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Page 1: Lebenslanges Lernen Eine Chance oder Zumutung?

Lebenslanges Lernen

Eine Chance oder Zumutung?

Friedrich-Schiller Universität Jena

Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften

Institut für Erziehungswissenschaft

Seminar: Zur terminologischen Unterscheidung von formell, nichtformell und informell: Lern- und Bildungsorte im Vergleich (Modul Ess3)

Lehrende: Dr. Petra Bollweg

Referenten: Anne Pohling, Maria Nicklisch, Pia Nohr

SoSe: 2014

Datum: 06.05.2014

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Gliederung

1. Begriffsdefinitionen

1.1 Lernen und Lernformen

1.2 Lebenslanges Lernen (LLL)

2. Historischer Abriss

3. Perspektiven auf das Konzept LLL

4. Bedeutung der Schule für LLL

5. Auswirkungen auf die Sozialpädagogik

6. Kritische Auseinandersetzung

7. Fazit

Literaturverzeichnis

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1. Begriffsdefinitionen

1.1 Lernen:

„ […]ist ein Prozess, der ein Individuum – aufgrund eigener, meist wiederholter Aktivität – zur relativ überdauernden Verhaltensänderung führt“ (Steiner 2006, S. 140)

•nicht abschließbar (vgl. Tuschling 2006, S. 152)

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1.1 Lernformen

• formal: curricular verfasst, beabsichtigte Bildungs- prozesse

• informell: nicht organisiert, nicht intentional, nebenbei

• non-formal: geplante Prozesse, nicht curricular verfasst

(vgl. Alheit & Dausien 2008 S. 714; Pohl 2006, S. 3)

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1.2 Lebenslanges Lernen (LLL)

(vgl. Gruber 2007, S. 2ff.)

Frage: Welchen Begriff findet ihr passend?

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Lebenslang

Lebens-begleitend

lebenslänglich

Lebens-umfassend

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1.2. Lebenslanges Lernen (LLL)

EU-Definition

• „Lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen umfasst "alles Lern-en während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wis-sen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen, bzw. beschäfti-gungsbezogenen Perspektive erfolgt". Diese bis heute gültige Definition der EU wurde im Dokument "Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen" im Jahr 2001 festgelegt. Als lebenslanges Lernen wird demnach prinzipiell jedes Lernen - formal, non-formal, informell - in allen Lebensphasen - von der Kindheit bis ins Alter - verstanden. Bildungspolitisch werden dann inhaltliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen“

(Bundesministerium für Bildung und Frauen 2014, o. S.)

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2. Historischer Abriss

• 1972 UNESCO Faure-Report: Lerngesellschaft

• 1973 OECD: Recurrent Education

• 1996 OECD: Lifelong Learning for all

UNESCO: Delors-Bericht

Europäische Kommission: Jahr des lebensbegleitenden Lernens

• 2000 Europäische Kommission: Memorandum über Lebenslanges

Lernen

(vgl. Dewe & Weber 2007, S. 63)

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Europäischen Kommission - Memorandum on Lifelong Learning

„In Europa ist die wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft entstanden. Mehr als jemals zuvor sind der Zugang zu aktuellen Informationen und Wissen sowie die Motivation und Befähigung zur intelligenten Nutzung dieser Ressourcen – zum eigenen Wohl und zu dem der Gemeinschaft – der Schlüssel zur Stärkung von Europas Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte.“

„Europäer von heute leben in einem komplexen sozialen und politischen Umfeld. Mehr als jemals zuvor möchte der Einzelne sein Leben selbst planen, wird erwartet, dass er einen aktiven Beitrag zur Gesellschaft leistet, und muss er lernen, positiv mit kultureller, ethnischer und sprachlicher Vielfalt umzu-gehen. Bildung im weitesten Sinne ist der Schlüssel, um zu lernen und zu begreifen, wie diesen Herausforderungen zu begegnen ist“

(Kommission der europäischen Gemeinschaften 2000, S. 5f.)

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3. Ziele von LLL

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3. Ziele von LLL

Bildungspolitische Perspektive

•Ökonomische, wirtschaftliche und kulturelle Ressourcen müssen neu erschlossen werden

Pädagogische oder bildungstheoretische Perspektive

•Biografisches Lernen in der Gesellschaft •lifelong & lifewide

(vgl. Alheit & Dausien 2005, S. 716;

Kommission der europäischen Gemeinschaften 2000, S. 9)

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3. Ziele von LLL

Postmoderne Modell:

•LLL als Lernsystem, um die Gesellschaft zu modernisieren

Humankapitalansatz:

•LLL als Prozess der Anpassung/Erneuerung beruflicher Qualifikationen

Emanzipatorisches Modell:

•LLL als Möglichkeit zur Erhöhung der Teilhabe und Lebenschancen

Kulturelles Modell:

•LLL als Selbstverwirklichung und Selbstentwicklung

(vgl. Gruber, E., 2007, S. 2) 

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4. Bedeutung der Schule für LLL

4 Dimensionen:

(vgl. Achtenhagen & Lempert 2000, S. 38f.)

Argumentation von Spitzer (2004)

•Sensible Phasen des Gehirns

•Gestaltung von Lernumgebungen

•Zusammenhänge verstehen, durch eigene Regelkonzeption Lernen von Allgemeinheiten

•Lernen von Komplexität durch Aufbau von bereits gelernten

 

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Kultur-techniken

Orientierungswissen

Sozial-kompetenz

Emotion/ Metakognition

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5. Auswirkungen für die Sozialpädagogik

• Bereiche außerhalb der Schule müssen in den Blick genommen werden Jugendarbeit spielt dabei große Rolle, sowie Familie und Peers

• veränderte Übergänge im Lebenslauf unterstützen

• je höher der Schulerfolg, desto höher die Wahrscheinlichkeit des Zugangs zu non-formaler und informeller Bildung, aber immer mehr Jugendliche ohne Abschluss Motivation und Vermittlung

• Motivation bei biografischen Brüchen• Zertifizierung von außerschulisch erworbenen Kompetenzen• Förderung von non-formaler Bildung Jugendarbeit entdeckt

Bildungsbegriff wieder für sich

(Pohl 2006, S. 3-11)

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• subjektbezogene Förderung individuellerKompetenzentwicklung

• Lernende als Gestalter von pädagogischer Arbeit • Förderung der individuellen Kompetenzentwicklung• Pädagogische Gestaltung von Lernumgebungen• Schaffung geeigneter institutioneller Rahmenbedingungen

Gestaltung politischer Rahmenbedingungen organisationelle Ebene: Verbesserung der Möglichkeiten des

Übergangs von einer Institution zur Anderen

• Menschen bei der Entscheidung für geeignete Bildungsangebote unterstützen und Bildungsberatung anbieten

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5. Auswirkungen auf die Sozialpädagogik

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Welche Kompetenzen braucht eurer Meinung nach ein Lernberater, um den Klienten für das

LLL vorzubereiten?

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5. Auswirkungen für die Sozialpädagogik

Beraterkompetenzen

•soziale Kompetenzen Kommunikations- bzw. Gesprächsführungskompetenz (kommunikative Sensibilität); Einfühlungs- und Wahrnehmungsvermögen (Fähigkeit zwanglose Interaktion herzustellen, Probleme strukturieren können) ; Kenntnisse in Fragetechniken, um Hilfe bei der Problemerkennung zu liefern

•breites Wissens- und Erfahrungsspektrum, differentes Fachwissen und Berufserfahrung

•Situationsanalyse anhand von Schemata/Kategorien

•passende Bildungsmöglichkeiten vorschlagen Medien oder sozialen Umfeld einbeziehen

•aufgabenorientierte Motivation von Personen und Gruppen

(Hof, S. 159-161)

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6. Kritische Auseinandersetzung

• Thesen

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„Wenn alle lebenslang dazu lernen müssen, spielt z. B. Misserfolg in der Schulkarriere eine weniger große Rolle für den weiteren Lebensverlauf,

denn es bestehen vielfältige Möglichkeiten, Versäumtes durch Weiterbildung, non-formale Bildung und informelles Lernen zu

kompensieren.“ (Pohl S. 2-3)

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6. Kritische Auseinandersetzung

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Ständiges Lernen wird zu einer Notwendigkeit, genauer zu einem Zwang, aber niemand weiß genau, was eigentlich wozu gelernt werden soll?

(Schlager-Weidinger 2012, S. 14)

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7. Fazit

• „LLL scheint also zu einer ökonomischen und sozialen Notwendigkeit erster Ordnung geworden zu sein.“

(Alheit & Dausien 2010, S. 714)

• subjektiv belastender Zwang vs. biografische Chance

•  LLL in allen 3 Ebenen: Makro-, Meso- und Mikroebene

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Literaturverzeichnis• Alheit, P. & Dausien, B. (2010): Bildungsprozesse über die Lebensspanne: Zur Politik und Theorie lebenslangen

Lernens. In: Tippelt, R. & Schmidt, B. (Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung. 3. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag.• Achtenhagen, F. & Lempert, W. (2000): Lebenslanges Lernen im Beruf. Seine Grundlegung im Kindes- und

Jugendalter . Bd. 1. Leske & Budrich: Opladen.• Bundesministerium für Bildung und Frauen (2014): EU-Definition

http://erwachsenenbildung.at/themen/lebenslanges_lernen/was_ist_lll/definitionen.php#eudef• Eggert, A. (2013): Jugend und Bildung im gesellschaftlichen Wandel. Möglichkeiten und Grenzen der non-

formalen Jugendbildung im 21 Jahrhundert. Hamburg: Imprint der Diplomica Verlag GmbH. Dewe, B. & Weber, P. (2007): Wissensgesellschaft und Lebenslanges Lernen. Eine Einführung in bildungspolitische Konzeptionen der EU. Bielefeld: Julius Klinkhardt Verlag.

• Gruber, E. (2007). Erwachsenenbildung und die Leitidee des lebenslangen Lernens. In: Magazin Erwachsenenbildung.Nr. 0. Frankfurt am Main, S. 1-13. 

• Hof, Christiane (2009). Lebenslanges Lernen – Eine Einführung. Kohlhammer GmbH. Stuttgart• Kommission der europäischen Gemeinschaften (2000): A Memorandum über Lebenslanges Lernen.

Arbeitsdokument der Dokumentationsdienststellen. SEK(2000) 1832, Brüssel: European Council.• Pohl, A. (2006). Lebenslanges Lernen – ein Konzept zum Abbau der Benachteiligung von Jugendlichen?

Tübingen: Institut für Regionale Innovation und Sozialforschung 2006, 13 S. - (IRIS Arbeitspapiere; 1-2006), S. 1-13. http://www.pedocs.de/volltexte/2010/2599/pdf/2006_1_Pohla_D_A.pdf (Zugriff: 04.05.2014)

• Schlager-Weidinger, T. (2012). „Lebenslanges Lernen“ – Chance oder Zumutung?!! http://bvnw.de/wp-content/uploads/2012/03/T.-Schlager-weidinger-Lebenslanges-Lernen2.pdf 

• Spitzer, M. (2004): Gehirnforschung und lebenslanges Lernen. In: Schavan, A.(Hrsg.): Bildung und Erziehung. Perspektiven auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Frankfurt a. M. S. 64-89.

• Steiner, G. (2006): Lernen und Wissenserwerb. In: Krapp, A. & Wiedemann, W.: Pädagogische Psychologie, 5. Auflage: Weinheim: Belz Verlag, S. 137-202.

• Tuschling, A. (2006): Lebenslanges Lernen. In: Bröckling, U., Krasmann, S., Lemke, Th. (Hrsg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt a. M. S. 152-158

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Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

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