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40 Einheit 2 _ Mein Kiez

Der Text im Kontext

Prenzlauer Berg gestern und heute

Lesen Sie die Kurzbeschreibung aus dem Reiseführer und wählen Sie die „Etiketten“, die am besten auf den Kiez Prenzlauer Berg zutreffen:

bürgerlich – künstlerisch – multikulti – „in“ – Arbeiterviertel – langweilig – Trendkiez

Schon zu DDR-Zeiten prägten Studenten, Schriftsteller und Künstler im allgemei-nen das Image von Prenzlauer Berg. Nach dem Fall der Mauer hat sich das Viertel zum Szeneviertel entwickelt und ist vor allem für seine vielen Kneipen, Cafés und Clubs bekannt. Besonders am Kollwitz- und Helmholtzplatz gibt es viele unter-schiedliche Restaurants und Cafés. In der Kastanienallee befi nden sich außerdem viele kleinere Geschäfte.

Zum Lesen

Anfahrtsplan

Lesen Sie den Text von Zeile 1 bis 9 und machen Sie sich Notizen zu folgenden Punkten:

– wann,– woher / wohin (Route),– Transportmittel,– wozu.

Von Berlin - nach Berlin: ein exotischer Ausfl ug?

Lesen Sie den Text von Zeile 9 bis 27 und notieren Sie die Zeitangaben.

Was stellen Sie fest? Was erfahren wir über das Leben in Prenzlauer Berg?

Prenzlauer Berg oder südliche Kleinstadt?

Lesen Sie den Text von Zeile 27 bis zum Ende und sammeln Sie Informationen über:

– die Bewohner des Bezirks,– die Häuser,– die Atmosphäre.

„Es ist eine Insel“, sagt der Erzähler. Wie verstehen Sie diesen Satz?

In seiner eigenen Stadt!

Lesen Sie noch einmal den Text und suchen Sie nach Adjektiven und Textstellen, die die Gefühle des Autors ausdrücken. Wie erklären Sie diese Gefühle?

Nach dem Lesen

Mein Viertel, mein Kiez, mein Zuhause?

Fühlen Sie sich in Ihrem Viertel zu Hause oder nicht? Warum? Diskutieren Sie.

a Lesen Sprechen(Dialog)

b Lesen

c Lesen Sprechen(Monolog)

d Lesen Sprechen(Monolog)

e Lesen Sprechen(Monolog)

f Sprechen(Dialog)

Berlin, Berlin!D

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Mein Kiez _ Einheit 2 41

Als ich am vergangenen Mittwoch-nachmittag auf dem Weg zu meinem Bekannten Johannes war, geschah etwas ziemlich Beunruhigendes. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs, kam aus meinem Büro in Mitte und fuhr gerade die Senefelderstraße in Prenzlauer Berg Richtung Kollwitz-platz hinunter. Dann, kurz bevor ich den Kollwitzplatz erreichte, verschob sich irgenwie die Zeit. Sie lief plötzlich sehr langsam ab. Sogar unerträglich langsam, wenn man gerade mit dem Fahrrad aus Berlin Mitte kommt. Das Beunruhigende war, dass es nur mir aufzufallen1 schien. Auf den Bürgersteigen bewegten sich die Passanten wie in Zeitlupe2. Vor mir fuhren zwei Frauen mit ihren Fahrrädern in der anderen Zeitebene3. An ihren Sätteln waren Kindersitze befestigt. Ich wäre ihnen fast hinten reingefahren. Ich hielt erst mal an. Am Kollwitzplatz war alles ruhig, beschaulich, zu beschaulich. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, neben der Zeit zu sein, irgendwie außerhalb. Ich fühlte mich fremd. Ich war ein Berliner mitten in Berlin, in meiner Stadt. In einer Gegend, die mir ziemlich viel bedeutete, als ich jünger war. Dann begriff ich, warum ich mich so fremd fühlte. Ich war nicht mehr im Berliner „Szene-Bezirk“4 Prenzlauer Berg. Ich war in einer Kleinstadt, irgendwo im Süden. Vielleicht in Baden-Württemberg. Das war es wohl. Das Gefühl hielt nicht allzu lange an. Aber es reichte schon. Das Viertel um den Kollwitzplatz ist eine Gegend, in der nur siebzehn Prozent der Alteingesessenen5 leben sollen. Die Bewohner wurden in den letzten Jahren prak-tisch ausgetauscht. Vielleicht weil dieses Viertel der Idee am nächsten kommt, wenn man aus der westdeutschen Provinz hierherzieht. Die Häuser sind saniert und teuer. Die Gegend ist fertig. Hier gibt es nichts mehr zu tun. Es ist wie zu Hau-se, im Süden, nur eben wesentlich cooler. Die Fassaden der liebevoll restaurierten Häuser sind ein bisschen zu bunt, was daran liegen kann, dass diese Gegend als das geburtenreichste6 Viertel Europas gilt. Es sind kindergerechte Fassaden. Die passende Gegend, um sich einzurichten. Hier ist man unter sich. Es ist eine Insel. Man hat es nicht weit ins tobende Großstadtleben, kann aber jederzeit zurückkeh-ren. Es ist ja nicht so weit. Man muss nur zwei Kreuzungen überqueren. Das ist kein unangenehmes Gefühl. Ein Gefühl, das mir nicht fremd ist.

Michael Nast, Der bessere Berliner© Rowohlt Verlag, 2009

1. jdm auf/fallen: attirer l’attention de qqn – 2. in Zeitlupe: au ralenti – 3. eine andere Zeitebene: un univers temporel parallèle – 4. der „Szene-Bezirk“: l‘« arrondissement » branché – 5. die Alteingesessenen: les gens qui habitent dans le quartier depuis longtemps – 6. geburtenreich: à forte natalité

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