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ZEITSCHRIFT FUR ANGEWANDTE MATHEMATIK UND MECHANIK INGENIEURW IS SEN S CHAFTLIC HE FORSCHUNGSARBEITEN

Heft 1 Band 18 Februar 1938

Das wissenschaftliche Werk von Erich Trefftz. Von. R. Grarnmd in Stuttgart.

111 21. Februar 1936 ware E r i c h T r e f f t z , hatte ihn nicht eine tuckische Krankheit A dahingerafft, funfzig Jahre alt geworden. Mitten aus einer Periode besonders fruchtbaren Schaffens, das seinen Niederschlag noch wahrend eines ganzen Jahres nach seinem Tod in der Veroffentlichung mehrerer hinterlassener Arbeiten fand, ist er herausgerissen worden, und so war es ihm nicht beschieden, mehr als wohl nur eine knappe Halfte seines Lebenswerkes zu vollenden. Diese Halfte ist aber so bedeutend, dah es nicht bloh einen Akt pietatvollen Gedenkens darstellt, sie aus Anlah seines funfzigsten Geburtstags zu wiirdigen: sein wissen- schaftliches Werk war mahgebend an der Entwicklung wichtiger Gebiete der angewandten Mathematik und Mechanik in den letzten zwei Jahrzelinten beteiligt, und so laht die Durch. sicht seiner schonen und bis ins letzte Wort klaren Arbeiten diese ganze Entwicklung noch einmal lebendig werden und zeigt zugleich einen hlichst lehrreichen Querschnitt durch jene Gebiete.

Man kann die Arbeiten von T r e f f t z in folgende funf Gruppen einteilen: I. Hydro- dynaniik, 11. Angewandte Mathematik, 111. Schwingungstheorie, IV. Elastizitatstheorie und V. Sonstiges. Die Reihenfolge dieser Gruppen entspricht, trotz mancher Uberschneidungen, auch einigermahen ihrer zeitlichen Folge und sicherlich seiner eigenen inneren Entwicklung , insofern als sein friiheres Schaffen von 1913 bis etwa 1922 vorzugsweise hydrodynamische Arbeiten umfaht, sein spateres bis zu seinem Tode hauptsachlich eIastizitatstheoretische Probleme, wogegen die zweite und dritte Gruppe mehr die mittlere Periode seines Schaffens kennzeichnen.

I. Hydradynamik. Gleich mit seiner Stratiburger Dissertation [l] ') iiber die Kontraktion kreisformiger Flussigkeitsstrahlen beim AusfluP aus einem. Gefah hat T r e f f t z eine wichtige und schwierige Aufgabe, die die klassische Hydrodynamik iibriggelassen hatte, in Angriff genominen und auf folgende originelle und elegante Art gelost. Die potentialtheoretische Formulierung des Problems laht sich mit Hilfe des G r e e n schen Satzes auf eine Integral, gleichung zuriickfuhren, welche durch Quadraturen losbar ware, wenn man die Form des Strahl. randes schon kennen wiirde. Mithin kommt man zu einem Verfahrer, sukzessiver Approximation, dessen Konvergenz zwar nicht bewiesen wird, aber numerisch ganz augenscheinlich ist, indem inan eine gut abgeschatzte Strahlform annimmt und aus der damit (bei einem freien Strahl) ohne weiteres bekannten Potentialverteilung pi am Strahlrand auch das Potential am festen Gefahrand (mittels der Integralgleichung) berechnet und hieraus dann ruckwarts (wieder mittels der Integralgleichung) das zugehorige Potential p2 des Strahlrandes. Die Differenz pl - p1 ist ein Mah fur den Fehler, der noch in der angenommenen Strahlform liegt. Je nach dem Vorzeichen dieser Differenz muh man, wie eine einfache qualitative Betrachtung zeigt, den angenommenen Strahlrand nach der einen oder anderen Seite verschieben und erhalt so nach vier Scliritten ein Ergebnis fur das Verhiiltnis F- : F, (asymptotischer Strahlquerschnitt zu (Mnungsquerschnitt), also fur die sogenannte Kontraktionszahl, welclies rnit einem theoretischen Fehler von wahrscheinlich nicht mehr als 3,5"/, behaftet ist und mit den B a z i n schen Ver. suchen gut ubereinstimmt. Die Konstruktion des Stromungsbildes mit Hilfe der infinitesimal- geometrischen Eigenschaften des Netzes der Po€ential- und Stromlinien bei rotationssymme-. trischen Stromungen beschlieht diese (von ihm selbst spater noch etwas umgeformte) Erstlings- ttrbeit, rnit der sich T r e f f t z sofort als angewandter Mathematiker von bester Pragung aus. gew iesen hat.

Ein kleiner Beitrag [2] (von nur einer Druckseite) zu der damals neu aufbluhenden Aerodynamik machte seinen Namen rasch bekannt: offenbar angeregt durch B l u m e n t h a lb ___-_

1) Die eckig eiiigeklammerten Zahleii beaiehen sich auf das Sohriftenveraeiohnis am SchluD. 1

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Ztechr. i. angew. 2 Math. und Mech.

Untersuchung iiber die Druckverteilung an Joukowskiprofilenz) (deren numerische Auswertung T r e f f t z und To e p f e r durchfiihrten) fand er die inzwischen in alle Lelirbiiclier iibergegangene einfache Konstruktion der Joukowskiprofile mittels zweier Hilfskreise, aus denen sich auch sehr leicht die Gescliwindigkeit am Profilrand ergibt.

Ua Joukowskiprofile hinsichtlich ihrer Verwendung als Tragflachenprofile den Nacliteil haben, dab sie an der Hinterkante in eine Schneide auslaufen, so lag die Aufgabe nahe, konforme Abbildungen des Kreises zu suchen, welche Profile mit vorgeschriebenem, von Null verscliiedeneni Winkel S der Hinterkante erzeugen. In einer gemeinsameri Arbeit [6] losen v. K a r m a n und T r e f f t z diese Aufgabe in der Weise, dafi ein schon von K u t ta*) skizzierter Gedankengang ausgefiihrt wird: man bildet das Aukere eines Vollkreises K auf das Auhere eines Kreiszweiecks konform ab, dessen Eckenwinkel gleicli 6 ist, und sieht dieses Kreis- zweieck (anstatt des von J o u k o \v s k i verwendeten Kreisbogens) als Skelett eines Profils an, das dann schliehlich durch dieselbe konforme Abbildung aus einem Kreis K, entsteht, der den Kreis K in dem der Hinterkante entsprechenden Punkte beriihrt. Die zweifache Mannig faltigkeit der Joukowskiprofile wird so zu einer dreifachen erweitert, wobei iminer noch der grundlegende theoretische Vorteil der Joukowskiprofile erhalten bleibt, dab sich Auftrieb und Moment (Druckpunktlage) durch ganz einfache Formeln darstellen lassen. Die tatsachlich verwendeten Fliigelprofile weichen nun allerdings von den mit dieser Metliode erreichbaren haufig noch ein wenig ab. Man kann aber auch diesen kleinen Unterschied vollends beriick- sichtigen, indem man einem gegebenen Profil zunachst ein Kreiszweieck von gleichem Kanten. winkel 6 in geeigneter Weise zuordnet. Die konforme Abbildung, die dieses Kreiszweieck riickwarts wieder in den Kreis uberfuhrt, transformiert das gegebene Profil in eine fast kreis. ftirmige Kurve, und deren Auhengebiet laht sich dann wenigstens genahert auf das Aukere eines wirklichen Kreises konform abbilden, womit die Aufgabe auch fur beliebige Profile grund- satzlich gelost ist. Die genauere funktionentheoretische Begriindung fur den letzten Schritt, die T r e f f t z zu geben beabsichtigte, ist leider bis jetzt unterblieben. (Die an sich naheliegende Fortsetzung des K a r m a n - T r e f f t z schen Gedankens zur Konstruktion von Profilen, die auch noch einen zweiten Nachteil der Joukowskiprofile, namlich die starke Druckpunktwanderung bei veranderlichem Anstellwinkel, beseitigen, ist merkwiirdigerweise erst nach 18 Jahren erfolgt 9.

Mit der P r a n d t 1 schen Tragflachen- und Propellertheorie hat sich T r e f f t z in vier Aufsiltzen heschaftigt. I m ersten [9] gelingt es ihm, das Problem mathematiscli in iiianclier Hinsicht dadurch zu vereinfachen, dab er die Berechnung des Auftriebs und des induzierten Widerstandes auf eine Randwertaufgabe der ebenen Potentialtheorie zuriickfiihrt. Dies gc- schieht im wesentlichen dadurch, dab man die Zirkulation r und die induzierte Geschwindig- keit n, ausdruckt durch die Potentialfunktion, die die ebene Potentialstromung des Wirbel- bandes im Unendlichen hinter der Tragflache beschreibt, und zwar ergibt sich T als Sprung dieses Potentials beim Durchsetzen des Wirbelbandes von unten nach oben, und w als halbe negative Ableitung des Potentials an der Sprungstelle in der Normalenrichtung. Damit Iiefert dann die P r a n d t 1 sche Gleichung (zwischen r und w) sofort eine gemischte Randwertaufgabe aus der Theorie des logarithmischen Potentials. Diese Potentialaufgabe kann beispielsweise fur eine Tragflache, die sich nur einseitig ins Unendliche erstreckt, verhaltnisniakig bequem auch numerisch gelfist werden, und sie fiihrt fur beiderseits endlich lange Tragflachen sehr schnell auf die M u n k sche Minimalbedingung fiir Tragilachen kleinsten induzierten Wider. standes und damit bei ebenen Wirbelbandern auf die elliptische Auftriebsverteilung. (Die potentialtlieoretische Idee dieses Aufsatzes ist ebenfalls erst nach 15 Jahren weiter aus- geschopft worden ".

In zwei folgenden Aufsatzen [lo] [14], die iiber den Stand des Problems vom Jahre I921 zusammenfassend berichten (und im wesentlichen iibereinstimmen), wird die vorhin genannte Potentialaufgabe auch fur die rechteckige Tragflache mit unveranderlichem Anstellwinkel und unverariderlichein Profil gelost und die zugehbrige potentialtheoretische Herleitung der B e t z - schen Minimalbedingung fur Propeller mit geringstem Energieverlust gegeben. Auherdem findet sich dort eine bemerkenswerte Formel fur den maximal mtiglichen induzierten Widerstand.

Ein letzter, hinterlassener Aufsatz [36] nimmt die potentialtlieoretische Forniulierung der Tragfliigeltheorie noch einnial vor und gibt zunachst eine geistreiche Anweisung zur experimentellen Losung der gemischten Rand wertaufgabe, wobei das Gebiet (die obere Halb- ebene) zuvor auf das Innere eines Kreises oder in mancher Hinsicht noch zweckmakiger auf das Innere eines Halbkreises konform abgebildet wird. Eine Membran, die mit Faden iiber Zaune von vorgeschriebener Hdhe in vorgeschriebener Entfernung von den Grenzen des

G r a rn M e 1 , Das wissenschaftliche Werk von Erich Trefftz

2) 0. B l u m e n t h a l : Z. Flugtechn. Motorluftsch. 4 (1913). S. 125. 3) W. K n t t a : Sitzungsber. Baser. Akad. Wiss., math.-phys. K1. 1911, S. 65. 4) A. B e t z urid F. K e u n e : Luftfahrtforsch. 13 (19%). S. 346. 6) H. S c h i n i d t : ZAMM 17 (1937), S. 101.

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Bereiclies (Kreis bzw. Halbkreis) gespannt wird, lost die Aufgabe sehr anschaulich. In einem zweiten Teil wird fur die Zirkulation eine Integralgleichung abgeleitet, die aber die sonst auftretende Singularitat des Kernes unigeht. Nachdem die Ebene auf das Aukere des Einheits- kreises so abgebildet ist, dab der Wirbelbandschnitt in dessen Peripherie ubergeht, fuhrt die bekannte Randwertdarstellung des logarithniischen Potentials rasch auf die gesuchte inhomogene Integralgleichung mit leicht symmetrisierbarem, negativ definitem Kern. Der Zweck dieser Integralgleichung besteht nun darin, eine wirklich brauchbare Fehlerabschatzung fur eine irgendwie (z. B. experimentell) gefundene Naherungslbsung der Zirkulationsverteilung zu liefern. Dies gelingt in der Tat auf Grund eines fur Integralgleichungen rnit negativ definitem Kern gultigen Hilfssatzes, und die obere Schranke des Fehlers lafit sich so in lauter bekannten Funktionen ausdrucken.

Ein weiteres scliones Beispiel einer Anwendung der Potentialtheorie bietet die zusammen mit L. H o p f durchgefuhrte Berechnung [ll] der ebenen Grundwasserstromung in einem ab- fallenden Gelande uber einer gleichmakig geneigten undurchllssigen Schicht mit einem quer- gestellten Abfanggraben, welcher die Grundwasserschicht nur anschneidet, ohne bis zur undurch- lassigen Schicht zu dringen. Die Methode der konformen Abbildung liefert den ganzen Stromungs- verlauf und zeigt an einem praktischen Fall, wie sich der Grundwasserspiegel hierbei absenkt.

11. Angewandte Mathematik. T r e f f t z' mathematische Untersuchungen sind alle entweder von praktisclien Problemen angeregt oder auf technische Anwendungen ausgerichtet. Ein schones Problem der Mathematik ohne solclie Ausrichtung konnte ihn wohl erfreuen, aber nie zur Bearheitung reizen; und auch in der Matheniatik lieb er, ebenso wie in allen seinen anderen Abhandlungen, nur explizit ausfuhrbare Losungen gelten. Man fuhlt iiberall, wie ilim stets die zahlenmafiige Auswertbarkeit vorschwebt, und darum wirken auch seine rein matheniatischen Gedankengange nirgends abstrakt.

Eine erste fruhe Arbeit [4] zeigt, wie man den Anwendungsbereich des praktisch viel beniitzten P i c a r d schen Verfahrens der sukzessiven Approximation bei der Losung gewbhn- licher Differentialgleicliungen (oder auch bei Systemen von solchen) unter Urnstanden erheblich erweitern kann, indem man als unabhangige Veranderliche die Bogenlange der Integralkurve einfuhrt. Zwar muk dann zur Sicherung der Konvergenz des Verfahrens die zugehbrige Lipschitzbedingung versaharft werden, aber man braucht sie nur noch fur die unmittelbare Umgebung der Integralkurve zu stellen und nicht mehr fur ein von vornherein vorgeschriebenes endliches Gebiet um den Anfangspunkt. Wer das Pi c a r d sche Verfahren wirklich schon angewandt hat, weifi, wie lastig diese letztgenannte Konvergenzbedingung sein kann : die T re f f t z sche Redingung pakt sich dem Sinn der Differentialgleichung viel besser an und mag wohl weiter fuhren. (Eine Anwendung gab T r e f f t z selbst spater; vgl. [5] unter IV.)

Die nach meiner Ansicht geistreichste mathematische Arbeit [7] von T r e f f t z betrifft ein Problem, das sowohl in der Hydrodynamik wie in der Elastizitatstheorie eine Rolle spielt, namlich die Potentialgleichung d Q, = 0 oder die Bipotentialgleichung d A cp = 0 fur ,fast" kreisformige Gebiete rnit vorgeschriebenen Randwerten aufzulbsen. Er gibt zwei Losungs- verfahren, von denen das eine, obwohl nicht notwendig konvergent, fur fast kreisforniige Gebiete praktisch stets hervorragend gut brauchbar ist, wogegen das zweite zwar praktisch etwas umstandlicher, aber sicher konvergent und nicht nur auf fast kreisformige, sondern auf sehr allgemein gestaltete Gebiete anwendbar ist. Der Leitgedanke bcsteht beim ersten Ver- fahren darin, dab man dem fast kreisformigen Gebiet niit dem Rand R (s) einen umschliekenden Kreis K ( t ) (der ohne Einschrankung der Einheitskreis sein darf) zufugt, welchem die Rand- werte g (s) des Potentials auf R (s) durch Verscliieben langs der Radien zugeordnet werden. 1st 2 n N (x, y; t ) am Kreispunkt t die Normalableitung der bekannten G r e e n schen Funktion fur den Kreis K ( t ) , so ist nach einer Fundamentalformel der Potentialtheorie im Falle A cp = 0 die erste Naherung g, (2, y) des Potentials im Innenpunkt x, y gegeben durcli das Kreisintegral g, (x, y) = I N (x, y; t ) g ( t ) d t , und somit ist der Fehler der ersten Naherung auf dem Rand R (s) einfach f, (s) = g (s) - j N ( s ; t ) g (t) d t . Fur die ntitige Korrektion hatte man also lediglich die gleiche Randwertaufgabe mit den Randwei-ten f , (s) auf R (s) zu losen ; statt dessen schiebt man diese Randwerte wieder auf den Kreis K ( t ) und nimmt somit als erste Korrektion Ic, (x, y) = J N (x, y; t ) f, ( t ) d t. In gleicher Weise erhalt man den zmeiten Fehler f, (s) = f, ( s ) - J N (s; t ) f, ( t ) d t und daraus die zweite Korrektion Ic, (x, y) = f N (x, y; t ) f, ( t ) d t und so sukzessiv weiter, bis der Fehler unter seinen zulassigen Wert gesunken sein mag. Dieses erste, nicht immer konvergente Verfahren kann zu einem konvergenten zweiten Verfahren unigewandelt werden, indem man von dem unsymmetrischen Kern N (s, t ) zu einem symme- trischen S ( s , t ) ubergeht. Dies gelingt rnit einer ,,Zwischenfunktion" h ( t ) = J N (ti; t ) g (t,) d t , (wo das Integral uber die Randkurve R (t,) erstreckt ist), die nun an Stelle von g ( t ) als Rand.

Es ware erwunscht, dies an Beispielen zu zeigen.

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wert auf K ( t ) genomnien wird, Damit kommt die erste Naherung g, (x, y) = J N (x, y; t ) h ( t ) d t und ihr Fehler f, (s) = g (s) - ( N ( s ; t ) h ( t ) d t. Die erste Korrektion wird ebenfalls nicht aus f, (s) gebildet, sonderii aus der Zwischenfunktion 78, ( t ) = J N ( t i ; t ) f i (2,) d ti nach der Vorschrift k., (x, y) = / N (x, y; t ) h , ( t ) d t == J K (x, y; t ) f, ( t ) d t init den1 (symmetrischen) Kern li (x, ? j ; t ) = J AT(%, y; r ) N ( t ; r ) d r und entsprechend wciter. Die wte Korrektion wird so k,, ( x , y) = J K(x , y; t ) fn ( 1 ) d t und lakt sich besonders einfach fur solche Gebiete explizit auswerten, die vom Kreismittelpunkt aus gesehen konvex sind: man erhalt hier in Polarkoordinaten

k,, ( Q , A) = 2’ (a, Q’ cos v IY + by Q” sin v 6) mit a’}=,\@v(2)fn 1 - ( t ) ( ;& td t , 6,

wo den Falirstrahl des Punktes 6 = t auf der.Randkurve R bedeutet. Soviel niir bekannt, ist dieses T ref f t z sche Verfahren (das auch auf drei Dimensionen, ferner auf alle Gebiete mit bekannter G r e e n scher Funktion, auf andere Differentialgleichungen vom elliptischen Typ und endlicli auf Bipotentialprobleme ubertragen werden kann) praktisch noch bei weitein nicht in seinem vollen Umfang ausgeschopft und fur die Anwendungen nutzbar gemacht worden.

Ein weiteres Problem, mit dem sich Tr e f f t z viel beschaftigt und tief auseinandergesetzt hat, ist das folgende. Wenn man Randwert- oder Eigenwertaufgaben mit den direkten Methoden der Variationsrechnung behandelt, etwa mit dein R i t zschen oder G a 1 e r k i n schen Verfahren (odcr niit dem noch allgenieineren R a y 1 e i g h schen), so stobt man von selbst auf die Schwierig- keit, die darin besteht, dab diese Verfahren immer nur eine o b e r e Schranke fur den Minimal- wert des zugelidrigen Variationsproblems liefern (beispielsweise fur die potentielle Energie bei Randwertproblenien der Elastizitatstheorie oder fur die Eigenfrequenzen bei schwingungs- fahigen Systemen). In einer ersten Arbeit [all (vgl. auch [25]) behebt T r e f f t z diese Schwierig- keit wenigstens fur die Randwertprobleme dadurch, dab er das Minimalproblem in ein Maximal- problem transformiert ”, was in der Weise gescliieht, dak man bei einer etwas abgeanderten Minimalforderung anstatt der R i t z schen Naherungsfunktionen, die die Randbedingungen, aber nicht die Differentialgleichungen befriedigen, solche Naherungsfunktionen wahlt, die den Differentialgleichungen, aber nicht den Randbedingungen genugen [21], oder (was auf dasselbe hinauskonimt) das Minimalproblem mit geeigneten gemilderten Randbedingungen lost 1251. Dieses T r e f f t z sche Verfahren ist eine Verallgenieinerung der klassischen Reihenent~ricklungen nach PartikularlGsungen, und seine Konvergenz ist viel einfacher nachzuweisen als beim R i t z schen und G a 1 e r k i n schen Verfahren. Dak das T re f f t z sclie Verfahren u n t e r e Schranken liefert, folgt aus einem bekannten Theorem der Variationsrechnung, wonach der Minimalwert eines Variationsproblems sinkt, wenn man die Randbedingungen mildert. In rnanclien Fallen (z. B. wenn sich das fragliche Variabelngebiet aus einfach zu behandelnden Gebieten zusammensetzt) ist es, wie T r e f f t z gezeigt hat, sogar zweckmakig, das Variations- problem noch weiter zu mildern, indem man in] Innern des Gebietes auf die geforderte Stetig- keit oder Differentiierbarkeit teilweise verzichtet. An Beispielen uber die Berechnung von Torsionssteifigkeiten ergibt sich, dak man hinreichend enge Scliranken fur den genauen Wert erhalt, wenn man das T r e f f t z sclie Verfahren mit dem R i t z schen oder G a1 e r k i n schen verbindet 7.

Auf Eigenwertprobleme laDt sich das T r e f f t z sclie Verfahren (im Gegensatz zum R i t z schen und G a 1 e r k i n schen) i. a. nicht ubertragen, da die Partikularl6sungen hier die unbekannten Eigenwerte selbst enthalten. (Eine Ausnahme bildet das Eigenwertproblem A A u + 1 d ac = 0, welchen Fall T r e f f t z selbst spater mit seinem Verfahren erledigt hat; vgl. [32] unter IV.) Nun ist aber gerade bei Eigenwertproblemen die Sachlage insofern gunstiger, als man zu den oberen Scliranken, die etwa das R i t z sche, G a 1 e r k i n sche oder R a y 1 e i g 11 sche Verfahren liefern, ohne weiteres auch untere Schranken tinden kann, indem man die zugehorige Integral- gleichung lieranzieht und die Beziehung (( K2 (s , t ) d s d t = 2 1/AV2. benutzt. Wie man hier- aus eine untere Schranke fur den tiefsten Eigenwert 1, finden kann, ist langst bekannt: l/LlzS ( J K’ (s, t ) d s d t . T r e f f t z verallgemeinert in einer kurzen, aber inhaltsreichen Arbeit [28] diese Abschatzungsformel und erhalt als untere Schranke fur den i-ten Eigenwert: 1 / L i 2 5 (/ K* (s, t ) d s d t - 2 1/LV2 + l/Liz, wo die Lv2 obere Schranken fur die iYz sind und die Summe niindestens bis zum i.ten Gliede gehen muk. - Die Rechnung kann allerdings nur dann wirklich durchgefuhrt werden, wenn man den Kern K ( s , t) angeben kann (- fur symme- trische, positiv definite und stetige Kerne liefert der M e r c e r sche Satz, was weniger bekannt zu sein scheint, zufolge / K (s, s) d s = P l/1, zwar nicht so scharfe, aber dafur einfaclier berechenbare untere Schranken -). Kennt man den Kern jedoch nicht, so kann man untere Schranken liaufig dadurch gewinnen, dak man nach einer Idee von C o u r a n t das Gebiet des

a) Vgl. aueh K. F r i e d r i e h s : Naehr. Ges. Wiss. Gottiogen 19’29, S. 13. 7, Einen mit diesem Verfahreu eng verwandten Gedankeri hat neuerdings H. H e I I gs t [ZAMM 18 (IYdR), S. 441

in seiner noc+h auf T r e f f t z ’ Anregung zuruckgehenden Dissertation benutzt.

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Schwingers vergrofiert, beispielsweise bei einer elliptischen Membran das umbeschriebene Rechteck betrachtet. Hat man liier untere Schranken 2, und 1, fur die beiden tiefsten Eigen- werte gefunden, und kennt man aufierdem fur den tiefsten Eigenwert eine obere Schranke L, < I , , so kann man die Abschatzung 1,s 1,s L, noch wesentlich verscharfen, wie T r e f f t z in der gleiclien Arbeit [28] zeigt, woraus dann fast von selbst auch eine Abschatzung des Fehlers der auf irgendeine Weise gewonnenen Naherung fur die erste Eigenfunktion folgt.

Wahrend es beini R i t zsclien Verfahren verh8ltnismafiig einfach ist, zu zeigen, dafi ein

Hi tzscher Ansatz [im eindimensionalen Fall also 3, = 2 c, yV(z)] eine obere Schranke liefert,

die mit, waclisendem ut gegen den Minimalwert des zugehsrigen Variationsproblems kon. vergiert, so steht doch keineswegs fest, dab damit auch die Funktionen ytl gegen die Minimalfunktion 1~ konvergieren mussen. Mit dieser Frage bescliaftigt sich T r ef f t z in einer Arbeit [25], in welcher sich aufierdem noch einmal eine Darlegung seines eigenen Gegenstucks Zuni R i t z schen Verfahren (siehe [all) findet. Der Konvergenzbeweis (der dann spater in noch anscliaulicherer Form auch in das Referat [24] aufgenommen worden ist) beruht darauf, dafi man versucht, die Funktionswerte y, durch die Minimalwerte von sogenannten Nebeiiprobleinen auszudrucken. Damit ist die Frage nach der Konvergenz der F u n k ti o n e n 3, auf die einfachere Frage nach der Konvergenz der Minimal w e r t e eines Webenproblems zuruckgefuhrt, und es ergibt sich so, dab die Funktionen y, sicherlich dann gegen die Minimalfunktion y konvergieren, wenn die zugehdrige G r e e n sche Funktion in ihrem singularen Punkt endlich bleibt (und ini ubrigen stetig ist).

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111. Schwingungstheorie. In die fruheste Zeit von T r e f f t z wissenschaftlichem Schaffen fuhrt ein Vortrag zuriick, den Th. v. K a r m a n im Jahre 1914 vor der Wissenschaftlichen Gesellschaft fiir Luftfahrt uber die Langsstabilitat uiitl die Langsschwingungen von Flugzeugen hielt. Zu diesem Tlieina leistete damals sein Schuler T r e f f t z einen sehr nutzlichen Beitrag [3], indein er eine iibersichtliche Diskussion der niafigebenden Frequenzgleichung entwickelte. Sie lautet: p f ( z ) + Q g (2) + h ( z ) = 0, wo p und y zwei Parameter sind, die das Dampfungsnioment und das Stabilisierungsmoment des Flugzeugs kennzeichnen, und z die komplexe Verander. liche, deren Realteil uber die dynamisclie Stabilitat entscheidet. T r e f f t z deutet die Gleichung in einem Koordinatensystem (p , y) als Hullknrve und gewinnt so einen einfachen Uberblick uber ihre Wurzeln. Auch eine geschickte Naherungsmetliode zur zahlenmatiigen Auflosung dieser Gleichung (vierten Grades) ist hinzugefugt.

Unmittelbar von der Praxis angeregt ist eine mit elementaren Mitteln durchgefuhrte Naherungsrechnung [l2] iiber die Scliwingungen des sogenannten Schachtlotes, also eines Fadenpendels mit Berucksichtigung des Faden(Draht-)gewichts. Ausgehend von der Losung des fadengewichtslosen Punktpendels findet man leicht die Naherung erster Ordnung fur die Grundschwingung des wirklichen Schachtlotes und kann auch sofort angeben, welcher Anteil der Energie auf diese Grundschwingung, und welcher auf die Oberschwingungen im ganzen entfallt.

In drei tiefgehenden kurzen Noten (die man aucli unter 11. einreihen konnte) klart T r e f f t z einige grundsatzliche Fragen der Schwingungstheorie. In der ersten [16] zeigt er, dab man, wenn man Schwingungsprobleme mit der Methode der Integralgleichungen behandelt, an Stelle der ublichen Voraussetznng der zwei- (bzw. vier-) maligen Differentiierbarkeit der zu ent- wickelnden Funktionen die vie1 naturlichere Voraussetzung der quadratischen Integrierbarkeit des ersten (bzw. zweiten) Differentialquotienten treten lassen kann. Diese zweite Art der Voraus- setzung besagt namlich einfach, daS die potentielle Energie der Anfangslage endlich sein mufi.

Die zweite Note [20] gibt eine mathematische Erklarung fur die Erfahrungstatsache, dafi auch bei schwingenden Systemen mit niclitlinearen Dampfungs- und Ruckstellkraften periodische Erregungen periodische Bewegungszustlnde erzeugen, und tnt dar, dafi die Reibung hierbei einen wesentlichen Anteil hat.

Die dritte [19] dieser Noteri ist die praktisch wichtigste und zeigt, wie man auch bei nichtlinearen Scliwingungsvorgangen ein zahlenmafiig berechenbares Kriterium fur die Stabilitat oder Instabilitat (Resonanz) gewinnen kann. Man mub sich lediglich, etwa naherungsweise, zwei Partikularlosungen der zugehorigen (linearen) Storungsgleichung im Periodenintervall verschaffen und vier aus ihnen gebildete bestiiniiite Integrale auswerten und kann dann die Instabilitatsbedingung unmittelbar anschreiben.

Seitdem sehr raschlaufende Brennkraftmaschinen gebaut werden, ist die Dynamik ihrer Torsionsschwingungen ein vielbeliandeltes Problem geworden. Soweit es statthaft sein mag, eine solche Maschine dynamisch abzubilden auf eiiie mit konstanten Drehmassen besetzte glatte Welle, kann das Problem als gelost angesehen werden. Von den mannigfachen Ver-

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feinerungen, die an dieser ,,klassischen" Formulierung der Aufgabe angebracht werden miissen, hat T r e f f t z (teilweise im Anschlub an die zuletzt genannte Note [19] und wohl ohne Kennt- nis zweier friiherer englischer Aufsatze*) in einer eigenen Arbeit [26] und in zwei unter seiner Leitung entstandenen Dissertationena) die Frage nach dein Einflub der Veranderlichkeit dcr auf die Kurbelzapfen reduzierten Getriebemassen erortert. Mathematisch handelt es sich um ein System von Differentialgleichungen rnit periodisch veranderlichen Koeffizienten, also um ein aueh bei den sogenannten Scliiittelschwingungen'o) auftretendes Problem, und es ergibt sich dabei eine Aufspaltung (und unter Umstanden eine Verschiebung) der ,,klassischen" kritischen Drehzahlen. Bei Einzylindermaschinen kann die Berechnung der Resonanzbereiche auf die Auflosung von zwei unendlichen Normaldeterminanten zuriickgefiihrt werden 'I), bei Melirzylindermaschinen kann man sie in erster Naherung wenigstens durch eine Theorie zweiter Ordnung erhalten, die inzwischen ebenfalls vollstandig entwickelt worden ist").

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IV. Elastizitatstheorie. Der weitaus umfangreichste Teil von T r e f f t z' wissenschaftlicllem Schaffen gehort der Elastizitatstheorie an. Dieser Teil beginnt mit einer Sonderaufgabe aus der Knicktheorie des geraden Stabes [5], insbesondere im Hinblick auf die Festigkeit von Flugzeugholmen. Ankniipfend an seine Untersuchung [4] iiber die Konvergenz des P i c a r d - schen Verfahrens (vgl. unter 11.) benutzt er die Bogenlange als unabhangige Veranderliche und kann so durch ein bis zum zweiten Schritt durchgerechnetes Verfahren der sukzessiven Approximation das Verhalten des Stabes nach Uberschreitung der Knicklast in ahnliclier Weise klaren, wie dies ja auch bei strenger Integration der technischen Biegegleichung E I/@ = M (im einfachsten Fall rnit elliptischen Integralen) geschieht. (Dati diese Losung nur eine Scheinldsung ist, konnte man damals noch nicht wissen; der richtigen Erkenntnis hat besonders T r e f f t z selbst spater - vgl. [27] rind [29] - wesentlich vorgearbeitet, und es ist tragisch, dali er die inzwischen gefundene wirkliche L o ~ u n g ~ ~ ) nicht mehr erleben durfte.)

In voller Allgemeinheit, aber mit bewukter Beschrankung auf kleine Auslenkungen y, nimmt T r e f f t z das Knickproblem des geraden Stabes bald noch einmal auf [17]: der Stab kann jetzt beliebig belastet und nahezu beliebig gelagert sein, insbesondere mag er eine , stetige Langsbelastung tragen. Diese Aufgabe latit sich als Integralgleichung fur y' mit unsymmetrischem Kern ansetzen. Um naclizuweisen, dab alle Eigenwerte, also alle Knick- lasten, reel1 sind, wird zunachst gezeigt, dah die gemischte Ableitung d2 K(s , t ) /S s 6 t der Einflubfunktion K ( s , t) jedes Halkens stets vom positiven Typus ist und eine Integral- darstellung von der Form J H ( r , s) H ( r , t ) d r zulakt. Daraus folgt dann vollends rasch, dab die Eigenwerte 1, zu einer Integralgleichiing rnit symmetrischem Kern fur die Biegemomente gehijren, womit die Realitat der 1, bewiesen ist. Die Losung der Integralgleichung fur y' kann im Falle von Querbelastung (inhomogene Integralgleichung) nach einem Verfahren sukzessiver Approximation erfolgen, welches genau den1 Losungsverfaliren durch die N e u - m a n n sche Reihe entspricht, im Falle reiner Knickbeanspruchung (hornogene Integralgleichung) nach dem Vianel loschen Verfahren. In beiden Fallen ist die Realitat der Eigenwerte wesentlich fur die Konvergenz. (Diese Untersuchung ist neuerdings weitergefuhrt worden la)).)

Kin zweites elastomechanisches Problem, mit dem sich T r e f f t z sehr eindringlich beschaftigt hat, betrifft die Torsion von Staben rnit polygonalem Querschnitt. D e S a i n t - V e n a n t hat gezeigt, dafi man die Torsionsaufgabe fur prisniatische Stabe auf die Randmert- aufgabe zuriickfiihren kann, eine analytische Funktion w = 9, -t i y von z = x + i y zu be- stimmen, deren Imaginarteil y auf dem Rand des Querschnitts die Werte f ( x ' f 3') an- nimmt. Setzt man d rvldzr=p + i 4 , so sind die Torsionsspannungen txZ = G o ( p - y) und tPz = G 0) (x - q ) , wo G der Schubmodul und o die Torsion der Langeneinheit des Stabes ist. T r e f f t z forniuliert diese Aufgabe fur polygoiiale Querschnitte besonders einfach und elegant [S] (vgl. aueh das Referat [23]), indein er die zweite Ableitung von w einfdhrt: d2w / d z2 = s + i t . In diesen Grolien lautet die Randbedingung S sin 2 x v +Tcos 2 x, = 1 , wo S nnd die Rand- werte sind und x, der Winkel der v-ten Polygonseite mit der a-Achse ist, und das bedeutet in eineu (s , t).System Geradenstucke vom Nullpunktabstand 1, welche rnit der s-Achse den Winkel - 2 x, bilden. Sind av die Eckenwinkel des gegebenen Polygons, so besitzt das (s, t).Polygon, das ubrigens dem Einheitskreis umschrieben ist, die Winkel /I, = (2 m, + 1) n - 2 a,,,

__- 8) Q. R. G o l d s b r o n g h : Proc. Roy. S O ~ . Imidon 109 (1925), S . 99 11. 113, (IYLi), S. 259. u) F. K l u g e : 1ng.-Arch. '2 (1931), R. 119. - T. E. S c h u n c k : 1ng.-Arch. 2 (1931), S. 591.

10) E. M e i S n e r : Schweiz. Bauz. 72 (1918), S. Y5. 11) R. Grarr imel : ZAMM 15 (19353, S. 47. 13) R. G r a m ~ n e l : 1ng.-Arch. 6 (1935), S . XI. 13) K. M a r g u e r r e : ZAMM 18 il938), S. 57. 1 4 ) 0. B l o m e n t h a l : ZAMM 17 (1937), S . 232.

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c f r a m m e 1, Das wissenwliaftliche Werk von Erioh Trefftz 7

wo die my ganze Zahlen sind. Die Aufgabe besteht jetzt also im wesentlichen nur noch darin, diese beiden Polygone aufeinander konform SO abzubilden, dab die Ecken den Ecken entsprechen. Dies ist allgemein moglich, wenn man (was offenbar freisteht) in der (s, t)-Ebene noch geeignete Verzweigungspunkte hinzunimmt. Bei der Ausfuhrung benutzt man eine Hilfsebene 5 = + i und bildet sowohl die (z, y)- wie die (5, t)-Ebene mit den S c h w a r z - C h r i s t o f f e l schen Formeln auf die obere ( E , q)-Halbebene ab, wobei die Formel fur die zweite Abbildung im Zahler noch eine ganze rationale Funktion enthalt, deren Nullstellen die Verzweigungspunkte liefern. T r e f f t z hat die ganze Rechnung auch zahlenmakig bis zur Bestimmung der Randspannungen und der Niveaulinien der Spannungsfunktion fur ein Winkel- eisen, dessen Schenkel ins Unendliche reichen, durchgefiihrt; auf einige andere Querschnitte ist das T r e f f t z sche Verfahren spater von C. S c h m i e d e n 16) angewendet worden.

Wo solche Stabe einspringende Ecken haben, treten bei der Torsion theoretisch unend- lich groke Spannungen auf. Man vermeidet solche unznlassigen Spannungswerte dadurch, dak man die Ecken abrundet. Mit dieser Frage beschlftigt sich T r e f f t z 1151 im engen Anschluk an das Vorangehende, und zwar entwickelt er eine Naherungslosung, bei welcher er sich durcli das hydrodynamische Analogon der Torsion leiten liikt: wie man dort die Strtimung in einen wirbelbehafteten Teil mit der Geschwindigkeit Null in der Ecke und in eine Potential- stromung, die das Unendlichwerden der Geschwindigkeit an der Ecke ausdruckt, zerlegen kann, so kann man dies auch fur die Spannungen tun und findet somit den Grad des Unend- lichwerdens der Spannung oder auch die Abhlngigkeit der Eckspannungen voni Abrundiings- halbniesser e der Ecke in erster Naherung, indem man die abgerundete Ecke auf die Halb- ebene abbildet, sich also die anderen Begrenzungen in unendliche Entfernung geruckt dcnkt. Das Ergebnis ist fur schwache Abrundungen zmax N e- l rs . Auf starke Abrundungen sind diese Uberlegungen in einer von T r e f f t z angeregten Dissertation 16) ausgedehnt worden.

Auf den gleichen Leitgedanken ist eine dritte Arbeit [18] aufgebaut, die nun vollends auch noch untersucht, wie die Fliekgrenze aussieht, welche in einspringenden scharfen Ecken notwendigerweise auftreten muk. Anschaulicli findet man die Losnng, indem man das P r a n d t 1 sche Seifenhautgleichnis entsprechend erweitert: der konstant angenommenen Fliefj- spannung wird ein iiber dem Stabquerschnitt zu erriclitendes Dach von konstanter Neigung zugeordnet; wo die aufgeblasene Seifenhaut sich an das Dach anlegt - und das muk in ein- springenden Ecken von Anfang an der Fall sein -, ist plastisches Gebiet. Die Ubersetzung dieses Gedankens in die Spraclie der Potentialtheorie fulirt (wenn man die Spannung genau wie vorhin in einen ,,Wirbel"teil und in einen Potentialteil zerlegt und wieder nur den zweiten beriicksichtigt) auf eine Rand wertaufgabe mit unbekannter Randform (Plastizitatsgrenze), aber bekannten Randwerten, ahnlich wie bei Potentialstrbmungen rnit freier Oberflache. Die Losung dieser Randwertaufgabe gelingt T r e f f t z sehr einfach, und damit ist die Plastizitats- grenze gefunden. - In der gleichen Arbeit wird dann auch noch mit ghnlichen oberlegungen die kreisformige Bohrung bei reinem Schub beliandelt und die etwaige Plastizitatsgrenze ermittelt.

Gleichsam sein ganzes elastizitatstheoretisches Glaubensbekenntnis hat T r e f f t z nieder- gelegt in zwei grofjen, fast lehrbuchartigen Darstcllungen der Gesamttheorie in der Neu. bearbeitung des R i e m a n n - W e b e r [23] und im Handbuch der Physik [24]. Es wird nicht leicht sein, diese beiden Darstellungen an Klarheit, Ubersichtlichkeit und mathematischer Tiefe wieder zu erreichen oder gar zu ubertreffen, iind ich glaube, dab sie sehr lange die makgebende Form bleiben werden, unter der man sich die Elastomechanik vorstellt. Beide zeigen eine vollkomniene Beherrschung sowohl des Stoffes wie des mathematischen Apparates und erganzen sich in gewissem Sinne. Das erste Referat [23] behandelt die Grundlagen ver- haltnismakig kurz und stellt hauptsachlich die wichtigsten losbaren Einzelprobleme heraus ; in der Elastokinetik zeigt es insbesondere die Verbindung einerseits mit der Integral- gleichungstheorie, andererseits mit der Variationsrechnung auf. Das zweite Referat geht sehr tief in die Grundlagen der Elastizitatstheorie. Nachdem der Spannungs- und der Verzerrungs- tensor und ihr linearer H 00 k e scher Zusammenhang geschildert sind, werden die Energie- form& und die Mininialprinzipe formuliert und die Eindeutigkeitsbeweise vorgefuhrt. Es folgen Anwendungen der Minimalprinzipe auf kriimmlinige Koordinaten und auf die Begriindung der sogenannten technischen Festigkeitslehre, die sich liier unter gemeinsamem Gesichtspunkt aus den Minimalprinzipen mit entsprechend vereinfachten Ausdrucken fur die Formanderungs- arbeit ergibt. Dann werden im Anscliluk an Bo u s s i n e s q die wichtigsten Partikularlosungen der elastischen Grundgleichungen besprochen, einerseits hervorragend aus dem Leitgedanken,

Band 18, Heft 1 Febrnar 1938

15) C?. S c h m i e d e n : Z A M M 10 (1930), 8. 251. 1") C. D a s s e n : Z A M M 3 (1923), S. 258.

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Ztsohr. I. angew. Math. und Mech. 8 G r a m m e 1, Das wissenscliaftliche Werk von Erich Trefftz

dak sich alle Losungen der Gleichungen A A u. = 0 usw. als lineare Kombinationen von Potentialfunktionen y und [rp + x v , y -t (r2 + y') y usw.] darstellen lassen (Einzelkraft im Vollraum und im Halbraum, Gleichgewicht der Kugel), andererseits ausgehentl von den Differentialgleichungen fur die Spannungen (die Probleme der Spannungsfunktionen). In der Kinetik erweist sich der Fall der Einzelkraft im Vollraum als von grundlegender Bedeutung, weil sich niit seiner Hilfe die Bewegungsprobleme auf den einfacheren Fall fehlender Massen- krafte zuruckfuhren lassen. Die allgemeine Integrationstheorie der Elastostatik knupft an die Reziprozitatssatze von B e t t i und speziell von M a x w e l l an, sowie an die Formeln von S o m i g 1 i a n a , womit der Anscliluk an die in der Potentialtheorie gelaufigen Gedankengange gefunden ist. Mit den Existenzbeweisen fur die Losungen bei gegebenen Oberflachenver- scliiebungen, mit dem R i t z schen Verfahren samt dem T r e f f t z schen Konvergenzbeweis (vgl. oben [%J) und mit einem Ausblick auf mogliche Erweiterungen der klassischen Elastizitats. theorie (wovon sogleich noch die Rede sein wird) bescliliefit T r e f f t z dieses enzyklopadische Referat, in welchem man wohl die reifste Frucht voni Baum seiner wissenschaftlichen Er- kenntnis selien darf.

Eine solche Erweiterung der klassischen Elastizitatstheorie ist unausweichlich, sobald man an das Problem der Stabilitkt des elastischen GIeichgewichts herantritt. Die Erfahrung zeigt a n jedem knickenden oder kippenden System, dak das elastische Gleichgewicht bei stetiger Steigerung der aufieren Belastung Verzweigungsstellen besitzt. Der (dieser Erfahrungs- tatsache blok scheinbar widersprechende) K i r c h 11 of f sche Eindeutigkeitssatz fur die Losung der Grundgleichungen der Elastizitatstheorie besagt - da diese Grundgleichungen nur fur unendlich kleine Gestaltsanderungen und also auch fur unendlich kleine Spannungen a b geleitet sind -, dak im Grenzfall vcrschwindender Spannungen und Dehnungen noch kein Verzweigungspunkt des elastischen Gleichgewichts vorhanden sein kann. Mithin konnen die gewohnlichen Grundgleichungen der ,,unendlich kleinen" Verzerrungen uberhaupt nichts uber die wirklichen Verzweigungen und die dort etwa auftreteade Labilitat des elastischen Gleich- gewichts aussagen; man muk vielmehr die Grundgleichungen zuvor auf e n d l i c h e Verzerrungs- groberi erweitern. (Dak die iibliche Berechnurig solcher Verzweigungspunkte aus den Grund- gleichungen der ,,technischenu Festigkeitslehre dieser Feststellung nicht widerspricht, brauche ich hier nicht weiter auseinanderzusetzen.) Und zwar muk man offenbar die Erweiterung so vornehmen, dab man aufier dem spannungsfreien Zustand einen (auf seine Stabilitiit zu unter- suchenden) ,,AusgangszustandL' mit endlichen Gestaltsanderungen betrachtet. Es gibt zwei Moglichkeiten, dies matheniatisch zu formulieren. Man kann entweder die Grundgleichungen selbst auf den Rusgangszustarid endlicher Verzerrung erweitern, d. h. Differentialgleichungeu herstellen, wclche diesen Zustand mit einem ,,unendlich benachbarten" Zustand verknupfen, und dann untersuchen, ob es einen solchen benachbarten Gleichgewichtszustand bei gleicher Relastung gibt. Man kann aber auch eine energetische Formulierung wahlen und also die potentielle Energie des Ausgangszustandes endlicher Verzerrung aufsuchen. Dann hat man nur zii untersuchen, wann diese Energie auf- hort, ein wahres Minimum zu sein. Diesen Weg, der mancherlei Vorteile hat, wahlt T r e f f t z in zwei Rrbeiten [27] [29] mit gleichen Zielrichtungen. Beide Arbeiten unterscheiden sich ini wesentlichen nur dadurch, dak das eine Ma1 [29] von vornherein angenommen wird, dafi clas H o o k e sche Spannungs-Dehnungsgesetz fur den Ubergang vom ,,AusgangszustandL' zu seinen Nachbarzustanden gilt, wahrend das andere Ma1 [27] die Frage des experimentell giltigen Spannungs-Dehnungsgesetzes bei der Formulierung des Variationsproblems noch offen. gelassen wird. In der ersten Arbeit [27] ist das Verfahren insbesondere an dem Beispiel des beiderseits eingespannten, geknickten Balkens gezeigt, in der zweiten [29J an der Kippung des einseitig eingespannten Balkens. In einer noch auf T r e f f t z ' Anregung und unter seiner Anleitung entstandenen, nach seinem Tode von M a r g u e r r e veroffentlichten Untersuchung [35] sind diese Gedanken auf den seitlich gefubrten, in der Langsrichtung uber die Knickgrenze belasteteu Plattenstreifen und das hier auftretende Problem der sogenannten mittragenden Breite angewendet.

Wie sich T r eff t z auch sonst gerne voni sicheren Seil der Variationsrechnung leiten lafit, so tut er dies in einer Untersuchung der Grundlagen der Schalentheorie [N]. Die iibliche Herleitung der Grundgleichungen hinterlafit immer ein Gefuhl der Unsicherheit, weil dabei anschauliche geometrische Betrachtungen von fragwurdiger Exaktheit niitig sind. '1' r e f f t z zeigt, wie man diese Schwierigkeit umgehen kann, wenn man die Schalengleichungen variatioiistheoretisch aus den1 C a s t i g 1 i a n o schen Minimalprinzip erzeugt. Man erhalt sie so aus einem Variationsproblem, bei dem fiin f von den sechs GIeichgewichtsbedingungen als

Dieser Weg ist zuerst beschritten w ~ r d e n ' ~ ) .

1') R. V. S o tit h w e 11 : Phil. Trails. Roy. SOC. 213 il913). R. 187. - C. B. B i e z e n o 11. H. H e ri e k y : Proc. Alrad. Wetensch. Amsterdam 31 (1928), S. 569; 32 (1828), S. 444.

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G r a m m e 1, Das wissensclfiaftliclle Werk von Erich Trefftz 9 Band 18, Heft 1 Februar 1938

Nebenbedingungen (mit den Verschiebungen und Drehungen als L a g r a n g e schen Faktoren) auftreten. Diese Herleitung hat auch noch den Vorteil, dab es nicht vie1 ausmacht, ob man dabei die Glieder rnit h/Ri (h = Schalendicke, Ri = Krummungshalbmesser der Mittelflache) vernachlassigt oder beibehalt.

Mit energetischen Betrachtungen bestatigt T r e f f t z [31] aucli die bekannten Fornielii fur den Schubmittelpunkt eines Balkens, d. h. fur denjenigen Querschnittspunkt, in welcheni die Kraft angreifen muh, wenn sie nur eine Biegung, aber keine Torsion hervorbringen SOIL

Gleichfalls als Variationsaufgabe behandelt er das Knickproblem der eingespannten, am Rand gleichmafiig gedriickten, quadratischen Platte [32] (ohne Kenntnis einer vorangehenden Arbeit von A. W e i n s t e i nlS), die dasselbe Problem im wesentlichen auf gleiche Weise er- ledigt). Eine obere Schranke fur die Knicklast ist bekannt (R i tzsches Verfahren), eine untere kann man nach einem Satz von C o u r a n t dadurcli gewinnen, dafi man die Einspannbedingungen miidert, etwa indem man diese in eine Fourierreihe entwickelt und nur den ersten UL Gliedern dieser Entwicklung die Einspannbedingung auferlegt (T r e f f t z wahlt die Falle UL = 1 und n = 2). Transformiert man die Knickgleichung d d ru + 1 d ru = 0 auf ein Variationsproblem, so ergibt sich, dak man das Integral M=JJ(d ru)' d z d y zu einem Minimum machen mufi mit dcr Nebenbedingung J- J J (wXz + my*) d x d y = 1. Dieses Variationsproblem laBt sich nun gerade mit dem genannten ,,abgebrochenen" Fourieransatz fur die Randbedingungen streng losen. Da aukerdem der Wert des Minimums von M - 1 J , wie leicht einzusehen, Null ist, so erhalt man in 1 = M,,,in eine untere Schranke fur den gesuchten Eigenwert 1, also fur die Knicklast. Zusamiiien mit der genannten oberen Schranke kann man so die Knicklast in ein Interval1 von nur 4 O / O O Breite seines Mittelwerts einschliefien.

Fur die gleiche Platte (niit einfach gelagertem Rand) wird dann ahnlich auch noch die kritische Last der Schubknickung untersucht [34], jedoch niit dem Unterschied, dab die untere Schranke nun nicht nach dem C o u r a n t schen Satz, sondern anhand einer eigenen, fruher entwickelten Abschatzungsformel (vgl. [28] unter 11.) gefunden wird. Das Variationsproblem verlangt hier, das Minimum des Ausdrucks ( ( [ ( A w ) ~ + 1 wYu, wY] dx dlg zu suchen. Ein R i t z - scher Ansatz wiirde in iibliclier Weise eine obere Schranke L, fur den tiefsten Eigenwert 1, liefern. Um auch eine untere Schranke zu bekommen, hat man also nach der oben erwahnten Formel

Wl m 711

l / A , 2 2 1 5 K' (s, t ) d s d t -3 l/ LV2 =z l/lv2 -- 2' l / I l v 2 2 1 2

zu bilden. Beide Summen (und zugleicli eine wesentlich verbesserte obere Schranke L,) er- halt man, wenn man einen n2-gliedrigen (statt eines nur eingliedrigen) R i t z schen Ansatzes benutzt. Diescr fuhrt fur die Lv2 auf eine n-reihige Determinantengleichung - ai l , (1/Tl2) I = 0

niit B i k = fur i k , aus der man erstens 3 1/LV2 = lim Z'pi i als bereclienbare unendliche

Reihe gewinnt, zweitens aber durch direkte Auflosung bei hinreichend grofiem 11 eine hin- reichend grofje Zahl von oberen Schranken I+, fur die Eigenwerte 1,. Die aufierordentlich niiihsame Rechnung, die T r e f f t z zusammeri niit W i l l e rs fur acht Werte L, ausgewertet hat, gibt schliefilich eine untere urid eine obere Schranke der kritischen Schubspannung. Da die Eigenwerte recht nahe beieinander liegen, so bleibt im Endergebnis immerhin noch eirie Unsicherlieit von rund 17""; aber es ist damit doch erstmalig iiberhaupt eine brauchbare Fehlerabschatzung fur die kritische Last gefunden.

Wir nehmen von T r e f f t z elastizitatstheoretischen Arbeiten Abschied mit einer kurzeri Note [37], in welcher er die bekannten Ausdrucke fur die Verzerrungskomponenten sowie die Gleichgewichtsbedingungen in Zylinder- und Polarkoordinaten auf hochst einfache Weise ab- leitet, indem er den Vektor 23 = w t, + t, + ru t, (wo ti drei Einheitsvektoren in Richtung wachsender Koordinaten sind) nach den zugehorigen Linienelementen differentiiert und den so entstehenden Tensor symmetrisiert: so erscheinen die sechs Verzerrungsgroken. Die Gleich- gewichtsbedingungen folgen durch eine gleiche Differentiation aus drei analog zu 8 gebildeten Spannungsvek toren.

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1 1

V. Sonstiges. Endlich gibt es von T r e f f t z noch einige Arbeiten, die fast wie Frenid- kiirper in seinein Schaffen wirken wurden, wenn wir nicht aus der Unterhaltung mit ihni wufiten, wie w e i t er den Kreis seiner Interessen abgesteckt hatte. Viele scheinbar abseits liegende Probleme der Wissenschaft hat er vorgenommen (manchmal ohne an eine Ver-

I*) A . W e i ri s t e i n : C. R. Acad. Sci. Paris (1935), S. 107.

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2tschr.f. angew. Math. und Mech. I0

offentlichung seiner Losung zu denken ; die Problenie muhten nur die eine Bedingung erfullen, mathematisch reizvoll zu sein.

Mit einer Fragestellung der allgemeinen Relativitiitstheorie beschaftigt er sich in einer Arbeit [13], die die S ch w a r z s c h i 1 d sche Untersuchung uber das Gravitationsfeld eines Massenpunktes auf dasjenige zweier Massenpunkte erweitert, was offenbar der einfachste niogliche Fall der Gravitationstheorie ist, wenn man sicli von der (noch in den1 S c h w a r z - s c h i 1 d schen Fall steckenden, der Relativitatstheorie aber freniden) Annahme befreit, dab die Euklidische Mafibestimmung in unendlicher Entfernung von eineni einzigen Massen- punkt gewissermahen die Wirkung der ,,weit entfernten" Fixsterne sei. Bei zwei Massen- punkten kann der Rauni schon endlicli sein ; und alle fremdartigen Randbedingungen im ,,Unendlichen" fallen weg, weiin man die FeldgIeichungeii integriert. T r e f f t z fiihrt diese

Rechnung fur die zweite Form (Rik - R gi lC = 0) der E in s t e i n schen Gleichungen durcli. Als Hilfsaufgabe fur eine Untersuchung von A. Y u t t e r uber die Wirkung chemischer

Reiz- und Giftstoffe lost T r e f f t z [22] das Problem der eindimensionalen Diffusion ini Haum zwischen zwei unendlichen parallelen ebenen Wanden, durch welche von auhen ein Stoff A eindringt, der im Innern teils weiter diffundiert, teils in einen andern Stoff R chemisch verwandelt wird. Man erhalt fur die Konzentiationeii von A und R Randwertproblenie, die nahezu

'identisch sind mit klassischen Warnieleitproblemen und sich dementsprechend losen lassen.

Eineii schonen Einblick in T r e f f t z ' Lehrtiitigkeit laht scliliefilicli sein noch kurz vor seineni Tode erschienener Leitfaden der Graphostatik [33] tun. . Dieses Ruchlein zeigt die grofie Klarheit und Eindringlichkeit, die seine Schiiler an seinem Unterricht bewuntlerten. Fernab von allen seinen sonstigen Arbeiten, bietet es doch an einer Stelle eine sehr feine Probe echt T r e f f t z schen Scharfsinns: den kurzen, schlagenden Existrnzbeweis fur die rezi- proken Krafteplane.

Wenn wir encllich noch - auher seiner aufopfernden Tatigkeit als Scliriftleiter dieser Zeitschrift (von Januar 1934 bis zu seinem Tode) - der vielen Buchbesprechungen gedenken, auf welche er namentlich in den letzten Jahren erstaunlich vie1 Fleifi verwendet hat, und ferner der Redaktionsarbeit fiir die Abschnitte uber angewandte Matheniatik im Mathematisclien Worterbuch, der er besonders 1935 vie1 Zeit widmete, so haben wir wold sein ganzes a rissen- '

schaftliches Werk beisammen, soweit er selbst es fur die offentlichkeit seiner Fachgenossen Ilestimmt hatte. Die unerniehliche Fiille der Gedanken und Plane, die h i n t e r dem Werk stanclen, kennen nur die, denen das Gliick seiner personlichen Freundschaft und seines Um- gangs ziiteil geworden ist.

Ci 1' a i n 111 t: 1 , Ua6: wisseiischaftliche Werh von Eiioh Trefftz

1

Dreierlei kennzeichnet clieses reiche Werk : ein holicr Mut, der fast iminer gerade die schwierigsten Probleme angreift und bewaltigt ; eine sichere Meisterschaft in der Handhabung des mathematischen Rustieuges. das zur Losung der Aufgabe erforderlich ist ; ein strenger MaQstab fur die Selbstkritik, die bei ihni nur das gelten lakt, wogegen es keinen Einwand mehr gibt (er hat in seinen Arbeiten nie etwas Wesentlielies zurucknelimen oder verbessern mussen). Dazu kommt der grohe Umfang dieses Werkes, - groh nicht nur im Hinblick auf die kurze Zeitspanne, die ilim dafur vergonnt war, sondern auch groh insofern, als es in bei- nahe alle wichtigen Gebiete der angewandten Mathematik und der technisclien Mechanik tief eindringt und uberall, wo es eindringt, Rahn bricht. Da& ein unerbittliches Geschick das wissenschaftliche Schaffen von E r i c h Tr ef f t z in seinen besten Mannesjahren, mitten in seiner hdchsten Reife, abgeschnitten hat und ihn sein Werk nur halb vollenden liefi, ist nicht blok fur ihn selbst tragisch und fur seine Freunde schmerzlich: es ist fur unsere Wissen- schaft ein ganz groher Verlust, der erst in langer Zeit vollig ausgeglichen werden kann. 78!1

Verzeichnis der Schriften von E. Trefftz. 111 Ubor die Kontraktion kreisformiger Flussigkeitsstrahlen. Diss. StraBburg 1913 (Leipzig 1914),

121 Graphische Konstruktion J o uk o w s k i sclier Tragflachen, Z. Flugtechn. Motorluftsch. 4 (1913),

131 Uber Lsngsstabilitat und 1,angsschwingungen von Flugzeugen (gem. mit T h. v. K Ar m An), Jahrb.

[4] Uber die Konvergenz des P i c a r d schen Verfahrens der sukzessiven Approximation bei gewohn-

auch Z. Math. l'hys. 64 (1916), S. 34 bis 61.

S. 130 bis 131.

Wiss. Ges. Lnftf. 3 (1914/15), S. 116 bis 138.

lichen Uifferentialgleicbungen, Math. Ann. 76 (1915), S. 327 bis 332.

Page 11: Das wissenschaftliche Werk von Erich Trefftz

G r a m m e 1, Das wissenschaftliche Werk von Erich Trefftz 11 Band 18, Heft 1 Februar 1938

[5] Zur Frage der Holmfestigkeit, Z. E’lugteclin. Motorluftsch. 9 (1918), S. 101 bis 103. 161 Potentialstromung um gegebene Tragfllchenquerschnitte (gem. mil Th. v. K tir m i n ) , Z. Plug-

[7] Eine neue Methode zur Losung der Randwertaufgabe partieller Differentialgleichungen, Math,

181 Uber die Torsion prismatischer Stabe von polygonalem Querschnitt, Math. Ann. 82 (1921), s. 97

[9] Zur P r a n d tlschen Tragflachentheorie, Math. Ann. 82 (1921), S. 306 bis 310.

t e c h . Motorluftsch. 9 (1918), S. 111 bis 116.

Ann. 79 (1919), S. 246 bis 264.

bis 112.

[lO] P r a n d t 1 sche TragflBchen- und Propeller-Theorie, ZAMM 1 (1921), S. 206 bis 218. [l l] Urundwasserstrijmung in einem abfallenden Gelande niit Abfanggraben (gem. m. L. Hopf) , ZAMM 1

[12] Uber die Schwingungen des Schachtlotes, Mitt. Markscheidewes, 1921, S. 1 bis 11. [13] Das statische Gravitationsfeld zweier Massenpunkte in der E i n s t e i n schen Theorie, Math.

[14] P r a n d t 1 sche Tragflachen- und Propellertheorie, Vortr. am d. Geb. d. Hydro- 11. Aerodyn.,

[ 151 Uber die Wirkung einer Abrundurig auf die Torsionsspannungei in der inneren Ecke eines

[ 161 Schwingungsproblenie und Integralgleichungen, Math. Ann. 87 (1922), S. 507 bis 314. [17] Allgemeine Theorie der Knickung des geraden Stabes, ZAMM 3 (,1923), S. 272 bis 275. [ is] Uber die Spannungsverteilung in tordierten Staben bei teilweiser Uberschreitung der FlieW-

[19] Zur Berechnung der Stabilitat periodischer Bewegungsvorgange, ZAMM 5 (1925), S. 473 bis 475. [20] Zu den Grundlagen der Schwingungstheorie, Math. Ann. 95 (1926), S. 307 bis 312. [el] Ein Gegenstiick zum H i t z schen Verfahren, Verh. d. 2. Intern. Kongr. f. Techn. Mech., Zurich 1986,

[ 2d ] Ein Diffusionsproblem, Sitzungsb. Heidelb. Akad. Wiss. math.-phys. K1. 1927, S 28 bis 38. [23] Mathematische Grundlagen der Elastizitltstheorie, Probleme des elastischen Gleichgewichts,

Dynamische Probleme der Elastizitatstheorie, R i e m a n n - W e b e r s Differentialgleichungen der Physik, Bd. 2, S. 598 bis 734, Braunschweig 1927; 2. Aufl., Bd. 2, S. 240 bis 373, Braunschweig 1935.

[24] Mathematische Elastizitatstheorie, Handb. d. Physik, Bd. 6, S. 47 bis 140, Berlin 1928. [%I Konvergenz und Fel~lerabschatzung beim R i t z schen Verfahren, Math. Ann. 100 (1928), S. 503

bis 521. [26] Zur Berechnung der Schwingungen von Kurbelwellen, Vortr. a. d. Geh. d. Aerodyn. u. verw. Geb.,

Aachen 1929, Berlin 1930, S. 214 bis 219. 1871 Uber die Ableitung der Stabilitatskriterien des elastischen Gleichgewichtes aus der Elastizitats-

theorie endlicher Deformationen, Verh. d. 3. Intern. Kongr. f. Techn. Mech., Stockholm 1930, Bd. 3, S. 44 bis 50.

(1921), S. 290 bis 298.

Ann. 86 (1922), S. 317 bis 326.

Innsbruck 1922, Berlin 1924, S. 34 his 46.

Winkeleisens, ZAMM 2 (1922), S. 263 bis 267.

grenze, ZAMM 5 (1925), S. 64 bis 73.

S. 131 bis 137.

[28] Uber Fehlerabschltzung bei Berechnung von Eigenwerten, Math. Ann. 108 (1933), S. 595 bis 604. [29] Zur Theorie der Stabilitat des elastischen Gleichgewichts, ZAMM 13 (19331, S. 160 bis 165. 1301 Ableitung der Schalenbiegungsgleichungen mit dem C a s t i g 1 i a n o schen Prinzip, ZAMM 15 (1935),

[31] Uber den Schubmittelpunkt in einem durch eine Einzellast gebogenen Balken, ZAMM 15 (1935). S. 101 bis 108.

S. 220 bis 225. [32] Die Bestimmung der Knicklast gedruckter, rechteckiger Platten, ZAMM 15 (1935), S. 339 bis 344. [33] Graphostatik (90 S.), Leipzig und Berlin 1936. [34] Die Bestimmung der Schubbeanspruchung beim Ausbeulen rechteckiger Platten (gem. niit

[35] Uber die Tragfahigkeit eines langsbelnsteten Plattenstreifens nach Uberschreiten der Beullast

[36] Berechnung der Zirkulation fur die gerade, tragende Linie, ZAMM 18 (1938), S. 12 bis 20. 1371 Ableitung der Verzerrungskomponenten und der Gleichgewichtsbedingungen in Zylinder- und

Fr. A. W i 11 e r s), ZAMM 16 (1936), S. 336 bis 344.

(gem. mit K. M a r g u e r r e), ZAMM 17 (1937), S. 85 bis 100.

Polarkoordinaten, ZAMM 18 (1938), S. 91 bis 92.


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