig- keit und dem ortlich vorliegenden Hold-up berechnet. Bezuglich der Herleitung und Diskussion der Modellgleichungen sei auf die Langfassung verwiesen. Die beiden Modelle wurden in den dynamischen Anlagensimulator DIVA') eingebettet.

4 Ergebnisse

Die Versuche zeigen, daB sich Storungen an verschiedenen Orten des Extraktors unterschiedlich auswirken. Dabei werden Storun- gen, die eine Verschiebung der Trennspiegellage verursachen, zusatzlich von den Stelleingriffen des Grenzschichtreglers uberla- gert. Bei grol3erenVolumenstromstorungen erwies sich der Grenz- schichtregler im Hinblick auf ein schwingungsarmes Ubergangs- verhalten als storend. Dies kann aber durch eine Modifikation der StellgroRe vermieden werden. Die Simulation des instationarenverhaltens der Extraktionskolon- ne spiegelt die experimentellen Ergebnisse im allgemeinen gut wieder. Das einfachere Modell eignet sich zur Simulation von Konzentrations- und Volumenstromstorungen um einen stationa- ren Betriebspunkt des Extraktors. Lediglich bei groBeren Volu- menstromstorungen oder Anfahrvorgangen treten deutlichere Abweichungen zwischen den beiden Modellvarianten auf.

1) Die Modellierung und Programmierung wurde in Zusammen- arbeit mit dem Institut fiir Systemdynamik und Regelungstech- nik der Universitat Stuttgart (Prof. Cilles ) durchgefuhrt.

Die Konzentrationsregelung wurde mit einer einfachen Feedback- Regelschleife und einem PI-Regler realisiert . Die Regelung envies sich bei allen untersuchten Storarten zur Ausregelung von Regel- abweichungen in der Raffinatkonzentration als geeignet . Zur Verringerung der MeBtotzeit in der Raffinatkonzentration, die durch das in der unteren Abscheidekammer eingeschlossene Volumen bedingt ist, wurde ein MeBort im aktiven Kolonnenbe- reich als RegelgroBe ausgewahlt . Dadurch ergeben sich bleibende Abweichungen in der Raffinatkonzentration, die aber durch die Positionierung der MeRstelle an den Rand des aktiven Kolonnen- bereiches gering gehalten werden konnen.

Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Projekts BL82/17 finanziell gefordert .

Eingegangen am 27. Januar 1992 -

Formelzeichen

volumenspezifische Phasenflache Konzentration der Stoffubergangskomponente Partikeldurchmesser Dispersionskoeffizient Hohe Molenstrom Zeit Leerrohrgeschwindigkeit Volumenstrom Stoffdurchgangskoeffizient , bezogen auf die disperse Phase Hold-up

Indices c kontinuierliche Phase d disperse Phase

Schliisselworter: Fliissig/Flussig-Extraktion, dynamisches Verhal- ten, Simulation, Regelung.

Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 8, S. 742-743 743