Transcript

IX. Bielefelder Verwalterforum

Aktuelle WEG-Rechtsprechung

Prof. Dr. Florian Jacoby Bielefeld, 28. September 2016

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 2

Agenda

I. Die WEG als Grundstückseigentümer

II. Hausgeld und Abrechnung

III. Werdende Eigentümer und ihre Ersatzansprüche

IV. Instandsetzung

V. Gestern: Nutzungsregelung und Sondernutzungsrecht

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 3

I. Grundstückeigentümerin – der Fall

• Die teilende Eigentümerin begründete zur Abwendung der Stellplatzabgabe an dem Nachbargrundstück eine öffentlich-rechtliche Baulast, wonach 25 Stellplätze der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfügung stehen. Seither werden die Stellplätze durch die Wohnungseigentümer genutzt.

• Nach Veräußerung des Nachbargrundstücks forderte die neue Eigentümerin von der Wohnungseigentümergemeinschaft für die Vergangenheit in unverjährter Zeit eine Nutzungsentschädigung und bot ihr den Kauf der für die Stellplätze genutzten Teilfläche zu einem Preis von 75.000 € oder den Abschluss eines Mietvertrages mit einem Mietzins zu 750 € monatlich an.

• Die Eigentümer beschließen, den Teil des Nachbargrundstücks […], auf dem sich die 25 Stellplätze […] zu erwerben […].

• Der Kaufpreis wird durch Erhebung einer Sonderumlage finanziert. […] Für die Sonderumlage sowie die endgültige Verteilung sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit Abschluss und Durchführung des Kaufvertrages gilt folgender Kostenverteilungsschlüssel: 15% des Kaufpreises sind von allen Eigentümern nach Einheiten zu tragen, 85% des Kaufpreises von den Eigentümer WE 1-25 als Nutzer der Stellplätze.“

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 4

BGH v. 18.3.2016 – V ZR 75/15

1. Die Wohnungseigentümer können grundsätzlich den Erwerb eines Grundstücks durch die Gemeinschaft beschließen. An der erforderlichen Beschlusskompetenz fehlt es nur dann, wenn es sich offenkundig nicht um eine Verwaltungsmaßnahme handelt.

2. Der Erwerb eines Grundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft entspricht jedenfalls dann in aller Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn das Grundstück für die Wohnungseigentumsanlage von Beginn an eine dienende und auf Dauer angelegte Funktion hatte und diese mit dem Erwerb aufrechterhalten werden soll.

3. Die Kosten des Erwerbs eines Grundstücks stellen einen besonderen Verwaltungsaufwand im Sinne des § 21 Abs. 7 WEG dar, dessen Verteilung die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit abweichend von dem gesetzlichen Kostenverteilungsmaßstab des § 16 Abs. 2 WEG regeln können.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 5

Agenda

I. Die WEG als Grundstückseigentümer

II. Hausgeld und Abrechnung

III. Werdende Eigentümer und ihre Ersatzansprüche

IV. Instandsetzung

V. Gestern: Nutzungsregelung und Sondernutzungsrecht

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 6

1. Hausgeld - der Fall

• B schuldet in 2013 ein monatliches Hausgeld iHv 258,63 EUR. • Er erteilt Verwalter V eine Einzugsermächtigung. • Ende März 2013 erhält B die Abrechnung 2012. • B meint, 13 EUR mehr gezahlt zu haben. • Die Abrechnung 2012 wird ungeachtet der behaupteten Differenz

mehrheitlich genehmigt. • V bucht daraufhin beschlossene Abrechnungsspitze inkl. 13 EUR

ab. • Mit Schreiben vom 20. Juni 2013 weist B den V auf den „Fehler“

in der Abrechnung 2012 hin, sowie darauf, dass er für die Monate Januar bis April 2013 insgesamt 20 EUR zu viel bezahlt habe.

• B erteilt V ferner die Weisung, im Juli 2013 lediglich einen um 33 EUR geminderten Betrag in Höhe von 225,63 EUR abzubuchen.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 7

…der Fall geht weiter

• Im Juli 2013 bucht V einen Betrag von 238,63 EUR ab, womit er die Überzahlung in Höhe von insgesamt 20 EUR, nicht aber die von den B behauptete Überzahlung im Jahr 2012 in Höhe von 13 EUR berücksichtigt.

• B erklärt V daraufhin (sehr breit), der Abbuchungsvorgang sei nicht genehmigt gewesen.

• Daraufhin teilt die V dem B mit, ab September 2013 von der Einzugsermächtigung keinen Gebrauch mehr zu machen.

• Da B sich auf den Standpunkt stellt, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K sei verpflichtet, von der Einzugsermächtigung Gebrauch zu machen, überweist er die monatlich geschuldeten Hausgelder nicht.

• Die Gemeinschaft macht nunmehr im Wege der Klage die Zahlung der unstreitig geschuldeten Hausgelder in Höhe von 1.293,15 EUR für die Monate September 2013 bis Januar 2014 geltend.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 8

BGH v. 29.1.2016 – V ZR 97/15

• Gegen Hausgeldforderungen kann ein Wohnungseigentümer grundsätzlich nur mit Forderungen aufrechnen, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind.

• Der Verwalter war daher nicht verpflichtet, eine Reduzierung der Beitragsschuld (um 20 oder 33 €) zu akzeptieren.

• Ein Hausverwalter kann eine mit einem Wohnungseigentümer vereinbarte Lastschriftabrede kündigen, wenn dieser an seiner Ansicht festhält, mit einer streitigen Forderung gegen eine Beitragsforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft aufrechnen zu können, und daraus weitere Konflikte drohen.

• Der Eigentümer musste daher selbst für die Überweisung sorgen, wurde zurecht verklagt und verurteilt.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 9

2. Abrechnung - der Fall

• S war jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2014 Verwalter der Wohnungseigentumsanlage X.

• S ist verurteilt, für die Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 jeweils eine Abrechnung und für das Kalenderjahr 2014 einen Wirtschaftsplan aufzustellen.

• Die Wohnungseigentümer betreiben die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil.

• Nach ihrer Ansicht handelt es sich bei der Erstellung der Abrechnungen und des Wirtschaftsplans um vertretbare Handlungen.

• Sie beantragen daher, sie zu ermächtigen, die S obliegenden Verpflichtungen durch eine von ihnen zu beauftragende Hausverwaltung vornehmen zu lassen und ihnen einen Kostenvorschuss von 4.784 EUR für die Erstellung der Abrechnungen und des Wirtschaftsplans zu zahlen.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 10

BGH v. 23.6.2016 – I ZB 5/16

• Die Verurteilung des Verwalters zur Erstellung einer Abrechnung für Kalenderjahre, in denen er die Verwaltung geführt hat, ist als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vollstrecken.

• Die Verurteilung des Verwalters zur Erstellung eines Wirtschaftsplans für ein Kalenderjahr nach § 28 Abs. 1 WEG ist nicht zu vollstrecken, wenn dieses Kalenderjahr zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung abgelaufen ist.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 11

3. Von Attendorn nach Dortmund!

• Die VNWI-Musterabrechnung hat ihr Ziel, einen Beitrag zur rechtssicheren Gestaltung von WEG-Abrechnungen zu sein und auch den Softwarefirmen eine verlässliche Orientierung zu geben, erreicht.

• Gerade deshalb bedarf sie einer ständigen Anpassung an neue Rechtsprechung und Erkenntnisse, vor allem muss sie trotz aller formaler Anforderungen für den Eigentümer verständlich sein.

• Der VNWI präsentiert daher die Musterabrechnung 2.0 für Wohnungseigentümergemeinschaften: kompakt – systematisch – transparent

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 12

LG Dortmund v. 24.6.2014 – 1 S 18/13

• Es entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Jahresabrechnung die Differenz zwischen den Sollzahlungen und den tatsächlichen Ausgaben ausweist. Denn das ist die sog. Abrechnungsspitze.

• Ein Beschluss über eine Jahresabrechnung, welche die Differenz zwischen den tatsächlichen Zahlungen und den Ausgaben ausweist, wäre sogar mangels Beschlusskompetenz nichtig.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 13

Agenda

I. Die WEG als Grundstückseigentümer

II. Hausgeld und Abrechnung

III. Werdende Eigentümer und ihre Ersatzansprüche

IV. Instandsetzung

V. Gestern: Nutzungsregelung und Sondernutzungsrecht

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 14

1. Grundsätze

• Eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach WEG mit - Kostenverteilung unter Eigentümern nach § 16 WEG, - ordnungsmäßiger Verwaltung durch die Eigentümer nach § 21 WEG, - Verwalter nach § 26 WEG - etc.

setzt mindestens zwei Wohnungseigentümer voraus.

• Der Eintritt in die Gemeinschaft setzt Erwerb des Wohnungseigentums voraus:

- Rechtsgeschäft: Auflassung plus Eintragung (Vormerkung genügt nicht!),

- Zwangsversteigerung: Zuschlag, ohne dass es auf die nachfolgende Eintragung ankommt,

- Gesamtrechtsnachfolge (Erbe, Umwandlung nach UmwG).

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 15

Spezialfall: Aufteilung durch Bauträger

• Bauträger teilt Grundstück auf, beginnt mit Bau und Abverkauf,

• Käufer vom Bauträger - erlangt Auflassungsvormerkung im Grundbuch, - nimmt Wohnung in Besitz.

• Zunächst wird kein Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen (etwa weil wegen Auseinandersetzung über mutmaßliche Mängel Restzahlung ausbleibt).

• Ungeachtet dessen leben Käufer aber wie Wohnungseigentümer in der Einheit.

Für solche Fälle hat BGH „werdende Gemeinschaft“ anerkannt!

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 16

Begriff „werdende Gemeinschaft“

Eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht, wenn zu dem Bauträger (Alleineigentümer) ein erwerbender Käufer hinzutritt, - der zwar noch nicht Eigentümer durch Eintragung im

Grundbuch geworden ist, - der aber verfügt über wirksamen Erwerbsvertrag, Auflassungsvormerkung für Eigentumsverschaffung, Besitz.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 17

2. Werdende Gemeinschaft – ein Fall

Bei 40 der 60 Einheiten verfügen die Käufer über Vormerkung sowie Besitz, einer dieser Käufer zahlt das Hausgeld nicht, ist er dazu verpflichtet und wer klagt das Hausgeld ggf. ein?

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 18

Stellung des werdenden Eigentümers

• Der werdende Eigentümer verdrängt den wahren Eigentümer, so dass der werdende Eigentümer insbesondere

- zur Eigentümerversammlung zu laden ist und dort das Stimmrecht für die Einheit ausübt,

- die Kosten nach § 16, § 28 WEG aus Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung trägt.

• Den wahren Eigentümer trifft keine Ausfallhaftung, wenn der werdende Eigentümer nicht zahlt.

Vgl. BGH v. 5.6.2008 - V ZB 85/07

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 19

Stellung der werdenden Gemeinschaft

• Auf die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft findet das Wohnungseigentumsgesetz vorverlagert Anwendung.

• Damit geht einher, dass die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft auch rechts- und parteifähig ist, wenn sie die aus dem Innenverhältnis herrührenden Ansprüche geltend macht.

• Kläger im Inkassoprozess bzw. Antragsteller im Mahnverfahren ist also die werdende Eigentümergemeinschaft.

Vgl. BGH v. 11.12.2015 - V ZR 80/15, Rn. 8

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 20

3. Mängelrechte gegen den Bauträger

• Die fünfjährige Verjährung der Mängelrechte gegen den Bauträger beginnt mit der Abnahme.

• Nach dem Gesetz erfolgt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums für jeden Erwerbsfall separat.

• Die Verjährung der Ansprüche, die dem letzten Nachzügler-Erwerber wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums zustehen, verjähren daher nach dem Gesetz erst fünf Jahre nach dessen Abnahme.

• Diese Ansprüche kann die Gemeinschaft grundsätzlich geltend machen, § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 21

Kein Schutz des Bauträgers gegen Nachzügler durch Vertragsgestaltung

• BGH v. 25.2.2016 – VII ZR 49/15: Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrages verwendete Klausel, die die nach Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft und Abnahme des Gemeinschaftseigentums vertragschließenden Erwerber ("Nachzügler") an eine durch frühere Erwerber bereits erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums bindet, ist wegen mittelbarer Verkürzung der Verjährung gemäß § 309 Nr. 8 lit. b ff BGB unwirksam.

• BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15: Ergeht in der ersten Eigentümerversammlung im Jahr 2002 ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der Teilungserklärung noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten Eigentümerversammlung.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 22

Agenda

I. Die WEG als Grundstückseigentümer

II. Hausgeld und Abrechnung

III. Werdende Eigentümer und ihre Ersatzansprüche

IV. Instandsetzung

V. Gestern: Nutzungsregelung und Sondernutzungsrecht

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 23

1. Was gilt bei Verzögerung der Instandsetzung

a) Verwalterhaftung

b) Haftung der Eigentümer

c) Haftung der rechtsfähigen Gemeinschaft

d) Eigenmächtige Selbstvornahme

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 24

a) Verwalterhaftung

Beispiel: • Die Sanierung des maroden Daches einer

Wohnungseigentumsanlage bleibt aus. • Bei einem Sturm dringt Wasser in die Wohnung des

Dachgeschosseigentümers ein, so dass die Wohnung vorübergehend unbewohnbar ist.

• Der Eigentümer macht einen Schadensersatzanspruch wegen Mietausfalls geltend.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 25

OLG Frankfurt v. 28.05.2009

• Die Pflicht des Verwalters gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG beschränkt sich darauf,

- Baumängel festzustellen, - die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und - deren Entscheidung über die weiteren Schritte

herbeizuführen. Aus eigenem Recht ist der Verwalter nicht befugt, einen

Sachverständigen zu bestellen. • Haben der Verwalter und die Wohnungseigentümer gleichen

Kenntnisstand, obliegt es Letzteren, einen Beschluss der Gemeinschaft zur Feststellung der Mängelursache und deren Beseitigung rechtzeitig herbeizuführen.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 26

Verwalterpflichtverletzungen

• Verletzung der Pflicht aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG („die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen“)

- Unterlassen regelmäßiger Begehung, ggf. Gefahrerforschung - Information der Eigentümer insbesondere durch Anberaumung einer

Eigentümerversammlung

• Verletzung der Pflicht aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WEG („Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen“), d.h. keine/verzögerte Umsetzung ungeachtet wirksamen Beschlusses, regelmäßig keine Entlastung wegen

- Anfechtung - Kein Eingang abgeforderter Mittel (Einzelfall) - Einwirkung des Beirats oder anderer Eigentümer

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 27

b) Haftung der Eigentümer

BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14: 1. Entspricht nur die sofortige Vornahme einer zur Instandsetzung

des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten oder des Alters einzelner Wohnungseigentümer kein Raum.

2. Erleidet ein einzelner Wohnungseigentümer einen Schaden an seinem Sondereigentum, weil eine Beschlussfassung über die sofortige Vornahme derartiger Instandsetzungsmaßnahmen unterblieben ist, so trifft die Verpflichtung zum Schadensersatz nicht den rechtsfähigen Verband, sondern diejenigen Wohnungseigentümer, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 28

c) Verantwortlichkeit der Gemeinschaft?

• Fragestellung: Haftet ggf. zusätzlich neben Verwalter/Eigentümern, die

rechtsfähige Gemeinschaft für die ausbleibende Sanierung etc.?

• Praktische Auswirkungen: - Wen verklage ich? - Regress der Gemeinschaft bei pflichtwidrig handelndem

Eigentümer/Verwalter kann faktisch scheitern (Insolvenz). - Anforderungen an konkrete Bestimmung pflichtwidrigen

Verhaltens werden geringer (Darlegungs- und Beweislast).

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 29

BGH: Umsetzung als Gemeinschaftsaufgabe

BGH v. 17.10.2014 – V ZR 9/14: [25] Eine Haftung des Verbands hat der Senat allerdings in seinem Urteil vom 13.

Juli 2012 (V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rn. 17 ff.) für solche Schäden bejaht, die durch die unterbliebene Umsetzung eines bereits gefassten Sanierungsbeschlusses entstehen. Ob angesichts der dagegen erhobenen Kritik (...) an der hierfür gegebenen Begründung festgehalten werden kann oder ob dem Verband vielmehr das Handeln des Verwalters als dem für die Umsetzung von Beschlüssen zuständigen Organ (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) in analoger Anwendung von § 31 BGB zuzurechnen wäre (bzw. bei einer verwalterlosen Gemeinschaft das Handeln der Wohnungseigentümer, die den Verband gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 oder 3 WEG vertreten), bedarf keiner Entscheidung.

BGH v. 13.7.2012 - V ZR 94/11 [19] Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband ist jedenfalls dann dem

einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, die unverzügliche Umsetzung eines Beschlusses zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn der Beschluss den Zweck hat, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 30

d) Eigenmächtige Selbstvornahme

• Die Bodenplatte eines im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudes ist defekt. Aufgrund des Defekts durchfeuchten die Kellerwände.

• Den Wohnungseigentümern ist der Defekt seit dem Jahre 2004 bekannt. Sie entscheiden sich aber bewusst im Wege des Beschlusses, zunächst nichts zu unternehmen, was diesen Mangel endgültig beheben könnte.

• Wohnungseigentümerin K, deren Sondereigentum im Untergeschoss liegt, hält diese Entscheidung für falsch. Sie veranlasst daher ohne Absprache, dass die Bodenplatte wenigstens im Bereich ihres Sondereigentums abgebrochen und neu hergestellt wird.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 31

BGH v. 25.9.2015 – V ZR 246/14

1. Ein Bereicherungsanspruch für eine eigenmächtige Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums kommt nur in Betracht, wenn die Maßnahme ohnehin hätte vorgenommen werden müssen.

2. Wer einen solchen Bereicherungsausgleich schuldet, bestimmt sich danach, ob die Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme erst noch beschlossen (dann die Wohnungseigentümer) oder ob sie - sei es wegen eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigentümer, sei es wegen der Dringlichkeit - durchgeführt werden musste (dann die Gemeinschaft).

3. Schuldner des Entschädigungsanspruchs nach § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist jedenfalls der Verband.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 32

2. Gemeinschaft und Sondereigentum – passt das?

Die Gemeinschaft beschließt und saniert die im Sondereigentum stehenden Balkonfliesen, Doppelparkerbleche oder Heizkörper.

a) Beschlusskompetenz

b) Erstattungsansprüche

c) Ausnahme aufgrund von § 14 Nr. 4 WEG

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 33

a) Beschlusskompetenz

BGH v. 8.7.2011 - V ZR 176/10: • Die Heizkörper und die dazugehörigen Leitungen zum

Anschluss an die Zentralheizung sind Sondereigentum der Wohnungseigentümer.

• Den Wohnungseigentümern fehlt es an der Beschlusskompetenz, insoweit über Baumaßnahmen zu beschließen.

• Ein dennoch gefasster Beschluss ist, soweit er die Heizkörper und die dazugehörigen Anschlussleitungen betrifft, mangels Beschlusskompetenz nichtig.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 34

b) Erstattungsansprüche

LG München I v. 1.2.2016 – 1 S 12786/15: Setzt die Gemeinschaft (bzw. der Verwalter für die

Gemeinschaft) im irrigen Glauben, es handele sich um Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum (Duplex-Parker) gegen den Willen des Sondereigentümers instand, so kann sie hierfür grundsätzlich keinen Bereicherungsausgleich verlangen.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 35

c) Ausnahme: Schadensersatzleistung nach§ 14 Nr. 4 WEG

• § 14 Nr. 4 WEG: Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist; der hierdurch entstehende Schaden ist zu ersetzen.

• OLG Schleswig v. 13.7.2006 – 2 W 32/06: Ein Wohnungseigentümer kann aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung entsprechend § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG Schadensersatz – auch in der Form einer ordnungsgemäßen Wiederherstellung – von der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, wenn ihm durch Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, die ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen und er deshalb hinnehmen muss, an seinem Sondereigentum ein Schaden entsteht.

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 36

Agenda

I. Die WEG als Grundstückseigentümer

II. Hausgeld und Abrechnung

III. Werdende Eigentümer und ihre Ersatzansprüche

IV. Instandsetzung

V. Nutzungsregelung und Sondernutzungsrecht

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 37

BGH v. 8.4. 2016 – V ZR 191/15 - Fall

• Eine Wohnungseigentumsanlage besteht aus zwei Wohnungseigentumsrechten.

• Die Wohnungseigentümer streiten um den Gebrauch des Gartens.

• Wohnungseigentümer K erwägt zwei verschiedene Nutzungsregelungen:

- Entweder wird die Fläche geteilt und jedem Eigentümer ein Teil zur alleinigen Nutzung zugewiesen oder

- die Gesamtfläche wird abwechselnd dem einen und dem anderen Eigentümer zur Nutzung zugeordnet (Turnusregelung).

• Was ist zu bedenken?

WEG-Rechtsprechung Bielefeld, 28. September 2016

Folie 38

Erkenntnisse

• Ein Sondernutzungsrecht liegt vor, wenn ein Wohnungseigentümer ein Alleingebrauchsrecht am gemeinschaftlichen Eigentums erhält. Ob der „Entzug“ kompensiert wird, indem andere gleichwertige Rechte erhalten, ist unerheblich.

• In einer bloßen Turnus-/Rotationsregelung liegt kein Sondernutzungsrecht. Eine solche Regelung kann beschlossen werden.

• Scheitert eine Regelung unter den Eigentümern kann ein Eigentümer seinen Anspruch auf Beschluss-, aber auch Vereinbarungsersetzung auch dann vor dem WEG-Gericht durchsetzen, wenn der Anspruch nicht auf eine bestimmte Regelung, sondern auf Ausübung von Ermessen gerichtet ist (§ 21 Abs. 8 WEG).

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Prof. Dr. Florian Jacoby

Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht,

Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld

www.jura.uni-bielefeld.de/fir/


Top Related