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K. H. Tiegelkamp, Uber Vergnderungen im Unterkiefer- und Gelenkbereich usw. 447

Aus der kieferorthop~idisehen AbteiIung (Leiter : Prof. DI'. reed. H. W u n der e r ) der Westdeutschen Kieferklinik (Komm. Direktor: Pzof. ]3r. Dr. J. G e r ke)

der Medizinischen Akademie Diisseldorf

{]ber Ver/inderungen im Unterkiefer- und Gelenkbereich im Verlauf der kieferorthopiidischen Behandlung

Von K. H. Tiegelkamp, Diisseldor~

Mit 13 Abbildungen

Die im Verlauf einer kieferorthop~idischen Behandlung eintretenden Ver- /~nderungen im Kausys tem stellen sieh kliniseh dureh eine i~nderung in der Stellung einzelner Z/ihne sowie in der Lagebeziehung zwisehen den Z/ihnen des Ober- kiefers und denen des Unterkiefers dar. Diese Ver/inderungen kommen dureh einen unter dem EinfluB der verwendeten kieferorthop/idisehen Apparatur statt- findenden Gewebeumbau zustande.

W/~hrend in frfiherer Zeit die Ansieht A n g l e s , dab die erzielten Ver/~nde- rungen einzig und allein auf einen par~dent.alen Gewebeumbau zurfiekzuffihren sind, vorherrsehte, wissen wir heute naeh eingehenden histologisehen Unter- suehungen (C. B r e i t n e r , K. H / i u p l , R. P s a n s k y ) und r6ntgenologisehen bzw. kephalometrisehen Untersuehungen (W. G r o s s m a n n , O. H o f f e r , K o r k h a u s , R. M. R i e k e t t s , G. S t e i n h a r d t u .a . ) , dab diese Ver/mderungen vor allem auch dureh Umbauvorg/inge im Kiefergelenkbereieh bedingt sind.

G. S t e i n h a r d t vertr i t t die Auffassung, dab die haupts/iehliehsten Gelenk- ver/inderungen nieht am Tubereulum artieulare, sondern im Bereieh der Gelenk- k6pfe stattfinden. Hiernaeh kommt es im Verlauf einer RfiekbiBbehandlung zu einer Aufbiegung der Ineisura. semilunaris, bei der Progeniebehandlung zu einer Verringerung des Abstandes zwisehen dem Proeessus eondyloideus und Processus eoronoideus.

K. HI/tupl dagegen /iugerte bereits seit langem die Ansieht, dab sieh diese Umbaugesehehen nieht nur am Gelenkkopf, sondern aueh am Gelenkh6eker nnd ill der Tiefe der Pfanne abspielen, wobei den Vergnderungen im Bereieh des Gelenkh6ekers und der Grube in bezug auf eine Stellungsvergnderung des Unter- kiefers die gr6Bere Bedeutung zukomme. Wghrend bislang keine einsehlggigen histologisehen Befunde am Mensehen erbraeht werden konnten, gelang es k/irzlieh K. I t g u p l und i~. S t e l l m a e h , erstmals diese Umbauvorggnge an einem kiefer- orthop~diseh behandelten Pat ienten mit R o b i n - Syndrom histologiseh naeh- zuweisen.

Der histologisehe Naehweis des kieferorthop~tdisehen Gelenkumbaues am Mensehen ist erkl/trlieherweise sehr sehwierig, da alas entspreehende Unter- suehungsmaterial nur h6ehst selten zu gewinnen ist. Eine andere M6gliehkeit, auBerhalb des Paradentiums sieh abspielende Umbaugesehehen im Verlauf einer kieferorthop/~disehen Behandlung zu erfassen, bieten kephalometrisehe Studien an Hand yon Fernr6ntgenseitenbildern. Die erhobenen Befunde haben zwar auf Grund der dem R6ntgenverfahren anhaftenden Fehlerquellen nieht die Beweis-

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kraft der histologischen Befunde. Doch geben sie uns einen Einbliek in die Ver- ~nderungen des Kausystems, die im Verlauf einer kieferorthop/~disehen Behand- lung eintreten. Andererseits wird der Aussagewert des Fernr6ntgenbildes dadureh wesentlieh erh6ht, dab die Umbauvorggnge im Gelenkbereieh nun bereits histo- logiseh naehgewiesen sind. Diese Ver/mderungen mfissen natfirlieh ein entspre- ehendes Ausmal~ erreiehen, um im Fernr6ntgenbild megbar in Erseheinung zu treten.-Ein Vorteil des Fernr6ntgenbildes liegt darin, dab es uns AufsehluB fiber die gesamten VerKnderungen innerhalb des Kausystems geben kann.

Bei der vergleiehenden Beurteilung der Fernr6ntgenbilder ein und desselben Pat ienten sind selbstverst/~ndlieh die im Einzelfall untersehiedliehen waehstums- bedingten Ver/inderungen zu bertieksiehtigen. Mitunter ist es sehr sehwierig, diese yon den dureh kieferorthop/idisehe Behandlung hervorgerufenen Ver/in- derungen zu unterseheiden.

Hinzu kommt das Problem der Verwendung geeigneter Bezugslinien oder Punkte zum Vergleieh zweier oder mehrerer in versehiedenen Zeitabst/tnden an- gefertigten Fernr6ntgenseitenbilder. Bisher wurde yon einer groften Zahl yon Autoren eine Reihe yon Linien, Winkeln und Punkten hinsiehtlich ihrer dies- bez/igliehen Eignung erprobt. Es ergab sieh, dab alle Teile des Seh/idels im Ver- lauf der Waehstumsvorggnge Gr6Ben- und Lagever/inderungen unterliegen, so dab es unm6glieh war, einen oder mehrere Fixpunkte zu finden, die auf Grund ihrer Unver/~nderliehkeit w/ihrend der Seh/~delentwieklung als Bezugspunkte zu Vergleiehszweeken herangezogen werden k6nnten.

A. M. S e h w a r z fordert mit Reeht, dab man zur kephalometrisehen Unter- suehung des Gebisses nut solehe Punkte als Bezugspunkte nehmen dfirfte, die innerhalb des Kausys tems liegen. I m Gegensatz zu G. K o r k h a u s , tier den Ver- lauf der Oberkiefergrundebene und der Gaumenkurvatur als ziemlieh best/indig ansieht, ver t r i t t J. G e r k e auf Grund seiner Untersuehungsergebnisse die Auf- fassung, dab w/ihrend der Gebig- und Seh/idelentwieklung gerade das Mittel- gesieht yon mitunter ausgepr/~gten Ver'Xnderungen betroffen werden kann, eine Feststellung, die dureh eigene diesbezfigliehe Befunde best/itigt wurde.

Bei den vorliegenden Untersuehungen wurde zum Zweeke der 1)bereinander- lagerung der Fernr6ntgenseitenbilder die NS - - d i e Nasion-Sella-Gerade - - als Bezugsebene genommen. Sie gilt. immer noeh als die verl~gliehste, obwohl aueh ihre beiden Bezugspunkte, das Nasion und die.Sella tureiea, Ver/~nderungen dureh Umbauvorg/~nge im Bereieh der Sutura nasofrontalis und der Sutura spheno- oecipitalis sowie der Pneumatisat ion der Sinus frontales unterliegen k6nnen, worauf vor allem J. B a u m e hinweist.

Verfasser hat te Oelegenheit, an dem yon W. G r o s s m a n n geleiteten Ortho- dontic Depar tment des Universi ty College Hospital in London Fernr6ntgenseiten- bilder yon 100 Patienten vor Behandlungsbeginn und wfihrend bzw. naeh Ab- sehlug der kieferorthop/~disehen Behandlnng eingehend zu untersuehen.

Weitere 40 F/~lle standen aus der kieferort.hop/klisehen Abteilung der West- deutsehen Kieferklinik, Dfisseldorf, zur Auswertung zur Verfiigung.

I m Rahmen vorliegender Arbeit soll - - unabh/ingig vom Behandlungserfolg - fiber Ver/~nderungen, die im Bereieh des Unterkiefers und des Kiefergelenkes ge- funden wurden, beriehtet werden. Sie beziehen sieh auf Stellungsver/inderungen des Unterkiefers und auf Anderungen in der Formgebung der Mandibnla im Ver- lauf der kieferorthop/~disehen Behandlung und geben einen Hinweis auf die M6g- liehkeiten einer Einflugnahme auf die natiirliehen Waehstumsvorg/inge mit tIilfe kieferorthop~diseher Apparaturen.

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B e f u n d e b e z i i g l i e h d e r L a g e v e r g n d e r u n g d e s U n t e r k i e f e r s

Die k|inisch feststellbaren, imVerlauf einer kieferorthop/idisehen Behandlung eingetret.enen ver/indert.en Lagebeziehungen zwisehen unteren und oberen Seiten- zghnen k6nnen dureh vorwiegend paradentalen Gewebeumbau, dureh Um- bauvorggnge im Kiefergelenkbereieh oder gleiehzeitige paradent.ale und extra- paradentale Umbaugesehehen bedingt sein. Die im folgenden vorgelegten kephalometrisehen Befunde befassen sieh vornehmlieh mit den extraparadentalen Umbauvorggngen, um zu zeigen, welehe Bedeutung diesen Gesehehen bei einer Ver/inderung der mesiodistalen Lagebeziehungen der unteren zur oberen Zahnreihe zukommt. K6nnen wir in einem diesbeziigliehen Fall mit vergnderter mesio- distaler Lagebeziehung der Seitenzghne Stellungsvertinderungen yon Z/ihnen in- folge paradentalen Gewebeumbaues weitgehend aussehalten, so mug eine Ver- lagerung des ganzen Unterkieferk6rpers dureh Umbaugesehehen im Kiefer- gelenkbereieh stattgefunden haben. Diese im Verlauf einer kieferorthop/idisehen Behandlung eingetretene Lagevergnderung des Unterkiefers zum Oberkiefer kann, vorausgesetzt, dab sie ein megbares Ausmag angenommen hat, im Fern- r6ntgenseitenbild im allgemeinen ohne Sehwierigkeit naehgewiesen werden. Aller- dings daft der Zeitraum zwisehen der Aufnahme zu Behandlungsbeginn und der zweiten Aufnahme nieht zu grog sein, um waehstumsbedingte Veriinderungen der Mandibula im Sinne einer Verlgngerung des UnterkieferkSrpers, die zu einer Vorverlagerung des zahntragenden Alveolarfortsatzes ftihrt, auszusehliegen.

Zum Naehweis k6nnen also nur Fglle herangezogen werden, bei denen w/ihrend des Beobaehtungszeitraumes keine Gr6genvergnderungen des Unterkieferk6rpers stattgefunden haben. Die Zahl der zur Verfiigung stehenden diesbeztigliehen F/ille ist verhgltnismgBig klein, da im allgemeinen wegen der unzumutbaren Strahlen- belastung des einzetnen Patienten wohl h6ehstens Fernr6ntgenbilder vor Be- handlungsbeginn und naeh AbsehluB der Behandlung und nur selten Bilder in kiirzeren Zeitabst/inden angefertigt werden.

Zungehst sei Bin Behandlungsfall mit einer Riieklage des Unterkiefers und einer sagittalen Sehneidezahnstufe vorgestellt.

Abb. 1 zeigt die iibereinandergelagerten Durehzeiehnungen der Fernr6ntgen- bilder des Patienten vor Behandlungsbeginn und naeh dreimonatiger kiefer- orthopgdiseher Behandlung. In dieser relativ kurzen Zeit haben sieh die Lage- beziehungen der Ziihne des Unterkiefers und des Oberkiefers in dem Sinne zu- einander gegndert, dab die unteren Seitenziihne naeh 3 Monaten gegentiber den oberen mehr vorliegen. Gleiehfalls ist die Sehneidezahnstufe geringer geworden. Der Unterkiefer hat sieh in seiner Gesamtheit naeh vorn gelagert. Zur Klgrung der Frage, in welehem Bereieh des Unterkiefers sieh die Umbauvorggnge zu seiner Vorverlagerung abgespielt haben, wurden die beiden Durehzeiehnungen nun so tibereinandergelegt, dab sieh die Konturen des Unterkieferk6rpers zur Deekung bringen liegen (Abb. 2). Es ergibt sieh eindeutig, dab eine Verlgngerung des auf- steigenden Unterkieferastes stattgefunden hat, wghrend der Unterkieferk6rper in seiner Gr6Be gleiehblieb. Der Unterkiefer ist also durch kieferorthopgdisehe Umbauvorggnge, die zu einer Verl/ingerung des Gelenkhalses fiihrten, in seiner Gesamtheit naeh vorn verlagert worden.

Eine paradentale Verschiebung der Oberkieferzghne naeh r/iekwgrts hat nicht stattgefunden. Ebenso konnte keine ~'Iesialverdrgngung der unteren Zahnreihe fest.gest.ellt werden.

Es k6nnte hier der Einwand erhoben werden, dab in dem vorliegenden Falle eine Verl~ingerung des aufsteigenden Unterkieferastes im Verlauf der regulgren

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Entwieklung aueh ohne kieferorthop/idisehe Behandlung stattgefunden h/it{e. Selbstverstgndlieh kommt es im Rahmen der waehstumsbedingten Ver/inde- rungen im Bereieh des Unterkiefers zu einer Verl/tngerung sowohl seines hori- zontalen als auch vertikalen Anteiles. Das Wesentliehe, worauf es in diesem Zu- sammenhang ankommt, ist die Erfahrmlgstatsaehe, dab bei einer derartigen Kieferfehlbihlung ein in Riieklage befindlieher Unterkiefer sieh kaum yon selbst im Verlauf des ~Vaehstums naeh vorn verlagert, um sp~ter eine Neutrallage ein-

i i i

A b b . 1 A b b . '2

A b b . 1. ( " b e r e i n a n d e r g e l a g e r t e D t t r e h z e i c h l l U l l g e l l v o n F l / S - B i l d e r n t i n e s z u B e h a l l d l u n g s b e g i l l n 12.8 J a h r e a l t e n P a t i e n t e n ( o r i e n t i e r t n a e h d e r N a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

28. 7. 1 9 5 3 . . . . . . . . . . 26. 10. 1953 B e h a n d l u n g s f a l l N r . 2 0 3 4 , L o n d o n

t l - N e i g u n g 83 ~ 83 ~ N S : O K - L i i n g e 1 : 0 ,69 1 : 0 ,69 S p P - N e i g u n g 84 ~ 85 ~ U n t e r k i e f e r l i i n g e I s t : 68 11111| l ~ t : 68 m m 3 i P - N e i g u n g 55 ~ 55 ~ S o l l : 72 m m S o l l : 72 m m B a s i s - E b e n e n w i n k e l 29 ~ 30 z 3[T~ : 3 [T~ 7 : 4 ,9 a u f s t e i g e n d e r A s t l i i n g e r 7 : 5 , 4 5 K i e f e r w i n k e l 128 ~ 1::10 ~ A e h s e n n e i g u n g . I 1 I 75 ~ 75 ~ N S a - W i n k e l 77 ~ 7 8 ~ A e h s e n n e i g u n g I"1"1 8 3 ~ 83~ N S b - W i n k e l 71 ~ N S b g r 6 B e r 74 ~

A b b . 2. l ' b e r e i n a n d e r g e l a ~ e r t e D u r e h z e i e h n u n g e n ~ o n F R S - B i l d e r n t ies Pati('nten t ie r A b b . 1 ( o r i e n t i e r t n a e h d e r U n t e r k i e f e r b a s i s )

28. 7. 1 9 5 3 - 2 6 . 1 0 . 1953 3 I a l l e r k e n l l t d i e V e l ' l S l l g e r u l l g d e s a u f s t e i g e n d e n l l l t ~ ' r k i e f e r a s t e s

zunehmen. Wenn wir also wie im vorliegenden Falle im Verlauf einer kiefer- orthop/idisehen Behandlung eine Lagever/inderung des Unterkiefers festgestellt haben, ohne dab eine paradentale Versehiebung yon Oberkiefer- und Unterkiefer- z/ihnen oder Verlgngerung des Unterkieferk6rpers vorlag, so ist dies einzig und allein auf Umbaugesehehen im Kiefergelenkbereieh zuriiekzufiihren. Der Unter- kiefer ist unter dem Einflug einer kieferorthop/idisehen Apparatur in seiner Ge- samtheit verlagert worden. Weleher Art diese Ver/tnderungen sind, ob der auf- steigende Ast lgnger wurde oder die ganze Gelenkpfanne gewandert ist, mag zungehst yon sekund/irer Bedeutung sein.

I m folgenden sei t in Klasse-I I t l -Fal l mit einem RfiekbiB um eine Pr~molaren- breite vorgestellt. Abb. 3 zeigt die/ibereinandergelagerten Durehzeiehnungen der

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tPernrOnt,ge~lbilder vor Behandlungsbeginn und 14 Monate spgter. Die 8ehneide- zahnstufe hat. sieh wghrend dieser Zeit verringert. Die La.gebeziehung der Seiten- zghne zueinander ist. in dem Sirme ver/inderL daG jet~zt die unteren gegen/iber den oberen relativ mehr vorn liegen. Die Oberkiefer-Grundebene hat sieh in ihrem frontalen Bereieh naeh unten verlagert. Die oberen Frontz/ihne sind gaumenwgrts gekippt. Die Unterkieferzghne liegen mehr vor. ebenso das kn6eherne Kinn. Das Kiefergelenkk6pff, hen ist tiefer getreten.

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A b b , 3 A l l b . 4

A b b . 3. [ ' b e r o h l a n d e r g o l a g e r t e ] ) u r c h z e i c h n u n g e n Y o n F i l S - B i l d e r n e i n e r z u I / e h a n d l u n g s b e g i l l n 11 .2 aahre a l t e n ] ' a t i e n t i n ( o r i e n t i e r t n a e h t i e r N a s i o n - S e l l a - O e r a d e n )

13. 12. 1 9 5 5 . . . . . . . . . . . 1 4 . 2 . 1957 B e h a n d h m g s f a l l X r . 1 9 3 5 , Dfisseldorf

H - N e i g u n g ,q3 ~ G e l e n k tiet~'r ge t r0 tm~ 85 ~ N $ : O K - L f i n g e 1 : 0 . 73 1 : 0 , 7 3 S p P - N e i g u n g 7(t ~ l l e t r o i n k l i n a t i o n 77 ~ Unterkieforl~nge Ist: 71 m m ][st: 71 m m

verstiirkt S o i l : 68 m m S o l l : 69 n u n M P - N t , i ~ u n ~ 48 e 47 ~ 3 I T i : 3][T~ 7 : 4 ,6 7 : 4 ,6 B a s i s - E b e n e n w i n k e l :~1 z 30 ~ Achsenneigung ~ 5a~ Ii--13aumenw/irt~ g e k i p p t 70 e K i e f e r w i n k e l 131 ~ 1 3 2 ~ A c h s e n n e i g u n g 11"~ 88 ~ 88 ~ N S a - W i n k e l 79 r 78 c N S b - W i n k e l 70 ~ 70 ~

A b b . 4. [ ' b e r e h m n d e r m ' I a g e r t e 1 ) u r c h z c i c h m m m ! n y o n F R S - B i l d e r n der Patientin der A b b . 3 ( o r i e n t i e r t n a c h dcr Unterkiefl~rbasis)

13. 12. 1 9 5 5 . . . . 1 4 . 2 . 1957 ])iC llllt(~I'l'll Zii}llIO ~il ld ; I t l l d e r U n t o r k i o f o r b a s i s n a e h u v e r l a ~ e r t . D i e (;r01ae des gesnl~lten I;nterkiefers

b l i e l l gleieh

In der Abb. 4 simt (tie Durehzeiehnun.gen desselben FMles dergestall fiber- eiaandergelegt, dab sich (tie Konturen des Urlterkiefers deeken. Die unteren Zghne haben sieh auf der Unterkieferbasis etwas naeh vorn gesehoben (paradent, Mer Umbau). Die Gr6Ge des gesamten Unterkiefers blieb gleieh. Die Mandibula hat sJeh also im Veriauf tier Behandlung naeh unten und vorn verlagert (artikulgrer Umbau) .

Eine Dorsalverlagerung des Unterkiefers im Verlauf einer kieferorthop'adisehen Behandhmg bei einem Patienten mit einer progenen Verzahnurtg zeigen die fiber-

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eittandergelagerten Durehzeiehnungen der Fernr6Iltgenbilder in Abb. 5. Na'eh 5 Monaten bestand ein regelreehter FrontzahniiberbiB. Die Verzahnung im Mo- larenbereieh hatte sieh yon einer Neutral- zu einer Distalokklusion ge/indert. Die oberen Frontz/ihne sind etwas naeh labial gekippt, die oberen Molaren stehen mehr mesial. Der ganze obere Zahnbogen wurde also naeh vorn verdr/tngt. Der Unter- kiefer hat sieh gleiehzeitig naeh dorsal verlagert. Das Kiefergelenk steht etwas h6her.

2t

A b b . 5 A b b . 6

A b b . 5. t ' b e r e i n a n d e r g l ? l a g e r t e D u r c h z e i c h n m l g e n y o n F R S - B i l d e r n e im: s z u B e h a n d l u n g s b e g i n n 7,8 J a h r e a l t e n P a t i e n t e n ( o r i e n t i e r t n a c h d e r N a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

- 19. 1. 1 9 5 1 . . . . . . . . . . 15 . 6. 1954 B e h a n d l u l t g s f i f l l N r . 2 1 5 9 L o n d o n

H - N e i g u n g 88 ~ G e l e n k e t w a s h 6 h e r 86 ~ N S : O K - L f i n g e l : 0 , 69 I : 0 , 69 S p P - N e i g u n g 90 ~ 89 ~ U n t e r k i e f e r l ~ i n g e I s t : 74 m m 1st : 74 m m M P - N e i g u n g 61 ~ 60 ~ S o l l : 69 m m S o l l : 71 m m B a s i s - E b e n e n w i n k e l 29 ~ 29 ~ M T 1 : M T 2 7 : 4 , 9 A u f s t e i g e n d e r A s t l i i n g e r 7 : 5,1 K i e f e r w i n k c l 123 ~ K i e f e r w i n k e l e t w a s 126 ~ A e h s e n n e i g u n g l 1 I 72 ~ ] 1 I l i p p e n w i i r t s g e k i p p t 67 ~

g r61 te r A c h s e m m i g u n g [ ' ~ 91 ~ [ ' ~ z u n g e n w i i r t s g e k i p p t 95 ~ N S a - W i n k e l 81 ~ 81 ~ N S b - W i n k e l SO ~ N S b k l e i n e r 78 ~

A b b . 6. i ~ ' b e r e l n a n d e r g e l a g e r t e D u r e h z e i c h n u n g e n ~,'Oll F R S - B i l d e r n d e s P a t i e n t e n d e r A b b . 5 (o r i en t i ( ! r t na( .h d e r U n t e r k i e f e r b a s i s )

19. 1. 1 9 5 4 . . . . . . . . . . . 15. 6. 1954 D e r a u f s t e i g e n d e 17n te rk ie f t , r a s t v e r l i i n g e r t e s i ch . D i e u n t e r e n F r o n t z i i h n e W l l r d e n Z l l l l gPnwi i r t s g e k i p p t

Ein Aufeinanderlegen der Konturen des Unterkiefers (Abb. 6) ergibt keine Gr6genver/tnderung des Unterkieferk6rpers, aber eine Verl/ingerung des aufsteigen- den Astes. Die unteren Frontzghne sind zungenwgrts gekippt. Auf Grund des vor- liegenden Befundes k6nnen wir also neben der Mesialbewegung der oberen Ziihne als Folge eines paradentalen Gewebeumbaues eine Rfickverlagerung des gesamten Unterkiefers dutch Umbauvorggnge, die sich im Gelenkbereich abgespielt haben, annehmen. Auf einen wesentlichen Befund sei hier aufmerksam gemacht.

Bei einem Vergleich der beiden Durchzeichnungen in Abb. 5 zeigt sich, dais das Kiefergelenkk6pfchen nach einer fiinfmonatigen kieferorthop/tdisehen Be- handlung relativ h6her steht als vor Behandlungsbeginn. Diese Vergnderung des Gelenkstandes wurde im vorliegenden Untersuchungsgut in einigen Fallen be-

K. H. Tiegelkamp, Ubcr Ver~inderungen im Unterkiefer- und Gelenkbereich usw. 453

obachtet. Nachdem K. H/~u p 1 in seinen histologischen Untersuehungen Gewebe- umbaugesehehen rticht nur im Bereieh des Gelenkk6pfehens, sondern aueh in der Tiefe der Gelenkgrube naehgewiesen hat, diirfen wit' auf Grund dieser Befunde die M6gliehkeit einer sotehen Lagever/~nderung des Gelenkk6pfchens mit. einem entspreehenden Umbau der Gelenkgrube in Erw/~gung ziehen.

Ein weigerer einschl/igiger Fall, bei dem das Gelenkk6pfchen naeh 15monatiger Behandlungszeit relativ h6her stand als zu Behandlungsbegilm, sei nun vorgestellt.

2 ~

Abl) . 7

J

A b b . 8

A h b . 7. ( ] b e r e i n a n d e r g e l a g e r t e I l u r e h z ~ ' i e h n u n g e n r o l l F l l S - B i l d e r n e i n e s z u B e h a n d h m g s b e g i m ~ 9 ,4 Jahre a l t e n P a t i e n t e n (orientiert naeh der N a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

31. 7. 1 9 5 6 . . . . . . . 15. 10. 1957 Jdehandlungsfall N r . 2 6 6 8 , L o n d o n

H - N e i g u n g 90 ~ (,~elenk e twas hbher 88 ~ N S : O K - L ~ t n g e 1 : 0 , 67 1 : 0 ,67 S l ) P - N e i g u n g 87 ~ S e h w e n k u n g d e s 84 e Unterkieferl'Snge Ist: 64 m m l s t : 64 i n t o

Oberkiefers S o i l : 70 m m S o i l : 70 m m 3 [ P - N e i g u n g 63 ~ M a n d i b u l a r P h m e 60 ~ 3IT~ 31T~ 7 : 5 ,4 Aufs te igender Ast 7 : 5 ,9

steiler l ~ n g e r B a s i ~ - E b e n e n w i n k e l 24 ~ 2 4 ~ A e h s e n n e i g u n g 1 1 1 40 ~ ~ s e h r s t a r k g a u - 79 ~ Kieferwinkel 1 '27 ~ 128 ~ menw/~rt s g e k i p p t N S a - W i n k e l 85 ~ 8 4 ~ A c h s e n n e i g u n g I1"~ 82 ~ 1 " ~ l i i ) p e n w / i r t s g c k i p p t 76 ~ N S b - \ V i n k e l 78 ~ N S b etwas kleiner 76 ~

A b b . 8. t ~ b e r e i n a n d e r g e l a g e r t e ] ) u r e h z e i e h n u n g e l ~ . r o l l F R S - B i l d e r n des Pat i en ten der A b b . 7 (orientiert n a e h der Vnterkieferbasis )

31. 7. 1 9 5 6 . . . . . . 15. 10. 1957 1)er a u f s t e i ~ ( ! n d e Kl~terkieferast wurde verl/ingert, die m l t e r e ] l F r o n t z f i h n e l ippenw~rts gek ippt

Abb. 7 zeigt, die iibereinandergetagerten Durchzeiehnungert der Fernr6nt.genbilder eines Patienten mit einer ausgepr/igten Klasse II '1. Die stark protrudiert stehen- den oberen Frontzghne wurden im Verlauf der aktiven Behandlung ausgiebig zurtiekgekippt. Die Lagebeziehung der Seehsjahrmolaren zueinander erseheint kaum ver/indert. Dureh die starke Einwgrtskippung der oberen Front wurde der Unterkiefer in seinem vorderen Anteil naeh unten und gleiehzeitig aueh gering- gradig naeh dorsal verlagert. Das Oelenkk6pfchen steht, am Schlug der Behand- lung etwas h6her, was ohne Zweifel auf kieferorthopgdisehe Umbaugesehehen im Gelenkbereich zuriiekzuffihren ist.

454 Fortschritte der Kieferorthop~idie ]~d. 23 H. 3 u. 4 (1962)

Bringen wir die beiden Durchzeichnungen ent lang der Unterkieferbasis zur Deekung (Abb. 8), so erkennen wir eine Verl/ingerung des aufsteigenden Unter- kieferastes. Im Bereieh des Unterkieferk6rpers fanden mit Ausnahme einer gering- gradigen Vorkippung der unteren Frontz/thne keine Verfinderungen statt.

W/thrend in den beiden vorhergehenden Ftillen das H6hertreten des Gelenkes im Verlauf der kieferorthop/idischen Behandlung mit einer Verl~ingerung des auf- steigenden Unterkieferastes einherging, sei im folgenden nun ein Fall mit einer lediglieh zeitweiligen Verlagerung des Gelenkk6pfchens vorgestellt.

A b b . 9 A b b . 10

A b b . 9. i ~ b e r e i n a n d e r g e l a g e r t e D t l r e h z e i e h n t l n g e n ~,'Oli F R S - B i h l e r n eines Yatienten vor ] 3 e h a l l d l u l l g s b t , g i l l n url( l n a c h v i e r w 6 c h i g e r k i e f e r o r t h o p / i d i s e h e r ] 3 e h a n d l u n g (orientiert naeh der N a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

15. 1. 1957 1 5 . 2 . 1957 B e h a n d l u n g s f a l l N r . 2 3 7 7 , Dtisseldorf, Alter 8,7 Jahre

I I - N e i g u n g 84 ~ G e l e n k etwas h6her 83 r N S : O K - L / i n g e 1 : 0 . 7 0 1 : 0 .70 S p P - X e i g u n g 86 ~ 86 ~ Unterkieferltinge 1st : 66 r a i n I s t : 6 6 r a m 3 I P - N e i g u n g 58 a 57 ~ S o l l : 66 m m S o i l : 66 mm B a s i s - E b e n e n w i n k e l 28 ~ 20 ~ 3IT~ : 31T.~ 7 : 5 ,01 7 : 5 ,01 K i e f e r w i n k e l 128 ~ 128 ~ A e l l s e n n e i g u n g . I[.LJ 85 ~ [ I l l v o r g e k i l ) l ) t 82 ~ N S a - W i n k e l 81 ~ 8 1 ~ A c h s e n n e i g u n g I - i " l s 7 ~ I-i-I z u r f i e k g e k i p p t 90 ~ N S b - W i n k e l 78 ~ N S b k l e i n e r 75 ~

A b b . 10. L~bereinandergelagerte DtIrehzeiehnungen y o n F R S - B i I d e r n d e s P a t i c i ~ t e n d e r A b b , 9 m l e h v i e r ~ 6 e h i g e r k i e f e r o r t h o p / i d i s c h e r B e h a n d l u n g u n d n a e h ] 3 e h a n d l u n g s a b s c h l u ( 3 ( o r i e n t i e r t n a c h der X a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

1 5 . 2 . 1957 . . . . . . . . 22 . 12. 1959

H - N e i g u n g 83 ~ G e l e n k wieder et- N S b - W i n k e l 75 c N S b w i e d e r ~r0t~er 77 ~ w a s t i e f e r 8J, ~ N S : O K - L / i n g e 1 : 0 70 1 : 0 , 70

S p P - N e i g u n g 86 ~ A n t e i n k l i n a t i o n d e s 88 ~ Unterkie/brliinge Ist: 66 111111 I.~t : 70 mm Gebisses verstiirkt So l i : 66 t o n i So l l : 68 l l l i l l

3 l P - N e i g u n g 57 ~ M P f l a c h e r 60 ~ 3IT~ 3IT., 7 : 5 ,01 7 : 5 ,01 B a s i s - E b e n e n w i n k e l 29 ~ 28 ~ A e h s e n l l e i g u n g I l l 8'2 ~ ~ v o r g e k i P l ) t 69 c K i e f e r w i n k e l 128 ~ K i e f e r w i n k e l k l e i n e r 1 2 5 ~ A e h s e n n e i g u n g I ' ~ ' l 90 ~ I T ] v o r g e k i p p t 81" X S a - W i n k e l 81 ~ 82 ~

Abb. 9 zeigt die fibereinandergelagerten Durchzeichnungen der Fernr6ntgen- bilder eines Patienten mit einer progenen Verzahnung zu Behandlungsbeginn und naeh vierw6ehiger kieferorthop/idiseher Behandlung. Im Verlaufe dieser relativ kurzen Zeit wanderten alle Z/thne des Oberkiefers nach vorn. Der Unterkiefer ver- lagerte sich in t, oto nach dorsal. Das Getenkk6pfchen steht jetzt h6her. Die Gr613e des Unterkiefers und das Lageverhgltnis yon Unterkieferzghnen zur Basis blieben unver~ndert. Unter dem Einflul~ der zur Anwendung gelangten Apparatur, eines

K. H. Tiegelkamp, L'ber Ver~inderungen im Unterkiefer- und Gelenkbereich usw. 455

Aktivators naeh A n d r e s e n- H g u p 1, wurde der Unterkiefer in seiner Gesamtheit zurfiekgedr/ingt und hierbei das Gelenkk6pfehen naeh oben in die Pfanne hinein- gedriiekt.

Im Verlauf der sieh in der Folgezeit im Gelenkbereieh abspietenden Oewebe- umbauvorggnge verlagerte sieh das Gelenkk6pfehen wieder naeb unten, wie die fibereinandergelagerten Durehzeiehnungen naeh vierw6ehiger Behandlung und naeh BehandlungsabsehluB erkennen lassen (Abb. 10). Wghrend dieser Zeit yon 2,10 Jahren ergab sieh eine vorwiegende Sagittalentwieklung des Oesiehtssehgdels.

In Abb. 11 sind sehlief~lieh die Durehzeichnungen der Fernr6I~tgenbil- der vor Behandlungsbeginn und naeh AbsehluB der Behandlung iiberein- andergelagert. Der Oelenkstand blieb insgesamt unver~ndert.

I m vorliegenden Falle kam es also im Verlauf der Behandlung zu einer zeit.weiligen Verlagerung des Gelenk- k6pfehens naeh oben, was ohne Zweifel auf unsere kieferorthopgdisehe Einflug- nahme zuriiekzufiihren ist.

B e f u n d e b e z / i g l i e h de r F o r m - g n d e r u n g des U n t e r k i e f e r s l m vorliegenden Untersuehungsgut

wurden F/ille gefunden, bei denen im Verlauf der kieferorthop~idisehen ~ge- handlung eine Vergnderung in der Ge- staltung der kn6ehernen Mandibula beobaehtet werden konnte. Diese unt.er dem EinfluB einer kieferorthopgdisehen Apparatur eingetretenen J~mderungen betreffen insbesondere den Kieferwin- kelbereieh und den aufsteigenden Un- terkieferast.

Abb. 11. i]bereinandergelagerte Durchzeichmmgen yon F l lS -B i lde rn des l ' a t i en ten der Abb. 9 vor Behand- lungsbeginn und naeh Behandhm]sabsehlul~ (orien-

t ier t naeh der Nasion-Sella-Geraden) I5. 1. 1957 . . . . . . 22.12. 1959

Es ergab sieh eine vorwiegende ,qa~ittalentwieklung ties Oesiehtsseh/idels wahrend der Igehandlungszeit . Der Oberkiefer verlagerte sieh naeh vorn, gnterkiefer - k6rper und aufsteigender Ast vergr6ger ten sieh. Der Hin te r rand des aufsteigenden Astes l iegt nun weiter rfiekwfirts, was sleherlieh auf die Ri iekver lagerung des Unterkiefers unter dem E in f lug des Akt ivator~ zu-

riiekzufiihren ist

Zungehst sei ein Klasse-II/1-Fall mi t einer Protrusion der oberen Front, Tiefbig und Rfiekbig vorgestellt. Abb. 12 zeigt die/ibereinandergelagerten Dureh- zeiehnungen der Fernr6ntgenbilder des Patienten vor und naeh der Behandlung. Bei einem Vergleieh beider Durehzeiehnungen fallen einige ausgepr/igte Ver/in- derungen, die irn Verlauf yon 4,4 Jahren eingetreten sind, auf. Die oberen Front- z/thne stehen naeh Absehlug der Behandlung verh/~ltnism/iBig steil. Der Verlauf der SpP hat sieh vergndert. Der Kieferwinkel erscheint vergr61~ert. Dureh die starke FLiiekkippung und gleiohzeitige Verlgngerung der oberen Front.zghne glit.ten die unteren Frontzghne bei ihrer Vorverlagerung naeh unten. Hiermit senkte sieh aueh die Unterkieferbasis in ihrem vorderen Anteil, was sieh in der naeh Behand- lungsabsehlug steileren Unterkiefer-Grundebene ausdriiekt. Die Vergnderung des Kieferwinkels von 132 o auf 140 ~ im Verlauf der Behandlung ist sieherlieh auf das dureh die aktive Rtiekkippung der oberen Front gesehaffene Hindernis f/ir eine regelreehte Vorverlagerung des Unterkiefers aus seiner Riieklage zurtiekzuffihren. Es wurde ein Zwangsriiekbig gesehaffen, wobei der Unterkiefer zus/~tzlieh noeh in seinem vorderen Anteil naeh unten gedr/iekt wurde. I m Zuge der sieh am Unter-

456 Fortschritte der Kieferorthop~idie :Bd. 23 H. 3 u. 4 (1962)

kiefer abspielenden Umbauvorg/inge kam es zu einer Vergr6Berung des Kiefer- winkels.

Interessant ist ferner die Tatsaehe, dalt naeh Behandlungsabsehlull der rfiek- wgrtige Rand des aufsteigenden Unterkieferastes und das Gelenkk6pfl'hen weiter zurfiek lagen. Der Unterkiefer hat sich w~ihrend des Beobaehtmlgszeitraumes in

; /

,, II

' 1 --r/ - ~

/ ~ A J/ ~ ' - " ,

f Ji z . . . . .

Y

Abb. 12 Abb. 13

A b b . 12. ~ 7 ) e r e i n a n d e r g e l a g e r t t , l ) u r e h z e i e h n u n g e n x-Oil ]~'l{S-11ildern e ines zu B e h a n d h l n g s b e g i n n 9,7 J a h r e a l l e n Patienten (orientiert naeh der N a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

27. 11. 1952 . . . . . . . . . . 5. 3. 1957 B e h a n d l u n k s f a l l Nr . 1735 , L o n d o n

H - N e i g u n g 85 ~ 85 r N S b - W i n k e l 73 ~ 72 ~ 8 p P - N e i g u n g 88 ~ 8 c h w e n k m m des S4 ~ N S : O K - L / i n g e I : 0 ,68 I : 0 ,69

Oberkiefers Unterkieferl/inge Ist: 62 m m I s t : 69 m m 3 I P - N e i g u n g 53 ~ M P steiler 47 r Sol l : 67 m m Sol l : 72 m m B a s i s - E b e n e n w i n k e l 35 ~ 37 ~ 3IT~ : 3IT.~ 7 : 5 7 : 4,9 K i e f e r w i n k e l 132 ~ K i e f e r w i n k e l ver- 140 ~ A c h s m m e i g u n g I l l 64 ~ I l l zu r i i ckgek i i ) i ) t 78 ~

gt'6f~crt A c h s e n n e i g u n g [ ' ~ 101 ~ 99 ~ . X S a - W i n k e l 78 ~ 78 ~

Abt) . l'.k l ~ b e r t ' i n a n d e r g c l a ~ e r t e ] ) u r e h z e i c h n u n g e n Yon FlR S - B i l d e r n e ines zu B e h a n d h m g s b e g i m ] 12 ,Lihre a l t on P a t i e n t e n (orientiert naeh der N a s i o n - S e l l a - G e r a d e n )

17. 1. 1954 . . . . . . . . . . . 6. 1. 1959 ]~ehand Iungs f a l l Nr . 2156 . L o n d o n

E x t r a k t i o n 4 [ . 2 .

H - N e i g u n g 92 c 92 ~ Un tc rk i e f e r I~ inge I s t : 67 m m Ist: 77 m m S p P - N e i g u n g 86 ~ 86 ~ Soil : 75 111111 Soll : 79 m m M P - N e i g u n ~ 53 ~ 52 ~ 3[T~ : 3IT~ 7 : 5,2 T r o t z d e m aufstei- 7 : 5,4 B a s i s - E b e n e n w i n k e l 33 ~ 34 ~ g e n d e r Ast relativ K i e f e r w i n k e l 137 ~ K i e f e r w i n k e l k l e i n e r 1'26 ~ l i inger N S a - W i n k e l 82 ~ N S a e t w a s k l e i n e r 80 ~ A c h s e n n e i g u n g Ii_l~ 68 ~ I I ~ z u r f i c k g e k i p p t 80 ~ N S b - W i n k e l 72 ~ 72~ A e h s e n l m i g u n g [ ' i 7 80 ~ ]1"~ v o r g o k i p p t 75 ~ N S : O K - L i i n g e 1 : 0 ,69 1 : 0 ,68

seinem aufsteigenden und horizontalen Anfeil wesentlich vergr6Berf. Diese waehs- tumsbedingte Vergr613erung der Mandibula geht im allgemeinen bei regelreehter Entwieklung mit einer Vorverlagerung des Unterkieferk6rpers einher. Da im vorliegenden Falle, wie bereifs oben ausgeffihrt, der Unterkiefer aber an seiner natfirliehen Vorverlagerung gehindert wurde, muBte sich die Gr66enver/inderung

K. H. Tiegelkamp, Ydbcr Veranderungen im Unterkiefer- und Oelenkbereieh usw. 457

des Unterkiefers u. a. in einer relativen Riickverlagerung des aufsteigenden Astes auswirken. Dies diirfte sieherlieh nur im Verlauf weitgehender Gewebeumbau- vorggnge im Kiefergelenkbereieh m6glich sein. Eine Verbreiterung des aufsteigen- den Astes war w/ihrend dieser Zeit nur in kaum meGbarem Ausmag feststellbar. Der aufsteigende Ast wurde also im Verlauf der Umbauvorg/iage insgesamt zuriiek- verlagert.

In diesem Zusammenhang muB allerdings erw~hnt werden, dab eine relative R/ickverlagerung des aufsteigenden Astes im Verlauf der Seh/idel- und Gebig- entwieklung aueh bei unbehandelten F/fllen beobaehtet werden konnte, wenn man die Durchzeiehnungen der Fernr6ntgenbilder unter Verwendung der NS als Bezugsebene dergestalt iibereinanderlagert, dab die Sellae tureicae sich deeken.

In Abb. 13 seien die iibereinandergelagerten Durchzeichnungen der Fern- r6ntgenbilder eines zu Behandlungsbeginn 12 Jahre alten Patient en mit einer Klasse II /1 vor und naeh der Behandlung vorgestellt. Aufffillig ist die am Ab- sehlug vorliegende Steilstellung der oberen Frontz~ihne, die Vergr6Berung der Unterkieferbasis und die Verringerung des Unterkieferwinkels yon 1370 auf 126 ~ Die Wachstumsvergnderungen in vertikaler und sagittaler Rieht.ung sind dureh die Versehiebung der H-Linie, der Spinaebene und Mandibularplane, sowie des Kieferprofilfeldes deutlieh gekennzeiehnet. Dureh die aktive Riiekkippung der oberen Frontz&hne nach Extrakt ion 4[~ wurde der Cnterkiefer at1 einer Vor- verlagerung gehindert. Gleiehzeitig verl/tagerte sieh aber der Unterkieferk6rper wesentlich, h n Verlauf dieser Umbauvorg~nge kant es zu einer Verkleinerung des Kieferwinkels.

F o l g e r u n g e n

Die in den Abb. 1 bis 11 vorgestellten Behandlungsf/ille zeigen auf Grund der kepha.lomet.rischen Befunde, dais der Unterkiefer als Ganzes unter dem EinfluB einer kieferorfhop~disehen Apparatur in seiner Lagebeziehung zum Oberkiefer ver/tndert werden kann. Diese Lagever/inderung des Unterkiefers in der Sagittalen kommt vomehmlieh dutch Transformationsgesehehen im ]3ereieh des Gelenk- halses, des K6pfehens, abet aueh der Gelenkgrube zustande.

Wird der Unterkiefer aus seiner Rfieklage in den Neutralbil] vorgeholt, ergeben sieh im Verlauf der am aufsteigenden Ast und im Gelenkbereieh stattfindenden Transformationsgesehehen folgende Umbaum6gliehkeiten :

1. U m b a u de r G e l e n k p f a n n e in s ag i t t a l e r R i e h t u n g . Hierdureh kommt es zu einer 3Iesialverlagerung des Gelenkk6pfehens und damit des gesamten Unterkiefers.

2. D u t c h U m b a u v o r g / ~ n g e i m B e r e i e h des G e l e n k h a l s e s u n d des K 6 p f e h e n s w i r d d a s G e l e n k k 6 p f e h e n n a e h r / i c k w / i r t s t r a n s f o r m i e r t . Gleiehzeitig wird hierbei der aufsteigende Ast verl~ingert, der Kieferwinkel ver- gr6gert, und hierdureh der Unterkiefer vorverlagert.

3. Das K i e f e r g e I e n k k 6 p f c h e n tritt t i e f e r . Die L~nge des aufsteigenden Astes bleibt relativ gleieh. Es ist anzunehmen, dab sieh im Bahmen dieser Umbau- vorg/tnge aueh die Gelenkpfanne naeh unten verlagert.

Die Vorverlagerung des Unterkiefers diirfte im Einzelfall sieherlieh dureh das g&nzliche oder teilweise Zusammenwirken der unter 1 bis 3 aufgefiihrten Umbau- vorggnge statt.finden.

Eine I~fickverlagerung des Unterkiefers geht mit Umbaugeschehen einher, die sieh vornehmlich in folgenden Bereiehen abspielen k6nnen : 30" Fo r t s ch r i t t e der Kieferor thopf id ie ]3d .23 I t . 3 u. 4

458 Fortsehritte der Kieferorthop:~idie ]~d. 23 H. 3 und 4 (1962)

l. D i e G e l e n k p f a n n e w i r d d u r e h e n t s p r e e h e n d e n U m b a u n a e h r i i e k - w/ i r ts v e r l a g e r t . Diese M6gliehkeit d/irfte wegen der unmittelbaren Naehbar- sehaft des Geh6rganges wohl nut nlehr theoretiseh bestehen.

2. D u r e h U m b a u i m B e r e i e h d e s G e l e n k h a l s e s T r a n s f o r m a t i o n - d e s K i e f e r g e l e n k k 6 p f e h e n s n a e h v o r n .

3. Das K i e f e r g e l e n k k 6 p f e h e n v e r l a g e r t s ieh n a e h oben. Einmal kann das Gelenkk6pfehen nur zeitweilig naeh oben verdr/ingt sein, wie z. B. in Abb. 9 bis 11 dargestellt. Zu einem sp/iteren Zeitpunkt findet es sieh wieder in der alten Lage. Dureh das Hineindrfieken des Gelenkk6pfehens in die Pfanne kommt es zu einer Ab/inderung der rfiumliehen Verh/iltnisse, was ein individuell untersehied- liehes Gewebeumbaugesehehen in diesem Bereieh ausl6st. Im Verlauf dieser Um- bauvorg/tnge kann sieh der Gelenkkopf wieder naeh unten in seine alte Stellung verlagern.

In den Fgllen, bei denen das Gelenkk6pfehen in der neuen hSheren Stellung verbleibt, ist im Rahmen dieser Umbaugesehehen eine entspreehende Ver/in- derung der Gelenkpfanne anzunehmen.

Die R/iekverlagerung des Unterkiefers dfirfte wiederum wohl unter dem Zu- sammenwirken der unter 1 bis 3 aufgefiihrten Umbaugesehehen zustande kommen.

Ferner wurde festgestellt, dab die individuell untersehiedliehen Waehstums- tendenzen dutch kieferorthop/idisehe Apparate beeinflugt werden k6nnen. Dies zeigen eindrueksvoll die Behandlungsf/~lle aus den Abb. 12 und 13. Im Verlauf der Umbaugesehehen, die sieh vornehmlieh im Bereieh des aufsteigenden Astes und im Kieferwinkelbereieh, aber aueh im Kiefergelenk selbst abspielen, kann es zu t eilweise ausgepr/tgten Formgnderungen der Mandibula kommen. Diese Be- funde wurden hauptsgehlieh bei aktiv behandelten Klasse-II 'l-F/illen beobaehtet. Hier diirfte wohl die dutch eine kieferorthop/idisehe Apparatur ausgeffihrte starke Rfiekkippung der oberen Frontz/ihne den Unterkiefer beeinflussen und somit yon urs/iehlieher Bedeutung fiir die im Einzelfall untersehiedliehe Ver/inderung in der Formgebung des Unterkiefers sein. Alle mit dem Aktivator naeh A n d r e s e n - H g u p l behandelten R/iekbil~f/ille, bei denen dem Unterkiefer (lie M6gliehkeit einer Einstellung in (tie Regelbiglage gegeben war, zeigten keine mel3baren dies- bez/igliehen Ver/inderungen der kn6ehernen Mandibula.

Zusammenlassung

Auf Grund der erhobenen kephalometrischen Befunde spielen sich die extlapa~aden- talen Umbauvorg~tnge w~hrend der kieferorthop~idischen Behandlm~g haupts~iehlich in folgmlden Bereichen des Unterkiefe~s ab:

1. Kieferwinkelbereieh und aufsteigender Ast. 2. Gelenkhals und GelenkkOpfchen. 3. Gelenkgrube. Die Befunde zeigen deutlich, i~1 welchem Ausmal3 die Lage und die Gestaltung des

Unterkiefers funktionellen Einfltissen unterliegt. In den vorliegcnden F/fllen waren es die durch eine kieferorthop~disehe Apparatur auf die Gewebe iibemagmlen funktionellen Reize, die ein Transformationsgesehehen ausl6sten, das zu teihveise wcsentliehen Ver- ~nderungen i~ der Formgebung des Unterkiefers und in seiner Lageheziehung zum Ober- kiefer fiihrte.

Bei alien diesbez(igliehen Untersuchungen miissen natiirlieh die wachstumsbedingten Ver~tnderungen, die w~ihrend der Beobaehtungszeit eingetreten sind, beiiieksiehtigt werden.

Auschrift d. VerE: Dr. K a r l I I e inz T i e g e l k a m p , Dtissehlorf-Nord, Jiilicherstral,'e 5


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