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Alte Mitgliedsdiplome der Deutschen Ornithologen-GeseUschaft Aus der Geschichte der DO-G

Von Ludwlg Baege, Erfurt

Für die Ernennung Herrn Prof. Dr. ERWIN STRESEMANNS zum Ehrenpräsidenten anläßlich der 80. Jahresversammlung der DO-G im September 1967 auf Helgoland, hatte sich der Vorstand eine besondere Überraschung ausgedacht. Der neue Präsident übergab dem schei- denden Vorsitzenden, der fast ein halbes Jahrhundert in diesem Amt bzw. als General- sekretär nicht nur die Geschichte unserer Gesellschaft wesentlich mitgestaltet, sondern auch mit zahlreichen Veröffentlichungen ornithologiegeschichtlicher Art das Andenken an die Ver- gangenheit wach gehalten hat, sinnigerweise zur Beglaublgung ein mit J.F. NAUMANNS Por- trät geziertes historisches Dokument, das die originalen Unterschriften des Vorstandes vom Jahre 1862 trägt und nachträglich für den jetzigen Verwendungszwe& ergänzt worden ist. Die kostbare Urkunde wurde anschließend im Saal herumgereicht. Das Blatt und die An- regung stammen von Herrn Dr. RUDOLF BERNDT, die weitere Initiative von Herrn Prof. Dr. NIETHAMMER. Ich nehme dieses Ereignis zum Anlaß, kurz über solche alten Mitgliedsausweise unserer Gesellschaft zu berichten.

Während der ù4. Ornithologen-Versammlung" im Herbst 1850 in Leipzig war auf Betreiben der progressivsten Vertreter vaterländischer Vogelkunde aus dem zwanglosen ùVerein" deutscher Ornithologen die ,Deutsche Ornithologen-Gesellschaft « gegründet worden. Man hatte einen fünfköpfigen Vorstand gewählt und einen Entwurf ùprovisorischer Statuten « zur Diskussion gestellt, der einstweilen nur die wichtigsten Gesichtspunkte künftiger gemeinsamer Arbeit enthielt. Aber schon im darauffolgenden Jahr, als bei der nächsten Versammlung in Berlin die 16 Erschienenen über die endgültigen Satzungen zu befinden hatten, wurde es nach dem Beispiel anderer gelehrter Gesellschaften zur notwendigen Konsequenz, daß ,jedes Mitglied bei seinem Eintritte in die Gesellschaft ein seine Mitgliedschaft beglaubigendes Diplom erhält«l).

Die Durchführung dieses Beschlusses bereitete wenig Sorge, war doch die junge Gesellschaft so glü&lich, in der Person ihres verehrten Vorsitzenden einen bewährten Künstler in ihrer Mitte zu haben. Und so heißt es im Protokoll: ,Prof. NAUMANN erklärte sich auf die Bitte vieler Mitglieder bereit, die Zeichnungen zu den Mitglieds- diplomen zu entwerfen und zu besorgen"2).

Mit der Erfüllung dieses Versprechens hielt sich der über Siebzigjährige freilich noch eine Weile auf3), und erst zu Beginn des Jahres 1853 konnte der Sekretär EDUARD BALDAMUS endlich in der ,Naumannia" melden4):

ùDie Diplome für die Mitglieder der deutschen Ornithologen-Gesellschaft nach der trefflichen Zeichnung des Herrn Professor Dr. NAUMANN sind in diesen Tagen, - - und wir hoffen, zur Zufriedenheit der Kenner - - lithographiert und gedruckt und den Herren Vorstands-Mitgliedern zur Unterschrift zugesendet worden. Ich werde sie alsbald nach dem Eintreffen bei mir ausfüllen lassen, und sammt den Statuten und dem Verzeichnisse der Mitglieder diesen zusenden. «

In der Tat hatte NAUMANN diese Aufgabe vortrefflich gelöst. Die ornamentale Schrift hatte er symbolisch in ein Oval aus markanten Vertretern europäischer Vogelordnungen gestellt, die Ecken mit brutbiologischen Miniaturen ausgefüllt und das Ganze mit zarten Zierlinien versehen, wie es dem Zeitgeschmack entsprach. Die

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Abb. I. Erstes DO-G-Diplom, verwendet von 1853 bis etwa 1862, ,Druck der Lith. Anst. v. Baldamus", »Gez. von J. F. Naumann Lith. von C. Diedrich «, Blattgröße 453 × 313 mm,

Bildspiegel 262 X 211 mm, Original: Sig. L. BAuch.

Hinzufügung seines Porträts, was NAUMANNS bescheidenem Wesen widerspricht, mag bei stiller Duldung auf Betreiben seines glühenden Verehrers BAZDAMUS geschehen sein. Hierfür wurde eine kurz zuvor entstandene Zeichnung des Dessauer Künstlers VöLKm~LING zugrunde gelegt»). BALDAMUS besorgte von Diebzig aus nach NXUMANNS Entwurf~) die Lithographie und den Druck und zeichnete selbst als ,Verleger". Mit diesem Blatt war eins der schönsten und originellsten Diplome geschaffen, das damals von einer wissenschaftlichen Gesellschaft ausgegeben worden ist (Abb. 1). Sicher nur wenige Stücke dieser NAu~ANNschen Altersarbeit dürften sich bis heute erhalten habenT). Anscheinend wurde auch NAUMANN für seine Mühe honoriert, denn in der Rechnungsablage von 18548) werden Ausgaben , für Zeichnung, Lithographie, Druck etc. der Diplome" genannt.

Mit der Verteilung hatte BALDAMUS noch eine Zeitlang seine Not. Bald reichten bei rasch steigender Mitgliederzahl die vom Vorstand blanko unterzeichneten Formulare nicht aus, und zuletzt ging offenbar auch noch die f2bersicht verloreng). So dürfte erst Ende 1854, Anfang 1855, also über 4 Jahre nach der Gründung, endlich ein jedes Mitglied im Besitz seines Diploms gewesen sein.

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Bis 1862 fanden einigermaßen regelmäßig Versammlungen statt. Es wurden neue Mitglieder aufgenommen und Ehrenmitglieder ernannt, welche vom Sekretär stets diese mit NAIaMANNS Bildnis geschmückte Urkunde erhielten. Nach der 14. Versamm- lung im Herbst 1862 kam die Wirksamkeit der Gesellschaft einstweilen zum Erliegen. Der bislang so rührige BALBAMtlS zog sich verärgert und resignierend vom Vereins- leben zurück, obwohl er de facto noch weitere 5 Jahre Sekretär geblieben istl0).

Als man dann 1867 mit der 15. Versammlung die Gesellschaft noch einmal auf- leben ließ und zunächst BERNARD ALTUM, im Jahr darauf den Freiherrn FERDINAND VON DROSTE-HULsHOV» zum neuen Geschäftsführer wählte, weigerte sich BALDAMUS hartnäckig, der neuen Leitung das ,Eigentum der Gesellschaft «, nämlich die ,Acten und Schriftstücke «, das ,Ornithologen-Siegel « und die ,Diplom-Formulare « zu übergebenl~). Das zwang den Baron, nach mehreren Schlichtungsversuchen in dem seinem Stammsitz nahegelegenen Münster neue Formulare herstellen zu lassen, die etwa seit 1868/69 für die wenigen noch hinzugekommenen Mitglieder verwendet worden sind. Den künstlerischen Wert des alten Diploms und dessen Originalität erreichte die Neuschöpfung freilich nicht (Abb. 2).

Abb. 2. Zweites DO-G-Diplom, verwendet etwa ab i868/69 bis 1875, ,L i tb . von Louis Espagne in Münster «, Blattgröße 380 X 255 mm, Bildspiegei 279 × 185 mm, Original: Slg. L. BAE~E.

Der mittlerweile (1868) unter der geistigen Führung von JEAN CA~ANIS gegründete Konkurrenzverein, die ,Deutsche Ornithologische Gesellschaft zu Berlin", verzichtete von vornherein auf solchen Brauch und bestimmte in den Statutenl~): ,Nach erfolgter

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Zahlung empfängt jedes Mitglied, anstatt eines Diploms, für das laufende Jahr eine auf seinen Namen ausgestellte Mitgliedskarte, welche dem Inhaber die Rechte und Vortheile eines Gesellschafts-Mitgliedes gewährleistet." Die etwa postkartengroßen, auf getöntem Karton gedruckten Ausweise (Abb. 3) wurden tatsächlich alljährlich

Abb. 3. Mitgliedskarte der DOG zu Berlin, verwendet ab 1868/69 bis 1875, 137 × 107 mm, Original: BREHM-Gedächtnisstätte Kenthendorf.

vom Vorstand neu ausgestellt und an die Mitglieder versandtl~). Auch als sich 1876 die Berliner Gesellschaft mit dem Rest des alten Vereins zur ,Allgemeinen Deutschen Ornithologischen Gesellschaft" zusammenschloß, behielt man noch lange das um- ständliche und aufwendige Verfahren bei. Erst 1896 unterzog man die Satzungen einer Reform. Der Kassenführer allein erteilte fortan nur noch ,mit Rechtswirkung Quittung über die an die Gesellschaft geleisteten Zahlungen"14).

In unserer nüchternen Zeit muß als äußeres Zeichen der Mitgliedschaft der Ausdruck in der Mitgliederliste und allenfalls noch eine Postquittung genügen1»).

Anmerkungen 1) Naumannia 2, Heft 1, 1852, p. 8. 2) Naumannia 2, Heft 1, 1852, p. 3. 8) Noch bei der 6. Versammlung im Juli 1852 in Altenburg mußte NAUMANN ,die

baldige Besorgung des Diploms « abermals versprechen (Naumannia 2, Heft 2, 1852, p. 12). «) Naumannia 3, 1853, p. 107. 5) Dieses Porträt wurde etwas später als lithographiertes Blatt von AL~rRT WALDOW sen.,

Berlin, vertrieben. Das Bild hängt noch heute in manchem Köthener Haushalt. Wieder- gegeben ist es bei P. THOMSEN & E. STRESEMANN: JOHANN FRIEDRICH NAUMANN, der Alt- meister der deutschen Vogelkunde. Sein Leben und seine Werke. Leipzig 1957, p. 5.

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o) Eine nicht vollendete Vorarbeit, die Federzeichnung des aus fliegenden Vögeln ge- stalteten Ovals, in Größe und Ausführung dem gedru&ten Blatt so gut wie gleich, jedoch seitenverkehrt, befindet sich im Archiv des NAUMANN-Museums in Köthen.

7) Mit der Bitte, auf weitere Exemplare zu achten, führe ich die mir bekannten hier auf:

Ausgestellt für :

1. JOH. FR. NAUMANN, Vorsitzender, Mitglied seit 1850, ausgest, um 1853

2. EDUARD BALDAMUS, Sekretär, Mitglied seit 1850, ausgest, um 1853

3. JULIUS SPEERSCI-INEIDER, Mitglied seit 1854, ausgest, um 1854

4. WILHELM SCHLÜTER, Mitglied seit 1857, ausgest. 1857

5. EDUARD EVERSMANN, Ehrenmitglied seit 1858, ausgest, um1858

6. G.C. VON SEIDLITZ, Mitglied seit 1862, ausges•. 1862

7. B1ankoformular, ausgest. 1862, 1967 verwendet für E. STI~rSrMA~

Unterschrieben von:

BREI-IM» LICHTENSTEIN, ZANDER, V. HOMEYER~ NAUMANN, BALDAMUS. (1. Vorstand: 1850--1854)

Im Besitz von:

NAUMANN-Museum, Köthen

NAUMANN, HARTLAUB» BREHM, BALDAMUS. (2. Vorstand: 1854--1857)

BLASlUS, NAUMANN, ZANDER~ I-~OFFMANN, BREHM, BALDAMUS. (3. Vorstand: 1857)

BLASlUS, ALTUM, ZANDER~ HOFFMANN, KIRCHHOFF» BREHM~ BALDAMUS. (4. Vorstand 1858--1864)

LUDWIG BAEGE, Er furt

Dr. RUDOLF BERNDT, Braunschweig

Archiv der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft, Museum für Naturkunde Berlin

Prof. Dr. ERwm STRESEMANN, Berlin

Nr. 1--3 stammen aus den Nachlässen der betreffenden Ornithologen. Nr. 4--7 sind 1949 von einer Enkelin EOUARD BAL9AMUS' in Wolfenbüttel durch Vermittlung in den Besitz von Dr. RUDOLF BERI~DT gekommen; Nr. 5 und 6 wurden von ihm 1968 dem Archiv der DO-G übergeben. Sie dürften einst bei BALDAMVS liegengeblieben und nie an die Empfänger ge- langt sein.

s) Naumannia 4, 1854, p. 414.

9) Bekanntmachung des Sekretärs in Naumannia 3, 1853, p. 456, und 4, 1854, p. 413. - - Auch war Säumigkeit mit im Spiel, denn CttR. L. BRrHM klagte nach der im Sommer 1854 in Gotha abgehaltenen 8. Versammlung gegenüber E . F . v . I-IoMrYrl~: ,Denken Sie sich, die vor langer Zeit unterzeichneten Diplome liegen noch bei LICHTENSTEIN, welcher nicht da war." (E. F. v. HOMZXER: Ornithologische Briefe. Berlin 1881, p. 86).

10) Auf diese Vorgänge, die zur Spaltung des deutschen Ornithoiogenlagers und schließ- lich vorübergehend zum Nebeneinanderbestehen von zwei Gesellschaften führten, kann hier nicht näher eingegangen werden. Sie sind nachzulesen bei E. STRESeMANN: Einhundert Jahre Deutsche Ornithologengesellschaft, in Vogelwarte 15, 1950, p. 209--213, und E. SXRESEMANN: Aus der Gründungsgeschichte des ,Journal für Ornithologie", in J. Orn. 98, 1957, p. 172--184.

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11) Bericht über die XVI. Versammlung der DO-G in Kiel, Münster 1868, p. 9. - - Bericht über die XVII. Versammlung in Cassel, Cassel 1869, p. 13. - - Bericht der XIX. Versamm- lung in Cassel 1872, Münster 1872, p. 9.

12) j . Orn. 15, 1867, p. 424.

1~) So kann z.B. die hier abgebildete Mitgliedskarte von ALFt~ED EDMUND Bt~~HM den Eindruck erwecken, als sei dieser erst 1875 der Gesellschaft beigetreten. In Wahrheit gehörte er ihr als Mitbegründer schon seit 1868 an.

14) j . Orn. 45, 1897, p. 85.

15) Für freundliche Hilfe bei der Zusammenstellung der Fakten danke ich den Herren E. BXR, Köthen, G. BOLDT, Renthendorf, Prof. Dr. G. NIETHAMMER, Bonn, J. STüBS, Berlin, und vor allem Herrn Dr. R. BERNDT, Braunschweig.


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