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Ludwig-Maximilians-Universität München

Institut für Phonetik und sprachliche Kommunikation

Hauptseminar: Die phonetische Analyse von Sprechfehlern

Dozent: Prof. Dr. J. Harrington

Datum: 13.06.2007

Der Syllabary in Levelts Sprachproduktionsmodell

Referentin: Julia Bode

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Überblick

1. Haben Sprecher Zugriff auf einen mentalen Syllabary? (Levelt, 1994) Der Syllabary in einer Theorie der phonologischen Enkodierung

2. Die Erklärung von Sprechfehlern mithilfe von Silben (Crompton, 1982) Der Abruf von Silbenprogrammen Die Erklärung von Sprechfehlern

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Haben Sprecher Zugriff auf einen mentalen Syllabary?

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Haben Sprecher Zugriff auf einen mentalen Syllabary?

„perhaps its [the Scan-Copier’s] most puzzling aspect is the question of why a mechanism is proposed for the one-at-a-time serial ordering of phonemes when their order is already specified in the lexicon“

(Shattuck-Hufnagel, 1979)

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Haben Sprecher Zugriff auf einen mentalen Syllabary?

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„Why would a speaker go through the trouble of first generating an empty skeleton for the word, and then filling it with segments? In some way or another both must proceed from a stored phonological representation, the word’s phonological code in the lexicon. Isn’t it wasteful of processing resources to pull these apart first, and then to combine them again (at the risk of creating a slip)?”

(Levelt, 1992)

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Assoziierungsregeln (nach Levelt, 1992)

(1) Ein Vokal wird nur mit μ (1 Mora), ein Diphthong mit μμ (2 Morae) verbunden

(2) Die vorgegebene Assoziierung eines Konsonanten ist σ. Ein Konsonant wird nur mit μ verbunden, wenn eine der folgenden Bedingungen zutrifft:

a) das nächste Element hat eine geringere Sonoritätb) es gibt kein σ, das verbunden werden könntec) eine Assoziierung mit σ würde ein μ ohne

verbindendes Element hinterlassen

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Gestural Scores

• Browman & Goldstein (1991)• Angaben von Anwendungen, die ausgeführt werden

müssen• 5 Stufen des Gestural Scores = 5 Subsysteme der

Artikulation• Berechnung durch „artikulatorisches Netzwerk“ • Gestural Score eines phonologischen Wortes beinhaltet

„Noten“ für jede seiner Silbe

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Der Syllabary

• Silbe = stark überlernte artikulatorische Geste → phonetische Segmente existieren nicht unabhängig,

sondern sind Eigenschaften einer silbischen Geste

• da gestische Noten übergelernt sind, müssen sie

zugänglich sein→ Speicher silbischer Gesten, die regelmäßig in der

Sprache gebraucht werden

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Der Abruf von Silbenprogrammen (Crompton)

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Der Abruf von Silbenprogrammen

• Sprachproduktion beinhaltet Erstellung und Verlauf artikulatorischer Programme

• „Programmer“ erstellt Programme; Input = Text• Text ist analog zu (klassischen) phonemischen

Repräsentationen; hierarchisch strukturiert• Übersetzung von Text zum Programm beinhaltet ad hoc

Berechnungen und Gebrauch von Routinen• Texte (Phoneme) bestimmen Adressen• artikulatorische Routinen haben Größe von Silben• Silbenadressen werden in Form phonemischer

Repräsentationen ausgedrückt

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Der Abruf von Silbenprogrammen (Crompton)

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1. Adressierung

• Adressen artikulatorischer Routinen werden durch Phoneme bestimmt

• Anweisungen beinhalten Set von Bedingungen, das auf den Phonemen der betreffenden Silben basiert

• z.B. /spæŋk/ erfüllt folgende Bedingungen:– nicht reduzierte Silbe– Onset = sp– Nukleus = æ– Koda = ŋk

• Speicherort ist multidimensional: jeder Teil der Adresse legt Unterbereich fest

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Der Abruf von Silbenprogrammen (Crompton)

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2. Aktivierung

• Aktivierung eines Ortes durch Priming: steigert Stufe der Anregung, bis Schwellenwert erreicht wird, bei dem die Routine abrufbar wird

• jede Bedingung muss best. Priming-Grad annehmen

nicht reduzierte Silbe /sp/

/æ/ /ŋk/

/spæŋk/

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Der Abruf von Silbenprogrammen (Crompton)

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3. Einfügung

• Hilfsmittel, das die korrekte Reihenfolge der Routinen erkennt

• führt Modifikationen aus, um feine Übergänge von einer Routine zur nächsten zu gewährleisten

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Der Abruf von Silbenprogrammen - Zusammenfassung -

Adressierung

Aktivierung

Einfügung

Artikulation

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Erklärung von Sprechfehlern (Crompton)

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1. Fehler auf der Adressierungsebene

• entstehen durch Beeinflussungen zwischen benachbarten Elementen

(1) Vertauschungen: boggy marsh → moggy barsh

(2) Antizipationen: reading list → leading list

(3) Perseverationen: Michael Holliday → Michael Molliday

(4) Hinzufügungen: think through → thrink through

(5) Auslassungen: posed nude → poed nude

(6) Vertauschungen: pinch hit → pitch hint

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Substitutionen (1)

• Substitution einer Silbenroutine unter Einfluss benachbarter Silben

• z.B. it‘s a real mystery → it‘s a meal mystery

Substitution /ri:l/ → /mi:l/, unter Einfluss von /m/• Verwirrung während des Aufstellens der

Suchanweisungen → Bedingung einer Anweisung beeinflusst Bedingung einer anderen Anweisung

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Substitutionen (2)

• Bedingungen bei „it‘s a real mystery“:

für /ri:l/ für /mi/

- nicht reduzierte Silbe - nicht reduzierte Silbe

- Onset = r - Onset = m

- Nukleus = i: - Nukleus = i

- Koda = l

usw.• wenn Onset-Bedingung für /mi/, die für /ri:l/ beeinflusst,

entstehen die Bedingungen für die Silbe /mi:l/

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2. Fehler auf der Aktivierungsebene

• falsche Routine hat ausreichenden Priming-Grad erreicht• dieser Fehler entsteht aufgrund:

– einer Störung im System– von Beeinflussungen des Primings, das mit anderem

Set von Anweisungen (das zur gleichen Zeit bearbeitet wird) assoziiert wurde

• Äußerung einer falschen Silbe, die phonologisch sehr ähnlich zur intendierten Silbe ist, da die entsprechende Routine nah bei der intendierten Routine gespeichert ist → Nachbarschaft!

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3. Fehler auf der Einfügungsebene

• Fehlertypen müssten die gesamte Silbe umfassen• Unterscheidung von Fehlern, die ganze Silben umfassen

von denjenigen, bei denen die Silbe mit Morphem oder Wort identisch ist

• Fehler, die ganze Silben umfassen, kommen eher selten vor! (siehe Fromkin)

→vereinbar mit Cromptons Modell, solange Prozess der Einfügung als „immun“ gegen Fehler angenommen wird

→andererseits auch vereinbar mit Hypothese, dass Silben eher begrenzte Rolle bei der Sprachproduktion spielen (siehe z.B. Shattuck-Hufnagel, 1979)

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Literatur

• Crompton, A. (1982). Syllables and segments in speech production. In A. Cutler (Ed.). Slips of the tongue and language production (pp. 663-716). Berlin: Mouton.

• Levelt, W. & Wheeldon, L. (1994) Do speakers have access to a mental syllabary? Cognition, 50, 239-269.


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