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Eötvös Loránd Tudományegyetem Bölcsészettudományi Kar DOKTORI DISSZERTÁCIÓ OROSZNÉ TAKÁCS KATALIN DIE ZUR ERINNERUNG GEWORDENE HEIMAT. HEIMATBÜCHER DER VERTRIEBENEN UNGARNDEUTSCHEN Irodalomtudományi Doktori Iskola Kenyeres Zoltán, DSc, a doktori iskola vezetője Germanisztikai Doktori Program Orosz Magdolna, DSc, a doktori program vezetője A bizottság elnöke: Tarnói László, CSc Opponensek: Balogh F. András, PhD Erb Mária, CSc A bizottság további tagjai: Boronkai Szabolcs, PhD Kovács József László, CSc Varga Péter, PhD Témavezető: Mádl Antal, DSc

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Eötvös Loránd TudományegyetemBölcsészettudományi Kar

DOKTORI DISSZERTÁCIÓ

OROSZNÉ TAKÁCS KATALIN

DIE ZUR ERINNERUNG GEWORDENE HEIMAT.HEIMATBÜCHER DER VERTRIEBENEN UNGARNDEUTSCHEN

Irodalomtudományi Doktori IskolaKenyeres Zoltán, DSc, a doktori iskola vezetője

Germanisztikai Doktori ProgramOrosz Magdolna, DSc, a doktori program vezetője

A bizottság elnöke: Tarnói László, CScOpponensek: Balogh F. András, PhD

Erb Mária, CScA bizottság további tagjai: Boronkai Szabolcs, PhD

Kovács József László, CScVarga Péter, PhD

Témavezető: Mádl Antal, DSc

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Budapest, 2007.

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Vorwort

Ich möchte allen danken, die mich auf dem Weg zur Erarbeitung meiner vorliegenden

Dissertation begleitet und unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt meinem

Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Antal Mádl, dass er mich mit seinen fachlichen

Anregungen, seiner ermutigenden Kritik sowie durch weiterführende Hinweise

angeleitet und stetig gefördert hat.

Dem KAAD danke ich für das Semesterstipendium, in dessen Rahmen ich Forschungen

in den Münchener Bibliotheken tätigen konnte. Dem Bayerischen Staatsministerium für

Unterricht und Kultus danke ich für die Gewährung eines Doktorandenstipendiums in

München, sowie dem Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde für

das Forschungsstipendium in Tübingen.

Ohne das freundliche Entgegenkommen zahlreicher Bibliotheken, die sich bei der

Materialsammlung stets bereitwillig erwiesen, hätte die vorliegende Arbeit nie

angefertigt werden können. Mein Dank gilt der Ungarischen Nationalbibliothek

Széchényi in Budapest, der Bayerischen Staatsbibliothek in München, der

Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilian-Universität in München und der

Eberhard Karls Universität in Tübingen, sowie den Fachbibliotheken mit

Spezialsammlungen, so der Bibliothek des Hauses des Deutschen Ostens in München,

des Südost-Instituts in München und vor allem der Bibliothek des Instituts für

donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen.

Den Herren Dr. Wolfgang Bachofer † (Hamburg), Dr. Kurt Rein (München), Dr. Anton

Tafferner † (München), Dr. Martin Anton Jelli (Nattheim) sowie Dr. Horst Fassel

(Tübingen) und Dr. Márta Fata (Tübingen) gebührt ein besonderer Dank für die

konstruktiven Ratschläge und Gespräche sowie in jeder Hinsicht aufbauenden

Diskussionen.

Veszprém, im April 2007

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1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel das von den verschiedenen Zweigen der

Geisteswissenschaften ins Randgebiet gedrängte Phänomen Heimatbuch zu analysieren

und es durch die gewonnenen Erkenntnisse aus dem wissenschaftlichen Niemandsland

zu holen. Aktualität verschafft der Arbeit, dass sie im 60. Jubiläumsjahr der Vertreibung

der Ungarndeutschen, im Jahre 2007, das zugleich das Jahr der Geisteswissenschaften

ist, mit den Heimatbüchern ein interdisziplinäres Projekt anstrebt, das im

Begegnungsfeld dieser Wissenschaftszweigen liegt.

Die traditionelle Geschichtswissenschaft lehnte die Heimatbücher als

Untersuchungsgegenstand wegen ihrer Subjektivität, affektiven Beschaffenheit und

nicht unbedingt wissenschaftlichen Handhabung der Quellen ab1, da sie als erzählende

historiographische Texte als Ausdruck des Wissens eines Subjekts über Vergangenheit

und dessen subjektive Interpretation aufgefasst und ihnen deshalb der Realitätsbezug im

Sinne der modernen Geschichtswissenschaft abgesprochen wurde.

Zwar begann in dieser Hinsicht Mitte des 20. Jhs. ein Umdenken in der

Geschichtswissenschaft, jedoch fällt das in eine Zeit, wo in Deutschland der

Integrationsprozess der Vertriebenen bzw. die Prioritäten der Einbürgerung in die „neue

Heimat“ das Heimatbuch als Untersuchungsgegenstand in den Hintergrund drängten.2

In Ungarn galten bis zur politischen Wende die Vertreibung und das

Nationalitätenproblem überhaupt als Tabuthemen,3 deren Erforschung aufgrund von auf

westdeutschem Boden erschienenen Arbeiten wie Heimatbüchern nur schwer möglich 1 Zwar wird Archivmaterial sorgfältig bearbeitet, besonders was die Zeit vor dem 20. Jh. betrifft, jedoch verliert fast ausnahmslos jedes Heimatbuch seine Objektivität sobald es um die Zwischenkriegszeit bzw. Vertreibung geht. Zu den Fußnoten: Beim jeweils ersten Zitieren stehen alle bibliographischen Angaben, bei allen weiteren nur der Name des Verfassers mit dem Erscheinungsjahr des jeweiligen Werkes und die Seitenzahl. Die Heimatbücher erscheinen schon beim ersten Zitieren in der im Literaturverzeichnis angegebenen abgekürzten Form. 2 Die Heimatbücher erschienen in höherer Zahl in den 1970ern, als andere Fragen der unmittelbaren Vergangenheit – wie der Neubeginn nach 1945 und die Selbstanalyse der deutschen Geschichtswissenschaft sowie die Wertung der Rolle von Forschern auf dem Gebiet der deutschen Geschichtsschreibung im Dienste der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik – die deutsche Geschichtsschreibung beschäftigte.3 Zum Thema Automatismus und zur Geschichte der historischen Forschung der Nationalitäten in Ungarn nach 1945 siehe Fehér, István: Az utolsó percben. Magyarország nemzetiségei 1945-1990. Budapest, 1993., S. 12ff.; Kővágó, László: Magyarországi nemzetiségi kutatások. Budapest, 1984.; Tóth, Gyula: A nemzetiségi dokumentáció ügye Magyarországon. In: Kritika. (1981), Nr. 12. S. 5ff.; Für, Lajos: Kisebbség és Tudomány. [Gyorsuló idő] Budapest, 1989.

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gewesen wäre. Ja sogar Mitte der 1990er als die ersten Recherchen zu dieser Thematik

gemacht wurden, stand noch der Vermerk in den von der Ungarischen

Nationalbibliothek Széchényi bewahrten Heimatbüchern „auf Index gestellt“.

Die Volkskunde nahm zwar Kenntnis von den Heimatbüchern, jedoch

interessierte sie sich nur für den eigenen Wissenschaftszweig relevanten Teil in diesen

Arbeiten, d.h. sie untersuchte die Heimatbücher nicht als eine geschlossene Einheit,

sondern filterte sie nach eigenen Kriterien, was folgerichtig auch nicht näher zum

Wesen und zur Positionsbestimmung des Phänomens Heimatbuch führen konnte.

Ende der 1950er Jahre entdeckte die Soziologie in der Vertriebenen- und

Flüchtlingsfrage ein unerforschtes Gebiet, das aber angesichts des vielfältigen

Gegenstandes auch vielfältige Methoden in der Darstellung und Untersuchung zuließ.

Das führte zu einer bestimmten Annäherung bisher getrennter Wissenschaftszweige wie

Soziologie und Volkskunde. So konnte einerseits in der Volkskunde eine bedeutende

Wendung zum Soziologischen hin beobachtet werden, sodass es nicht mehr bloß um die

Kulturgüter und ihre autonomen Zusammenhänge ging, sondern auch um die Funktion

des Kulturguts in dem jeweiligen Kreis seiner Träger.4 Neben die Tradition trat also als

ein zweiter Pfeiler die Gemeinschaft, die eine besondere Form der Gesellung aus der

soziologischen Skala herauslöste.5 Andererseits lud eben die Soziologie bei gewissen

Forschungsgebieten und -gegenständen zur Zusammenarbeit verschiedener

Wissenschaftszweige ein, besonders im Falle der Flüchtlingsfrage und

-literatur, als sie sie mit dem Merkmal ‚schwer abgrenzbar’ bezeichnete, da sie viele

Bereiche verbinden und somit eher ein Begegnungsfeld einzelner Erkenntnisteile als ein

einheitliches, wissenschaftliches oder faktisches System bilden. Das ganze, somit auch

das Phänomen Heimatbuch, sei ein Problemgebiet.6

4 Vgl. z.B. Bausinger, Hermann/Braun, Markus/Schwedt, Herbert: Neue Siedlungen. Stuttgart, 1959., dazu besonders S. 9-15.5 Siehe dazu ausführlicher Bausinger/Braun/Schwedt 1959: 13-14. sowie Leopold von Wiese: Soziologie und Anthropologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie 3 (1950/51), S. 448-458. Zur Diskussion der Begriffe Gesellschaft und Gemeinschaft siehe Kölner Zeitschrift für Soziologie 7 (1955).6 Bereits Jolles, Hiddo Michiel: Zur Soziologie der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Köln-Berlin, 1965., befasste sich in seiner Arbeit mit der Problematik, wobei er eindeutig macht, dass die Flüchtlingsliteratur im Nachkriegsdeutschland nicht nur Niederschlag eines wissenschaftlich zu beobachtenden Phänomens war, sondern sie war in starkem Ausmaß Teil eines Dialogs zwischen Mensch und Umwelt. Sie war ein Ausdruck des psychologischen Bedürfnisses, eine chaotische Lage zu ordnen, eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage, eine Standortbestimmung in Leben und Zeit. In einem Land, dessen politischer Status umstritten, dessen Wirtschaft größtenteils zerstört, dessen Bevölkerung in vielen Teilen durcheinander gewürfelt worden war, darf man diese Funktion der Literatur nicht übersehen. Vgl. Jolles 1965: 19ff.

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Genauso war das Heimatbuch für die Literaturwissenschaft ein Problemfall, da

für solche schwer abgrenzbaren Phänomene mit fraglicher Literarizität der klassische

Begriff von Literatur nichts übrig hatte. Da aber die literaturwissenschaftliche

Definition des Literaturbegriffs einen historischen Wandel erlebte, wobei die normative

Festsetzung von Wesensmerkmalen die deskriptive Ermittlung von

Erkennungsmerkmalen ergänzte, ist es möglich geworden unter dem Himmel der

Literatur einen Platz für die Heimatbücher zu suchen, wenn auch nicht in der Mitte, im

strahlenden Sonnenschein, sondern im Schatten der „Großgattungen“, im Randgebiet,

wo durch Begegnungen mit anderen Disziplinen interessante Sonderformen eine

Bereicherung bringen können. Diese Sichtweise wurde dadurch befördert, dass sich der

Literaturbegriff erweitert hat. Der Literaturbegriff, der Anfang des 19. Jhs. nur die

Gruppe umfasste, die alle drei Erkennungsmerkmale: (1) Fixierung, (2) Fiktionalität,

und (3) künstlerische Sprachverwendung aufwies, ist infolge eines

Erweiterungsprozesses ab Ende der 1960er Jahre auf Texte anwendbar, die zwar fixiert

und fiktional sind aber auf eine künstlerische Sprachverwendung verzichten. Der

Begriff ist seit den 1980er Jahren im Rahmen bestimmter Theoriekonzepte7 sogar auf

alle weiteren Gruppen ausgeweitet worden, so dass sich aus der Kombination der drei

Erkennungsmerkmale einen sieben Teilmengen umfassenden Literaturbegriff ergibt,8

der die literaturwissenschaftliche Handhabung der Textsorte Heimatbuch ermöglicht.

Der Begriff Textsorte wird im Weiteren in der vorliegenden Arbeit bevorzugt, da er von

der Tragweite der Goetheschen Einordnung und seiner späteren Transformationen nicht

belastet ist und sich auch auf Formen nicht-poetischen Schrifttums extendieren lässt.

7 Z.B. Intertextualität oder Dekonstruktivismus.8 Vgl. Schneider, Jost: Einführung in die moderne Literaturwissenschaft. Bielefeld, 2000. Siehe dazu Näheres im Kapitel Literarizitätgrad der Heimatbücher.

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1.2 Aufbau und Zielsetzung der Arbeit

Um das Heimatbuch als selbstständige Textsorte beschreiben und charakterisieren zu

können, soll einleitend die Materialsammlung dargestellt und das Untersuchungskorpus

abgegrenzt werden. Durch Fragestellung und methodische Vorgehensweise bedingt,

ergibt sich eine Gliederung der Arbeit in drei Einheiten, die eine weitere inhaltliche

Untergliederung erfahren. Nach dem einleitenden Kapitel beschäftigt sich der erste

größere Teil der Arbeit mit Fragen nach den Wurzeln und Entstehungsumständen der

Textsorte Heimatbuch, worauf eine deskriptive Darstellung der Typen und Quellen der

Heimatbücher folgt. Der erste Teil schließt mit der Schilderung der funktional-

intentionalen Ansätze der Heimatbücher und mit der Darstellung des Autor-Leser-Werk

Verhältnisses, wobei die Einführung des Begriffs 'Kultur-Kanon' den Übergang zum

zweiten Teil der Arbeit schafft, in dem die semantische Struktur und die zentralen

Themenkomplexe der Heimatbücher dargestellt werden. Der zweite Teil beginnt mit der

Darstellung von Zusammenhängen zwischen Identitätsbildung und

Heimatvorstellungen. Es wird näher auf die Semantisierung von Heimat und auf den

von den Heimatbüchern vermittelten Heimatbegriff bzw. auf das Heimatverständnis

eingegangen. Dieser Abschnitt setzt sich zum Ziel, einen Aufschluss über die

semantischen, inhaltsstrukturellen und funktionalen Bestimmungsmerkmale der

Heimatbücher zu geben, um raum- und zeitbedingte Erinnerungsstrategien in der

Relation zum kollektiven Gedächtnis vorzeigen zu können.

Im dritten Teil der Arbeit wird nach literarischen Strukturen gesucht. Die Disparität und

die komplexe Struktur dieser äußerst heterogenen Werke in den Mittelpunkt gestellt

wird hier der Versuch unternommen, ihre Struktur aufzuspüren, um die Frage nach der

Literarizität zu beantworten. Es geschieht in dem Bewusstsein, dass die Heimatbücher

nicht nur eine Summe von Elementen darstellen oder reine Kompilationen sind, sondern

eine erlebte Ganzheit, nämlich die Vielfalt zum Ausdruck bringen, die durch den

Begriff Heimat angedeutet wird. In Anlehnung an Jost Schneiders theoretische Ansätze

soll durch die Untersuchung des Literarizitätsgrades der Heimatbücher ein für sie

adäquater Literaturbegriff aufgezeigt werden, um die literarischen Segmente der

Textsorte untersuchen zu können. Dabei konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf

drei textsortenspezifische Bereiche, nämlich (1) auf die Volkspoesie und (2) die ihr nah

stehenden lyrischen Werke der Heimatdichtung sowie (3) auf die autobiographisch-

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geprägten Beiträge der 'Erlebnisgeneration'. Während es im ersten Bereich um die

Darlegung des Übergangs von der mündlichen zur Schriftkultur geht, soll bei den

Heimatgedichten die Funktionalisierung zwecks Vergangenheitsbewältigung

veranschaulicht werden. Im dritten Bereich wird der Versuch gemacht, durch die

Analyse der Erzählweise der autobiographisch-geprägten Beiträge ein Bild über den

Stand der Vergangenheitsverarbeitung und -bewältigung zu verschaffen. Die Arbeit

schließt mit einer Zusammenfassung, in dem anhand des wissenschaftlichen Ertrages

der vorliegenden Arbeit, die Textsorte Heimatbuch charakterisiert wird. An die Arbeit

fügt sich ein Anhang, in dem vor allem die Heimatgedichte und die autobiographisch-

geprägten Beiträge, die zum Gegenstand der Analyse gemacht worden sind, einen Platz

bekommen haben.

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1.3 Materialsammlung und Untersuchungskorpus

Hilfreich bei der Zusammenstellung des Untersuchungskorpus waren Bibliographien

und die Bestände und Karteikarten von Bibliotheken. Die Tatsache, dass die

Heimatbücher trotz der fortschreitenden Integration der Vertriebenen keine rückläufige

Tendenz zeigten, bewegte Privatpersonen, Forscher, verschiedene Kreise,

Organisationen und Institute der Vertriebenen, Bibliographien der nach 1945

erschienenen Heimatbücher zusammenzustellen. Der Gedanke ist schon beim Beschluss

der Arbeitsgemeinschaft der Landesflüchtlingsverwaltungen im Dezember 1974 bei

einer Plenarsitzung in Passau aufgetaucht, um den Ostdeutschen Kulturrat anzuregen,

eine Erfassung und Zusammenstellung der Heimatbücher zu bewirken.9 Das Ziel der

Bibliographie sollte eine Dokumentation der grenz- und auslanddeutschen Gebiete sein

und darüber hinaus sollte sie ihren Beitrag zur mitteleuropäischen Kultur verdeutlichen.

Als größtes Hindernis der Zusammenstellung einer umfangreichen, vollständigen und

lückenlosen Bibliographie wurde gesehen, was ebenso für die Zusammenstellung und

Vollständigkeit unseres Untersuchungskorpus gültig ist, dass gerade auf dem Gebiet der

Heimatbücher und Dokumentationen manche Publikationen nicht in den öffentlichen

Büchereien zu finden sind, und zwar vor allem deshalb, weil sie in Selbstverlagen

herausgebracht und intern vertrieben wurden. Auf den Seiten der Zeitung der Deutschen

aus Ungarn Unsere Post erscheinen oft Aufrufe an die Landsleute, dass sie

Freiexemplare zwecks bibliographischer Erfassung der Heimatbücher den

entsprechenden Stellen zuschicken sollten.10 Anhand der zugänglichen Exemplare der

Bücherei des Hauses des deutschen Ostens in Düsseldorf und der Bücherei des

deutschen Ostens in Herne unter Mitwirkung der Bibliothek des Johann-Gottfried-

Herder-Instituts in Marburg, des Bundesarchivs in Koblenz sowie des Instituts für

Heimatforschung in Rotenburg/Wümme ist der Versuch unternommen worden, eine

Gesamtbibliographie der ost- und südostdeutschen Heimatbücher und

Ortsmonographien nach 1945 zusammenzustellen. Als erster Schritt entstand eine 1000

Bücher umfassende Titelsammlung, die dann durch Beiträge von fast 50 Instituten,

Bibliotheken und Sammlungen ergänzt und erheblich ausgeweitet wurde. So konnte

dann die Bibliographie von Wolfgang Kessler (1979) schließlich mit 1722 Titeln auf

9 Vgl. Kampf, Wilhelm: Über die in Arbeit befindliche Gesamtbibliographie der ostdeutschen Heimatbücher seit 1945. In: Patenschaft und Heimatkreisliteratur. Lübeck, 1977., S. 54-56., hier 54.10 Siehe z.B. Unsere Post 36 (1981), Nr.13.

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290 Seiten, einem Personenregister und dem mehrsprachigen Ortsregister erscheinen.11

Aufschluss über die pommerschen Heimatbücher geben die Bearbeitungen von Manfred

Vollack (1977) und Herbert Spruth (1965).12 Die Heimatbücher der Sudetendeutschen

sind in der bibliographischen Arbeit von Rudolf Hemmerle (1970), die auch

Ortsmonographien und Karten, Heimatblätter, Heimatschriften, Jahrbücher sowie

Kalender unter anderem enthält und die mittlerweile 1996 schon eine zweite erweiterte

Auflage erlebt hat,13 systematisch erfasst worden. Die schlesische Bibliographie von

Herbert Rister14 zählt auch zu den wichtigen Quellen, genauso wie die Bibliographien

Ostdeutschland und des Deutschtums in Ostmitteleuropa.15 Hinsichtlich des Schrifttums

über ungarndeutsche Siedlungen und Siedlungsgebiete erwies sich Scherers

Bibliographie (1966/1974/1998),16 bezüglich der ungarndeutschen Heimatbücher

Kesslers Bibliographie am fruchtbarsten. Heimatbücher ließen sich in öffentlichen

Bibliotheken wie in der Ungarischen Nationalbibliothek Széchényi in Budapest nur

spärlich aufspüren, in der Bayerischen Staatsbibliothek in München, in der

Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilian-Universität in München und der

Eberhard Karls Universität in Tübingen konnte man auf eine größere Sammlung stoßen.

In höherer Zahl waren aber die Heimatbücher in Fachbibliotheken und

Spezialsammlungen zu finden, so in der Bibliothek des Hauses des Deutschen Ostens in

München, des Südost-Instituts in München. Die meisten Heimatbücher, die auch durch

11 Kessler, Wolfgang (Bearb.): Ost- und südostdeutsche Heimatbücher und Ortsmonographien nach 1945. Eine Bibliographie zur historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete. München (u.a.), 1979.12 Vollack, Manfred: Die pommerschen Kreise und Städte im Spiegel der nach 1945 erschienenen Heimatliteratur und ihre Patenschaften. In: Patenschaften und Heimatkreisliteratur. Lübeck, 1977., S. 57-85. Spruth, Herbert: Landes- und familiengeschichtliche Bibliographie für Pommern. Neustadt an der Aisch, 1962-1965. Sie dazu noch Verzeichnis der Schriften über Pommern. Hannover, 1964.13 Hemmerle, Rudolf: Heimat im Buch: Heimatbücher, Heimatbriefe, Kalender und Jahrbücher 1945-1970. München, 1970. 136 S. sowie ders. Heimat im Buch: Sudetendeutsche Heimatbücher, Ortsmonographien, Karten, Heimatblätter, Heimatzeitschriften, Jahrbücher und Kalender nach 1945. Eine Bibliographie. München, 19962., 334 S.14 Schlesische Bibliographie. [Schriftenreihe. Bearb. von Rister, Herbert. Hrsg. vom Herder-Institut im Einvernehmen mit der Historischen Kommission für Schlesien. Marburg,] 1928-34 (1961-63); 1935-41 (1992-96); 1942-51 (1953); 1952-53 (1954); 1954-55 (1956); 1956-57 (1959); 1958-60 (1982-85); 1961-63 (1975-83); 1964-70 (1984); 1971-80 (1986-87); 1981-85 (1989).15 Bücherei des Deutschen Ostens. [Schriftenreihe. Bearb. von Kessler, Wolfgang. Herne in Westfalen,] Bücherverzeichnis (ab 1950) bzw. Bestandskatalog: Bd. 1. (1982): Nordostdeutschland; Bd. 2. (1982): Brandenburg-Preußen, Nordosteuropa; Bd. 3 (1984): Schlesien; Bd. 4 (1987): Böhmische Länder, Südosteuropa.; Bücherkunde Ostdeutschlands und des Deutschtums in Ostmitteleuropa. Bearb. von Jilek, Heinrich/Rister, Herbert/Weiss, Hellmuth. [Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart; 8] Köln-Graz, 1963.; Ostdeutsche Bibliographie: das internationale Schrifttum über die Heimatgebiete, die deutschen Vertriebenen, das deutsche Vertriebenenproblem und mitteldeutsche Fragen. 1 (1952) – 21 (1972). [Zeitschrift. Bearb. von Marzian, Herbert. Hrsg. vom Göttinger Arbeitskreis.].16 Scherer, Anton: Donauschwäbische Bibliographie. Das Schrifttum über die Donauschwaben in Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und Bulgarien sowie – nach 1945– in Deutschland, Österreich, Frankreich, USA, Canada, Argentinien und Brasilien. Bd. 1.: 1935-1955. München, 1966.; Bd. 2.: 1955-1965. München, 1974.; Bd. 3.: 1965-1945. Graz, 1998.

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die Überlassung des Nachlasses von Heimatforschern sowie durch Zusendung der

Bücher von den Autoren in die Sammlung gelangt sind, waren aber in der Bibliothek

des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen

vorhanden. Die Existenz einiger Heimatbücher, weil sie meistens im Selbstverlag

erschienen sind, konnte jedoch nur durch das systematische Durchsuchen der seit 1945

erschienen Nummern der Zeitung der Deutschen aus Ungarn Unsere Post in Erfahrung

gebracht werden. Die Zeitung brachte, wenn man auf die Spur eines neuen

Heimatbuches gekommen ist, in der Bücherecke eine kurze Besprechung. Da die

Tatsache der Veröffentlichung eines Heimatbuches für die potenziellen Leser und

Käufer bzw. Bezieher von größerer Bedeutung war, als die genauen bibliographischen

Angaben, konnte es nur als Indiz gedeutet werden und veranlasste uns zur weiteren

Recherche.17

Der Abfassung der vorliegenden Arbeit ging eine Quellenstudie von insgesamt 350

Heimatbüchern und Ortsbeschreibungen, sowie 56 Heimatkalendern, Jahrbüchern und

mehr als 70 Heimatbriefen, Rundbriefen voraus. Über ungarndeutsche Ortschaften

konnten 128 Ortsbeschreibungen, Heimatbücher, oder sich als solche bezeichnende

Werke aus den Jahren nach 1945 gefunden werden.

Die Beschäftigung mit den Heimatbüchern impliziert zugleich die Behandlung des

Problems der geographischen und zeitlichen Eingrenzung zwecks wissenschaftlicher

Handhabung des riesengroßen Materials und Schaffung eines geeigneten

Untersuchungskorpus. Die zeitliche Grenze ist bei 1945 festgelegt worden, da unser

Interesse den in der alten und neuen Bundesrepublik Deutschland18 veröffentlichten 17 Die durch die Zeitung Unsere Post ausfindig gemachten Informationen, soweit sie nicht auf einem anderen Wege nachprüfbar waren, erscheinen am Ende der vorliegenden Arbeit im Verzeichnis der Heimatbücher kursiv gedruckt.18 Infolge der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Ungarndeutschen nicht nur in die westlichen Besatzungszonen gekommen, sondern – vor allem in der letzten Phase der Umsiedlungsaktionen – in die Ostzone, in die spätere DDR. Ungarndeutsche Heimatbücher aus der DDR sind nicht bekannt. Daten und Fakten über die in die SBZ gelangten Landsleute – seltener aber ihre Erinnerungen – flossen in die BRD-Heimatbücher hinein, soweit sie den Autoren bekannt waren. Wie Tadeusz Namowicz in seiner Arbeit Zwischen Historizität und Rückwärtsgewandte Utopie. Ostpreussen als „Heimat“ in der deutschen Literatur nach 1945. In: Orłowski, Hubert (Hrsg.): Heimat und Heimatliteratur in Vergangenheit und Gegenwart. Poznan, 1993., S. 77-92., darauf hingewiesen hat, wurde das Thema des ‚deutschen Ostens’ gemieden. Gegenüber den Heimatbüchern, die auch die verlorene Heimat auf ihre Art und Weise thematisieren, war die offizielle Haltung auch nicht anders geprägt. Der von der Parteileitung der SED oktroyierten offiziellen Politik entsprach keine Darstellung der Ausweisung der deutschen Bevölkerung, in der jedoch schwierige, Konflikt beladene Momente hätten angesprochen werden können. Die rückwärtsgewandte Perspektive der Vertriebenen, die in der verlorenen Heimat zugleich das verlorene Paradies gesehen haben, war in der politischen Öffentlichkeit der DDR unerwünscht. So sind diese Momente ausgeblendet und tabuisiert worden. „Teilten andere Persönlichkeiten des politischen Lebens in der SBZ und in der DDR diesen Standpunkt nicht (z.B.

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Heimatbüchern der aus Ungarn nach 1945 vertriebenen Deutschen gilt. So fanden die

Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Dorfmonographien, dialektologischen,

volkskundlichen und geschichtlichen Arbeiten – auch wenn sie Ortschaften des

Trianonungarns behandeln (siehe geographische Eingrenzung unten) – keine Aufnahme

in das Korpus. Sie werden als Vorläufer, bzw. als Quellen in einem Sonderkapitel

behandelt. Im Falle der ungarischsprachigen bzw. in Ungarn erschienenen

Ortsbeschreibungen, bei denen nach unserer Hypothese die Verwandtschaft mit den

Heimatbüchern am offensichtlichsten auf der Hand liegt, wird eine analytische

Untersuchung in einem Extrakapitel durchgeführt, um die Frage zu klären, ob sie einen

weiteren Typ der Heimatbücher repräsentieren, oder eventuell anderen Zielsetzungen

folgen, da ihre Entstehungsumstände bedeutend von denen der Vertriebenen abweichen.

Bei eindeutiger Falsifizierung unserer Hypothese werden sie in den weiteren Teilen der

Untersuchung nur dann berücksichtigt, wenn sie mit den in der Bundesrepublik

Deutschland erschienenen Heimatbüchern in Verbindung gebracht werden können.

In geographischer Hinsicht sind die Trianongrenzen Ungarns orientierend. So sind die

Heimatbücher der deutschen Siedlungen außerhalb dieser Grenzen, demgemäß auch auf

dem Gebiet des historischen Großungarns wie z.B. Batschka, Banat oder sogar

Siebenbürgen, aus der Untersuchung trotz unbestrittener Gemeinsamkeiten

ausgeklammert. Ferner wurden in das Untersuchungskorpus die Heimatbücher des

Grenzlanddeutschtums auch nicht aufgenommen, denn unter Berücksichtigung ihres

politisch-historischen Status und der kulturellen und sprachlichen Wurzeln, bilden die

Heimatbücher der Sudetendeutschen, Schlesier und Ostpreußischer usw. eine

Sondergruppe. Ihre Bindungen an Deutschland sind von anderer Natur. Die

Zusammengehörigkeit ist erst nach 1918 bzw. nach 1945 unterbrochen worden. Der

Heimatverlust auf literarischer Ebene ist von Schriftstellern dieser Regionen wie

Johannes Bobrowski, Siegfried Lenz oder Günter Grass19 be- und verarbeitet worden.

Im Falle der Ungarndeutschen entstand nach der Vertreibung ein literarisches

Widerspiegelungs-Vakuum, ein Fehlen an einer der empfundenen Wirklichkeit

Johannes R. Becher), so äußerten sie sich öffentlich nicht dazu. In der Literatur der DDR können nur wenige Autoren genannt werden, die sich – eher indirekt – dieser Problematik zuwandten: so Helga Schütz in ‚Polenreise’ (1970), Christa Wolf in ‚Kindheitsmuster’ (1976), Werner Heiduczek in ‚Der Tod am Meer’ (1978)“ (Namowicz 1993: 89). Ab Mitte der achtziger Jahre – gewiss nicht zufällig, wenn man die wachsenden sozialen Spannungen in der DRR und die ideologische Distanz zwischen der SED und der kommunistischen Machtelite in Polen berücksichtigt, fügt Namowicz ebenda hinzu – wurde versucht, dieses Tabu, für welche politischen Zwecke auch immer, abzubauen.19 Bobrowski, J.: Lehwins Mühle. 1965, sowie Litaunische Klaviere. 1966, Lenz, S.: Heimat-Museum, 1978; Grass, G.: Im Krebsgang. 2002. Im Falle der Deutschen in Siebenbürgen können wir auch literarische Größen aus den letzten Jahrzehnten wie Herta Müller nennen.

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äquivalenten Literatur. Im Hintergrund des Fehlens eines literarischen Angebots ist die

historisch bedingte gesellschaftlich-soziologische Zusammensetzung der vertriebenen

Ungarndeutschen zu suchen, dass jetzt notdürftig zu einer Initiative auf breiter und

literarisch ungeschulter Ebene führte.20 Die Heimatbücher, die unter solchen Umständen

entstanden, sind zwar nicht mit demselben ästhetischen Maßstab wie die Werke von

Lenz, Bobrowski oder Grass zu messen, jedoch entstehen sie aus demselben Bedürfnis

und wegen den erwähnten exogenen Faktoren avancieren sie zu einer besonderer Art

von Literatur.

Aus der großen Menge der Quellen sind aufgrund der Auswahlkriterien von Kessler21

ergänzt mit unserer aufgrund der gesichteten Heimatbücher gebildeten Hypothese vom

Idealtyp eines Heimatbuches die Ortsbeschreibungen ausgewählt worden, die die

folgenden Merkmale aufweisen: Das Werk soll eine selbstständig erschienene

monographische Veröffentlichung sein, in der subjektive Heimaterlebnisse

(Erinnerungen) mit objektiven Ansätzen (Dokumentation) vermischt eine organische

Einheit bilden, in der möglichst alle Teilaspekte22 sowohl thematisch als auch

chronologisch aus der Sicht der Vertriebenen abgehandelt werden, um eine Brücke

zwischen der alten und der neuen Heimat zu schlagen. Dementsprechend gehören nicht

zum Untersuchungskorpus dieser Arbeit Werke, die auf eine Komplexität verzichtend

nur bestimmte Teilaspekte bearbeiten oder ausschließlich Gedichte, Erzählungen und

Erinnerungsschriften enthalten. Ebenso können – wie auch bei Kessler – keine

speziellen Veröffentlichungen wie einzelne Schul- und Kirchengeschichten,

Quelleneditionen und Abhandlungen über einzelne Geschichtsepochen, Bildbände,

Familienchroniken und Ortssippenbücher berücksichtigt werden, „auch wenn diese in

zahlreichen Fällen über den eigentlichen Themenbereich hinaus bedeutsames Material

enthalten.“23 Da die Zahl der dem Idealtyp entsprechenden potenziellen Heimatbücher

noch immer so hoch war, dass die Analyse aus arbeitstechnischen Gründen im Rahmen

einer Dissertation nicht durchzuführen gewesen wäre, sind die unten angegebenen

20 Vgl. dazu Bausinger, Hermann: Formen der „Volkspoesie“. [Grundlagen der Germanistik; 6] Berlin, 1968., S. 46ff. sowie Greverus, Ina-Maria: Der territoriale Mensch. Ein literaturanthropologischer Versuch zum Heimatphänomen. Frankfurt a. M., 1972., S. 213.21 Vgl. Kessler 1979: 16-17.22 Nach Kessler 1979: 17 kommen in einem Heimatbuch im Idealfall folgende Themenbereiche vor: Geographie und Naturkunde; Geschichte; Verwaltung; Kirchen- und Schulwesen; Land- und Forstwirtschaft; Handel, Handwerk, Gewerbe und Industrie; Kunst- und Kulturgeschichte, Bau- und Kunstdenkmäler, Musik, Theater, Mundart, Brauchtum und volkstümliche Überlieferungen. Ein Heimatbuch berücksichtigt den Ersten und den Zweiten Weltkrieg mit ihren jeweiligen Folgen und das Gemeindeleben.23 Kessler 1979: 17.

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Heimatbücher – dem Diagramm über das Erscheinen der Heimatbücher entsprechend

(siehe Seite 34) – für eine exemplarische Untersuchung ausgewählt worden, wobei

darauf geachtet wurde, dass auch Sonderformen (mehrbändige Heimatbücher,

Heimatbücher über denselben Ort von verschiedenen Autoren usw.) unter den

Ausgewählten sind.

012345678

1945-1960

1961-1970

1971-1980

1981-1990

nach1991

ausgew ählteHeim atbücher

Kakasd 1979; Vaskút 1971; Bácsalmás 1990; Csávoly 1980; Piliscsaba 1988; Perbál 1988; Budaörs 1952; Nagykovácsi 1962; Elek 1977; Bácsalmás 1965; Vaskút 1983; Bikács 1986; Majos 1997; Budakeszi 1986; Pusztavám 1978a; Torbágy 1984, Zsámbék 1981/1988/1992.

Die Arbeiten haben einen Umfang, der zwischen 125 und 736 Seiten schwankt. Lässt

man die beiden Extreme außer Acht – in unserem Fall interessanterweise die zwei

Heimatbücher über Vaskút – bewegen sich die Seitenzahlen zwischen 143 und 480,

sodass der Seitendurchschnitt bei 303 Seiten liegt. Damit entsprechen wir auch den

Erwartungen von Kessler, der behauptet, dass eine Ortsmonographie mit weniger als

hundert Druckseiten in der Regel nicht die gestellten Anforderungen erfülle,

nichtsdestoweniger als erste Informationsquelle von Wert sein könne.24 Dass ein

Heimatbuch einen bestimmten Umfang erreichen soll, stand auch im Interesse der

Heimatbuchautoren:„Wir bemühten uns möglichst alles, was in der Gemeinde geschah niederzuschreiben und manches wenigstens kurz zu streifen. Einiges hat im Rahmen dieses Heimatbuches keinen Platz mehr gefunden. Doch haben wir den Umfang der üblichen Heimatbücher, die bisher verlegt wurden, überschritten.“25

24 Vgl. Kessler 1979: 17.25 Elek 1977. Das Zitat verrät nicht nur das Streben nach einem Mindestumfang, sondern deutet auf eine typische Erscheinung der Heimatbuchliteratur hin, nämlich dass man alles Mögliche versucht als würde man unter einem gewissen Zwang stehen mehr zusammenzutragen als das Nachbardorf oder die anderen Gemeinden.

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1.4 Forschungsstand

Auf dem Hintergrund der historischen Ereignisse zu Kriegsende (sprich Vertreibung)

entstand der Wunsch, sich zu erinnern, um die langsam in Vergessenheit geratenden

persönlichen Erlebnisse erfassen zu können. Es sind vor allem Reflexionen der

Erlebnisgeneration gewesen, die in der Auseinandersetzung mit Heimat, Herkunft und

Identität einen Niederschlag gefunden haben. In der Reihe der Erinnerungen an die alte

Heimat finden wir auch die Heimatbücher, die zwar nie übersehen wurden – wohl

wegen ihrer Quantität als ihrer Qualität wegen – jedoch fehlte bisher eine tiefgehende

Auseinandersetzung mit dieser besonderen Form der Erinnerung der Vertriebenen.

Obwohl aus dem Erlebnis des Heimatverlustes infolge der kollektiven Bestrafung der

Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Werke unterschiedlicher Qualität

und Literarizität entstanden sind, blieb ihre systematische Bearbeitung und

Verarbeitung ein Desiderat in der Forschung.

Zu den Heimatbüchern sind insgesamt fünf schriftlich verfasste Arbeiten entstanden.

Gustav Schöcks vierseitige Veröffentlichung aus dem Jahre 1974 mit dem Titel Wozu

eigentlich Heimatbücher? Das Heimatbuch – Ortschronik und Integrationsmittel?26

beschränkt sich auf Heimatbücher über Gemeinden Baden-Württembergs aus dem

Zeitraum 1970-73. Eben weil sich das Korpus seiner Untersuchung von dem unserer

Arbeit – trotz oberflächlicher Gemeinsamkeiten wie z.B. die Bezeichnung der Bücher

wesentlich unterscheidet, können zwar einige Ideen aufgegriffen werden, jedoch ist der

wissenschaftliche Erkenntnisgewinn für unsere Untersuchung zu gering, um der kurzen

Studie größere Aufmerksamkeit zu widmen.

Wolfgang Kessler setzte der von ihm bearbeiteten Bibliographie der ost- und

südostdeutschen Heimatbücher eine gut fundierte Abhandlung über das Thema als

Vorrede voran.27 Seine Untersuchung basiert auf den ostdeutschen, sudetendeutschen

und südostdeutschen Heimatbüchern seiner Bibliographie. Da eine ausführliche, in die

Details gehende Analyse über den Rahmen einer Einleitung oder Vorrede gegangen

wäre, konnte Kessler einige Fragen nur kurz streifen, andere, aus der Sicht der

Ungarndeutschen ausschlaggebende Aspekte nur nebenbei – wenn überhaupt – 26 Schöck, Gustav: Wozu eigentlich Heimatbücher? Das Heimatbuch – Ortschronik und Integrationsmittel? Anmerkungen zum Geschichts- und Gesellschaftsbild der Heimatbücher. In: Der Bürger im Staat. Zeitschrift für Multiplikatoren politischer Bildung [Hrsg. vom Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg] 24 (1974), H. 1.: Schule und politisches Lernen, S. 149-152.27 Kessler, Wolfgang (Bearb.): Ost- und südostdeutsche Heimatbücher und Ortsmonographien nach 1945. Eine Bibliographie zur historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete. München (u.a.), 1979. S. 11-24.

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behandeln. Ferner ist zu betrachten, dass seit der Veröffentlichung der Arbeit immerhin

schon fast 30 Jahre vergangen sind, in denen die meisten Heimatbücher der

Ungarndeutschen entstanden sind.

Die dritte Arbeit ist als Dissertation im Bereich Geschichtswissenschaft von Ferenc

Wekler im Jahre 1987 eingereicht worden. Die Arbeit versucht einen Vergleich

zwischen sechs, dem Verfasser in den ungarischen Bibliotheken zugänglichen

deutschsprachigen Heimatbüchern der vertriebenen Ungarndeutschen und den

ungarischsprachigen Ortsbeschreibungen über dieselben Gemeinden. Die mit

Literaturverzeichnis knapp 100 Seiten umfassende Arbeit, die sich aber kaum über die

Grenze der Deskription hinaus wagt, kann als eine erste Annäherung an die

Heimatbücher gedeutet werden.

Die vierte Arbeit aus dem Jahre 2003 entstammt aus den Federn von Jutta Faehndrich.28

Sie wagt sich in das Wildnis der Heimatbücher aller deutschen Minderheitengruppen,

um sich ein Gesamtbild zu verschaffen. Das Material überhaupt bewältigen zu können,

ist von ihr aus arbeitstechnischen Gründen ein Sample zusammengestellt worden, in

dem die Ungarndeutschen mit einem einzigen Heimatbuch (Závod 1980) vertreten sind.

Mag der Erkenntnisgewinn der Arbeit von Faehndrich noch so hoch sein, erübrigt sich

eine Untersuchung, die sich ausschließlich auf die ungarndeutschen Heimatbücher

konzentriert, nicht. So ist die wissenschaftliche Richtigkeit der Abhandlung, deren

Erkenntnisse wir in unsere Arbeit einfließen lassen werden, nicht zu bezweifeln,

indessen soll überprüft werden, inwieweit die Thesen Faehndrichs mittels Analyse der

ungarndeutschen Heimatbücher verifiziert bzw. falsifiziert werden können.

Die Verfasserin der fünften Arbeit ist Ulrike Frede, die in ihrer im Bereich Volkskunde

vorgelegten Dissertation (2004) eine exemplarische Untersuchung des ostdeutschen

Heimatbuches auf der Basis schlesischer Heimatbücher liefert.29 Das Ergebnis ist eine

streckenweise ermüdende Wiedergabe von Inhalten, wodurch eigentlich auf eine

Hinterfragung verzichtet wird. So steht am Ende der Studie die Erkenntnis, dass die

zugrunde gelegten Werke extrem heterogen, die Autoren, die Entstehungsbedingungen

und die Inhalte nur schwer miteinander vergleichbar seien – die Werke seien ebenso

vielfältig wie die Vertriebenen selbst. Folgerungsweise führt diese Arbeit auch nicht

28 Faehndrich, Jutta: Erinnerungskultur und Umgang mit Vertreibung in Heimatbüchern deutschsprachiger Vertriebener. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 52 (2003), S. 191-229.29 Frede, Ulrike: „Unvergessene Heimat” Schlesien. Eine exemplarische Untersuchung des ostdeutschen Heimatbuches als Medium und Quelle spezifischer Erinnerungskultur. [Schriftenreihe der Kommission für deutsche und osteuropäische Volkskunde; Bd. 88] Marburg, 2004.

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näher zur Erkenntnis dessen, was ein Heimatbuch ist und was für eine Rolle diese

Textsorte in der Erinnerungsarbeit der Vertriebenen spielt.

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2 Allgemeine Charakteristik der Textsorte Heimatbuch

2.1 Die Wurzeln und die Entstehungsumstände der Textsorte Heimatbuch

In Folge der kollektiven Bestrafung nach dem Zweiten Weltkrieg mussten mehr

als 200 000 Ungarndeutsche ihre Heimat verlassen. Aus Ungarn ausgewiesen, in die

Heimat der Ahnen zurückgekehrt mussten sie feststellen, dass sie mit den

„einheimischen Schwaben” nicht viel gemeinsam haben. Sie lebten kulturell und sogar

sprachlich in verschiedenen Welten. Die Aufnahme der Ausgewiesenen ging nicht

immer reibungslos vor sich, sodass die Eingliederung ihnen nicht leicht gemacht wurde:

„Sie waren zu Menschen zweiter Klasse geworden, die sich mit einem minimalen Lohn

zufrieden geben und für das tägliche Brot arbeiten mussten.”30

Die Schwierigkeiten der Anfangszeit, die unmenschlichen Umstände haben das

Heimatweh nur verstärkt. Viele von ihnen flohen nach Ungarn zurück oder siedelten aus

(USA, Kanada). Für die meisten blieb aber nur die Integration die einzig mögliche

Alternative. Obwohl es den Vertriebenen mit der Zeit gelang, durch Fleiß und Geschick

oder durch günstige örtliche Umstände ein eigenes Heim, eine sichere Existenz zu

schaffen, haben sie das von ihren Vorfahren in der alten Heimat Erarbeitete nicht

vergessen. Sie wollten die Liebe und Treue zur unvergesslichen Gemeinschaft vertiefen

und das Zusammengehörigkeitsgefühl trotz der damaligen Verstreutheit stärken, und

hofften, dass die Erinnerung an die heimatliche Lebensweise helfen wird, ihr Schicksal

mutig zu tragen.31 Der Kontakt mit der alten Heimat war in der Nachkriegszeit fast

unmöglich. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Verbundenheit mit dem ehemaligen

Heimatdorf konnte nur durch Fotos, alte Gegenstände, Erinnerungen, kurze Aufsätze

aufrechterhalten werden. Durch mühsame Arbeit einiger Landsleute wurden diese

„Erinnerungen” gesammelt und ergänzt und zu einem Buch verarbeitet. So entstanden

die Heimatbücher.

2.1.1 Vorformen und Vorläufer der Heimatbücher30Piliscsaba 1988: 307. Zum Thema Eingliederung in die neue Heimat siehe noch S. 93.31Vgl. Budaörs 1952: 5.

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Die Wurzeln der Textsorte sind aus mehrerer Sicht in der Zeit um die Jahrhundertwende

zu suchen. So hatte die so genannte Heimatkunst, die ein wesentlicher Bestandteil der in

den 80er und 90er Jahren des 19. Jhs. entstandenen Heimatbewegung ist,32 auf die

Gestaltung und Vermittlung des Heimatbildes in den Heimatbüchern einen Einfluss

ausgeübt.

Die Heimatbewegung ist als Gegenpol zu zentralistischen Tendenzen des neuen Staates

zu sehen.33 Die Bewegung charakterisiert eine Neigung, das politisch Überwundene

wenigstens kulturell zu erhalten – einerseits im Sinne einer bewussten, von der

Staatsgewalt kalkulierten Kompensation, andererseits aber auch weil die modernen

Strömungen die regional gebundenen Lebenselemente als Gegengewicht verlangten.34

„Die Heimatbewegung war eine Antwort auf diese schnellen und tiefgreifenden

Veränderungen, war der Versuch, Tradition gegen Wandel zu stellen.”35 Der ländliche

Raum wurde als „heile Welt voll natürlicher Schönheit, intakter menschlicher

Beziehungen und voller Poesie“36 gesehen, der vor dem verderbenden, städtischen

Einfluss geschützt werden müsse.

Im kulturellen Bereich konnte abseits der eigentlichen Konfliktlinien des wirtschaftlich-

politischen Lebens, relativ ungestört das Unbehagen über die gesellschaftliche

Entwicklung kompensieren. Als Mittel zur Beseitigung dieses Unbehagens, d.h. zur

Besserung der beanstandeten Verhältnisse, wurde die Konservierung traditioneller

32 Die Heimatbewegung ist nicht als einheitlicher Block derer anzusehen, die gegen Auswirkungen der Industrialisierung auftraten und „materielle und ideelle Gegenpositionen zur Großstadt“( Bergman 1970: 89), dem Symbol der industriellen Gesellschaft, entwarfen, sondern als Konglomerat von diversen Aktivitäten einzelner Gruppen, die mit mehr oder weniger regionalem Bezug und jeweils in Teilbereichen des geistig-politisch-kulturellen Lebens den ihrer Meinung nach zerstörerischen Tendenzen der sozioökonomischen Entwicklung entgegenzuarbeiten versuchten. Zusätzlich gab es zahlreiche andere Gruppierungen, die ohne direkten Heimatbezug aus ähnlichen Motiven antraten, Alternativen zum Zeitgeist des Industrialismus zu entwickeln, und damit zweifelslos Berührungspunkte zur Heimatbewegung aufweisen. Genannt seien die Jugendbewegungen, insbesondere Wandervogel und Jugendherbergswesen, und die pädagogische Reformbewegung mit Landerziehungsheimen, Heimvolkshochschulen und der Heimatkunde als Unterrichtsprinzip. Vgl. Neumeyer, Michael: Heimat. Zu Geschichte und Begriff eines Phänomens. Kiel, 1992. S. 23-25.; sowie Steiner, Gertraud: Die Heimat-Macher. Kino in Österreich 1946-1966. [Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik; 26] Wien, 1987., S. 14. und Bergmann, Klaus: Agrarromantik und Großstadtfeindschaft. Meisenheim am Glan, 1970. S. 38. sowie Gollwitzer, Heinz: Der kulturgeschichtliche Ort der Heimatbewegung gestern und heute. In: Westfälische Forschungen 27 (1975), S. 12-21., hier S. 12.33 Vgl. Bausinger, Hermann: Auf dem Wege zu einem neuen, aktiven Heimatverständnis. In: Wehling, Hans-Georg (Hrsg.): Heimat heute. Stuttgart, 1984., S. 11-27., hier S. 18.34 Vgl. Bausinger, Hermann: Heimat und Identität. In: Köstlin, Konrad/Bausinger, Hermann (Hrsg.): Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur. [Studien zur Volkskunde und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins; 7] Neumünster, 1980., S. 9-24., hier S. 16.35 Bausinger 1984: 18.36 Bergmann 1970: 126.

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Güter angesehen.37 Es wird hier eine beginnende Fixierung auf „Äußerlichkeiten“ und

Versatzstücke, auf Symbole und Stellvertreter für Heimat gesehen: Die pointierte

Heimatbewegung führte dazu, dass Heimat vor allem in bestimmten Teilen gesucht

wurde, die angeblich besonders deutlich und besonders viel Heimat verkörpern. Dabei

wurden die Gegenstände des Interesses aus dem Lebenszusammenhang gelöst und

verkamen zu Demonstrationsobjekten, zu „Heimatzeichen“, d. h. „Heimat ist hier schon

weitgehend Kulisse geworden.“38

Ein wichtiger Bestandteil der Heimatbewegung mit den vielleicht

weitreichendsten Folgen für den Heimatbegriff war die so genannte Heimatkunst, die

vordergründig die Schaffung einer neuen Art von Literatur zum Gegenstand hatte. „Ziel

der Heimatkunst war eine nationale Gesundung durch Rückbesinnung auf das ländliche

Volk und dessen Werte.“39 Zwar ist der Kern der Heimatkunst die Hinwendung zum

Regionalen, Heimatlichen, doch wird dieses in Verbindung gebracht zum Interesse des

Gesamtstaates.40

Als Konsequenz der Tatsache, dass sie die Regionen als Bausteine der Nation

betrachtet, stellt die Heimatkunst denn auch folgerichtig die „Gleichung Bauer –

Volkstum – Volksgemeinschaft – Rasse.“41 Diese Verknüpfung zwischen dem

einzelnen, seiner Heimat und der Nation ist denn auch die wesentlichste Neuerung, die

37 Vgl. Christiansen, Jörn: Die Heimat. Zur Analyse einer Zeitschrift. In: Kruse, Joachim/Juhl, Klaus (Hrsg.): Heimat. Referate und Ergebnisse einer Tagung in der Evangelischen Akademie Nordelbien. Schleswig, 1978., S. 91-122., hier S. 108ff.38 Bausinger 1980: 17. In den Bereichen Natur und Geschichte sind die weiteren Schwerpunkte der Heimatbewegung zu suchen. Die Bewahrung der Natur vor den Folgen der Industrialisierung und die Besinnung auf die Geschichte als Schutz gegen den sozialen Wandel sind als bestimmende Tendenzen zu deuten. Dieser schützende, bewahrende, ja konservierende Charakter ist als typisches Merkmal für die Heimatbewegung festzuhalten. Vgl. Gollwitzer 1975: 17-19.39 „Sie wandte sich gegen Naturalismus [...] gegen die Großstadt und die städtische Kultur, gegen Naturwissenschaft und Technik, gegen Intellektuelle und gegen Juden [...], war gerichtet gegen decadente Großstadtkunst [...], Asphaltliteratur [...] und literarischen Zentralismus in Form einer Vorherrschaft Berlins [...] und legte sich von der Industrialisierung bis zur Sozialdemokratie mit allem an, was man gemeinhin unter Modernität verstand“ Rossbacher, Karlheinz: Heimatkunstbewegung und Heimatroman. Stuttgart, 1975., S. 25. Vgl. Gollwittzer 1975: 13.40 Die Gedanken von Rossbacher, dass sich damit Heimatkunst fugenlos in den wilhelminischen Nationalismus und Imperialismus eingliedert (Rossbacher 1975: 14), führt Neumeyer 1992: 29 weiter und sagt, „[Heimatkunst] will die Einheit über die Mannigfaltigkeit, in der Mannigfaltigkeit die Einheit und das Nationalgefühl auf ein starkes Heimatgefühl gründen. Heimat und ‚Vaterland’ werden so miteinander verknüpft und Heimatliebe wird automatisch zur Vaterlandsliebe, ja wird sogar als Voraussetzung und Notwendigkeit für den Bezug zum Nationalstaat angesehen. Damit erhält Heimat staatsragende Bedeutung und gerät zunehmend in das Fahrwasser politisch-ideologischer Manipulation.” Lange Zeit war diese Entwicklung von den verschiedensten Gruppen der Heimatbewegung, die nun nahtlos in den Faschismus übergingen, vorbereitet worden. Die nationale Ausrichtung von Heimat konnte nun mit großer Aggressivität und Macht auftreten. Vgl. Bausinger 1984: 16.41 Rossbacher, Karlheinz: Die Provinz, der Bauer und die Heimat in der Literatur des 20. Jahrhunderts. In: Kruse, Joachim/Juhl, Klaus (Hrsg.): Heimat. Referate und Ergebnisse einer Tagung in der Evangelischen Akademie Nordelbien. Schleswig, 1978., S. 127-151., hier S. 133.

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die Heimatkunst zur Begriffsgeschichte von Heimat beigesteuert hat. Sie beeinflusst

damit entscheidend deren weitere Entwicklung und insbesondere die Verwendung im

Nationalsozialismus. Damit begann die zunehmende Politisierung des Heimatbegriffs,

die dann später endgültig vollzogen wurde.42

Unter dem Einfluss der Heimatbewegung erschienen kurz nach der

Jahrhundertwende die ersten Bücher, die in ihrem Titel das Wort „Heimatbuch“ führen.

Unter den ersten finden wir z.B. das Hessische Heimatsbuch von Andreas Gild aus dem

Jahre 1904 sowie das Egerländer Heimatsbuch (1907) und Eduard Spenners Arbeit mit

dem Titel Ein Beitrag zum Hoyerswerdaer Heimatbuch (1908), ferner das Heimatbuch

der Provinz Westpreußen (1911).43 Die lange Reihe der Mitte der 1910er Jahre

erschienen Heimatbücher, in der wir auch das Schwäbische Heimatbuch (1913), die

Posener Heimatbücher (1914)44 finden, signalisieren schon die eindeutige Tendenz zum

Aufblühen dieser Art von Literatur. Nach dem verlorenen Weltkrieg wurde die

Hinwendung zur ländlichen Heimat noch intensiver. Das Verlorengehen des

Grenzlanddeutschtums warf Fragen auf, die nicht nur für die in verlorenen

Grenzgebieten lebenden Deutschen existenzbestimmend waren, sondern auch für die

mit dem Friedensvertrag zu Versailles unzufriedenen politischen Kreisen Deutschlands,

42 Vgl. Neumeyer 1992: 29. Rossabacher weist in diesem Zusammenhang auf die zentrale Rolle der Bauern hin, denn wie er formuliert, „Der Bauer ist für sie das beharrendste Element in einer Welt des besonders von ihrer Herkunftsschicht negativ erlebten Wandels. Das Volkstum, dessen Substanzverlust in den Städten sie beklagen, scheint in ihm am besten aufbewahrt. Provinz und Bauer sind in Programm und Literatur die immer wieder beschworenen Konservata, zugleich aber die stärksten Komponenten ihres Begriffs von Heimat.“ Den Grund dafür sieht Rossbacher in der Person der jungen Literaten, die regional aus der ländlichen Sphäre, soziologisch aus dem wirtschaftenden Kleinbürgertum stammen und in den Städten ihre Erlebnisse von Entfremdung haben. Rossbacher 1978: 132.43 Gild, Andreas: Hessisches Heimatsbuch: ein Lesebuch für jung und alt; zugleich eine Ergänzung zu „Hessische Geschichte im Anschluß an die deutsche und preußische“ und „Landeskunde von Hessen-Nassau“. Kassel: Hühn, 1904. Egerländer Heimatsbuch. Eger: Selbstverlag, 1907. Spenner, Eduard: Ein Beitrag zum Hoyerswerdaer Heimatbuch. Hoyerswerda: Lapstich, 1908. Sowie Heimatbuch für die baltische Jugend. Hrsg. von Goertz, Leon. Riga: Löffler, 1909. Gehrke, Paul: Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Danzig: Kafemann, 1911.Wie die Untertitel auch zeigen, verdanken diese Heimatbücher ihr Entstehen zum größten Teil der in der Heimatbewegung wurzelnden Heimatkunde als Unterrichtsprinzip. Siehe dazu z.B. Spranger, Eduard: Der Bildungswert der Heimatkunde. In: Schoenichen, Walter (Hrsg.): Handbuch der Heimaterziehung. Berlin, 1923., S. 3-26.Die andere Gruppe der Heimatbücher sind infolge der regen Tätigkeit der verschiedenen Vereine und Gruppen zustande gekommen, die im Sinne des „Heimatschutzes“ für die Erhaltung des heimischen Landschafts- und Ortsbildes samt Kultur einsetzten. Es waren in erster Linie beamtete und freiberufliche Akademiker, Geistliche, Künstler und Lehrer, welche die nötige Bildung und Engagement mit sich brachten, um ein Buch über die Heimat verfassen zu können. Die 1904 begründete „Deutsche Bund Heimatschutz“ institutionalisierte ihre Tätigkeit. Siehe dazu Weiteres Klausa, Udo: 75 Jahre Deutscher Heimatbund: Rückblick und Ausblick. In: Deutscher Heimatbund (Hrsg.): 75 Jahre Deutscher Heimatbund. Siegburg, 1979., S. 7-12.44 Posener Heimatbücher. [Schriftenreihe. Lissa i. P.: Oskar Eulitz,] Bd. 1 (1914) [mehr nicht erschienen]. Schwäbisches Heimatbuch. [Zeitschrift. Hrsg. vom Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern. Stuttgart: Kohlhammer,] 1913-1949.

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sodass der Heimatbegriff nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg stark politisiert wurde.

Insbesondere verlor sie ihren kleinräumigen Charakter und wurde an die räumlich

größeren und an die abstrakten Kategorien Vaterland und Nation angebunden.45 So

ist kaum verwunderlich, dass die Flut der Heimatbücher nicht ohne politischen

Beigeschmack hereinbrach. Die deutsche Kulturpolitik in der Zeit nach dem Ersten

Weltkrieg, insbesondere nach 1935, wollte der Kulturmission für die Aufrechterhaltung

und Pflege des Deutschtums in den verlorenen östlichen Gebieten und auf dem Gebiet

der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie gerecht werden. Die wie Pilze aus der

Erde schießenden völkischen Organisationen versuchten der von der offiziellen Politik

stillschweigend aus dem Hintergrund geförderten Aufgabe nachzukommen. So nahm

die Zahl der Heimatbücher in der Zwischenkriegszeit auch drastisch zu. Unter den

zahlreichen ersten Veröffentlichungen, denen dann eine ganze Reihe von Arbeiten

folgte, finden wir Das Pommersche Heimatbuch (1926), Heimatbuch des Kreises

Löwenberg in Schlesien (1922), die Heimatbücher der Deutschen in Polen ab 1926 und

die der Sudetendeutschen ab 1928, die ostdeutschen Heimatbücher ab 1921 sowie die

Schlesische Heimatbücherei ebenso ab 1921.46 Sie, seien sie Ortsgeschichten,

Ortschroniken, Landesbeschreibungen, topographische Arbeiten, Brauchtums- und

Sachbeschreibungen auch monographischer Art, in denen ortsgeschichtliche,

geschichtliche, volkskundliche Elemente miteinander verschmolzen sind, können als

Vorformen der Heimatbücher der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden werden.

Zu den Quellen und Vorformen zählen von ungarischer Seite ebenfalls die schon

infolge der in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg eingesetzten Erforschung des

Deutschtums im Südosten entstandenen Arbeiten. In diesem Zusammenhang soll nur an

R. Kaindl erinnert werden, der mit seinen Arbeiten wie Geschichte der Deutschen in

Ungarn sowie Geschichte des Deutschtums in den Karpatenländern diese Art von

Forschung in die Wege geleitet hat47. Die Frage der Deutschen im Südosten, vor allem

die des Deutschtums in Ungarn, wurde in Zeitschriften und Zeitungen aufgegriffen.48

45 Vgl. Neumeyer 1992: 32. Siehe dazu Näheres im Kapitel Heimat und Nation.46 Siehe die bibliographischen Angaben zu den erwähnten Heimatbüchern sowie zu weiteren Arbeiten im Literaturverzeichnis der vorliegenden Dissertation.47 Kaindl, Raimund Friedrich: Die Ansiedlung der Deutschen in den Karpatenländern. Leipzig, 1917.; ders. Deutsche Siedlung im Osten. Stuttgart, 1915.; sowie weitere Werke von demselben Autor wie Geschichte der Deutschen in Ungarn. Gotha, 1912.48 In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erschienen die Aufsätze in ungarischen wissenschaftlichen Zeitschriften, weil eine deutsche wissenschaftliche Zeitschrift noch fehlte. Unter den ungarischen Blättern sind folgende hervorzuheben: Egyetemes Philologiai Közlöny/Allgemeine Zeitschrift für Philologie. Budapest; Nyelvtudományi Közlemények/Sprachwissenschaftliche Mittellungen, Budapest, ab 1862.; Nyelvtudomány/Sprachwissenschaft, Budapest, 1907-1919., sowie die Zeitschrift Magyar Nyelv. Um die Jahrhundertwende erschienen in verschiedenen Zeitschriften Arbeiten wie z.B. Josef

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Zur Entfaltung eines wissenschaftlichen Einsatzes fehlten aber noch die gebildeten

Kräfte. Die Wende kam erst als in den Schriftenreihen verschiedener Institute (wie z.B.

in Stuttgart, Marburg, München) eine Reihe von Einzeluntersuchungen über das

Südostdeutschtum herauskam. Es waren vor allem Doktorarbeiten von

Auslandsdeutschen aus den betreffenden Siedlungsgebieten.49 Dazu gesellen sich die

Doktorarbeiten, die in Ungarn an den universitären Forschungszentren Budapest,

Szeged und Debrecen unter der Leitung von Germanistikprofessoren wie Gideon Petz,

Heinrich Schmidt und Jakob Bleyer gefördert wurden. Zuerst traten die

sprachwissenschaftlichen Erforschungen in den Vordergrund. Schon 1905 erschien eine

Sammlung von Abhandlungen über die deutschen Mundarten in Ungarn.50 Daneben

entstanden verhältnismäßig früh auch siedlungsgeschichtliche Untersuchungen.51 Die

konkreten literaturwissenschaftlichen Fragen sind zuerst von Gustav Heinrich

wahrgenommen worden. In sprachwissenschaftlicher Hinsicht beginnt mit Gideon Petz

und mit seinem Schüler Elmar Schwartz, der die Notwendigkeit der Zusammenfassung

der linguistischen und volkskundlich-siedlungsgeschichtlichen Forschung erkannt hatte,

die systematische Erforschung der deutschen Mundarten. Die berühmteste Sammlung

Abhandlungen ungarndeutscher Forscher ist die 1912 von G. Petz, J. Bleyer und H.

Schmidt ins Leben gerufene Veröffentlichungsreihe Német Philologiai Dolgozatok

(NPhD)/Arbeiten zur deutschen Philologie. Die Arbeiten der Sammlung enthalten

Müller (1901): Die deutsche Mundart von Franzfeld im Banat, Stefanie Popper (1906) Die deutsche Mundart von Hatzfeld im Banat, Johann Dengl (1907): Lautlehre der deutschen Mundart von Orczydorf (Banat), Stefan Vonház (1908): Lautlehre der deutschen Mundarten in der Gespanschaft Sathmar, J. Potoczky (1910): Die deutsche Mundart von Sebegin (Donauknie).49 In der Zeit der Weimarer Republik sind Stipendien an Studenten deutscher Herkunft aus dem Donauraum für Universitätsstudien in Deutschland vergeben worden. 1923 ist die „Vereinigte Stipendienvorsorge für das Auslanddeutschtum“ mit dem Ziel gegründet worden, aus den Fonds des Außen- und Innenministeriums des Deutschen Reiches mit Hilfe der Stipendien führende Intellektuelle für die jeweilige Minderheitengruppe heranzubilden, die dann in ihre Heimat zurückgekehrt als deutschgesinnte Anführer bereit waren mit dem Reich zusammenzuarbeiten. Das Stipendienprogramm war hinsichtlich Ungarns besonders wichtig, denn der intellektuelle Aufstieg der Deutschen war notwendigerweise mit der Magyarisierung verbunden. Die heimgekehrten Studenten sind dann meist die Anführer der völkischen Bewegung in Ungarn geworden. Siehe dazu weiteres Tilkoszky, Loránt: Német nemzetiség – magyar hazafiság. Pécs, 1997., 52ff.50 In dieser Sammlung sind erschienen u.a. Gedeon, Alois (1905): Lautlehre der Mundart von Untermetzenseifen (Südzips), Lindenschmidt, Michael (1905): Formenlehre von Werbaß (Batschka), Gréb, Julius (1906): Mundart des Zipser Oberlandes, Hajnal, Martin (1906): Lautlehre der ostdonaubairischen Mundart von Ißzimmer (Schildgebirge), Kräuter, Franz (1907): Lautlehre der Mundart von Nitzkydorf (Banat).51 Von Anfang an waren aus den siedlungsgeschichtlichen Untersuchungen im Südostraum die städtischen Sprachinseln ausgeklammert. Der Grund dafür ist in erster Linie ihr mittelalterlicher Ursprung, sowie daraus folgend die andersartige Entwicklung, die eine ganz andere wissenschaftliche Herangehensweise benötigt. Zu diesen Folgerungen kommt auch Fritz Valjavec in seinem Artikel über die Wege und Wandlungen der deutschen Südostforschung. Valjavec, Fritz: Wege und Wandlungen deutscher Südostforschung. In: Südostdeutsche Forschungen 1 (1936), S. 1-14. , hier S. 9.

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sprachgeschichtliche, volkskundlich-dialektologische, namenkundliche,

siedlungsgeschichtliche, dialektmonographische sowie zusammenfassende

methodologisch-historische Untersuchungen.52 Elmar Schwartz brachte 1937 die Reihe

Forschungen zur deutschen Volkskunde (1937-1944) und ein Jahr später die Arbeiten

zur deutschen Sprachwissenschaft (1938-1944) heraus. Viele in den oberen Organen

erschienene Arbeiten fanden als Quelle Eingang in die Heimatbücher und nicht selten

tauchen auch die Verfasser unter den Heimatbuchautoren auf.53 Die 1920er Jahre

brachten eine Blüte der ungarndeutschen Forschung und die Veröffentlichung der

Ergebnisse in Zeitungen, Kalendern und Zeitschriften wie Deutscher Volkskalender des

Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins (1925-38), Sonntagsblatt (1921-) die

Ungarische Rundschau (1912-1915) sowie das vielleicht bedeutendste Blatt der

Deutschen in Ungarn in der Zwischenkriegszeit die Deutsch-Ungarischen

Heimatblätter (1929-1935), die 1935 von den Neuen Heimatblättern abgelöst wurden

und später unter dem Titel Deutsche Forschungen in Ungarn (bis 1944) erschienen.

Neben den wissenschaftlichen Zentren begann bald eine rege Tätigkeit der

selbsternannten Heimatforscher, deren wissenschaftliche Schulung durchaus

uneinheitlich war.54 Es hatte zur Folge, dass eine ganze Reihe von Arbeiten

unterschiedlicher Qualität erschien. Verantwortungsbewusst und mit der Erklärung,

dass ein befriedigender wissenschaftlicher Einsatz zur Erforschung des Deutschtums im

Südosten augenblicklich von den Siedlungsgebieten selbst nicht getragen werden

könne,55 ist auch die institutionalisierte Südostforschung entstanden.56 Im Kampf für die

Erhaltung der Identität und Kultur der deutschen Minderheit bekam die Volksforschung

eine bedeutende Rolle. So genossen Arbeiten zur deutschen Siedlungsgeschichte und

Dialektologie sowie Volkskunde und Sippenforschung, die nicht immer frei von

politischen Tendenzen waren und oft die deutsche Kulturleistung überbetonten, eine

besondere Aufmerksamkeit.57 Dem gegenüber scheint die wissenschaftlich fundierte

52 Német Philologiai Dolgozatok (NPhD)/Arbeiten zur deutschen Philologie. 1.1912-62.1934. In der Schriftenreihe erschienen wertvolle Basiswerke, deren kommentierte Liste siehe bei Hutterer, Claus Jürgen: Aufsätze zur deutschen Dialektologie. [Ungarndeutsche Studien; 6] Budapest, 1991., S. 167-168.53 Denken wir nur an Anton Tafferner, Franz Follath, Franz Riedl oder sogar an die Arbeit von Adam Wittmann, dessen von Karl Kurt Klein betreute Dissertation über die Mundart von Pusztavám als quasi Appendix im Pusztámer Heimatbuch erscheint.54 Siehe dazu Weiteres bei Valjavec 1936: 6-7.55 Vgl. Valjavec 1936: 7.56 Siehe dazu Weiteres z.B. Valjavec 1936.57 Siehe dazu weiters bei Tilkovszky 1997: 53ff. und Valjavec 1936: 10 sowie Beispiele für einschlägige Veröffentlichungen in den Blättern: Deutsche Erde (Gotha, 1902-) Deutsche Hefte für Volks- und Kulturbodenforschung (1930), Zeitschrift für Volkskunde (Berlin, 1929), Der Auslandsdeutsche (Stuttgart, 1918).

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Südostforschung eine breitere, noch in unserer Zeit wirkende Perspektive geöffnet zu

haben. Hinsichtlich der methodischen Herangehensweise an die Heimatbücher sind die

Gedanken von Fritz Valjavec, den wir als Begründer der Südosteuropakunde

bezeichnen, sehr aufschlussreich.58 Er spricht darüber, dass die Südostforschung eine

methodische „complexio oppositorum“ ist, sie umfasst Geographie, Kulturkunde (im

weitesten Sinn), Geschichte in allen Verzweigungen, Wirtschaftswissenschaft,

Soziologie und Volks- und Landeskunde im umfassenden Sinn des Wortes. Sie beruht

auf einem Zusammenspiel dieser einzelnen – sich teilweise überschneidenden –

Wissenschaftszweige. Valjavec sah seiner Zeit voraus, dass die Herangehensweise an

Forschungsgegenstände dieses Bereiches in Zukunft auch eine Querverbindung zu den

einzelnen hergebrachten Wissenschaften in einer bestimmten regionalen Ausrichtung

darstellen und die Forscher im stärkeren Maße als in anderen Spezialbereichen die

Nachbarfächer berücksichtigen müssen wird.

2.1.2 Heimatverlust und der Umgang mit der Heimatproblematik nach 1945

Anfang der 1950er Jahre erschienen die ersten Exemplare der Heimatbücher der

Vertriebenen, d.h. sechs-sieben Jahre nach der Vertreibung schrieb die

Erlebnisgeneration ihr von Nostalgie dominiertes Heimatweh nieder. Nach dem

Zusammenbruch des Dritten Reiches verschwand Heimat als politischer Begriff. Aber

schon wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg tauchte Heimat erneut als

Hoffnungsgeber auf und erfüllte ihre Funktion diesmal wieder als Ersatzbefriedigung.

Die Entwicklung des Heimatbegriffs in der Nachkriegszeit und in den 1950er Jahren

wurde unmittelbar durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen beeinflusst. Eine

dieser Auswirkungen des Krieges war das Schicksal der Millionen aus den deutschen

Ostgebieten vertriebenen und geflüchteten Menschen.59 Sie sind Symbole der Zeit

geworden, denn durch ihre Gestalt kam all das konzentriert zum Vorschein, was allen

Deutschen zum Schicksal geworden ist.60

58 Vgl. Valjavec, Fritz: Der Werdegang der deutschen Südostforschung und ihr gegenwärtiger Stand. In: Südost-Forschungen 6 (1941), S. 1-37. , hier S. 1-2.59 Siehe dazu Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Bearb. Von Schieder, Theodor. Bd. III.: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn. Augsburg, 1994.60 Vgl. Pfeil, Elisabeth: Der Flüchtling. Gestalt einer Zeitwende. Hamburg, 1948.

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Die Nachkriegsheimat hatte von vornherein keinen Bezug zu bestimmten Räumen mehr

und wurde zur bloßen, allgemeingültigen Formel, „so daß durch den Gebrauch des

Begriffs das wirkliche Heimatverständnis verdeckt oder verfälscht wird.“61 Dabei waren

Heimat und das „Gefühl des Heimatlichen“ primär nicht an realen Sachverhalten

ausgerichtet, sondern durch die schon bekannten „vorgeprägten, klischierten Inhalte“

bestimmt.62 Dieses Heimatbild – eine Ansammlung von Phrasen und Klischees, Idyllen

und Wunschbildern – präsentierte sich bald in den verschiedenen Sparten der sich rasch

entwickelnden Kulturindustrie und beinhaltete alle Kennzeichen eines industriellen

Produkts. 63

Schon im 19. Jh. angelegt, sich aber aufgrund der veränderten Kommunikations- und

Wirtschaftsbedingungen jetzt entfaltend, zeigte sich die Veräußerlichung des

Heimatbegriffs. Hergestellt und vermarktet wurde diese der Trivial-Kultur angehörende

Heimat durch den am Kiosk verkauften Heimatroman – der das „Hauptkontingent an

Heimatliteratur“ nach dem Zweiten Weltkrieg darstellt64 – durch Heimatschlager, die

mit den immer gleichen Requisiten eine anheimelnde Atmosphäre von Gemütlichkeit

und Sehnsucht erzeugen und durch den Heimatfilm, der klischeehaft dramatische

Schicksale in zumeist monumentalen (Gebirgs-) Landschaften darstellte.65

Auch die Flüchtlinge und Vertriebenen äußerten sich über ihre Beziehung zu der alten

Heimat. Allerdings waren die von affektiver Art – besonders die der ersten Jahre. Diese

Veröffentlichungen gaben ihnen die Möglichkeit, ihre Heimatverbundenheit zum

Ausdruck zu bringen und ihre Erinnerungen schriftlich fixieren zu können. Eine

besondere Form dieser „Gepflegten Erinnerungen“ waren vor allem Veröffentlichungen

diverser Art, wie z.B. Heimatbriefe, -bücher und -zeitungen. 66

61 Bausinger/Braun/Schwedt 1959: 158. Sie fügen noch hinzu: „Beispiele bieten Schulaufsätze aus der Siedlung Wimberg. Hier berichten in den Jahren 1954 zwölf- bis dreizehnjährige Mädchen von ihrer Flucht in den Jahren 1945 und 1946 ‘aus unserer Heimat’ oder ‘aus unserer geliebten und vertrauten Heimat’ und beteuern, dass sie ‘unsere alte Heimat- und Vaterstadt nie vergessen werden’ ‘Heimat’ ist hier zum Dressat geworden und sagt für das eigentliche Heimatbekenntnis beinahe nichts mehr aus.”62 Vgl. Bausinger, Hermann: Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart, 1961., S. 90. Vgl. auch Bausinger/Braun/Schwedt 1959: 158, wo sie durch die Analyse ihrer Feldforschungsarbeit beweisen, dass die Dressate, als klischeeartige Vorurteile, von bestimmten vorgeformten Assoziationen begleitet sind.63 Vgl. Neumeyer 1992: 44.64 Siehe dazu Seeßlen, Georg/Kling, Bernt: Unterhaltung. Lexikon zur populären Kultur. 2 Bde. Reinbek bei Hamburg, 1977., S. 174.65 Vgl. Bausinger 1984: 19. 66 Vgl. Bausinger 1961: 87. So werden z.B. allein 260 verschiedene sudetendeutsche Heimatblätter registriert. Den gleichen Zweck der Wachhaltung der Vergangenheit erfüllten mit hauptsächlich kulturellen Veranstaltungen auch die Landsmannschaften und Vertriebenverbände.

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In diese Epoche fällt das Erscheinen der Heimatbücher größerer Regionen.67 Die

individuelle Heimat der Millionen Vertriebenen bekam dabei einen zunehmend

einheitlichen Charakter und wurde auf allgemeine Symbole von Heimat reduziert. Es

ging bald bloß um das ‘Heimatliche’ allgemein, in einem sehr unbestimmten und vagen

Sinn. „Der Geschmack des Folkloristischen mit sentimentalen Zutaten versehen,

genügte meist schon, um allgemeine heimatliche Vorstellungen zu erwecken.“68 Die

individuellen Besonderheiten wurden zugunsten von allgemeinen Versatzstücken, zu

denen die Menschen meist nicht einmal eine Beziehung hatten, verdrängt. Dies war für

die Flüchtlinge und Vertriebenen im Übrigen auch ein Weg, sich „allgemeingültig

Heimatliches der neuen Heimat anzueignen.“69 Damit näherte sich das Heimatbild der

Flüchtlinge dem Heimatbild der restlichen Bevölkerung an und vereinigte sich

schließlich mit diesem zu einer allgemeinen, abstrakten Vorstellung von Heimat. Wie

schon nach dem Ersten Weltkrieg wurde Heimat vom Kleinbürgertum und sozial

schwachen Schichten auch diesmal wieder benutzt, um nach dem erlebten Chaos einen

Mittelpunkt des Lebens zu finden.70

„Heimat – das war damals die Fetteinreibung gegen den Weltfrost. Behagliche Feste Burg gegen Abbruch, Wahnsinn, Nihilismus und Zweifel. Gegen Wüste, Zittern, Verlust und Tod, Gefährdung aller Art und Ohrensausen. Heimat, seine Tintenfischwolke, einzig mögliche Sicherung des Geschwächten. Das war der Dunstkreis, in dem jeder Zweifel erstickte. Das war die Selbstbeschränkung des Menschen auf seine bescheidenste Einheit und die lebenslange Wahrnehmung dessen, was von Geburt her vorgegeben war. Heimat, das einzige, worauf er sich einließ. Was nicht zu Heimat gemacht werden konnte, wurde abgedrängt oder ausgeschieden. Das war die mentale Abwehr gegen Gedankensysteme, Denkmethoden und Ideologien [...].“71

Zu Beginn der 1960er Jahre verschwand Heimat weitgehend aus der Öffentlichkeit und

mit ihr der Heimatfilm aus den Kinos.72 Die wirtschaftliche Situation hatte sich rapide

verbessert, das Wirtschaftswunder vollzog sich beeindruckend und machte alle

67 Siehe dazu Weiteres auf Seite 33 der vorliegenden Arbeit.68 Bausinger/Braun/Schwedt 1959: 180.69 Bausinger/Braun/Schwedt 1959: 180.70 Vgl. Neumeyer 1992: 43. „Die Kraft von Natur und Schicksal setzt sich über alles Menschenwerk der Irrungen und Wirrungen hinweg; Heimat ist zugleich der Inbegriff der akzeptierten Ordnung. In eine solche Ordnung mußten nach 1945 alle Deutschen hineinwachsen, nicht nur die Flüchtlinge.” Bredow, Wilfried von/Foltin, Hans-Friedrich: Zwiespältige Zufluchten. Zur Renaissance des Heimatgefühls. Berlin-Bonn, 1981., S. 123.71 Meckel (1980: 174) zitiert nach Neumeyer 1992: 43.72 Lodemann, Jürgen: Heimat als Unverzichtbare. Wiederentdeckung der privaten Räume. In: Moosmann, Elisabeth (Hrsg.): Heimat, Sehnsucht nach Identität. Berlin, 1980., S. 210-215., hier S. 211. meint, dass im Grunde genommen man auch Ende der 1960er Jahre immer noch über Heimat diskutiert hat. Allerdings unter anderem Namen und mit einer völlig neuen Sichtweise: „Keine Zeit wie gerade diese hat so angestrengt nachgedacht und diskutiert über das, was man damals nur anders nannte, was damals Umweltbedingung hieß oder Milieu oder – ganz progressiv – Environment. Die damals am meisten verbreitete Theorie war ja, daß der Mensch ist, wozu ihn seine Umwelt gemacht hat – daß es das Sein ist, was das Bewußtsein prägt. Entscheidend sind Herkunft, Milieu, Elternhaus, Schule, Kinderzeit – alles. Was man früher mal unter dem Wort Heimat zusammenzufassen pflegte.“

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Hoffnungsgeber vorübergehend überflüssig. Die Interessen der Menschen begannen

sich an der Verwirklichung optimaler materieller Existenz mittels Konsum und Freizeit,

Mobilität und Massenkommunikationsmitteln zu orientieren. Dabei blieb kein Platz für

traditionelle Werte und vorerst auch keine Notwendigkeit für Kleinteiligkeit und

gefühlsbetontes Auseinandersetzen mit der unmittelbaren Umwelt. Das Beschwören

alter Zeiten und das Verdammen der modernen Zivilisation lag gerade in der –

ökonomischen, soziokulturellen und intellektuellen – Aufbruchstimmung der 1960er

Jahre völlig neben dem Zeitgeist. Heimat erschien der Öffentlichkeit damals eher als ein

„amorphes, vorgestriges Gedankengut, das sich präziser Formulierung und nüchterner

Logik [...] entzieht.“73

Die Renaissance von Heimat begann Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre. Nach

dem jedoch die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr eine Garantie auch für

Wohlstand und Arbeitsplätze bot, kam es zu immer heftigeren Kritik, da ihre negativen

Auswirkungen immer offensichtlicher wurden. In der Krise der Wachstumsgesellschaft

in den 1970er Jahren wurde Heimat aber wieder aufgegriffen.74

Als Ursache für die Besinnung auf Heimat werden die „Selbstentfremdung“ des

Menschen von sich und seiner Umwelt und die Reaktionen der Menschen auf die

Verschlechterung der Lebensbedingungen vermutet.75 Der Ausdruck dieser

Unzufriedenheit mit der industriegesellschaftlichen Wirklichkeit war die

Nostalgiewelle,76 „‘Nostalgisch sein’ bedeutet, unscharf und allgemein gesagt, sich in

andere Zeiten zurückzuwünschen und dies dadurch auszudrücken, daß man Accessoires

der Vergangenheit wieder schätzen und lieben lernt, mit einem Gefühl unbestimmter

Sehnsucht nach früher.“77 Zur Befriedigung dieser Sehnsüchte erfolgte ein Rückgriff auf

Werte und Gegenstände der Vergangenheit, die als eine Flucht vor der Gegenwart in

73 Göb, Rüdiger: Ein Wert ohne Plüschgefühle. In: Christ und Welt 21 (1968), Nr. 20., S. 23. Vgl. dazu Neumeyer 1992: 46ff.74 Vgl. Bausinger 1984: 22.75 Vgl. Neumeyer 1992: 50 und Buchwald, Konrad: Heimat heute. Wege aus der Entfremdung. In: Wehling, Hans-Georg (Hrsg.): Heimat heute. Stuttgart, 1984., S. 34-59., hier S. 50.76 Siehe dazu Greverus, Ina-Maria: Auf der Suche nach Heimat. München, 1979., S. 171-181. Am 29. Januar 1973 startete ein Spiegel-Redakteur eine Titelgeschichte, die er „Jene Sehnsucht nach den alten Tagen” nannte, Der Spiegel sah als Folge einer Angst von zunehmender Austauschbarkeit und Uniformität im Alltagsleben die Sehnsucht nach einer besseren Welt aufkommen, und vermeldete die Flucht in eine „hausgemachte Krimskrams-Romantik“, ein „neues Gefühlsgemisch aus Landschaft und Altbewährt, Sehnsucht nach unverschmutzter und nach verflossener Kultur.“ Der Spiegel 1973: 88-92. zitiert nach Neumeyer 1992: 51.77 Baacke, Dieter: Nostalgie. Ein Phänomen ohne Theorie. In: Merkur 30 (1976), Nr. 5., S. 442-452., hier S. 443.

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das vermeintlich bessere Damals gedeutet werden kann. Dies äußerte sich vor allem in

der Hinwendung zu Attributen vergangener Zeiten, wie z.B. Filmen, Musik, Literatur,

Einrichtungsgegenständen und Trödel, wobei der individuelle Bezug zu diesen Dingen

keine Rolle spielte. Ein Durcheinander von Epochen, Stilen und Moden signalisierte

eine Tendenz in Richtung Vergangenheit. Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er

Jahre löste dann die neue Heimatwelle eine weitere Steigerung des Geschäfts mit der

Heimat aus. Auch außerhalb der Massenmedien ist eine zunehmende kulturindustrielle

Produktion von Heimatgefühl und Vermarktung von zahlreichen typischen Attributen

und Bestandteilen des alten Heimatbegriffs festzustellen.78 Heimat wird dabei nicht als

komplexe Einheit, als zusammenfassender Begriff für eine Lebenswelt gesehen,

sondern es werden nur bestimmte Symbole benutzt, um die in ihr verborgenen

Emotionen zu wecken.79 „Heimat kommt ja gerade deshalb so gut an, weil ältere und

vollere Konnotationen mitschwingen, weil beispielsweise die Sehnsucht nach einer

wenn nicht heilen, so doch heileren Welt in den Heimatprodukten eine Antwort zu

finden scheint.“80

Gegen die „Mega-Strukturen“ der modernen Gesellschaft gerichtet, wurde erneut eine

Hinwendung zur kleinen, unmittelbaren Lebenswelt vollzogen.81 Die Versuche, die

Anonymität der Massengesellschaft zu überwinden und sich kleine Bereiche von

Heimat zu schaffen, sind Ausdrücke von Individualität und Identität.82 Heimat wurde

somit ein Mittel zur Identitätssuche und eine Form der Selbstbestimmung. Sie erwies

sich in dieser „kollektiven Bedarfsituation. Das realisiert sich u.a. in Bürgerinitiativen

und Stadtteilzeitungen, Ortsberäten, -jubiläen und -chroniken, Altstadt- bzw.

Stadtteilfesten, und im wachsenden Interesse an regionaler Kultur und Geschichte,

Stadtsanierung, Dorferneuerung und Denkmalpflege.“83 Die meisten Heimatbücher

erscheinen in der Zeit der Heimatrenaissance. Heimat war zunächst noch zu sehr

negativ belastet und mit Inhalten besetzt, die dem neu entstehenden Verständnis von

Verhältnis Mensch-Umwelt kaum entsprach.84 Als die persönliche Betroffenheit 78 Vgl. Christiansen 1978: 96.79 Vgl. Neumeyer 1992: 61.80 Bausinger 1984: 20.81 Moosmann meint dazu, dass Ausgangspunkt dafür waren, das „Bedürfnis, zu Hause zu sein, irgendwo einen Ort zu haben, wo man sich geborgen fühlt, einen Ort zu haben, in den man hineingewachsen ist.“ Moosmann, Elisabeth (Hrsg.): Heimat. Sehnsucht nach Identität. Berlin, 1980., S. 38.82 Greverus 1979: 34.83 Vgl. Neumeyer 1992: 52. Greverus 1979: 21.84 Der Begriff Heimat wurde aber nicht benutzt. Als Bezeichnung für den bedrohten eigenen Lebensraum wurden Ausdrücke wie Umwelt oder Region verwendet. Bezüglich Heimat wurden unterschiedliche Teilaspekte herangezogen und wurde teilweise sogar mit völlig neuen Begriffen – wie etwa der symbolische Ortsbezogenheit des Soziologen Treinen oder der Territorialität der Kulturanthropologin

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zunahm und der Wert einer emotionalen Beziehung zur Umwelt wieder entdeckt wurde,

kam Heimat auch in den 1970er Jahren wieder ins Gespräch.85 Heimat wurde als

Rückbesinnung auf das menschliche Maß und Inbegriff einer gefühlsmäßigen

Beziehung zur unmittelbaren Umwelt gesehen. Dieser Begriff brachte zahlreiche

Alternativ-Gruppierungen und Bürgerinitiativen überraschend auf gemeinsamen

Punkt.86 Viele soziale Gruppen und Bewegungen vollziehen eine Hinwendung zu

Werten wie Überschaubarkeit, Nachbarschaftlichkeit, gegenseitige Hilfe und Natur.87

Greverus – gearbeitet. Vgl. Treinen, Heiner: Symbolische Ortsbezogenheit. Eine soziologische Untersuchung zum Heimatphänomen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 17 (1965), S. 73-97. und S. 254-297. und Greverus 1972.85 Ein weiteres wichtiges Merkmal der neuen Heimatsicht ist die betonte Kleinräumigkeit. Die oben geschilderten Auswirkungen der Industriegesellschaft haben einen Prozess der bewussten Konzentration auf die eigene Lebenswelt, die Wohnumgebung, die Region hervorgebracht. Die Erscheinung des Phänomens eines zunehmenden Regionalismus in verschiedenen europäischen Ländern fällt auch in diese Zeit. (vgl. Neumeyer 1992: 52) Blaschke, Jochen (Hrsg.): Handbuch der westeuropäischen Regionalbewegungen. Frankfurt a. M., 1980., S. 7ff. ist der Meinung, dass die Ursache des Regionalismus zwar im politisch-wirtschaftlichen Problem des Zentralismus begründet liegt – darunter versteht er Probleme ungleicher sozialer Entwicklung sowie soziopolitischer Ungleichgewichtigkeiten bei der Nationalstaatsbildung – jedoch wird der Regionalismus als politische Begleiterscheinung parallel zu der oben geschilderten Entwicklung des Heimatbegriffs gesehen. Die Forderungen der Regionalisten nach politischer Autonomie, wirtschaftlicher Gleichstellung, kultureller Selbstbestimmung, Besitzrechten in ihren Regionen und dem Abbau abhängiger Entwicklung können mit den Entwicklungstendenzen des Phänomens Heimat in Einklang gebracht werden.

Bausinger 1984: 23ff. spricht über die aktive Aneignung von Heimat, die aktiv zu retten und neu zu schaffen ist. Heimat definiert er als Aneignung und Umbau gemeinsam mit anderen, als selbst mitgeschaffene kleine Welt, die Verhaltenssicherheit gibt, als menschlich gestaltete Umwelt. Heimat ist nichts – sagt Bausinger, das sich konsumieren lässt, sondern sie wird aktiv angeeignet. Bausinger 1984: 23-24.Die aktive Aneignung der Heimat findet in der Arbeit von Pötscher, Susanne: Das Phänomen Heimat. Ein interdisziplinäres Forschungsfeld. [Mitteilungen des Arbeitskreises für Regionalforschung. Sonderband 3] Wien, 1990., eine besondere Beachtung.86 Vgl. und siehe dazu Weiteres bei Neumeyer 1992: 53-54.87 Vgl. Moosmann 1980: 39. Siehe dazu Greverus 1979: 20. Sie deutet diesen Prozess als eine Rückbesinnung auf ideelle und materielle Werte der eigenen lokalen oder regionalen Lebenswelt und als einen Kampf gegen die Zerstörung von Umwelt als auch gegen die Entfremdung des Menschen von seiner spezifischen orientierunggebenden Umwelt. Dies beinhaltet ein Sich-Abwenden von übergeordneten, abstrakten – d.h. nicht unmittelbar erfahrbaren – Raumeinheiten. Bausinger 1984: 23-24 weist auch darauf hin, dass Heimat nicht ohne Weiteres auf größere staatliche Gebilde bezogen werden kann, sondern hat, wie in der ursprünglich-konkreten Bedeutung des Wortes, wieder sehr viel mit Alltag und alltäglichen Lebensmöglichkeiten zu tun

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2.2 Typen der Textsorte Heimatbuch

2.2.1 Generationstypen der Textsorte Heimatbuch

Die erste Generation der Heimatbücher will das Heimatrecht in den

Vetreibungsgebieten sichern. Hier laufen noch die politischen Ziele mit den allgemein

natürlichen Bedürfnissen der Vertriebenen parallel. Zu dieser Zeit sind vor allem

Heimatbücher entstanden, die größeren Siedlungsgebiete behandelt haben.

Monographien finden sich in dieser Phase kaum. Unmittelbar nach der Vertreibung war

nicht das kleine Dorf, aus dem man kam ausschlaggebend für die Kontakte unter den

Landsleuten, sondern man versuchte eine gemeinsame Plattform zu finden, die am

schnellsten als verbindende Kraft eingesetzt werden kann. Aus derselben Gegend zu

kommen, genügte schon sich unter Freunden zu fühlen. Besonders wenn wir bedenken,

dass eine Dorfgemeinschaft nur vereinzelt in geschlossener Gruppe ausgesiedelt wurde,

geschweige denn von der Sesshaftmachung in der neuen Heimat. So entstand eine neue

Identitätshierarchie im Bewusstsein der Betroffenen. Man fühlte sich schon dann

angesprochen, wenn es um Flüchtlinge und Vertriebene ging, sei es ein Problem der

Sudeten- oder Dobrudschadeutschen. Mit den Identifikationsebenen

Donauschwaben/Ungarndeutsche/ Siedlungsgebiet (z.B. Ofner Bergland, Schwäbische

Türkei)/Nachbargemeinden/Heimatdorf engt sich zwar der Kreis der Landsleute ein,

jedoch nimmt der Heimatwert der Kontakte exponentiell zu. Die bald nach der

Vertreibung erschienenen Heimatbücher, nicht zuletzt wegen der finanziellen Kraft des

potenziellen Aufnahmekreises, versuchen eine breitere Schicht zu erzielen. Die erste

Phase, die bis Mitte der 1960er dauert, bringt umfassende Arbeiten vor, die zwar nicht

unbedingt als klassische Heimatbücher zu bezeichnen sind, aber zweifelsohne die

Keime dieser Textsorte bereits in sich tragen. Als erstes ungarndeutsches Heimatbuch

von monographischem Charakter erschien das Heimatbuch von Budaörs (1952). Diese

seltene und erfreuliche Ausnahme verdankt ihre Entstehung dem Dorfpfarrer, der mit

diesem Heimatbuch als eine Art Erinnerungsband oder Vademekum Abschied von den

Gemeindemitgliedern nahm. Dafür steht auch als Beleg der Abschiedsbrief des Pfarrers

im Buch.

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Die Entstehung der ersten Arbeiten läuft parallel zu den von Historikern geleiteten

Projekten,88 die teils eben von deutschen politischen Kreisen initiiert und unterstützt

worden sind zwecks Dokumentation deutscher Verluste und Rechtsansprüche. Als

Riesenunternehmen entstand Mitte der 1950er Jahre die bedeutendste und bekannteste

mehrbändige Dokumentation der Vertreibung.89 Die Forscher und Mitarbeiter dieser

Projekte finden wir später nicht selten auch unter den Mitarbeitern der Heimatbücher.

Der gesellschaftlich-politischer Hintergrund lässt sich mit der Situation der

Zwischenkriegszeit vergleichen, als neue Vereine und Institute sowie Projekte dank der

deutschen wissenschaftspolitischen Bestrebungen, mit dem Ziel, die deutschen

territorialen und Rechtsansprüche in den verlorenen deutschbewohnten Grenzgebieten

zu sichern, ins Leben gerufen worden sind.

Die zweite Generation der Heimatbücher verdankt ihre Entstehung der Konfrontation

mit der Gegenwart. In den meisten Fällen brauchte man aber keinen besonderen Anlass

zur Veröffentlichung eines Heimatbuches. Man erkannte einfach, je mehr die Zeit

vergeht, seit die Vertriebenen ihre Heimat verlassen mussten, umso verschwommener

wird das Bild von ihr. Auch wenn man die Gelegenheit wahrnahm, der Heimat einen

Besuch abzustatten: hat man feststellen müssen, so wie sie einst war, ist sie schon lange

nicht mehr. Die Konfrontation mit der Fremde der ehemals vertrauten Heimat, hat die

Vertriebenen zum Nachdenken bewegt. Die Diskrepanz zwischen der Realität und dem

Bild von der Heimat, das sie mit auf dem Weg nahmen, war ein erschütterndes Erlebnis

für alle. Aus diesem Erlebnis und aus der Angst, die eigene Vergangenheit verloren zu

haben, entstanden die Heimatbücher. Hinzu kommt noch der unaufhaltbare Prozess,

dass der Kreis derer, die erzählen können, wie es einst war, immer kleiner wurde. Es

sind Erinnerungen der Erlebnisgeneration, die mit ihr verwachsen sind. Das nennt Jan

Assmann „Generations-Gedächtnis“. „Dieses Gedächtnis wächst der Gruppe historisch

zu; es entsteht in der Zeit und vergeht mit ihr, genauer: mit seinen Trägern. Wenn die

Träger, die es verkörpern, gestorben sind, weicht es einem neuen Gedächtnis.“90 Dieser

Erinnerungsraum entspricht ungefähr 80 Jahren. Nach Jan Assmanns Ansichten scheint

die Hälfte des Grenzwertes von 80 Jahren eine kritischen Schwelle zu bilden. Nach 40

88 Siehe dazu z.B. Annabring, Matthias: Das ungarländische Deutschtum. Leidensweg einer südostdeutschen Volksgruppe. [Südost-Stimmen;. II. Jg., Nr. 2] Stuttgart-Möhringen, 1952.; ders. Volksgeschichte der Deutschen in Ungarn. Stuttgart, 1954.89 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. II. Band. Das Schicksal der Deutschen in Ungarn. Düsseldorf, 1956. [Reprintausgabe 1994]90 Vgl. J. Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München, 1992., S. 50.

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Jahren treten die Zeitzeugen, die als Erwachsene bewusst die Ereignisse miterlebt

haben, in das Alter ein, in dem die Erinnerung wächst und mit ihr der Wunsch nach

Fixierung und Weitergabe.91 Als Analogie zu Assmans Beispiel von dem Holocaust und

der Judenverfolgung in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, kann das Schicksal der

Vertriebenen stehen. Dieses kritische Alter scheint im Falle der Vertriebenen Ende der

1970er, Anfang der 1980er eingetreten zu sein. Ihnen wurde die Erkenntnis klar, was

heute noch lebendige Erfahrung ist, wird morgen nur noch über Medien vermittelt

werden können. Dieser Übergang drückte sich schon in einem Schub schriftlicher

Erinnerungsarbeit der Betroffenen sowie einer intensivierten Sammelarbeit in Archiven

aus.92 Nicht zufällig rief die Landsmannschaft der Ungarndeutschen 1970 die

Landsleute zur Gründung eines Archivs und Heimatmuseums auf. Ferner ist

bezeichnend, dass unter den drei Initiatoren auch zwei Heimatbuchautoren zu finden

sind.93 Als Ergebnis der fleißigen Sammelarbeit richtete man nicht nur Heimatmuseen

und -stuben94 ein, sondern es entstanden nacheinander die Heimatbücher. Das folgende

Diagramm zeigt die Veröffentlichung der Heimatbücher.

0

10

20

30

40

50

1945-1960

1961-1970

1971-1980

1981-1990

nach1990

erschienene ungarndeutscheHeim atbücher

Es ist aus den Daten ersichtlich, dass der Groß der Veröffentlichungen in die 1980er

Jahre fällt. Einen konkreten Anlass zur Veröffentlichung eines Heimatbuches konnte

z.B. das Heimattreffen der Landsleute,95 Patenschaftsübernahme96 oder Gedenktage wie

91 J. Assmann 1992: 51.92 Vgl. J. Assmann 1992: 51. Assmann hebt die Bedeutung von jenen 40 Jahren als einen wichtigen Einschnitt hervor, in dem er auf die von Richard von Weizsäcker genau 40 Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai 1985 vor dem deutschen Bundestag gehaltenen Gedenkrede hinweist, der einen Erinnerungsprozess in Gang gesetzt habe.93 Siehe dazu Unsere Post 25 (1970), Nr. 23., S. 7.94 Siehe dazu die Liste der Museen und Heimatstuben in z.B. Unsere Post 57 (2002), Nr. 8; sowie Ostdeutsche Museen und Sammlungen in Baden-Württemberg. Hrsg. vom Innenministerium Baden-Württemberg. Sigmaringen, 1988.; ferner Lukan, Walter/Peyfuss, Max Demeter: Ost- und Südosteuropa-Sammlungen in Österreich. Verzeichnis der Bibliotheken, Institute, Archive und Museen. München, 1990.95 Vgl. Kakasd 1979:1.96 Vgl. Bácsalmás 1965: 10-11.

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40 Jahre Vertreibung sowie Ansiedlung der Ahnen vor 250 Jahren in Ungarn liefern.97

Im Vergleich zu den früheren Jahrzehnten ist der explosionsartige Zuwachs in den 80er

besonders auffallend. Die Statistik scheint die 40-Jahre-Schwelle-Theorie von Assmann

zu bestätigen.

Mit der politischen Wende um 1990 ging die Zahl der Heimatbücher kaum zurück. Das

erklärt sich mit der Tatsache, dass der Zugang zu den Archivmaterialien und Quellen,

die nur in der alten Heimat zu erforschen waren, erleichtert wurde. Das rief eine neue,

die dritte Generation der Heimatbücher ins Leben. Nicht alle Mitarbeiter haben die

Vertreibung erlebt, aber weil sie sich ihrer geschichtlichen Identität bewusst waren und

sich zum Erbe der Ahnen bekannten, entschlossen sie sich mitzuarbeiten. Das intensive

Interesse an die Genealogie, für fragen wie „wo sind meine Wurzeln?“ „Woher

kommen meine Vorfahren?“ bewegten viele, um eine befriedigende Antwort auf die

Fragen zu bekommen. In manchen Fällen suchte die neue Generation bloß das

Exotische, die eigenartige Kuriosität, was einem auch das Gefühl gab, etwas

Besonderes zu sein. In den meisten Fällen war es aber die Liebe zu den Eltern,

Großeltern, die einem die aktive Mitarbeit als eine moralische Pflicht auferlegt hat.

Zwar sind sie in der neuen Heimat aufgewachsen, trotzdem fühlten sich der Heimat der

Eltern, Großeltern verbunden und auch die äußerliche Angepasstheit der Alten täuschte

oft darüber hinweg, wie sehr sie noch in der Kultur und Tradition der alten Heimat

verhaftet waren und es immer blieben. Dieses Gefühl musste sich auf die neue

Generation übertragen, und sie ergriffen früh, was sie von den Einheimischen

unterschied.98

In der neuen Generation der Heimatbücher wir der Versuch unternommen, den

nostalgischen Stil der Kenntnis- und Erlebnisgeneration unter Kontrolle zu halten und in

den Dienst der Intentionen der Autoren zu stellen. Die Heimatbücher Csávoly (1980),

Budakeszi (1986), Zsámbék (1988), Piliscsaba (1988), Bácsalmás (1990) haben eine

neue Epoche der Heimatbuchliteratur geschaffen. Sie versuchen mit den modernen

Forschungsmethoden zu arbeiten: Sie geben ihre Quellen an; ermöglichen die

Nachforschung durch Fußnoten,99 berufen sich also nicht hauptsächlich auf mündliche

Überlieferungen, sondern verwenden Dokumente, historische, wissenschaftliche

Arbeiten und Ergebnisse der Wissenschaftszweige wie Volkskunde, Soziologie,

Geologie, Linguistik (besonders Mundartforschung), Statistik, Kunstgeschichte, 97 Vgl. Piliscsaba 1988: 8-10.98 Vgl. Piliscsaba 1988: 10.99 Siehe den Hinweis im Brief an dem Leser im Heimatbuch Zsámbék (1988).

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Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte. Nachdem auch die ungarischen Behörden ihre

kirchlichen und staatlichen Archive für das Ausland zugänglich gemacht hatten,

erweiterte sich die Palette der Materialien und Dokumente. Darauf wies auch die

Zeitung Unsere Post hin, indem sie sich an alle Heimatforscher gewandt hat, die

Interesse an den Dokumenten, Unterlagen und Matrikelbüchern haben konnten. Um

einen besseren Zugang zum Quellenmaterial zuhaben, sind Mikrofilme angefertigt und

zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt worden.100 Durch die zeitliche Distanz

zur Vertreibung ist es möglich geworden, auch früher als tabu geltende Themen zu

untersuchen. Anfang der 1990er hat das Bundesausgleichsamt und das

Innenministerium Baden-Württemberg – Landesausgleichsamt – die Auswertung von

Unterlagen der Heimatauskunftsstellen für die Heimatforschung grundsätzlich

zugelassen. Die Einsichtnahme in Unterlagen der Heimatauskunftsstellen wurde den

Heimatforschern gestattet, wenn das Forschungsvorhaben auf andere Weise nicht

durchgeführt werden konnte. Die Erlebnisgeneration der Vertriebenen und Flüchtlinge

ist ermuntert worden, bei der Erstellung von Heimatchroniken und ortskundlichen

Werken auf die Quelle zurückzugreifen.101 So können wir bei dieser Generation das

Erscheinen eines zweiten Heimatbuches über dasselben Dorfes feststellen. Das ist der

Fall z.B. bei Bácsalmás. Im Vorwort werden dafür Gründe erwähnt wie „der Wandel in

der Einstellung“ der ungarischen Regierung den Deutschen in Ungarn und den

Vertriebenen gegenüber sowie die Möglichkeit „die Lücken des ersten Heimatbuches zu

schließen“, denn zur Erscheinungszeit des ersten Heimatbuches „war es noch fast

unmöglich, Dokumente und Aktenmaterial in Ungarn einzusehen oder auszuwerten.“102

Schon 1987 betonte Rudolf Fath in seinem Referat die Wichtigkeit eines zweiten

Heimatbuches:„[...] es ist mir ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, daß unsere Heimatbücher in einigen Jahren Ergänzung und Neubearbeitung bedürfen. Jetzt schon ist es wichtig, daß wir die jüngeren in unseren Reihen, die Wissenschaftler und Landsleute für diese Aufgabe befähigen und ihnen Mut machen, sich mit unserer Geschichte zu befassen.“103

Die Zsámbéker verfügen auch über drei Heimatbücher, welche die Heimat einander

ergänzend wie drei Vektoren einer dreidimensionalen Darstellung vergegenwärtigen.

Die drei Bände dokumentieren zugleich die drei Generationen der Heimatbücher: Der

erste ein Bildband, mit kurzen Texteinlagen. Wesentlich umfangreicher ist der 1988

100 Siehe dazu Unsere Post 46 (1991), Nr. 5.101 Vgl. Unsere Post 46 (1991), Nr.1.102 Bácsalmás 1990: 8f.103 Unsere Post 42 (1987), Nr. 11., S. 13. Siehe dazu Seite 44 der vorliegenden Arbeit.

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erschienene, sich fast ausschließlich auf das 20. Jahrhundert konzentrierende Band, der

in die Reihe der typischen Heimatbücher der 1980er passt. Als dann 1991 der dritte

Band mit Dokumenten und Archivmaterialien zur Geschichte von Zsámbék

herausgekommen ist, gliedert er sich in die neue Generation der Heimatbücher ein, die

nach Objektivität streben und sich ohne affektiven Beigeschmack auf der Ebene der

Tatsachen bewegen.104

Über viele Dörfer ist auch später nichts anderes entstanden als nur ein Bildband. So z.B.

nennt sich das Buch über Vértesacsa (1987/1988) „Bilderbogen der Erinnerung. Texte

und Bilder.“ Bilder als Medien der Erinnerung und des Gedächtnisses spielen bei der

Zusammenstellung eines Heimatbuches eine wichtige Rolle. In dem Interview mit dem

Herausgeber der Zsámbéker Heimatbücher, Pater Jelli hat er selbst auf eine wichtiges

Merkmal der Heimatbücher hingewiesen, nämlich, dass sie gut bebildet sein müssen.105

Im Falle des Budaörser Heimatbuches konnte in der Zeit seiner Entstehung, 1952 noch

nicht genügend Bildmaterial zusammengetragen werden, so fehlte ein wichtiges Mittel,

mit dem Erinnerungen am leichtesten wachzurufen sind. Der Bildband, der 1965 von

demselben Autor, Franz Riedl veröffentlicht worden ist, ist in dieser Hinsicht ein

Mangelersatz.

Unter den Schwerpunkten eines zweiten Heimatbuches muss die Bearbeitung der

Vertreibung und der Zeit nach der Ausweisung hervorgehoben werden. Diese Epoche

konnte von der ersten Generation nicht unbedingt in seiner nötigen Tiefe erfasst werden

– in diesem Sinne ist dann das zweite Heimatbuch die Fortsetzung des ersten. Ein

typisches Beispiel dafür sind die zwei Heimatbücher von Bácsalmás. Das erste erschien

1965 und versuchte alle Bereiche abzuhandeln, zu denen Materialien oder

Erlebnisberichte zur Verfügung standen. Die 320 Seiten des ersten Heimatbuches

konnten 1990 mit 477 Seiten ergänzt werden, von denen fast 85 Seiten der neuen

Heimat gewidmet sind.

104 Die drei Zsámbéker Heimatbücher stellen in getrennter Form die drei Hauptpfeile eines typischen Heimatbuches dar: Der Bildband ist in diesem Fall selbstständig, in anderen Heimatbücher sind die Fotos in das Heimatbuch eingearbeitet worden – je nach Konzeption der Autoren. Der 1988 erschienene Band enthält Erinnerungen, Erzählungen und Berichte aus der Zeit, die die Autoren in dem ehemaligen Heimatdorf verbracht haben. In einem komplexen Heimatbuch könnte dies der subjektive, affektiv beladen und über die meiste Literarizität verfügende Teil sein. Hingegen ist der 1991 erschienene Band der Dokumentation, die in Richtung Geschichtswissenschaft zeigt, gewidmet und beschäftigt sich mit der Zeit vor „The Floatig Gap“. Was die drei Bände getrennt darbieten, versuchen die meisten Heimatbücher in einem naturgegebenen Zusammenhang als komplexe Einheit darzustellen. Demnach sind die Zsámbéker Heimatbücher als eine interessante und aufschlussreiche Ausnahme zu interpretieren.105 Interview mit Pater Jelli Nattheim, 25. Juli 2002.

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Im Falle von Kakasd hat derselbe Autor zweimal das Heimatbuch der Gemeinde

geschrieben. Das erste Unternehmen 1959 brachte ein bescheidenes Werk von 32 Seiten

hervor, das dann in der Blütezeit der Heimatbücher zu einem Buch von 324 Seiten

erweitert wurde.106 Harka hat nicht so lange auf eine umfangreiche und umfassende

Bearbeitung warten müssen. Ein Jahr nach der ersten Auseinandersetzung mit der alten

Heimat in der Schriftenreihe der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn erschien

1987 in dem Selbstverlag von Andreas Schindler die zweite Arbeit. Rudolf Kleiner hat

sich im Zeitabstand von 10 Jahren auch zweimal mit seiner alten Heimat

Mosonszentjános und Mosonszentpéter beschäftigt. Die gleichzeitige Erscheinung

zweier Arbeiten über dasselbe Dorf kommt zwar selten vor, kann aber doch durch das

Beispiel von Pusztavám belegt werden. Paul Flach setzte sich 1978 in einer kurzen, 32

Seiten umfassenden Arbeit mit Pusztavám auseinander. Das von Anton Tafferner und

Franz Schell herausgegebene Heimatbuch von Pusztavám (ebenfalls 1978) übertrifft die

Leistung von Flach nicht nur im Umfang sondern auch in der Vielfalt der Themen.

Hans Steiner versuchte 1971 kurz Einiges zu Perbál zu schreiben. Die 36 Seiten waren

zu knapp, alles über die alte Heimat zu erzählen. Von der 1988 kam das von Josef

Walter redigierte Heimatbuch mit 293 Seiten heraus.

Die Beweggründe für ein ausführliches Heimatbuch können auch dort gefunden

werden, wo Heimatbücher über Ortschaften entstehen, die eine kurze Bearbeitung

bereits in einem nicht monographischen Heimatbuch erfahren haben. 1967 hat Anton

Tafferner ein Heimatbuch mit dem Titel Kunbaja. Eine ungarndeutsche Grenzgemeinde

in der Nordbatschka mit Umgebung (Bácsbokod, Csátalja, Gara und Katymár)

herausgegeben. Bald darauf erschien Paul Flachs Arbeit zu Kunbaja. Jahrzehnten

danach, 1997 erfasste Andreas Ginal in seiner Arbeit über Kunbaja, der er vielleicht

nicht zufällig den Titel Monographie Alte Heimat – Neue Heimat. Die Zeit im Bild.

Vergangenheit und Gegenwart der ehemaligen Kunbajern gegeben hat. Mit der Zeit

haben fast alle anderen Gemeinden in der Umgebung von Kunbaja ein eigenes

Heimatbuch bekommen: Csátalja (1988), Gara (1991), Katymár (1980).107 Ein zweiter

Grund für die Entstehung eines zweiten Heimatbuches über dasselbe Dorf ist die

106 Wenn sich derselbe Heimatbuchautor in mehreren Werken mit demselben Ort beschäftigt, bedeutet es nicht gleich, dass alle Werke als Heimatbücher zu bezeichnen sind. So ist z.B. Sopron (1991), wie es auch der Untertitel zeigt, ein „Journalistischer Gedankengang“.107 Interessanter Weise findet sich im Heimatbuch von Torbágy (1984) ein Kapitel über die Schwestergemeinde Bia. Den Heimatbuchautoren scheint das 2 Jahre früher erschienene selbstständige Heimatbuch über Bia nicht bekannt gewesen zu sein, denn man findet weder in dem bescheidenen Quellennachweis, in dem zwar andere Heimatbücher wie Budaörs (1952) und Nagykovácsi (1962) vorkommen, noch in anderen Teilen des Buches Hinweise darauf.

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verschiedene Sichtweise, Meinung der Autoren über die Vergangenheit bzw. über das

Erlebte. Einigen möchte nur das Geschichtliche, andere eben nur das Subjektive

hervorheben, wieder andere versuchen den goldnen Mittelweg zwischen den Extremen

zu finden. Es existieren zwei Heimatbücher über Vaskút. Anton Reppmann hat seins

1971 veröffentlicht. Paul Flach hat zwölf Jahre später ein Riesenwerk von 736 Seiten

erscheinen lassen, in dem er des Öfteren darauf hinwies, an welchen Stellen sich

Reppmann geirrt habe.

2.2.2 Ungarischsprachige sowie die in Ungarn erschienenen Ortsbeschreibungen

ungarndeutscher Dörfer

Im folgenden Kapitel soll eruiert werden, ob die ungarischsprachigen sowie die in

Ungarn erschienenen Ortsbeschreibungen, bei denen die Verwandtschaft mit den

Heimatbüchern am offensichtlichsten auf der Hand liegt, einen weiteren Typ der

Textsorte Heimatbuch bilden.

Ortsbeschreibungen ungarischer Sprache über deutschbewohnte Dörfer Ungarns

erschienen schon seit Ende der 1960er. Miklós Bánáti stellte 1967 eine umfassende

Arbeit über Császártöltés zusammen. Anlass dazu gab die 220jährige Wiederkehr der

Ansiedlung deutscher Kolonisten im Dorf. Die Arbeit geht aber über die im Untertitel

genannte Zielsetzung „Historische Datensammlung der Gemeinde Kaiserdamm“ nicht

hinaus. Eine sehr große Zahl von Ortsbeschreibungen erschien in den 1970er Jahren, als

bereits Ergebnisse der Konsolidation in der Nationalitätenpolitik der ungarländischen

Deutschen gegenüber zu registrieren waren.108 So gab z.B. das Exekutivkomitee des

Gemeinderates Szederkény 1973 eine Arbeit über die 700jährige Geschichte der

Gemeinde heraus. Die Nationale Volksfront förderte die Herausgabe einer Arbeit über

Kismaros (1974). Unter Mitwirkung der Gemeinderäte erschienen in dem Jahrzehnt

danach weitere Arbeiten über deutschbewohnte Dörfer wie z.B. Budaörs (1985), Kecel

(1984). Gemeinsamer Zug der obenerwähnten Ortsbeschreibungen ist es, dass sie sich

entweder nur auf die Zeit nach 1945 konzentrieren, wobei natürlich die Vertreibung

ausgeklammert wird, um die Betonung auf die sozialistische Entwicklung zu legen, oder

sich an den damals geltenden Normen der Nationalitätenpolitik im Sinne des

108 Siehe dazu Seewann, Gerhard: A nyelv és a hagyomány megőrzésének lehetőségei. In: Regio. Kisebbségtudományi Szemle (1990), Nr. 2., S. 52-69., hier S. 54ff.

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Automatismus109 haltend keine besondere Aufmerksamkeit den hier lebenden Deutschen

widmen, wie z.B. die in der Reihe Pest Megyei Falumonográfiák erschienene Arbeit

über Vecsés (1986). Mit wissenschaftlicher Intention veröffentlichte Monographien

fanden in den Kreisen der Ungarndeutschen positive Resonanz. Der Lehrbuchverlag

brachte z.B. 1977 über Csolnok eine deutschsprachige Untersuchung heraus, in der die

Geschichte der Bergwerkgemeinde im Mittelpunkt stand. Wendelin Hambuchs Arbeit

über Mucsi verdient in diesem Zusammenhang eben deshalb besondere

Aufmerksamkeit, weil er sich mit der Vertreibung schon 1988, in dem Erscheinungsjahr

der ersten, seitdem auch nicht übertroffenen wissenschaftlichen Bearbeitung der

Vertreibung der Ungarndeutschen von István Fehér,110 auseinandergesetzt hat.

Viele Untersuchungen entstanden unter der Obhut von Archiven und Museen. So

verdankt die Dorfbeschreibung von Hidegkút ihre Entstehung dem Komitatsarchiv

Veszprém, bzw. dem Archivar József Hudi, der die Aufgabe auf sich genommen hat,

die in der Zwischenkriegszeit entstandene Arbeit über das Dorf fortzusetzen bzw, zu

ergänzen.111 Ebenso sein Verdienst ist, dass eine Monographie über Herend entstehen

konnte. Als Sonderdruck des Béri-Balogh-Museums erschien eine Monographie über

Szakadát (1989), und das Petőfi Museum in Aszód in Zusammenarbeit mit der

Selbstverwaltung Iklad veröffentlichte 1991 in der Reihe „Museumshefte“ eine

Monographie über Iklad.

Eine besondere Gruppe bilden die Ortsbeschreibungen, die mit der Unterstützung der

Minderheiten- oder der lokalen Selbstverwaltungen entstehen konnten. Zu dieser

Kategorie gehören die schon oben erwähnten Bücher über Herend (1998) und Iklad112

(1991), die zweisprachige Arbeit über Ágfalva (1996) sowie die sich als Chronik 109 Fehér 1993: 12-20 beschäftigt sich detailliert mit der Geschichte der Minderheitenpolitik in Ungarn nach 1945. Er wies darauf hin, dass die Theorie und Praxis des Automatismus zwischen 1945 und 1960 auch in Ungarn, genauso wie in den anderen Ostblockstaaten, eine allgemeine Verbreitung fanden und noch Mitte der 1980er die Nationalitätenpolitik beeinflusst haben. Nach dieser Auffassung, wird sich die Nationalitätenfrage automatisch lösen, da mit dem Verschwinden des Klassengegensatzes auch die grundsätzlichen Nationalitätengegensätze verschwinden werden, denn die Nationalitäten werden dieselben Rechte bekommen wie die Mehrheitsnation des Staates. Aus der Sicht der Bewahrung der ethnischen Identität war diese Auffassung grundsätzlich schädlich, weil sie damit rechnete, dass die Nationalitäten in die Mehrheitsnation einschmelzen werden. Der Automatismus beschleunigte diesen Prozess, denn das sei angeblich das Interesse der Nationalitäten. Aus dem Wesen des Automatismus kommt, dass um so besser den Nationalitäten und dem Staat sei, je weniger man darüber spricht, folgerungsweise je weniger solche Fragen geforscht werden. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Bibliographien (Horváth, Márton/Zibolen, Endre: 30 év neveléstudomány és művelődéspolitika. Budapest., 1975.) erschienen weder längere noch kürzere Studien zur Nationalitätenpolitik in Ungarn nach 1945. Die Minderheitenkunde erlebte erst in den 1970er Jahren einen Aufschwung als die Nationalitätenfrage rund um die Welt eine Renaissance erlebte. 110 Fehér, István: A magyarországi németek kitelepítése 1945-1950. Budapest, 1988.111 Siehe dazu das Kapitel über die Vorformen und Quellen der Heimatbücher.112 In der Reihe der Museumshefte des Petőfi Museums.

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bezeichnenden Veröffentlichungen über Taksony (1999) und Tarján (1992). Sie bilden

eine neue Epoche der Ortsbeschreibungen.

Seit der Wende sind alle Archive, Materialien zugänglich gemacht worden und mit der

Verabschiedung des Minderheitengesetzes 1993 verfügten die Minderheiten nicht nur

über individuellen, sondern auch über Kollektivrechte. Durch die regelmäßig

anstehenden Wahlen der Minderheitenselbstverwaltungen bot und bietet sich jeweils die

Möglichkeit an, für die Anfertigung bzw. Veröffentlichung einer Ortsbeschreibung

finanzielle Unterstützung zu gewinnen. Die Zusammenstellung der Arbeit über Ágfalva

(1996) unterstützte die Minderheitenselbstverwaltung, die örtliche Selbstverwaltung

und das Amt für nationale und ethnische Minderheiten.

Für die Verfasser der in Ungarn erschienenen Ortsbeschreibungen dienten die

Heimatbücher der Vertriebenen als Muster und Vorbild. Die Erlebnisgeneration sowie

ihre Berichte und autobiographisch-geprägten Beiträge und die Vertreibung spielen in

ihnen entweder überhaupt keine oder keineswegs eine zentrale Rolle. Natürlich können

Arbeiten dieser Art auf Gewährsleute nicht verzichten, aber sie kommen nicht mehr

persönlich zu Wort, sondern werden durch den Autor vertreten, der die durch die

Feldforschungsarbeit gewonnenen Kenntnisse mit der Fachliteratur ergänzt und dadurch

sublimieren lässt. Da die Ortsbeschreibungen dieser Art die Unterstützung der

Selbstverwaltung und ungarischer Organisationen genießen, und nicht zuletzt weil das

potenzielle Publikum nicht mehr unbedingt deutsch spricht, sind sie bestenfalls

zweisprachig aber meistens ungarischsprachig gestaltet. In vieler Hinsicht erinnern sie

an die Heimatbücher der Städte und Gemeinden Deutschlands: Sie werden für

Propagandazwecken eingesetzt, als Geschenk den neu Zugezogenen oder Touristen

überreicht113. Die Verwaltung, die jüngste Vergangenheit, aktuelle Ereignisse

bekommen in ihnen einen breiteren Raum und fordern in erster Linie zur Identifikation

mit der Gemeinde – nicht umsonst werden sie von der Gemeindeverwaltung unterstützt

und vertrieben.

113 Vgl. Schöck 1974.

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2.3 Quellen der ungarndeutschen Heimatbücher

Die Autoren der Heimatbücher waren bis zur Wende, bzw. je nach Beziehungen und

Kontakten bis zur Lockerung der politischen Verhältnisse Mitte der 1980er, mit den

Schwierigkeiten der Literatur- und Dokumentenbeschaffung konfrontiert, die sich nach

dem Zusammenbruch von 1945 und der ideologischen Trennung Europas für

Erforschung von Geschichte und Kultur der Deutschen im ostmitteleuropäischen Raum

ergaben. Für die Autoren dienten also vor allem die Werke als Quelle, die sie noch aus

der eigenen Schul- bzw. Studienzeit gekannt haben oder selbst in der privaten

Hausbibliothek besaßen. Zwar wurde versucht, den Mangel an einschlägiger Literatur

durch das Zustandebringen bedeutsamer Büchersammlungen und durch die Einrichtung

von Sonderbibliotheken abzustellen, demzufolge zwar eine Besserung eingetreten ist,

aber auch „sie können das Verlorene nicht ersetzen. Immer noch fehlt ihnen viel zur

Vollständigkeit, die wohl nie zu erreichen sein wird, ebenso wenig wie ihre der

Öffentlichkeit zugänglich gemachten Kataloge [...] ein vollständiges Bild des

Schrifttums über Ostdeutschland und Ostmitteleuropa vermitteln können. Nicht besser

steht es mit der bibliographischen Verzeichnung der Literatur über die Ostgebiete

überhaupt. Sie ist nach jeder Landschaft uneinheitlich und lückenhaft und kann dem

Forscher nicht die Hilfe geben, derer er bedarf.“114 Ein weiteres Problem der in

Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zustande gekommenen Sammlungen war,

dass neben grundlegenden Werken eine fast unübersehbare Menge unbedeutender

populärer und schon in den 1960er und 1970er veralteter Arbeiten aufbewahrt wurde,

sodass es nicht nur für laienhafte Heimatforscher fast unmöglich war, sich einen

Überblick zu verschaffen und die adäquaten Arbeiten zu finden.

An der Zusammenstellung und Erforschung von Materialien waren nicht nur die

Autoren, Autor-Gruppen beteiligt, sondern auch die Landsleute. Die Initiative zur

Veröffentlichung eines Heimatbuches kam meistens von Intellektuellen, die zur

Materialsammlung aufriefen und die mühsame Arbeit der Redigierung auf sich nahmen.

So schickten die Landsleute Fotos, Bilddokumente, machten ihren Privatbesitz für die

Forschung zugänglich, lieferten wichtige Daten, schriftliche Erinnerungen,

Aufzeichnungen und unterstützten die Arbeit finanziell. Wichtige Quellen waren die

Dokumente aus Archiven, Museen, Matrikelbüchern, wobei die Zusammenarbeit mit

ungarischen und deutschen staatlichen wie kirchlichen Stellen, offiziellen und privaten 114 Bücherkunde 1963: XIX.

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Personen unerlässlich war. Die Autoren werteten die vorhandenen Quellen der Archive

aus, sie schöpften aus der mündlichen Überlieferung. In den meisten Fällen genügen die

Arbeiten weder den Forderungen historischer Kritik – oft erschöpfen sie sich in

chronikalischer Auflistung und Quellenparaphrase – noch literarisch-ästhetischen

Erwartungen, doch konnten sie sich des Interesses des Lesers gewiss sein.115 Darauf

weisen Kessler (1979) und Schöck (1974) in ihren Arbeiten auch hin, wenn sie

bemerken, dass die Heimatbücher insbesondere dort, wo sie das Heimatgeschehen in

den größeren historischen Ablauf einordnen, nicht besser sein können als die

verarbeitete Literatur. Die Stärke liegt im Detail, die Schwäche häufig in den

Generalisierungen, die nicht immer dem neuesten Stand der historischen Forschung

entsprechen und in manchen Fällen ältere national-konservativen Auffassungen neueren

differenzierteren Erkenntnissen vorziehen.116

Der Rückgriff auf frühere Forschungen aus der Zeit vor 1945 schlägt die Brücke

zwischen den Vorformen117 und der Textsorte Heimatbuch. So behauptet das

Heimatbuch von Nagykovácsi (1962), dass die Forschungszeit fast 25 Jahre beträgt:

1938 wurde begonnen – aber die Kriegsjahre, die Vertreibung verhinderten die

Vollendung der Arbeit und ein Teil des gesammelten Materials ist auch verloren

gegangen, sodass nach dem Krieg neue Forschungen eingeleitet werden mussten.118

Auch das Heimatbuch Elek (1977) sieht die Wurzeln in der Zwischenkriegszeit:119 Seit

1924 bemühte sich der damalige Dechanatpfarrer Dr. Emmerich Csepregi, um die

Beschreibung der Ortsmonographie, die nie vollendet wurde. Seine Aufzeichnungen

waren für die spätere Arbeit unerlässliche Quellen, und sein wertvoller Nachlass ist im

Heimatbuch von Elek (1977) mitverwertet worden. 1950 kamen seine Aufzeichnungen

nach Deutschland, wo erst 25 Jahre später die Arbeit wieder aufgenommen und 1977

beendet wurde.

Eine wichtige Quelle der Heimatbücher sind die Berichte, Erzählungen und

Aufzeichnungen der Vertriebenen. Auf die Trägerfunktion der Erlebnisgeneration

weisen die Bücher in der Einleitung selbst hin. 1987, kurz nach der Mitte des

Jahrzehnts, in dem die meisten Heimatbücher der Ungarndeutschen erschienen sind, hat

die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn mit dem Titel „Heimat- und

115 Torbágy 1984: 267.116 Kessler 1979: 23 und Schöck 1974: 151.117 Siehe dazu Kapitel Vorformen und Vorläufer der Heimatbücher.118 Nagykovácsi 1962: 9.119 Elek 1977: V-VI.

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Familienforschung bei den Ungarndeutschen. Notwendiges und Bleibendes“, in Ulm

ein Seminar veranstaltet, auf dem auch darauf hingewiesen wurde, dass „Die Generation der Mitte der zwanziger Jahre geborenen Väter und Mütter scheidet langsam aus dem Arbeitsprozess aus. Es sind jene Jahrgänge, die ihre Kindheit und Jugend in der alten Heimat verbracht haben. Bemerkenswert an dieser Tatsache ist jedoch, daß sie die letzten sind, die aus eigener Erfahrung und auf Grund der Erlebnisse in ihrer Heimat berichten und erzählen können.“120

Gleich im Anschluss daran hielt Rudolf Fath sein Referat mit dem viel versprechenden

Titel „Wie schreibe ich ein Heimatbuch“. Der Beitrag war als eine Beratung für die im

Publikum sitzenden potentiellen Autoren gedacht. Dass die Laienforscher und Hobby-

Historiker – besonders die, die ihre Arbeit vor der Wende verfasst haben – fast immer

die gleichen Quellen und dieselbe Fachliteratur benutzt haben, lässt darauf schließen,

dass Vorträge dieser Art eine außenordentlich große Rolle bei der Auswahl der Quellen

gespielt haben mussten. Das oben erwähnte Referat empfahl Werke von Bonomi,

Michael Lehmann, Josef Haltmayer, die Bibliographie von Anton Scherer, die der

Donauschwäbischen Forschungs- und Lehrerblätter und natürlich Anton Tafferners

Quellenbuch.121

Ganz eindeutig ist auch die Vorbildwirkung und Quellenfunktion bestimmter Arbeiten

aus der Zeit vor 1945, wie das schon im vorangehenden Kapitel Vorformen und

Vorläufer der Heimatbücher detailliert dargestellt wurde. Unbestritten ist auch das

Einwirken der Heimatbücher aufeinander. Manche wurden wie Standardwerke als

Muster genommen, sodass sie die Konzeption nachfolgender Arbeiten beeinflussten.

120 Unsere Post 42 (1987), Nr. 11., S. 13. vgl. Fußnote 91.121 Unsere Post 42 (1987), Nr. 11., S. 13. Der Referent wies auf die sorgfältige Materialsammlung als wichtige Vorarbeit für die Manuskriptgestaltung sowie auf die wichtigen Archive und Fundstellen für die Erarbeitung eines Heimatbuches.

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2.4 Funktionen der Heimatbücher und Intentionen der Autoren

Die Heimatbücher setzen sich zum Ziel, das gesamte Leben im ehemaligen Heimatdorf

aufzuzeichnen. Wie darauf Faehndrich auch hingewiesen hat, wächst dieser Aufgabe im

Falle der Vertriebenen eine geradezu existentielle Bedeutung zu. „Angesichts der

langsam aussterbenden Erlebnisgeneration und abgeschnitten von den üblichen Quellen

der Heimatforschung verstehen sie ihre Heimatbücher als einen Versuch, das

überlebende Wissen über eine noch historische lokale Gemeinschaft zu sammeln und

für die Nachwelt zu erhalten.“122 Da zeigt sich der Motivationsgrund, nämlich dass die

Autoren Angst haben, wenn jetzt, „in der letzten Minute“, wo noch die

Erlebnisgeneration lebt, kein Heimatbuch geschrieben wird, wird alles, was in ihrem

Gedächtnis noch bewahrt wird und noch abgerufen werden kann, dem Vergessen

anheim fallen. „Ich glaube, [heißt es im Vorwort des Heimatbuches von Harka – O. T.

K.] die Geschichte unseres Heimatdorfes muß spätestens von uns jetzt geschrieben

werden, denn vielleicht sind wir die letzte Generation.“123

Die Erinnerung erscheint als Grundmotiv schon im Vorwort fast aller Heimatbücher.

Wie ein roter Faden zieht es sich durch das Gesamtwerk. Die folgenden Zitate sind nur

eine Kostprobe aus der breiten Palette der Erinnerungskontexte. „[das Heimatbuch] soll keine wehmütige Heimatsehnsucht, sondern eine freudige – stolze Erinnerung an unser reiches Budaörser Volkstum wachrufen [...] das Bild der Heimat lebendig erstehen und sich unauslöschlich in unsere Herzen einprägen.”124

„Über die kulturgeschichtliche Bedeutung hinaus ist es [das Heimatbuch] aber für viele heimatvertriebene Turwaller eine Erinnerung an die verlorene Heimat.” 125

"[…] rufen wir unsere Erinnerungen und Erlebnisse wach"126

Ein weiteres Schlüsselwort ist ‚Nicht-Vergessen’, das in unterschiedlichen Kontexten,

aber in jedem Heimatbuch entweder als Zielsetzung der Arbeit wie im Heimatbuch von

Piliscsaba (1988) „[das Ziel des Heimatbuches ist], daß die Vergangenheit auch bei der

heutigen Generation nicht ganz in Vergessenheit gerät”127, oder als immer

wiederkehrendes Motiv parallel mit Erinnerung auftaucht. In jedem Heimatbuch

122 Faehndrich 2003: 193.123 Harka 1987: II.124 Budaörs 1952: 5.125 Torbágy 1984: 3.126 Bikács 1986: 9.127 Piliscsaba 1988: 11-12.

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erscheint semantisch dasselbe, was in dem quasi Mustersatz aus dem Heimatbuch von

Hegyeshalom (1968) so formuliert wird: „Es darf nicht vergessen werden, was unsere

Vorfahren in den Jahren vor uns und was wir selbst erlebt und erarbeitet haben”128

Jedes Heimatbuch ist als eine Antwort auf die Frage Was dürfen wir nicht vergessen?

zu verstehen. Eine Frage, von der Jan Assmann behauptet, „wo sie zentral ist und

Identität und Selbstverständnis der Gruppe bestimmt, dürfen wir von

‚Gedächtnisgemeinschaften’129 sprechen. Erinnerungskultur hat es mit ‚Gedächtnis, das

Gemeinschaft stiftet’ zu tun.“130

In den einleitenden Kapiteln geben die Heimatbücher implizit zu, dass es ihr Anliegen

ist, ein Bild davon zu zeichnen, wie sie sich selbst sehen und wie sie gesehen werden

wollen. Es geht dabei nicht nur um die Darstellung der ethnischen Eigenart, sondern um

Verständigung über die eigene Vergangenheit, quasi retrospektive Deutung und

Erklärungsversuch durch aktive Erinnerungsarbeit. Das ist es eigentlich, was im

Wesentlichen im Verlauf der Identitätskonstitution und -konstruktion vor sich geht.

Ohne theoretische Bezugnahme bringen dies die Heimatbücher auch zu Wort wie es

z.B. im Heimatbuch Torbágy (1984) steht „Heimatbuch erstellt man aus […] Suche

nach unserer Identität und nach dem Sinn des Lebens.“131 Genauso setzen sie pauschal

die Vergangenheit mit Heimat gleich: „[Sie wollen] der Nachwelt, nämlich unseren

Kindern und Kindeskindern, das zu erhalten, was uns einst gang und gäbe war, was

einst unsere Heimat war.”132

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Identität fassen sie als einen

Brückenschlag „zwischen Hier und Fern, zwischen Vergangenheit und Gegenwart“133

auf.

Jan Assmann behauptet, die Vergangenheit entsteht erst dadurch, dass man sich auf sie

bezieht. Damit man sich auf sie beziehen kann, muss die Vergangenheit als solche ins

Bewusstsein treten.134 Dieser Prozess hat für die Vertriebenen eine besondere 128 Hegyeshalom 1968: 5.129 Den Begriff 'Gedächtnisgemeinschaft' übernahm Jan Assmann von Pierre Nora siehe J. Assmann 1992: 30, sowie Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin, 1990.130 J. Assmann 1992: 30.131 Torbágy 1984: 7.132 Kakasd 1979: 1. Siehe dazu noch z.B. Nagykovácsi 1962: 9 „Möge das Buch die Heimat, die verlorene, neu erstehen lassen.”133 Torbágy 1984: 171 vgl. dazu Bácsalmás 1990: 5-7, wo unter anderem auch das Schlüsselwort „Brücke” steht: „[Das Heimatbuch soll] Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart [sein].” 134 Das Bewusstwerden setzt zweierlei voraus: (1) die Vergangenheit darf nicht völlig verschwunden sein, es muss Zeugnisse geben; (2) diese Zeugnisse müssen eine charakteristische Differenz zum „Heute“ aufweisen. Jeder tiefere Kontinuitäts- und Traditionsbruch kann zur Entstehung von Vergangenheit führen, dann nämlich, wenn nach solchem Bruch ein Neuanfang versucht wird. Vgl. J. Assmann 1992: 30ff.

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Bedeutung, denn er ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg der

Vergangenheitsbewältigung. Obwohl es die Heimatbuchautoren nicht immer wahr

haben wollen, geht es in diesem Bewältigungsprozess darum, was der Autor des

Heimatbuches von Nemesnádudvar klar zum Ausdruck bringt: „das Buch [ist] zugleich

ein Abschied von der alten Heimat für immer.“135

Indem man sich erinnert, wird Rechenschaft gezogen und die Differenz zwischen dem

Alten und dem Neuen erkannt. Der Kontinuitätsbruch führt zur Entstehung von

Vergangenheit, da nach dem Bruch (sprich Vertreibung) ein Neuanfang versucht wird.

Erst im Spiegel der veränderten Umstände kann das Leben in dem ehemaligen

Heimatdorf als etwas Vergangenes betrachtet werden. Die Vergangenheit wird in der

Erinnerung rekonstruiert,136 wobei die Erinnerungen in Form eines Heimatbuches

schriftlich festgehalten werden, sodass es wie ein Meilenstein den Übergang vom

mündlich bewahrten kollektiven Gedächtnis zum kulturellen Gedächtnis markiert.137

Die Auseinandersetzung der Heimatbücher mit Tradition und Lebensform zeigt den

Prozess an, wie aus einer mündlich tradierten Kultur eine schriftlich fixierte Form

erhält. Es lautet mit den einfachen Worten eines Heimatbuchautors so:„Bald schon wird die Geschichte das Wort haben, im besten Fall mit der leidenschaftlichen Stimme von Forschern, [...] Aber solange wir leben, haben wir unseren Mitmenschen eine wichtige Aufgabe zu überliefern, eine heilige Pflicht.“138

135 Nemesnádudvar 1997: 9.136 Die Rekonstruktion der Vergangenheit erfolgt aber aus der Gegenwart heraus. Also die Vergangenheits-deutung bzw. -interpretation hat einen starken Gegenwartsbezug.137 Vgl. J. Assmann 1992: 51-56.138 Nemesnádudvar 1997: 10.

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2.5 Autor-Werk-Leser-Verhältnis der Heimatbücher

2.5.1 Die Autoren

Das schockierende Erlebnis der Flucht und Vertreibung und die darauf folgende

Identitätskrise veranlasste die bis zu diesem alles verändernden Schicksalsschlag

dichterisch/schriftstellerisch nie tätig gewesenen Bevölkerungsschichten zur

schriftlichen Verarbeitung der eigenen Vergangenheit. Eine der schriftlichen Formen

der Vergangenheitsbewältigung sind die Heimatbücher geworden. Das persönliche

Betroffensein von den Nachkriegsereignissen verbindet alle Autoren, unabhängig von

sozialer Herkunft oder vom Bildungsstand. Bei der jüngeren Autorengeneration spürt

man auch, dass das Brandmal der Vertreibung von der Erlebnisgeneration wie ein

schweres Erbstück weitergegeben wurde. Ihr Entschluss, bei einem Heimatbuch als

Autor mitzuwirken, lässt in den meisten Fällen einen familiären Motivationshintergrund

ahnen. In den Familien, wo die Vertreibung und die Herkunft der Eltern und Großeltern

nie thematisiert wurde, wo weder in Familiengeschichten noch in Traditionspflege die

ungarndeutschen Identitätsbindungen lebendig geblieben sind, findet man kaum die

Neigung zur Mitarbeit an einem Heimatbuch. Man wird nicht von heute auf morgen

Heimatbuchautor, ohne sich für das Erbe der Vorfahren zu interessieren oder

Verantwortung für die Vergangenheit und Zukunft der Volksgruppe zu zeigen. Aus der

Sicht der potenziellen Leserschaft könnte zum Authentizitätsverlust des Heimatbuches

führen, wenn der Autor nicht aus dem Kreise der Betroffenen käme und sich nicht als

Schicksalsgefährte bekennen würde.139 Im Falle eines Autorenkollektivs wird die Arbeit

unter der Leitung einer authentischen Persönlichkeit durchgeführt, derer persönliche

Mitwirkung als Garantie für die Glaubwürdigkeit des Geschriebenen steht. Nur so ist

gesichert, dass die Geschichte aus dem Blickwinkel der Vertriebenen, durch das Auge

der Dorfbewohner gesehen wird.

2.5.2 Bildung und sozialer Status der Autoren139 Interview mit Pater Jelli. Nattheim, 25. Juli 2002.

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Die meisten Autoren kommen aus der Schicht der Dorfintelligenz, und in den meisten

Fällen bleibt das Heimatbuch in ihrem Leben die einzige, in Schrift verfasste Arbeit von

größerem Volumen. Das Interesse für die Vergangenheit verbindet alle Autoren. Wie

professionell sie auf diesem Gebiet sind, hängt von ihrer Bildung und Erfahrung ab.

Über die ausschlaggebende Rolle der Autoren hinsichtlich des Ergebnisses scheinen uns

die in der Einleitung der in Ungarn erschienenen Ortsbeschreibung Mucsi (1988)

formulierten Gedanken das Wesentliche erwähnt zu haben:„[Das Ergebnis ist] je nach Kunst und Bildung der Verfasser, je nach dem zur Verfügung stehenden Stoff unterschiedlich [ist]. Manche 'stottern' und erscheinen dem an Geschliffeneres gewohnten Gehör etwas holprig, andere wiederum sind voll ausgereift und dürfen mit gutem Recht als wertvolle Perlen des donauschwäbischen Kulturerbes gelten. Doch sind uns auch die 'Stotterer' lieb, soweit sie uns ein Stück Heimat vermitteln, auch dann, wenn ihre Feststellungen dem Fachmann hie und da als unbeholfen oder mangelhaft erscheinen.”140

Wir finden unter den Autoren, Mitarbeitern auch Wissenschaftler, die mit der

Redaktionsarbeit beauftragt wurden. So steht der Namen des Historikers Anton

Tafferner in mehreren Heimatbüchern, er wirkte z. B. bei den Heimatbüchern

Bácsalmás (1965), Kunbaja (1967), Pusztavám (1978a), aber auch bei dem Heimatbuch

der Donauschwaben (1960) und dem der Nordschomodei (1973) mit. Paul Ginder, zum

Heimat- und Geschichtsforscher avancierter Jurist arbeitete am Heimatbuch seines

Heimatdorfes mit. Pater Jelli, der Benediktinermönch, Theologe und Psychiater ist der

Herausgeber, Mitarbeiter und Spiritus Rector aller Zsámbéker Heimatbücher.

Unter den die schwere Arbeit der Redigierung auf sich nehmenden Personen machen

die Lehrer und Pfarrer die größte Berufsgruppe aus. Die Dominanz dieser Gruppe wird

aber geschwächt, wenn wir das Autorenkollektiv der Heimatbücher näher untersuchen,

soweit sie uns aus den Heimatbüchern bekannt sind. Die Mitarbeit der Landwirte,

Bauern und Handwerker prägt bedeutend das Bild vom Autor, zumal es im Falle der

ungarndeutschen Heimatbücher um die Darstellung einer primär agrarischen

Dorfgemeinschaft geht. So konnten wir bei jedem dritten Heimatbuch feststellen, dass

ein von Beruf her Bauer oder Handwerker nicht nur als einer der Mitarbeiter mitwirkte,

sondern seinen Namen als Herausgeber oder Redakteur dem Heimatbuch gab.

An zweiter Stelle finden wir die Schicht Berufe, zu denen nicht unbedingt ein

potenzieller Heimatbuchautor assoziiert wird. Wir finden unter ihnen Ärzte, Juristen,

140 So formuliert eine in Ungarn erschienene Ortmonographie über Mucsi 1988: 7. Es ist ersichtlich aus den Heimatbuchzitaten der vorliegenden Arbeit, dass mangelnde Sprachkenntnisse, oder wie oben eben formuliert wurde, dass das ‚Stottern’ ihre Spuren in Form von Sprachfehlern in den Heimatbüchern hinterließ.

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Chemiker, Volkswirte und Sozialarbeiter. Verbindendes Merkmal aller Autoren ist, dass

sie zur großen Familie der Freizeit- und Privathistoriker gehören, welche diesen Weg

aus affektiver Motivation eingeschlagen haben mit einem Interesse für die

Vergangenheit, die ihnen wohl auch eine Antwort auf die eigenen Schicksalsfragen

geben könnte. Alle fühlen eine Art Verantwortung für die Gemeinschaft für die sie

schreiben und wirken. Das Verantwortungsgefühl ist in ihnen verankert und kann in

verschiedenen Formen im Heimatbuch zum Vorschein kommen. Im Falle der

Herausgeber und Mitarbeiter, die uns namentlich bekannt waren, konnte erforscht

werden, dass jeder dritte von ihnen schon in der Zwischenkriegszeit im Interesse der

Ungarndeutschen aktiv tätig war. Sie bilden die ältere Generation der

Heimatbuchautoren, die sich in der Zwischenkriegszeit als junge Intellektuelle in die

Volkstumsarbeit gestürzt hatten. Wir finden unter ihnen Mitstreiter von J. Bleyer,

Mitarbeiter des Sonntagsblattes und weiterer Zeitschriften, Volksbundfunktionäre und

aktive Mitarbeiter des Volksbundes. Ihr Umgang mit der Geschichte der

Ungarndeutschen ist stark von dieser Epoche beeinflusst worden. Tief eingeprägte

Vorstellungen über Geschichtskonstellationen, ideologisch gefärbtes Vokabular können

– dem Anteil der erwähnten Autoren entsprechend – bei einem Drittel der

Heimatbücher, wenn auch nicht immer in expliziter Form, aber doch beobachtet

werden.141

2.5.3 Die Verantwortung des Autors: Kanon und Zensur

Eines der wichtigsten Merkmale der Heimatbücher ist, dass sie die subjektive

Perspektive der Vertriebenen nicht nur in den Erlebnisberichten und autobiographisch-

geprägten Erzählungen einen Raum gewinnt, sondern auch in den geschichtlichen

Darstellungen, die – wie das die Heimatbücher zu beweisen versuchen – in keinem

Geschichtsbuch zu lesen sind. Es gibt zwar geschichtswissenschaftliche

Untersuchungen zum Thema, aber keine der Arbeiten könne das Eigene, das

Selbsterlebte authentisch widerspiegeln. Diese seelische Grundhaltung legitimiert die

Existenz aller Heimatbücher und hebt die Autoren mit der Losung „das kann nur der

wissen, der alles selbst miterlebt hat“ auf das Podest der Auserwählten.142 Und gewisser

141 Siehe dazu das Kapitel über Vorformen und Vorläufer der Heimatbücher.142 Manche Autoren posieren selbstvergnügt trotz schwacher Leistung in dieser Rolle.

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Weise werden die Heimatbuchautoren von der Gemeinschaft wirklich für eine

besondere Aufgabe auserwählt: sie werden zum Verwalter des kollektiven

Gedächtnisses der Gemeinschaft. Als Ergebnis der Verwaltungsarbeit entsteht ein

Kanon, bzw. eine kanonisierte Kultur, wo unter Kanon ein fixierter, geschlossener und

in welcher Weise auch immer exemplarischen Komplex verstanden wird.

Konnotationen aus der Kirchengeschichte sollten von unserem Kanonbegriff

freigemacht werden.143 „Kanon soll vielmehr ein Oberbegriff für alle Versuche sein,

gesellschaftliche Einheit und kulturelle Stabilität mit Normierungen und institutionellen

Mitteln zu sichern“144, wobei der Prozess der Kanonisierung als der Versuch

interpretiert wird, „einen ‚Fehlgebrauch der Symbole’[...] zwischen den Generationen

oder Tradenten auszuschließen oder zumindest reduzieren.“145 Durch die Entstehung

eines Heimatbuches kommt ein abgeschlossener Komplex zustande, eine neue Art von

Kanon, der mit dem Begriff Kultur-Kanon bezeichnet werden kann. Die Verwendung

eines so breiten Kanonbegriffs unterstützen auch Camartins Untersuchungen zum

Thema und sein Erkenntnis, dass

„Neben einem Werkekanon etabliert sich in der Entwicklungsgeschichte und in der Bewußtwerdung einer Randkultur allmählich noch eine andere Art von Kanon. Dieser Kanon ist inhaltlich-thematischer Natur und könnte in der Kurzformel etwa lauten: nur das ist kanonisch, wo in identifizierbarer Weise thematisiert ist, was man als das ‚spezifisch Eigene’ betrachtet.“146

Der Kanon bekommt einen breiteren Wirkungsraum, sodass er der Verfestigung des

kulturellen Sinns dient. „Das sind wir“– könnte der Untertitel bei jedem Heimatbuch

heißen. Dazu gehört alles, was eine Gruppe zusammenhält und von anderen

unterscheidet. Im Grunde genommen wird den Heimatbüchern aus der Perspektive der

Vertriebenen das Bild der alten Heimat dargestellt, das jedem der sie gekannt hat, in ihr

gelebt hat, bekannt sein musste, doch der neue Blick auf das Alte auch das Bekannte –

das in Geschichtsbüchern eine Bearbeitung gefunden hat – führt zur Innovation. Den

Autoren ist dieser Innovationsakt bewusst.

143 Vgl. Schmidt, Ernst A.: Historische Typologie der Orientierungsfunktionen von Kanon in der griechischen und römischen Literatur. In: Assmann, Aleida/Assmann, Jan (Hrsg.): Kanon und Zensur. [Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; II.] München, 1987., S. 246-258., hier S. 247 und Schulze, Winfried: Kanon und Pluralisierung in der Frühen Neuzeit. In: Assmann, Aleida/Assmann, Jan (Hrsg.): Kanon und Zensur. [Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; II.] München, 1987., S. 317-325., hier S. 317.144 Schulze 1987: 317.145 Gladigow, Burkhard: Mythenzensur und Symbolkontrolle. In: Assmann, Aleida/Assmann, Jan (Hrsg.): Kanon und Zensur. [Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; II.] München, 1987., S. 158-168., hier S. 158.146 Camartin, Iso: Das gemeinsame Besondere. Anmerkungen aus dem Blickwinkel einer Randliteratur. In: Assmann, Aleida/Assmann, Jan (Hrsg.): Kanon und Zensur. [Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; II.] München. 1987., S. 149-157., hier S. 153.

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Walter Haug unterscheidet in der Genese eines Kanons zwei Phasen:147 die erste Phase

ist der Innovationsakt, die zweite die Kanonisierung selbst. Die erste Phase

charakterisiert das Bewusstsein der Innovation als eines epochalen Schrittes. Die

Innovation wird als neue Sinngebung, und dies insbesondere als Neuinterpretation der

vorgängigen Tradition verstanden, ferner sind der Bezug und die Reflexion auf die

Vorgänge zu beobachten, was sich zugleich als Bemühung um Legitimation zu deuten

lässt. Haugs Thesen stimmen auch im Falle der ungarndeutschen Heimatbücher. Die

Autoren sind der Innovation bewusst als sie die Erinnerungsstücke der Gemeinschaft

sammeln, denen sie eine früher nie da gewesene schriftlich Form geben. Wenn über das

Dorf früher noch nichts geschrieben wurde, ist das ein sich in allen Bereichen

vollziehender Innovationsakt. Dabei ist natürlich von den allgemeinen, historischen

Darstellungen nicht wegzudenken. In diesem Fall bringen die Heimatbücher gegenüber

den früheren Arbeiten, die über das gegebene Dorf oder über die Geschichte der

Ungarndeutschen entstanden sind, weniger eine stoffliche Neuerung, sondern –

übereinstimmend mit Haugs Beispielen – vielmehr eine neue Weise der Gestaltung,

eine Neuinterpretation und Sinngebung.„Man entwertet die Vorstufe, indem man sie als beschränkt-vorläufig hinstellt, und baut doch dadurch auf ihr auf, daß man sich als wahrer Erbe ausgibt. [nur der kann darüber schreiben, der das selbst erlebt hat, die authentische Sichtweise hat] Die Legitimation des innovativen Aktes ist also zweischneidig: man beruft sich auf Tradition, aber man geht in ihrer Verwandlung über sie hinweg und auf das zurück, was ihr authentischer Sinn ist: die neue Wahrheit ist diejenige, die hinter der alten steht, das Neue ist das Ursprüngliche. Mit dieser Strategie hebt der sich etablierende neue Kanon die Vorformen auf und macht sie unschädlich, um sie trotzdem für sich zu nützen.“148

Bei der Darstellung der zweiten, eigentlichen Kanonisierungsphase weist Haug unter

den Effekten auf die Nivellierung individueller Differenzen hin, auf ein Merkmal, das

im Falle der Heimatbücher eine besondere Beachtung verdient. Um einzelne Gebiete

ausführlicher, gründlicher abhandeln zu können, wird das Heimatbuch von einem

Autorenkollektiv zusammengestellt.149 Wenn auf der Titelseite des Heimatbuches nur

ein Name erscheint, haben wir in den meisten Fällen auch mit einem Kollektiv zu tun,

nur dass die jeweilige Person als Herausgeber oder Redakteur seinen Namen für das

Buch gibt. Die Zusammenarbeit von mehreren Autoren kann zwar in manchen Büchern

auf Kosten der Einheitlichkeit gehen, jedoch bildet dies in den meisten Fällen eine

starke Seite der Arbeiten: die Heimatbücher werden vielfältiger, farbiger und 147 Vgl. Haug, Walter: Klassikerkataloge und Kanonisierungseffekte. Am Beispiel des mittelalterlich-hochhöfischen Literaturkanons. In: Assmann, Aleida/Assmann, Jan (Hrsg.): Kanon und Zensur. [Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; II.] München. 1987., S. 259-270.148 Haug 1987: 260.149 Sieh z.B. Zsámbék 1988, Bácsalmás 1990.

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erlebnisnäher, obgleich das Autorenkollektiv eine Kontrollwirkung hat, indem es die

auf die persönlichen Kränkungen, die Vertreibung erlittenen Schaden und Verluste

zurückzuführenden Amplituden der emotionalen Ausschweifungen ausgleicht. Wenn

wir es mit einem Autor zu tun haben, der viel verloren hat, nach der Größe des

Verlustes, kommt die persönliche Betroffenheit in der Form von Klage zum Ausdruck,

sodass auch der Grundton des Gesamtwerkes dadurch geprägt wird.150 Die einzelnen

Heimatbücher als eine geschlossene Einheit betrachten zu können, vollzieht sich ein

Nivellierungsprozess unter anderem auch auf der thematischen, stilistischen Ebene.

Es ist die Entscheidung der Autoren und zugleich ihre Verantwortung, was für die

Nachwelt erhalten wird. Durch Kanonisierung wird das kollektive Gedächtnis der

Dorfgemeinschaft gesichert, mit der sich die Gemeinschaft selbst identifizieren kann

(und zu der sich die Nachkommen der Vertriebenen identifikatorisch verhalten

können).151 Es ist den Autoren überlassen, was in den Kanon aufgenommen wird,

während sich die Selektion dem Ausgesparten gegenüber als Zensur auswirkt. Was

nicht kanonisiert wird, „wird nicht aus der Welt geschafft. Doch ist alles

Nichtmaßgebliche arg durch Vergessen bedroht.“152 Beim Auswahlverfahren spielt auch

der Zufall mit: was zur Zeit der Abfassung eines Heimatbuches nicht zur Verfügung

steht, was nicht ausfindig gemacht werden kann oder woran sich zur Zeit der Abfassung

niemand mehr erinnern kann, geht für immer verloren. Als Endergebnis entsteht ein

Kanon, der sich von vorne von der mündlichen Überlieferung und von den Vorformen

und -arbeiten durch den Innovationsakt abgrenzt, und durch den Kanonisierungsprozess

gegenüber der danach verfassten oder entdeckten Fragmente der gemeinsamen

Vergangenheit.153 Im Falle eines schwachen Kanons d.h. eines schwachen bzw.

ergänzungsbedürftigen Heimatbuches besteht die Möglichkeit der Revision oder

Erweiterung in Form einer neuen Auflage, oder eher eines zweiten Heimatbuches (wie

z. B. im Fall von Bácsalmás oder Kakasd).

Die Autoren der Heimatbücher arbeiteten eng mit den ehemaligen Dorfbewohnern

zusammen. Alles, was für die Gemeinschaft von Bedeutung war, aus der Sicht der

Identität und der Vergangenheit Relevanz hatte, wurde ihnen zur Bearbeitung zur

Verfügung gestellt: alte Fotos, Gegenstände, Erinnerungen und Aufzeichnungen, 150 Siehe dazu z.B. Majos 1997.151 Vgl. dazu Iso Camartins Aufsatz zu den Begriffen Kanon und Zensur vom konkreten Fall der rätoromanischen Literatur der Schweiz her untersucht. Camartin 1987: 149-157 hier S. 151.152 Camartin 1987: 151.153 Vgl. Haug 1987: 259.

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Notizen und Dokumente, alles, was die Verbundenheit mit dem ehemaligen Heimatdorf

und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Dorfgemeinschaft zum Ausdruck bringen

konnte. Die vielfach umstrittene kollektive Verfasserschaft erinnert an die

Volksdichtung, wo jeder seinen Beitrag zum Werk beisteuern kann, sodass das

entstandene Werk als Kollektivleistung bewertbar wird. In diesem Sinne legen die

Autoren in den meisten Heimatbüchern nicht einmal Wert darauf, dass ihr Name bei

den von ihnen erarbeiteten Kapiteln erscheint. Diese quasi Anonymität des Autors

erlaubt auch die Volksdichtung und der Heimatbuchliteratur zusammen zu erwähnen.

Die kollektive Arbeit am Heimatbuch, die indirekte Beteiligung der Landsleute deutet

auf eine enge Beziehung zwischen Autor(en) und Leser hin, die kaum anderswo in der

Literatur entdeckt werden kann. Der Autor schreibt als würde er für sich selbst mal die

eigenen Spuren sichern, aber gleichzeitig wird er Chronist seiner Heimat, der im

Auftrag des Kollektivs arbeitet. Durch die Zugehörigkeit zur Dorfgemeinschaft wird der

Autor als authentischer Vermittler und Verwalter des kollektiven Gedächtnisses

akzeptiert, denn er ist „einer von uns, der uns über uns schreibt“. Diese Vertrautheit mit

dem Autor – und auch umgekehrt, die Vertrautheit mit dem Leser – bedingt eigentlich

schon den potenziellen Lesekreis der Heimatbücher. Sie werden vor allem, wenn nicht

ausschließlich, von den Mitgliedern der Dorfgemeinschaft gelesen.154

Wenn der potenzielle Lesekreis so eng ist, wirft sich natürlich die Frage der

Finanzierung auf. An anderen Stellen schon gezeigtes enges Verhältnis zwischen Autor

und Leser, nämlich dass sich Innovator/Autor und Konsument in einer nahezu

ineinander übergehenden Rolle gegenüber stehen, findet in der Frage der Finanzierung

einen weiteren Beleg. Die Bücher werden von dem künftigen Lesepublikum oder

Heimatkreisgemeinschaft selbst vorfinanziert. Die Spendelisten stehen mit Namen und

Summen entweder in den einleitenden oder in den Abschlusskapiteln der Heimatbücher.

Bei kleineren Heimatortsgemeinschaften herrschte sogar das Verfahren der

Pränumeration, der Vorausbezahlung vor der Drucklegung, vor, das uns sonst nur aus

früheren Perioden der Buchhandels- und Verlagsgeschichte in Ostmittel- und

154 Im Zusammenhang mit den oben geschilderten Fragen wirft sich die Frage der Rezeption auf. Zwar kann sich eine textimmanente Analyse einen Exkurs in diese Richtung nicht erlauben, nichtsdestotrotz soll kurz darauf hingewiesen werden, dass eine wissenschaftlichen Ertrag erzielende Rezeptionsforschung keineswegs exemplarisch durchgeführt werden dürfte. Die Schwierigkeiten wurzeln aber in der Tatsache, dass die Heimatbücher in den meisten Fällen intern vertrieben werden. Es liegt daher nahe zu vermuten, dass die Kostenträger gleichzeitig die Konsumenten der Bücher sind. Die Existenz einiger Heimatbücher konnte jedoch nur durch das systematische Durchsuchen der seit 1945 erschienen Nummern der Zeitung Unsere Post in Erfahrung gebracht werden. Eine Rezeptionsanalyse könnte höchstens durch die Untersuchung dieser Rubriken und unbedingt ergänzt durch eine Feldforschungsarbeit durchgeführt werden.

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Südosteuropa bekannt ist.155 Die Herausgabe der Heimatbücher wird in den meisten

Fällen von der Ortsgemeinschaft, den Heimatvereinen, den Landsmannschaften und

ihren Organisationen übernommen, ferner erscheinen sie durch die Ausschaltung

weiterer Zwischeninstanzen zwischen Autor und Leser im Selbstverlag.156

155 Vgl. Kessler 1979: 15.156 Siehe dazu die bibliographischen Angaben zu den ungarndeutschen Heimatbüchern im Literaturverzeichnis der vorliegenden Arbeit.

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3 Heimatbuch – ein Buch über die Heimat

3.1

Semantische Struktur der Heimatbücher

Die Frage, was Heimat eigentlich für den Menschen bedeutet, wurde bis heute trotz

einer Vielzahl von Erklärungsversuchen noch nicht zufriedenstellend beantwortet.157 Als

Begründung dafür wird oft angeführt, dass der emotionale und ideologische Gehalt zu

groß sei, als dass Heimat einer unbefangenen, sachlichen und wissenschaftlichen

Analyse zugänglich wäre.158 Und tatsächlich ist Heimat wie kaum ein anderes

Phänomen vereinnahmt, kommerziell und politisch missbraucht, sentimentalisiert und

verflacht worden. Allen den Erklärungsversuchen ist jedoch gemein, dass sie das

Phänomen meist aus der Perspektive ihrer eigenen Fachwissenschaft beschreiben und

demzufolge immer nur einen Teilausschnitt betrachten. So wurden in der

Heimatforschung unter diesen inhaltlichen Beschränkungen nur teilweise Aspekte

herausgearbeitet, die einen Beitrag zur Erklärung des Phänomens liefern konnten.

Gleichzeitig erhöhte sich jedoch die begriffliche Verwirrung, da diesen isolierten und

sich inhaltlich nur teilweise überschneidenden Ansätzen kein einheitliches

Begriffsschema zugrunde liegt und ein integrierender Ansatz ebenso fehlt.159 Zu einer

exakten begrifflichen Klärung von Heimat ist es vielleicht auch deshalb nicht

gekommen, weil mit einer strikten Definition die Gefahr bestünde, wesentliche

Gesichtspunkte abzutrennen und dann auch wieder nur einen Rumpfbegriff übrig zu

157 Wichtig ist zu bemerken, dass heutzutage unterschiedliche Ansichten darüber, was Heimat ist und

bedeutet, nebeneinander existieren. Die ideologische Ausnutzung des Begriffs von Seiten

unterschiedlicher politischer Couleur hat die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten erhöht und dazu

geführt, dass Heimat ein vielschichtiger und verschwommener Begriff geworden ist, in dem die

verschiedensten ideologischen und gefühlsmäßigen Beibedeutungen mitschwingen. Hinzu kommt, dass

es nie nur eine Bedeutung gleichzeitig gegeben hat, sondern dass neben neu hinzugekommenen

Qualitäten auch die älteren weiter Bestand behielten. Zudem konnte und kann Heimat für das Individuum

in seiner eigenen persönlichen Geschichte zu bestimmten Zeiten jeweils etwas anderes bedeuten. Die

neuen Inhalte und Qualitäten haben es schwer, sich gegen den alten, vorgeprägten und im Bewusstsein

fest verankerten Begriff durchzusetzen. Vgl. Neumeyer 1992: 58.158 Vgl. Neumeyer 1992: 2.159 Vgl. Neumeyer 1992: 3.

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behalten.160 Die Frage ist nun, ob eine universale Erklärung für Heimat, die alle

begriffsgeschichtlichen Aspekte integriert und damit schon fast wieder so abstrakt

werden muss, dass sie der Realität kaum noch gerecht wird, von Gebrauch sein kann. So

soll in den folgenden Kapiteln untersucht werden, was die vertriebenen

Ungarndeutschen unter Heimatverstehen und wie dieses Heimatbild durch die

Heimatbücher vermittelt wird.

3.1.1 Zur Etymologie und Semantik des Wortes Heimat

Das auf dem deutschen Sprachraum beschränkte Wort Heimat ist eine suffixale

Erweiterung des Begriffs Heim, der seinen Ursprung in der indogermanischen Wurzel *

kei-, was so viel wie „liegen“ bedeutete, hat. Das daraus gebildete Substantiv

bezeichnete einen „Ort, wo man sich niederläßt“, ein „Lager“ oder „Stammsitz“.161 Das

althochdeutsche heim (einschließlich der Suffixbildungen heimuoti oder heimti)

bezieht sich wie seine mittelhochdeutschen Entsprechungen (heimuot(e), heimt(e),

heimüete) auf das Haus, den Wohnort oder den Grundbesitz.162 Es wurde also als

Synonym für Haus und Hof verwendet.163

Laut des Grimmschen Wörterbuches kommt das Wort Heimat aus dem ahd. heimti,

mhd. heimte neben heimt und heimuot.164 Unter Heimat wird in erster Linie das

Land oder Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat,

verstanden.165 Es wird in diesem Zusammenhang auch von einer „zweiten Heimat“ bzw.

über eine „neue Heimat“ gesprochen, die nach dem Verlorengehen der alten neu zu

gewinnen sei.166 Im engeren Sinne des Wortes hat Heimat die Bedeutung Geburtsort,

ständiger Wohnort und kann sogar auf das elterliche Haus und Besitztum begrenzt

werden, sodass ein geographisch bestimmter Raum mit seinen entsprechenden 160 Vgl. Bausinger 1984: 11ff. Bausinger versucht die verschiedenen Facetten des komplexen Gebildes

Heimat herauszuarbeiten und nachzuzeichnen, und zwar nicht nur im Blick auf die gegenwärtige

Bedeutungsbreite des Begriffs, sondern die Begriffsgeschichte wird als Problemgeschichte ausgebreitet. 161 Duden Etymologie: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Hrsg. von Drosdowski, Günther. Mannheim-Wien-Zürich, 19892. S. 257 und 276; Kluge Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache. Bearb. von Seebold, Elmar. Berlin (u.a.), 199523., S. 365.162 Duden Etymologie 1989: 257.163Der konkrete Bezug zu den Wohnstätten der Menschen spiegelt sich in zahlreichen Ortsnamen, wie z.B. Mannheim, Rosenheim, auch Bochum. Duden Etymologie 1989: 257.164 Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Bearb. von Heyne, Moritz. München, 1984., S. 864-866.165 Grimmsches Wörterbuch 1984: 864-866.166 Grimmsches Wörterbuch 1984: 866.

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prägenden Erfahrungen involviert werden.167 Zur Semantik des Begriffs Heimat gehört

auch die religiöse Metapher „himmlische Heimat“, die genauso in der Bibel als auch in

der Dichtung eine allgemeine Verbreitung gefunden hat.168

Die Redensarten und Sprichwörter mit Heimat tragen ebenfalls die Konnotation von

„Zuhause“, „Besitz“ und „Geborgenheit“.169

3.1.2 Heimat und Nation

Der Begriff ‚Nation’ bekommt erst im Mittelalter eine Bedeutung, als in universitas, in

Gemeinschaften auf höherer Ebene wie Christentum, Dynastien usw. gedacht wurde.

Der traditionelle mittelalterliche Begriff von der „Adel-Nation“ in Ungarn umfasste und

betrachtete jeden mit adeligen Privilegien als Teil der ungarischen Nation, ohne

Rücksicht auf ethnische Herkunft und Muttersprache. So war Teil der ungarischen

Nation der Adel u.a. ungarischer, deutscher und kroatischer Muttersprache, doch die

Leibeigenen, unabhängig davon, welcher Nationalität sie zugehörig waren, blieben aus

diesem Nationsbegriff ausgeklammert. Es war eine Nation, der man nicht auf Grund der

ethnischen Zugehörigkeit, sondern auf Grund der adeligen Privilegien angehörte.

Die bürgerliche Entwicklung in der Neuzeit brachte neue Dimensionen und

Herausforderungen dem Begriff Nation gegenüber. Besonders im 19. Jh., als in Folge

der Entwicklung des bürgerlichen Staates problematisch wurde, ein solches

Konglomerat zusammenzuhalten, warf intensiv die Frage auf, wer zur Nation gehört.

Das Prinzip des dynastischen Staates wurde durch (1) die Konzeption der Staatsnation

und (2) die des Nationalstaates abgelöst.170 167 Ebenda; vgl. noch Brockhaus-Enzyklopädie: in vierundzwanzig Bänden. Mannheim, 198919., Bd. 9. S.

617-619. Brockhaus-Wahrig Deutsches Wörterbuch: in sechs Bänden. Hrsg. von Wahrig,

Gerhard/Krämer, Hildegard/Zimmermann, Harald. Wiesbaden-Stuttgart, Bd. 3. S. 457.168 Das Neue Testament Phil 3, 20; sowie bei Uhland, Hölty und Arndt, auf die sich auch das Grimmsche Wörterbuch 1984: 866 bezieht.169 Grimmsches Wörterbuch Bd. 10: 866; Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk. 5 Bde. Hrsg. von Wander, Karl Friedrich Wilhelm. Kettwig, 1987. [Nachdruck der Ausgabe Leipzig, 1867.], Bd. 2. S. 473.170 Friedrich Meinecke, der bedeutendste deutsche Historiker des 19. und des 20. Jhs. unterschied und definierte 1907, die Forschungsergebnisse von Fichte und Herder mitbeachtet, zwei Nation-Begriffe. Die Staatsnation charakterisiert das gemeinsame Gebiet, sowie die Zugehörigkeit zu denselben rechts-politischen und wirtschaftlichen Rahmen. Unter Kulturnation verstand er eine Gemeinschaft, die eine

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Für (1) die Konzeption der Staatsnation entschieden sich die Länder – wie Ungarn oder

in der Zeit der Revolution Frankreich –, die ihr Landesgebiet mit der eigenen ethnischen

Gruppe nicht homogen füllten. Es wurde zur Staatsideologie gemacht, dass es egal ist,

welche Herkunft man hat, bestimmend ist nur, dass man eben dadurch zum Bürger des

Staates wird, dass man hier sesshaft ist und als Mitglied dieser Gemeinschaft, treu zur

Nation steht. Darauf basiert die Konzeption des Staatspatriotismus.

(2) Die Konzeption des Nationalstaates ist geeignet für Länder, deren staatstragende

ethnische Gruppe nicht nur innerhalb der Landesgrenzen lebt, sondern jenseits der

Grenze ein größeres Gebiet bevölkert. So machte sich z.B. Deutschland und Rumänien

die Konzeption des Nationalstaates zu eigen.

Die Ziele der oben erwähnten Konzeptionen sind divergent. Während der Nationalstaat

die ethnischen Grenzen zu Staatsgrenzen zu machen versucht, – was nur durch

Ausbreitung des Landesgebietes möglich ist –, setzt sich die Staatsnation zum Ziel, das

Land bis zu den Grenzen mit der eigenen ethnischen Gruppe homogen zu füllen, wozu

die Assimilation und die Privilegierung der eigenen Ethnie als Mittel in Frage kommen.

Mitte des 19. Jh. schuf Ferenc Deák den Begriff „der politischen Nation“. In

Grundzügen ist es nichts anderes als die Verkoppelung des mittelalterlichen Begriffs

von der „Adel-Nation“ mit dem der „Staatsnation“. Zur Hilfe stand ihm, dass in Ungarn

in den Kreisen der Nationalitäten (wie z.B. bei den Deutschen oder Slowaken) bereits

ein „Hungarus-Bewusstsein“ existent war. So betrachteten sie sich zwar nicht als Ungar,

aber als Bürger des ungarischen Staates.171 Solange die Einheit des Karpatenbeckens

gegeben war, hatte Deáks Konzeption eine Daseinsberechtigung und es hatte eine

Realität, sich auf „Staatsnation“ und „politische ungarische Nation“ zu berufen. Diese

Ideologie integrierte auch die aus dem zersplitterten deutschen Sprachgebiet

angeworbenen Siedler der vorigen Jahrhunderte, da sie selbst keine homogene ethnische

Gruppe gebildet haben, sondern hier in den Kolonistendörfern zu einer Gemeinschaft

gemeinsame Sprache und Kultur hat, und die von der gemeinsamen Herkunft oder von ihrem Mythos zusammengehalten wird. Meinecke, Friedrich: Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates. München (u.a.), S. 1-22. Zur Begriffsgeschichte siehe noch Ignác Romsics: Nemzet, Nemzetiség és Állam. Budapest, 1998.; Tilkoszky, Loránt: Német nemzetiség – magyar hazafiság. Pécs, 1997.; Tilkovszky, Loránt: Nemzetiség és magyarság. Budapest, 1994.; sowie Smith, Antony D.: National Identity. Reno, Las Vegas, London 1991., besonders S. 8-15.; Smith Antony D.: A nacionalizmus. In: Bretter, Zoltán / Deák, Ágnes (red.): Eszmék a politikában: a nacionalizmus. Pécs, 1995., S. 9-24.; Brunner, Georg: Nemzetiségi kérdés és kisebbségi konfliktusok Kelet-Európában. Budapest, 1995.; Connor, Walker: Terminological Chaos („A Nation Is a Nation, Is a State, Is an Ethnic Group…) In: Walker Connor: Ethnonationalism. The Quest for Understanding. Princton u.a. 1994., S. 89-117.171 Denken wir nur an Schädius, Windisch oder Mathias Bél, die mit Tat und Kraft stets der ungarischen Kultur dienten.

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zusammengewachsen sind. Der Begriff der „politischen ungarischen Nation“ bot ihnen

auch eine Identitätsmöglichkeit, wenn auch bemerkt werden muss, dass im Hintergrund

nicht unbedeutende Kräfte gegen Österreich, die Habsburger und ganz allgemein gegen

die Deutschen, darunter auch die ungarländischen Deutschen verstanden waren, tätig

waren. Das war der Grund der nicht seltenen Doppelidentität, die bei der deutschen

Intelligenz in Ungarn nachweisbar war und die sie gleichzeitig auch teilte. Der Aufstieg

aus den unteren gesellschaftlichen Schichten, mit der ebenso die Gefahr der völligen

Magyarisierung verbunden war, führte zwangsweise über den Weg der Doppelidentität.

Nur wenigen, die alle Höhen und Tiefen dieser Doppelidentität erlebt haben, ist es

gelungen gleichzeitig ungarische Patrioten zu sein und die deutsche Sprache,

Traditionen und Kultur zu bewahren. Mit dem Friedensvertrag von Trianon löste sich

die Konzeption von der „politischen ungarischen Nation“ auf, sodass für die veränderte

Lage eine neue Integrationsstruktur nötig war. Die „Staatsidee des St. Stephanreiches“,

auf deren Priorität die zeitgenössische ungarische Staatsideologie beruhte, wuchs zu

einer Ideologie heran, die das ganze Karpatenbecken integrieren konnte, und die in der

geschichtlichen Einheit des Karpatenbeckens dachte, wodurch die Revisionspolitik eine

Legitimation erfuhr und die Toleranz in der Nationalitätenpolitik ihre Begründung fand.

Im Mittelpunkt stand die tolerante und traditionell als vorbildlich betrachtete

Nationalitätenpolitik des ersten ungarischen Königs, die als bewusste politische

Botschaft der Zwischenkriegszeit die moralische Existenzberechtigung des einheitlichen

historischen ungarischen Staates untermauerte. Diesen ideologischen Konsens oder gar

die seine Grundlagen zementierende offizielle Geschichtsauffassung wollte niemand

angreifen, vor allem nicht durch eine Anfechtung der Doktrin von der toleranten

ungarischen Nationalitätenpolitik, denn das hätte nämlich die „Staatsidee des St.

Stefanreiches“, das heißt die Existenz der zweiten Doktrin von der auch

nichtungarischen ethnischen Völker in sich einschließenden „politischen ungarischen

Nation“ untergraben können. Dies wiederum hätte infolge der Radikalisierung der

einzigen zahlenmäßig ansehnlichen Minderheit Rumpfungarns, des Deutschtums, sowie

in Kenntnis der vor der Tür stehenden und von nationalistischen Parolen begleiteten

Volkszählung im Jahre 1941 die Gefahr einer politischen Lawine mit sich bringen

können, obschon in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre das Aufzwingen einer

übertriebenen ungarisch-patriotischen Haltung den nicht ungarischsprachigen

Bevölkerungsgruppen des Landes viel Spannung verursachte.

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In dieser veränderten ideologischen Konstellation und in dem grundlegend neuen

internationalen Beziehungsgefüge nach dem Ersten Weltkrieg war auch das

ungarländische Deutschtum gezwungen, seine Identität neu zu definieren. Dabei spielte

eine wichtige Rolle, dass Deutschland für die Aufrechterhaltung und Pflege des

Deutschtums in verlorenen östlichen Gebieten und auf dem Gebiet der Nachfolgestaaten

der Habsburgmonarchie eine historische Verantwortung tragen wollte, mit der

ideologischen Begründung, dass sie auch Teil der deutschen Volksgemeinschaft sind.

Dies brachte auch in Ungarn die Konfrontation zweier Auffassungen mit sich: (1)

Betrachtet man sich als Teil des deutschen Volkes, so entscheidet man sich für die

Volkgruppen-Ideologie (Basch), oder definiert man sich als deutschsprachiger Ungar

und betrachtet sich als (2) Minderheit des gegebenen Staates (Gratz). 172

Die Heimatbücher spiegeln auch mit wechselnder Intensität die oben geschilderte

ideologische Entwicklung wider, wobei sie die Betonung auf den Begriff Heimat legen,

deren Bild sich stets in der Konfrontation mit der Fremde formte.173

Besonders stark sind sie vom ideologischen Diskurs der Zwischenkriegszeit beeinflusst

worden. Demnach ist bei der Deutung des ideologischen Gehalts nicht das

Erscheinungsjahr des Heimatbuches orientierend, sondern die durch das Alter

determinierte, von dieser Epoche größtenteils geprägte Einstellung des jeweiligen

Autors. Eine weitere Tendenz schattiert noch das Bild: In den 1920er und 30er Jahren

ist Heimat stark politisiert worden, indem sie an Vaterland und Nation angebunden

wurde.174

Kontrovers dazu wurde nach dem verlorenen Krieg die Hinwendung zur ländlichen

Heimat noch verstärkt. Dies bedeutete eine Rückwendung von der Hektik und

172 Der Anführer der Volkgruppenpolitik in Ungarn war Franz Basch. Sein Name ist mit dem Radikalisierungsprozess der Deutschen in Ungarn in der Zwischenkriegszeit sowie mit dem Volksbund verbunden. Die emblematische Figur der Gegenpartei war Gustav Gratz, Vorsitzender des Ungarländischen Volksbildungsvereins. Zur politischen Tätigkeit und zum Diskurs zwischen Gratz und Basch sowie zur Geschichte der ungarländischen Deutschen in Zwischenkriegszeit siehe Tilkovszky, Loránt: Ez volt a Volksbund. A német népcsoport-politika és Magyarország 1938-1945. Budapest, 1978.; ders. Nemzetiségpolitika Magyarországon 1918/1919–1944/1945. Pécs, 1992.; ders. Tilkoszky, Loránt: Nemzetiség és magyarság. Budapest, 1994., insbesondere S. 15-73.; ders.: Német nemzetiség magyar hazafiság. Pécs, 1997.; Bellér, Béla:. Vom Volksbildungsverein zum Volksbund. Geschichte der Deutschen in Ungarn 1933-1938. Speyer, 2000.; ders. Kurze Geschichte der Deutschen in Ungarn. Budapest, 1981.; Spannenberger, Norbert: Der Volksbund der Deutschen in Ungarn 1938-1944 unter Horthy und Hitler. München, 2002.; Seide, Gernot: Die Deutschen in Ungarn zwischen den beiden Weltkriegen. In: Ungarn-Jahrbuch 6 (1974/75), S. 148-162.173 Siehe dazu näheres im Kapitel „Fremde Heimat – Heimat in der Fremde“ der vorliegenden Arbeit. 174 Vgl. Neumeyer 1992: 32.

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Komplexität der Gegenwart, hin zur Vergangenheit, die als beschaulich und

überschaubar empfunden wurde.175

Die Heimatbücher machen das Bild von der Heimat und Nation noch komplizierter,

wenn sie neben Vaterland noch den Begriff Mutterland176 einführen. Die Verwendung

der beiden Begriffe weist auf eine ungarndeutsche Identität hin, denn in diesem Fall

wird unter Vaterland Ungarn – wobei die kleinräumige Heimat, das Dorf mit Ungarn

gleichgesetzt und dadurch überdimensioniert wird – und unter Mutterland Deutschland

verstanden, womit eigentlich aber nur die Herkunft der Muttersprache gemeint ist. Man

betrachtet sich also als deutschsprachiger Ungar, als Mitglied einer Minderheit. In den

Heimatbüchern werden alle Eckpfeiler und ideologischen Vorstufen und Teilmengen

dieser Identität zur Schau gestellt, um die Treue zu Ungarn zu demonstrieren:

- St. Stefanreich

- Hungarus-Bewusstsein„Deutsch war ihre Muttersprache, aber der ungarischen Nation fühlten sich angehörig. Hätte man sie nach ihrem Heimatland gefragt, so hätten sie sich sicher alle für Ungarn entschieden.“177

Die Überdimensionierung von Heimat bzw. des Dorfes178 der faktisch existierenden

Räumlichkeit bedeutete im Wesentlichen ein größeres, emotionales Erleben der

Umwelt. Heimat wurde zu etwas Höherem, Immateriellen, Jenseitigen und damit dem

Alltag und den realen Problemen entzogen. Was im Heimatbuch zu Budakeszi (1986)

mit einfachen Worten doch mit tiefer Liebe zur Heimat formuliert wird,179 drückt

Vorländer so aus: „Heimat als Gefühls- und Gemütswert, als Hort der Geborgenheit und Innerlichkeit und als Refugium der Überschaubarkeit, Gegenwert angesichts einer überall sich vollziehenden Umwertung in einer immer komplizierter und fremder werdenden Gesellschaft – das ist eine zutiefst a-politische Größe. Gerade das aber macht sie politisierbar, besser gesagt: politisch manipulierbar. Denn inbezug auf politische Überzeugungen und Urteilsfähigkeit bietet sie ein völliges Vakuum, allen Parolen kritiklos ausgeliefert, die an diese Bedürfnisse anknüpfen.“180

Die politische Belastung und die Verknüpfungstendenzen von Heimat und Nation

führten zu einer widerspruchsvollen aber paradoxerweise doch konvergierenden

ideologischen Entwicklung und öffneten hinsichtlich der ungarländischen Deutschen, 175 Vgl. Bredow, Wilfried von: Heimat-Kunde: Renaissance des Heimatbegriffs. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 28 (1978) B 32, S. 19-30., hier S. 24.; sowie Linse, Ulrich: Metropolis als Heimat. Wider die Großstadtfeindlichkeit grüner „Heimatschützer“. In: Bauwelt 77 (1986), S. 1857-1865., hier S. 1859.176 Siehe z. B. Nagykovácsi 1962: 61.177 Piliscsaba 1988: 298.178 Heimat wurde als zentraler Begriff menschlichen Daseins verstanden. Siehe dazu Spranger 1923:1. Vgl. Greverus 1979: 62-63ff.179 Vgl. Budakeszi: 1986:299.180 Vorländer, Herwart: Heimat und Heimaterziehung im Nationalsozialismus. In: Knoch, Peter/Leeb, Thomas (Hrsg.): Heimat oder Region? Grundzüge einer Didaktik der Regionalgeschichte. Frankfurt a. M., 1984., S. 30-41., hier S. 31.

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die dadurch zur Neubestimmung oder mindestens zum Überdenken der eigenen

Identität gezwungen worden sind, weitere Dimensionen. Neben der oben geschilderten

ungarndeutschen Identität erschien die Alternative der Zugehörigkeit zur deutschen

Volksgruppe, zur deutschen Volksgemeinschaft. Die Entscheidung für die

Volksgruppen-Ideologie bedeutete einen radikalen Kurswechsel und die Hinwendung

zum Deutschen Reich.181 Dafür finden wir auch Beispiele in den Heimatbüchern. Die

Heimatbücher, unter deren Autoren auch Volksbundmitglieder oder sogar leitende

Funktionäre waren, die von der Volksgruppen-Ideologie stärker beeinflusst worden

sind, setzen sich zur Wehr, um das damalige Verhalten zu legitimieren und stellen

eindeutig Ungarn und die ungarischen revisionistischen Bestrebungen als Ursache aller

Probleme hin, als wäre darauf der Radikalisierungsprozess der Deutschen in Ungarn nur

eine Antwort, die provoziert wurde. Im Heimatbuch von Zsámbék (1988) können wir

die folgenden Zeilen lesen – achten wir nur auf den Wortgebrauch wie Volkstum,

Volksbewusstsein, Volksgruppe, Brüder und Schwester in den Nachfolgestaaten.

„[...] Auch daraus ist zu ersehen, wie schwer es gemacht wurde, sich offen zu seinem Volkstum zu bekennen.“182

„Im Gegensatz zu ihren Brüdern und Schwestern in den Nachfolgestaaten […] war es den Ungarndeutschen verwehrt, ihre Muttersprache und Kultur in notwendigem Maße zu fördern, ja überhaupt Volksbewusstsein zum Ausdruck zu bringen. Im Vergleich mit den benachbarten deutschen Volksgruppen erschien das in Ungarn geduldete Eigenleben der Deutschen derart verkümmert, daß sie vielfach nicht als eigenständige Nationalität gewertet wurden.“183

„Es war nicht leicht, täglich im Kampfe um die Erhaltung unserer deutschen Muttersprache, unseres deutschen Volkstums zu stehen […] Unser Deutschsein und Deutschbleibenwollen hat uns die Heimat gekostet.“184

In diesem veränderten gesellschaftlichen Kontext wurde von den traditionellen

Heimatvorstellungen die kleinräumige Komponente strikt abgelehnt, denn eine derartige

181 Die Staaten in Südosteuropa wählten meistens Deutschland zu ihrem Ansprechpartner, in dem sie vor allem eine politische Kraft sahen, die auf die Geschehnisse des Südostraumes traditionell prägend einwirkte und die als Verlierer der politischen Umgestaltung nach dem Ersten Weltkrieg im Zeichen einer neu interpretierten (das Beziehungsgefüge zwischen Kultur, Wissenschaft und Politik verfestigenden) „auswärtige Kulturpolitik“ danach strebte, ein neu entstandenes Machtvakuum im östlichen und südöstlichen Europa auszufüllen. Deutschland suchte hier Frankreichs Vorwärtsschreiten zu bremsen und plante gleichzeitig eine eigene Expansion, zunächst mit kulturpolitischen Mitteln. So wurde die neu interpretierte Kulturpolitik von den 1920 Jahren an nicht mehr nur als innerer Angelegenheit gehandhabt, sondern nunmehr auch mit außenpolitischen Zielen ausgestattet. Der jeweiligen Berliner Regierung war es klar, dass sie für die Aufrechterhaltung und Pflege des Deutschtums in den verlorenen östlichen Gebieten und auf dem Gebiet der Nachfolgestaaten der Habsburgmonarchie eine historische Verantwortung zu tragen habe. Dieser „Kulturmission“ gerecht zu werden, und damit auch den ursprünglichen politischen Interessen Deutschlands zu dienen, entstanden sowohl in Deutschland als auch in den deutschen Siedlungsgebieten völkische Organisationen. Siehe dazu näheres Orosz, László: Die Verbindungen der deutschen Südostforschung zur ungarischen Wissenschaft zwischen 1935-1944. In: Fata, M. (Hrsg.): Das Ungarnbild der deutschen Historiographie. Stuttgart, 2004: 126-167.182 Zsámbék 1988: 160.183 Zsámbék 1988: 161.184 Bácsalmás 1965: 213 und 214.

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Heimat widersprach mit ihrem dezentralen Anspruch der „vereinheitlichenden

Gleichschaltung“.185 Gegen Heimat war in der Volksgruppen-Ideologie solange nichts

einzuwenden, bis die Identifikation mit dem Gesamtvolk nicht beeinflusst wurde oder

gar die erwünschte Gleichsetzung von Heimat und Vaterland Deutschland erfolgte. Die

Diskrepanz zwischen Kleinräumigkeit und nationalen Ansprüchen beim Gebrauch von

Heimat wurde ausgeglichen durch die Inanspruchnahme des „Völkischen“.186 Es diente

als Verbindungsglied zwischen regionalen Besonderheiten und den Interessen des

Nationalstaates: „Lokale Eigenarten, mit der Heimat-Nostalgie verbundene geheime

Sehnsüchte und Gefühlswerte können im ideologischen Bild des agrarischen,

harmonisch zusammenlebenden [...] Volkes aufgehoben (wenn auch nicht erfüllt)

werden.“187 Die Vorstellung von sich organisch zur Nation verbindenden deutschen

Stämmen wurde gefördert, denn dies hob die „Gegensätzlichkeit zwischen zentrifugalen

und zentralen Tendenzen“ auf.188

Der Gefühlswert der kleinräumigen Heimat wurde politisch für eine andere

Ebene ausgenutzt.189 Der Bezug von Heimat auf das Vaterland Deutschland erwies sich

in bestimmten Kreisen der Deutschen in den Nachfolgestaaten der Habsburgmonarchie

auch als erfolgreiches Hilfsmittel zur Schaffung eines Zusammengehörigkeitsgefühles,

das auch als ein Ersatzbegriff für ein nationales Bewusstsein, der verspäteten Nation

Deutschland fungieren konnte, herbeigesehnt insbesondere seit Beginn des 19. Jhs. und

gerade auch wieder in der Zeit nach dem verlorenen Krieg und der Zerrissenheit der

Weimarer Republik.190 Von den nationalsozialistischen Machthabern wurde aber die

nationale Variante von Heimat betont, und die damalige Heimatliteratur präsentierte in

den seltensten Fällen wirklich regionale Besonderheiten, sondern pflegte statt dessen

185 Vgl. und siehe Weiteres bei Bausinger 1984: 21.186 Vgl. Neumeyer 1992: 37. Bausinger, Hermann: Zwischen Grün und Braun. Volkstumsideologie und

Heimatpflege nach dem ersten Weltkrieg. In: Cancik, Hubert (Hrsg.): Religions- und Geistesgeschichte

der Weimarer Republik. Düsseldorf, 1981., S. 215-229., hier S. 217., sieht auch den unaufhaltsamen

Prozess der Ausweitung des Begriffs Heimat: „Aber wo von Heimat die Rede war, in allen Regionen,

überall ging es um die gleichen Prinzipien und Ausdrucksformen, so daß sich die engere und nähere

Orientierung bruchlos weitet zum Interesse an der deutschen Heimat, am deutschen Volk.“187 Kramer, Dieter: Die politische und ökonomische Funktionalisierung von „Heimat“ im deutschen

Imperialismus und Faschismus. In: Diskurs 3 (1973), S. 3-22., hier S. 19ff.188 Bausinger 1980: 16.189 Neumeyer 1992: 38.190 Vgl. Moosmann 1980: 47

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das Bild eines abstrakten, mit heroisierenden Klischees angefüllten Einheitstyp der

ländlichen Heimat.191

191 Vgl. Neumeyer 1992: 38 hält zusammenfassend fest, dass der Heimatbegriff einer „staatspolitisch-

weltanschaulischen Vereinnahmung und Pervertierung durch den Nationalsozialismus“ unterzogen

wurde. Er wurde verformt, politisch ausgenutzt und insbesondere durch das Übertragen auf die größere

Einheit Vaterland verfälscht. Vgl. Vorländer 1984: 30.

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3.1.3

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Fremde Heimat – Heimat in der Fremde

Die ungarndeutschen Heimatbücher, die im Deutschland der Nachkriegszeit entstehen

und publiziert werden, beschäftigen sich inhaltlich mit dem verlassenen Heimatdorf in

Ungarn. So sind sie in ihren Darstellungen im Wesentlichen retrospektiv und wie andere

Werke der Vertreibungs- und Erinnerungsliteratur zeigen sie die Erfahrung der Fremde

als Grunderfahrung des Exils192.

Die Heimatbücher legen den Akzent auf Absicherung der ethnischen Gruppe nach

außen, indem sie kulturelle, religiöse, soziale und ethnische Unterschiede zwischen der

alten und neuen Heimat in jeder historischen Phase synchron auftreten lassen. Solche

Abgrenzungen dienen der Identitätsbestimmung und -suche, die infolge der immer neu

auftretenden Spannung von Heimat und Fremde notwendig werden. Es soll untersucht

werden, wieweit sich die Differenzierungsprozesse zwischen dem ‚Eigenen’ und dem

‚Anderen’ die Distanzierungsprozesse zwischen dem ‚Vertrauten’ und dem ‚Fremden’

im Falle der Heimatbücher einander ergänzen und bedingen.

Die thematisch-strukturellen Bestimmungsmerkmale der Heimatbücher sind in

diachroner Dimension die Differenzierungsprozesse, die auf Fremderfahrung basieren

und als Reflexionen auf Fremderleben zu deuten sind. Die Bestimmung des Eigenen

geschieht im Verlauf der Identitätsentwicklung nie ohne das Fremde, zu dem die

Heimatbücher das Vertraute in Distanz treten lassen.193 Fremdheit offenbart sich in allen

Heimatbüchern als eine Erfahrung. Die Betonung liegt auf Erfahrung und Erleben, denn

die Fremdheit kann erst dadurch in Erscheinung treten. Fremdheit ist daher keine

Eigenschaft von Dingen oder Personen, sondern ein Beziehungsmodus, eine Art

Begegnung.194 Fremderleben löst sich dabei auf in ein relativistisches Oszillieren

zwischen Innen (das Vertraute) und Außen (das Fremde), das in die Erfahrung von

Bodenlosigkeit, im Falle der Heimatbücher in die Erfahrung der Heimatlosigkeit

umschlagen kann.195

192 Unter Exil möchten wir jede Art von Heimatverlust verstehen unabhängig davon, ob es um freiwillige Auswanderung bzw. Flucht geht oder um Zwangsmigration bzw. Vertreibung. Worin sich Unterschiede zeigen können, ist die positive oder die negative Besetzung der Retrospektive. Siehe dazu Faehndrich 2003: 196.193 Vgl. Schäffter, Ortfried: Modi des Fremderlebens. Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit. In: Schäffter, Ortfried (Hrsg.): Das Fremde: Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Opladen, 1991., S. 11-42., hier S. 16.194 Vgl. Schäffter1991: 12.195 Vgl. Schäffter 1991: 13.

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Die Heimatbücher stellen das Kolonisten-Dasein als erste Begegnung mit der Fremde

dar. Die fremde Umgebung erfüllt die Funktion eines signifikanten Kontrastes, der als

Gegenbild gerade die Identität des Eigenen verstärken soll.

„Hier [in Ungarn] trafen sich die kultivierten deutschländischen Siedler mit den in Hütten und Gruben hausenden othodoxen Serben [...]dann können wir uns einen Begriff davon machen, was das für den aus dem bisherigen Rahmen, also aus seinem gewohnten religiösen Rahmen herausgerissenen Siedler in kirchlicher und religiöser Hinsicht bedeutete.“196

Wie das Zitat aus dem Bácsalmáser Heimatbuch (1965) auch zeigt, geht es dabei um

einen Kulturkonflikt, hinter dessen Kulisse eine Art Okzident-Orient-Problematik in

Form der Religion aufscheint. Das Andere gilt als Gegenbild, das zur Schaffung der

eigenen Identität benötigt wird. Es steht aber im Falle der Kolonisten pars pro toto für

das Fremde, denn es ging um den Wechsel des vertrauten sprachlichen, familiären,

baulichen, klimatischen, landschaftlichen, historischen, politischen Umfeldes. Andere

Sprache, anderes Benehmen, andere Sitten und Bräuche, Werte und Interessen wie auch

andere Erfahrungen waren den Ankömmlingen eigen, gehörten zu ihrem sozialen

Raum.197 In der Fremde versuchten sie, ihre heimatlichen Angewohnheiten, ihre

Lebensweise und sogar die Sprache weiterhin zu pflegen. Die günstigen politischen und

wirtschaftlichen Bedingungen haben die Wiederherstellung des eigenen sozialen

Raumes im Kleinformat, d.h. in Form der Dorfgemeinschaft, ermöglichtund dadurch

zur Überwindung der Fremderfahrung beigetragen.198 All dies schien aber durch

Überfremdung gefährdet zu sein. Die Heimatbücher zeigen als Reflexion auf dieses

Fremderleben bzw. die Gefährdung durch das Fremde die Fokussierung auf das Eigene.

Dabei entsteht eine Asymmetrie der Innen-Außen-Relation, denn diese Fokussierung

führt zur Überbetonung des Inneren und des Eigenen, das sich in seinem ‚Wesen’ zu

vervollkommnen sucht und zu einem möglichst perfekten Selbstausdruck gelangen

möchte. Die für die Ordnungsstruktur der Einheit und Integrität charakteristische

Metaphorik von Reinheit, Unvermischtheit, innerer Stärke und Gesundheit und

natürlich der zum Topos gewordene deutsche Fleiß lassen sich in fast allen

Heimatbüchern entdecken.199

196 Bácsalmás 1965: 24.197 Vgl. Ratecka, Barbara: Fremd in Lodz? Reflektierte Geschichte deutscher Einwanderer. In: Jablowska, Joanna/Liebfried, Erwin (Hrsg.): Fremde und Fremdes in der Literatur. Frankfurt a. M. (u.a.), 1996., S. 269-283., hier S. 270.198 Vgl. Ratecka 1996: 274.199 Vgl. Schäffter 1991: 19.

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„Infolge ihrer friedlichen und klugen Lebensweise waren sie [die Deutschen] gute Staatsbürger. Bezeichnend für sie ist, daß sie sparsame, besonnene, fleißige Menschen mit gediegener Familientradition sind. Die wohlhabenden, saubergehaltenen Häuser und geordneten Straßen geben ihren Dörfern ein kleinstädtisches Niveau, das schon von weitem zu erkennen ist. Wie die Deutschen allgemein, sind sie gut gelaunt, zu Späßen aufgelegt, familienliebend. Sie sind stolz auf ihr Deutschtum; sie geben viel auf Anstand, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Gradlinigkeit. Es ist ein Volk mit relativ großer Kultur und Lernbereitschaft. Es verfügt über ausgezeichnete Schulen, gut organisierte Vereine. Die Deutschen sind in Vielem bewandert, sind Meister in der Innovation und wohlanständig.“200

Die Betonung der geistigen und wirtschaftlichen Überlegenheit der deutschen Siedler,

die eine kulturelle Ausstrahlung auf die umliegenden Völkerschaften hatten, und denen

nicht nur eine selbstzweckliche Bedeutung zukam, sondern auch eine Aufbausendung

zum Wohle der umliegenden Völkerschaften, weckt Erinnerungen an die

„Kulturgefälle-Theorie“201 der Zwischenkriegszeit. In solchen Fällen dürfen wir daran

denken, dass die ideologischen Einflüsse entweder durch den Autor selbst oder durch

die benutzten Quellen einen Eingang in das Heimatbuch gefunden haben.

Die Überbetonung der eigenen Werte hatte aber eine gemeinschaftsstiftende Kraft und

konnte durch die Klischees und Topoi eine gemeinsame Plattform für alle Einwanderer

und Siedler deutscher Herkunft schaffen. Das hatte im Prozess der Identitätsbildung

eine enorme Bedeutung, denn die Kolonistendörfer wurden erst infolge verschiedener

Ausgleichprozesse zu einer Dorfgemeinschaft,202 zu deren Herausbildung auch

identitätsstiftende, klare und nicht selten übertriebene Abgrenzungsschemata nötig

waren.

Durch das Hineinwachsen konnte aber die Fremde zur Heimat werden, wovon

auch das Heimatbuch von Nagykovácsi (1962) ein Zeugnis ablegt:

„Die Großkowatscher sind keine Fremdlinge mitten im Lande der Ungarn, am Rande der ungarischen Hauptstadt geblieben. Sie waren mit dem ungarischen Staatsvolk während der zwei Jahrhunderte innig verbunden und nahmen an der Geschichte des Landes, das zu ihrem Vaterland geworden war, regen Anteil. Mit ihrer Arbeit, Wirtschaft und Steuerkraft (die Deutschen in Ungarn waren die besten und pünktlichsten Steuerzahler) hatten sie am Neuaufbau, am wirtschaftlichen Aufstieg und an der Verteidigung Ungarns tatkräftig teilgenommen.“203

200 Bikács 1986: 139.201 Zur „Kulturgefälle-Theorie” siehe Tokody, Gyula: Az első világháború utáni forradalmi változások hatása a nagynémet történetírásra. In: Századok 103 (1969), S. 990-1020.; Tokody, Gyula: Edmund és Harold Steinacker a német Südostforschungban. In: Századok 131 (1997), S. 677-722. Zur zeitgenössischen Rezeption der „Kulturgefällen-Theorie“ siehe die Rezensionen zu Fritz Valjavec’ viel diskutierter Arbeit über den deutschen Kultureinfluss Kósa, János: Fritz Valjavec: Der deutsche Kultureinfluß im nahen Südosten. Unter besonderer Berücksichtigung Ungarns. München, 1940. In: Egyetemes Philologiai Közlöny/Archivum Philologicum 65 (1941), S. 214-229.; Csapodi, Csaba: Fritz Valjavec: Der deutsche Kultureinfluß im nahen Südosten. Unter besonderer Berücksichtigung Ungarns. München, 1940. In: Századok 76 (1942) S. 463-472.202 Zur Mischung, Ausgleich und Überdachung in den deutschen Sprachinseln siehe z.B. Hutterer, Claus Jürgen: Aufsätze zur deutschen Dialektologie. [Ungarndeutsche Studien; 6] Budapest, 1991.203 Nagykovácsi 1962: 48.

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Die Darstellung der Eingliederungsphase erfolgt in den Heimatbüchern weiterhin aus

der Perspektive des Röhrenblicks und mit der Überbetonung bestimmter Werte und

Eigenschaften, die das Eigene vom Anderen unterscheiden sollten. Die Heimatbücher

fokussieren das Eigene, das letztendlich durch den speziellen Blickwinkel und das

Inseldasein der ungarndeutschen Kolonistensiedlungen zum Lokalen, bzw.

Provinziellen schrumpft. Der soziokulturelle Raum reduziert sich auf das Dorf, dessen

ortsspezifische Besonderheiten zwecks Identitätsstärkung ständig in der Reflexion auf

die fremde Umgebung präsentiert werden.

Die Bezogenheit auf einen Identitätsraum, ist ein menschliches Grundbedürfnis,

vielleicht sogar‚ das wichtigste und meistverkannte, formuliert Norbert Mecklenburg. 204

Heimat wird in den Heimatbüchern intensiv nostalgisch besetzt, was zum Verständnis

von Heimat als Herkunft- und damit meistens Kindheitswelt führt. Mecklenburg meint

dazu:„Wie die Herkunftswelt lebensgeschichtlich für die Kontingenzerfahrung ein besonderes Gewicht hat, weil sie unabänderbar ist, so läßt eine distanzierte Horizontausweitung des Erwachsenenlebens sie leicht in einem sehr allgemeinen Sinn als ‚Provinz’, als begrenzt-geschlossenen Raum erscheinen, so dass in vielen literarischen Darstellungen der Kindheitswelt das Konzept des Idyllischen individualisiert und subjektiviert wiederkehrt.“205

Das Dorf fungiert im Falle der Heimatbücher als Imaginationsraum. Es wird dabei zur

Erinnerungslandschaft, die eine archaische, einfache Welt entstehen lässt. Diese Welt

richtet sich gegen das Moderne was auch im Heimatbuch von Piliscsaba (1988) deutlich

wird: „Als Bollwerk gegen das zu Moderne, gegen das, was sich nicht gehört, – wirkte

die Familie. Durch sie konnten religiöse Werte, Sitten und Brauchtum fortbestehen.“206

Ferner ist sie vielfach konservativ, ja sogar statisch, genauso wie das Heimatbild, wenn

es heißt „Wo man geboren wurde, das ist und bleibt die Heimat, so lange man lebt.“207

Man gibt sich dieser Illusion hin, obwohl einem klar ist, dass diese Heimat schon von

der Geschichte überrollt wurde und der Ort der Geburt ihre Heimatfähigkeit schon

längst verloren hat.

In der nostalgischen Perspektive erweckt Heimat die Illusion, „hier sei die Welt nicht

fremd“. So wird in den Heimatbüchern individuelle Nostalgie mit sozialgeschichtlicher

204 Vgl. Mecklenburg, Norbert: Erzählte Provinz. Regionalismus und Moderne im Roman. Königstein im Taunus, 1982., S. 8 sowie 17. Mecklenburg beruft sich auf Weil, Simone. Siehe dazu Weil, Simone: Die Einwurzelung. Einführung in die Pflichten dem menschlichen Wesen gegenüber. München, 1956.205 Mecklenburg 1982: 17.206 Piliscsaba 1988: 70.207 Bácsalmás 1965: 301

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kurzgeschlossen, die Sehnsucht nach der „heilen Welt“ der Kindheit mit derjenigen

nach der „guten alten Zeit“. Im idyllischen Moment sind weitere wesentliche

Grundmotive der Heimatbücher herauszuheben: einfache, überschaubare Verhältnisse,

sinnliche Unmittelbarkeit und Reduktion von Komplexität.

Die Mikrokultur der nach Deutschland Ausgewanderten und Vertriebenen hat

eine räumlich eng begrenzte Form von Literatur [sprich das Heimatbuch] mit regional

begrenzter Rezeption und Geltung ins Leben gerufen. In den Heimatbüchern sind die

Reflexionen über die Vergangenheit und Gegenwart Produkte der Erinnerungsarbeit,

einzeln oder kollektiv geleistet. Auswahl und Selektion werden im Verlauf der

Erinnerung immer von der ethnischen Zugehörigkeit her bestimmt. Je mehr Bedeutung

aber einer Abgrenzung ethnischer Natur zugemessen wird, desto mehr wird die

Selbstinterpretation sich an dieser Grenzlinie orientieren. Diese Abgrenzung kann so

übersteigert werden, dass sie zur völligen Ausblendung, ja zur Nichtwahrnehmung der

jenseits dieser Grenzlinie befindlichen fremdethnischen Gruppe(n) führt.208 Die

Darstellung des Zusammenlebens der verschiedenen Nationalitäten wird auf das

Geringste reduziert, wobei höchstens die freundschaftlichen und verwandtschaftlichen

Beziehungen und Verbindungen zur Bevölkerung der anderen Gemeinden zu Wort

kommen, auf die Schilderung der eventuellen interkulturellen Austauschprozesse wird

aber völlig verzichtet.209

Bailey entwickelte den Begriff der ‚Einkapselung’ „um die Eingliederung lokaler

Gemeinschaften in die komplexe Gesellschaft zu bezeichnen, ohne dass es der

Zentralmacht gelingt, deren traditionelles politisches Gefüge zu verändern. Die so

verstandene Einkapselung setzt den von außen kommenden Einflüssen Grenzen,

organisiert einen Binnenraum, in dem die eigenen Lebensstile und Werte weiter

realisiert werden können, schützt vor Irritationen des eigenen sozialen Raumes in

Kleinformat.“210 Zur dieser Erkenntnis kommen auch die Heimatbücher:

208 Vgl. Seewann, Gerhard: Siebenbürger Sachse, Ungarndeutscher, Donauschwabe? Überlegungen zur Identitätsproblematik des Deutschtums in Südosteuropa. In: Dipper, Christof/Hiestand, Rudolf (Hrsg.): Siedleridentität. Neun Fallstudien von der Antike bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M. (u.a.), 1995., S. 181-195., hier S. 181.209 Vaskút 1971: 28. Zu interethnischen Austauschprozessen siehe Erb, Maria: Akkulturációs folyamatok és interetnikus kapcsolatok a magyarországi németeknél 1945-ig a magyar jövevényszók tükrében. In: Kisebbségkutatás 11 (2002), Nr. 3., S. 693-700. ; sowie Erb, Maria: Ungarische Lehnwörter in den neueren deutschen Sprachinseln Ungarns bis 1945. Strukturlinguistische und soziopragmatische Untersuchungen. [Budapester Beiträge zur Germanistik; 46] Budapest, 2004.210 Zitiert nach Ratecka 1996: 275.

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„Es [das Dorf Majos] war eine deutsche Insel in der Schwäbischen Türkei, die über eine lange Zeit hindurch ihre alten Bräuche und Sitten bewahren konnte. Man kann sagen, das konservative und bäuerliche Element trug viel dazu bei, daß das alt hergebrachte Gut über Jahrhunderte hinweg hoch gehalten werden konnte. Nicht umsonst hörte ich von den Großeltern oft den Satz: ‚Das war mein Lebtag schon so.’ Diese Lebensweisheit half unseren Ahnen in der Ansiedlerzeit über viele Beschwernisse hinweg, wie z.B. in der Behinderung der Glaubensfreiheit und später wegen ihres Volkstums, wobei staatliche Organe sich nicht immer wohlwollend verhielten.“211

Der nächste, und zugleich wichtigste Bezugszeitraum aller Heimatbücher ist die Zeit

der Vertreibung, in der die Ungarndeutschen Fremde im eigenen Land geworden sind.

Es bedeutete das Ende der „alten Zeit“, den Zusammenbruch der harmonischen,

idyllischen Welt. Um so dramatischer gelingt die Darstellung der Erschütterung, je

markanter die Überreduktion von Komplexität und je stärker die Asymmetrie der Innen-

Außen-Relation war.

„Für alle Folgen des sinnlosen Krieges wurden Ungarndeutsche (‚Schwaben’)

verantwortlich gemacht“,212 obwohl sie die treusten, fleißigsten Bürger Ungarns waren,

– heißt es zum Beispiel im Heimatbuch von Perbál (1988). Im Heimatbuch von Vaskút

(1983) wird formuliert: „Im Grunde genommen wurden daher beide, die Juden wie die

Deutschen, nur deshalb preisgegeben und abgeschoben, weil sie Angehörige fremder

Rassen waren.“213 Wie sich die Selbstinterpretation früher im Prozess der Abgrenzung

an der ethnischen Grenze orientierte, heißt es jetzt logisch fortgesetzt: Wegen ihrer

ethnischen Eigenart sind die Ungarndeutschen zu Opfern der kollektiven Bestrafung

geworden.

Die Vertreibung verursachte eine Erschütterung des Selbstbildes und die erneute

Auseinandersetzung mit der eigenen Identität führte zu einer neuen Grenzziehung

zwischen Eigenem und Fremdem.

Das Heimatbuch von Perbál (1988) beklagt sich: „Viele Fremde zogen damals durch

die Straßen und begutachteten die freiwerdenden Höfe und Häuser, um sich im Ort

anzusiedeln. Habgierig genossen einzelne ihre Macht. Wir waren plötzlich die

Rechtlosen und Verurteilten in unserer angestammten Heimat.“214

211 Majos 1997: 325.212 Perbál 1988: 190.213 Vaskút 1983: 320.214 Perbál: 1988: 190.

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Dabei öffnen sich in der Heimatbuchliteratur weitere Dimensionen: Der Raum, das Dorf

sind als Indizes für geschichts-, sozial- und kulturräumliche Konfigurationen

aufzufassen.215 Denn die veränderten Ortsbindungen und der Ortswechsel, die

lebensgeschichtliche Ortsbezogenheit im Spiegel des Zusammenbruchs und die

Neukonstruktion von Raumkonzepte und Heimatideologie rufen Reflexionen hervor,

wobei Raum und Zeit als Indizes fungieren.216

Als feindliche Fremde wurden nicht nur das Internierungslager in der Heimat, sondern

vielfach auch Deutschland, das Zielland der Flucht und Zwangsverschickung, gesehen.

Zwar hatte eine systematische Minderheitenpolitik seit dem Ersten Weltkrieg, vor allem

im Südosten, den Urheimatgedanken bei den Deutschen zu verbreiten gesucht, der

durch die nationalsozialistische „Heim-ins-Reich“-Politik verstärkt wurde, aber er

scheint bei der einfachen Bevölkerung weder ein politisches ‚Deutschtums-

Bewusstsein’ entfacht zu haben, noch konnte er nach der Übersiedlung nach

Deutschland die Akkulturation und Eingliederung erleichtern. Im Heimatbuch von

Piliscsaba heißt es dazu:

„Die Ungarn hatten uns ‚Schwaben’ genannt und nun machten wir unsere ersten Begegnungen mit dem Schwabenland und dessen Bewohner[n]. Mit diesen einheimischen Schwaben schienen wir nichts gemeinsam zu haben und man ließ es uns spüren. [...] Zu diesen Problemen kamen noch die religiösen und sprachlichen Barrieren hinzu. [...] Auch sprachlich lebten wir in verschiedenen Welten. [...] Der erste Winter in der Fremde wird uns allen in Erinnerung bleiben – er war lang und bitter kalt.“217

Aus Ungarn sind sie ausgewiesen worden, weil sie Deutsche waren, in Deutschland sind

sie Bürger zweiten Ranges geworden, sind als Ungarn bezeichnet und schlichtweg als

Fremde betrachtet worden. Über Verlust und Fremderleben schreibt das Heimatbuch

von Torbágy (1984) Folgendes:

„Ihr restliches Hab und Gut hatten ihnen die Ungarn weggenommen, und nun verloren sie noch als ihren bedeutenden moralischen Halt ihre alte Dorfgemeinschaft. Von Heimweh geplagt, unverstanden in der völlig fremden Umgebung, heimatlos, ohne die gewohnte Geborgenheit, sehnten sich die Menschen nach einem Wiedersehen mit den Landsleuten aus der alten Heimat.“218

215 Vgl. Mecklenburg, Norbert: Literaturräume. Thesen zur regionalen Dimension deutscher Literaturgeschichte. In: Wierlacher, Alois (Hrsg.): Das Fremde und das Eigene. Prolegomena zu einer interkulturellen Germanistik. München, 1985., S. 197-211., hier S. 199.216 Vgl. Mecklenburg 1985: 200-201. Siehe dazu Kapitel 3.2.1.1 und 3.2.1.2 der vorliegenden Arbeit.217 Piliscsaba: 1988: 307.218 Torbágy 1984: 182.

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Das Heimatbuch von Piliscsaba (1988) fast in einem Satz das Wesentliche des

Fremderlebens zusammen: „[W]ir lernten früh, was uns von den Einheimischen, den

‚Deitschn’ unterschied.“219

Diese Fremderfahrung führte überhaupt zur Entstehung der Heimatbücher, in denen der

Mensch in seinen Grundbestimmungen als ein Wanderer zwischen Heimat und der

Fremde dargestellt wird,220 der im Spiegel seiner Familiengeschichte dieses Schicksal

erkennt, wenn er ruft: „Es schien tatsächlich so, als sollte sich auf tragische Weise jenes

Schicksal unserer Kolonistenahnen an uns wiederholen.“221

Der gewaltsame Abbruch der tatsächlichen räumlichen Bindung an das Heimatdorf

verstärkte nur den raumbezogenen Charakter dieser Art Vertreibungs- bzw.

Erinnerungsliteratur und führte zur Verabsolutierung der Eigengruppe auf Kosten der

Fremdgruppe(n). So liefern die Heimatbücher ein Extrembeispiel des bei jeder

Identitätsbildung wirksamen Selektionsmechanismus, der aus der diachronen und

synchronen Dimension der individuellen und der Gruppenerfahrung all die Merkmale

heraussortiert, mit denen sich der einzelne in Übereinstimmung mit seiner Gruppe zu

identifizieren wünscht bzw. infolge Fremdinterpretation zu identifizieren gezwungen

wird.

Obwohl die idyllisierte Darstellung der Heimat bereits eine Entfremdung von ihr

voraussetzt, wird Heimat zum Kompensationsraum, erlaubt die Flucht aus der

Wirklichkeit. Die Erinnerung half den Vertriebenen, eine Art inneren Halt zu finden,

um sich in der Fremde zu behaupten und diese Fremde als neue Heimat zu akzeptieren.

Die Bindung an den verlassenen Raum wurde dabei affektiv überladen und mit

Verlusterfahrungen aller Art assoziativ verbunden. „Und schließlich bedeutet es auch

die Entfernung des Erwachsenen von der Kindheit; insofern ist Heimat stets eine

verlorene Provinz des Menschen, Signum eines Mangels, keines behebbaren, sondern

eines prinzipiellen.“222

Die Sehnsucht nach Heimat, Zufriedenheit und Identität verbinden die Heimatbücher

mit dem Dorf, als seien die oben erwähnten Begriffe räumlich determiniert. Hier

219 Piliscsaba 1988: 10.220 Pott 1986: 11.221 Pusztavám 1978a: 217.222 Pott, Hans-Georg: Der ‚neue Heimatroman’? Zum Konzept ‚Heimat’ in der neueren Literatur. In: Pott, Hans-Georg: Literatur und Provinz. Das Konzept ‚Heimat’ in der neueren Literatur. Paderborn (u.a.), 1986., S. 7-22., hier S. 16.

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kommen dem Leser Blochs vielzitierte Gedanken über Heimat in den Sinn: Heimat sei,

was allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war.223

Jahrzehnte nach der Vertreibung, geographisch weit entfernt von der ehemaligen

Heimat erscheinen immer noch die Heimatbücher mit der Intention, das Eigene zu

tradieren. Die Heimatbücher legen Zeugnis davon ab, dass die Differenzierungsprozesse

zwischen dem ‚Eigenen’ und dem ‚Anderen’ und die Distanzierungsprozesse zwischen

dem ‚Vertrauten’ und dem ‚Fremden’ einander ergänzen, bedingen und wie gezeigt

wurde, einander oft überschneiden. Das verbindende Glied ist – unabhängig von dem

prozessualen Verlauf und den Auswirkungen der Fremderfahrung – die Sehnsucht nach

Heimat. Heimat ist mit Identitätskonstitution, mit Fremderfahrung und dadurch mit der

Fremde verbunden. Somit ist kein Begriff von Heimat und Identität denkbar ohne den

Begriff des Fremden und den des Eigenen.

3.1.4 Die Problematik 'neue Heimat' in den Heimatbüchern

Jahrhunderte lang hatte das Wort Heimat eine Bedeutung als Rechtsbegriff, als

armenrechtlicher Verweisungsort.224 Heimat hatte eine sachliche, eher der Jurisprudenz

zugehörige Bedeutung gehabt. So finden wir noch in den Lexika des vorigen

Jahrhunderts rein juristische Definitionen von Heimat bzw. nur das Stichwort

Heimatrecht.225 Es war eine Verpflichtung der Stadt- und Landgemeinde, ihre Armen

aufzunehmen (Wohnrecht) und zu unterstützen (Unterstützungsanwartschaft). D.h. jeder

Gemeinde wurde ein bestimmter Personenkreis zugewiesen, für den sie zuständig war

und sie im Notfall zu betreuen hatte. Diese Gemeinde war die Heimat der Betroffenen

und gewährte ihnen Heimatrecht.226

Für viele, die Heimat besaßen, bedeutete das ein hohes Maß an materieller und

emotionaler Geborgenheit.227 Heimat war der Raum der Zuständigkeit, der Raum, der

223 Vgl. Bloch, Ernst: Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt a. M. 1967, Bd.3. S. 1628.224 Vgl. Neumeyer 1992: 8.225 Vgl. Neumeyer 1992: 8.226 Vgl. Neumeyer 1992: 9.227 Vgl. Kaschuba, Wolfgang: Arbeiterbewegung – Heimat – Identität. Einige Anmerkungen zu einer historischen gesellschaftlichen Semantik des Heimatbegriffs. In: Tübinger Korrespondenzblatt 20 (1979), S. 11-15., hier S. 12. Die Gemeindezugehörigkeit stellte eine primitive Art der Sozialversicherung dar. Man hatte nicht nur das Recht darauf, in seinem Heimatort zu leben, sondern auch ein Anrecht auf

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dem Heimatangehörigen, selbst wenn er verarmt ist, Schutz und Rechte gewährte.

Heimat hatte also höchst konkrete ökonomische Konsequenzen für die Menschen.228 Die

Heimatliebe gerade der untersten Stände und vor allem in den ärmeren Ländern müsse

in dieser Konnotation ihre Ursachen haben.229 Ebenso ist wohl der Grund für die starke

Assoziation von Heimat mit dem Geburts- oder Wohnort gerade auch in der ehemaligen

rechtlichen Bedeutung zu suchen,230 denn die Heimat war jener kleine Raum der

Gemeinde, dem man durch Geburt, Heirat oder Kauf angehörte, also der rechtliche

Zuständigkeitsraum für den Bürger, in dem er gewisse Pflichten, aber auch Rechte

hatte.

Um die Wende vom 18. zum 19. Jh. begann sich das Heimatrecht nach und nach

zu verändern: Die Industrialisierung forderte räumliche Mobilität vor allem in Richtung

auf die Städte. Der Industrialisierungsprozess vollzog sich primär in den Städten und

bot dort Arbeitsplätze an. Die Angehörigkeit an einen bestimmten Ort hat zwar

Sicherheit verschafft, erschwerte aber auch sehr die Möglichkeit, sich woanders

niederzulassen.231 Die sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts vollziehende Entwicklung

zum deutschen Nationalstaat führte schließlich zur vollständigen Beseitigung des

Heimatrechts. Der Staat übernahm Funktionen und Aufgaben der Gemeinden, die von

diesen nur noch unvollkommen erfüllt werden konnten.232 In der Übernahme der

(Heimat-) Funktionen der Gemeinde durch den Staat liegt vielleicht auch eine Wurzel

der vielfach vorgenommenen Bewertung eines Staates als Heimatland. Aber Heimat

und Staat waren nie dasselbe.233 Nur vordergründig gewährte der Staat seinen

Angehörigen die gleichen Rechte wie vordem die örtliche Gemeinde. Gerade ein

wesentliches Faktum der Heimat, der Bezug zu einem bestimmten Ort, einer konkreten

Gemeinschaft mit all ihren spezifischen psychologischen und sozialen Komponenten

konnte und kann von dem anonymen Komplex Staat nicht geliefert werden.234

Das Phänomen Heimat hat aber später „trotz dieser Entleerung von Zuständigkeit, und

erst danach, seine eigentliche Hochkonjunktur im literarischen, politischen und

materielle Unterstützung bei Verarmung. Vgl. Bausinger 1980: 12 sowie Steiner 1987: 11ff.228 Vgl. Treinen 1965: 85 sowie Greverus 1972: 28. 229 Vgl. Chotjewitz, Peter Otto: Kleine Heimatkunde für Anfänger. In: Moosmann, Elisabeth (Hrsg.): Heimat. Sehnsucht nach Identität. Berlin, 1980., S. 122-131., hier S. 123.230 Vgl. Neumeyer 1992: 10.231 Vgl. Neumeyer 1992: 11.232 Vgl. Walder, Willy: Geschichtliche Entwicklung und Bedeutung des Rechtsbegriffs Heimat: ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Rechtseinheit. Jena-Leipzig, 1908., 27ff.233 Vgl. Unruh, Georg-Christoph von: Heimat – ursprünglich ein Rechtsort. In: Schleswig-Holstein 2 (1985), S. 12-13., hier S. 12.234 Vgl. Kaschuba 1979: 12.

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pädagogischen Bereich erlebt.“235 Wahrscheinlich ist es aber gerade wegen dieser

begrifflichen „Entleerung“ möglich gewesen, Heimat anderweitig zu belegen, denn „der

Heimatbegriff wird nun frei, Bedeutungen anzunehmen, die den Ersatz für das

bezeichnen, was mit den alten Bindungen verloren ging.“236

In den Heimatbüchern treffen wir auf Heimat als Rechtsbegriff in einer seltsam

umgekehrten Form. Es wird nicht der Ausdruck Heimatrecht, sondern die Parole Recht

auf Heimat verwendet, und mit einem politischen Inhalt gefüllt. Dabei ging es nicht um

die Klärung des Inhaltes Heimat, da die anhäufenden persönlichen, sozialen, politischen

und ökonomischen Probleme eine Diskussion gar nicht erst aufkommen ließen. Sowohl

öffentlich als auch in wissenschaftlichen Kreisen führte man Debatte um ein

Völkerrecht auf Heimat. In diesem Zusammenhang wurde Heimat sehr stark emotional

belastet. Der politische Teil der Auseinandersetzung konzentrierte sich primär auf das

Ziel der Rückkehr in einen status quo ante und die inhaltlichen Vorstellungen Heimat

betreffend wurden entweder nur sehr unzureichend betrachtet oder aber völlig außer

acht gelassen.237 Das dokumentiert sich z.B. darin, dass sich die Forderung nach einem

Recht auf Heimat zu der nach einem Recht auf die Heimat, also einer ganz bestimmten,

die oft als die angestammte Heimat der Vorfahren beansprucht wurde, wandelte.238

Der Fragenkomplex Recht auf die Heimat taucht eher bei der älteren Generation der

Heimatbücher auf, wie das auch das Heimatbuch von Budaörs (1952) beweißt:„Für alle Budaörser – ausgenommen die ganz jungen – ist und bleibt die Heimatgemeinde unvergeßlich. Hier in Deutschland, in der alten Heimat der Ahnen, denken sie stets an die ungarische Heimat, an das dort von den Ahnen geschaffene Erbe, welches die Nachkommen durch tüchtige Leistungen erhielten und vermehrten. Das Unrecht, das ihnen durch die Vertreibung zugefügt wurde, werden sie niemals anerkennen. Darum behaupten sie ihren rechtlichen Anspruch auf Budaörs immer wieder. Dieses Recht auf ihre Heimat werden sie auch nie aufgeben.“239

Oder wie es in dem älteren Heimatbuch von Bácsalmás (1965) steht: „[wir] dürfen den

Rechtsanspruch auf die alte Heimat nie aufgeben.“240

235 Greverus 1979: 64. Heimat ist zu einem Wertbegriff geworden, der emotionale Einstellungen auf diesen Wert Heimat bedingt. 236 Piepmeier, Rainer: Philosophische Aspekte des Heimatbegriffs. In: Zeitschrift für Kunstpädagogik 2 (1982), S. 33.237 Vgl. Neumeyer 1992: 40238 Siehe dazu Laun, Rudolf: Das Recht der Völker auf die Heimat ihrer Vorfahren. Hamburg, 1958.; Rabl, Kurt (Hrsg.): Das Recht auf die Heimat. Vorträge und Aussprachen. (2. Fachtagung.) München, 1959.; ders.: Das Recht auf die Heimat. Sammel- und Ergänzungsband. [Studien und Gespräche über Heimat und Heimatrecht; 15] München, 1965.239 Budaörs 1952: 34. Hervorhebungen im Text von O. T. K.240 Bácsalmás 1965: 301

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Den jüngeren Heimatbüchern ist dieser Fragenkomplex auch nicht fremd. Das

Heimatbuch von Solymár, das zwar erst 1986 erschienen ist, weist auch explizit darauf

hin:„Wenn aber eine Volksgruppe so viele Opfer wie die Deutschen bringt, so muß sie ja wohl ein Recht haben, das Land, für welches sie sich so geplagt und für das sie geschuftet hat, als ihre Heimat zu betrachten, zumal seit über 200 Jahren immer neue Generationen dort geboren wurden . […] Kein Staat, keine Regierung und keine Macht der Erde hat das Recht, den Menschen diese Heimat zu nehmen. Wer das trotzdem tut, begeht ein völkerrechtliches Vergehen, für das er eines Tages bitter bezahlen muß.“241

Das Heimatbuch von Mosonszolnok (1989) hebt in diesem Zusammenhang die

Rückkehr in die Heimat hervor:„Man konnte es nicht fassen, daß der Verlust der Heimat endgültig sein sollte. Noch manche Jahre danach war die erste Frage, wenn sich Zanegger trafen: ’Na, was hast gehört, wann kommen wir wieder heim?’“242

Einige Heimatbücher verzichten zwar auf eine tiefere Diskussion, und bringen im

Wortlaut die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“243 von 1950, die einen deutlich

resignativen Charakter trägt, und die Eingliederung in die westdeutsche Gesellschaft

akzeptiert, trotzdem blieb der Kontext nicht frei von restaurativen Gedanken.244 Ihr

„Recht“ – mag der Begriff von den Autoren so breit interpretiert sein, wie die oberen

Beispiele es gezeigt haben –, wird durch den Topos des Kolonistenvorfahren legitimiert,

der mit Fleiß und Schweiß das Land kultiviert.

Angesichts der unveränderbaren politischen Verhältnisse im Osten war diese

Diskussion245 jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen. Im Falle der Heimatbücher blieb

sie auch nur auf verbaler und symbolischer Ebene, sodass nicht das Erscheinungsjahr

und die zeitliche Distanz zur Vertreibung bestimmt, ob Rückkehrvorstellungen oder

Rechtsansprüche thematisiert werden, sondern es ist eindeutig von der Person und

emotionaler Betroffenheit des Autors abhängig, ob die Frage überhaupt zur Erwähnung

kommt. Schon seit den 1960er und 70er Jahren waren Rechtsansprüche auf die alte

Heimat utopische Vorstellungen, die selbst von den Autoren durch eigenes Handeln –

sprich Integration in die westdeutsche Gesellschaft – auch noch konterkariert wurden.

Da parallel mit der Rückkehrforderung gleichzeitig auch eine sehr effektive

Eingliederungspolitik betrieben wurde, war eine Rückkehr in die alte Heimat, besonders

nachdem eine neue sichere Existenz geschaffen werden konnte, nicht mehr realistisch.

241 Solymár 1986: 54242 Mosonszolnok 1989: 152243 Z.B. Charta der deutschen Heimatvertriebenen 1950 in Pomáz 1982: 247244 Siehe dazu Schwab-Felisch, Hans: Das Flüchtlingsproblem. In: Richter, Hans Werner (Hrsg.): Bestandsaufnahme. Eine deutsche Bilanz 1962., München, 1962., S. 106-123., hier S. 113f.245 Siehe dazu Schwab-Felisch 1962: 108f.

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So müssen diese Art von Vorstellungen in den Bereich der Imagination verwiesen

werden, und zu den affektiven Topoi der Heimatbücher gezählt werden.

Die späteren Heimatbücher sehen die Gedanken der Rückkehr und das Recht auf die

Heimat schon als überholt, betonen daher das Recht auf eine Vergangenheit in dieser

Heimat. Sie wollen nicht, dass ihnen die Wurzeln genommen werden. So ist und kann

die alte Heimat nicht für immer verloren sein. Das Heimatbuch von Dunakömlőd (1994)

formuliert mit nicht weniger Vehemenz am eindeutigsten:„Die Pionierleistung unserer Vorfahren im verwüsteten Raum Panoniens [sic!] soll nicht ganz der Vergessenheit anheimfallen. Es kann aber nicht darum gehen, der verlorenen Heimat nachzutrauern, nein, das Anliegen ist ein geschichtliches. Der Weg unserer Vorfahren, Aufbruch, Besiedlung und schließlich Vertreibung soll dokumentieren, daß die geschichtliche Leistung der Donauschwaben bis 1945 nicht einfach geleugnet werden kann.“246

Wenn die neue Heimat in Deutschland – wenn sich die Heimatbücher darauf überhaupt

einlassen247 – thematisiert wird, dann werden nur kurz die Orte angegeben, wo die

Vertriebenen ein neues Zuhause gefunden haben, oder wenn eine Patenschaft zwischen

dem jetzigen Wohnort und dem ehemaligen Dorf zustande gekommen ist, wird kurz

darüber berichtet, aber der Ort selbst wird nicht als Gedächtnisort betrachtet.248 Die

Betonung liegt auf dem Erlebten und der in der neuen Heimat verbrachten Zeit, wobei

immer die Aufrechterhaltung der Dorfgemeinschaft fern von der Heimat in den

Mittelpunkt rückt.

Zwar stellen das Heimatbuch von Pusztavám (1978a) und das von Bácsalmás (1990),249

Geretsried bzw. Backnang detailliert vor, jedoch handelt es sich in diesen Fällen um

Orte, deren Bevölkerung überwiegend aus Heimatvertriebenen besteht, unter denen die

Pusztavámer bzw. Bácsalmáser in sehr hoher Zahl vertreten waren. Sie sind Schauplätze

der Anlaufschwierigkeiten gewesen und später waren es Begegnungsstätten für

Heimattreffen, sodass sie Orte der persönlichen Kontakte, der zwischenmenschlichen

Beziehungen geworden sind. Die anderen Heimatbücher lassen sich nur auf die

Schilderung der „Ortsgemeinschaft in der neuen Heimat […] Wallfahrten und

Wiedersehensfeiern” 250 und der Heimatreffen251 ein.

246 Dunakömlőd 19942: 6.247 Die Heimatbücher Bikács (1986) sowie Vaskút (1983) und Vaskút (1971) beschäftigen sich mit dem Leben und den Aufenthaltsorten der Vertriebenen in der neuen Heimat überhaupt nicht. Das Heimatbuch von Majos 1997: 319-322 bringt nur Bilder von Heimattreffen in den verschiedenen Städten Deutschland. Siehe noch dazu Näheres im Diagramm zu den Themenkomplexen der Heimatbücher.248 Kakasd 1979: 195-196; Elek 1977: 147; Nagykovácsi 1962: 62-63; Budaörs 1952: 203-204; Zsámbék 1988: 173-191. Zu den Gedächtnisorten siehe Kapitel 3.2.1 der vorliegenden Arbeit.249 Bácsalmás (1990) widmet den ganzen zweiten Teil des Heimatbuches (S. 375-466) der neuen Heimat. 250 Torbágy 1984: 182ff.251 Csávoly 1980: 89-91;

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Als Orte bekommen aber in diesem Zusammenhang die Heimatstuben und -museen252

eine wichtige Rolle, die Relikte und alltägliche Gegenstände bewahren und so als

spezielle Erinnerungsorte funktionieren.

Nach der Vertreibung fungieren Tradition, Sitten und Bräuche weiter als konstitutive

Elemente der Identität. Auf der Basis der Sitten und Bräuche sind die ersten

Heimattreffen in der neuen Heimat zustande gekommen. Besonders das Kirchweihfest

hat man in einer neuen Form erstehen lassen. Alle Bräuche und die von der Sitte

gekennzeichneten Rituale bedeuteten zunächst eine meist nie in Frage gestellte Norm.

Der Zwang zum Vergleich war jetzt aber gegeben. Besonders schwer konnte verkraftet

werden, dass bestimmte Sitten und Bräuche nicht weiter gepflegt werden konnten, weil

sie nicht auf das Familiäre beschränkt waren, sondern gemeinschaftsstiftende

Geselligkeiten waren, welche die Zusammengehörigkeit der Dorfgemeinschaft immer

wieder zum Ausdruck brachten. Die Erhaltung und der Abgang der Überlieferungen

vollzogen sich jedoch nicht in einem neutralisierten Prüffeld, sondern im Kraftfeld

anderer Überlieferungen und in der Begegnung mit einer neuen Umwelt.253 Die

altheimischen Traditionsgüter wurden teils aufgegeben zugunsten unauffälliger und

unspezifischer Güter.254 Man ließ oft Auffälliges weg.255 Infolge der Integration in die

westdeutsche Gesellschaft konstruierte sich eine neue Identität der Vertriebenen: Auf

dem Grundstock alter Traditionsgüter entstand eine neue Gemeinschaftstradition, die

Heimatgefühl schuf. Es kamen Heimatorganisationen zustande, Heimatvereine wurden

gegründet. Bei den Heimatvereinsfesten mündete die Tradition in eine neue Phase ein.

Kennzeichnend für die Treffen der Heimatgemeinden war das Festessen, bei dem das

Stammesgericht aufgetischt wurde. Es ist nicht nur die traditionelle Kost der verlorenen

Heimat, sondern es wurde neue Tradition, an einem bestimmten Tag ein bestimmtes

Essen in einer bestimmten Gemeinschaft einzunehmen. Jedes dieser Feste trug in sich

den Kern zu einer neuen Tradition; aber am Anfang stand neben den Anregungen durch

252 Bácsalmás 1990: 453-456; 185-186. Zu den Heimatmuseen und -stuben siehe Lukan/Peyfuss 1990.; Reichert-Flögel, Ute: Ostdeutsche Patenschaften heute. Hrsg. von dem Bundesminister des Innern. Bonn, 1989.; Ostdeutsche Museen und Sammlungen in Baden-Württemberg. Hrsg. vom Innenministerium Baden-Württemberg. Sigmaringen, 1988. Ostdeutsche Museen und Sammlungen in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich. Bonn, 1989.; Ostdeutsche Ausstellungen, Archive, Heimatstuben und Sammlungen in Hessen. Hrsg. von dem Bund der Vertriebenen. Wiesbaden, 1989.; Baden-Württemberg und seine Patenschaften. Ostdeutsche Kulturarbeit im Land und in den Gemeinden. Stuttgart, 19872.253 Vgl. Bausinger/Braun/Schwedt 1963: 134.254 Vgl. Bausinger/Braun/Schwedt 1963: 139.255 Andererseits wird gerade das Unterscheidende und Auffällige betont. Dies ist der Fall bei den vielen Festen und Feiern, die bewusst gerade die Unterschiede gegenüber Bräuchen der Umgebung betonen, um die ethnische Eigenart zu Ausdruck zu bringen. Vgl. Bausinger/Braun/Schwedt 1963: 135.

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nachbarliche Traditionen vor allem der Gedanke eben des festlichen

Zusammentreffens.256 Die Kirchweihfeste – worüber am detailliertesten die

Heimatbücher von Bácsalmás berichten257 – sind zu Gemeindetreffen geworden, wo nur

der Gottesdienst an das alte Fest erinnert, bzw. das Datum im Kalender, das aber auch

im Laufe der Zeit nur als ungefährer Anhaltspunkt galt.258 So zeigt sich an manchen

Stellen ein gewisser Ausgleich, ein Ersatz des Verlorenen durch neue Güter. Oft wurde

ein alter Brauch durch einen verwandten in der neuen Heimat gestützt, oft ging er in

diesen verwandten Brauch ein.259 Die Heimatbücher berichten von Wallfahrten neuesten

Ursprungs, die als „traditionell” bezeichnet werden.260

Den meisten Vertriebenen ist es gelungen mit der Zeit festen Fuß in Deutschland zu

fassen. Ihre Lage erschwerte, dass die Aussiedlung in mehreren Wellen geschah und die

Einwohner eines ungarndeutschen Dorfes nur selten an demselben Ort angesiedelt

worden sind. Die spätere innere Migration erleichterte auch nicht den Prozess, dass sie

in Deutschland ihre neue oder mindestens zweite Heimat finden. Mehr als die Hälfte der

Heimatbücher lassen sich auf die Schilderung der Zeit nach der Vertreibung überhaupt

nicht ein. Heimatbücher der jüngsten Generation setzen sich aber mit der Frage der

Eingliederung und Heimatsuche in der neuen Heimat auseinander. Die Erklärung dafür

ist einerseits in der zeitlichen Distanz zur Vertreibung zu suchen, andererseits in der

jüngeren Mitarbeitergeneration, die schon ein ganz anderes Verhältnis sowohl zu der

alten als auch zu der neuen Heimat hat. Nicht zuletzt ist der Diskurs über Heimat in den

öffentlichen Kreisen Deutschlands zu erwähnen, der Mitte der 1980er Jahre den Begriff

Heimat wieder aktuell machte. Es entstand ein neuer Heimatbegriff, der frei vom

Ballast der Ideologie und Schnulze.261 Wobei diesmal allerdings eine Lösung der

Probleme nicht so sehr in der Vergangenheit gesucht, sondern vielmehr über eine

Veränderung der Gegenwart in der Zukunft anvisiert wurde.

256 Bausinger/Braun/Schwedt 1963: 137.257 Bácsalmás 1965: 283-306 sowie Bácsalmás 1990: 393-436.258 Berichte über die zum Brauch in der neuen Heimat gewordenen Heimattreffen finden wir in den folgenden Heimatbüchern: siehe Fußnote 257, ferner Torbágy 1984: 182-193; Perbál 1988: 290-291; Pusztavám 1978a: 220-261; Majos 320-322; Piliscsaba 1988: 313-332; Bikács 1986: 222; Csávoly 1980: 89-90; Zsámbék 1988: 182-189. Über die Bedeutung der Heimattreffen und wie aktuell sie noch immer sind können wir uns durch die Heimatzeitung Unsere Post informieren. Zu Beginn des 21. Jhs., mehr als 60 Jahre nach der Vertreibung finden noch immer regelmäßig Kirchweihfeste (sprich Heimattreffen) der Vertriebenen statt. 259 Bausinger/Braun/Schwedt 1963: 140.260 Torbágy 1984: 183261 Siehe dazu weiteres bei Neumeyer 1992: 54 ff. sowie Moosmann 1980: 55.

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Hier ist der Platz der neuen Generation der Heimatbücher zu suchen, und die Erklärung

zu finden, warum die Nachkommen der Vertriebenen an der Mitarbeit und

Mitgestaltung eines Heimatbuches interessiert sind. Neben der persönlichen,

familiengeschichtlichen Motivation können weitere Beweggründe festgestellt werden:

(1) Ende der 1980er Jahren verlor Heimat gewichtige Bestandteile des alten

Heimatbegriffs: seine dominierende restaurative Rückwärtsgewandheit und wurde

etwas, das man sich selbst erkämpfen muss, etwas, das man den Verhältnissen abringen

und gegen diese jederzeit neu verteidigen muss. Das ist ein Heimaterlebnis, das nicht

nur der jüngeren Generation eigen ist, sondern den Vertriebenen, die mit der Zeit in

Deutschland eine Existenz geschaffen und eine neue Heimat gefunden haben. (2) So

entstand ein neuer, vorwärtsgewandter, prozesshafter, zukunftsträchtiger

Heimatbegriff,262 nachdem wohl auch endlich erkannt worden ist, dass es mit bloßer

Beschwörung von Heimatgefühl durch Bilder der Vergangenheit nicht getan ist.263 (3)

Eben im Falle der Vertriebenen und ihrer Nachkommen ist Heimat nicht mehr das

Bestehende und zu Bewahrende, sondern das erst noch zu Schaffende.264 (4) In der

Form der in die Zukunft gerichteten Heimat konnte ein gemeinsames Plattform der

Generationen gefunden werden, wo zwar Heimat die Sehnsucht nach einem Zustand ist,

wo wir bei uns selber sind, im Einklang mit unserer Umgebung leben können, jedoch ist

diese Heimatsicht nicht ausschließlich nach vorn gerichtet, sondern bezieht auch

Vergangenheit mit ein. So bedeutet Heimat die Rückerinnerung und das

selbstverständliche Verwurzeltsein in der eigenen und in der Geschichte der Ahnen,

sowie die Erfahrung, ineins zu sein mit den Dingen und Menschen, die einen umgeben.

So wird Heimat als etwas aus der Gegenwart heraus mit der Verarbeitung der

Vergangenheit erst in der Zukunft zu Verwirklichendes angesehen, die in der Zukunft

zu finden und zu schaffen ist. Die Heimatbücher, die sich auf Eingliederung und die

Schilderung der Zeit in Deutschland einlassen, legen einen eindeutigen Beweis davon

ab, dass die Schaffung einer neuen oder zweiten Heimat möglich ist. In diesen Kapiteln

ist keine Spur von einem statischen Heimatbild,265 denn der aktiven Sichtweise

entspringt auch die Erkenntnis, das Heimat nicht mehr automatisch nur der Ort der

Geburt sein kann oder überhaupt ein etwa lebenslanger Aufenthaltsort, sondern immer

262 Vgl. Neumeyer 1992: 56-57 und Herrenknecht 1980: 196 siehe dazu noch Pötscher 1990.263 Neumeyer 1992: 56.264 Piepmeier 1982: 34. 265 Wenn ein statisches Bild von der Heimat in den anderen Kapiteln des Heimatbuches vermittelt wird, wird eben durch die Schilderung des Lebens in der neuen Heimat klar, dass es hier um einen Topos geht, der zur festen Bestandteil der Textsorte geworden ist.

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der Mittelpunkt des Lebens, an den bestimmte qualitative Anforderungen gestellt

werden, deren Satisfaktion erst dann als Heimat erfahren wird. Wie auch das Beispiel

der Vertriebenen zeigt, Heimat ist vielmehr das Wechselspiel zwischen Individuum und

Umwelt, welches sich im Vorgang der Identitätsbildung niederschlägt.266

266 Vgl. Bausinger 1980: 23.

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3.2 Themenkomplexe der Heimatbücher

Heimatbücher sind nur ein Teil der kaum übersehbaren publizistischen, literarischen

und landesgeschichtlichen Bemühungen in zahlreichen von den

Heimatkreisorganisationen und Landsmannschaften herausgegebenen Kalendern,

Zeitungen, Zeitschriften und Jahrbüchern.267 Über ihre Motive sagt Manfred Vollack

Folgendes:

„Der Verlust unserer Heimat hat uns in voller Tiefe die große Fülle unseres kulturellen Erbes eigentlich erst richtig deutlich werden lassen. Wenn wir unsere Identität nicht verlieren wollen, sind wir gehalten, dieses kulturelle Erbe festzuhalten.”268

Die Autoren bemühten sich, möglichst alles, was in der Heimatgemeinde geschah, was

sie mit dem Wort „Heimat” verbinden, niederzuschreiben und manches wenigstens kurz

zu streifen. Durch die Heimatbücher werden in Schrift und Bild Dorf-, Vereins- und

Familiengeschichte, Traditionen, Volks- und Brauchtum, ernste und heitere

Begebenheiten, autobiographisch geschilderte Erlebnisse, Berichte und Erzählungen für

die Nachwelt erhalten. So entsteht eine besondere Mischung der Themen, die in den

meisten Fällen nicht klar voneinander zu trennen sind und die durch ihre Vielfalt und

Perspektive die Eigenart der Textsorte Heimatbuch unterstreicht. Die ineinander

überfließenden Grenzen lassen z.B. aus der Schilderung eines Brauches eine Anekdote

werden, die dann zu einem Erinnerungsbild des Erzählers wird, wobei sich alles vor der

historisch bedingten Kulisse der Geschichte der Ungarndeutschen abspielt.269 Was die

Heimatbücher zu einer selbständigen Textsorte macht, ist die thematisch-strukturelle

Eigenart, wie sie all das in einem naturgegebenen Zusammenhang als einheitliche

Darstellung anstreben und in wehmütiger Sehnsucht nach Heimat zur

Vergangenheitsbewältigung benutzen.

Durch die Anwendung der statistischen Methode sind die Heimatbücher einzeln nach

semantisch-inhaltlichen Gesichtspunkten untersucht worden, wobei sich herausgestellt

hat, dass sich die Heimatbücher grundsätzlich nach 13 Themenkomplexen strukturieren,

die in dem folgenden Diagramm nach den Prozentanteilen am Gesamtumfang

dargestellt werden.

267 Siehe dazu z.B. die Bibliographien von Kessler 1979 sowie Hemmerle 1970.268 Vollack, M. (1977): Pommersche Heimatkreisliteratur. In: Patenschaften und Heimatkreisliteratur. Lübeck, 1977: 51 zitiert nach Kessler 1979: 11.269 Vgl. Torbágy 1984: 3; Piliscsaba 1988: 8-9.

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[beszúrás: oszlodiagramm]

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(1) Geschichte Ungarns bzw. des Dorfes vor der Ansiedlung der Deutschen270

Der Epoche vor der Ansiedlung der Deutschen widmen die Heimatbücher wenig

Aufmerksamkeit. Sie schenken dieser Thematik 0,8 % bis 4,06% des Umfangs. Eine

Ausnahme bildet das Heimatbuch von Vaskút (1983), das mit seiner 66 Seiten auch

nicht über 8,97% steigt. Die Heimatbücher beschäftigen sich mit diesem

Themenkomplex nur kurz und verstehen es als eine Art Einleitung zur tatsächlichen

Arbeit. Sie geben bloß einen sehr verallgemeinerten Überblick über die Geschichte

Ungarns.271 Diese Versuche können mit wenigen Ausnahmen zwar naiv bezeichnet

werden, jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass die Heimatbücher in erster Linie nicht

wissenschaftlichen Zwecken dienen, sondern der Zielgruppe entsprechend – „Dieses

Buch sollte in keiner Bácsalmáser Familie fehlen”272 – konzipiert worden sind.

(2) Ansiedlung der Deutschen

Dieses Thema erscheint meistens in der Kolonisationsgeschichte der Deutschen in

Ungarn eingebetet, wobei der Akzent auf das Zustandekommen der jeweiligen

Dorfgemeinschaft gelegt wird. Die Akzentsetzung hängt davon ab, ob zur Darstellung

Dokumente, Urkunden und weitere archivarische Quellen ausfindig gemacht werden

konnten. Der Prozentanteil liegt zwischen 1,26% und 20,24%.273

(3) Kirche- und Kirchengeschichte

Die Heimatbücher widmen der Kirchengeschichte besondere Aufmerksamkeit. Daher

ist es auch einleuchtend, dass die Kirche der Ort war, wo sie zueinander fanden und zu

einer Gemeinde verschmolzen, quasi um die Kirche herum entstand die

Dorfgemeinschaft.274 Prozentanteil liegt bei der Hälfte der Heimatbücher über 8%, von

denen die Hälfte sogar 20% des Gesamtumfanges der Kirche und der Kirchengeschichte

widmet. In den Heimatbüchern verschmolzen oft der zentralen Rolle der Kirche

270 Dazu siehe Näheres im Kapitel Die ‚Zeit’ als Indiz für Vergangenheitsbewältigung durch kollektive Erinnerung. 271 Das Heimatbuch von Piliscsaba 1988: 24-26 beschäftigt sich sogar mit der mittelalterlichen Ansiedlung der Deutschen. Hier soll bemerkt werden, dass das Heimatbuch von Zsámbék (1988) einen Sonderfall darstellt, da es sich eigentlich nur mit dem 20. Jh. samt Sitten, Bräuche und Sprache beschäftigt. Der als Dokumentband angelegte dritte Band hätte zwar der Untersuchung herangezogen werden, da aber Heimatbücher über dasselbe Dorf, auch wenn sie einander ergänzen, auch nicht als Einheit betrachtet worden sind, wurde hier auch nicht anders verfahren.272 Das Heimatbuch von Piliscsaba 1988: 8 zitiert aus der Backnanger Kreiszeitung 28. Sept. 1965.273 Wenn wir das Heimatbuch von Vaskút 1983 (20,24%) als Extremfall außer Acht lassen, liegt die höchste Seitenzahl dieser Thematik unter 15% des Gesamtumfangs.274 Budakeszi 1986: 120.

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entsprechend die Grenzen zwischen Orts- und Kirchengeschichte.275 Die Darstellungen

des Kirchenlebens und der kirchlichen Institutionen können folgende Einheiten

behandeln: Entstehung der Kirchengemeinde,276 Patronatsherrschaft, kirchliche

Angestellte, Amtsträger277 (Pfarrer, Kantor, Notar, Schulmeister) und ihre Dotationen,278

Bau und Ausstattung der Kirche, Glocken,279 kirchliche Einrichtungen: Friedhof,

Kapellen, Statuen, Wegkreuze;280 unter kirchlicher Verwaltung stehende Institutionen

wie Schule281 und Kloster,282 kirchliche Vereine,283 Kirchenvisitationen,284

Kirchenpatron,285 Wallfahrten,286 Wunder.287

Den Autoren geht es bei diesem Themenkomplex nicht nur um die historische und

dokumentarische Erfassung: Es wird eher der gemeinschaftssinn-fördernde Geist

betont288 und damit der enge Zusammenhang zwischen Kirche und Brauchtum,

Volksliedern und Tänzen, Volkskunst und Volksdichtung, religiösen Bräuchen und

sonstigen Frömmigkeitsformen.289

Die benutzten Quellen zeigen bei jedem Heimatbuch unterschiedliche

Gebrauchsfrequenz. Das Heimatbuch von Csávoly (1980) arbeitet nach Dokumenten

aus Archiven,290 das Heimatbuch von Bácsalmás (1965) und das Budakeszier (1986)

nach Urkunden.291 Dagegen finden wir im Heimatbuch von Budaörs (1952) in erster

Linie nur Erinnerungen und die Beschreibungen religiöser Begebenheiten.292

275 Bácsalmás 1965: 30-56; Torbágy 1984: 49-53.276 Budakeszi 1986: 113-154; Budaörs 1952: 43-50; Bácsalmás 1965: 91 und 34-56. Hegyeshalom 1968. 60-61; Kakasd 1959: 7; Nagykovácsi 1962: 68-81; Piliscsaba 1988: 127-137; Csávoly 1980: 92-96.277 Liste der Budaörser Pfarrer mit Amtsdauer Budaörs 1952: 48; Bácsalmás 1965: 105-109 und 88-89 sowie 90-91; Hegyeshalom 1968: 61-62. 278 Budaörs 1952: 43-50; Bácsalmás 1965: 57-58 und 78-81; Torbágy 1984: 51; Nagykovácsi 1962: 70.279 Budaörs 1952: 47 und 49-50 und 76-78; Budakeszi 1986: 94-113; Bácsalmás 1965: 31; Pusztavám 1978a: 121-122; Nagykovácsi 1962: 86-103.280 Budaörs 1952: 43-50 und 53-70; Bácsalmás 1965: 82-87 und 63 sowie 69-77; Torbágy 1984: 50-51; Nagykovácsi 1962: 86-103; Csávoly 1980: 108-116.281 Budakeszi 1986: 123; Bácsalmás 1965: 33; Piliscsaba 1988: 149-161. 282 Budaörs 1952: 46; Bácsalmás 1990: 281-284.283 Budaörs 1952: 47; Bácsalmás 1965: 55; Csávoly 1980: 129-130; Nagykovácsi 1962: 77.284 Budaörs 1952: 44; Bácsalmás 1965: 31; Torbágy 1984: 52-53.285 Bácsalmás 1965: 31; Nagykovácsi 1962: 104.286 Bácsalmás 1965: 37 und 196-199; Nagykovácsi 1962: 105 und 108-109; Pusztavám 1978a: 114-120.287 Budaörs 1952: 53-70 Beschreibung der Wunder, die mit den Wallfahrtorten zusammenhängen.288 Nagykovácsi 1962: 105. 289 Csávoly 1980: 226.290 Csávoly 1980: 92-130.291 Bácsalmás 1965: 31-33. Budakeszi 1986: 86-94.292 Budaörs 1952: 48-49 und 78-88 Fronleichnamsfest; Budaörs 1952: 88-94 Passionsspiele; Budaörs 1952: 76-78 Geschichte der Glocken.

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(4) Ort-, und Verwaltungsgeschichte, Gemeindeleben

Im Durchschnitt liegt der Anteil dieser Kategorie bei 10,81% des Werkumfangs. Wie

bei Ortsgeschichten und -beschreibungen gewohnt, überwiegen in den Heimatbüchern

im Falle dieses Themenkomplexes auch oft die Faktographie und die chronikalische

Methode. Jedoch – wie das von Kessler auch bemerkt – die Sammlung von Einzelheiten

kann manche wissenschaftliche Arbeit durch spezifizierte regionale Daten absichern,

sodass – die Schwierigkeiten der Materialsammlung gerechnet – auch Kompilationen

bedeutende Leistungen darstellen, vor allem, wenn sie durch traditionelle

Quellengruppen nicht zu ersetzenden Erinnerungen der Erlebnisgeneration

verarbeiten.293

Die ortsgeschichtliche Entwicklung, die ständig im Spiegel der Landesgeschichte

dargestellt wird, prägt den Charakter der Heimatbücher. Alle Heimatbücher verfahren

historisch-chronologisch, behandeln im Spiegel der ungarischen Landesgeschichte die

Ereignisse in ihrer Heimatgemeinde, wobei der Schwerpunkt natürlich auf letzteres

fällt. Neben den allgemeinen und ortspezifischen, geschichtlichen Ereignissen gehen die

Heimatbücher auch auf die Schilderung der geographischen Lage und der Ortsteile, der

Gemarkung, der Besitzverhältnisse ein.294 Demographische Veränderungen werden

durch statistische Daten,295 Matrikelbücher,296 Namenlisten,297 Landeskonskriptionen298

veranschaulicht. Die städtebau-liche Entwicklung wird auch bearbeitet, wobei auf

einige Etappen der Ortsbau- und Straßenbaugeschichte,299 Entwicklungen der

Bauernhäuser300 hingewiesen wird.

Die Verwaltungsgeschichte bekommt auch in diesem Themenkomplex seinen Platz. Die

lokale Politik, die Verwaltung, die inneren Angelegenheiten der Siedler wurden durch

den Gemeindevorstand autonom geregelt. Die Heimatbücher stellen uns das

Verwaltungssystem der Zwischenkriegszeit vor, natürlich aus dem Gesichtspunkt der 293 Kessler 1979: 23.294 Budaörs 1952: 146-147; Kakasd 1959: 1 und 6; Bácsalmás 1965: 234-235; Piliscsaba 1988: 60-62; Bácsalmás 1990: 40-43 und 44-77.295 Nagykovácsi 1962: 37; Budaörs 1952: 28-29; Torbágy 1984: 36; Bácsalmás 1965: 114; Bácsalmás 1990: 109.296 Nagykovácsi 1962: 43-44; Budaörs 1952: 35-42; Torbágy 1984: 21-23; Budakeszi 1986: 122.297 Piliscsaba 1988: 44-46.298 Piliscsaba 1988: 54-57; Bácsalmás 1990; Pusztavám 1978a: 43-52.299Nagykovácsi 1962: 38-39 sowie der Ortsplan 40-41; Torbágy 1984: 220-221; Bácsalmás 1990: 115-118 und 119-126 und 153-154.300 Bácsalmás 1990: 143-152; Budakeszi 1986: 32-38; Piliscsaba 1988: 86-89; Vaskút 21-25.

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Gemeinde.301 Erwähnt werden die wichtigsten Würdenträger (Richter, Notar,

Stuhlrichter, Steuernotar, Kleinrichter, Geschworenen usw.).302 Oft finden wir Listen,

welche die Amtszeit der Funktionäre enthalten.303

In der überwiegenden Zahl der Fälle bildet die Vertreibung das zeitliche Ende der

Darstellung. Die plausible Erklärung dafür geben die Heimatbücher selbst, wenn sie

sagen „Nach 1945 ist eine neue Ära angebrochen, die nicht mehr in den Rahmen dieses

dieses [sic!] Heimatbuches gehört.“304 Die Ortsgeschichte nach der Vertreibung wird in

der Regel nur kurz gestreift. Darin zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zu den

ungarischsprachigen sowie zu den in Ungarn erschienenen Ortsgeschichten und

Chroniken, welche die Zeit nach 1945 tiefgehend und detailliert behandeln.

(5) Schulwesen und Schulgeschichte

80% der Heimatbücher widmen der Schulgeschichte des Dorfes selbstständige Kapitel.

Der Durchschnitt der Seitenzahlen liegt um 3% des Werkumfangs, wenn wir den

Extremfall von Bácsalmás (1990) außer Acht lassen, da in diesem Buch die

Kindheitserlebnisse in thematischer Verbindung mit der Schule präsentiert werden.

Die Schulgeschichte verbinden die Heimatbücher mit der Frage der Sprachpflege. Die

deutsche Mundart wurde als ein Erbe der Ahnen aus der Urheimat und so ein wichtiges

Merkmal der Identität betrachtet. In diesem Zusammenhang beschäftigen sich die

Heimatbücher305 mit dem Schulwesen, das ihnen die Möglichkeit zur Pflege der Sprache

gab und neben der Kirche die zweitwichtigste Bildungsquelle der Landbevölkerung

war. Behandelt werden die am Anfang des Jahrhunderts erschienen

Regierungsverordnungen,306 die den Sprachgebrauch der Nationalitäten in erster Linie in

den Schulen regelten. Das Heimatbuch von Nagykovácsi (1962) geht sogar auf die

Frage des „Sprachenkampfes” ein und weist auf die nationalistisch orientierte Politik

der Zwischenkriegszeit hin.307

(6) Wirtschaftliche Lage und Probleme

301 Budakeszi 1986: 83-86; Bácsalmás 1965: 111-116; Pusztavám 1978a: 54-58; Sérsekszöllös 1959: 17; Nagykovácsi 1962: 81-85; Budaörs 1952: 160; Piliscsaba 1988: 93-97.302 Nagykovácsi 1962: 82-84.303 Piliscsaba 1988: 96-97.304 Bácsalmás 1965: 110.305 z.B.: Kakasd 1959: 7; Bácsalmás 1965: 92-104; Budaörs 1952: 43; Bácsalmás 1990: 277-280; Torbágy 1984: 116-125; Vaskút 55-57; Piliscsaba 1988: 149-161; Sérsekszöllös 1959: 17.306 Budakeszi 1986: 76-83.307 Nagykovácsi 1962: 113-122.

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Interessanterweise widmen die Heimatbücher der Schilderung dieses Themenkomplexes

eine besondere Aufmerksamkeit.308 Der Prozentanteil liegt im Durchschnitt bei 7,64%,

darunter fast bei ein Drittel der Werke über 10%. Die offensichtliche Erklärung dafür

ist, dass es sich um bäuerliche Gemeinschaften handelt, in denen Hab und Gut, Besitz

eine zentrale Rolle spielten. Diese Kapitel behandeln die wirtschaftliche Lage und die

Besitzverhältnisse anhand von Flurkarten, Verzeichnissen der Flurnamen, Steuerlisten.

Die wirtschaftlichen Veränderungsprozesse (wie z.B. Weltwirtschaftskrise und ihre

Auswirkungen auf die Gemeinde) haben auch einen Platz in den Heimatbüchern

bekommen.

(7) Sprache und Mundart

Die Auseinadersetzung mit der Mundart zeigt in den Heimatbüchern den größten

Unterschied. Da die Autoren nur im seltensten Fall Sprachwissenschaftler sind, bleibt

die Sprache nur identitätsstiftender Faktor309 und wird überhaupt nicht (ein Viertel der

Heimatbücher) oder nur kurz (0,18%-4,19%) diskutiert. Von der anderen Seite her aber,

liefern die Heimatbücher auch ungewollt Informationen über die Sprache, indem die

Texte eben von sprachlichen Besonderheiten des jeweiligen Dorfes geprägt sind. In

meisten Fällen wird im Fließtext der Hinweis gemacht, „wie es im Volksmund genannt

wurde“ oder „wie man es im Volksmund nannte.“310 Die Dialektwörter sind in den

Heimatbuchkapiteln zerstreut anzutreffen: Sprüche und Lieder sowie einige Anekdoten

werden in der Mundart ohne linguistischen Kommentar dargelegt.311 Eine erfreuliche

Ausnahme bildet das Heimatbuch von Zsámbék (1988) und das Heimatbuch von

Pusztavám (1978a), in dem die in der Zwischenkriegszeit bei Karl Kurt Klein

geschriebene Dissertation von Adam Wittmann in Form eines Extrakapitels bzw. quasi

Anhanges 147 Seiten einnimmt.

Das Heimatbuch von Bácsalmás (1990) will auch keine sprachwissenschaftliche

Analyse darbieten, bloß die Bácsalmáser Mundart in Sprichwörtern sowie in Gedichten,

Erzählungen und Sprüchen vom Mundartschriftsteller Nikolaus Márnai/Mann

308 Budakeszi 1986: 170-187 und 194-201 sowie 203. Kakasd 1959: 6; Nagykovácsi 1962: 45-46 und 134-135; Budaörs 1952: 24-34 und 148-149 sowie 143-145; Bácsalmás 1965: 142-153; Torbágy 1984: 70-72.309 Piliscsaba 1988: 72-76.310 Kakasd 1959: 8f.311 Nagykovácsi 1962: 153-156.

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präsentieren.312 Eine vergleichbare Verfassensweise spiegelt sich im Heimatbuch von

Piliscsaba (1988) wider:„[...] Auch soll hier keine sprachwissenschaftliche Untersuchung durchgeführt werden, denn schon viele kompetente Wissenschaftler haben sich mit dem Gebiet der Mundartforschung [...] auseinandergesetzt [...] Vielmehr wollen wir nur besonders interessante, einzelne Wörter und Redewendungen festhalten, deren Bedeutung vom heutigen Hoch- und Umgangsdeutsche ausgehend meist nicht zu erschließen ist.”313

(8) Sitten und Gebräuche

Alle Sphären des Lebens durchdrängte die strenge Religiosität und die religiösen

Bräuche bildeten mit ihren festlichen Höhepunkten einen festen Bestandteil im Leben

der Gemeinde und der Familien. Der Prozentanteil dieses Themenkomplexes ist einer

der höchsten unter den Kategorien. Bei ein Drittel der Heimatbücher liegt die

Prozentzahl über 25%. Zwar beschäftigt sich das zweite Heimatbuch von Bácsalmás

(1990) laut Auswertung der Daten mit dieser Thematik nur auf 3,77% des

Gesamtumfanges, wir dürfen aber nicht vergessen, dass es sich als eine Art Ergänzung

des ersten Heimatbuches, das 14,69% des Gesamttextes den Sitten und Bräuchen

widmet, versteht. Die Heimatbücher behandeln die Sitten und Bräuche des

Kirchenjahres314 (z.B.: Christkindlspiel, Christmette, Silvester, Neujahrwünsche,

Dreikönige und das Königssingen, Fasching, Aschermittwoch, Palmsonntag, Osternzeit,

Fronleichnam, Feste der Heiligen und Schutzpatronen, Rosenkranzmonat, Allerheiligen

usw.) sowie feste Bestandteile des bäuerlichen Jahres (Weinlese, Schlachtfest,

Maibaumstellen, Kukuruzschälen usw.). Besonderer Platz fällt der Darstellung der

Sitten und Gebräuchen im Zusammenhang mit den Kirchweihfesten zu. Oft werden sie

in einem eigenen Kapitel behandelt.315 Brauchtum, Gepflogenheit im Verlauf eines

Menschenlebens sind weitere Leitfaden der Heimatbücher. Feierlichkeiten wie Geburt

und Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit werden hervorgehoben.316 Die

Heimatbücher beschreiben in diesem Kontext die Tracht mit reichem Bildmaterial.317

312 Bácsalmás 1990: 251-266.313 Piliscsaba 1988: 72-76.314 Budakeszi 1986: 203-222; Bácsalmás 1965: 182-195; Nagykovácsi 1962: 109-113; Kakasd 1959: 11-21.315 Kakasd 1959: 10; Budaörs 1952: 170-182; Bácsalmás 1965: 167-168; Zsámbék: 52-92; Piliscsaba 1988: 191-202; Pusztavám 1978a: 12l; Csávoly 1980: 226-349. Hier sei bemerkt, dass das Heimatbuch von Csávoly (1980) am detailliertesten die Volkskunde der Gemeinde behandelt. Wichtige Rolle bekommen dabei die Volksdichtung und die Volkskunst.316 Bácsalmás 1965: 154-166; Budakeszi 1986: 219-221; Kakasd 1959: 9-10; Piliscsaba 1988: 210-225; Zsámbék 1988: 93-108; Pusztavám 1978a: 123-134.317 Piliscsaba 1988: 75-85; Bácsalmás 1965: 170-174; Zsámbék 1988: 29-51; Bácsalmás 1990: 193-206; Budakeszi 1986: 222-235; Kakasd 1959: 8-9; Nagykovácsi 1962: 139-143.

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Das alltägliche Leben schildern Themen wie Hausheilsmittel, Kinderspiele,

Gesundheitswesen, Ernährung.318

Bei der Beschreibung dieser wichtigen Merkmale der ungarndeutschen Gemeinde

nehmen die Autoren sehr viele Originaltexte, sogar in Mundart, die unerlässliche

Begleiter des feierlichen und sittengemäßen Begehens der Feiertage sind. All dies bringt

in sich eine Fülle wertvoller Schätze, die den Wert der Heimatbücher vergrößern, und

sie zur wichtigen Quellen der ethnographischen Forschung machten.

Die folgenden drei Themenkomplexe (9) Erlebte Heimat, (10) Zwischenkriegszeit, (11)

Zweiter Weltkrieg und die Vertreibung sind genauso schwer voneinander zu halten, wie

die (8) Sitten und Gebräuche von den Kategorien (9) Erlebte Heimat und (10)

Zwischenkriegszeit zu trennen waren.

(9) Erlebte Heimat

Die Kategorie räumt den meisten Platz für die subjektiven Beiträge der

Erlebnisgeneration ein. Der Prozentanteil dieses Themenkomplexes ist hoch: Im

Durchschnitt liegt der Anteil bei 17,76%. Im Falle des Heimatbuches von Bikács (1986)

liegt er bei 38,1%, im Falle von Nagykovácsi (1962) Vaskút (1983) über 32% und im

Heimatbuch von Zsámbék (1988) sogar über 40%, wobei natürlich bemerkt werden

muss, das hier die fließenden Grenzen zwischen den Kategorien Erlebte Heimat und

Zwischenkriegszeit am auffälligsten sind. Über die Erlebte Heimat sprechen heitere

Erzählungen, Geschichten,319 kurze Lebensbilder,320 Rückbesinnungen,321 Anekdoten.322

Witze und lustige Begebenheiten,323 kurze Aufsätze,324 Kindheitserlebnisse.325 Dieses

bunte Gemisch von lustigen und manchmal ernsten Bildern aus dem Dorfleben und die

318 Bácsalmás 1990: 271-276; Budakeszi 1986: 235-270; Budaörs 1952: 124-127; Piliscsaba 1988: 90-93; Csávoly 1980: 303-309; Zsámbék 1988: 109-113.319 Elek 1977: 168-179 „Witzstickl und Erzählungen”; Pusztavám 1978a: 157-164 „Heitere Geschichten aus dem Dorfleben”; Nagykovácsi 1962: 153-156 „Heiteres aus Kowatsch.”320 Budakeszi 1986: 327-329 „Ein langer Tag”; Budaörs 1952: 102-104 „Die Ahnl erzählt vom Rosmarin...”.321 Nagykovácsi 1962: 12-16 Erinnerungen des Stadtpfarrers J.G. Czurda; Pusztavám 1978a: 176-214 „Aufzeichnungen und Erinnerungen.”322 Budakeszi 1986: 329-330 Zwei Anekdoten; Budaörs 1952: 101 „Anekdote vom Entstehen des Bildstockes zu Ehren der vierzehn Nothelfer”; Bácsalmás 1965: 220-226 „Zum Schmunzle und Lache” sowie „Anekdoten aus den Dorfleben.”323 Budaörs 1952: 187-197. „Wahre Witze und lustige Begebenheiten von daheim”; Torbágy 1984: 136-137 „Turwaller Streiche”; Bácsalmás 1990: 267-270. „Lachen ist gesund”.324 Budakeszi 1986: 325-327 „Der Mittelpunkt der Welt”; Bácsalmás 1965: 211-214 „Erinnerung an Bácsalmás”; Torbágy 1984: 76 „Das Kaiserpaar in Torbágy”.325 Budakeszi 1986: 323-325 „Unser Maullbeerbaum”; Nagykovácsi 1962: 144-145 Kindheitserlebnisse von Barbara Czink.

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Kavalkade der verschiedensten Textsorten tragen zum eigenartigen Charakter der

Heimatbücher bedeutend bei. Gedichte326 lassen das Bild, die Atmosphäre, einfach die

emotionalen Eindrücke über die alte Heimat in der Erinnerung aufleben. Die Texte

dieser Rubrik sind zum größten Teil autobiographisch-geprägte Beiträge, die ihr

Themen, durch das Lebensalter der Verfasser determiniert, aus der Zwischenkriegszeit

bzw. der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung schöpfen. Auch aus dieser

Zeitspanne stammen die Darstellungen der Sitten und Bräuche, zu denen sich

Erinnerungen knüpfen, die auch in Form von Erlebnisberichten präsentiert werden

können, sodass die Grenzen der Themenkomplexe nicht exakt von einander zu halten

sind. Wenn von uns doch eine Trennung unternommen wird, dann nur deshalb, weil

unter der Rubrik Erlebte Heimat autobiographische Erinnerungen, Geschichten und

Erzählungen ebenfalls einen Platz bekommen, die mit Vertreibung bzw. mit Ereignissen

der Zwischenkriegszeit nicht direkt in Beziehung gebracht werden konnten oder bei

ihnen keine zeitliche Einordnung möglich war, wie z.B. bei Anekdoten und

Dorfgeschichten. Dieser Kategorie sind auch die Dorfgemeinschaft stärkenden, die

seelische Zusammengehörigkeit symbolisierenden Listen oder Beiträge über die

Ortskinder, seien sie berühmt oder weniger bekannt gewesen, zugeteilt worden, sowie

jede Art von Totengedenken, von denen J. Assmann behauptet: „In der erinnernden

Rückbindung an die Toten vergewissert sich eine Gemeinschaft ihrer Identität.“327

(10) Zwischenkriegszeit

Die direkte Thematisierung der Ereignisse dieser Zeit nimmt im Durchschnitt 5,65%

des Werks ein – darunter allerdings Majos (1997) mit einem Anteil von 20,21%. Lässt

man dieses Werk außer Betracht, liegt der Durchschnitt bei 4,7%. Die Erklärung dafür

ist, dass dieses Themenkomplex parallel mit den oben erwähnten subjektiven Beiträgen

erscheint und mit anderen Themenbereichen Überlappungen bildet. Es wird über den

Radikalisierungsprozess der ungarländischen Deutschen reflektiert, da jedoch die

Zusammenhänge mit der Vertreibung auf der Hand liegen, führen die Texte zur

Vetreibungsproblematik über. Unweglassbar ist die Auseinandersetzung mit dem

Ungarländischen Deutschen Volksbildungsverein und Jakob Bleyer328 sowie mit dem

326 Budakeszi 1986: 297-298 „Rückbesinnung” (Franz Stadler); Bácsalmás 1990: 246-266 Gedichte von Nikolaus Mármai (Mann); Budaörs 1952: 246-266 „Ostern” und 75. „Guter Rat“.327 J. Assmann 1992:63. Assmann betont, dass die Toten kraft der Erinnerung als Mitglied der Gemeinschaft festgehalten und in die fortschreitende Gegenwart mitgenommen werden. J. Assmann 1992: 33.328 Piliscsaba 1988: 280.

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Volksbund der Deutschen in Ungarn. Im Zusammenhang mit der Vertreibung wird –

meistens vergeblich – nach den geschichtlichen Gründen und Erklärungen gesucht. 329

Um die politische Lage und die Verhältnisse in der Zwischenkriegszeit zu

charakterisieren, wird nicht nur die Aktivität des Volksbundes hervorgehoben, sondern

auch die Nationalitätenpolitik der nationalistisch geprägten Regierungen, die quasi mit

ihrer Madjarisierungsbestrebungen und revisionistischen Politik den

Radikalisierungsprozess der Deutschen in Ungarn in Gang gesetzt haben.330 Bei einem

Teil der Beiträge der Erlebnisgeneration kann die eindeutige Tendenz beobachtet

werden, dass sie versuchen sich vor der Nachkommenschaft zu rechtfertigen.331 Es wird

die Volksbundaktivität gezeigt, wobei der Schwerpunkt auf die Schikanen der

Behörden, die sie zu spüren bekamen, fällt. 332 Von Heimatbuch zu Heimatbuch

wiederkehrt der Gedanke, dass die einfachen Mitglieder den politischen Veränderungen

keine große Bedeutung zugeschrieben haben. Sie sahen nur, dass den Menschen

nunmehr keine Nachteile daraus erwuchsen, deutscher Abstammung zu sein, dass man

die ihnen gebührenden Rechte nun gewährte oder sogar aufzwang.333

Zu dieser Einheit gehört auch die Schilderung des Vereinswesens. Die Vereine spielten

eine wichtige Rolle in der Pflege der Kultur und religiösen Sitten, in der Förderung der

politischen und sportlichen Aktivitäten und in der wirtschaftlichen Fortbildung.

Besonders in der Zwischenkriegszeit herrschte ein reges Vereinsleben. Zu dieser Zeit

gab es kaum jemanden, der nicht Mitglied bei einem oder sogar bei mehreren gewesen

wäre. Nach dem Ersten Weltkrieg sind auf kulturellem, gesellschaftlichem,

musikalischem, kirchlichem und auch auf sportlichem Gebiet neue Vereine gegründet

worden, welche die Dorfgemeinschaft festigten. Besondere Rolle bekommen in den

Heimatbüchern die Feuerwehrvereine und Leichenvereine, die fast in jeder Gemeinde

aufzufinden waren. Einige Heimatbücher lassen sich auf die Darstellung der

Jugendvereine wie Levente, Deutsche Jugend, Kalot, Kalász ein.334 Bei der

Beschreibung der Vereine berichten sie über die Ziele, den Vorstand- und die

329 Bácsalmás 1965: 211-214 und 266; Torbágy 1984: 144; Zsámbék 1988: 161.330 Bácsalmás 1965: 239 und 212-213; Zsámbék 1988: 161; Pusztavám 1978a: 177-180 und 79-84; Torbágy 1984: 143-146; Csávoly 1980: 67-70 und 79-91; Piliscsaba 1988: 275-283.331 Das Heimatbuch von Bácsalmás 1965: 238-241 formuliert so: „Es kann uns ja nicht gleichgültig sein, wie unsere Kinder über uns denken, – wie sie unser Verhalten beurteilen.”332 Pusztavám 1978a: 176-185; Bácsalmás 1965: 211-214.333 Bácsalmás 1965: 266.334 Torbágy 1984: 88-90; Piliscsaba 1988: 226-228; Pusztavám 1978a: 79-84; Csávoly 1980: 74-78. Bei der Darstellung dieser Vereine wird das Politische meistens in den Hintergrund gedrängt.

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Verwaltungsstruktur, geben die Liste der Mitglieder an, sprechen über

Gründungsumstände und Tätigkeit.335

(11) Zweiter Weltkrieg und die Vertreibung

Die enge Verflochtenheit der Themen Zweiter Weltkrieg und Vertreibung bedingt ihre

untrennbare Behandlung. Die direkte Thematisierung des Zweiten Weltkrieges fehlt bei

mehr als 23% der Heimatbücher, bei weiteren 35% nimmt die Darstellung unter 1% des

Gesamtumfangs ein. Die Schilderungen konzentrieren sich fast ausschließlich auf das

Kriegsende. Betont wird, dass entfernt von den Kampfhandlungen, die nur durch immer

neue Meldungen von Gefallenen ins Dorfleben einbrachen, die Ungarndeutschen

während des Krieges in ihrer Gemeinden die Sitten und die Traditionen weiter zu

pflegen versuchten. Erst zur Kriegsende haben sich die weltpolitischen Ereignisse jener

Zeit im persönlichen Schicksal jedes einzelnen Ungarndeutschen niedergeschlagen,

worunter natürlich die Vertreibung bzw. die kollektive Bestrafung der Ungarndeutschen

zu verstehen ist. Das Themenkomplex nimmt 6,6% des Gesamtumfangs ein. Der Anteil

ist relativ gering, wenn wir bedenken, dass dieser Anteil auch die

Evakuierungsmaßnahmen336 und die Versschleppung in die Sowjetunion337 auch

behandelt. Es soll jedoch bemerkt werden, dass die Folgen des Zweiten Weltkrieges und

die Vertreibung in unterschiedlichsten thematischen Zusammenhängen angesprochen

werden. So zieht sich diese Thematik immer wie ein Subtext durch das gesamte

Heimatbuch.338

(12) In der neuen Heimat

30% der untersuchten Heimatbücher beschäftigen sich überhaupt nicht mit der

Problematik der neuen Heimat in Deutschland. Die anderen widmen dieser Thematik –

mit unterschiedlicher Frequenz zwischen 0,85%-17,82% – im Durchschnitt 7% des

Gesamtumfanges. Dabei spielt der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Nämlich je größer die

zeitliche Distanz zur Vertreibung ist, umso mehr gibt es über die neue Heimat zu

berichten. Es sei denn, man betrachtet die Vertreibung als einen endgültigen Abschluss,

335 Torbágy 1984: 80-95; Bácsalmás 1990: 337-372; Budakeszi 1986: 241-259; Kakasd 1959: 8; Bácsalmás 1965: 201-206; Piliscsaba 1988: 226-241.336 Torbágy 1984: 157; Bácsalmás 1990:365, Kakasd 1959: 22-23; Sérsekszöllös 1959: 25-28; Hegyeshalom 1968: 52; Pusztavám 1978a: 180-195.337 Kakasd: 1959: 22-23; Elek: 140-145; Bácsalmás 1965: 254; Csávoly 1980: 82, Torbágy 1984: 172.338 Nagykovácsi 1962: 48 und 81; Torbágy 1984: 40, 108, 130, 132 und 148. Bácsalmás 1965: 110, 147 und 238; Budakeszi 1986: 142, 158 und 222; Budaörs 1952: 112, 130 und 156. Der Begriff ‚Subtext’ ist von Faendrich 2003: 212.

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wonach es nichts Berichtenswertes mehr gibt. Das letztere spiegelt die persönliche

Einstellung des Verfassers zur Vertreibung und zur Vergangenheit der

Dorfgemeinschaft wider.

(13) Sonstiges

Zu dieser Kategorie mit einem Prozentanteil von 7,3% im Durchschnitt gehören

Texteinheiten, die thematisch den oberen Kategorien nicht zugeteilt werden konnten,

wie Vorwort, Grußwort und Nachwort, Danksagung, Spendelisten, Karten,

Handschriften aber auch Literaturverzeichnisse, wenn solche vorhanden sind, wie auch

das Inhaltsverzeichnis. Wir dürfen das reiche Bild und Anschauungsmaterial, die Fotos

und Zeichnungen, Listen und Tabellen, Aufzeichnungen und statistische Daten nicht

vergessen, die das Gesagte stets unterstützen und zur vielseitigen und farbigen

Darstellung der Gemeinden beitragen.

3.2.1 Kollektives Gedächtnis und Identitätsbildung – topographische und

metaphorische bzw. symbolische Gedächtnisorte

In den folgenden Kapiteln sollen die raum- und zeitbedingten Kristallisationspunkte des

kollektiven Gedächtnisses der Ungarndeutschen an Hand ihrer Heimatbücher eruiert

werden, indem gezeigt wird, wie sich die Gedächtnisorte in ihrer Gesamtheit die

Erinnerungen der Gemeinschaft konstituieren. Unter Gedächtnisort verstehen wir

materielle bzw. topographische und metaphorische bzw. symbolische Orte, in denen die

Gemeinschaft sich bzw. ihre Geschichte wieder erkennen kann.339 Dadurch dass sich

diese Gedächtnisorte in den Heimatbüchern manifestieren, werden die selbst zu

Gedächtnisorte, nämlich zu funktionalen. Laut Nora, dem der Begriff Gedächtnisort zu

verdanken ist, ist der Grund für die Entstehung der Gedächtnisorte die Auflösung

selbstverständlicher Gedächtnisgemeinschaften, sodass die immer weiter werdende

Kluft zwischen Erfahrungsraum und Erfahrungshorizont mittels Gedächtnisorten zu

339 Gedächtnis und Erinnerung: ein interdisziplinäres Lexikon. Hrsg. von Pethes, Nicolas/Ruchatz, Jens. Reinbek bei Hamburg, 2001., S. 199., sowie Nora 1990: 26.

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schließen wird, die über einen Bedeutungsüberschuss verfügen müssen, der eine

Metamorphose von Bedeutungszuschreibung ermöglicht.340

3.2.1.1 Der ‚Raum’ als Indiz für geschichts-, sozial- und kulturräumliche Konfiguration

Obwohl Gedächtnisorte parallel materielle, funktionelle und symbolische Dimensionen

haben, organisieren sie Erinnerung im Besonderen aufgrund ihrer Materialität, in dem

sie diese lokalisieren. So denken die Heimatbuchautoren zuerst an etwas räumlich fest

Umgrenztes:

„Etwas südlich der Kreuzung von Groß- und Friedhofsgasse ist die herrschaftliche Trockenmühle [...] Sechs öffentliche Brunnen versorgten die Gemeinde mit Wasser. Drei dieser Brunnen standen in der Bunjevatzensiedlung, einer befand sich unterhalb der Kirche am Kigyos-Bach [...]”341

Man denkt an die Landschaft, in der man aufgewachsen ist, an das Bild des Tals, das

man zuerst in sich aufgenommen hat, an die Berge:

„Die schöne, von Hügeln und Wäldern umsäumte Gemeinde PERBÁL – PERWALL im Ofen-Pilischer Bergland, unweit von der ungarischen Hauptstadt BUDAPEST [...]”342

„Heimat ist Haus, Hof, Heim, Garten, die Nachbarn, die Fluren und Wälder, kurzum: die Vertrautheit und Geborgenheit in einer Umwelt [...] ich möchte nun im folgenden den geographischen Rahmen abstecken, in den die ungarische Heimat der Pusztavámer eingebettet war.”343

Die Bestimmung der geographischen Lage, sogar mit genauen Längen- und

Breitengrad-Angaben, mit klimatischen Verhältnissen und Hinweis auf die Qualität der

Erde344 machen das Eingebettetsein noch eindeutiger. Es ist die Gesamtheit der äußeren

Umgebung, der natürlichen wie auch der von Menschen gemachten, durch die das Bild

der Heimat geformt wird.345 Und dazu gehört nicht nur das Bild der Landschaft, die

340 Ebenda.341 Csávoly 1980: 36-37.342 Perbál 1988: 17.343 Pusztavám 1978a: 17-18.344 Elek 1977: 1-2. Wir dürfen nicht vergessen, dass Klima, geographische Lage, Qualität der Erde, Temperatur usw. im Falle einer bäuerlichen Bevölkerung lebens- bzw. produktionsbestimmend waren. 345 Barna 2001: 74 meint dazu: „Das subjektive Verhältnis des Menschen zum Raum wird als ein vierstufiger Prozess der kognitiven kartographischen Erfassung vorgestellt, im Verlauf dessen der Mensch die registrierten und akzeptierten Umweltinformationen mit subjektiven Inhalten in Verbindung bringt, diese symbolisiert, um dann die subjektive Bedeutung der wahrgenommenen räumlichen Elemente auch auf emotionale Weise aufzuarbeiten, d.h. sie Teil der eigenen Identität werden zu lassen. Auf diese Art und Weise wird uns unsere Umgebung zum „Zuhause”, zum Heimatland, demgegenüber wir Verantwortung und Bindung spüren. So entsteht das lokale Identitätsbewußtsein”

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Geräusche und Gerüche, die zu ihr gehören, sondern auch das Klima und alle anderen

Eigenschaften des geographischen Raumes. „Diese geographisch-historische Plauderei hatte keinen anderen Zweck, als Erinnerungen an eine heimatliche Landschaft zu wecken.”346

Die Heimatbücher von Nagykovácsi (1962) und Torbágy (1984) verfahren nach

Gesichtspunkten wie347

- Umgebung und Lage (Benennung der geographischen Einheiten)

- Verkehrsverbindungen

- Erhebung über dem Meeresspiegel

- Gesamtfläche (Ackerland, Wiese, Gartenland)

- Nachbarorte

Das Bácsalmáser (1965) Heimatbuch sucht in den geschichtlichen Quellen nach der

Lage des ehemaligen Dorfes; widmet diesem Thema aber kein selbstständiges

Kapitel.348 Das Heimatbuch von Budakeszi (1986) beschäftigt sich am detailliertesten

mit den erdkundlichen und geographischen Gegebenheiten seiner Gemeinde.349

Geologische und Reliefkarten dokumentieren den Text, der sich durch Sachlichkeit

auszeichnet. Das Heimatbuch von Piliscsaba (1988) behandelt das Thema auf einer

halben Seite kurz und bündig, weist nur auf die wichtigsten Daten, Tatsachen hin.350 Es

will nicht wissenschaftlich und sachkundig wirken, die Zeilen dienen der Orientierung,

die durch eine einfache Landkarte erleichtert wird. Der Bericht schließt mit einem Zitat

von Elek Fényes, der 1851 über dieses Dorf schrieb.351

Die Heimatbücher gehen auch auf die Schilderung der Ortsteile, der Gemarkung, der

Besitzverhältnisse ein.352 Sie schildern das Straßennetz und das Ortsbild,353 die

Bauernhäuser.354

346 Pusztavám 1978a: 22.347 Nagykovácsi 1962: 19-20; Torbágy 1984: 11-12.348 Bácsalmás 1965: 18-21.349 Budakeszi 1986: 17-31.350 Piliscsaba 1988: 18.351 Die Heimatbücher – besonders die in der ersten Phase der Heimatbuchschreibung entstanden sind – greifen gern auf ältere, dafür aber auch in Deutschland zugängliche Arbeiten zurück, welche die Autoren noch aus der eigenen Schulzeit in Ungarn kennen. So ein Werk ist Fényes, Elek (1842/43): Magyarország statisztikája. Bd. 1-3. Pest, (z.B. Pilicsaba 1988: 18). Aber auch gern wurde Borovszky Samu (red.): Magyarország vármegyéi és városai. Budapest, 1896-1914, zitiert bzw. als Quelle herangezogen (z.B. Vaskút 1983: 672).352 Kakasd 1959: 1 und 6; Budaörs 1952: 146-147; Bácsalmás 1965: 234-235; Piliscsaba: 1988: 60-62; Bácsalmás 1990: 40-43 bzw. 44-77.353 Nagykovácsi 1962: 38-39 bzw. der Ortsplan 40-41. Torbágy 1984: 220-221; Bácsalmás 1990: 115-118 und 119-126 sowie153-154; Majos 1997: 66-72.354 Bácsalmás 1990: 143-152; Budakeszi 1986: 32-38; Piliscsaba 1988: 86-89; Vaskút 1971: 21-25.

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Die Kirche und ihre Ausstattung somit auch die Glocken,355 ferner die kirchlichen

Einrichtungen: Friedhof, Kapellen, Statuen, Wegkreuze356 oder Schul-357 und

Klostergebäude358 werden besonders beachtet.„Die Kirchen mit ihren hoch in den Himmelragenden Türmen waren Herz und Seele der deutschen Kolonistendörfer. Dies kam rein äußerlich auch dadurch zum Ausdruck, daß sie fast auf dem geometrischen Mittelpunkt des Ortes erbaut worden sind.”359

In welcher Reihenfolge die einzelnen Ortsecken, Gebäude, Einrichtungen, Straßen und

die einzelnen Stellen der Gemarkung erwähnt werden, hängt von dem Autor(en) oder

der redigierenden Person(en) ab, deren persönliche Erinnerungen bestimmend für die

Strukturierung sind und sie gleichzeitig zu Verwaltern des kulturellen Gedächtnisses der

Gemeinde machen.360 Bei der Reihenfolge der räumlichen Erfassung von wichtigen

Orten können Leitprinzipien erkannt werden. Vorausgeschickt werden muss aber, dass

der Ort weder von der darin erlebten Zeit, die sowohl die eigene und die

Familiengeschichte als auch die Geschichte der Dorfgemeinschaft impliziert, weder von

der historisch gewachsenen Tradition und vom sozialen Beziehungsgefüge der Gruppe

getrennt werden kann. Die Heimatbücher zeigen den Ort in seiner historisch, kulturell

und vor allem sozial bedingten Komplexität.

A-Typ361

Landschaft, geographische Lage

Kirche(und kirchliche Einrichtungen)

(Schule)

355 Budaörs 1952: 47. und 49-50 sowie 76-78.; Budakeszi 1986: 94-113; Bácsalmás 1965: 31; Pusztavám 1978a: 121-122; Nagykovácsi 1962: 86-103.356Budaörs 1952: 43-50 und 53-70; Bácsalmás 1965: 82-87 und 63 sowie 69-77; Torbágy 1984: 50-51; Nagykovácsi 1962: 86-103; Csávoly 1980: 108-116.357 Budakeszi 1986: 123; Bácsalmás 196: 33; Piliscsaba 1988: 149-161.358 Budaörs 1952: 46; Bácsalmás 1990: 281-284.359 Bácsalmás 1965: 53.360 Dazu Näheres siehe im Kapitel über die Autoren der Heimatbücher.361 Perbál 1988; Budaörs 1952; Nagykovácsi 1962; Elek 1977; Bácsalmás 1965; Vaskút 1983; Bikács 1986; Majos 1997; Hier sei bemerkt, dass das Heimatbuch Zsámbék 1988 in jeder Hinsicht eine Ausnahme bildet. Siehe dazu das Kapitel über die zentralen Themenkomplexe der Heimatbücher der vorgelegten Arbeit.

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Orte des Alltagslebens (Arbeit, bäuerliches und Gemeindeleben)

Hotter, Flur

B-Typ362

Landschaft, geographische Lageund Hotter, Flur

Dorfanlage, Häuser, Ortsbild

Kirche(und kirchliche Einrichtungen)

SchuleOrte des Alltagslebens (Arbeit, bäuerliches

und Gemeindeleben)

C-Typ363

Landschaft, geographische Lage

Orte des Alltagslebens (Arbeit, bäuerliches und Gemeindeleben)

Hotter, Flur, Gemarkung

(Schule)

Kirche (und kirchliche Einrichtungen)

Bei jedem Typ wird von einer umfassenden Betrachtungsperspektive ausgegangen. Das

landschaftliche Eingebettetsein und die geographische Lage dienen als Ausgangspunkt

für die örtliche Erfassung der Gemeinde. Dann wird bei Typ A gleich auf das

Dorfzentrum364 fokussiert, um ein anschauliches Bild von der auch im geistigen

Mittelpunkt des Dorflebens stehenden Kirche zu vermitteln. Danach wird eventuell

noch die Schule erfasst, wonach dann das Blickfeld allmählich wieder breiter wird und

die Gemeinde füllt als funktionierende Gemeinschaft den Raum.

362 Kakasd 1979; Vaskút 1971; Bácsalmás 1990; Csávoly 1980; Piliscsaba 1988.363 Pusztavám 1978a; Torbágy 1984.364 Vgl. die Ortspläne und die beigelegten Karten der Heimatbücher Budaörs 1952: 6; Nagykovácsi 1962: 40-41; Perbál 1988: 234; Bikács 1986: 137. Zwar ist Majos ein Talstraßendorf, trotzdem „den Teil von der Kirche und dem Denkmal talaufwärts in südlicher Richtung bis zum Gemeindehaus kann man als das Zentrum des Dorfes bezeichnen.” Majos 1997: 68.

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Bei Typ B sehen wir die langsame Einengung der Perspektive, wobei der Übergang von

der geographischen Lage und Landschaft zur Darstellung des Hotters und der

Gemarkung als logische Aneinanderreihung zu betrachten ist. Die Dorfanlage, das

Ortsbild und schließlich die Häuser führen uns langsam in das Zentrum hinein, indem

die Kirche und derer Einrichtungen als organische Teile der Gemeinde präsentiert

werden. Die Schule leitet dann von diesem sakralen und gleich profanen Mittelpunkt

über zu den Orten des Gemeinde- und Bauerlebens.

Typ C zeigt am stärksten die zentrale Rolle der Kirche, indem alles langsam darauf

hinarbeitet, dass sich der Mittelpunkt herauskristallisieren kann. Die Konzentration auf

die Kirche wird später auch nicht durch Ausdehnung der Perspektive aufgegeben,

sondern ermöglicht, dass die koordinierende aber auch gleich regelnde Funktion der

Kirche im alltäglichen Leben der bäuerlichen Bevölkerung gezeigt wird und führt damit

zur Darstellung der Sitten und Bräuchen über.

An dieser Stelle sei uns erlaubt, einen Exkurs zu machen: Es darf nicht übersehen

werden, dass in jedem der oben dargestellten Typen die Kirche im Mittelpunkt steht.

Die zentrale Position ist nicht nur topographisch gemeint, sondern sie fungiert wie ein

Knotenpunkt in der Konstituierung des Gedächtnisortes. Durch sie ist es möglich, dass

der topographische Gedächtnisort auch die Tradition in sich aufnimmt. Am Beispiel der

Kirche soll ein tieferer Einblick in den Prozess gewährt werden, wobei gezeigt werden

soll, wie aus einer Dorfgemeinschaft eine Erinnerungsgemeinschaft wird.

Aufgrund seiner Vergänglichkeit, benötigt der Mensch das Gefühl einer historischen

Kontinuität, die Gewissheit, in einer Folge von Generationen zu stehen, die aus der

Vergangenheit kommen und in die Zukunft weiterführen. Die Kontinuität wird

dementsprechend durch die Weitergabe der Tradition als Generationserbe gesichert. Für

die Vertriebenen ist vonnöten dieses kulturelle Erbe der Gemeinschaft, in die sie

hineingeboren wurden, mit der sie sich identifizieren in ihr Gedächtnisort aufzunehmen.

Gleichfalls wollen sie dieses Erbe ihren eigenen Kindern vermitteln und somit erhalten. „[das Ziel des HB-es ist] daß die Vergangenheit auch bei der heutigen Generation nicht ganz in Vergessenheit gerät.”365

„der Nachwelt, nämlich unseren Kindern und Kindeskindern, das zu erhalten, was uns einst gang und gäbe war, was einst unsere Heimat war.”366

365 Piliscsaba 1988: 12.366 Kakasd 1979: 1.

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Tradition ist eine Leistung, die in langen Zeiträumen wächst, die von Generation zu

Generation weitergegeben wird und im kollektiven Gedächtnis der Gruppe aufbewahrt

wird. Zur Tradition gehört alles, was, von den Vorfahren übernommen Geltung

beansprucht und das Leben einer Gemeinschaft ordnet.367

“Dieses Brauchtum unserer Voreltern, das wir noch miterlebt, ja mitgelebt haben, soll hier für die jüngere Generation festgehalten werden.”368

Das Volkstum der Menschen von Bikács wurzelt in den mitgebrachten Sitten und herkömmlichen Brauchtum des Heidebodens.”369

Der Mensch orientiert sich an Wertsystemen seiner Kultur, an den sozialen, sittlichen

und kulturellen Normen und an Institutionen der Gemeinschaft. Für die Vermittlung

von Kultur und Tradition ist es aber nötig, dass die junge Generation sich mit der

älteren identifizieren kann. Die Identifizierung hängt vor allem von der Stärke der

persönlichen Bindung ab, sowie von dem Ausmaß der Veränderung, dem die

betreffende Kultur im Laufe einer Generation ausgesetzt ist.

Die Vertriebenen benötigen für ihre Identität die Summe gegenwärtiger und

vergangener Ereignisse, eben „die Spuren, die sie selbst hinterlassen haben.”370 Die

Möglichkeit, sich dieser Spuren zu vergewissern, ist überhaupt erst Voraussetzung für

Existenz und Fortbestand der Gruppe. Die Vorgeschichte gespeichert im kollektiven

Gedächtnis und dort abrufbar, verhilft dem einzelnen dazu, sich in seiner Lebenswelt

zurechtzufinden. Bezieht man nun diesen theoretischen Rahmen auf die spezifischen

Gegebenheiten der Vertriebenen, ihrer Kultur und Tradition ohne Archive,

Geschichtsbücher, kodifizierte Regeln, so erschließt sich unmittelbar der besondere

Stellenwert der Heimatbücher, insofern sie Tradition formen und vermitteln, und

Archiv, Geschichtsbuch, Regelkodex gleichsam ersetzen. Dadurch aber, dass sie die

sozialen und religiösen Normen, die für viele in der Zeit nach der Vertreibung auch in

der neuen Heimat maßgeblich geblieben sind, aus der Vergangenheit herleiten, tragen

sie maßgeblich zur Konservierung des Heimatbildes bei. Ferner ist die Fokussierung auf

die Tradition ein weiterer Beweis dafür, dass die Heimatbücher durch die Darstellung

des Eigenen, der ethnischen Eigenart identitätsstiftend wirken. Die Dorfgemeinschaft

wird als Traditionsgemeinschaft verstanden, wenn ähnliche Stellen in den meistern

Heimatbüchern stehen:

367 Staatslexikon: Recht, Wirtschaft, Gesellschaft; in fünf Bänden. Hrsg. von der Görres Gesellschaft. Freiburg (u.a.), 1985-19897. Bd. 5. S. 494.368 Csávoly 1980: 258.369 Bikács 1986: 139.370 Halbwach 1967:125.

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“So wie sie über 250 Jahre lang an ihrer deutschen Muttersprache festgehalten haben, so hielten sie neben der Kirche auch ihren Sitten und ihren Volksbräuchen die Treue. Volk – Kirche – Sprache – Sitten und Gebräuche kann man in Turwall als eine unzertrennliche Einheit betrachten. Sittliche Stärke, Ordnung im privatem wie im öffentlichen Leben fußten in tiefer Religiosität, in verankerten Überlieferungen und Gebräuchen. Ihre einheitliche Herkunft und Sprache und der gemeinsame Glaube halfen ihnen, ihr mitgebrachtes deutsches Volks- und Brauchtum in ihrem von ihnen geprägten Dorf aufrechtzuerhalten.”371

Die Heimatbücher bemühen sich insbesondere, wenn die Traditionen gefährdet sind

darum, das noch im kommunikativen Gedächtnis Vorhandene zu retten, und so die

Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überbrücken denn der Verlust der

Tradition würde den Verlust der Identität bedeuten. Selbst P. Nora weist mit Nachdruck

darauf hin, dass eben im Falle der Minderheiten die Wahrheit aller Gedächtnisorte zum

Vorschein kommt.372 Nämlich ohne die Wacht des Eingedenkens fegte die Geschichte

sie bald hinweg. Wäre aber das, was sie verteidigen, nicht bedroht, so brauchte man sie

nicht zu konstruieren.

Umso verständlicher ist die Besorgnis der Heimatbuchautoren, wenn es um die

Tradition geht, wenn wir beachten, dass im Falle der Vertriebenen die Gefährdung der

Tradition mit der räumlichen Trennung von der alten Heimat und der

Traditionsgemeinschaft einhergeht und beschleunigt wird. Denn die Traditionen

resultieren aus der Geschichtlichkeit des Menschen und seinem Angewiesensein auf

institutionelle Sicherung. Das Festhalten an Bräuchen und Ritualen macht das Verhalten

voraussehbar, trägt Ordnung in die Gemeinschaft und verleiht dem Menschen innere

Sicherheit.373 So betrachten es die Heimatbücher als ein wichtiges Anliegen, über die

Lebensform zu berichten – worunter der gesamte Zuschnitt der persönlichen

Lebensführung, die berufliche Arbeit und der damit verbundene soziale Status, der

Besitz und das damit verbundene Gefühl der Sicherheit, die Art des Wohnens, die

Ernährung, die Einteilung des Tagesablaufs, die Freizeitbeschäftigungen und nicht

zuletzt die politisch-gesellschaftliche Atmosphäre, wie sie durch Institutionen und

Sitten bestimmt ist – verstanden wird.374 Zur Lebensform gehören auch das heimatliche

Brauchtum, die speziellen Landestrachten, Sitten und Gebräuche, die Gewohnheiten des

täglichen Lebens, die kleinen Dinge, die aber in ihrer Gesamtheit den Lebensstil

bestimmen. Der topographisch zentralen Rolle der Kirche entsprechend, bildete

371 Torbágy 1984: 131.372 Nora 1990: 17.373 Bastian 1995: 56-59.374 Vgl. Neff, Dorothee: Der Heimatverlust bei den Vertriebenen: ein Beitrag zum Phänomen der Heimat. Erlangen, 1956., S. 20.; sowie Senz, Josef Volkmar: Bayerische Donauschwaben, donauschwäbische Bayern. 30 Jahre Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien Landesverband Bayern, 1949-1979. München, 1979., S. 68ff.

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gewissermaßen der Kalender des Kirchenjahres den Rahmen um alles sonstigen

Geschehen. So behandeln die Heimatbücher die Sitten und Bräuche nach dem

Jahresablauf.375 Aber nicht nur die Jahr für Jahr wiederkehrenden Bräuche waren an die

Kirche gebunden. Brauchtum, Gepflogenheit im Verlauf eines Menschenlebens376 waren

von der Kirche ebenso wenig wegzudenken. Sie waren Leitfaden, genauso wie auch das

ganze Bauernjahr und das Leben der Bauern von Aussaat bis zur Ernte von heiligen

Bräuchen begleitet war. „Der ganze Kosmos des heimatlichen Lebensraumes war in die

segensmächtige Gegenwart Gottes hineingenommen und der fürsprechenden Kraft

seiner Heiligen anvertraut.”377 Eine auf diese Weise im Religiösen verankerte

Heimatverbundenheit ist vor allem in ihren sozialen Auswirkungen bedeutsam, weil sie

zugleich das Leben in der Familie, im Beruf und das Zusammenleben in Nachbarschaft

und im Dorf bestimmt haben.378 Diese religiös determinierten Lebensstrukturen hatten

über Jahrhunderte hinweg Bestand. Es wird auch in dem Heimatbuch von Budakeszi

(1986) eindeutig zu Wort gebracht: “Glaube und Glaubensübung werden vererbt. So bildeten auch die religiösen Bräuche mit ihren festlichen Höhepunkten einen festen Bestandteil im Leben unserer Gemeinde und Familien.”379

Erfahrungen von Kontinuität und Tradition werden in kirchliche Feste miteinbezogen

und prägen den Menschen von Kindheit an. Der enge Bezug dieser Festlichkeiten zum

Jahreszeitenwechsel und zu den Veränderungen in der Natur verstärkte das Gefühl von

Zuverlässigkeit und Vertrautheit, womit die Voraussetzungen für das Entstehen von

Heimatverbundenheit gegeben sind. Die Ordnung und das Gleichmaß der Dinge eines

religiösen Lebens vermitteln den Menschen Zufriedenheit, Geborgenheit sowie das

375 Vgl. z.B. Budakeszi 1986: 203-222; Bácsalmás 1965: 182-195; Nagykovácsi 1962: 109-113; Kakasd 1979: 11-21.376 Bácsalmás 1965: 154-166; Budakeszi 1986: 219-221; Kakasd 1979: 9-10; Piliscsaba 1988: 210-225; Zsámbék 1988: 93-108; Pusztavám 1978a: 123-134.377 Lange, Günter: Heimat – Realität und Aufgabe. Zur marxistischen Auffassung des Heimatbegriffs. [Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Geschichte. Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte; 56] Berlin/Ost, 1973., S. 207.378 Vgl. Bastian, Andrea: Der Heimat-Begriff. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung in verschiedenen Funktionsbereichen der deutschen Sprache. Tübingen, 1995., S. 168-169.379 Budakeszi 1986: 203.

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Gefühl großer Sicherheit,380 was von dem Heimatbuch Budakesi (1986) auch

unmissverständlich formuliert wird:“Das Leben unserer Dorfgemeinde war ohne Kirche unvorstellbar. Der Kalender des Kirchenjahres bildete gewissermaßen den Rahmen um alles sonstige Geschehen. Man fühlte sich geborgen im Schoß unserer Mutterkirche. Nur von dieser Warte aus kann man sich hineinversetzten in ‚unser’ tägliches Leben, für das einst unsere Vorfahren den Boden vorbereitet haben. Daher soll im folgenden die Bedeutung des Kirchenjahres im Kalender unseres Gemeinde Lebens nachempfunden werden.”381

Eine besondere Aufmerksamkeit gilt bei der Darstellung der Sitten den

Kirchweihfesten. Oft werden sie in einem eigenen Kapitel behandelt.382

Die Heimatbücher konnotieren mit dem Begriff Heimat nicht nur die Kirche, sondern

beziehen für diese auch offen Stellung: “Heimat ist: wo die Kirche steht, in der ich

getauft wurde, zur ersten hl. Kommunion ging, wo ich getraut wurde”383

Gemeint ist hier natürlich nicht das Kirchengebäude schlechthin, sondern die

Vertrautheit und Ordnung sowie die Geborgenheit der christlichen Gemeinschaft, in die

man hineinwächst, um ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft zu werden, in der man

jeden kennt und auch selbst anerkannt wird. Die “Bräuche reichen über das Individuelle

hinaus ins Verbindliche als Verstrebungen im Gefüge des Miteinanders, insbesondere

bei Fest und Feier. Sie unterliegen der sozialen Normgebung von Konventionen und

damit auch deren Veränderungen im Kulturwandel mit seinen Modifizierungs- und

Ablösungsprozessen.”384

Wie wir gesehen haben, war die alles umfassende Institution der Kirche und ferner ihre

Bedeutung für die Heimat als soziale Wirklichkeit von größter Prägekraft. Doch nicht

nur in der Vergangenheit hatte die Kirche eine wichtige Stelle im Leben der

Dorfgemeinschaft eingenommen, sondern die Kirche war durch ihre

grenzenüberschreitende Eigenart geeignet als erste Aufnahmeinstitution der 380 Utz, Arthur Fridolin/Groner, Joseph Fulko (Hrsg.): Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens: soziale Summe Pius XII. 2 Bde. Freiburg, 1954., S. 488., betonen auch, dass ebenso die Kirche Wert darauf legt, das religiöse Leben auf jede Weise mit dem Brauchtum der Heimat zu verbinden. Bodenständigkeit und Verwurzelungen in den Überlieferungen gehören zu den grundlegenden Bestandteilen der menschlichen Gesellschaft. Über die enge Verbundenheit zwischen Kirche und Brauchtum reflektiert auch Bastian 1995: 169, indem darauf hingewiesen wird, dass der Papst selbst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges einsetzenden Massenvertreibung im ‚Heimat-Begriff’ die Elemente Tradition, Brauchtum und Sitte mit dem territorialen Aspekt der ‚Bodenständigkeit’ verbindet.381 Budakeszi 1986: 203.382 Kakasd 1979: 10; Budaörs 1952: 170-182; Bácsalmás 1965: 167-168; Zsámbék 1988: 52-92; Piliscsaba 1988: 191-202; Pusztavám 1978a: 12. Hier sei bemerkt, dass das Heimatbuch von Csávoly 1980: 226-349 am detailliertesten die Volkskunde der Gemeinde behandelt. Eine wichtige bekommt dabei der Volksdichtung und der Volkskunst zu.383 Budakeszi 1986: 298.384 Evangelisches Staatslexikon. Begründet von Kunst, Hermann/Grundmann, Siegfried. Hrsg. von Herzog, Roman. 2 Bde. Stuttgart, 19873. Bd. 2. S. 3143.

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Vertriebenen zu fungieren, weil die verbindenden Gemeinsamkeiten trotz nationaler

und lokaler Unterschiede bedeutender sind. Das gilt genauso für die Kolonisten der

Ansiedlungszeit wie für die Vertriebenen in der neuen Heimat, wodurch sich die ersten

Zeichen des Brückenschlags zwischen den geschichtlich bedingten Gedächtnisorten

‚Ansiedlungszeit’ und ‚Vertreibung’ konturieren:

“Die ersten deutschen Siedler brachten aus ihren Herkunftsländern Gottesfurcht, Frömmigkeit und Glaubenstreue mit. Diese Religiosität vertiefte sich in ihrem schweren Kampf um die Existenz und gegen Elend und Krankheit in der für sie fremden Welt. Bei schweren irdischen Schicksalsprüfungen wandten sie sich um Hilfe an eine höhere Macht, an Gott. Auch die Sehnsucht nach ihrer verlassenen Heimat plagte sie zusehends, und suchten Trost bei ihrer jungen Kirche.“385

“Der gemeinsame Glaube aber formte sie durch die Jahrzehnte zu einem einheitlichen Volke. Unter ihnen gab es von Anfang an laue und eifrige Christen. Gemeinsamer Kampf und gemeinsame Not verband sie schon frühzeitig miteinander und lehrte sie beten und ihr Vertrauen auf Gott zu setzen.”386

In den schicksalsschweren Jahren der Anfangszeit gaben der Glaube und die kirchliche

Gemeinschaft die Kraft ihre Lage zu meistern:

„Die Bevölkerung stand aber auch weiterhin mutig und entschlossen zu ihrem Glauben und zu ihrer Religion auch dann noch, wenn sie sich zu einer Zusammenkunft in irgend einer Wohnung oder einfachen Scheune insgeheim versteckt treffen mußten.”387

„Wir haben Beweise dafür, daß die damaligen Bewohner von Budaörs in ihrer tiefgläubigen Gottergebenheit sich den ihnen auferlegten Schicksal nach anfänglicher Verwirrung besonnen und ruhig fügten.”388

Genauso tauchen der Glaube und die Kirche als Trost und letzte Hoffnung bei der

Darstellung der ersten Jahre in der neuen Heimat auf.

„Das Heimweh, das in den ersten Jahren die Leute arg plagte – so manche starben an der Sehnsucht nach der Heimat – wird gelindert und das Vertrauen auf Gott gestärkt.”389

Der gegenseitige Bezug der Gedächtnisorte ‚Ansiedlungszeit’ und ‚Vertreibung’

aufeinander, der auf der zeitlichen Ebene in voller Kraft zum Vorschein kommt, zeigt

sich auch in diesem Zusammenhang, zwar in einem anderen Kontext, jedoch mit ebenso

überzeugender Kraft. Denn wie die Kolonisten in der Kirche die erste Institution

gefunden haben, die ihnen Halt und das Gefühl der Zusammengehörigkeit und

Geborgenheit gab, sah man auch nach der Vertreibung eine erste Möglichkeit der

Betreuung der Flüchtlinge und Vertriebenen im kirchlichen Bereich. Nichtsdestotrotz

385 Torbágy 1984: 130.386 Nagykovácsi 1962: 103.387 Bikács 1986: 52.388 Budaörs 1952: 21.389 Nagykovácsi 1962: 61.

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blieb die Bindung an die Kirche der alten Heimat bei jedem Vertriebenen am stärksten

erhalten. Sie steht symbolisch für die durch die Kirche geprägte Gemeinschaft der

Dorfbewohner.

“Sie vergaßen aber auch ihre Turwaller Heimatkirche nicht, und bei ihren gelegentlichen Besuchen ist ihr erster Weg in ‚ihre’ Heimatkirche.”390

Wie durch das Beispiel der Kirche gezeigt wurde geht es bei der örtlichen Erfassung

nicht um Beschreibung selbst: Die Landschaft, der Ort und die Gebäude, alles was den

Raum füllt, ist nicht an sich wichtig. Zu dieser Erkenntnis kommen auch die Verfasser

der Heimatbücher, wenn sie formulieren:

„Wenn diese Steine und Ziegel sprechen könnten, was würden die alles erzählen. Auch über die Vergangenheit von Bikács geben die verbliebenen Steine, Ziegel und sonstige Gegenstände sowie die in verschiedenen Büchern zu findenden kurzen, alten Aufzeichnungen Aufklärung und Information.”391

Die einzelnen Orte werden selbst zu Trägern der Erinnerung und über ein Gedächtnis

verfügen, das weit über das der Menschen hinausreicht.392 Durch die Erinnerung wird –

mit Hilfe von Landkarten, Bildern, Photos und erdkundlichen Beschreibungen sowie

landschaftlichen Schilderungen ferner durch die Schilderung des Ortsbildes393 – der

Heimatort als Gedächtnisort konstruiert, um all das, was an sie an Erinnerung anhaftet,

aus dem kollektiven Gedächtnis abrufbar zu machen:

„Überall, wo Kowatscher daheim sind, möge es [das Heimatbuch] die Heimat, die verlorene, neu erstehen lassen!”394

„Das Bild der Heimat soll uns dadurch herrlich, lebendig erstehen und sich unauslöschlich in unsere Herzen einprägen.“395

390 Torbágy 1984: 130. Ein Beweis dafür, dass die Bindung an die heimatliche Kirche nicht unterbrochen werden konnte ist, dass die Vertriebenen Spenden an die Heimatkirche aus der Bundesrepublik Deutschland überwiesen oder der Pfarrgemeinde überreicht hatten.. Die Zeitung der Ungarndeutschen “Unsere Post” berichtet in fast allen ihrer Nummer von einer Spendeaktion oder bringt den Aufruf des Gemeindepfarrers zur Spende für die Glocken, für die Renovierung der Heimatkirche. Die Heimatbücher wie z.B. Piliscsaba 1988: 321 gehen darauf detailliert ein.391 Bikács 1986: 9.392 Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München, 1999., S. 298.393 Bácsalmás 1990: 119-126.; Bikács 1986: 132-134.; Majos 1997: 66-69.394 Nagykovácsi 1962: 9.395 Budaörs 1952: 5.

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Die Kirche,396 der Friedhof397 und die Schule398 bekommen in den Heimatbüchern eine

besondere Beachtung. Wie J. Assmann darauf hingewiesen hat, ist jede Gruppe, die sich

als solche konsolidieren will, bestrebt, sich Orte zu schaffen und zu sichern die nicht

nur Schauplätze ihrer Interaktionensformen abgeben, sondern Symbole ihrer Identität

und Anhaltspunkte ihrer Erinnerung. So bilden Gruppe und Raum eine symbolische

Wesensgemeinschaft, an der die Gruppe auch festhält, wenn sie von ihrem Raum

getrennt ist.399

Wenn an etwas Räumliches gedacht wird, meint man also letzten Endes die Erinnerung,

die Geschichte die mit diesem Haus, Gebäude, Ort verbunden ist. Das Ziel der

Heimatbücher ist, diese anhaftende Geschichte, die Vergangenheit zu zeigen und

dadurch von dem physischen Ort los zu lösen, damit er im Weiteren als Gedächtnisort

fungieren kann.

„Kehren wir jetzt zu unseren Betrachtungen und Gedanken in die Vergangenheit zurück und rufen wir unsere Erinnerungen und Erlebnisse wach, die manchmal aus unserem Gedächtnis verschwunden sind. Sie leben noch in uns und werden im Laufe der Zeit durch wiederholtes Erzählen nur schöner und farbiger.”400

„Das vorliegende Buch soll diese Erinnerungen an unsere Heimatgemeinde in Wort und Bild festhalten [...] es soll kulturgeschichtliche Fakten festhalten und die Erinnerung an das Leben und Wirken unserer Vorfahren in der alten Heimat festigen und der Nachwelt überliefern.401

Das Gedächtnis der Heimatorte der Vertriebenen ist in die Topographie ihres Landes

eingeschrieben und kann aus diesem Land wieder reaktiviert werden.402

„Wie gern bin ich im Pfarrhaus gesessen, in den alten heimeligen Stuben im traulichen, angeregten Gespräch mit Pfarrer, Vater und Mutter, wenn das Groß-Kowatscher Tal das Gewand der vier Jahreszeiten anzog und wechselte, wenn der Abend über die waldigen Höhen hereinkam und wir die Lichter anzündeten. [...] Obwohl längst schon in der fernen Heimat, war mein Denken immer in Groß-Kowatsch, im Dorf, in Kirche und Pfarrhaus. [...] Aber immer gibt es Bilder aus der Vergangenheit, die man wieder sucht, in ihnen wieder blättert und nachsinnt, man kann sich nicht losreißen von der Vergangenheit [...], da denke ich an ein stilles Dorf und seine guten Menschen, an Kirche und Pfarrhaus, an alles, was lebt und schon tot ist,- an meine liebe verlorene „Heimat” - das ist mein Groß-Kowatsch im Ofner Bergland, wo ich wirklich daheim war.”403

Was diese Orte mit einem besonderen Vermögen ausstattet, Erinnerungen zu

fokussieren, Gedächtnis zu bündeln, ist allem voran ihre feste und langfristige

396 Nagykovácsi 1962: 19 und 86ff.; Csávoly 1980: 97-118; Pusztavám 1978a: 106ff; Bácsalmás 1965: 63-88; Elek 1977: 58ff.; Bikács 1986: 54ff.; Bácsalmás1990: 127ff.; Perbál 1988: 39-51. Vaskút 1983: 518-537.397 Perbál 1988: 60-61; Vaskút 1983: 538-542.398 Bácsalmás 1965: 94-104.; Elek 1977: 75-85.; Csávoly 1980: 131ff.399 J. Assmann 1992: 39.400 Bikács 1986: 9.401 Perbál 1988: 11.402 Vgl. A. Assmann 1999: 303.403 Nagykovácsi 1962: 15-16.

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Verbindung mit Familiengeschichte. So ist der Gedächtnisort aus persönlicher

Dimension auch wichtig und stärkt die Bindung dazu. Einen solchen Ort nennt A.

Assmann einen Generationenort, wo die Mitglieder einer Familie in einer

ununterbrochenen Kette der Generationen geboren und begraben worden sind. 404

Die Bedeutung der Generationenorte entsteht mit einer langfristigen Bindung von

Familie an einem bestimmten Ort. Dabei entsteht ein enges Verhältnis zwischen

Menschen und geographischem Ort: Dieser bestimmt die Lebens- und

Erfahrungsformen der Menschen ebenso, wie diese den Ort mit ihrer Tradition

imprägnieren. 405

Wenn wir den Ort, die im Heimatbuch dargestellte Gemeinde als eine Verflechtung von

Gedächtnis- oder Generationenort verstehen, kann auf eine physische Anwesenheit vor

Ort verzichtet werden – vielen Vertriebenen, so auch manchen Autoren blieb die

Rückkehr in die ehemalige Heimat erspart406 –, denn der Ort und darin mit inbegriffen

die ganze Dorfgemeinschaf kann durch die anhaftenden Erinnerungen rekonstruiert

werden und durch die Rekonstruierung und Neubelebung fortbestehen.

Obwohl aus den theoretischen Überlegungen von A. Assmann ausgehend der Heimatort

der Vertriebenen auch Züge eines Gedenkortes aufweisen kann, wo eine Geschichte

gewaltsam abgebrochen wurde, doch wird nicht als solche von den Vertriebenen

wahrgenommen. Zurückzuführen sei das auf die Tatsache, dass sie nicht vor Ort

miterlebt haben, wie sich der Gedächtnis- bzw. Generationenort zu einem Gedenkort

wurde. Ein Gedenkort sei das, was übrig bleibt von dem, was nicht mehr besteht und

gilt. Was vorhanden ist, sind zersprengte Fragmente eines verlorenen oder zerstörten

Lebenszusammenhanges. Der Ort hält materielle Relikte fest, die zu Elementen von

Erzählungen und damit wiederum zu Bezugspunkten eines neuen kulturellen

Gedächtnisses werden. Um dennoch fortbestehen und weitergelten zu können, muss

eine Geschichte erzählt werden, die das verlorene Milieu supplementär ersetzt, denn mit

der Aufgabe oder Zerstörung eines Ortes ist seine Geschichte noch nicht vorbei. Die

Kontinuität, die durch Eroberung, Verlust und Vergessen zerstört worden war, kann 404 A. Assmann 1999: 301. Am Genenrationsort entsteht eine Art Verwandtschaft zwischen Örtlichkeit und Menschen. Diese Bindung zeigt sich am stärksten, wenn die Heimatbücher die Friedhöfe darstellen. In der Heimaterde begraben zu sein, steht symbolisch für diese Verwandtschaft von Ort und Menschen. Die heimatliche Erde als ein Stück Heimat wird auch oft von den Vertriebenen in die Fremde mitgenommen, um diese Bindung an den Ort aufrechterhalten zu können. 405 A. Assmann 1999: 308-309.406 Erspart eben, weil, als viele zurückgekehrt sind, erlebten sie eine große Enttäuschung. Denn was sie als virtuellen Gedächtnisort durch Jahre mit sich geschleppt haben, ist durch die Konfrontation mit der Wirklichkeit eigentlich ein Gedenkort, wo die abgebrochene Geschichte sich in „Ruinen und Relikten” manifestiert.

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nicht nachträglich wiederhergestellt werden, aber es kann im Medium der Erinnerung

an sie angeknüpft werden.407 Gedenkorte, an denen sich etwas von dem erhalten hat,

was nicht mehr ist, aber von der Erinnerung reaktiviert werden kann, markieren

Diskontinuität. Was hier gegenwärtig ist, signalisiert in erster Linie dessen

Vergangensein.

Diese Erfahrung vom Gedenkort nur dessen eigen, die Jahre nach der Vertreibung eine

Reise in die alte Heimat machen. Darüber berichten die Heimatbücher mit tiefster

Betroffenheit:„Daseinst so schöne, saubere, stolze Dorf war nicht wiederzuerkennen! Ich glaube, fast sagen zu dürfen, daß es dem Ruin entgegen geht. Manches Haus ist schon eingestürzt, manch schöner Nuß- und Birnbaum, der einst vor den Häusern stand, wurde ohne triftigen Grund abgesägt.[...] es tat mir bitter weh zu sehen, was aus unserer lieben alten Heimat geworden ist! Alles, was unsere Vorfahren mühsam und mit viel Liebe gegründet und aufgebaut haben, geht immer mehr in fremde Hände über und dem sicheren Chaos entgegen!”408

„Wie tot lag alles da, und durch die offenen Türen und eingeschlagenen Fenster pfiff klagend und jammernd der Wind. Wo gestern noch das Leben blühte, wo die schönen alten Lieder klangen, breitete sich hernach ein großes, stummes Niemandsland aus.”409

„Es war ein Wiedersehen mit einem Teil dieser Heimat. Was wir sahen war nur noch das Äußere, die Schale dieser Heimat.”410

Das Vergangenheitsbewusstsein, das an einem Gedenkort haftet, ist von ganz anderem

Charakter als das Vergangenheitsbewusstsein, das zum Gedächtnisort gehört. Jenes fußt

auf der Erfahrung von Diskontinuität, dieses auf der Erfahrung von Kontinuität.411 Zwar

verdanken die Heimatbücher infolge der Vertreibung ihre Entstehung der Erfahrung der

Diskontinuität, aber eben dadurch dass ihr Ausgangspunkt nicht der Heimatort nach der

Vertreibung ist,412 kann es sich primär nicht um einen Gedenkort handeln:„Nicht diese Heimat soll im nachfolgenden beschrieben werden, sondern jene Heimat zwischen 1718 und 1945, die von unseren Ahnen, von unseren Vorgängern geprägt wurde, und die uns an das schwere Schicksal der Kolonistenzeit, aber auch an all das Schöne und Lebendige, an das heile Gefüge einer Dorfgemeinschaft erinnert, wie sie uns in unsrer Gedankenwelt erhalten geblieben ist.”413

407 A. Assmann 1999: 309.408 Nagykovácsi 1962: 66.409 Budaörs 1952: 50.410 Kakasd 1979: 12.411 A. Assmann 1999: 309.412 Das Heimatbuch Torbágy 1984: 13-14 schreibt dazu „Das frühere Schwabendorf gibt es nicht mehr […] Auch strukturell ist eine revolutionäre Veränderung im ehemaligen deutschen Dorf Turwall eingetreten […] dabei wurden die Grabsteine vom alten Friedhof entfernt […][so] ist es von besonderer Wichtigkeit, das Bild der früheren Heimatgemeinde in diesem Buchlebendig erstehen zu lassen, die Felder, Wiesen, Weinberge und Obstgärten, die Häuser, Familien, Trachten, Gebräuche, Vereine, Feste, Kirche, das kirchliche Leben u.v.a. aufzuzeigen.”413 Kakasd 1979: 12.

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Die Bindungskraft des Raums, des Ortes ist aus weiterer Dimensionen der Erinnerung

wichtig. Der Ort steht für eine unabänderliche Verwurzelung in Familie,

Verwandtschaft, Sprache (Dialekt), Herkunft aus einem bestimmten Dorf:

„Das ist der Boden, wo wir das Licht erblicken, wo das erste Menschenauge sich liebend über unsere Wiege neigte, [...] wo wir einwurzelten und aufwuchsen vom Kinde zum Knaben, vom Jüngling zum Manne, vom Mädchen zur Frau. [...] ist unsere Sprache, unsere Mundart, und die vertrauten Laute, die aus unserer Muttermund zuerst an unser Ohr tönten. [...] Das ist das Dorf, die Stadt, das Land, wo wir Weg und Steg, jede Straße, jeden Platz, die Kirche, jedes Haus kennen und Schmerz empfinden, wenn uns eines davon verloren geht.[...]wo man uns [...] kennt und anerkennt, wo man das Gefühl der Zusammengehörigkeit erfährt und spürt [...]”414

„Wir denken an den Ort, wo unsere Wiege stand, […]wo wir […]heranwuchsen […]die ersten Schuljahre ihren Anfang nahmen […] die ersten Schritte in das berufliche Leben und Schaffen versucht haben […] dann eine Familie zu gründen wagten”415

Mit dem Ort verbinden die Heimatbücher die erste soziale Orientierung und die

personale Geborgenheit. Die Heimat sehen sie dort, wo die Welt zum ersten Mal

gedeutet worden ist, wo alles vertraut, erlebt ist. Das verlangt die Thesen der

Primodialisten zu unterstützen, die davon ausgehen, dass das Hineingeborenwerden in

eine Gemeinschaft das Individuum determiniert und ihm eine statische

Heimatvorstellung einprägt.416 Die zitierten Stellen scheinen damit im Einklang zu

stehen. Jahre nach der Vertreibung sehen die Heimatbücher in dem Geburtsort die

Heimat, wobei natürlich auch die verklärende Erinnerung Ursache für das statische Bild

von Heimat sein kann. Das Heimatgefühl gilt primär nicht einem objektiv vorhandenen

Ort, sondern spezifischen Kindheits- und Jugenderlebnissen, die erfahrungsgemäß nur

dann verdrängt worden sind, wenn sie negativ waren.417 Bei einer Rückkehr in das

Heimatdorf erlebt man dann eine tiefe Enttäuschung, wenn sie schreiben:„Nicht wenige kamen leicht enttäuscht zurück und sagten: 'Es ist nicht mehr so wie früher!'„418

Dadurch wirft sich die Frage auf, ob es sich wirklich um ein statisches Heimatbild

handele oder werden hier die Heimatklischees und Worthülsen eingesetzt, um affektive

Wirkung zu erreichen. Nach den Primodialisten wäre es denn unmöglich sich eine

zweite Heimat anzueignen, das aber schließen die Heimatbücher nicht aus. Sie sprechen

von einer zweiten oder neuen Heimat und schildern das Leben und die Eingliederung in

diese. Handele es sich um ein statisches Heimatbild, wäre dieser Teil völlig

ausgeklammert oder überhaupt nicht verbalisiert.

414 Elek 1977: X.415 Torbágy 1984: 4.416 Vgl. Spranger 1923, sowie Boehm, Max Hildebert: Das eigenständige Volk. Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften. Göttingen, 1932.417 Vgl. Bredow/Foltin 1981: 28418 Perbál 1988: 224

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So lässt sich vermuten, dass es mit Klischees gearbeitet wird, um die emotionale

Bindung an diesen Raum zum Ausdruck zu bringen. Die wahre emotionale Bindung gilt

nicht den Bildern familiärer Geborgenheit und wird auch nicht von Kindheits- und

Jugenderlebnissen symbolisiert, sondern sie ist die emotionale Ortsbezogenheit, welche

die Zugehörigkeit zu einer größeren, örtlich beschränkten Bezugskategorie bedeutet, die

eng mit dem Sozialzusammenhang der Ortsgemeinde in Verbindung steht und durch

den Ortsnamen symbolisiert wird.419 In Gegensatz zur Ortsbezogenheit ist das

Heimatgefühl auf Intimgruppen gerichtet. Den Vertriebenen fehlt aber nicht die

Familie, – sie sind ja in den meisten Fällen zusammen mit den engsten

Familienmitgliedern ausgewiesen worden, – sondern die Bindungen an den Kontext der

Gemeinde.

Dabei kristallisiert sich eine romantisch-ländlichen Konnotation von dem Begriff

Heimat heraus, deren Wurzeln im 19. Jh. gesucht werden müssen, als bestimmte

Bevölkerungsschichten vom Industrialisierungsprozess profitierten. Anderen Gruppen

bot der Wandel aber keine neue Perspektive, sie verloren ihre bisherigen Privilegien und

wurden von den Ereignissen quasi überrollt. Weite Teile des traditionellen Bürgertums

hatten unter dem Aufbrechen der bestehenden sozialen und politischen Strukturen zu

leiden. Sie reagierten mit Kompensations- und Rückbesinnungsversuchen auf die

vermeintliche bessere Welt der Vergangenheit. Das Heimatbild der Heimatbücher trägt

am stärksten die romantisch-ländlichen Merkmale des Begriffs. Moosmanns

Erkenntnisse helfen die Intention und Motivationshintergrund der Heimatbücher zu

erkennen:„In diesem aufgenötigten Wandel entsteht das Gefühl der Bedrohung und des Verlustes. Auf diese Bedrohung antworten viele Menschen mit dem Bedürfnis, etwas bewahren zu wollen, sei es, dass sie krampfhaft versuchen, an ihrer Lebensweise festzuhalten, sei es, dass sie ihre alten Lebensgewohnheiten mit den Bedingungen ihrer neuen Existenz zu verbinden trachten. Heimat wird zu einem wichtigen Lebensgefühl, wenn die Traditionen und die dingliche Lebensumwelt, in der man selbstverständlich sich bewegt, kollektiv und individuell bedroht werden .[...] Das Festhalten eines Zustandes, der Heimat genannt wird, ist nur eine Verarbeitungsform von Verlusterfahrungen.“ 420

Der romantische Begriff verweist auf einen Raum, der dem Menschen zur

Kompensation von ihm erlebten Versagungen und Unsicherheiten dient.421 Die

419 Treinen 1965: 295420 Moosmann 1980: 45.421 Bausinger 1984: 15. Heimat wurde zum Kompensationsraum, formuliert Bausinger 1984:15, „in dem aber auch die Annehmlichkeiten des eigenen Lebens überhöht erscheinen […] In den Bildern und Sprachbildern melden sich damals feste Formeln des Pittoresken heraus, die bis heute für diese Vorstellung von Heimat maßgebend sind – Heimat als Besänftigungslandschaft, in der Scheinbar die Spannungen der Wirklichkeit ausgeglichen sind.“

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Heimatbücher zeigen eine retrospektiv geschaffene, imaginäre Heimat, und bezeichnen

sie konsequent als das verlassene Dorf in Ungarn, die sie mit Verlusterfahrungen,

Existenzbedrohung, und zugleich vertrauter Lebensweise, Traditionen und Sicherheit

verbinden. Heimat wurde, wenn auch nur für die kurze Zeit des Erinnerns, zum

Ersatzraum, in dem die Entsagungen und Unsicherheiten des eigenen Lebens

aufgehoben schienen. Es ist eine Bedeutungskomponente, die in der Romantik entstand,

und noch heute das Klischee von Heimat prägt.422 Dementsprechend ist Heimat auch in

den Heimatbüchern nicht unbedingt ein konkretes, auf einen bestimmten Ort einen

bestimmten Personenkreis bezogenes Faktum mehr, sondern ein imaginäres

Wunschbild, welches sich durch Allgemeinheit, Abstraktheit, Neutralität und

Austauschbarkeit auszeichnete und alle widerspenstigen und individuellen

Realitätmomente abstreift.423 Diese Eigenart führt dazu, dass das vermittelte Heimatbild

der einzelnen Heimatbücher wie ein festgeprägtes Klischee austauschbar ist, sodass man

das Gefühl hat, hat ein Heimatbuch gelesen, kennt man alle.

Sehr wichtig ist die zeitliche Dimension, in die Vergangenheit gerichtete

Perspektive, denn ein derartiges Heimatgefühl sei stets Rückbesinnung und Rückkehr.424

Das reimt sich mit dem nostalgischen Ton und rückwärtsgewandte Perspektive der

Heimatbücher. Die Sehnsucht nach etwas in wahrem Sinne nie dagewesenem zeigt

auch, dass dieses romantisch-ländliches Heimatbild der Heimatbücher ein „Kunst-

Produkt, für das keine Wirklichkeit stand,“425 ist. Dabei wurde die verlorene Dorfheimat

zum idealisierten Wunschtraum von Geborgenheit und Sicherheit, des überschaubaren

Bereichs, in dessen kleiner Gemeinschaft die eigene Person noch etwas galt, zum

Idealbild von schöner und gesunder Landschaft. Aller verdrängte Gefühlsreichtum, alle

Phantasie schmückte diese scheinbar heile Welt aus,426 wie das die folgenden Zeilen,

welche schon sogar eine künstlerische Sprachverwendung anzielen, auch beweisen:

422 Vgl. Liebing, Jürgen: Heimat deine Heimat. Ein Lesebuch. Darmstadt, 1982., S. 7. Jens, Walter: Nachdenken über Heimat. Fremde und Zuhause im Spiegel deutscher Poesie. In: Bienek, Horst (Hrsg.): Heimat. Neue Erkundungen eines alten Themas. München-Wien, 1985., S. 14-26., hier S. 15., sagt dazu: „Die Sonntagsheimat war eine Erfindung von Bürgern, die sich inmitten einer von wenigen Kapitalisten und vielen Industriearbeitern bestimmten Welt ein Refugium zu sichern trachtete, mit dessen Hilfe sie die Bedrohung von oben und unten [...] zu kompensieren versuchten: Heimat als verklärtes Gestern, heile Welt und Relikt ständestaatlicher Ordnung im Zeitalter der Verstädterung, Industrialisierung, Vermassung“423 Bausinger 1984: 15. Gerade dies gab diesem Heimatbegriff jene Flexibilität und Schmiegsamkeit, mit denen er bis in die Gegenwart überdauern konnte.424 Vorländer 1984.: 36.425 Zum romantisch-ländlichen Heimatbegriff siehe Jens 1985: 16.426 Vgl. Buchwald, Konrad: Heimat heute. Wege aus der Entfremdung. In: Wehling, Hans-Georg (Hrsg.): Heimat heute. Stuttgart, 1984., S. 34-59., hier S. 35.

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„Du grüner Hain/ Im Sonnenschein,/Vergissmeinnicht/Beim Morgenlicht“427

„Du kannst sie tausendmal verlassen/Und kehrst doch immer ihr zurück./Sie ist mit Türmen, Kirchen, Gassen/Dein unverlierbar-letztes Glück./Sie birgt der Jugend reinste Träume, Sie schließt dich ein wie Mutterschoß.[...]“428

Heimat wird zu einem „Erlebnis- und Bewußtseinsinhalt“429 und löst sich auf in ein

Gefühl,430 das in dem Heimatbuch Budakeszi (1986) so zum Ausdruck gebracht wird:

„Umsorgt zu sein, keine Angst haben zu brauchen, auch mich frei fühlen zu können und

jederzeit die Möglichkeit zu haben, meine Sorgen und Kümmernisse abzuladen.“431

Dieser Rückzug aus der Realität wird als wesentliches Kriterium für den romantischen

Heimatbegriff gesehen.432 Das romantische Heimatbild hat den Zweck, den gegen die

natürlichen Veränderungen gerichteten Gefühlen einen adäquaten Kompensationsraum

– als Hoffnungsträger – zu bieten. Heimat wird verstanden als Gegenbild zu den

gegebenen gesellschaftlichen Zuständen, als Lösung der kritisierten Probleme durch

Rückbesinnung auf „alte Werte“,433 die in den Heimatbüchern eine zentrale Rolle

spielen und einen Kompensationsraum darbieten.

Der Wert Natur ist Bestandteil der Heimatideologie. Allerdings ist dies eine ebenso

realitätsferne und klischeehafte Natur, wie auch die vorgestellte bäuerliche Dorfidylle.

Die Heimatbücher verbinden auch Heimat und ländliche Lebenswelt,434 um die

verschiedensten Wünsche und Sehnsüchte zu zum Ausdruck zu bringen. Das Dorf, mit

seiner unversehrten Einsamkeit war für viele Vertriebenen auch die Welt der Kindheit,

die in der Erinnerung mit der ländlichen Heimat verbunden wird,435 wie es im

Heimatbuch von Pusztavám (1978a) explizit steht:

„Heimat ist Haus, Hof, Heim, Garten, die Nachbarn, die Fluren und Wälder: die Vertrautheit und Geborgenheit in einer Umwelt, wo wir geboren und aufgewachsen sind. Heimat heißt Verwurzeltsein mit dem Boden der Ahnen und das Bekenntnis dazu.“436

427 Budaörs 1952: 4.428 Torbágy 1984: 5.429 Endres, Rudolf: Der Heimatbegriff der Jugend in der Gegenwart. In: Geographische Rundschau 19 (1967), S. 25-32., hier S. 25.430 Jeggle, Utz: Wandervorschläge in Richtung Heimat. In: Tübinger Universitätszeitung 49/50 (1974), S. 11-15., hier S. 69.431 Budakeszi 1986: 299.432 Vgl dazu Vorländer 1984: 36, wenn er sagt: „Dieses Sich-Zurückziehen […] verrät die gesellschafts- und ideologiegeschichtlich bekannte bürgerliche Neigung zur Flucht aus der Realität in die ‘inneren Werte’, die es ja glücklicherweise ‘noch’ gibt.“433 Sieferle, Rolf Peter: Heimatschutz und das Ende der romantischen Utopie. In: Arch+. Zeitschrift für Architektur und Städtebau 81 (1985), S. 38-42., hier S. 38.434 In der romantischen Heimatvorstellungen können nicht nur unversehrte Dörfer als Idyllen auftreten, sondern auch „romantische“ Städte, die dann heimatfähig waren, wenn sie, alt, malerisch, von Burgen gekrönt und von Geschichte umrauscht waren. Vgl. Linse 1986: 1958.435 Siehe zu den emotionalen Statisfaktionserlebnissen Kramer 1973: 11.436 Pusztavám 1978a: 17.

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Wenn die Heimatbücher das Dorf mit der Heimat gleichsetzen, dann nicht mit dem

Raum oder Ort primär, sondern mit dem geistig-seelischen Gehalt, dem Geflecht von

Beziehungen, das den ganzen Raum ausfüllt der bestimmend für die meisten deutschen

Heimatvertriebenen und für ihr Leben geblieben ist, obwohl sie geographisch-räumlich

weit entfernt von der ehemaligen Heimat leben, die es im Sinne des Erinnerten gar nicht

mehr gibt.437

Das Namenkorpus einer Gemeinde ist nicht nur bei der Orientierung und

geographischen Festlegung wichtig, sondern bleibt ein fester Bestandteil des

kommunikativen bzw. kulturellen Gedächtnisses der Gruppe. Im Bereich des

kommunikativen Gedächtnisses konnte eine Bezeichnung aufgenommen werden, wenn

der Bezugsgegenstand unmittelbar sichtbar, für die Gemeinschaft objektiv relevant oder

ohne Umschweife evident ist.438 „Diese Struktur innerhalb des kommunikativen

Gedächtnisses erfährt ihre erste Verformung in Richtung Erinnerung, wenn der

Bezugsgegenstand nicht mehr vorhanden ist. Jetzt fungiert das alte Zeichen als Spur, die

zu Ehemaligem führt und es im Gedächtnis behält.”439

Bezeichnungen, die dem kulturellen Gedächtnis entstammen, werden in einem

verwaltungstechnischen Prozess festgelegt.440 Sie reichen aber über die topographische

Orientierung hinaus. In ihnen wird festgeschrieben, was künftig für die Kommune als

verpflichtendes Erbe und damit als Identitätsaufhänger gelten soll: vor allem Personen

und historische Ereignisse.

Dementsprechend bekommt der Ortsname eine symbolische Bedeutung und

wird gegebenenfalls selbst zu einem Gedächtnisort.

Auf der Titelseite der Heimatbücher erscheint immer der Name der darzustellenden

Gemeinde. Eine Besonderheit dieser Dörfer war ihr ungarndeutscher Charakter, der

schon auf der ersten Seite zum Ausdruck gebracht werden sollte. Entweder durch die

Nennung des Ortsnamens sowohl in der ungarischen Sprache als auch in der im Dorf

437 Vgl. Weigelt, Klaus (Hrsg.): Heimat und Nation. Zur Geschichte und Identität der Deutschen. [Studien zur politischen Bildung; 7] Mainz, 1984., S. 17.438 Vgl. Gedächtnis und Erinnerung 2001: 567.439 Ebenda.440 Staatlich gelenkte Namensgebung hat es sich erst in der jüngeren Geschichte, insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert gegeben. Vgl. Debus, Friedhelm: Soziologische Namengeographie. In: Debus, Friedhelm/Seibicke, Wilfried (Hrsg.): Raeder zur Namenkunde I. Namentheorie. Hildesheim-Zürich-New York, 1989., S. 315-338., hier S. 324., sowie Barna, Gábor: Reale und symbolische paralelle Welten im Banat. In: Retterath, Hans-Werner (Hrsg.): Ortsbezüge. Deutsche in und aus dem mittleren Donauraum. [Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde; Bd. 5] Freiburg, 2001., S. 63-80., hier S. 70.

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gebräuchlichen Form441 und/oder durch den als Untertitel gedachten Satz „Werden und

Vergehen einer deutschen Siedlung in Ungarn”442, „Werden und Vergehen eines Dorfes

in der Schwäbischen Türkei/Ungarn/Ortsgemeinschaft ‘Warasch’”443oder „Heimatbuch

einer ungarndeutschen Gemeinde aus der Batschka”444 sowie gleich den Charakter des

Heimatbuches andeutend „Geschichte und Erinnerungen an unsere Heimatgemeinde in

Ungarn”.445

Einen festen Bestandteil der Heimatbücher bildet die Auseinandersetzung mit dem

Ortsnamen bzw. seiner Herkunft.446 Das Heimatbuch von Kakasd erzählt die im

ungarischen Volksmund entstandene Sage über den Ortsnamen,447 ferner weist es auf

die urkundliche Erwähnung hin, ohne die Quellen angeführt zu haben. Das Heimatbuch

von Budaörs (1952) wiedergibt „die volkstümliche Erklärung des Namens

>Budaörs<.”448

Das Heimatbuch von Nagykovácsi (1962) verfolgt geschichtliche Veränderung der

Ortsbezeichnung, beruft sich aber, um glaubwürdiger zu wirken, auf geschriebene

Quellen, wie „Aufschrift am Kirchenportal” oder „in den Kirchenbüchern wird die

Gemeinde unter diesem Namen genannt.”449 Ferner wird sogar Bezug auf die

Fachliteratur genommen. Die zitierte Fachliteratur und das benutzte schriftliche

Material verraten den Laienforscher, der als solcher auch in anderen Heimatbüchern zu

ertappen ist:

„eine Urkunde [welche?] erwähnt [...] ein anderes Dokument [welches?] aus dem Jahre 1404 berichtet.”450

441 Vgl. Bácsalmás 1965, Bácsalmás 1990, Bikács 1986, Csátalja 1988, Piliscsaba 1988. Hornung, Maria: Namen in Sprachinseln: Deutsch. In: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. Hrsg. von Eichler, Ernst/Hilty, Gerold/Löffler, Heinrich/ Steger, Hugo/Zgusta, Ladislaw. Berlin-New York, 1995., S. 1032-1038., hier S. 1033., meint dazu: „Grundsätzlich ist für Ortsnamen in Sprachinseln Mehrnamigkeit charakteristisch. Zweinamigkeit ist die Regel, wobei zur Bezeichnung durch die ortsansässige Bevölkerung jener Name kommt, der im Gastland üblich ist. Allerdings ist eine weitere Namenform durch mundartliche Aussprache häufig.” 442 Pusztavám 1978a.443 Bonyhádvarasd 1996.444 Csávoly 1980 vgl. Nagykovácsi 1962.445 Perbál 1988.446 Pusztavám 1978a: 23-25; Perbál 1988: 17; Budaörs 1952: 7; Vaskút 1971.5; Vaskút 1983: 11; Bikács 1986: 15; Csávoly 1980: 28; Zsámbék 1981; Piliscsaba 1988; Budakeszi 1986.11. Mit der Antwort auf die Frage „woher kommt der Ortsname?” soll nicht nur die Neugier des Fragenden befriedigt werden, der Autor erhofft sich auch zusätzliche Informationen und Erkenntnisse über den Namenträger. Vgl. Seebold, Elmar: Wortgeschichte/Etymologie der Namen. In: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. Hrsg. von Eichler, von Ernst/Hilty, Gerold/Löffler, Heinrich/Steger, Hugo/ Zgusta, Ladislaw. Berlin-New York, 1995., S. 602-610., hier S. 602.447 Kakasd 1959: 2-3 sowie Kakasd 1979: 14.448 Budaörs 1952: 14.449 Nagykovácsi 1962: 16-17.450 Vgl. Elek 1977: 2 bzw. Piliscsaba 1988: 15. Ebenso verfährt das Heimatbuch von Torbágy 1984:47, das neben den verschiedenen urkundlichen Erwähnungen des ungarischen Ortsnamens auch die

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„Alldies vorbemerkt, müssen wir in der heutigen Ober-Bácska im mittelalterlichen Komitat Ober-Bodrog einen Ort mit ähnlichem Namen suchen. Ich meine darum nicht fehlzugehen [...].”451

Der Autor des Heimatbuches Majos (1997) versucht, mit Hilfe von wissenschaftlichen

Auseinandersetzungen die Entwicklung des Ortsnamens zu erläutern.452 Den mit

urkundlichen Belegen fundierten Aufsatz unterbricht er mit naiv formulierten Sätzen,

um seine eigenen Erkenntnisse in den Text hineinzubauen:„Hier möchte ich aber einflechten, daß ich bei meinen Forschungsarbeiten in einigen Urkunden [in welchen?] und Kirchenmatrikeln des 18. Jahrhunderts die Schreibweise Mayus und Majus noch gefunden habe.”453

Jedes der Heimatbücher beschäftigt sich mit dem deutschen Namen der Gemeinde,

wenn auch nicht immer detailliert; jedoch darf der Satz nicht fehlen: „mundartlich

sagten wir.”454

Der Ortsname bekommt eine besondere, symbolische Bedeutung, denn all die

Bindungen zur Gemeinde, können mit dem Ortsnamen zum Ausdruck gebracht werden.„Es wird folglich, wenn irgend möglich, konsequent unterschieden zwischen unserem Schambek (Heimat mit all ihren Bedeutungsinhalten, besonders der Gemeinschaft) und dem anderen Zsámbék, wie es als geographischen Ort oder sinnbildlicher Punkt anderer Identität auf der Landkarte erscheint. – Als Heimatbuch ist es also in erster Linie euer Erinnerungsbuch, liebe Schamberker.”455

Ausdrücke wie „wir Eleker”456, „überall, wo Großkowatscher daheim sind”457, „das

uns noch vereinende Wort, den Begriff einer Gemeinschaft, 'Vaskút'“458 zeugen davon,

dass mit dem Ortsnamen immer auch die Gemeinschaft gemeint ist. Daraus folgt, dass

diese Gruppe von Menschen den Ort als Symbol für bestimmte Charakteristika eben

dieser Gruppe betrachtet.459 Den Symbolgehalt auszulegen, zu deuten ist das

Entstehung der deutschen Bezeichnung durch Analogiebildungen darstellt.451 Bácsalmás 1965: 12. Das zweite Bácsalmáser Heimatbuch (1990), das sich als solche auf der Titelseite bezeichnet und sich als Fortsetzung bzw. Ergänzung des erste auffasst, verzichtet auf die Beschäftigung mit dem Ortsnamen.452 Majos 1997: 31ff.453 Majos 1997: 32.454 Vgl. Csávoly1980: 28. In solchen Fällen können wir davon ausgehen, dass die endonyme Bezeichnung vom Siedlungsnamen durch die deutschsprachigen Bewohner auf dem Wege der Eindeutschung eines bereits vorhandenen fremdsprachigen Toponyms erfolgte, oder die exonyme Ortsbezeichnung wurde im Munde deutscher Bewohner umgeformt. Vgl. Hornung 1995. Als weiterführende Literatur zum Thema siehe Schwing, Josef: Die deutschen Orstnamen Südtransdanubiens (Ungarn). In Suevia Pannonica. Archiv der Deutschen aus Ungarn 28 (2000), S. 90-127.455 Zsámbék 1988: 5.456 Elek 1977: 180.457 Nagykovácsi 1962: 9.458 Vaskút 1971: 108.459 Vgl. Treinen, Heiner: Symbolische Ortsbezogenheit. Eine soziologische Untersuchung zum Heimat-Problem. In: Atteslander, Peter/Hamm, Bernd (Hrsg.): Materialien zur Siedlungssoziologie. Köln, 1974., S. 234-259., hier S. 243.

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Hauptanliegen der Heimatbücher. Den Ort – laut Treinen460– müssen die Mitglieder der

Gruppe als konstanten Faktor im Situationszusammenhang der Gruppenbeziehungen

betrachten können.461 Der Ort als konstanten Faktor, sehen die Einwohner der

Gemeinden nicht nur vor der Vertreibung, sondern auch danach in Deutschland:

„Das Zusammengehörigkeitsgefühl und das sich fast drei Jahrhunderte herausgebildete Bewußtsein, zu einer engen Schicksalsgemeinschaft verschweißt zu sein, führte die Schambeker auch in Deutschland immer wieder als Dorfgemeinschaft zusammen.”462

„Es soll das Bild unserer geliebten Heimat in den Herzen von Jung und Alt erstehen lassen und unser Selbstbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.”463

Die Heimatbücher gehen mit Nachdruck auf die Hotter-, Flur- und Gemarkungs- sowie

Straßennamen ein.464 Das Interesse bei der Gemarkung erklärt sich aus der bäuerlichen

Kultur. Der dominante landwirtschaftliche Charakter der Dörfer prägte auch die

Einstellung seiner Einwohner. Infolge der kollektiven Bestrafung der ungarländischen

Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aber auch schon im März 1945 im Rahmen der

Bodenreform kam es zur Enteignung des Besitzes. Es war für die bäuerliche

Bevölkerung ein harter Schlag, den zu verkraften Jahrzehnte nötig waren, wenn man

sich darüber überhaupt hinwegsetzen konnte. So halten die Heimatbücher es für das

wichtigste Anliegen, diese Besitzverhältnisse wenigsten schriftlich in diesem

Erinnerungsbuch festzuhalten und die von den deutschen Einwohnern gebrauchten

Bezeichnungen zu erwähnen und damit den vermeintlichen Anspruch oder das

Besitzerrecht dokumentiert zu haben. „Dadurch, daß der […] Mensch ihnen einen

Namen verleiht, nimmt er sie in Besitz. Doch der Name markiert nicht allein den Raum,

sondern auch die an den Ort gebundenen Ereignisse der Geschichte einer in dem Raum

lebenden menschlichen Gemeinschaft.”465

460 Vgl. Treinen 1974: 245.461 „Interaktionen, die sich in diesem Situationszusammenhang der Gruppenbeziehungen abspielen, in dem der >Ort< konstantes Element und Symbol darstellt, verstärken die affektive Bedeutung des Symbols, also seine emotionale Besetzung.” Treinen 1974: 245. Vgl. Arnolds (2001) Beitrag über das virtuelle Dorf.462 Zsámbék 1988: 182.463 Piliscsaba 1988: 9.464 Näheres zur Namentheorie und -kunde siehe Debus, Friedhelm/Seibicke, Wilfried (Hrsg.): Raeder zur Namenkunde I. Namentheorie. Hildesheim-Zürich-New York, 1989.; und Debus, Friedhelm/Seibicke, Wilfried (Hrsg.): Raeder zur Namenkunde II. Anthroponymie. Hildesheim-Zürich-New York, 1993.; sowie Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. Hrsg. von Eichler, Ernst/Hilty, Gerold/Löffler, Heinrich/Steger, Hugo/Zgusta, Ladislaw. Berlin-New York, 1995. Namenforschung in Ungarn mit weiterführender Literatur siehe Vincze, László: Namenforschung in Ungarn. In: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. Hrsg. von Eichler, Ernst/Hilty, Gerold/Löffler, Heinrich/Steger, Hugo/Zgusta, Ladislaw. Berlin-New York, 1995., S. 243-250.465 Barna 2001: 67.

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Aus der Sicht der Heimatbücher sind die Bezeichnungen wichtig, die sich auf das

kommunikative Gedächtnis zurückführen lassen, ohne Rücksicht darauf, dass manche

schon damals Teil des kulturellen Gedächtnisses geworden sind. Die Bezeichnungen

sind Eigenleistungen der bäuerlichen Bewohner dieser Dörfer. „Die Namen sind

konkret, sachbezogen, beschreibend-kennzeichnend, sinnlich-anschaulich.”466

So finden wir immer die Gassen- und Straßennamen „Friedhofsgasse”, „Kleines Gassl”,

Kirchengasse;”467 Quergasse (Zwerigassn), Nockerlgasse (Nokedlgassen).468 Beim

letzten wird auch die Erklärung hinzugefügt, dass es sich dabei um eine Sackgasse

handelt.

Bei den Flurnamen finden wir, soweit es den Verfassern und den Mitarbeitern bekannt

war, die Herkunftserklärung bzw. an die Namengebung knüpfende Geschichte.

- Pfarrerhügel (Pfoarahiewl): Den Hügel kaufte sich einst der örtliche Pfarrer469

- Tanos (Tanosch-Hiewl): Diese Flur bekam vom ehemaligen Gutsbesitzer den

Namen, Heute Weide.470

- Saulücke(Saulucka): Dort suhlten sich die Schweine der Herrschaft.471

Das Heimatbuch von Kakasd (1979) betrachtet es als seine Aufgabe, die Flur und

Hausnamen zu deuten:„Sie sind Brücken des Vergleiches, die die Vergangenheit mit dem Heute verbinden, die wie Versteinerungen aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart hereintragen, zum Teil noch in sehr klaren Formen, deren Sinn man leicht enträtseln kann, manchmal aber etwas verschwommen, im Laufe der Zeit abgeschliffen und nicht mehr weiteres verständlich.”472

Zwar ist dem Verfasser klar, das es vor der Zeit der Deutschen in Kakasd auch

Flurnamen gab, – er beschäftigt sich auch kurz damit – ,bemerkt aber gleich betonend:„als alte Flurnamen, die mit der Vorgeschichte dieses Gebietes verbunden sind und die es schon vor der Ansiedlung der Deutschen gab, sind nur wenige zu betrachten […] auf der Gemarkung Kakasd sind es auch nur zwei Flurnamen, die auf die Zeit vor der Ansiedlung der Deutschen hinweisen.473

466 Debus 1989: 324.467 Csávoly 1980.37.468 Obwohl in der beigelegten Karte (Bikács 1986: 133) die offiziellen ungarischsprachigen Verwaltungsnamen der Straßen stehen, werden im Kapitel über Bauten, Straßen- und Flurnamen die von der ortsansässigen deutschen Bevölkerung gegebenen Bezeichnungen angeführt, denn für die potenziellen Leser sagen nur die etwas.469 Bikács 1986: 134.470 Bikács 1986: 135.471 Bikács 1986: 136.472 Kakasd 1979: 73.473 Kakasd 1979: 73-74.

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Die Auseinandersetzung mit den örtlichen Flurnamen ist dann sehr anspruchsvoll und

detailliert. Eine Besonderheit des Dorfes wird auch hervorgehoben, nämlich seine

Hausnamen. Der Hausname war etwas Ortseigenes, er war an das jeweilige Haus

gebunden. In manchen Fällen ist die namengebende Familie längst schon ausgestorben,

oder wenn kein männlicher Nachkommen da war, trugen die Einwohner des Hauses

schon einen anderen Namen, aber der Hausname erhielt sich als Orientierungspunkt im

Dorf. Die Hausnamen lassen sich nicht nur auf Familiennamen zurückführen. 474

Schön der Reihe nach dokumentiert das Heimatbuch alle von den deutschen

Einwohnern gegebenen Namen.475 Ebenso bemühen sich andere Heimatbücher, auch die

noch im kommunikativen Gedächtnis vorhandene Erklärung für die Bezeichnungen zu

geben oder wenigstens den in Dorf üblichen Namen zu erwähnen.„'Koch-Friedhof' über dem Kastell – zu ihm gelangte man nur durch den Hof eines Hausbesitzers namens Koch.”476

„Honifgärten (Hanfgarten).”477

Das Heimatbuch von Majos (1997) stützt sich zwar auf ein Buch über die

geographischen Namen im Komitat Tolnau, fügt aber mit der Autorität des Ortkundlers

und Zeitzeugen hinzu: „Da ich nicht mit allen einverstanden sein kann, werde ich

hierzu meine eigenen Angaben machen.”478 Im Kapitel Flurnamen werden erklärte

deutsche Bezeichnungen aller Art gebracht (Straßennamen, Ortsteile, Hausnamen, Flur-

und Feldnamen u.a.).479

Das Heimatbuch von Torbágy (1984) weist darauf hin, dass „bei der Ansiedlung fanden

die deutschen Kolonisten keine Einwohner und wahrscheinlich nur wenige

Straßenbezeichnungen vor, denn sie gaben jeder von ihnen errichteten Straße einen

deutschen Namen.”480 Nach einem Straßenverzeichnis, in dem die ursprünglich

deutschen, anschließend die früheren ungarischen und in Klammern die heutigen

Straßennamen präsentiert werden, kommt es zur Deutung von einigen Straßen- und

474 Über die Entstehung des Hausnamens berichtet das Heimatbuch Kakasd 1979: 99 Folgendes: „Klanatischlers […]geht zurück bis in das 18. Jahrhundert. Nach mündlichen Überlieferungen, wie mir der letzte noch lebende Hofstelleninhaber, 'dr Klaanatischlr-Basch',auf meine Befragung sagen konnte, ist bei ihnen auf der 'Wurstsuppe' oft darüber gesprochen worden, wo dieser Hausname eigentlich herkommt. Der erste Hofstelleninhaber soll Tischler gewesen sein. Er trug aber nicht den Namen Klein (Klaa), sondern war klein, vom Körperwuchs her gesehen. Daher die Bezeichnung: 'Klaanatischler.'“475 Kakasd 1979: 73-95.476 Zsámbék 1981: 31.477 Pusztavám 1978a: 64.478 Majos 1997: 82.479 Majos 1997: 82-97.480 Torbágy 1984: 141. Zu den Zusammenhängen zwischen Ortsname und Siedlungsgeschichte siehe Ernst, Peter/Hausner, Isolde/Schuster, Elisabeth/Wiesinger, Peter (Hrsg.): Ortsname und Siedlungsgeschichte. Akten des Symposiums in Wien vom 18.-30. September 2000. Heidelberg, 2002.

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Hausnamen sowie Ortsteilbezeichnungen. Das Heimatbuch beruft sich immer auf eine

im Volksmund entstandene Geschichte bzw. mündliche Überlieferung.

Das Heimatbuch Budaörs (1952), Bácsalmás (1965 und 1990), Perbál (1988), Vaskút

(1983) und auch Elek (1977) versuchen nicht, die Straßennamen zu deuten. Sie

benutzen einfach bei der Darstellung des Ortsbildes und der Ortsbaugeschichte die

deutschen Bezeichnungen.481 Das Heimatbuch von Nagykovácsi (1962) verfährt

genauso, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Auseinandersetzung

mit der Gemarkung und Flursystem unter dem Gesichtspunkt „wirtschaftlicher Bestand

und verlorener Besitz”482 unternommen wird. Das ältere Heimatbuch von Vaskút (1971)

behandelt die Namen der von den Deutschen errichteten Straßen, wobei es darauf

hindeutet, dass „die deutschen Ansiedler die vorgefundenen slawischen und

ungarischen Orts- und Flurnamen, wenn auch entsprechend ihrem Sprachempfinden”483

übernahmen. Nach der Einführung der ungarischen Amtssprache sind die deutschen

Namen einfach ins Ungarische übersetzt worden. Für besonders wichtig hält der

Verfasser darauf hinzuweisen, dass die neuen Namen im Zuge der Umbenennung der

Straßen von 1927 an große madjarische Patrioten erinnern und die territoriale

Revisionspolitik der ungarischen Regierungen der Zwischenkriegszeit bewusst machen

sollten.484 Das Heimatbuch von Piliscsaba (1988) geht auch auf dieses Problem ein:„In Tschawa hatten alle Straßen und Gassen ursprünglich deutsche Namen. […] In den dreißiger Jahren hieß es jedoch umlernen – die gewachsenen vertrauten Bezeichnungen wurden in willkürlich ausgesuchte Namen der ungarischen Geschichte umgewandelt.”485

481 Vgl. Budaörs 1952: 28-29; Perbál 1988: 18; Vaskút 1983: 323; Elek 1977: 47-53; Die Flurnamen werden im Eleker Heimatbuch 1977: 124 ohne die Erwähnung einer deutschen Entsprechung ausschließlich ungarisch zitiert. Siehe noch Bácsalmás 1990: 115-142. Das ältere Heimatbuch von Bácsalamás 1965 verfährt genauso, aber bringt noch zusätzlich eine Karte von der Gemarkung auf Seite 143. Hier geht es in erster Linie nicht um die deutschen Namen, sondern um Besitzverhältnisse. Ihn dieser Hinsicht können Gemeinsamkeiten zwischen diesem und dem Heimatbuch von Nagykovácsi (1962) erkannt werden.482 Nagykovácsi 1962: 46-47. Die soziolinguistische Untersuchungen (vgl. Walther, Hans: Gesellschaftliche Entwicklung und geschichtliche Entfaltung von Wortschatz und Namenschatz. In: Debus, Friedhelm/Seibicke, Wilfried (Hrsg.): Raeder zur Namenkunde I. Namentheorie. Hildesheim-Zürich-New York, 1989., S. 339-355.) zu Flur- und Gemarkungsnamen weisen auch darauf hin, dass dem Bauern nicht nur die Acker- bzw. Feldbezeichnungen wichtig sind, sondern gleichermaßen die natürliche Gliederung des Geländes, die Bewässerung, Vegetation, Zugänglichkeit durch Wege, Lage zum Dorf sind lebens- und produktionsbestimmend. Besonders von hoher praktischer Bedeutung sind die Besitzgrößen und die Besitzverteilung, die Besitzstruktur im Dorf und in der Flur. Vgl. Vaskút 1971: 110-123.483 Vaskút 1971: 20. Zu den Perspektiven der Ortsnameforschung siehe Debus, Friedhelm/Eichler, Ernst/Walther, Hans: Benennung und Sprachkontakt bei Eigennamen. In: Beiträge zur Namenforschung. Neue Folge. Beiheft 27. (In Verbindung mit Rolf Bergmann und Jürgen Untermann hrsg. von Rudolf Schützeichel.) Heidelberg, 1988.484 Vaskút 1971: 20; siehe dazu noch Straßennamen als ‚verstecktes Politikum.’ In: Koß, Gerhard: Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik. Tübingen, 1990., S. 90ff.485 Piliscsaba 1988: 107.

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Das Heimatbuch von Pusztavám (1978a), Torbágy (1984), Elek (1977), Bikács (1986),

Budaörs (1952), Piliscsaba (1988), Vaskút (1983) sowie Zsámbék (1988) legen dem

Text auch einen kleinen Ortsplan bei, in dem die Straßennamen, Ortsteile usw. in

Deutsch stehen. Eine Ausnahme bildet das Heimatbuch von Bikács (1986), in dessen

kopierten Karte vom Katasteramt die Namen ungarischsprachig sind. Das Heimatbuch

von Piliscsaba (1988) verfügt über zwei Ortspläne, von denen der eine bestimmt aus der

Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist (Felszabadulás út, Lenin út),486 und demgemäß

sind alle Bezeichnungen ungarischsprachig. Der andere, dem Buch beigefügte Faltplan

des Ortes, enthält sowohl ungarische als auch deutsche Bezeichnungen. Im Kern des

Dorfes werden die Straßen fast ausschließlich auf deutsch genannt. Genauso die

entlegenen Straßen, Ortsteile – es sei denn sie haben im Leben der Dorfgemeinschaft

von Anfang eine Rolle gespielt. Alles andere wird ungarisch wiedergegeben.487 Obwohl

– wie darauf das Heimatbuch von Vaskút (1971) konkret hinweist – die Straßennamen

mit der Einführung der ungarischen Amtssprache bestimmt in jedem Dorf auch

ungarisch geworden sind, beharren die Heimatbücher auf den deutschen Bezeichnungen

nicht nur durch ihre konsequente Verwendung im Textfluss, sondern auch im Falle der

Ortspläne. Das deutet einerseits darauf hin, dass sich nicht selten „aus der

zugrundeliegenden Haltung heraus neben den offiziellen, meist von ‚oben’ gegebenen

Namen andere 'volkstümliche in der sprachlichen Grundschicht entwickelt [haben], oder

sie sind von Anfang an neben den amtlichen vorhanden gewesen.“488 Andererseits

rundet die sozial determinierte Namengebung das Bild des Gedächtnisortes dadurch ab,

dass sie Gruppenbewusstsein als entscheidendes konstituierendes Merkmal verstärkt. 489

Wenn man ein Heimatbuch aufschlägt, ist das reiche Bild- und Anschauungsmaterial

sehr auffallend. Die Listen, Tabellen, Dokumente, statistische Daten und Karten sowie

Zeitungsartikel unterstützen stets das Geschriebene, sodass der Text und das

Anschauungsmaterial einander ergänzen, indem das letztere als eine Art Dokumentation

und Beglaubigungsmedium zu deuten ist. 490 Das gilt vor allem für die geschichtliche 486 Piliscsaba 188: 121.487 Zusammenhänge können zwischen der ostsgeschichtlichen Entwicklung und der Bezeichnungen auch entdeckt werden 488 Debus 1989: 326489 Walther, Hans/Schultheis, Johannes: Soziologische Aspekte der Eigennamen. In: Debus, Friedhelm/Seibicke, Wilfried (Hrsg.): Raeder zur Namenkunde I. Namentheorie. Hildesheim-Zürich-New York, 1989., S. 357-377., hier S. 358. Die spezifische Namengebung und der spezifische Namenbrauch wirken ihrerseits nicht nur gruppenstiftend nach innen, sondern auch über die Gruppe hinaus.490 Am Beispiel der Heimatbücher von Elek (1977) und von Csávoly (1980) soll die Vielfalt des Bild- und Anschauungsmaterials dargestellt werden.

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Darstellung der Heimat, als würde man immer wieder den Wahrheitsgehalt der eigenen

Geschichte(n) unterstreichen wollen und die subjektive Einstellung der eigenen

Vergangenheit gegenüber kompensieren. Andererseits sollen die Spuren in diesem

Raum auch mit historischen Belegen gesichert werden. Wobei gleich eine Art

Archivierung auch erfolgt. Für die Gemeinden sind die grundbestimmend, denn die

Dokumente sind Meilensteine ihrer Geschichte als funktionierende Gemeinschaft und

dienten konstituierend. Die Tabellen und Liste der verschiedenen Würdenträger sowie

Heimatbuch von Elek (1977):Fotos: Kirche S. IX.; Ortsbild S. 6-10.; Kirche S. 15.; Hauptplatz S. 14.; Haus S. 46ff.; innere Ausstattung der Kirche S. 50-60.; Pfarrer S. 63. und S. 65.; Wallfahrtort M. Radna S. 64.; Ansichtskarte S. 68.; Friedhof S. 69.; Schule S. 75-76. und S. 80.; Tracht S. 85. und S. 225. sowie S. 227-229.; Pfadfinder S. 81.; Fußballer S. 82.; Herz-Jesu- Garde S. 83.; Laienschauspielergruppe der Operette „Obsitos” S. 84.; Brunnen S. 88.; Familienphotos S. 90.; Bezirkspflegeheim (Armenhaus) S. 95.; Gemeindevorstand S. 97.; Feuerwehr S. 90.; Bauernpaar S. 114.; Kuhherde S: 119.; Beim Dreschen S: 120.; Mühle S. 127-129.; Zimmerleute S. 134.; Bauerverein S. 136.; Parlamentsabgeordnete S. 138-139.; Bauernbubenkameradenschaft S. 181.; Frau beim Spinnen S. 196.; Frau mit Brotleiben S. 199.; Uniform der Kindermusikkapelle S. 202.; Mutter mit Kleinkind S. 222.; Handwerkerburschen im Wirtshaus S. 214.; Bauermädchen S. 215.; Rekrutenball S. 216.; Tanzgruppe auf dem Weinleseball S. 218.; Handwerkertanzgruppe S. 219.; Hochzeitsvorbereitungen S. 220.; Hochzeitsphotos S. 221.; Nähkurs 1917 S. 223.Weitere Anschauungsmaterialien: Landkarte Ungarns S. II.; Eine Urkunde aus St. Martin S. 21.; Landkarte aus 1724 und 1744 S. 22.; Landkarten der Komitaten Arad, Zaránd S. 23-24.; Briefumschlag mit einem Testament S. 26.; Liste: Herkunft der Familien aus der ersten Ansiedlung (1732) S. 27-31.; Liste der Ortschaften aus denen die Siedler 1724 und 1744 nach Elek kamen S. 36-38.; Liste der angesiedelten Familien S. 39-42.; Ein handgezeichneter Ortsplan S. 48.; Hausgrundriss S. 52-53.; Liste der Gefallenen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges S. 71ff.; Tabellen über die demographischen Veränderungen S. 74-77.; Statistische Daten über den Schulbesuch S. 78-79.; Erhebungen der Volkszählungen; Urkunde aus 1775 S. 107.; Konskriptionsliste 1762 S. 115-116.; Liste der Dreschmaschinenbesitzer S. 120.; Daten der Gemeinde Elek in chronologischer Reihenfolge S. 148-150.; Gemälde 1824 S. 151.; Fünf Listen aus dem Ungarischen Staatsarchiv S. 152-157.; Speisezettel der drei Faschingstage S. 187-188.; Mitglieder der Musikkapelle S. 207.; Levente Musikkapelle S. 209.; Jägerausweis 1922 S. 231.; Namenliste des Elekers Heimatkomitees S. 235.; Anhang mit Dokumenten S. 236-239.Heimatbuch von Csávoly (1980):Fotos: Oberbürgermeister S. 4.; Die Verfasser S. 9., S. 88., S. 155. und S. 223.; Levente-Mannschaft S. 73.; Das erzbischöfliche Wappen an der Csávolyer Kirchentür S. 94.; Steinkreuz vor der Kirche S. 96.; Dreifaltigkeits- oder Cholerasäule S. 98.; Kirche S. 100.; Kirchenaltar S. 101.; Innere Ausstattung der Kirche S. 104-107.; Kalvarienberg S. 109-110.; Michaeliskapelle S. 111.; Familiengruft und Grabsteine S. 112-113.; „Muttergottesmädchen 1933-1934“ S. 119.; Firmung S. 122.; Familienphotos S136.; Laienspielgruppe S. 141.; Schulklasse S. 142.; Schule S. 145.; Lehrer S. 147.; Tracht S. 237-245.; Haus 253-254.; Schrank S. 255.; Taufpolster S. 266.; Erstkommunion S. 322.Weitere Anschauungsmaterialien: Siegel der Gemeinde S. 7.; Tabelle: Viehbestand und landwirtschaftliche Produktion der Gemeinde Soroksár S. 20.; Deckblatt zur Soroksárer Urbarialkonskription 1770 S. 21.; Die erste Seite eines Ubarialvertrages von 1772 (in bunjewatischer Sprache) S. 35.; Froschauer-Karte von 1783 S. 38.; Urbarialkonskription 1788 und Liste über die Besitzverhältnisse und Einwohnerzahl der Nationalitäten S. 41-46.; Landeszusammenschreibung 1848 S. 50.; Tabelle: demographische Veränderungen S. 53.; Liste der Toten des Ersten Weltkrieges S. 64-66.; Liste der Toten des Zweiten Weltkrieges S. 80-82. Registerschein des Flüchtlingslagers in Pirna S. 84.; Umsiedlerpass und Gesundheitsbescheinigung S. 85.; Patenschaftsurkunde S. 91.; Grabinschriften S. 112.; Listen der Pfarrer S. 123-124.; Contrakt mit dem Schulmeister S. 132-133.; Statistische Daten über den Schulbesuch S. 138.; Weihnachtslied S. 143.; Landkarte S. 160.; Bittschrift der Soroksárer Einwohner an Kaiser Joseph II. 1771 S. 170.; Getreideerträge 188.; Kartenausschnitt mit Tretplätzen und Friedhofsgelände S. 192.; Tabelle: Aufgliederung der Kulturarten und der landwirtschaftlichen Nutzfläche S. 201-205.; Tabelle: Bertiebsgrößenstruktur S. 211.; Tabelle über die landwirtschaftlichen

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Beamten und Pfarrer des Dorfes betonen die Kontinuität der Gemeinschaft in diesem

Raum. Zwar gelingt noch das Anschauungsmaterial in diesen Fällen zu dem dazu

gehörenden Text zu platzieren, jedoch findet man Heimatbücher, bei denen aus

finanziellen Gründen, die Fotos zum größten Teil am Ende 491 oder thematisch

gruppiert, gesammelt alle 10-20 Seiten gebracht werden.492

Wir sollten dabei auch das potentielle Lesepublikum nicht vergessen. Die primären

Adressaten sind die ehemaligen Dorfbewohner bäuerlicher Prägung. Für die meisten

sagen Tabellen oder informative Listen, also das Faktische viel mehr und lassen für sie

die erlebte Welt der Heimat viel intensiver erstehen. Hier tritt die Archiv-Funktion der

Heimatbücher am auffälligsten zum Vorschein. Ähnliche Funktion haben auch die

Fotos, die aus dem Familienbesitz für das Heimatbuch zur Verfügung gestellt wurden.

Demzufolge finden wir in den Heimatbüchern in der Mehrheit solche Fotos, die die

Familie (Familienfotos) bzw. familiäre Ereignisse (Taufe, Hochzeit usw.) darstellen

oder die Integration des einzelnen in der Gemeinschaft (Schulklassen, Erstkommunion,

Kirchen- und Vereinsleben, öffentliche Gebäude) zeigen. Den verbliebenen Teil

machen die Bilder aus, die Aufmerksamkeit auf die Werte des bäuerlichen Lebens und

Fleißes lenken.493 Die Fotos aus dem Privatbesitz als Träger privater Erinnerungen

fließen in das Kollektive hinein, genau so wie die einzelnen Erinnerungs- und

Erlebnisberichte die kollektive Erinnerung bereichern und so Teil des kollektiven

Gedächtnisses werden.

Großbetriebe mit ihren Eigentümer S. 212-213.; Feuerwehrverein: ein Vorstandsausweis S. 218.; Ortsgrundriss S. 247.; Grundriss der „Tanya” S. 250.; Haustypen S. 252.; Nachwächterruf mit Noten S. 288. 491 Z.B. Nagykovácsi 1962: 176-206 widmet den Fotos das Sonderkapitel Heimat im Bild.492 Z.B. Vaskút 1971. 493 Vgl. Bilder und Fotos über Themen wie Landwirtschaft und Weinbau: „Beim Dreschen”, „Jakobs Skribanek mit Ehefrau Julianne auf seinem Prachtgrundstück”, „Anton Welches zeigt sein Rind”. Bácsalmás 1990: 171-188.

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3.2.1.2 Die ‚Zeit’ als Indiz für Vergangenheitsbewältigung durch kollektive

Erinnerung

Bei der zeitlichen Erfassung von Heimat wird eindeutig klar, dass sich die

Gemeinschaft als Erinnerungsgemeinschaft konstituiert. Die Dorfgemeinschaft bewahrt

ihre Vergangenheit vor allem unter zwei Gesichtspunkten auf: der Eigenart und der

Dauer.494 Bei dem Selbstbild, das sie von sich erstellt, wird die Differenz nach außen

betont, die nach innen dagegen heruntergespielt. Zu dem bildet sie „ein Bewusstsein

ihrer Identität durch die Zeit hindurch” aus, so dass die erinnerten Fakten stets in bezug

auf Entsprechungen, Ähnlichkeiten, Kontinuitäten hin ausgewählt werden. Da aber jede

Gruppe nach Dauer strebt, tendiert sie dazu, Wandlungen nach Möglichkeit

auszublenden und Geschichte als veränderungslose Dauer wahrzunehmen.495

Die sich erinnernde Verbundenheit mit dem Heimatdorf ist neben dem räumlichen

Aspekt das zweite strukturbestimmende Merkmal der Heimatbücher.

„Zum Begriff Raum, Landschaft gesellt sich die Zeit, wodurch unsere Vorstellung von der Heimat in einer geschichtlichen Rückschau vertieft wird.“496

Die Geschichtlichkeit, die Zeit selbst in einem Raum, die zeitliche Verwurzelung in

einem Ereignis- und Wirkungszusammenhang, der Vergangenheit, Gegenwart und

Zukunft betrifft, wird von in Heimatbüchern nach subjektiven Gesichtspunkten

geordnet. So kristallisieren sich durch die Heimatbücher Kolonisation und Vertreibung,

die zwei Kulminationspunkte der ungarndeutschen Geschichte heraus. Beide wachsen

zu Gedächtnisorten heran. Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Bedeutung ihnen

zugemessen wird und in welcher Relation die beiden historisch bedingten

Gedächtnisorte zu einander stehen.

Der Zeit vor der Ansiedlung der Deutschen in den Dörfern widmen sie eine geringe

Aufmerksamkeit. Sie beginnen die geschichtliche Darstellung mit der Frühgeschichte

der Siedlung,497 wobei sie bevorzugt entweder von der ungarischen Landnahme498 oder

einfach von der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes ausgehen.499 Die

494 J. Assmann 1992: 40. 495 J. Asssmann 1992: 40.496 Pusztavám 1978a: 17.497 Torbágy 1984; Kakasd 1979; Vaskút 1983; Perbál 1988; Budakeszi 1986; Piliscsaba 1988.498 Pusztavám 1978a; Bikács 1986; Csávoly 1980; Majos 1997.499 Bácsalmás 1965; Elek 1977; Vaskút 1971; Budaörs 1952.

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Behandlung dieser Epoche kann als eine Art Exposition angesehen werden, die uns bald

zur ersten detailliert dargestellten Epoche, zur Ansiedlungszeit, hinführt. Die

Einführungs- oder Auftaktfunktion wird eindeutig, wenn wir die intensive Zeitraffung

der Exposition feststellen. Das Heimatbuch von Nagykovácsi (1962) fasst die

Geschichte Ungarns von den Anfängen bis zur Befreiung des Landes von den Türken

auf drei Seiten zusammen (1,44% des Gesamtumfangs), das bedeutend später

erschienene Heimatbuch von Piliscsaba (1988) behandelt auf zwölf Seiten die

geschichtlichen Ereignisse bis zur Ansiedlung der Deutschen (2,75% des

Gesamtumfangs). Vergleichbare Beobachtungen kann man bei jedem Heimatbuch

anstellen.500 Auf 66 Seiten beschäftigt sich das Heimatbuch von Vaskút (1983) am

ausführlichsten mit der Vorkolonisationszeit, aber in Bezug auf den Gesamtumfang sind

dies auch nur 8,97%. Interessant ist der als Dokumentarband konzipierte geschichtliche

Teil des Heimatbuches von Zsámbék (1992), der nur kommentierte Archivmaterialien

bzw. Primärquellen enthält. Der Band widmet dieser Zeit ebenfalls nur 4,13% des

Gesamtumfanges.

Einige Heimatbücher versuchen einen allgemeinen Überblick über die Geschichte

Ungarns zu geben.501 Obwohl sich die Autoren auf historische Quellen berufen, können

diese Versuche in den meisten Fällen nicht als geschichtswissenschaftliche Arbeiten

betrachtet werden. Sie sind zu allgemein und streifen nur die Oberfläche. Bestenfalls

werden die für die Gemeinde wichtigen Geschehnisse hervorgehoben. Sie können als

ein informierender Bericht definiert werden. Interessant ist der Versuch, vor der

Kolonisation der Nachtürkenzeit deutsche Spuren im Karpatenbecken aufzuzeigen.

Dabei gehen die Heimatbücher z.B. auf Schilderung des Deutschtums vor der

Kolonisation im 18. Jh. (Zipser Sachsen, Siebenbürger Sachsen, städtische Kultur des

deutschen Bürgertums in Ofen u.a. Städten) ein.502

Nach der relativ kurzen Exposition beschäftigen sich die Heimatbücher mit der

Ansiedlungszeit, der große Aufmerksamkeit gewidmet wird, denn die Existenz der

ganzen Gemeinschaft basiert auf diesem historischen Zeitabschnitt, der auch mit

Urkunden und Kolonistenlisten sowie Verträgen reichlich belegt wird, um die

historische Wirklichkeit zu beweisen. Die Heimatbücher heben die Schwierigkeiten der 500 Pusztavám 1978a: 1,25%; Torbágy 1984: 2,94%; Bikács 1986: 2,34% ; Bácsalmás 1965: 4,06%; Bácsalmás 1990: 1,68%; Kakasd 1979: 3,39%; Csávoly 1980: 1,42%; Elek 1977: 1,65%; Vaskút 1971: 0,8%; Perbál 1988: 3,07%; Majos 1997: 3,66%; Budakeszi 1986: 7,14%; Budaörs 1952: 1,44%.501 Z.B. Nagykovácsi 1962: 24-26; Torbágy 1984: 15-18.502 Piliscsaba 1988: 24-26; Csávoly 1980: 13-18.

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ersten Jahre nach der Kolonisation hervor und verwenden den Topos vom beispielhaften

deutschen Fleiß und harter Arbeit der Siedler, die sich aus dem Nichts eine Heimat

geschaffen haben. Der Topos vom deutschen Fleiß ist ein Musterbeispiel für

Wechselbeziehungen zwischen Selbst- und Fremdinterpretationen.

Der Fleiß, als prägende Eigenschaft der Gruppe, spielt als Unterscheidungsmerkmal

sowohl innerhalb der Gruppe als auch aus der Sicht des beobachtenden Fremden eine

Rolle.

Über deutsche Siedler, die sich durch ihren Fleiß auszeichnen, können wir schon zu

Beginn des 19. Jahrhunderts ungarischsprachige Berichte lesen. Um nur einige

Beispiele zu nennen, soll zunächst Ferenc Kisszántói Pethe erwähnt werden, der 1805

im Zusammenhang mit den ungarländischen Schwaben schrieb, dass sie eine fleißige

Nation sei.503 Pál Magda schrieb 1819 über die hier lebenden Deutschen, dass sie nicht

nur fleißiger als die Ungarn sind, sondern dass sie in dieser Hinsicht auch noch die

Slowaken übertreffen.504 Die auch von uns schon erwähnte Arbeit von Elek Fényes aus

dem Jahre 1842 widmet dem ethischen Charakter der Deutschen ein ganzes Kapitel und

charakterisiert sie als stille, arbeitssame, fleißige Menschen, die in der Arbeit

standhafter sind als die Ungarn.505 Die Selbstinterpretationen der Heimatbücher stehen

im Einklang mit den erwähnten Feststellungen ungarischer Beobachter. In dieser

Hinsicht gibt es zwischen den Heimatbüchern keinerlei Unterschied. Ohne Rücksicht

auf die Zusammensetzung der Dorfgemeinschaft oder Einzelunterschiede innerhalb der

Gruppe, taucht der Topos des deutschen Fleißes auf. Das ist kein Novum, das die

Heimatbücher entdecken. Ihr besonderer Beitrag besteht darin, diesen kontextlosen

503 Kisszántói Pethe, Ferenc: Pallérozott mezei gazdaság. 1805., S. 508., z Esselborn-Krumbiegel itiert nach Solymár 1983: 137.504 Magda, Pál: Magyarországnak és határőrző katonaság vidékinek legújabb statisztikai és geographiai leírása, Pest, 1819., S. 78., zitiert nach Solymár 1983: 139.505 Fényes, Elek: Magyarország statisztikája. Bd. I. 1842., S. 75-76., zitiert nach Solymár 1983: 153. Solymár 1983:138-142 weist auch auf weitere Quellen hin, die sich mit dem Fleiß und Arbeits-Ethos der Deutschen in Ungarn beschäftigen, so z.B.: Desewffy, J.: A „Hitel” czimű munka taglalatja. Kassa, 1831., S. 62.; Haas, M.: Baranya. Emlékirat. Pécs, 1845., S. 51-52. und 56.; Strázsay, J.: Baranya Vármegyének topographicai leírása. Tudományos Gyűjtemény, 3 (1823), S. 59-60.; Garay, J.: Zugliget, pünkösdhétfő. In: Ferenczy, J. (red.): Garay János összes munkái. 5 Bde., Budapest, 1887., S. 225-232., hier S. 325. und 229.; Egyed, A.: Nemes Tolna Vármegyének Topographiai leírása. Tudományos Gyűjtemény, XII. (1828), S. 39-59., hier S. 53.; Perczel, M.: Az aranykor Tolnamegyében. Tolnamegyei Közlöny. X. (1881), S. 81.; Moldoványi, J.: Tolna vármegyének geographiai, statistikai és topogrphiai esmértetése. Tudományos Gyűjtemény, 10 (1824), S. 40-83., hier S. 79.; Galgóczi, K.: Magyarország, a Szerbvajdaság s Temesi bánság mezőgazdasági statisticája. Pest., 1855., S. 52.; Vas, G.: Tekintetes urak. Vas Gereben Összes munkái. Bd. VII. Budapest, 1900., S. 47.; Kulcsár, J.: Baranya népei. Hegyhát. In: Várady F. (red.): Baranya múltja és jelenje. Bd. I. Pécs, 1896., S. 236. u. 265. u. 267.; Balogh, P.: A népfajok Magyarországon. Budapest, 1902., S. 342.; Kogutowicz, K.: Dunántúl és Kis-Alföld írásban és képben. 1936., Bd. 2. S. 145. u. 158. u. 159.; Vörös, L.: Bonyhád. Községi Adattár. [A M. Kir. Erzsébet Tud. Egyetem Intézetének kiadványa], Pécs, 1942., S. 18.

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Topos, der sich zu einem nationalen Stereotyp entwickelt hat, in einen argumentativen

Zusammenhang zu bringen.„Ein Volk, das sich bis zum heutigen Tag durch seinen Fleiß und Mut abhebt von seinen Nachbarn.“506

„Sie kamen mit wenig Geld und Gepäck, aber mit großer Begeisterung in das gelobte Land […]Um so schmerzlich war für sie der Anfang, als sie an Ort und Stelle feststellen mußten, daß das erste Brot viel Arbeit und Schweiß kostete.“507

„Die deutschen Siedler kamen also nicht um zu zerstören und zu verwüsten oder um das verbliebene dezimierte ungarische Volk zu unterwerfen, sie kamen nicht zum Erobern, sondern um mit ihrem Fleiß, ihrer Kultur das Land neu zu beleben. Sie kamen, um auf den niedergebrannten Feldern Getreide und Obst anzubauen und in der neuen Heimat warme und friedliche Heime entstehen zu lassen.’508

„Außer ihren landwirtschaftlichen Kenntnissen und ihrem Fleiß brachten sie auch Bargeld […] Der Fleiß der Kowatscher Kolonisten wird in den alten Schriften sehr gerühmt.“509

Gern wiederholen die Heimatbücher den überall in der Welt verbreiteten

Kolonistenspruch: „Der ersten Generation der Tod, der zweiten die Not und erst der

dritten das erste Brot.“510

Was vor unseren Augen abläuft, ist die schriftliche Fixierung des Genesis-Topos mit der

heroischen Verherrlichung der Leistung in der Aussiedlungsepoche. Die Heimatbücher

lassen in diesen Topos sowohl die schriftlichen als auch die mündlichen

Überlieferungen hineinfließen.

„Was ist im Volksmunde über die Zeit der Ansiedlung überliefert?“511

„Nach mündlichen und schriftlichen Überlieferung bestiegen die Familien mit ihrer Habe in Regensburg die bereitgestellten Schiffe oder besser gesagt, Transportkähne. […] Einer zweiten mündlichen Überlieferung zufolge trafen die Siedler mit dem Schiff in Ofen(Buda) ein[…] Eine andere Überlieferung von Pfarrer Georg Ruck sagt.“512

„Nach frühen Erzählungen hatten die 20 Familien der ersten Gruppe [...].“513

Im Topos dreht sich alles um „creatio ex nihilo.”514 Seewann betont auch, dass solche

Genesis-Mythen – in denen das Ansiedlungsgebiet nach dem Selbstverständnis der

Siedler ebenso wüst, öd und leer ist – in Abwandlung bei anderen Völkern auch

506 Majos 1997: 7.507 Majos 1997: 60, siehe ähnliche Äußerungen in Csávoly 1980: 18; Piliscsaba 1988: 28-29.508 Bikács 1986: 21.509 Nagykovácsi 1962: 39 und 42. Wie das Zitat auch zeigt, wird auf die Kontinuität des deutschen Fleißes hingewiesen, die die Gemeinschaft während ihrer ganzen Geschichte behält, ja sogar in den Jahren nach der Vertreibung bekommt der Fleiß eine besondere verbindende Funktion zwischen Vergangenheit und Gegenwart, mit implizierten Zukunftshoffnungen.510 Majos 1997: 60; Elek 1977: 13.511 Budaörs 1952: 14.512 Elek 1977: 13.513 Bikács 1986: 33.514 Der Begriff ist von Seewann übernommen worden vgl. Seewann 1995: 185.

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vorzufinden sind.515 Zu dem Genesis-Mythos scheint auch das Bild der öden, leeren und

verwüsteten Landschaft zu gehören, denn als allererster da gewesen zu sein und eine

Pionierleistung vollbracht zu haben, wird in dieses Bild hineinprojiziert.516 Das Bild der

verfallenen, unbewohnten und verlassenen Orte,517 der öden, unkultivierten Landschaft,

wo alles „verwahrlost, verwurzelt, voller Sträucher, Unkraut und Gestrüpp[war]“518 und

ein „Greuel der Verwüstung“519 herrschte, kehrt bei der Darstellung des Dorfes nach

dem Verlassen der deutschen Bevölkerung nach 1945 wieder.

„Was wir sahen, war nur noch das Äußere, die Schale dieser Heimat.”520

„Nun war unsere Gemeinde öde und verlassen.”521

„Daheim blieben Elend und Verwüstung. Das mit Schweiß und durch zähe Arbeit Errungene, durch Jahrzehnte Erschaffene ging in der Zeit einiger Wochen zugrunde.”522

„Mein Onkel erzählte, daß unser Dorf von den Zerstörungen des Krieges verschont geblieben ist. […] Von vielen Preßhäusern ragen nur noch die kahlen Wände empor. So manche Kellerhügel und Mauern sind eingestürzt, Dachziegel- und Glasscherben, altes Eisengerümpel von den frühen Kellereinrichtungen liegen auf den Gehwegen kreuz und quer herum. [...] Da liegen nun die Mühe und Arbeit, die von Generationen unserer Vorfahren unter harten Entbehrungen mit blutigem Schweiß geschaffen wurde, in Trümmern.“523

Der Widerspruch im letzten Beispiel lässt vermuten, dass die Dörfer doch nicht so

verwahrlost und verfallen waren, bloß das betrachtende Auge des ehemaligen

Bewohners sieht nicht mehr das früher Eigene, nur die Trümmer der eigenen und

kollektiven Vergangenheit. Die Bitterkeit und die Enttäuschung vermischen sich mit

realen Eindrücken zu einem Bild des Verfallens, das sinnbildlich für den Abbruch der

Kontinuität in diesem Raum steht:

„Wir hatten wohl alle, gleich ob jung oder alt, das Gefühl, als ginge eine Welt zugrunde, und als stünden wir vor deren Scherben...”524

Die Kolonisten-Mentalität spiegelt sich in jeder geschichtlichen Phase der Gemeinschaft

wieder. Die Geschichte wird gedeutet als ungebrochene „250jährige harte und

515 Seewann 1995: 193.516 Seewann 1995: 193 hebt in diesem Zusammenhang vor allem das urmenschliche Bedürfnis hervor, aus der Tatsache einer solchen Pionierleistung immerwährende Besitzansprüche bzw. „historische Rechte” auf das mit der ansiedelnden ethnischen Gruppe identifizierte Territorium abzuleiten. Zu ähnlichen Konklusionen sind wir im Rahmen dieser Arbeit im Kapitel (Namengebung) gekommen.517 Nagykovácsi 1962: 27.518 Bácsalmás 1965: 132.519 Nagykovácsi 1962: 27; vgl. Perbál 1988: 11.520 Kakasd 1979: 12.521 Budakeszi 1986: 169.522 Budaörs 1952: 50.523 Budaörs 1952: 117 und 121.524 Nagykovácsi 1962: 57.

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opfervolle Siedlungsarbeit”525, wobei „Der Schwabe, der im Ungarland einen harten

Lebenskampf zu führen hatte”526, eine starke Gemeinschaft hinter sich wissen sollte.

Dieses Kolonistenbewusstsein hat sich bis in die Zeit nach der Vertreibung erhalten

können. Die Heimatbücher zeigen ganz bewusst die Parallelen zwischen dem Schicksal

der Kolonisten und der Vertriebenen im Interesse der Wertvermittlung bei einem

erneuten Neubeginn.„Diese Fluktuation der ersten Siedler ist mit unserer Wohnortsuche der Anfangsjahre nach der Vertreibung in der Bundesrepublik zu vergleichen.”527

„Zu spät haben sie gemerkt, daß die Vertreibung der fleißigen Schwaben doch ein großer Fehler war. Die Schwaben sind christliche Menschen, sie achten Gott und die Menschen und scheuten keine Arbeit.”528

„Die von den Vorfahren ererbten Tugenden, wie Fleiß, Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit, sind beim Auf- und Ausbau unserer Stadt [Langenau/Deutschland] sichtbar unter Beweis gestellt worden.”529

Auch der Kolonistenspruch wurde an die neuen Verhältnisse angepasst:

„Die ältere Vertriebenengeneration nahm ihren Schmerz mit ins Grab, die zweite, jüngere Generation, konnte sich schon eine stabile Existenz im Nachkriegsdeutschland aufbauen und die dritte Generation, unsere Enkel [hier wird klar zur welcher Generation der Autor/die Autorgruppe gehört], besuchen wohl die weiteren Verwandten in Torbágy und machen auch mal Urlaub am ungarischen Plattensee, aber leben wollen sie dort nicht mehr. Sie betrachten schon die Bundesrepublik als ihre Heimat.”530

Das Heimatbuch von Majos versucht in diesen Kontext das Unrecht, das den Deutschen

– vermutlich auch dem Autor persönlich – widerfahren ist, einzuflechten, wobei der

Autor mit jedem Worte stichelt:

„Die ersten Kolonisten fanden kein fertiges Land und auch keine fertigen Häuser vor, in die sich hätten hineinsetzen können, wie es die Székler in Majos 1945 vorfanden.”531

Das von den Heimatbüchern vermittelte Geschichtsbild wird charakterisiert durch die

Wiederholbarkeit von Ereignissen, womit die Wiederkehr von Konstellationen gemeint

ist.532 Verhaltensmuster und Lösungsversuche sollten aus der früheren Zeit importiert

werden, um die Schwierigkeiten der Gegenwart zu meistern. Die Schlüsselrolle wird in

diesem Zusammenhang dem schon erwähnten Kolonistengeist und der ihm eigenen

Mentalität zugewiesen. Die Ähnlichkeit führt in manchen Heimatbüchern zur

Gleichstellung der Kolonistenzeit mit der Vertreibungszeit. Es kommt das seltsame

525 Nagykovácsi 1962: 48; vgl. Budakeszi 1986: 169.526 Vaskút 1971: 55; ähnliche Hinweise siehe Budakeszi 1986: 64ff.527 Torbágy 1984:34.528 Majos 1997: 295.529 Kakasd 1979: 7; vgl. Budaörs 1952: 34.530 Torbágy 1984: 182.531 Majos 1997: 60.532 Vgl. Koselleck, Reinhart: Geschichte, Geschichten und Zeitstrukturen. In: Koselleck, Reinhart/Stempel, Wolf-Dieter (Hrsg.): Geschichte – Ereignis und Erzählung. [Poetik und Hermeneutik; V] München, 1973., S. 211-222., hier S. 213.

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Phänomen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zustande.533 In dem folgenden Zitat

signalisiert das Personalpronomen „wir” die totale Identifizierung mit den

Kolonistenvorfahren. Das Adverb „wieder” impliziert die Wiederholung der

geschichtlichen Entwicklung innerhalb eines Menschenlebens, trotz der zeitlichen

Distanz zwischen Ansiedlung und Vertreibung:„Mit neuem Mut, Fleiß und Gottvertrauen begann erneut die Aufbauarbeit in einer fremden Umgebung. Wir fanden wieder ein Zuhause und auch eine neue Heimat.”534

Ebenso wird die semantische Diskrepanz übersehen, wenn beim Abschiednehmen von

der Heimat der Autor seine Gefühle wie gefolgt ausdrückt:„Besonders schwer fiel es unseren Eltern und Großeltern, alles zurückzulassen. Sie wollten sich von ihrem Lebenswerk, das sie mit ihrem Fleiß und ihrer Ausdauer seit 250 Jahren mit aufgebaut hatten, nicht trennen.”535

Die zeitlichen Strukturen der Heimatbücher widerspiegeln die Erfahrung der

Wiederholbarkeit der Geschichte und ihre Exemplarität, indem sie – auf den

potenziellen Leser zielend – ermöglichen, das eigene Leben in einem größeren

Zusammenhang zu sehen, und dadurch einen Kompromiss mit der eigenen

Vergangenheit zu schließen.

Das Gedächtnis betätigt sich rekonstruktiv.536 Die Vergangenheit vermag sich in ihm

nicht als solche zu bewahren. Sie wird fortwährend von den sich wandelnden

Bezugsrahmen der fortschreitenden Gegenwart her organisiert. Das kollektive

Gedächtnis bewegt sich daher in beiden Richtungen: zurück und nach vorne. Das

Gedächtnis rekonstruiert nicht nur die Vergangenheit, es organisiert auch die

Erfahrungen der Gegenwart und Zukunft.537

Halbwachs ist der Ansicht, dass eine Gruppe ihre Vergangenheit in einer Form

präsentiert, aus der jeder Wandel ausgeschaltet ist. Es liegt nahe, hier an die

Charakteristik jener Gesellschaften zu denken, die C. Lévi-Strauss die „kalten” genannt

hat.538 In der Tat spielt die Ausblendung von Veränderungen für Halbwachs`

Kollektivgedächtnis eine zentrale Rolle, dass er ihm pauschal „die Geschichte” als

Oppositionsbegriff gegenüberstellen kann. Die Geschichte verfährt nach Halbwachs 533 Vgl. Koselleck 1973: 213.534 Perbál 1988: 11.535 Piliscsaba 1988: 298.536 Mit Rekonstruktivität ist gemeint, dass in keinem Gedächtnis die Vergangenheit als solche zu bewahren vermag, sondern dass nur das von ihr bleibt, „was die Gesellschaft in jeder Epoche mit ihrem jeweiligen Bezugsrahmen rekonstruieren kann.” Halbwachs, Maurice: Das kollektive Gedächtnis. Stuttgart, 1967., S. 390.537 J. Assmann 1992: 40-42.538 Le Lévi-Strauss, Claude: Das wilde Denken. Frankfurt a. M., 1973., S. 270; ders.: Die moderne Krise der Anthropologie. Wiesbaden, 1975., S. 39-42.

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genau umgekehrt wie das kollektive Gedächtnis. Schaut dieses nur auf die

Ähnlichkeiten und Kontinuitäten, so nimmt jene nur Differenzen und Diskontinuitäten

wahr. Während das kollektive Gedächtnis die Gruppe „von innen” sieht und bestrebt ist,

ihr ein Bild ihrer Vergangenheit zu zeigen, in dem sie sich in allen Stadien

wiedererkennen kann und das daher tiefgreifendere Veränderungen ausblendet, blendet

die „Geschichte” wiederum solche wandlungslosen Zeiten als „leere” Interwalle aus

ihrem Tableau aus und lässt nu das als historisches Faktum gelten, was als Prozess oder

Ereignis Veränderung anzeigt.”539

Da die Heimatbücher aus der Gegenwart heraus geschrieben werden, werden Details

hervorgehoben, die für die Gegenwart und für die Zukunft eine Bedeutung besitzen

können.540 So ist unschwer die Hinweise auf die Parallelen zwischen der Kolonistenzeit

und der Zeit nach der Vertreibung zu finden. Verständlicherweise bekommt dann die

Zeit der ersten Generationen eine genauso besondere Beachtung wie die der letzten,

denn der „Lohn für die harte Arbeit der Kolonisten” ist die Blüte ihrer Kultur in der

Zwischenkriegszeit. Den zweiten Kulminationspunkt in der Geschichte des Dorfes

bildet die Vertreibung.

Die zwei Kulminationspunkte wachsen zu Gedächtnisorte heran, die aufeinander

beruhen, sodass die alte Heimat der Ahnen zur neuen Heimat der Vertriebenen werden

kann, und auch umgekehrt. Es entsteht ein Kreislauf, der das ganze Leben zwischen den

zwei Gedächtnisorten, zwischen Kolonisationszeit und Vertreibung einrahmt. (Siehe

dazu die Abbildung auf Seite 130.)

Was zwischen den beiden liegt, wird überbrückt durch die Darstellung der

Kirchengeschichte, Schulgeschichte, der Verwaltungsgeschichte. Soweit Daten und

Informationen vorhanden sind, setzten diese geschichtlichen Darstellungen unmittelbar

bei der Ansiedlung an, oder weisen kurz mit einem Satz darauf hin, dass sie hier

beginnen möchten.

VKirchengeschichte e

r Verwaltungsgeschichte tSchulgeschichte r

Exposition Kolonisationszeit e In der neuen

539 J. Assmann 1992: 42-43.540 Vgl. Halbwachs 1967: 390ff.

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Ungarn Zwischenkriegszeit i Heimatvor der Ansiedlung bder Deutschen u

n g

Geschichte und Geschichten541

Zeitstruktur der Heimatbücher und die Gedächtnisorte Kolonisationszeit und Vertreibung

Wichtiges Merkmal der Heimatbücher ist, dass sie ihre sehr lückenhafte Kirchen-,

Schul- und Verwaltungsgeschichte (oder eventuell Haus- und Wirtschaftsgeschichte)

nicht synchron behandeln, sondern mit einem neuen Thema immer erneut bei der

Ansiedlung anknüpfen. Es entstehen dadurch parallele und rückläufige Zeitsprünge, die

immer wieder die Kolonistenmentalität in den Vordergrund rücken.

Aus diesen Kreisen der Zeitsprünge entwickelt sich der zeitlose Kreislauf der Sitten und

Bräuche, deren Entstehung und Herkunft überhaupt nicht erforscht wird. Es gibt nur

Hinweise auf ein näher nicht bestimmtes Früher oder Immer. Die Wurzeln gehen in die

mythische Vergangenheit zurück und bleiben unangetastet. Es gibt nur den Hinweis,

dass es von den Ahnen geerbt wurde, wie das dann eine Generation der anderen

weitergab. Es lebte in dem kommunikativen Gedächtnis der Gemeinschaft weiter.

Im Zusammenhang mit dem Kriegsende und der Vertreibung bekommt die

Erlebnisgeneration als Träger des kommunikativen Gedächtnisses eine Rolle. Ihre

autobiographisch-geprägten Berichte gehören zu den festen Bestandteilen der

Heimatbücher. Dabei bekommt auch das Faktische ebenso viel Gewicht wie die

Erinnerungsstücke der Einzelpersonen, denn beide gelten als Teile des kollektiven bzw.

des kulturellen Gedächtnisses. Durch ihre Augenzeugenberichte soll die Authentizität

der Darstellung gestärkt werden, was aber evoziert wird, ist die bisher verschleierte

Subjektivität, die jetzt eindeutig zum Vorschein kommt, sodass der symptomatische

Untertitel der Heimatbücher „Von Erinnerungen zur Erinnerung” sein könnte, da der

Erinnerungswert meistens über den literarischen und faktischen dominiert. Dies gilt

auch für Kapitel der Heimatbücher, die beim ersten Blick an der Oberfläche rein

faktisch zu sein scheinen, jedoch wenn wir die den Fluss der Erzählung

unterbrechenden – nicht selten affektiv beladenen, die Ereignisse aus subjektiver Sicht

541 Siehe dazu Koselleck 1973: 211-222. Die Problematik Geschichte und Geschichten wird im Kapitel zu autobiographisch-geprägten Beiträgen der Erlebnisgeneration angesprochen.

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kommentierenden Halbsätze, Nebenbemerkungen der Autoren nicht unbeachtet lassen,

schattiert sich das Bild vom Faktischen wesentlich.542

Mit ihren Beiträgen dokumentieren sie, dass sie in der Kette von Generationen stehen.

Wo diese Kette abbricht, wo die Kontinuität in Raum und Zeit durch die Vertreibung

abgebrochen wird, beginnt eine neue Zeitrechnung für die Dorfgemeinschaft und das

wird auch in den Heimatbüchern widerspiegelt. In der neuen Heimat müssen sie

genauso wie ihre Vorfahren damals als Kolonisten neu anfangen. Um diese Konnotation

zu erwecken wird gern darauf hingewiesen, dass sie zurück ins Land der Ahnen

kommen. Dabei gehen das Vorher und Nachher in der Raum-Zeit-Konstellation

ineinander auf.543 „Von hier aus zogen deutsche Siedler im 18. Jahrhundert auf der Donau nach dem Südosten Europas. Ihre Nachfahren kehrten vom Schicksal nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben in das Land ihrer Väter zurück.”544

„Der Empfang in der Heimat unserer Väter.”545

Es gibt auch Heimatbücher, die sich mit der Zeit nach der Vertreibung überhaupt nicht

beschäftigen.546 Nach der Darstellung der Blüte in der Zwischenkriegszeit wirkt der

plötzliche Abbruch der Geschichte noch dramatischer und die affektive Wirkung ist

umso größer. Die Autoren verzichten bewusst auf die Schilderung der Zeit nach der

Vertreibung, denn sie sehen keine Möglichkeit des Fortbestandes der Gemeinschaft.

„Das Ende einer 250jährigen Entwicklung einer gewachsenen Gemeinschaft in ihrer Zusammengehörigkeit mit der uns eigenen Kultur war damit besiegelt. UNSERE GEMEINDE WAR TOT.”547

Der gewaltsame Abbruch der Geschichte in dem Raum bedeutet dann die Auflösung der

Dorfgemeinschaft, die nur durch die Gedächtnisorte in einer imaginären Form im

kollektiven Gedächtnis fortexistieren kann.

542 Siehe dazu einige Beispiele in Auswahl: Torbágy 1984: 129 und 152 sowie 158; Majos 1997: 149; Kakasd 1979: 104; Budaörs 1952: 165; Budakeszi 1986: 38.543 Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt a. M., 1989., S. 150ff.544 Torbágy 1984: 40.545 Nagykovácsi 1962: 59.546 Budakeszi 1986; Vaskút 1983.547 Budakeszi 1986: 169.

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4 Literarische Segmente der Heimatbücher

4.1 Literarizitätsgrad der Heimatbücher

Wenn wir in diesem Kapitel den Versuch machen, die in den Heimatbüchern

vorkommenden Texte nach ihrer Literarizität zu Fragen, machen wir es im Bewusstsein

dessen, dass die Heimatbücher mehr als nur die Summe ihrer Textelemente sind und

nicht als reine Kompilationen betrachten werden dürfen. Es würde dem Wesen und

Funktion der Heimatbücher widersprechen, die durch die Verknüpfung der einzelnen

Bausteine die Heimat in ihrer Komplexität zeigen und gleich Auskunft über den

Bewusstseinstand und über Haltungen vor und nach der Vertreibung geben.

Im Folgenden soll in Anlehnung an die von Jost Schneider erarbeitete Konzeption zum

Begriff Literatur548 der Literarizitätsgrad der Heimatbücher untersucht werden.

Schneiders Begriffsbestimmung basiert auf den drei Hauptmerkmalen von Literatur wie

(1) künstlerische Sprachverwendung, (2) Fiktionalität, (3) Fixierung, deren – wie es

durch die untere Graphik veranschaulicht wird – Kombination zur Gewinnung eines

sieben Teilmengen umfassenden Literaturbegriffs führt (siehe Abbildung unten), und

scheint einen erweiterten Literaturbegriff zu bieten, der einen Platz auch für die

Heimatbücher einräumt.

548 Schneider, Jost: Einführung in die moderne Literaturwissenschaft. Bielefeld. 2000., S. 9-20.

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Quelle: Schneider, Jost: Einführung in die moderne Literaturwissenschaft. Bielefeld. 2000., S.14.

L 1 (Fixierung und künstlerische Sprachverwendung und Fiktionalität)

Zu dieser Schnittmenge in der Zentralposition gehören Texte, die von jeher, d.h. auch

vor dem Bruch mit dem klassischen Literaturverständnis in den 60er/70er Jahren des 20.

Jahrhunderts, ohne Diskussion zu den Gegenständen der Literaturwissenschaft

hinzugerechnet wurden.

L 2 (Fixierung und künstlerische Sprachverwendung, aber keine Fiktionalität)

In diese Schnittmenge gehören Textgattungen wie z.B. der Brief, das Tagebuch, die

Autobiographie, der Reisebericht, die (feuilletonistische) Glosse oder der Essay, die

häufig als pauschal ‚halbliterarisch’ bezeichnet werden. Weltanschaulich-

programmatische oder poetologische Passagen aus Texten dieses Typs werden oft zur

argumentativen Absicherung von Interpretationen zu Werken der Gruppe L 1

herangezogen.

L 3 (Fixierung und Fiktionalität, aber keine künstlerische Sprachverwendung)

In diese Schnittmenge gehören vor allem der größte Teil der so genannten

‚Trivialliteratur’. Die sprachliche Gestaltung von Texten dieses Typs (wie

Fixierung

FiktionalitätKünstlerische

Sprach-verwendung

L1L3L2

L6 L5

L7

L4

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Groschenhefte, Schlagertexte oder Stücke für das Volkstheater) wird im allgemeinen für

nicht-komplex und für nicht-innovativ gehalten. Forschungsarbeiten zu diesem Bereich

behandeln in der Regel keine Einzelwerke, sondern zusammenfassend größere

Untergattungen (Kriminalroman, Heimatroman usw.)

L 4 (Fiktionalität und künstlerische Sprachverwendung, aber keine Fixierung)

Zu dieser Kategorie gehören vor allem bestimmte Formen der so genannten

‚Alltagserzählungen’ (spontan improvisierte Gute-Nacht-Geschichten, gleichnishaft-

didaktische Erzählungen, sofern sie ad hoc erfunden und nicht aus der Erinnerung

geschöpft sind. Lyrische Texte sind in dieser Gruppe in der Minderzahl. Im Bereich des

Dramas könnte das Stegreiftheater als Beispiel genommen werden.549

L 5 (Fiktionalität, aber keine künstlerische Sprachverwendung und keine Fixierung)

Zu dieser Teilmenge gehören bestimmte Formen der ‚Alltagserzählung’, mit denen sich

die Literaturwissenschaft bisher kaum beschäftigt hat, und zwar ‚Lügen’- und

Phantasiegeschichten von Jugendlichen (z.B. Weiterspinnen von Filmhandlungen,

Comicsgeschichten) oder monologische bzw. selbstgesprächartige, detailliert

ausgemahlte Rachephantasien.

L 6 (Künstlerische Sprachverwendung, aber keine Fiktionalität und keine Fixierung)

Hierzu gehören z.B. Stegreifansprachen im feierlich-gehobenen Stil,

Diskussionsbeträge in geschliffener Sprache oder Wortspiele in der

Alltagskommunikation.

L 7 (Fixierung, aber keine Fiktionalität und keine künstlerische Sprachverwendung)

Zu dieser Kategorie zählen z.B Telefonbücher, Gebrauchanweisungen und Kochrezepte,

aber auch – sofern man sie nicht der Kategorie L 2 zuordnen kann – die so genannte

‚aleatorische Dichtung’ (Zufallsdichtung), die im Dadaismus, Futurismus und

Surrealismus relativ verbreitet war.

Der Untersuchung muss aber vorausgeschickt werden – wie das auch von Schneider

mehrmals unterstrichen wird –, dass der variierende Literarizitätsgrad nicht mit 549 Die literaturwissenschaftliche Analyse von Texten dieses Typs – so Schneider – setzt schwierige empirische Vorarbeiten voraus und ist erst seit den 1980er Jahren in Gang gesetzt worden. Schneider 2000: 15.

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literarischer Qualität korreliert oder gar identifiziert werden darf. Die einzelne

Untersuchung der in den Heimatbüchern vorkommenden Texte nach Schneiders

Kategorien hat dagegen gezeigt, dass die von ihm festgelegten Kriterien zu scharfe

Grenzen ziehen, um die literarischen Segmente der Heimatbücher erfassen zu können.

So darf zwar seine mehrmals wiederholte Aussage zur variierenden Literarizitätsgrad

und literarischen Qualität wissenschaftlich korrekt sein, jedoch hat die Praxis

Untersuchung literarischer Grenzphänomene [sprich Heimatbuch] gezeigt, dass sein

Modell „die Literatur von oben” als Ausgangspunkt hat, und damit literarische Qualität

impliziert, wonach die Texte der Heimatbücher mit nur wenigen Ausnahmen pauschal

der Kategorie L 7 zugeteilt werden müssten. Durch die Dichotomie von Faktum und

Fiktion und wegen der Fraglichkeit der künstlerischen Sprachverwendung gingen bei

der Kategorisierung aus literarischer Sicht interessante Texte in der Gruppe L 7 auf. Wir

möchten in Anlehnung an Schneider ein heuristisches Modell schaffen, um die

textsortenspezifischen literarischen Segmente der Heimatbücher erfassen zu können,

damit durch Analyse der Platz der literarischen Bausteine in der Gesamtstruktur der

Heimatbücher bestimmt werden kann.

Dementsprechend soll die Kategorie L 1 aus der Bemerkung von Schneider

ausgegangen, dem nach zu dieser Kategorie auch der größte Teil der ‚oral poetry’

zuzurechnen ist, wenn die zuverlässige Abspeicherung im Gedächtnis als Fixierung

aufgefasst wird,550 mit den Werken der Volksdichtung ergänzt werden, soweit eine

künstlerische Sprachverwendung vorhanden ist. In diesem Zusammenhang ist die

Klärung des Merkmals ‚künstlerische Sprachlichverwendung’ vonnöten. Darunter

möchten wir in Anlehnung an Jakobsen die Abweichung von der Alltagssprache

verstehen, um die Grenzen dieses Aspekts so weit wie möglich zu halten. Demnach

sollten Volkslieder und -gedichte, sowie Heimatgedichte im weitesten Sinne des Wortes

der Kategorie L 1, jedoch einfache Formen der Gebrauchslyrik wie Sprüche,

Kinderspiele der Kategorie L 7, religiöse Volksschauspiele aber der Kategorie L 3

zugeteilt werden. Ebenfalls zählen zur Kategorie L 3 die Dorfgeschichten und

Volkserzählungen, auch wenn sie in der Mundart geschrieben worden sind, was alleine

in einem anderen Untersuchungskontext nicht nur als Kuriosität registriert werden

könnte, sondern als eine besondere Form der sprachlichen Ästhetik. In unserem Fall

550 Schneider fügt noch hinzu, dass wenn die zuverlässige Abspeicherung im Gedächtnis als Fixierung aufgefasst wird. Schneider 2000: 14.

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bedeutet die Verwendung der Mundart eben umgekehrt das Nicht-Abweichen von der

Alltagssprache. So kann der Dialekt allein kein Zeichen der künstlerischen

Sprachverwendung sein.

Die Kategorie L 3 möchten wir auch für die autobiographisch-geprägten Beiträge in den

Heimatbüchern zugänglich machen. Die Erlebnisse und eigenen Erfahrungen, d.h. die

„Erinnerungsfaktoren“ und können als Spezifika aus einem Heimatbuch, die vielfach

eine kollektive Gedächtnisleistung der Erlebnisgeneration sind, nicht weggedacht

werden. Sie sind zu einem Wesensmerkmal der Heimatbücher geworden. Fehlt dieses

Faktor in einem Buch, können wir bestenfalls – gleichzeitig einen Anhaltspunkt für die

Definition der Textsorte andeutend – von einer Dorfmonographie oder Ortsgeschichte

sprechen, aber keines Falls den Begriff Heimatbuch verwenden. Die autobiographisch-

geprägten Beiträge der Heimatbücher verzichten zwar auf die künstlerische

Sprachverwendung, es können höchstens ästhetisierenden Tendenzen in Passagen

gefunden werden, wo auf Erzähldistanz verzichtet wird, gehören sie jedoch zu den

Texten der autobiographischen Literatur. Auf Grund der neuesten Tendenzen der

Forschung551 wird die Fiktionalität des autobiographischen Erzählens neu bewertet. Die

Theoriediskussion zur Autobiographie misst der Trennung zwischen Faktizität und

Fiktionalität des (autobiographischen) Erzählens deutlich weniger Gewicht bei.

Hingegen erfuhren eine Aufwertung die Funktion und die besondere Qualität des

Erzählens im Zusammenhang mit der Darstellung subjektiver menschlicher Erfahrung

und Identität. So wird in der Geschichte des autobiographischen Diskurses nicht mehr

die Abgrenzung von Fiktion und Nicht-Fiktion, sondern die Frage Identitätsbildung und

Berücksichtigung wechselseitiger Einflüsse im Vordergrund steht.552 So sollen auch die

autobiographisch geprägten Texte der Heimatbücher unter Anwendung von der

modernen Literaturwissenschaft zur Verfügung gestellten Kategorien als fiktive

Momente des Prozesses der Selbstschaffung und Selbs(er)findung im

autobiographischen Akt bzw. als der narrative Nachvollzug der Identitätsbildung

verstanden werden. Demgemäß bleiben Brief, Essay und Glosse sowie weitere 551 Siehe dazu Löschnigg, Martin: Theoretische Prämissen einer ‚narratologischen’ Geschichte des autobiographischen Diskurses. In: Rellig, Jörg (Hrsg.): Erzählen und Erzähltheorie im 20. Jahrhundert. Festsschrift für Wilhelm Füger. Heidelberg, 2001., S. 169-186. Sowie die Arbeit von Fluderik, Monika: Towards ‚Natural’ Narratologie. London, 1996.552 Vgl. Lösschnigg 2001: 170. Löschnigg bezieht sich auf Eakin wenn er in Bezug auf die Autobiographie sagt, dass die individuelle Erfahrungswirklichkeit im Grunde dieselbe (narrative) Form wie die erzählerische hat. Dazu Eakin, Paul John (1992): Touching the World: Reference in Autobiography. Princeton, 1992. Zur komplexen Frage der Fiktion gesellt sich im Falle der Heimatbücher noch das Problem der Fiktionalität der Ignoranz, die abhängig von der Bildung und Quellenstudie des jeweiligen Autors unterschiedlichen Frequenz zeigen kann.

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weltanschaulich-programmatische und/oder poethologische Texttypen bei der Kategorie

L 2. Während die Autobiographie mit künstlerischer Sprachverwendung der Kategorie

L1 zugewiesen wird, sollen die autobiographischen Texte ohne künstlerische

Sprachverwendung der Kategorie L 3 zugeteilt werden.

Bei der Untersuchung der Literarizität der Heimatbücher müssen wir von der inhaltlich-

thematischen Vielfalt dieser Textsorte ausgehen, die sich in jedem Heimatbuch in

unterschiedlichstem Gemisch von Texttypen manifestiert. So werden im Folgenden die

in den Heimatbüchern vorkommenden Texte einzeln auf ihrer Literarizität hin

untersucht dann eingestuft, und den Kategorien von L 1 bis L 7 zugeordnet. Die

gewonnenen Ergebnisse werden in der unteren Tabelle festgehalten und anschließend

ausgewertet.

Zahl der Texte nach KategorienL 1 L 2 L 3 L 4 L 5 L 6 L 7

Bácsalmás 1965 2 - 14 + (7) - - - 70Bácsalmás 1990 17 - (1) - - - 38

Bikács 1986 2 - 5 + (1) - - - 27Budakeszi 1986 2 - 2 + (8) - - - 46

Budaörs 1952 10 - 32 + (2) - - - 32Csávoly 1980 6 - 10 + (2) - - - 72

Elek 1977 5 - 6 + (2) - - - 43Kakasd 1979 12 - 35 + (-) - - - 58Majos 1997 11 - (1) - - - 45

Nagykovácsi1962 2 - 3 + (5) - - - 59Perbál 1988 11 - 2 + (4) - - - 56

Piliscsaba 1988 6 - 1 + (3) - - - 93Pusztavám 1978a 9 - 7+ (6) - - - 48

Torbágy 1984 6 - 1 + (6) - - - 96Vaskút 1971 - - 2 + (1) - - - 60Vaskút 1983 6 - (6) - - - 75Zsámbék 1988 11 - 2 (+8) - - - 21

Die Kategorien L 4, L 5, L 6 enthalten logischerweise, da es in den Heimatbüchern um

schriftlich fixierte Texte handelt, keine Einträge. Der Kategorie L 2 konnten auch keine

Texte zugeteilt werden, denn der Erwartung künstlerische Sprachverwendung aber

keine Fiktionalität konnten keine Texte entsprechen.553 Der Kategorie mit dem höchsten

553 Hier möchten wir die Frage der sprachlichen Ästhetik der Sachliteratur offen lassen und als Gegenstand einer späteren Forschung im Zusammenhang mit den Heimatbüchern in Aussicht stellen. Siehe dazu LiLi: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 10 (1980), H. 40.: Sachliteratur.

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Literarizitätsgrad, worunter weiterhin keine literarische Qualität verstanden werden soll,

konnten im Durchschnitt 6,94 Texte zugeordnet werden. Wenn wir das Heimatbuch

Bácsalmás (1990) nicht berücksichtigen, in dem die hohe Zahl auf die Aufnahme von

zwölf Gedichten und zwei Erzählungen aus den Federn des ungarndeutschen Autors

Nikolaus Márnai-Mann zurückzuführen ist, kommen wir zu einem Durchschnitt von

6,31. Die Texte sind, wenn wir die zwei Erzählungen von Márnai-Mann im

Bácsalmáser Heimatbuch (1990) außer Acht lassen, ausschließlich Gedichte und Lieder,

unter denen die Heimatgedichte in überwiegender Mehrzahl sind.

Die Kategorie L 3 enthält zum größten Teil Dorfgeschichten, je eins bis zwei religiöse

Volksschauspiele und im Durchschnitt 3,7 autobiographisch geprägte Beiträge der

ehemaligen Dorfbewohner. Die Zahl des letzteren Texttyps wird in der oberen Tabelle

in Klammern dargestellt. Allein das Heimatbuch von Kakasd (1979) enthält keine dieser

Beiträge. Wie es der Tabelle zu entnehmen ist liegen die Zahlen weit auseinander. Es

konnten keine Zusammenhänge zwischen dem Erscheinungsjahr des Heimatbuches und

der Zahl der autobiographischen Beiträge beobachtet werden. Das heißt also, dass die

zeitliche Distanz zur Vertreibung in dieser Hinsicht nicht relevant ist. Dadurch kann die

Annahme widerlegt werden, dass mit Zeit die Bereitschaft zu erzählen wegen der

Verheilung der durch die Vertreibung verursachten Wunden größer geworden ist. Die

Resultate sprechen auch nicht dafür, dass die autobiographischen Beiträge bei der

älteren Generation der Heimatbücher die fehlenden archivarischen Quellen und die

Fachliteratur ersetzen würden. Beim dieser Generation kann kam viel mehr der

allwissende Erzähler zum Vorschein, von dem natürlich vermutet wird, dass er nur

deshalb so viele gruppeninterne Details kennt, weil er selbst alles miterlebt hat, und

vieles aus seinen Erinnerungen schöpft.

Die meisten Texte gehören der Kategorie L 7 an. Sie entsprechen ausschließlich dem

Aspekt der schriftlichen Fixierung und damit markieren sie schon das Randgebiet der

Literatur. Aus dieser weit nicht homogenen Menge von Texten könnten ein ganzes

System von Schichten herausgearbeitet werden, damit Sprüche, kleinere Gebete und

weitere Werke der Gebrauchlyrik nicht mit Kochrezepten und Vertragstexten

gleichgestellt werden. Ein solches Unterfangen, wäre ein Experiment, das einerseits

über die Rahmen einer Dissertation gehen würde, andererseits würden die Ergebnisse

hinsichtlich der Textsortenbestimmung des Heimatbuches keine weiterführende

wissenschaftliche Erkenntnis bringen.

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In den folgenden Kapiteln sollen die Texte der Kategorie L 1 und L 3 dargestellt

werden, die der Volksdichtung entstammen bzw. die daraus viel schöpfen. Bei der

Auseinandersetzung mit den mündlich tradierten und jetzt durch die Heimatbüchern

schriftlich fixierten Texten sollen kurz auch die Sprüche und Lieder, sowie Kinderspiele

und Reime angesprochen werden, damit sie nicht ohne Erwähnung in der

umfangreichen Kategorie L 7 untersinken. Sowohl das Kapitel zur lyrischen

Verarbeitung des Heimatverlustes, in dem die der Volkspoesie nah stehenden und aus

ihr viel schöpfenden Heimatgedichte, Flüchtlingslieder und Lagerlieder untersucht

werden, als auch das Kapitel zu den autobiographisch-geprägten Beiträgen der

Heimatbücher erkunden die Meilensteine der Identitätsentwicklung und versuchen über

das Heimatverständnis der Vertriebenen Aufschluss zu geben.554

554 An die vorgelegte Arbeit fügt sich ein Anhang, in dem die zitierten Heimatgedichte in Volltextform sowie pro Rubrik der Tabelle auf Seite 172 je drei Beispiele für die autobiographisch-geprägten Beiträge einen Platz bekommen haben.

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4.2 Mündliche Tradierung – schriftliche Fixierung

Sitten und Bräuche sowie das, was unter Lebensform mitverstanden wird, wurden in der

Dorfgemeinschaft mündlich tradiert, so auch die Gedichte und Verse, die feste

Bestandteile der Kultur waren. Durch die Vertreibung ging die Kontinuität der

Dorfgemeinschaft vor Ort verloren, so ist die Weitergabe an die nächste Generation

nicht mehr wie früher möglich. Die Auseinandersetzung der Heimatbücher mit

Traditionen und Lebensformen zeigt den Prozess an, wie aus einer mündlich tradierten

Kultur eine Schriftkultur wird. Es ist nicht auszuschließen, dass durch die veränderten

gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch ohne die Vertreibung diese

Veränderungen eingetreten wären. Doch die Umstände und der Zwang, die Entfernung

von der alten Heimat und die nostalgische Erinnerung an sie, die immer schwindende

Zahl der Menschen, die noch als Träger der Kultur in Frage kommen können und dass

die Generationen nicht mehr zusammen leben, brachte notdürftig die schriftliche

Fixierung mit sich.

4.2.1 Sprüche und Lieder

Die Sprüche und Lieder, kleinere Verse und Gedichte, die ihren Platz im Kreislauf der

Sitten und Bräuche gehabt haben, sind auch in den Heimatbüchern schriftlich fixiert

worden.

All diese Sprüche, Lieder, Gedichte begleiteten den Alltag. Sie gehörten innerhalb der

Volksdichtung der Gebrauchsliteratur an. Ihre Verwendung ist immer an eine praktische

Tätigkeit gebunden. Ihre primäre Funktion war keine ästhetische, so wird im Rahmen

dieser Arbeit auf ihre Analyse nicht eingegangen, jedoch sollen bestimmte spezifische

Merkmale exemplarisch hervorgehoben werden. Ihre Struktur ist ganz einfach, sie

verfügen meistens über eine oder zwei Strophen, wenn überhaupt eine Strophenteilung

unternommen wird. Die Paarreime schließen die Entstehung in der Hochsprache

eindeutig aus:

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“Rot, weiß, krian, [grün]tr Kaisr wohnt in Wian, [Wien]ti Kinigin is in Budapest,ta pin i a mol kwest,”555 [gewesen]

Die Kapitel über die Sitten und Bräuche im Jahreslauf enthalten die meisten Sprüche

und Lieder. Abwechslungsreich sind besonders die Neujahrswünsche. Die originalen

Mundarttexte, die unerlässliche Begleiter der feierlichen und traditionsgemäßen

Gestaltung der Feiertage und Feste waren, haben die Autoren in ihre Bücher

aufgenommen. Da die meisten Texte in der Mundart gesprochen bzw. gesungen worden

waren, bemühten sich die Heimatbücher sie in dieser Form wiederzugeben. Der

Mundarttext wird ohne weitere Erläuterungen der Eigenart des Dialekts transliterarisiert

bzw. nach dem Gehör aufgezeichnet. „I bin a kleine Mo,Dea ned vü winschen ko,I winsch eng vü Glick,Wos Gott von Himme schickt.”556

“Wiar wintschn tiar an glorreichen Nomanstog,a longs Lebn und kuati Ksunthait.Vivat! Lustig faiar mr hait!”557

Nicht selten wechseln Mundart und Hochdeutsch einander. Bei den hochdeutsch

verfassten Texten geht es meist um eine schon früher schriftlich festgehaltene – und

dadurch sehr verbreitete – Version. “Wir sind zwei ausgesandte Botenvom Bräutigam und seiner Braut.Gebet dem Brautpaar das Hochzeitsgeleit,denn am Dienstag ist es soweit. [...]

Miar ladn enk af ti Hochzait ai,Sie weart im ...Wirtshaus sai.Khumts kwiß unt plaipts net ausunt kehts a mit ins Gotteshaus.”558

In der aufgrund der Liedaufzeichnungen des 19. Jhs. durchgeführten Analyse kam Eva

Kimminich zur Erkenntnis, „daß die handschriftliche Liederaufzeichnung als Endstation

einer mündlichen Weitergabe kulturellen Erbes zu betrachten ist [...] In dem Moment

also, in dem Mündlichkeit und Dynamik eines Liedes, die in die handschriftliche

Aufzeichnungen einflossen, sich zur gedruckten Silbe verfestigten, verlor das Lied seine 555 Csávoly 1980: 307. Zur Thematik Mündlichkeit und Schriftlichkeit siehe Röhrig, Lutz/Lindig, Erika (Hrsg.): Volksdichtung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. [ScriptOralia; 9] Tübingen, 1989.556 Pusztavám 1978a: 139.557 Csávoly 1980: 267.558 Csávoly 1980: 271 sowie 272ff.

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Wesenheit und Funktion: Lebendigkeit, Anpassungsfähigkeit und Anwendbarkeit. Um

der Erhaltung willen in feste Formen gepresst, konnte es in dieser Erscheinungsweise

den sich wandelnden Bedürfnissen seiner Träger nicht mehr entsprechen und wurde zu

musealen Gegenstand.“559

Die Kirchenlieder erscheinen in den Heimatbüchern fast ausschließlich in der

hochdeutschen Form. Ihre Quellen sind in den gedruckten Gesangs- und

Kirchenliederbüchern zu suchen, die nach den Forschungen von Franz Metz (1996) im

donauschwäbischen Raum seit Mitte des 18. Jhs. verbreitet waren.560 Unter den

Heimatbüchern widmet den Kirchenliedern das von Zsámbék (1988) eine besondere

Aufmerksamkeit.561 Die umfangreiche Untersuchung erstreckt sich auch auf die

allgemein beliebten volkstümlichen Kirchenlieder mit Notenbeispielen zu den

verschiedenen Melodientypen. Mit den katholischen Liederbüchern beschäftigt sich

auch das Heimatbuch von Perbál (1988), wobei die Rolle des Kantorlehrers

hervorgehoben wird, dessen Katholisches Liederbuch in der Umgebung weit verbreitet

war. Er angegierte sich um die Pflege des Liedgutes, sodass er auch einen Männerchor

gründete.562 Den Akzent legt aber das Heimatbuch auf die Volkslieder, die in der

Mundart mit Noten dargeboten werden. Einleitend wird die soziale Funktion der Lieder

erläutert, um ihre Bedeutung in dem „durch Jahrhunderte[n] gewachsene[n] und

zusammengeschmolzene[n] kulturelle[n] dörfliche[n] Gefüge“ 563 zu zeigen.

559 Zitiert nach Müns, Heike: Neue handschriftliche Musikaufzeichnungen der Deutschen in Nadasch/Mecseknádasd (Baranya/Ungarn). In: Suevia Pannonica. Archiv der Deutschen aus Ungarn 28 (2000), S. 60-89., hier S. 65. Weiter Forschungsliteratur zum Thema siehe bei Müns 2000: 64.Die Frage, welche Lieder und Gedichte in das Heimatbuch der jeweiligen Gemeinde aufgenommen werden, wirft erneut die Problematik Kanon und Zensur auf. Interessanter Aspekt einer späteren Forschungsarbeit könnte die Eruierung der semantisch und konzeptionell fundierten Selektionsmechanismen sein, die bestimmte Lieder herausfiltern und fürs Bewahren bestimmen andere wieder im kollektives Gedächtnis untertauchen lassen. 560 Metz, Franz: Die Kirchenmusik der Donauschwaben. [Schriftenreihe des Instituts für deutsche Musik im Osten; Bd. 7] Sankt Augustin, 1996., S. 12. In seiner Arbeit bewies Metz die Existenz 97 verschiedener Gesangsbücher im donauschwäbischen Raum, die in Städten wie Frankfurt a. M., Wien, Budapest, Fünfkirchen, Arad, Temesvár und Hermannstadt gedruckt worden sind. Als Fallstudie zum Thema siehe Müns 2000. Quellen zur Geschichte des Deutschen Kirchenliedes in Ungarn Greszl, Franz: Ofen-Buda. Entwicklungsgeschichte der königlichen Residenzstadt Ungarns im 18. Jahrhundert. München, 1984., S. 12. Greszl weist in seiner Untersuchung zum deutschen Kirchenlied in den Ofener Kirchen (Greszl 1984: 100-104) darauf hin, dass die deutschen Kirchenlieder zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia in der römisch-katholischen Kirche – vor allem wegen der Vorherrschaft des Lateinischen – nur außerhalb der hl. Messe bei Andachten, bei Prozessionen oder bei privaten religiösen Zusammenkünften gesungen werden konnten. Erst in den letzten Jahrzehnten des 18. Jhs. sind deutsche Kirchenlieder vor der Predigt gesungen worden. Da sich das Kirchenlied überhaupt nicht auf die Kirche beschränkt hatte, konnte es einen größeren Raum im alltäglichen Leben der Menschen einnehmen. Diese Position der Kirchenlieder dokumentiert sich auch in den Heimatbüchern. 561 Zsámbék 1988: 114-122.562 Vgl. Perbál 1988: 163.563 Perbál 1988: 163.

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Infolge der Verschriftlichung konnte zwar der Dialekt verschwinden, aber wenn die

Mundartvariante in der Erinnerung der Autoren trotz der hochdeutschen Version noch

lebendig war, konnte es vorkommen, dass in den hochdeutschen Text Mundartwörter

eingeschoben wurden, um so der ursprünglichen Form näher zu kommen: „[…] Wenn

ihr einen guten Wein habt, so laßt mich amol trinken.”564

Eine besondere Gruppe bilden die Brautsprüche und Brautlieder.565 Während die

Brautsprüche immer im zeremoniellen Kontext gebracht werden, wodurch erst ihr

eigentlicher Sinn und funktioneller Charakter zum Vorschein kommen kann, finden sich

die Brautlieder nicht selten auch separat. Das Heimatbuch von Pusztavám (1978a)

trennt sogar den Text des Ehestandsliedes von den Noten, um die Darbietung des

zeremoniellen Zusammenhangs optisch nicht unterbrechen zu müssen.

Im Zusammenhang mit den Brautsprüchen und dem zeremoniellen Ablauf der

Eheschließung können auch Tanzlieder, Liebeslieder (Klagelieder, Balladen,

Tagelieder, Kiltlieder und Soldatenlieder) auftauchen. Nicht selten widmen die

Heimatbücher dem Liedschatz ein Extrakapitel. Am gründlichsten bearbeitet das

Heimatbuch von Zsámbék (1988) die Volkslieder, die thematisch gesehen eine breite

Palette aufweisen. Nach der klassischen Themeneinteilung findet man in Zsámbék alle

Themen des deutschen Volksliedes.566 Die Vielfalt der Lieder dokumentiert sich auch

im Heimatbuch von Kakasd (1979)567 Beide erwähnten Heimatbücher weisen auf die

Verbindung zu den Volksliedern des geschlossenen deutschen Sprachraumes, indem sie

auf die furchtbare Zeit der Österreich-Ungarischen Monarchie hinweisen.

Zwar zählt das Heimatbuch von Csávoly (1980) die in der Gemeinde bekannten und

gesungenen Lieder nur auf,568 jedoch ist bei manchen Liedern die Übereinstimmung mit

den von Röhrig und Brednich herausgegebenen deutschen Volksliedern569

unübersehbar. Das Lied Die schöne Jüdin lässt sich auf eine Volksliedsammlung der

564 Bácsalmás 1965: 169.565 Bácsalmás 1965: 160ff. Das zweite Heimatbuch von Bácsalmás 1990 geht nicht mehr auf die Sitten und Bräuche ein, sondern es betrachtet sich auch in dieser Hinsicht als Fortsetzung bzw. Ergänzung des ersten. Csávoly 1980: 271-275; Das Heimatbuch von Vaskút 1971: 52-55 beschreibt die Hochzeitsbräuche ohne Darbietung der Brautsprüche und -lieder. Pusztavám 1978a: 126-131; Elek 1977: 219; Perbál 1988: 112-115; Bikács 1986: 154-168; Majos 1997: 344-349; Torbágy 1984: 138-139.566 Zsámbék 1988: 123. Die Einteilung wird aufgrund des Basiswerkes von Erk L./Böhme, F. M.: Deutsche Liderhort. 3 Bde. Leipzig, 1893., gemacht. Siehe dazu Zsámbék 1988: 132.567 Kakasd 1979: 251ff.568 Csávoly 1980: 281.569 Röhrig, Lutz/Brednich, Rolf Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Volkslieder. Bd. 1 (1965) Erzählende Lieder. Bd. 2 (1967) Lieder aus dem Volksleben. Düsseldorf, 1965.

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Sudetendeutschen zurückführen.570 Während das Lied Die Liebesprobe in einem

Straßburger Liederbuch (1592) zu finden ist,571 finden wir Graf Friedrich unter den

handschriftlichen Volksliedern aus dem Nachlass von Ludwig Erk im Deutschen

Volksliedarchiv.572 Die Wurzeln des Liedes Herr von Braunschweig können – was den

Text betrifft – bis in die Niederlanden zurückverfolgt werden.

4.2.2 Kinderspiele und Kinderreime

Im Falle der Kinderspiele und Kinderreime, zu denen auch die Abzählreime und Fuß-

und Kniereiterspiele, Wiegenlieder und Kindergebete auch gehören, findet man fast

ausschließlich die Darbietung in der Mundart.573 Das erklärt sich mit großer

Wahrscheinlichkeit daraus, dass eine frühere schriftliche Festhaltung in der

hochdeutschen Form die Tradierung auch nicht erleichtert hätte. Nichts liegt den

Liedern übrigens ferner als die Abstraktionstendenzen der Hochsprache. Die Mundart

gehört zum Wesen574 dieser Textsorten, wie das folgende Beispiel es auch

veranschaulicht: „Meisla-meisla kib mr an naia zeu, ich kip tr an alda – Meisla-meisla

kib mr an naia zeu, ich kip tr an alda.”575

570 Röhrig/Brednich 1965: 191-193 Haslau, Bez. Asch/Böhmen. Gustav Jungbauer und Herbert Horntrich: Die Volkslieder der Sudetendeutschen, Kassel 1938, S. 337, Nr. 284 Aufzeichnung von Albert Brosch.571 Röhrig/Brednich 1965: 228 Straßburger Liederbuch 1592. Abdruck: Alemania 1, 1873: 55f.572 Röhrig/Brednich 1965: 160-162 Handschriftliche Volkslieder aus dem Nachlaß von Ludwig Erk im Deutschen Volksliedarchiv: 2046 Kapsdorf bei Zobten (Schlesien) 1840.573 Csávoly 1980: 304ff; Kakasd 1979: 291-296.574 Vgl. Bänzinger 1998: 76. Er weist auch auf die verschiedenen Mundarttexte hin, die Gertrud Zürcher in der deutschsprachigen Schweiz gesammelt hat. Zürcher, Gertrud.: Kinderlieder der deutschen Schweiz. Basel, 1926.575 Elek 1977: 226.

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4.2.3 Dorfgeschichten und Anekdoten

Bei der schriftlichen Festhaltung dieser Textsorten kann in der Mundart erfolgen, wie

das im Heimatbuch von Kakasd (1979) gemacht wurde.576 Das Heimatbuch enthält

insgesamt 34 Dorfgeschichten und Erzählungen, darunter spannende Hexen- und

Räubergeschichten. Es ist eine hohe Zahl, die von keinem anderen Heimatbuch

übertroffen werden konnte, obwohl in dieser Hinsicht das Heimatbuch von Budaörs

(1952) mit den 27 Texten auch nicht unterschätzt werden darf.577 In den meisten

Heimatbüchern bedient man sich – zwar nicht immer konsequent, wie das z. B. im

Heimatbuch von Bácsalmás (1965) der Fall ist,578 – der Hochsprache bei der

Aufzeichnung der lustigen Begebenheiten, sagenähnlichen Volkserzählungen und

Anekdoten, in deren Texten dann die Mundartwörter, Ausdrücke in höherer

Gebrauchsfrequenz vorkommen als sonst im Fließtext der Arbeiten.579

4.2.4 Religiöse Volksschauspiele

Eine besondere Gruppe bilden die religiösen Volksschauspiele, das Christkindl-, das

Dreikönigsspiel, deren Texte oft im Wortlaut publiziert werden.580 Das Heimatbuch von

Kakasd (1979) versucht die Dokumentation des ganzen Christkindlspieles mit

Notenangabe.581 Der Text ist hier, wie in den meisten Fällen der Spiele, hochdeutsch

verfasst. So stellt sich die Frage, wenn es um einen mündlich tradierten Text geht,

warum verliert der Dialekt seinen Stellenwert. Die Antwort ist, wie im Falle anderer zu

den religiösen Sitten und Bräuchen gehörenden Texte, Sprüche und Lieder, nicht

ausschließlich in der Übergang von der mündlichen Tradierung zur schriftlichen zu

suchen, sondern viel mehr in der Rolle der Dorfpfarrer, die nicht nur Seelsorger,

sondern auch gewisser Weise Verwalter der geistigen Kultur der Dorfgemeinschaft

waren. Die Bildung der deutschen Pfarrer stand bis zum Zweiten Weltkrieg eindeutig

unter österreichischem Einfluss. Vor allem Wien, wo die meisten Pfarrer das Seminar 576 Kakasd 1979: 277ff.577 Budaörs 1952: 185-197.578 Bácsalmás 1965: 220ff.579 Siehe z.B. Bikács 1986: 206-209; Nagykovácsi 1962: 153-156; Pusztavám 1978a: 157-163; Budakeszi 1986: 329.580 Csávoly 1980: 337-342. Das Heimatbuch kennt sogar drei Varianten des Dreikönigsspiels im Dorf.581 Kakasd 1979: 263-273. Im Heimatbuch wird darauf hingewiesen, dass das Chriskindlspiel von Kakasd in der Bundesrepublik schon veröffentlicht worden ist.

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besucht haben, spielte dabei eine wichtige Rolle. Durch die Vermittlung der Pfarrer

gelangten österreichisch-wienerisch gefärbte, hochdeutsche Texte und religiöse

Volksschauspiele, Gebete und Lieder in die ungarndeutschen Dörfer, wo sie dann

integrierte Teile der kulturellen Tradition geworden sind. Zur schnellen Verbreitung der

Kirchenlieder und Gebete trugen die Gebets- und Andachtsbücher in hochdeutscher

Sprache der Liturgie bei. Sie vermischten sich mit den alten Überlieferungen, wobei die

bäuerlichen Elemente durch bürgerliche ergänzt bzw. modifiziert wurden. Die Spuren

dessen finden wir auch in den Heimatbüchern. Das Csávolyer Heimatbuch (1980)

ergänzt die übliche Reihe der Spiele mit dem Spiel von der “Herbergesuche”. Es wird

sogar der Text eines “Adam-und-Eva-Spieles” genannt, der sich als ein typisches

Paradies-Spiel mit Spielanweisungen erweist.582

Das Heimatbuch von Vaskút (1971) gibt den Text der Spiele nicht wieder, weist aber

auf die Existenz und Aufführung von Spielen wie „Adam-und-Eva-Spiel”, „Sommer-

und Winterspiel”, „Großes Christkindlspiel”, „Kleines Christkindlspiel”,

„Herodesspiel”, „Bethlehemspiel”, „Samsonspiel”, „Burenspiel”, „Königin

Gragaspiel”, „Genovevaspiel” hin.583

Das Heimatbuch von Budaörs (1952) geht ausführlich auf das für den Ort spezifische

Passionsspiel ein. Das Dorf nennt der Heimatbuchautor, der der Pfarrer der Gemeinde

war, das „ungarische Oberammergau”, das sich durch die Aufführungen in der

Zwischenkriegszeit in den Zeitungen und Zeitschriften einen Namen machte.584

582 Csávoly 1980: 334-336.583 Vaskút 1971: 42.584 Budaörs 1952: 88-93.

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4.3 Lyrische Verarbeitung des Heimatverlustes

Vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse zu Kriegsende sind explosionsartig

Heimatgedichte, Flüchtlings-, Vertriebenen- und Lagerlieder entstanden, die in der Zeit

ärgster Bedrängnis eine beruhigende, fast therapeutische Wirkung gehabt hatten.585

Der Heimatverlust und die durch Vertreibung, Verschleppung, Internierung und Flucht

bedingte vielfältige Not hatte eine verstärkte Hinwendung zu Gott zur Folge, die sowohl

aus den Gedichten, Gebeten als auch aus dem Liedgut ersichtlich wird. Strophen, in

denen um Errettung aus der Not oder um Rückführung in die Heimat gebeten wird, in

denen aber auch Mut und Kraft zum Durchhalten gefördert wird, finden sich in

zahlreichen Gedichten, Lager-, Flüchtlings-, Vertreibungs- und Deportationsliedern.586

Die Heimatbücher, welche für das potenzielle Zielpublikum erwartungsgemäß die

wichtigen und schicksalsbestimmenden unmittelbaren Nachkriegsereignisse auf dieser

Weise thematisieren, setzen bewusst auf die affektive Wirkung dieser Gedichte. Durch

die subjektive und emotionale Sichtweise werden Vertreibung und Heimatverlust als

gemeinsame, von Gott bestimmte Fügung interpretiert. Indem sie den Fragenkomplex

Vertreibung, Heimatverlust und Sehnsucht nach der/nach einer Heimat als gemeinsame

Erfahrung in den Mittelpunkt rücken lassen, ermöglichen sie Selbsterkennung und

Identifikation auf breitem Raum. Symptomatisch für die Heimatbücher ist, dass sie die

Lieder und Gedichte gut positionieren, nicht ausschließlich in den Kapiteln über

Vertreibung und Heimatverlust unterbringen, sondern im ganzen Buch verstreut, womit

der emotionale und nostalgische Grundton des Heimatbuches aufrechterhalten werden

kann.

Vorausgeschickt werden muss, dass es sich bei diesen Liedern und Gedichten um eine

Poesie handelt, die nicht primär ästhetischen Vorgaben entsprechen will, ihre

Entstehung entsprang zwingenden Bedürfnissen, und sie erfüllte eine ganz bestimmte

Aufgabe im sozialen Leben der Gemeinschaft.587 Die Lieder wirkten stets als Trost, sie

minderten das Leid, indem es dasselbe in Wort fassten, sie stärkten die Verbundenheit

der Mit-Leidenden und vermitteln Hoffnung auf eine Wende zum Guten und Kraft zum

Ausharren.588 So ist ihre Bedeutung eher im literatursoziologischen, funktionalen

Zusammenhang wichtig. Ihre prägende Kraft bestimmte alle Werke der

585 Vgl. Habenicht, Gottfried: Leid im Lied. Freiburg, 19961996: 13. Die Untersuchung der Heimatgedichte wird in der Anlehnung an Habenicht (1996) durchgeführt.586 Habenicht 1996: 18.587 Habenicht 1996: 12.588 Habenicht 1996: 25.

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Vertreibungsliteratur, sie hinterließ markante Spuren in der erst nach 1973/74 ins Leben

gerufenen ungarndeutschen Gegenwartsliteratur. Vor allem sind es die Vertreter der

älteren Generation der ungarndeutschen Literatur, die von den Motiven und Bildern der

oben erwähnten Lieder und Gedichte beeinflusst worden sind. Wie gering der

Unterschied zwischen den beiden literarischen Phasen ist, zeigt sich, wenn Georg Faths

Gedichte, ohne als Fremdkörper zu wirken, in das Heimatbuch von Csávoly (1980) und

Gara (1991) aufgenommen werden konnten.589 Wenn das erste 1965 erschienene

Heimatbuch von Bácsalmás auf diese Art von Gedichten noch verzichtete, holt das

zweite es nach, indem es ein ganzes Kapitel den lyrischen und epischen Werken von

Nikolaus Márnai/Mann widmet.590

Jahrzehnte nach der Vertreibung waren die Heimatgedichte und Flüchtlings-,

Vertriebenen- und Lagerlieder noch so lebendig im Bewusstsein der Vertriebenen, dass

sie unumstritten die Eigenart ihrer literarischen Traditionen determinierten, sodass sie

zu Wesensmerkmalen der Heimatbücher wurden. Wenn kein Heimatgedicht dieser Art

im Heimatbuch vorkommt, versuchen die Autoren diesen Mangel dadurch zu beheben,

dass sie in emotional getönten Sätzen über Heimat oder Heimatverlust sprechen.

Geschieht dies in den Objektivität anstrebenden Kapiteln, wird selbst die Objektivität

revidiert.

Der größte Teil der Gedichte sind Heimwehgedichte. Ein Hinweis auf ihre neue

Bedeutung lässt sich vor allem aus ihrer quantitativen Zunahme und der schöpferischen

Anteilnahme bisher poetisch nicht tätiger Schichten gewinnen.591 Im Falle der mündlich

tradierten Lieder finden wir, dass auch in schulisch und literarisch bildungsfernen

Bevölkerungsschichten durchaus eine Tendenz zur poetischen Darstellung der

Gedanken vorhanden war, die in gemeinschaftlichem Dichten ihren Ausdruck finden.

Die abgedruckten Heimat- und Heimwehgedichte entstammen der Feder regional

bekannter Heimatdichter oder einer zwar literarisch sonst nicht aktiven, aber doch

weitgehend mit dem Zeitstil „Heimatdichtung“ vertrauten Bürgerschicht oder

Dorfintelligenz.592

589 Csávoly 1980: 6; Gara 1991: 469.590 Bácsalmás 1990: 246 sowie 251-264.591 Greverus 1972: 249.592 Greverus 1972: 245.

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Wenn wir die Textstruktur der Lieder untersuchen, können wir fast immer einen

identischen Aufbau entdecken.593 Am Anfang steht im Allgemeinen ein einführender

Abschnitt, in dem der zeitliche und räumliche Rahmen fixiert wird. Zeit und

Ortsangaben müssen gar nicht exakt bestimmt werden, um die Ereignisschilderung des

Mittelteils einzuführen: es kommt oft vor, dass es bloß heißt: „Als wir jung in der alten Heimat waren“594

„Drunten im tiefen DonaulandZwischen Bergen und grünen Tälern,“595

„Ganz weit in der Ferne, südlich von Wien“596

Um der Authentizität willen können im einleitenden Teil ganz genaue Zeitangaben vorkommen:

„Neunzehnhundertsiebenundvierzig, Es war im Monat August,Mußte verlassen meine Heimat [...]“597

Eingänge können im übrigen auch ganz allgemein sein und z.B. nur die Heimat als Ort

der Geborgenheit in Abgrenzung zu den im folgenden Abschnitt mitgeteilten

Erfahrungen in der Fremde nennen: „Du kannst sie tausendmal verlassenUnd kehrst doch immer ihr zurück.Sie ist mit Türmen, Kirchen, GassenDein unverlierbar-letztes Glück.“598

„O gold’ne Zeit,Wie bist du weit?Mein Heimatland,Des Schicksals HandRiß mich hinausIn grober Halt Wie fremden GastVom Vaterhaus...“599

Der ausführende Mittelabschnitt ist entweder berichtend oder als Klage gestaltet, meist

aber sind beide Elemente eng miteinander verwoben. Als Tendenz lässt sich festhalten,

dass die Flüchtlings-, Vertriebenen- und Lagerlieder meist als Berichte gestaltet sind,„Nun ist es Zeit, entzündet uns das Licht,Bevor die Sonne hintern Berg vorbricht.Die Wagen stehen in den Schuppen schon bereit,Gebt uns als letzten Gruß ein Winken zum Geleit.

593 Unsere Beobachtungen stimmen mit denen von Diplich, Hans: Das donauschwäbische Lagerlied. In: Festschrift Dr. Adam Krämer zum 80. Geburtstag. Sindelfingen, 1986, S. 155-173. und Greverus 1972 überein.594 Majos 1997: 463.595 Torbágy 1984: 5.596 Harka 1987: 1.597 Csávoly 1980: 282.598 Torbágy 1984: 5.599 Budaörs 1952: 4.

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Die Pferde eingespannt, fahr’n wir von hier nun fortUnd verlassen uns’ren lieben, lieben Heimatort.Kein Lied erklang auf unseren stummen Lippen.Im stillen gedachten wir nun jener, die geblieben.“600

während die Heimat- und Heimwehgedichte einen elegischen Charakter aufweisen. Die

Klage ist immer verbunden mit dem Beweis der eigenen Unschuld und der unbedingten

Treue zum ungarischen Vaterland.601

„Liebe, ferne Heimat,Was ist aus dir geworden?Wie konntest uns das antun,Was haben wir verbrochen?

Unsere größte Sünde warDie stete Treue zu dir,“602

„Aus Ungarn bin ich ausgewiesen,habe keine Schuld daran,daß sie uns zertreten mit den Füßen,haben niemand Leids getan.

„Ich bin dort geboren, drum hab’ ichdas Dörfel so lieb,was hab’ ich verbrochen, daß mich man vertrieb“603

Die Treue zum ungarischen Vaterland offenbart sich auch darin, dass die Heimatbücher

mit Vorliebe den Text und die Melodie der Volkshymne der Deutschen in Ungarn in

sich aufnehmen.604 Allen Liedern ist gemeinsam das statische Heimatbild, sodass sie

unter Heimat immer den Ort verstehen, wo die Wiege stand, wo man die Kindheit und

Jugendjahre verbrachte

„Traurig ging ich von der Heimat,weil dort einst meine Wiege stand.Niemand kann uns das ersetzen – Es war ja unser Vaterland.“605

„Heimat dich hab ich so lieb,in meinem Herzen wohnst du in Klarheit noch heutewie es kein zweites Bild jemals gibt,vor dem in Ehrfurcht und Lieb ich mich neige.[...]Aus dieser Erde wurde ich geboren,ihr heiliges Vermächtnis trage ich in mir

600 Pusztavám 1978a: 195.601 Das Letztere ist nicht nur fester Bestandteil der Gedichte und Lieder, sondern ein in den Heimatbüchern immer wiederkehrender Topos der Eigenart der ungarländischen Deutschen, die eben, weil sie treu waren, deshalb die Vertreibung nicht verdient haben.602 Torbágy 1984: 263.603 Harka 1987: 1.604 Der Text der Volkshymne der Deutschen in Ungarn stammt von Ernst Imrich 1918, die Melodie von Ludwig N. Hackl 1918. Majos 1997: 465 aus dem Deutschen Kalender 1995: 289; Vaskút 1983: 715; Bácsalmás 1965: 315; Pusztavám 1978a: 51-52; Kunbaja 1967: 15.605 Csávoly 1980: 282-283.

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und wenn auch heut die Heimat ich verloren,so leb ich doch und sterbe auch mit ihr.“606

Gottvertrauen und das Gebet um Erlösung, das Hoffen auf eine Schicksalswende und

die Rückkehr in die Heimat kommen ebenfalls vor, wenn sie auch eher „klassische“

Elemente des dritten Abschnitts darstellen. Letztere hat sowohl eine abschließende als

auch schlussfolgernde Funktion. Die Lieder schließen oft mit einer Hinwendung zu

Gott,607 wodurch das Lied auf formaler Ebene abgerundet wird.

Die Abschnitte können auch ineinander verwoben oder teilweise auch in vertauschter

Stellung erscheinen, der eine oder andere kann ganz fehlen. Während sich der

einführende und der abschließende Teil als stabile Eckpfeiler herausgestellt haben,

eröffnete der berichtende, Ereignisse schildernde, ausführende Mittelteil in erhöhtem

Maße Auslassungen und Umstellungen von Strophen608 – die allgemeine Beobachtung

des so gestalteten, dreiteiligen Aufbaus bleibt jedoch zweifelsfrei dominant. Die

Turwaller Variation des Liedes „Glocken läuten hell den Sonntag ein“ soll hier als

Musterbeispiel für ein Vertreibungslied stehen. Es war auch am weitesten verbreitet –

Habenicht sammelte 17 Variationen dieses Liedes.609

Glocken läuten hell den Sonntag ein,Über Berge muß die Heimat sein.Nach dem Osten richtet sich mein Blick,Man läßt uns in die Heimat nicht zurück.

Wolken und Vögel, die ihr dort oben zieht,Traget hier dieses Sehnsuchtslied.Einen Gruß in unser Ungarnland,Das gefallen ist in die Feindeshand.

Den schönsten Platz, den ich auf Erden hab’,Das ist die Rosenbank am Elterngrab.Doch dieses ist uns leider nicht vergönnt,Weil wir so weit, so weit entfernet sind.

Wir mussten fliehen aus dem Heimatort,

Ein alter Vater und ein armes MütterleinStehen nun auf dieser Welt allein.Der einzige Sohn war Stütze und ihr Glück,Ist aus der Gefangenschaft noch nicht zurück.

Als Landser geht verzweifelt er umher,Kann nicht nach Hause, hat keine Heimat mehr.Geht bis zur Grenze und versucht sein Glück,Der Feind weist ihn erbarmungslos zurück.

Das ist der Lohn für seine Tapferkeit?Mach ein End’ o Herr, und wende dieses Leid!Schenk uns zurück das schöne Ungarnland,Wo einst schon meines Vaters Wiege stand.

Denn nur die Hoffnung ist, das manche hält,

606 Majos 1997: 462.607 Diplich 1986: 162.608 Habenicht 1996: 33.609 Habenicht 1996: 230-241. [Hervorhebungen im Lied von O.T.K] Nach den Angaben von Habenicht war das Gedicht in den folgenden Ortschaften nachweisbar verbreitet: Torbágy (Ungarn) [Obwohl Habenicht darauf hinweist, dass das Gedicht im Bruckners Arbeit über Turwall/Torbágy auf Seiten 148f aufzufinden ist, konnte es trotz sorgfältiger Recherche nicht entdeckt werden. Für die Aufnahme des Gedichtes in unsere Arbeit spricht aber die allgemeine Verbreitung und dass es als vielschichtiges Beispiel in unserem Kontext fungieren kann.] Vaskút (Ungarn), Csávoly (Ungarn), Birk (Siebenbürgen), Freienwalda (Pommern), Cammin (Pommern), Dramburg (Pommern), Wetzlar (Pommern), Erzgebirge (Sudetenland), Mramorak (Jug. Banat), Kolud (Jug. Batschka), Apatin (Jug. Batschka), Pahl (Jug. Batschka), Bielitz: Nieder-Ohlisch (Oberschlesien/Ostschlesien), Bielitz-Bialaer Sprachinsel (Oberschlesien/Ostschlesien).

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Verlassen Haus und Hof uns alles dort.Schuldlos verstoß’n treibt man uns hin und her,Es findet eins den andern nimmermehr.

Familien, die noch ganz zerrissen sind,Hier ist die Mutter, wo ihr einzig’s Kind?Ein Bauer sucht sich mühsam hier sein Brot,Und dort die Lieben leiden bitt’re Not.

Und der Verzweiflung nicht zum Opfer fällt.In tiefster Dunkelheit kommt einmal das Licht,Drum, arme Ungarndeutsche, verzaget nicht.

Nur in der Heimat gibt’s ein Wiedersehen;O Gott, erhöre unser täglich’s Flehn!Führ’ uns zurück in deiner lieben HandIn unser herzgeliebtes Ungarland.

Der Begriff „Lied von Flucht und Vertreibung“ wurde von den Betroffenen weiter als

üblich definiert verstanden und bezog auch Texte über Heimweh und solche ein, die

von Sehnsucht handelten. Er konnte demnach alle Lieder beinhalten, deren Texte die

Vertriebenen und Flüchtlinge auf ihre Lage hin anwandten und in denen sie ihre

Sehnsucht nach Freiheit, Rückkehr in die Geborgenheit der Familie in der Heimat

ausdrückten. Nachvollziehbar ist die Neuinterpretation der betreffenden, schon

vorhandenen Textinhalte.610 Aus der Heimat bekannte, inhaltlich sehr allgemein

gehaltene Gedichte von bekannten Autoren, sowie Gebetslieder wurden unter den

Gegebenheiten des Flüchtlingsdaseins, in einem neuen Sinn uminterpretiert, ohne

Eingriffe in deren Text in die Heimatbücher aufgenommen.611 Im Heimatbuch Kunbaja

(1967)612 sind einige passende Strophen aus Eichendorffs Gedichten „Der verliebte

Reisende“613 und „In der Fremde“614 zu einer neuen Gedichteinheit verdichtet worden.

Auf den ersten Seiten des Heimatbuches Levél (1982)615 sind einfach mit dem Titel

„Eingang“ 20 Zeilen aus dem Brentano Gedicht „20. Jänner [1835] nach großen

Leid“616 übernommen worden. Es ist dann kein Wunder, dass in den meisten auf Preis

und Sehnsucht nach der verlorenen Heimat abgestimmten Liedern und Gedichten die

Motive der lyrischen Dichtung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschten

und dass die Heimatbücher aus den Motiven der Heimweh- und Sehnsuchtslieder

schöpften.617 Unter den Vorbildern aus dieser Epoche stehen in erster Linie die Werke

von Lenau618 und Uhland, die den Heimatbuchautoren noch aus der eigenen Schulzeit 610 Habenicht 1996: 30.611 Vgl. Habenicht 1996: 19.612 Kunbaja 1967: 5.613 Eichendorff: Gedichte [Ausgabe 1841], S. 22 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 9336 (vgl. Eichendorff-W Bd. 1, S. 60 ff.)614 Eichendorff: Gedichte [Ausgabe 1841], S. 321 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 9635 (vgl. Eichendorff-W Bd. 1, S. 249 ff.)615 Levél 1982: 5.616 Brentano: Ausgewählte Gedichte, S. 190 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 4377 ff(vgl. Brentano-W Bd. 1, S. 601 ff.)], hier die übernommenen 20 Zeilen Brentano: Ausgewählte Gedichte, S. 200 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 4387 (vgl. Brentano-W Bd. 1, S. 619 ff.)617 Vgl. Greverus 1972: 221 und 248.618 Vgl. Nemesnádudvar 1997: 9.

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bekannt waren. Aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jhs. ist Storm zu erwähnen, der z.B.

im Heimatbuch Soroksár (1989)619 durch seine „Sprüche“620 Beachtung fand. Von den

Heimatbüchern gern zitierte Heimatdichter und –autoren der Jahrhundertwende bzw.

aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren z.B. Adam Müller

Guttenbrunn,621 Ella Triebnigg-Pirkhert622 oder Hans Christ623.

Offensichtlich sind die Heimatgedichte und die Lieder von Flucht und Vertreibung auch

von den Volksliedern beeinflusst worden. Die folgenden Volkslied-Wanderstrophen624

erscheinen in dem Flüchtlingslied aus Csávoly fast wortwörtlichMitternacht zur stillen Stunde/Jedes Vöglein sitzt zur Ruh...Wenn ich auf die Gasse gehe/Schauen mich die Leute an...

Oder „Wo ich geh auf Weg und Straßen, da schauen mich die Leute an,sie fragen mich, warum ich weine und warum ich so traurig bin,sie fragen mich, warum ich weine und warum ich so traurig bin.“625

[im Flüchtlingslied:]„Einst ging ich auf der fremden Straße,da schauen mich die Leute an.Aus meinen Augen fließt das Wasser,daß ich nicht mehr reden kann.

Abends in der späten Stunde,wo ein jeder Vogel ruht,“626 […]

Die Sehnsucht nach der Heimat kommt in den Liedern enger in Verbindung mit dem

Bild der Vögel vor, die Grenzen mühelos und unaufhaltsam überfliegen. Wie die Vögel

in unbeschwerter Freiheit Weiten überwinden und der Vertriebene seine Sehnsüchte mit

ihnen ziehen lässt, so bieten auch die Wolken am Himmel das Bild möglicher

Assoziationen und Bezüge zur Heimat. Ferner dienten Motive der Waisenlieder als

Vorbild und fanden Eingang in den Liedern der Vertriebenen. 627

Eine der wichtigsten Quellen war die Bibel. Viele der Autoren haben nämlich ihre

literarischen Erlebnisse fast ausschließlich der Bibel zu verdanken und sind an den

sonntäglichen Evangelien und Predigten geschult worden. So fanden Motive und

Metaphern der Bibel Eingang. Die Pfarrer der einzelnen Gemeinden, die bereits in der 619 Soroksár 1989: 373.620 Storm: Gedichte Ausgabe 1885, S. 107 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 92304 (vgl. Storm-SW Bd. 1, S. 182 ff.)621 Katymár 1980: 2.622 Tevel 1988: 435.623 Mágocs 1989: 7; Bácsalmás 1990: 473.624 Habenicht 1996: 34.625 Volkslied aus Perbál. Perbál 1988: 168.626 Csávoly 1980: 282.627 Siehe dazu das Lied auf S. 154. Vgl. dazu Habenicht 1996: 34. Die Lieder der Donauschwaben stellen vor allem das Schicksal der Trennung von Mutter und Kind oder, in weiterem Sinne, der Familientrennung dar.

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alten Heimat vor der Flucht oder Ausweisung besondere Bittgottesdienste oder

Abschiedswallfahrten durchgeführt hatten, wo sie einschlägige Bibelstellen zitierten,

gaben den Flüchtlingen ein Vokabular mit auf dem Weg, das jetzt produktiv eingesetzt

werden konnte.

Die Kirche in den Aufnahmegebieten engagierte sich auch als erste für die Betreuung

der Vertriebenen. Über den Versuch einer Tröstung in Gott durch die Kirche wird in

den meisten Berichten zum Geschehen der Zwangsmigration berichtet, ähnlich Trost

spendend bei der ersten schwierigen Phase der Neueingliederung.628

Für den Flüchtling wurde der religiöse Raum zu einem Heimatersatz, der ihm vor allem

Schutz und Identität ermöglichte, was aber die enge Verbindung des Sakral- und

Profanraums impliziert.629 Die Bedeutung der Kirche und der Kirchenglocken als

heimatliches Symbol findet sich besonders häufig in den Liedern von Flucht und

Vertreibung.630 „Wo dich auch die Welt hintreibt/Wallen nach die Glocken“631

„Wie in vergangenen Tagenwill sie uns Trösterin sein,will aus der Ferne uns grüßen,mit ihrem Segen erfreun.Sie will uns mahnen und sagen:“632

Die Erinnerung an die heimatliche Landschaft gehört zu den Zeugnissen spontaner

Aktualisierung der Heimat, wobei die Rückkehrsicherung und der Wunsch, in

heimischer Erde begraben zu werden, im Vordergrund stehen.633

628 Die Verflechtung von Religion, alltäglichem Leben und Heimatbindung bezeugt auch die Bedeutung der Kirchenglocken. Siehe dazu das Kapitel auf S. 160 sowie Greverus 1972: 213.629 Siehe dazu vor allem die Berichte der ersten zwei Jahrgänge der Heimatzeitung Unsere Post mit den regelmäßig wiederkehrenden Berichten über „Kirche Heimat“. Siehe dazu Bastian 1995: 168. Sowohl die Verleihung besonderer „Heimat“-Titel an die Wallfahrtspatrone, die Opferung und das Mitbringen von Heimaterde und das Anbringen von Heimatglocken, die Abbildungen der Heimatkirche, die Lied- und Gebetsanrufung zeugen von dieser engen Verbindung. In einer einmaligen Weise gehen hier erlebensmäßig der religiöse Raum und das, was in der Fachliteratur als das Heilige und das Profane als ‚kryptoreligiösen’ Raum, als heilige Stätten des privaten Universums bezeichnet wird, ineinander über. Vgl. Greverus 1972: 240.Konkrete Beispiele siehe dazu noch Der Donauschwabe 1983. Nr. 14/15 S. 7.630 Greverus 1972: 249.631 Majos 1997: 238.632 Nagykovácsi 1962: 10.633 Greverus 1972: 204. Zum Heimaterde-Ritual schreibt Greverus 1972: 205: „Das berühmteste und am meisten zitierte ältere Beispiel, um Heimatliebe als ‚elementares Gefühl’ zu interpretieren, waren jene Hovas auf Madagaskar, die „wenn sie sich zu einer Reise rüsten, ein kleines Häufchen ihrer Heimaterde mitnahmen, „die sie unterwegs betrachten, wobei sie ihre Götter anflehen, es möge ihnen gestattet sein, zurückzukehren und die Erde dem Platz wiederzugeben, von dem sie genommen war. [...] Das gesamte Heimaterde-Ritual ist eine Pars pro toto-Handlung. Diese Handvoll Erde symbolisiert den Identifikationsraum, dessen endgültiger Verlust durch den Tod in der Fremde besonders gefürchtet ist.“

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„Die Wege, die wir gingen, liegen weitund tauchen aus der Dämmerung herauf.Wo ist das liebe Heimatdorf gebliebenmit Kirche, Schule und dem Vaterhaus,wo täglich wir gegangen ein und aus,“634

„Lebt wohl ihr Rosen in mei’m Garten,Ich darf euch nicht mehr pflegen und warten.Lebt wohl ihr alle meine Blümelein,Morgen gehts fort, es muß geschieden sein.

Lieb’s Blümelein, wein’ mit mir,Weil ich heut muß scheiden von dir.“635

„Auf dem Friedhof ruhen viele –Väter, Mütter in dem Grab,Und statt einer TrauerweideSenkt sich Gras auf’s verlass’ne Grab,Treure Ahnen, Ruh’t in FriedenSei vom Richter Euch beschieden!

Ruhlos, zogen wir durch die StraßenIn des Wetters Wind und Graus;Wir mußten alles längst verlassen,Und wandern in die Welt hinaus.Wird man uns auf heim’schen StättenEinst zur letzten Ruhe betten?“636

Die meisten Lieder haben Hoffnungsverse für ein Wiedersehen mit der Heimat:

„So lebe wohl, du schöne Heimat,es gibt für uns ein Wiedersehen.So lebet wohl, ihr Berg’ und Täler,wir müssen in die Fremde ziehn.“637

„Wer wollte zweifeln, wollte nicht vertrauen?Wir wissen es, du rufst uns einst zurück,du läßt uns wieder deine Berge schauenund schenkst uns freundlich deiner Täler Glück.

O Heimat, liebste, nie und nie verloren,ob auch das Trennungsweh uns oft beschlich,wir haben dich im Herzen uns erkorenund einst umfassen wir, o Mutter, Dich!“638

634 Nagykovácsi 1962: 11.635 Pusztavám 1978a: 196.636 Elek 1977: 69. Das Gedicht, das für das Heimatbuch von J. Stöckl umgedichtet worden ist, hat 1926 Dr. Emmerich Csepregi, Dechantpfarrer in Elek verfasst.637 Csávoly 1980: 282-283. Das Lied ist aus der Situation des Flüchtlingselends heraus entstanden und konnte nach der bekannten Melodie des Liedes „Wer das Scheiden hat erfunden“ („Stenka Rasin“) gesungen werden. Eine Frau aus Csávoly hat es 1951 in Oberbobritzsch bei Freiberg in Sachsen niedergeschrieben. Das Heimatbuch fügt hinzu, dass es die etwas eigenwillige Orthographie des Originals nicht übernimmt, und das Lied in Hochdeutsch wiedergibt.638 Pomáz 1982: 6.

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In diesen Hoffnungsversen des abschließenden Teils ist oft die Anrufung Gottes

wichtig, von dem allein Hoffnung, Hilfe und Schutz zu erwarten ist.

„Jedoch im Dunkeln wandeln nur, die ihren Gott vergaßen.Der Herrgott ist mein Hüter und mein Licht,oh Menschenseel’, vergiß das nicht!“639

„[...]Der Herr hat es gegeben,der Teufel hat es genommenwir sind Kinder der Weltauf Erden bekommen.

Und wenn wir mal gehen,wird nichts mitgenommennur den Glauben konnteuns niemand nehmen

Und damit wollen wirIn die Ewigkeit gehen.Der Name des Herrn sei gelobt.“640

Die manchmal aussichtslose Lage der Vertriebenen ließ auch dunkles Ahnen und

schwere Gedanken wach werden. Ein weiteres Motiv in den Heimatgedichten und

Liedern, auf das hier hingewiesen werden sollte, hängt mit den äußerst schweren

Lebensbedingungen zusammen, deren die Menschen unterworfen waren, während sie

laufend mit Sterbenden und Toten konfrontiert wurden. “Die Erfahrung des

omnipräsenten Todes hat auch in den Liedern vielfältige Ausgestaltungen des

Gedankens von Sterben und Tod bedingt.“641 Selbst in den Liedern und Gedichten, in

denen der Tod als drohende Gefahr erscheint, fehlt die Hinwendung zu Gott nicht.642

„Und kamen manchmal auch verworr’ne ZeitenUnd drohten deinen Menschen Pest und Tod,du konntest ihnen doch manch Fest bereitenund immer halfst du Gute aus der Not.“643

„...Du reichest, wenn ich in Not,zur Hilfe Deine Hand.Du bist mir Leben und Tod,indem Du mich gesandt,“644

Die Verflechtung von Religion, alltäglichem Leben und Heimatbindung bezeugen auch

die Bedeutung der Kirchenglocken, welche nicht nur die Funktion hatten, an den

639 Pusztavám 1978a: 195.640 Majos 1997: 464.641 Habenicht 1996: 37.642 Vgl. Greverus 1972: 227.643 Pomáz 1982: 6.644 Gara 1991: 3.

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täglichen Gottesdienstbesuch zu erinnern. Paul Sartori umschreibt mit poetischen

Worten die Verbindung von Mensch, Glocke und Heimat am Beispiel eines in seine

Heimat zurückkehrenden Menschen:„Der Ton der Glocke von den heimatlichen Türmen [rührt ihn] mächtig ans Herz, stärker und mächtiger vielleicht als einst, wo sie seinem tägliche Gewohnheit waren. [...] Bei ihrem Klang schleicht sich ihm in Geist und Herz mit zwingender Gewalt die Erinnerung [...] Denn alles hat der eherne Mund der Glocke begonnen und beendet, begleitet, geweiht und verschönt.“645

Wie dem zurückkehrenden Menschen die Heimatglocke zur Metapher der Heimat

geworden ist, kann man sie auch in den Heimatbüchern vorfinden. Eine enge

Verbindung besteht zwischen den Kirchenglocken und den Lebensstationen des

Menschen bis zum “letzten Gang” auf den heimatlichen Friedhof.646

„Es sind die Stunden der Ein- und Heimkehr, der Sehnsucht, der Vergangenheit. Es sind die Klänge der Erinnerung, Stimmen des Herzens, das verklungene Geläut der Glocken, der Heimatglocken!“647

„Der Tod eines Mitmenschen wurde durch sie bekanntgegeben und ihr Geläute begleitete ihn auf seinem letzten Weg, vom Todeshaus bis zum Friedhof.“648

Der hohe Heimatwert der Glocken zeigt sich in den Heimatbüchern in der intensiven

Beschäftigung mit ihnen. Das Heimatbuch von Majos (1997) versucht durch Gedichte

die starke emotionale Bindung an die Glocke zum Ausdruck zu bringen. Das erste

Gedicht „Der Glocken Abschied“649 zeigt, was für eine Rolle die Glocke im Leben des

einzelnen und im Leben der Dorfgemeinschaft gespielt hat. Von den Lebensstationen

hebt das Gedicht die Eheschließung und die Beerdigung hervor:„Zwei Herzen haben sich gefundenRief dann der Glocken froh Geläut;Liebe –Liebe soll sie verbinden,Und Eltern Segen sie begleit!Nie stärke Zwietracht ihren Bund,Gott lobe stets ihr Herz und Mund!

Friede – Friede mit deiner Asche,So rief uns Trost der Glockenklang;Und es wurd um das Herz uns wehe,Bei jedem Pilgers letztem Gang,Sanft sei dein’ Ruh in kühler ErdUnd ewges Leben dir beschert!“

Das Gedicht entstand in Erinnerung an das Jahr, in dem die Glocken für Kriegszwecke

eingeschmolzen worden sind.„Verstummt sind die ehernen Zungen,

645 Sartori, P.: Sitte und Brauch, Leipzig 1910 zitiert nach Bastian 1995: 169.646 „In den Begriffen ‚Heimgang’ und ‚Heimrufung’ drückt sich die christliche Überzeugung von einer himmlischen Heimat, von einem Leben nach dem Tode aus.“ Bastian 1995: 169.647 Budaörs 1952: 78.648 Kakasd 1979: 142.649 Majos 1997: 236.

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Nicht ruft zum Gotteshaus ihr Klang:Kommt – kommt ohn’ Zittern und Zagen.Erquickt euer Herz am Gesang;Findet Trost im göttlichen Wort,Vertraut euch nur dem alten Gott!“

Der Verlust des Glockengeläutes und das Vertrauen auf Gott bestimmen den Grundton

des Gedichts, in dem das Glockenopfer von der Opferbereitschaft der Dorfbewohner

begleitet wird. Das ganze Gedicht ist durchdrungen von Heimat- und Vaterlandsliebe.

Als Zeichen für die Treue zum ungarischen Vaterland erscheinen die Väter und Söhne,

die bereit sind, ihr Leben für das Vaterland zu opfern. Der Tod ist das verbindende

Glied zwischen der vierten Strophe, in der die Glocke das letzte Geleit gibt, und der

fünften, wo Glocke und Mensch Opfer des Krieges werden. „Friede – Freude sind nun geschieden,Auch uns’re Glocken müssen fort;Väter und Söhne draußen bluten,Für’s Vaterland an fernen Ort.Uns’re Lieben ach Herr Beschütz’,Durch dieser Glockenerz Geschütz!

Donnerrt nun hart dem Feind’„Wehe euer List und Tücke!“Ungarn möge forthin bestehen,Gott führ’ uns gnädig zum Siege!Bring uns den Frieden dann wieder,Singt als Glocken Siegeslieder!“

Das zweite Gedicht von der Glocke „Die Heimatglocke“650 ist vom ehemaligen

Seelsorger der Gemeinde geschrieben worden. Es ist und anlässlich des

Kirchweihtreffens 1964 in Darmstadt den Gemeindemitgliedern vorgelesen worden. In

dem erzählenden ersten Teil des Gedichtes wird darüber berichtet, wie die Kolonisten

durch „Fleiß, Gebet und ernste Tat“ Fuß fassen konnten und dafür sorgten, dass „bald

die Kirche steht.“ Das Gedicht zeigt dann im weiteren, wie die Kirchenglocken das

Leben von der Wiege bis zum Grab begleiten. Da es auf einem Heimattreffen

vorgelesen wurde, dürfen die Gedanken auch nicht fehlen, die den Vertriebenen in der

neuen Heimat seelische Stütze geben:„Wo dich auch die Welt hintreibt,Wallen nach die Glocken,Klingen: „Stehe fest im Streit,Laß dich nicht verlocken![...]Großes tat uns der Herr,Ist nicht zu ermessen,Hat geholfen bis hierher,Wird uns nicht vergessen.

650 Majos 1997: 238.

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Heute denken dankend wirSeiner treuen Hilfe,Segne Gott daheim und hier Unsre liebe Kirche.“

Das Heimatbuch von Kakasd (1979) zitiert das Gedicht „Glockenweihe“, das von dem

ehemaligen Gemeinderichter geschrieben worden ist. Ihm war gewiss Schillers Gedicht

„Lied von der Glocke“ bekannt, denn bestimmte Stellen sind wortwörtlich übernommen

worden, andere sind umgedichtet worden: [Hervorhebungen im Text von O. T. K.][...] Concordia soll ihr Name sein, Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine Versammle sie die liebende Gemeine. Und dies sei fortan ihr Beruf, Wozu der Meister sie erschuf! Hoch überm niedern Erdenleben Soll sie in blauem Himmelszelt Die Nachbarin des Donners schweben Und grenzen an die Sternenwelt,

Soll eine Stimme sein von oben, Wie der Gestirne helle Schar, Die ihren Schöpfer wandelnd loben Und führen das bekränzte Jahr. Nur ewigen und ernsten Dingen Sei ihr metallner Mund geweiht, Und stündlich mit den schnellen Schwingen Berühr im Fluge sie die Zeit, Dem Schicksal leihe sie die Zunge, Selbst herzlos, ohne Mitgefühl, Begleite sie mit ihrem Schwunge Des Lebens wechselvolles Spiel. Und wie der Klang im Ohr vergehet, Der mächtig tönend ihr entschallt, So lehre sie, daß nichts bestehet, Das alles Irdische verhallt. Jetzo mit der Kraft des Stranges Wiegt die Glock mir aus der Gruft, Daß sie in das Reich des Klanges Steige, in die Himmelsluft. Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich, schwebt, Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute.

[...]Johannes soll ihr Name sein,Unter dem sie rufet die Gemeind.

Es ist dann fortan ihr Beruf –Den Menschen hier auf Erden –Wozu der Meister sie erschuf,zu künden alles Sein und Werden.

Hoch über müdem Erdenleben,Soll sie am blauen HimmelszeltAls Nachbarin des Donners schwebenUnd grenzen an die Sternenwelt.

Soll eine Stimme sein von oben,Wie der Gestirne helle Schar,Die ihren Schöpfer strahlend lobenUnd bestimmen das zeitliche Jahr.

Nur ewigen und ernsten DingenSei ihr metallner Mund geweiht,Daß immer in schnellen SchwüngenVerkünde im Fluge sie die Zeit.

Jetzt nun mit der Kraft des StrangesWiegt die Glocke aus der Gruft,Daß sie in das Reich des KlangesSteige in die Himmelsluft.

Freude hat mir Gott gegeben,Sehet wie ein goldner Stern,Aus der Hülse blank und edel,schält sich der metallne Kern,

Ziehet nun, um sie empor zu heben,Sie bewegt sich, fängt an zu schweben.Freude unsrem Dorf sie bedeute,Friede sei ihr Erstgeläut.

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Schiller: Gedichte 1789-1805, S. 205 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 82555 vgl. Schiller-SW Bd. 1, S. 429 ff.

Kakasd 1979:143. Glockenweihe (am 23. Februar 1923)

Die Heimatbücher begründen auch die Bedeutung der Glocke im Gemeindeleben: Ihr

Geläute gehörte zum Lebensrhythmus des Dorfes, und sie waren daher aus dem

dörflichen Leben nicht wegzudenken. Der Alltag und die Festtage wurden von ihrem

Geläute umrahmt. Das Heimatbuch von Pusztavám (1978a) setzt sich mit den Glocken

unmittelbar vor den Sitten und Bräuchen auseinander, um den engen Zusammenhang

zwischen den beiden Bereichen zum Ausdruck zu bringen.651 Die Auseinandersetzung

mit ihnen bewegt sich zwischen den Polen einer sachlichen Beschreibung652 und einer

emotionalen Bindung.653

Auf die emotionalen, romantischen Züge weist schon Jean Paul in seiner Arbeit

Vorschule der Ästhetik hin „Daher ruft unter den geschlagnen Instrumenten die Glocke

am meisten die romantischen Geister herbei, weil ihr Ton am längsten lebt und stirbt.“ 654

Mit süßer Wehmut und in romantischem Grundton schildert das Budaörser Heimatbuch

(1952) die Gefühle und Bilder, die als Erinnerung der Vertriebenen an die

Heimatglocken in ihr Bewusstsein bringt.„Wie süß, wie lieblich und wie traut klingt doch schon das Wort allein: Heimatglocken! So mancher Dichter hat dieses vielsagende Wort in wohlklingenden Reimen besungen. Auch für Heimatvertriebenen aus Ungarn ist ein vielsagendes Wort. Heimatglocken! Schon bei dem ersten Wort „Heimat...“ breitet sich ein Bild vor unserem Auge aus, ein herrliches Bild, das wir von der Wiege auf, Tag für Tag und Jahr für Jahr schauen durften, bis zu jener entsetzlichen Stunde... [...] Und bei dem zweiten Wort: „...Glocken“ –, da lebt diese Heimat vor uns wieder auf. Die vielen Vögelein, sie singen, zwitschern und trillern in der Luft, im Wald und auf den Bäumen. Das Wild huscht durch das Gebüsch. Zahme Viehherden weiden in grünen Grase, Bienen, Schmetterlinge umkosen die zarten Blümlein. [...] Ohne Glocken ist die Heimat nicht vorstellbar. Ihr Geläut begleitet den Menschen von der Wiege durch das ganze Leben bis zum Grab und Generationen von der Ansiedlung bis zu unserer Vertreibung – und noch darüber hinaus – in die Ewigkeit“655

Das Kapitel umrahmen Gedichte über die Glocken, in denen Heimweh als Grundmotiv

zu erkennen ist:„Wann werden wir wieder/Die Kapelle aufbaun,/Wann ruft uns das Glöcklein,/Die Heimat zu schaun?“656

651 Kakasd 1979: 142-143; Pusztavám 1978a: 121-122.652 Nagykovácsi 1962: 94-96; Elek 1977: 60.653 Majos 1997: 236.654 Jean Paul: Vorschule der Ästhetik, S. 707 ff. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 54555 (vgl. Jean Paul-W, 1. Abt. Bd. 5, S. 466 ff. Zur Problematik Glocke in der deutschen Literatur siehe Bänzinger 1998: 79-83.655 Budaörs 1952: 71-72.656 Budaörs 1952: 70.

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Ein zweites Gedicht deutet durch die Verbindung von Heimatglocken und Osterglocken

auf die Auferstehung, auf den Neuanfang bei den Ungarndeutschen hin. Die Hoffnung

auf eine Heimat ist in dem 1952 entstandenen Heimatbuch von Budaörs noch eindeutig

rückwärtsgewandt. Kurz nach der Vertreibung ist der Gedanke der Rückkehr in das

Heimatdorf, nach Ungarn noch sehr lebhaft. Die Vertriebenen betrachteten den

Aufenthalt in Deutschland nur als provisorisch. Erst Ende der 50er, als sie ihre Häuser

gebaut, eine sichere Existenz gehabt haben und sich ihre Integration in die deutsche

Gesellschaft, Wirtschaft vollzogen hat, war es eindeutig klar geworden, dass es kein

Zurück mehr gibt. Bis dahin hegten sie die Hoffnung, bald nach Hause zu kommen. “Wie mögen doch unsere Heimatglocken seither bei jedem Schlag und Ton klagen und anklagen alle diejenigen. Die Millionen von Menschen ihrer Heimat beraubt haben. Doch wir wollen nicht zürnen, vielmehr wollen uns dem Willen Gottes fügen. Nicht schimpfen und schelten der Gerechtigkeit, er möge unser Gebet erhören, auf daß wir die Heimat wieder erlangen, und unsere Heimatglocken wieder jubeln und freudig erschallen, Ihm zur Ehre und zum Ruhm und uns zum Frieden und zum Wohl für alle Zeiten. So läutet liebliche Heimatglocken – Osterglocken! – läutet ... läutet ... Alleluja...“657

Den Abschied von der Heimat verbinden die Heimatbücher mit dem Glockengeläute:„Sie riefen uns, als vor sieben Jahren die Züge mit uns aus der Heimat rollten, ab in die Fremde, in die Heimatlosigkeit, noch ein letztes „B’hüt euch Gott [...] zu. Ihre Stimmen verabschiedeten uns, als wir der Heimat entrissen wurden. Gleich unseren Glocken mußten auch wir in die Fremde ziehen, hoffnungslos und gebrochenen Herzens. Wir nahmen Abschied von ihnen.“658

Der Symbolcharakter und der Klang (akustisches Signal) der Glocken stellen die

Verbindung zu Heimatgefühl und Heimatbegriff her:„wenn die Glocken erklingen, wer

könnte unsere Sehnsucht verstehen, unser Heimweh begreifen?“659

Überhaupt war der Glaube Hoffnungsschimmer im Dunkel des Daseins. Die Lieder

enthalten eine Vielzahl an Gott gerichteter Bitten um Erlösung aus der Zwangslage und

um Rückkehr in die Heimat. „Unser Herrgott rund um unsmit Gnaden bedachtalles in der Weltso herrlich bewacht.

Darum liebe Freundesollt ihr euch auf ihn stützendann wird er uns allehimmlisch beschützen.

Im Falle ihr verzweifelt

657 Budaörs 1952: 75.658 Budaörs 1952: 74f sowie 78. Wenn Besuche in der alten Heimat abgestatten werden, führ der erste Weg immer in die Kirche und die Glocke bleibt auch nicht unerwähnt. Die Heimatzeitung Unsere Post berichtet von den ersten Nummern an von Spendeaktionen für die Kirche und Glocken in der alten Heimat.659 Budaörs 1952: 78.

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dann rufet ihn an,denn er ist der einzige,der helfen kann.“660

Wie der Mensch in der Bibel (Gen 3,23f)., haben die Vertriebenen auch ihre

paradiesische Heimat verloren. Übersteigerte Bilder der Geborgenheit beschreiben den

Reichtum der verlorenen Heimat, in der alles in Hülle und Fülle vorhanden war:

„Da wo die Sonne ihre StrahlenVom blauen Horizont herunterBlumen, Früchten, Menschen schenktVom Frühjahr bis Oktober.

Wo die unendliche weitenWeizenfelder liegen,Rebhühner, Störche und FasaneÜber die Landschaft fliegen.[...]Aus der wir ein Paradies gemachtVon einst verlassenem Revier.“661

Die Vertreibung aus dem Paradies ist Folge der Erbsünde. Im Falle der Vertriebenen ist

es auch etwas Ererbtes, ihre deutsche Gruppenzugehörigkeit, die als Kollektivstrafe in

Erscheinung trat. „Als deutsches Kind bin ich geborenIn dem schönen Ungarnland.Mein Eigentum hab ich verloren,als Flüchtling werde ich genannt.“

„Aus Ungarn bin ich ausgewiesen,habe keine Schuld daran“662

„Insbesondere wird auch die irdische Heimat als ein religiöses Gut verstanden, sie ist –

objektiv – Gabe Gottes, heiliges Land, und die steht – unter dem verpflichtenden

Heilswillen Gottes.“663 So wurde den Umsiedlern die Besinnung auf die göttliche

Fügung mitgegeben.

Gerade in der Fremde und in der Verlassenheit erwächst die starke Hoffnung, dass Gott

sein Volk heimführen wird. Als das Volk in der Fremde wieder zu Gott heimfand,

durfte es wieder in die Heimat zurückkehren (Jer 29,13f; 31,10; Is 40,1f)664 13 Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt,14lasse ich mich von euch finden – Spruch des Herrn. Ich wende euer Geschick und sammle euch aus allen Völkern und allen Orten, wohin ich euch

Heimatlosen zwischen Ländergrenzen, nehmen langsamAbschied nun; um in Gottes treuen Händen, nicht mehrHeimatlos zu ruhn. Jene, die uns nachgeboren,

660 Majos 1997: 464.661 Torbágy 1984: 263.662 Csávoly 1980: 282.663 Bastian 1995: 161 ferner Greverus 1972: 213.664 Bastian 1995: 163.

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versprengt habe – Spruch des Herrn. Ich bringe euch an den Ort zurück, von dem ich euch weggeführt habe (Jer 29, 13-14)

Kinder oderKindeskind mögen niemals sie vergessen, daß wir alle Wand’rer sind!665

Als Bürger der himmlischen Gottesstadt sind die Christen der Welt gegenüber zu

Fremdlingen und Pilgern geworden (1 Petrusbrief 2,11).„Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott wir einen Bau haben, von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel. 2 Im gegenwärtigen Zustand seufzen wir und sehnen uns danach, mit dem himmlischen haus überkleidet zu werden.“ (2Kor 5, 1-2)

„mußte verlassen meine Heimat,mußte in die Fremde ziehn.“666

„So lebet wohl, ihr Berg’ und Täler,wir müssen in die Fremde ziehn.“667

„Des Schicksals HandRiß mich hinausIn grober Halt Wie fremden GastVom Vaterhaus...“668

„So bin ich Dörflein, mein liebes,von dir gegangen,vor meinen Blicken die kühle, weite Fremde.“669

„Jene, die uns nachgeboren, Kinder oderKindeskind mögen niemals sie vergessen, daß wir alle Wand’rer sind!“670

Des Christen wirkliche, wesensmäßige Heimat ist der Himmel. Um dorthin zu

gelangen, muss er sich den Forderungen des Lebens stellen.671 Das Vertrauen auf eine

„ewige Heimat“, welches den Kern eines christlichen Lebens ausmacht, findet u.a.

Ausdruck in Kirchenliedern und in der neutestamentischen Grundaussage:672 20Unsere

Heimat aber ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn.

(Phil 3, 20)

665 Majos 1997: 461; Das Gedicht hat Frau Bulla während des Heimattreffens der Hidaser uns Majoser in Karlsruhe 1996 vorgetragen. Es geht zwar in dem Gedicht, das als eine in Verse verfasste Chronik mit den wichtigen Jahreszahlen zu verstehen ist, um die Einwanderungszeit der Deutschen nach Ungarn. Aber der thematischen und zeitlichen Struktur des Gedichtes entsprechend beziehen sich die Abschlusszeilen eindeutig auf das Schicksal der Vertriebenen in der Nachkriegszeit.666 Csávoly 1980: 282.667 Csávoly 1980: 282-283.668 Budaörs 1952: 4.669 Harka 1987: 1.670 Majos 1997: 461.671 Bastian 1995: 164.672 Bastian 1995: 173.

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Nach christlichem Verständnis ist der Mensch unterwegs zur endgültigen Heimat und

dementsprechend gilt sein Engagement der Zukunft, seiner „Heimat im Himmel“ (Phil

3,20).„Doch schau nicht zurück, sondern vorwärts,und lerne aus dem Verzicht:über der irdischen Heimatvergiß die ewige nicht.“673

Die starke Symbiose von sakralen und profanem Heimaterleben, die den Prozess

Heimatverlust und Gottsuche auf dem Gebiet eines bis dahin unbekannten Duldertums

prägte, führte zu einer Erfahrung, die jedem wie ein Geschenk in der Seele ruhte und

wirken sollte,674 sodass die sich auch bisher poetisch untätige Schichten zum Dichten

veranlasst fühlten.

673 Nagykovácsi 1962: 10.674 Diplich 1986: 163.

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4.4 Die autobiographisch-geprägten Beiträge der Heimatbücher

Der Ausdruck autobiographisch-geprägte Beiträge675 wird im Folgenden konsequent

benutzt, um alle Produkte alltäglicher Selbstreflexionen mitberücksichtigen zu können.

Die autobiographisch-geprägten Beiträge erscheinen in den meisten Fällen in den

Heimatbüchern selbstständig in einem eigenen Kapitel wie z.B. im Heimatbuch von

Pusztavám (1978a), das allerdings ein Sonderfall ist, denn die lebensgeschichtlichen

Erinnerungen stehen stellvertretend für die historische Darstellung der letzten

Kriegsjahre und der Vertreibung. Sie können aber in den geschichtlichen Schilderungen

eingebetet als quasi Belege fungieren.676 Bei diesem geht es um eine ganz kurze

Beschreibung eines Vorfalls, während bei jenem die Beiträge schon vom Umfang her

länger und ausführlicher sind, sodass sich das Erzählte zu einem

Ereigniszusammenhang fügt, in dessen autobiographischer Darbietung sich auch Phasen

675 Mir ist bewusst, dass durch die Beschäftigung mit den autobiographischen Beiträgen der Heimatbücher eine potentielle Horizonterweiterung der Untersuchung in Richtung autobiographischen Diskurses gemacht wird. Weitere Dimensionen öffnen sich durch die Nahe zum mündlichen Erzählen, wie durch die Verwandtschaft mit der Oral History. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist darauf nicht einzugehen, es kann aber zum Gegenstand der späteren Forschung der Verfasserin dieser Arbeit gemacht werden. Das Zitieren der einschlägigen Literatur in Auswahl soll die Relevanz des Problems zeigen und mit weiteren zutreffenden Werken im Literaturverzeichnis der vorliegenden Dissertation Ausgangsbasis einer späteren Untersuchung bilden. Röhrig, Lutz: Erzählforschung. In: Brednich, Rolf Wilhelm (Hrsg.):Grundriß der Volkskunde. Berlin, 1994., S. 421-448.; Röhrig, Lutz/Lindig, Erika (Hrsg.): Volksdichtung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. [ScriptOralia 9] Tübingen, 1989.; Lehmann, Albrecht Erzählstruktur und Lebenslauf. Frankfurt a. M.-New York, 1983.; Graf, Andreas Vom mündlichen und literarischen Erzählen, von neuen Medien und dem Selbstbefriedigungsverbot. In: Fabula 26 (1995), S. 273-281.;. Bausinger, Hermann: Strukturen des alltäglichen Erzählens. In: 1 (1958), S. 239-254.; Lämmert, Eberhard (Hrsg.): Erzählforschung. Ein Symposion. Stuttgart, 1982.; Oral History. Dunaway, David K./Baum, Willa K. (ed.). Nashville, 1984.; Zeller, Eva: Die Autobiographie. Selbsterkenntnis - Selbstentblößung. Stuttgart, 1995.; Esselborn-Krumbiegel, Helga: Die Subversion der Autobiographie. Ich-Varianten in zeitgenössischen weiblichen Autobiographien. In: Esselborn, Hans/Keller, Werner (Hrsg.): Geschichtlichkeit und Gegenwart. Köln, 1994., S. 322-341. Pascal, Roy: Die Autobiographie. Gehalt und Gestalt. [Sprache und Literatur; 19] Stuttgart u.a., 1965.; Sparn, Walter (Hrsg.): Wer schreibt meine Lebensgeschichte? Biographie, Autobiographie, Hagiographie und ihre Entstehungszusammenhänge. [Bayreuther Kolloquium zu Problemen Religiösen Sozialisation; 8] Gütersloh, 1990.; Fuhrmann, Manfred: Rechtfertigung durch Identität. Über eine Wurzel des Autobiographischen. In: Marquard, Odo/Stierle, Karl-Heinz: Identität. [Poetik und Hermeneutik; VIII] München, 1979., S. 685-690. Aichinger, Ingrid: Probleme der Autobiographie als Sprachkunstwerk. In: Österreich in Geschichte und Literatur 14 (1970), S. 418-434.; Aichinger, Ingrid: Künstlerische Selbstdarstellung. Goethes „Dichtung und Wahrheit“ und die Autobiographie der Folgezeit. Bern, 1977.; Fritsche, Michael: Bekennen - erzählen - berichten. Deutsche Autobiographien vom 18. Jh. bis zum 19.Jh. In: Besonnte Kindheit und Jugend?: autobiographische Texte aus verschiedenen Kulturen. Oldenburg, 1992., S. 27-53. Misch, Georg: Geschichte der Autobiographie. Bd. I-IV. Frankfurt a. M., 1949-1969.; Misch, Georg: Studien zur Geschichte der Autobiographie. [Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philol.-hist. Kl.; (1954), Nr. 5] Göttingen, 1954.; Niggl, Günter: Die Autobiographie im 20. Jahrhundert. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch. Berlin, 1993., S. 215-220. Niggl Günter (Hrsg.): Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte der literarischen Gattung. Darmstadt, 1989.676 Zsámbék 1988: 139ff.

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bilden.677 Der Ereignisrahmen ist der Krieg oder die Krisenlage danach. Es werden die

folgenden Ereignisse thematisiert:

- Einbruch des Krieges in das vermeintlich friedliche Dorfleben

- Das Dorf zwischen den Frontlinien

- Flucht aus dem Dorf

- Verschleppung

- Lagerleben (Kriegsgefangenlager, Arbeitslager und Flüchtlingslager)

- Vertreibung aus allen möglichen Dimensionen wie Ausweisung aus dem Dorf,

Reise ins Ungewisse, das Leben in den Empfangslagern, Ankommen in der

neuen Heimat

Diese inhaltsorientierte Auflistung der Beiträge zeigt eindeutig die Dominanz der

geschichtlichen/historischen Zeit in den autobiographisch-geprägten Texten. Der

Mensch nimmt in der Zeit seines individuellen Lebens teil an einem unwiederholbaren

und irreversiblen Prozess, man erlebt einen Teil der Geschichte, die geschichtliche,

historische Zeit. In der Erinnerung an die vielen in unserem Gedächtnis aufbewahrten

Geschichten aus unserem Leben zeigt sich eine chronologisch geordnete Abfolge von

Ereignissen, als eine Reihenfolge von Geschichten. „Die große Geschichte, ‚die

Geschichte im Singular’, wie sie Reinhard Koselleck nennt, weist dieselben Strukturen

auf, die auch diesen erinnerten Geschichte, den ‚Geschichten im Plural’ eigen ist.“678

Unser Bewusstsein kann die vielen von uns erlebten Geschichten in eine persönliche

Beziehung zur großen historischen Entwicklung setzten. Eben das wollen selbst die

Heimatbücher und in ihnen die autobiographisch-geprägten Beiträge. Dass Geschichte

und individueller Lebensverlauf innerhalb der Autobiographie miteinander verknüpft

sind, ist evident. Entscheidend jedoch ist, in welchem Umfang und welcher Weise der

Erzähler diese beiden Pole in seine Lebensgeschichte einbezieht. Die Heimatbücher

677 Siehe Nagykovácsi 1962: 55-61. Die äußere Einteilung des Textes verhält sich in diesem Fall parallel mit der Phasenbildung.678 Lehmann, Albrecht: Erzählstruktur und Lebenslauf: autobiographische Untersuchungen. Frankfurt a. M.-New York, 1983., S. 14. Siehe dazu Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt a. M., 1979.; sowie Doppler, Alfred.: Geschichte im Spiegel der Literatur. Innsbruck, 1990.; Jauss, Hans Robert: Zur Analogie von literarischem Werk und historischem Ereignis. In: Koselleck, Reinhart/Stempel, Wolf-Dietrich (Hrsg:): Geschichte – Ereignis und Erzählung. München,1973., S. 535-536.; Kamnitzer, Heinz.: Über Literatur und Geschichte. Schwerin, 1954.; Koselleck, Reinhart: Standortbindung und Zeitlichkeit. Ein Beitrag zur historiographischen Erschließung der geschichtlichen Welt. In: Objektivität und Parteilichkeit. Theorie der Geschichte. Bd.1. Hrsg.: Koselleck, Reinhart/Mommsen, Wolfgang J./Reisen, Jörg. München, 1977., S. 17-46.; Stempel, Wolf-Dietrich: Erzählung, Beschreibung und der historische Diskurs. In: Koselleck, Reinhart/Stempel Wolf-Dietrich: Geschichte – Ereignis und Erzählung. München, 1973., S. 325-346. Wuttke, Dieter: Von der Geschichtlichkeit der Literatur. Fragmente einer bildungspolitischen Bestandaufnahme. Bamberg, 1984..

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präferieren Beiträge mit nicht zu viel individuellen Zügen, denn sie wollen zwar mit

subjektiver Authentizität die Vergangenheit aus eigener Perspektive rekonstruieren,

aber nicht das Ich, sondern das Wir soll im Mittelpunkt stehen. Zuviel Persönliches und

Privates würde zum Verfehlen ihrer Intention führen. Nur in den seltensten Fällen

finden wir Abweichungen davon. Wenn doch solche autobiographisch-geprägten

Beiträge in ein Heimatbuch aufgenommen werden, dann sind es entweder

Kindheitserinnerungen679 und private Angelegenheiten,680 oder Begebenheiten aus dem

Dorfleben, die man miterlebt hat.681 Da zeigen sich weitere, in den autobiographisch-

geprägten Beiträgen der Heimatbücher subordinierten Dimensionen der

Geschichtlichkeit des menschlichen Lebens: die Naturzeit (Tage, Nächte und Jahre

usw.), vor allem aber die lebensgeschichtlichen, sozialstrukturelle Zeitkategorien,682

wobei die letzte Kategorie über normbiographische und private Dimensionen verfügt.

Autobiographisch-geprägte Beiträge mit den oberen als primären Kategorien wurden in

die Heimatbücher nur aufgenommen, wenn sie für die Gemeinschaft von Belang waren.

So lässt sich Partizipation der Gemeinschaft als Referenz feststellen.

Die zeitliche Strukturierung der autobiographischen Texte fügt sich im Wesentlichen

aus den oberen zeitlichen Orientierungen zusammen. Dazu gesellt sich noch die

Beziehung zur der Gegenwart des Erzählers, denn autobiographische Retrospektive und

Erzählung geschehen stets unter dem Eindruck und Einfluss der augenblicklichen

Gegenwart, d.h. unter dem Einfluss der zwischen des Ereignisses und seiner Erzählung

verflossenen Zeit.

A. Lehmann683 unterscheidet aus autobiographischer Sicht zwischen reflektierender und

erzählender Erzählweise. Er spricht vom Erzählen, wenn der autobiographische

Erzähler die Ereignisse seines Lebens aus Distanz betrachten und darbieten kann, weil

er seine Vergangenheit mit der Gegenwart ohne Mühe in Übereinstimmung bringen

kann.684 In der Erzählung geht es also um etwas, was schon verarbeitet werden konnte. 679 Siehe dazu Budakeszi 1986: 323-324 im Anhang der vorgelegten Arbeit; sowie weitere Beispiele in den Heimatbüchern Nagykovácsi 1962: 144-145; Budakeszi 1986: 323-324; Budakeszi 1986: 319-323; Budakeszi 1986: 309-312; Bikács 1986: 210-214.680 Bikács 1986: 210-214; Budakeszi 1986: 325-327; Torbágy 1984: 136.681 Budaörs 1952: 124-127; Perbál 1988: 173-174; Vaskút 1983: 571-572; Vaskút 1983: 582-583.682 Zur Lebensphase, Altersgruppe sowie „Status-Rollen-Konfiguration“ siehe Lehmann 1983: 14f. Die Natur Zeit bekommt in den autobiographisch-geprägten Beiträgen dort eine wichtige Rolle, wo über Leid und Schmerz die Rede ist, denn in solchen Krisenlagen zählt man die Tage und Stunden, und hofft, dass diese Zeit bald vorbei ist. Die Verfasser werden über die Naturzeit reflexiv. Siehe z.B. Pusztavám 1978a: 197-206; Nagykovácsi 1962: 58.683 A. Lehmann 1983: 28.684 A. Lehmann 1983: 28f. In dieser Hinsicht sind die Textsorten Brief und Tagebuch problematisch, denn sie zeigen die Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Eben die nötige zeitliche Distanz zum

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Die reflektierende Erzählweise wird verwendet, wenn der einzelne es für nötig hält, sein

Leben neu zu interpretieren und Vergangenheit und Gegenwart in ein stimmiges Ganzes

zu bringen.

Jürgen Lehmann685 versucht unter literaturpragmatischem Aspekt die Autobiographie

als Akt der Kommunikation zu bestimmen und kommt sich an handlungstheoretisch

relevanten Gesichtspunkten orientierend zu folgenden Typen der Autobiographie:

Bekennende Autobiographie: ist die am offenkundigsten pragmatisch beeinflusste. Der

Bekennende spricht ausschließlich in der 1. Person Singular, denn nur er kann

bekennen, nicht andere für ihn, denn schließlich sind die zu übermittelnden

Sachverhalte nur ihm alleine vollständig bekannt. Der Sprecher geht davon aus, dass

diese dem Hörer umstritten, brisant sind. Er antizipiert einen Hörer, der bestimmten

sprachlichen und moralischen Normen verpflichtet ist. Für das Bekennen gelten

uneingeschränkt die Bedingungen der Verteidigungspflicht sowie der Aufrichtigkeit,

vor allem aber die Konsequenz.

Berichtende Autobiographie: wird von der neutralen Sprecherposition charakterisiert, es

ist keine spezifische Perspektivisierung erkennbar. Der Berichtende artikuliert bei der

Wiedergabe vergangener Sachverhalte weniger die Details als vielmehr die Resultate

bestimmter prozessualer Abläufe. Der Sprecher richtet sich an einen bestimmten

Hörerkreis, und seine Aktivitäten sind auf dessen genau begrenzbares

Informationsbedürfnis ausgerichtet. Es gelten Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit und

Konsequenz.

Erzählende Autobiographie: ist eine perspektivierende Wiedergabe der Abfolge von

vergangenen Sachverhalten, also geprägt durch eine starke Profilierung des

Sprecherposition. Es gibt keinen geäußerten spezifischen Hörerbezug: es richtet sich an

Ereignis fehlt, um Informationen über die Vergangenheitsbewältigung liefern zu können. So sind diese Medien der Erinnerung aus der Untersuchung ausgeschlossen worden. Tagebuch: Nagykovácsi 1962: 49-53; Perbál 1988: 190; Torbágy 1984: 172-174. Brief: Piliscsaba 1988: 308; Pusztavám 1978a: 225-227. Obwohl im Heimatbuch Torbágy 1984: 167-171 um eine Erinnerung an Ausweisung gehen soll, die „fast schon in grauer, nebelhafter Ferne“ liegt, erinnert sich der Erzähler an die kleinsten Details. Es wird in Präsenz erzählt und die Ereignisse mit emotionalen Ausbrüchen begleitet. Es ist eine Diskrepanz, die Spannung erzeugt, und darauf schließen lässt, dass sich der Autor beim Verfassen seines Beitrages höchstwahrscheinlich auf seine Tagebuchnotizen verlassen hat. Da es nur unsere Hypothese ist, nahmen wir den Beitrag in die untere Tabelle auf.685 Lehmann, Jürgen: Bekennen, erzählen, berichten: Studien zu Theorie und Geschichte der Autobiographie. [Studien zur deutschen Literatur; Bd. 98] Tübingen, 1988., S. 59ff.

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ein heterogenes Publikum und geht nicht von spezifischen Wissensvoraussetzungen

eines Hörers aus. Es gelten Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit aber nur eingeschränkt die

der Konsequenz: der Erzähler braucht nicht für die sich aus dem Erzählen ergebenden

Folgen einzustehen.

Im Folgenden sollen die autobiographisch-geprägten Beiträge der Heimatbücher nach

den oben angegebenen Kategorien von A. Lehmann und J. Lehmann eingestuft und

exemplarisch gezeigt werden. Aus dieser Sicht sind nur die Beiträge von Relevanz, bei

denen die Dominanz der geschichtlichen Zeit zu registrieren ist.

Der Untersuchung muss vorausgeschickt werden, dass in den Heimatbüchern aus

normbiographischer Sicht keine kompletten Lebensgeschichten dargeboten werden. Es

sind aus dem Lebenszusammenhang entnommene Erinnerungen und mosaikartige

Lebensbilder, die eine in sich geschlossene Einheit bilden. Wenn die Terminologie von

A. Lehmann und J. Lehmann übernommen wird, möchten wir unter Autobiographie

diese quasi als Fragmente verstehen.

Die untere Tabelle enthält keine Rubrik für bekennende Autobiographie, denn es ließ

sich in den Heimatbüchern kein Beitrag dieses Charakters finden. Die autobiographisch-

geprägten Beiträge sind nach den einzelnen Heimatbüchern gruppiert eingetragen

worden, um eventuelle Tendenzen anschaulich zu machen.686

686 Das Heimatbuch Kakasd 1979 enthält keine autobiographisch-geprägten Beiträge. Das Heimatbuch von Majos 1997 zitiert aus einem Augenzeugenbericht, der schon in der Neuen Zeitung veröffentlicht wurde. Im letzten Fall haben wir aber mit einem Autor zu tun, der in dem Heimatbuch ein Medium gefunden, wodurch er über die eigene Vergangenheit reflexiv werden kann. Die extrem polemische Haltung und das verbitterte Suchen nach dem „Warum“ kennzeichnen das gesamte Werk. So kann das Heimatbuch von Majos als autobiographisch-geprägte Leistung des Verfassers aufgefasst werden, dem wir wünschen, dass er seinen seelischen Frieden finde.

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berichtende Autobiographieneutrale Sprecherpositionerzählende Erzählweise

erzählende Autobiographieperspektivierende Wiedergabe

reflektierende Erzählweise

Bácsalmás 1965: 241-252 Bácsalmás 1965: 211-214Bácsalmás 1965: 252-254 Bácsalmás 1965: 226-227Bácsalmás 1965: 254-260Bácsalmás 1965: 261-267Bácsalmás 1965: 268-272Bácsalmás 1990: 337-372 Budaörs 1952: 113-123Budakeszi 1986: 164Budakeszi 1986: 165-169Budakeszi 1986: 325-327Budakeszi 1986: 327-328Budakeszi 1986: 329Csávoly 1980: 83-87 Csávoly 1980: 74-78

Elek 1977: 140-145 Elek 1977: 145-147Nagykovácsi 1962: 12-16

Nagykovácsi 1962: 55-61 Nagykovácsi 1962: 65-68Perbál 1988:180-186Perbál 1988:193-194Perbál 1988:218-224Piliscsaba 1988: 290-291 Piliscsaba 1988: 304-307Piliscsaba 1988: 298-303Pusztavám 1978a: 176-185 Pusztavám 1978a: 207-213 Pusztavám 1978a: 185Pusztavám 1978a: 186-189 Pusztavám 1978a: 192-194Pusztavám 1978a: 197-206Torbágy 1984: 157-158 Torbágy 1984: 167-171 Torbágy 1984: 165-166Torbágy 1984: 166-167Torbágy 1984: 172-174Torbágy 1984: 174-176Vaskút 1971: 103-108Vaskút 1983: 298-300 Vaskút 1983: 718-723 Vaskút 1983: 296-298

Vaskút 1983: 710-716

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, haben die meisten (27 Beiträge von 44) den Teil

ihrer Lebensgeschichte, der mit dem Zweiten Weltkrieg und mit der Vertreibung

verbunden war zumindest schon verarbeitet, sodass sie eine distanzierte Haltung

demonstrieren. Bei sechs Beiträgen ist ein offensichtliches Oszillieren zwischen den

beiden Polen zu beobachten. Eine Tendenz ist, dass mit tieferer Themabeschäftigung

die zuerst eingenommene distanzierte Position langsam aufgegeben wird, bis schließlich

das Geschehen aus nächster Nähe dargeboten wird. In solchen Fällen beginnt der

Beitrag mit dem Erzählsubjekt „man“, dann gehen „man“ und „wir“ ständig ineinander

über, bis schließlich das „Ich“ in den Mittelpunkt rückt und die Perspektive des

Erzählers nunmehr seine direkte Erfahrungswelt umfasst. Das ist der Fall im

Heimatbuch Nagykovácsi (1962: 55-61), in dem sich der Verfasser an die Zeit der

Vertreibung erinnert, die er damals 15jähriger miterlebt hat. Eindeutig kommt in dieser

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Geschichte zum Vorschein, wie stark das Vergangene aus der Gegenwart heraus

gesehen wird: Stellungnahmen und Reflexionen wie: „War es da ein Wunder, wenn wir

dieses gefährlichen und notvollen Zustandes überdrüssig wurden?!“687 deuten darauf

hin, dass wir hier durch die Augen eines Erwachsenen sehen, der all seine Kenntnisse

über die Vertreibung, die keineswegs die Erfahrungen eines 15jährigen Kindes sein

können, verbunden mit seinen damals naiv kindlichen Einstellungen zu den Ereignissen

projeziert. An manchen Stellen gibt er selbst zu, dass „[D]ie Vorstellungen über dieses Land […] recht dürftig und besonders bei uns Jugendlichen etwas romantisch [waren]. Uns schwebte vor Augen ein Land von hohen Bergen, in denen die Jodler nie verklingen, ein Land der vielen Weiden, wo man sich hauptsächlich von Milch und Butter ernährte und zur Abwechslung höchstens noch Sauerkraut aß und Bier trank.“688

Die dadurch erzeugte Spannung wird durch die gefühlsgeladenen Aussagen über das

zwiespältige Verhältnis zu Ungarn aufrechterhalten. Einerseits wird das innigste

Verbundensein mit Ungarn zum Ausdruck gebracht, indem behauptet wird, dass sie

„mit allen Fasern ihres Herzens an ihrer Heimat hingen“689, andererseits wird aber mit

Genugtuung hingenommen Ungarn hinter sich gelassen zu haben, „ein Land, das uns

die primitivsten Rechte verweigerte“690, heißt es im Text. Ungarn gegenüber erschien

Deutschland, das in der misslichen Lage der Vertriebenen die Hoffnung bedeutete und

als Heimat der Väter dargestellt wurde, als das 'Gelobte Land'. Der Ausdruck wiederholt

sich mehrmals in der Erzählung, um an der Hoffnung auf eine bessere Zukunft fest

halten zu können. Ein Schlüsselwort der Erzählung scheint Befreiung zu sein, denn

der Erzähler kommt immer wieder, unabhängig vom Erzählkontext darauf zurück.

Der zentrale Abschnitt der Erzählung ist der Teil, in dem der Abschied von der

Heimat beschrieben wird. Am Rande der Verzweiflung schaut der Verfasser auf die

Scherben seiner Vergangenheit zurück, und nimmt Abschied von der den Augen Stück

um Stück entschwindenden Heimat. Die Ausdehnung der Zeit dient der Schilderung der

endlos erscheinenden Stunden des Wartens und räumt Platz zum Lamentieren über

zugefügtes Leid und die erlebte Tragödie ein. Mit dem sich in Bewegung setzenden Zug

wird auch der emotionale Tiefpunkt der Erzählung überwunden und die Ereignisse, die

Stationen der Fahrt ins Ungewisse werden beschleunigt dargestellt. Die Unterschiede in

der Raffungsintensität widerspiegeln sich auch in der sprachlichen Gestaltung der

jeweiligen Passagen. Während die Darstellung der Zugfahrt wie eine Auflistung der

687 Nagykovácsi 1962: 55.688 Nagykovácsi 1962: 56.689 Nagykovácsi 1962: 56.690 Nagykovácsi 1962: 58.

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Reisestationen wirkt, können ästhetisierende Tendenzen in den Abschnitten mit

intensiver Zeitdehnung entdeckt werden. Die Darstellung der Zugfahrt charakterisiert

ferner eine Verzerrung der Sukzession. Der Wechsel von einlässigem und knappem

Erzählen ergibt sich daraus, dass einige während der Fahrt ereignete kleinere Episoden

geschildert werden. Dabei offenbart sich wieder, dass wir mit einem jungen Menschen

zu tun haben, der erst rückblickend die Bedeutung der erlebten Ereignisse verstanden

und gewichtet hat. Denn es wirkt fast schon grotesk, wenn Zeilen nebeneinander stehen,

in denen einerseits die am eigenen Leib erlebte Menschenunwürdigkeit691 thematisiert

wird andererseits die Fahrt wie eine Touristenreise geschildert wird:„In uns Jungen war ja die Lust am Abenteuer nicht erstorben, und auch die Älteren erwarteten neue, meist ungesehene Länder. Schließlich ließ sich die Welt auch vom Viehwagon aus ganz gut betrachten.“692

„Trotz alledem habe ich es nicht versäumt, die Stadt näher anzusehen. Regensburg hatte für mich schon immer einen zauberhaften Klang. Täglich zog ich aus, um die Stadt zu erobern. Staunend stand ich vor dem berühmten gotischen Dom, und die Barockpracht der Emmeramskirche und der Alten Kapelle hatten mich vollends in Verzückung gesetzt.“693

Der Bericht schließt mit einer Reflexion des Autors über die Vertreibung, indem er

seine zukunftsorientierte Einstellung preisgibt und die Wichtigkeit des Gottvertrauens

und der Erinnerung an die Vergangenheit betont, wodurch der Erzählung zugleich ein

Rahmen gegeben wird.

Der andere Entstehungsweg eines Mischtyps ist, wenn der Erzähler immer wieder aus

seiner distanzierten Rolle fällt, falls es in der Erzählung um Passagen geht, die

Ereignisse darstellen, die noch nicht verarbeitet werden konnten. Diese Stellen zeichnen

sich auch durch die Verlangsamung und Dehnung der Zeit aus, bis sie durch die

Beschreibung der Gedanken und Gefühle fast zum Stehenbleiben gezwungen wird. Die

zeitliche Verlangsamung und Ausdehnung führt zur Erstarrung, wobei schließlich das

Schlüsselmotiv Tod in verschiedenen Kontexten, meistens begleitet von Bildern der

Kälte und Erfrierung, erscheint, wodurch die Erzählphase abgeschlossen und die

Geschichte weiter erzählt werden kann. Diese Darstellungsweise kann auch im Falle des

Beitrages im Heimatbuch Elek (1977:140-145) beobachtet werden. Der Verfasser

berichtet über die Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Russland. Klar sind die

einzelnen Phasen voneinander zu trennen, die in der linear erzählten Geschichte wie

kleine Erinnerungsbilder nebeneinander stehen, und durch das Motiv des Todes

691 Nagykovácsi 1962: 58 und 59.692 Nagykovácsi 1962: 57.693 Nagykovácsi 1962: 59f.

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verbunden werden. Auf die Stellen, in denen Ereignisse geschildert werden, die noch

nicht verarbeitet werden konnten und daher keine neutrale Sprecherposition erlauben,

lenken die Aufmerksamkeit Techniken, wie die Verbindung des Profanen mit dem

Sakralen:„Es blieb uns kein Eßbesteck, Buch, Schmuck, ja sogar unsere Gebetbücher haben sie weggenommen, weil das feine Papier für Zigarettenpapier verwendet werden konnte. Schon im März hatten wir den ersten Toten.“694

Eine ähnliche Funktion bekommen die naturalistischen Schilderungen der des

Menschen unwürdigen Verhältnisse, die jetzt, Jahrzehnte nach den Ereignissen auch

noch mit Bildern des Grauens geschildert werden. Es geht hier um Erlebnisse, die mit

klarem Verstand nur schwer zu überleben waren. Der Erzähler bemerkt auch: „Die

Gelehrtesten wurden am ehesten irrsinnig.“695 Er beschreibt mit elementarer

sprachlicher Kraft, wie der Mensch bloß auf die Befriedigung seiner primären

Bedürfnisse reduziert wird und dabei vertiert. Als Symbol dafür erscheint das rohe

Fleisch, und die Bilder über die Zerlegung und Schlachten der Tiere wie Pferd, Hund

und Katze führen hinüber zum letzten Teil der Erzählung, in dem das Menschenfleisch

zum Rattenfutter wird, wodurch die Spannung im Schlussteil eine weitere Steigerung

erfährt und ihren Höhepunkt erreicht:

„Wir waren alle Todeskandidaten; wer das nicht miterlebt hat, kann sich das alles nicht vorstellen, kaum noch glauben. Im Winter wurden die Toten nicht beerdigt, man hat sie in einem Schuppen aufeinandergestapelt. Im Frühjahr hat man sie in ein Massengrab gelegt. Die Ratten haben die Augenhöhlen der gestapelten Toten ausgefressen und auch andere Teile angenagt“696.

Die oben geschilderten Bauformen des Erzählens charakterisieren die Texte mit

perspektivierender Wiedergabe, mit dem wesentlichen Unterschied, dass hier das „Ich“

ständig im Mittelpunkt bleibt und selbstreflexiv wird, wobei weiterhin die auf Seite 170

geschilderte Partizipation der Gemeinschaft als Referenz maßgeblich ist. Der Tod als

zentrales Motiv taucht in fast jedem Beitrag auf, und fungiert wie z.B. im Heimatbuch

Vaskút (1983: 296-298) quasi als ein Falken-Motiv zur Verbindung der einzelnen

episodischen Erzählphasen. Direkte Rede und ausführliche Schilderung der Gefühle und

Gedanken sind diesen Texten eigen, wie das auch im Heimatbuch Pusztavám (1978a:

185) zu beobachten ist. Die erste Hälfte der Erzählung stellt in Dialogform dar, wie die

Entscheidung aus der Heimat zu fliehen getroffen wurde.

694 Elek 1977: 142f.695 Elek 1977: 144.696 Elek 1977: 145.

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„Dann verbreiteten sich Angst und Haß unter den Dorfsleuten [sic!]. »Wenn wir also wirklich keine Bleibe mehr haben sollten, was sollen wir tun?« fragte ich immer wieder Franz Stammler in jenen Tagen. Er antwortete: »Von Haus zu Haus gehen und die Leute aufrufen, […]Aber ich sagte: »Es bleibt uns nichts anderes übrig. Wir müssen fort.«“697

Allen Beiträgen ist gemeinsam, dass sie im besonderen Maße darum bemüht sind, Ort,

Zeit und wichtige Beteiligte der Ereignisse mit Genauigkeit einer Zeugenaussage zu

übermitteln. Die Erzählungen sind überlagert von Zahlen, Daten und detaillierten Orts-

und Personenangaben, wobei die minuziöse zeitliche Festlegung der Ereignisse schon

fast störend wirkt. Eben so verfährt der Verfasser im Beitrag für das Heimatbuch Elek

(1977: 145-147). Diese Erzählung zeichnet sich ferner dadurch aus, dass Einviertel des

Umfangs der Versorgung der Tiere vor der Ausweisung gewidmet wird. Die einzelnen

Episoden werden durch das immer wiederkehrende Motiv des Weinens verbunden.

Unter den reflektierenden Beiträgen soll noch der autobioraphisch-geprägte Beitrag im

Heimatbuch Nagykovácsi (1962: 55-68) über das Wiedersehen der Heimat

hervorgehoben werden, in dem klar zu beobachten ist, wie der Besuch in der alten

Heimat zur Erschütterung des Heimatbildes führt, was schließendlich zur Ablehnung

dieser entarteten Heimat führt. In der Erzählung ist am Ende jedes zweiten Satzes

entweder ein Fragezeichen oder ein Ausrufungszeichen zu finden, wodurch signalisiert

wird, dass die Erlebnisse, die noch weit nicht verarbeitet werden konnten, aus nächster

Nähe dargeboten werden:„Ein erbärmliches Bild bot sich uns! Das einst so schöne, saubere, stolze Dorf war nicht wiederzuerkennen! Ich glaube, fast sagen zu dürfen, daß es dem Ruin entgegen geht. Manches Haus ist schon eingestürzt, manch schöner Nuß- oder Birnbaum, der einst vor den Häusern stand, wurde ohne triftigen Grund abgesägt. Es war sehr schmerzlich, dies alles sehen zu müssen!“698

Die Konfrontation mit der Gegenwart und die Diskrepanz zwischen dem im Gedächtnis

bewahrten Bild der alten Heimat und ihrer jetzigen Form führen zur Verwirrung der

Gefühle, und zum Neudenken der Identität sowie zur Neuwertung des

eigenenHeimatverständnisses:„Die Stunde des Abschieds für alle war nun gekommen, und der Zug brachte uns wieder in den Westen, in den Westen, der uns nach der Vertreibung vor 16 Jahren aufnahm und uns eine zweite Heimat gab!“699

Abschließend sei konstatiert, dass sich in den autobiographisch-geprägten Beiträgen

Prozesse der Verarbeitung der Verlusterfahrungen abzeichnen und Raum zur

Gewinnung der Einsicht in die Unwiederholbarkeit des Vergangenen ermöglichen.

697 Pusztavám 1978a: 185.698 Elek 1977: 66.699 Nagykovácsi 1962: 68.

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5 Zusammenfassung

Das Heimatbuch, das durch seine rückwärtsgewandte und retrospektiv nostalgisch

besetzte Perspektive eine spezielle Form der Erinnerungskultur der Vertriebenen

zwecks Vergangenheitsbewältigung verkörpert, in der sich Entstehungsprozesse der

raum- und zeitbedingten Gedächtnisorte im Verlauf der Identitätskonstruktion und

-rekonstruktion abzeichnen, gehört innerhalb der Heimatliteratur der Postheimatliteratur

an. Im Falle der Ungarndeutschen ergeben sich Eigenart und Stellenwert der Textsorte

daraus, dass sie im nach der Vertreibung entstandenen literarischen Widerspiegelungs-

Vakuum für eine der empfundenen Wirklichkeit adäquaten Literatur steht und dadurch

zu einer besonderen Art von Literatur avancierte. So ist sie weniger nach ästhetischen,

sondern viel mehr nach funktionalen Kriterien zu beurteilen.

Die Wurzeln der Textsorte sind einerseits in der Zeit der Heimatbewegung um

die Jahrhundertwende zu suchen, als die ersten Bücher mit dem Wort Heimatbuch in

ihrem Titel erschienen, andererseits in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg,

insbesondere nach 1935, als die deutsche Kulturpolitik der Kulturmission für die

Aufrechterhaltung und Pflege des Deutschtums in den verlorenen östlichen Gebieten

und auf dem Gebiet der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie gerecht werden

wollte und Projekte forderte, aus denen auch die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit

hervorgingen.

Zu den Quellen und Vorformen zählen von deutscher Seite ebenfalls die schon

infolge der in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Erforschung des

Deutschtums im Südosten entstandenen Arbeiten, vor allem Doktorarbeiten von

Auslandsdeutschen aus den betroffenen Siedlungsgebieten, wie von ungarischer Seite

die Doktorarbeiten und die sprachgeschichtlichen, volkskundlich-dialektologischen,

namenkundlichen, siedlungs-geschichtlichen, dialektmonographischen sowie

zusammenfassenden methodologisch-historischen Untersuchungen, die an den

universitären Forschungszentren entstanden.

Auf dieser Basis entstand die Textsorte Heimatbuch geprägt durch eine besondere

Mischung von Themen, die durch ihre Vielfalt und Betrachtungsweise die Spezifik der

Textsorte Heimatbuch unterstreicht. Was die Heimatbücher zu einer selbstständigen

Textsorte macht, ist die thematisch-strukturelle Eigenart, wie sie all das in einem

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naturgegebenen Zusammenhang als einheitliche Darstellung anstreben und in

wehmütiger Sehnsucht nach Heimat zur Vergangenheitsbewältigung benutzen.

So kann ihre Erforschung, die Geographie, Kulturkunde im weitesten Sinn, Geschichte

in allen Verzweigungen wie auch Verwaltungs- und Kunstgeschichte, Literatur und

Linguistik, Statistik, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie und Psychologie sowie Volks-

und Landeskunde im umfassenden Sinn des Wortes involviert, nicht nur methodisch ein

„complexio oppositorum“ genannt werden, weil sie auf einem Zusammenspiel dieser

einzelnen, sich teilweise überschneidenden Wissenschaftszweige beruht, sondern sie

kann eigentlich nur im Rahmen einer interdisziplinären Untersuchung zugänglich

gemacht werden, indem der Forscher gezwungen ist, im stärkeren Maße als in anderen

Spezialbereichen, die Nachbarfächer zu berücksichtigen und eine Querverbindung zu

den einzelnen hergebrachten Wissenschaften in einer bestimmten regionalen

Ausrichtung herzustellen.

Als ein Ergebnis der vorliegenden Untersuchung konnten drei Generationstypen

der Heimatbücher ermittelt werden. Zur ersten Generation gehören vor allem die

Heimatbücher größerer Regionen, in denen die individuelle Heimat der Millionen

Vertriebenen einen zunehmend einheitlichen Charakter mit allgemeinen Symbolen von

Heimat bekam, um die breiteste Ebene in der Identitätshierarchie im Bewusstsein der

Betroffenen ansprechen zu können. Die wenigen Dorfmonographien dieser Phase, in

denen die Erlebnisgeneration sechs-sieben Jahre nach der Vertreibung ihr von Nostalgie

dominiertes Heimatweh niederschrieb, zeichnen sich dadurch aus, dass sie von

affektiver Art sind, und in der Flut der verschiednen Formen der „Gepflegten

Erinnerungen“ wie z.B. Heimatbriefe, -zeitungen, -kalender, Jahrbücher und Rundbriefe

erschienen. Die Entstehung der ersten Arbeiten läuft parallel zu den von Historikern

geleiteten Projekten, die teils eben von deutschen politischen Kreisen initiiert und

unterstützt worden sind zwecks Dokumentation deutscher Verluste und

Rechtsansprüche.

Die zweite Generation der Heimatbücher verdankt ihre Entstehung der Konfrontation

mit der Gegenwart: Aus dem Erlebnis und aus der Angst, die eigene Vergangenheit

verloren zu haben, gingen die Heimatbücher der 1970er und 1980er Jahre hervor, als die

neue Heimatwelle, die „Renaissance von Heimat“ begann. Die Erinnerungen der

Erlebnisgeneration, die mit ihr verwachsen sind, erfahren eine schriftliche Fixierung,

damit dieses „Generations-Gedächtnis“ mit seinen Trägern nicht verschwindet. Dieses

kritische Alter scheint im Falle der Vertriebenen Ende der 1970er, Anfang der 1980er

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eingetreten zu sein, womit die Untersuchung die 40-Jahre-Schwelle-Theorie von

Assmann verifiziert und zugleich eine plausible Erklärung für die Konjunktur der

Heimatbücher in diesem Jahrzehnt liefert.

Es wurde alles, was ihr Gedächtnis noch bewahrt hat und noch abgerufen werden

konnte, aufgezeichnet. Für die Autoren dienten darüber hinaus noch als Quelle die

Werke, die sie entweder noch aus der eigenen Schul- bzw. Studienzeit kannten oder

selbst in der privaten Hausbibliothek besaßen oder die ihnen im Deutschland der

Nachkriegszeit zugänglich waren. Der Rückgriff auf frühere Forschungen aus der Zeit

vor 1945 schlägt zwar die Brücke zwischen den Vorformen und der Textsorte

Heimatbuch, jedoch offenbart er das Problem, dass in den in Deutschland nach dem

Zweiten Weltkrieg zustande gekommenen Sammlungen neben grundlegenden Werken

eine fast unübersehbare Menge unbedeutender populärer oder schon in den 1960er und

1970er veralteter Arbeiten aufbewahrt wurde, sodass es nicht nur für laienhafte

Heimatforscher fast unmöglich war, sich einen Überblick zu verschaffen und die

adäquaten Arbeiten zu finden. Das erklärt auch die Tatsache, warum in den darauf

folgenden Jahren die Zahl der Heimatbücher kaum zurückging: Der Zugang zu den

Archivmaterialien und Quellen, die nur in der alten Heimat zu erforschen waren, wurde

erleichtert. Das rief eine neue, die dritte Generation der Heimatbücher ins Leben. In

ihnen wird der Versuch unternommen, den nostalgischen Stil der Kenntnis- und

Erlebnisgeneration unter Kontrolle zu halten und in den Dienst der Intentionen der

Autoren zu stellen. Diese Heimatbücher berufen sich also nicht hauptsächlich auf

mündliche Überlieferungen, sondern verwenden Dokumente, historische,

wissenschaftliche Arbeiten. Durch die zeitliche Distanz zur Vertreibung erweiterte sich

die Palette der Materialien und Dokumente und es ist möglich geworden, auch früher

als tabu geltende Themen zu untersuchen. So können wir bei dieser Generation das

Erscheinen eines zweiten Heimatbuches desselben Dorfes feststellen.

Durch eine analytische Untersuchung ist die Hypothese, dass die

ungarischsprachigen Ortsbeschreibungen, die zum größten Teil in den 1970er Jahren

erschienen, als bereits Ergebnisse der Konsolidation in der Nationalitätenpolitik der

ungarländischen Deutschen gegenüber zu registrieren waren und bei denen die

Verwandtschaft mit den Heimatbüchern am offensichtlichsten auf der Hand lag, einen

weiteren Typ der Heimatbücher bildenden, eindeutig falsifiziert worden. Wir sind zur

Erkenntnis gekommen, dass sie keinen Einfluss auf die deutschsprachigen

Heimatbücher haben und dass sie keinesfalls als solche zu bezeichnen sind, da sie in

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Perspektive, Funktion, Intention sowie in Semantisierung von Heimat andere Wege als

die Heimatbücher der Vertriebenen gehen. Ein gemeinsamer Zug der

ungarischsprachigen Ortsbeschreibungen ist, dass sie sich entweder nur auf die Zeit

nach 1945 konzentrieren, wobei natürlich die Vertreibung ausgeklammert wird, um die

Betonung auf die sozialistische Entwicklung zu legen, oder sich an den damals

geltenden Normen der Nationalitätenpolitik im Sinne des Automatismus haltend keine

besondere Aufmerksamkeit den hier lebenden Deutschen widmen. Eine besondere

Gruppe bilden unter ihnen die Ortsbeschreibungen, die mit der Unterstützung der

Minderheiten – oder der lokalen Selbstverwaltungen entstehen konnten. Natürlich

spielen in ihnen die Gewährsleute eine bedeutende Rolle, aber sie kommen nicht mehr

persönlich zu Wort, sondern werden durch den Autor vertreten, der die durch die

Feldforschungsarbeit gewonnenen Kenntnisse mit der Fachliteratur ergänzt und dadurch

sublimieren lässt. Sie sind bestenfalls zweisprachig aber meistens ungarischsprachig

gestaltet. In vieler Hinsicht erinnern sie an die Heimatbücher der Städte und Gemeinden

Deutschlands, die zu Propagandazwecken eingesetzt, als Geschenk den neu

Zugezogenen oder Touristen überreicht werden.

Die Untersuchung zur Funktion der Heimatbücher und Intention der Autoren hat

ergeben, dass jedes Heimatbuch als eine Antwort auf die Frage Was dürfen wir nicht

vergessen? zu verstehen ist. Eine Frage, von der Jan Assmann behauptet, wo sie zentral

ist und Identität und Selbstverständnis der Gruppe bestimmt, dürfen wir von

‚Gedächtnisgemeinschaften’ sprechen. So haben wir im Falle der Heimatbücher mit

einer speziellen Form der Erinnerungskultur der Vertriebenen, zugleich mit einem

‚Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet’ zu tun. Die Erinnerung erscheint als

Grundmotiv schon im Vorwort fast aller Heimatbücher. Wie ein roter Faden zieht es

sich durch das Gesamtwerk. Ein weiteres Schlüsselwort ist Nicht-Vergessen , das in

unterschiedlichen Kontexten, aber in jedem Heimatbuch entweder als Zielsetzung der

oder als immer wiederkehrendes Motiv parallel mit Erinnerung auftaucht.

In den einleitenden Kapiteln geben die Heimatbücher implizit zu, dass es ihr

Anliegen ist, ein Bild davon zu zeichnen, wie sie sich selbst sehen und wie sie gesehen

werden wollen. Es geht dabei um Verständigung über die eigene Vergangenheit, quasi

retrospektive Deutung und Erklärungsversuch durch aktive Erinnerungsarbeit Das ist es

eigentlich, was im Wesentlichen im Verlauf der Identitätskonstitution und

-rekonstruktion vor sich geht. Indem man sich erinnert, wird Rechenschaft gezogen und

die Differenz zwischen dem Alten und dem Neuen erkannt. Der Kontinuitätsbruch

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(sprich Vertreibung) führt zur Entstehung von Vergangenheit, da nach dem Bruch ein

Neuanfang versucht wird. Jan Assmann behauptet, die Vergangenheit entsteht erst

dadurch, dass man sich auf sie bezieht. Damit man sich auf sie beziehen kann, muss die

Vergangenheit als solche ins Bewusstsein treten. Dieser Prozess hat für die

Vertriebenen eine besondere Bedeutung, denn er ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg

der Vergangenheitsbewältigung. Obwohl es die Heimatbuchautoren nicht immer wahr

haben wollen, geht es in diesem Bewältigungsprozess darum, zugleich für immer

Abschied von der alten Heimat zu nehmen. Die Vergangenheit wird in der Erinnerung

rekonstruiert, wobei die Erinnerungen in Form eines Heimatbuches schriftlich

festgehalten werden, sodass es wie ein Meilenstein den Übergang vom mündlich

bewahrten kollektiven Gedächtnis zum kulturellen Gedächtnis markiert. Die

Auseinandersetzung der Heimatbücher mit Tradition und Lebensform zeigt den Prozess

an, wie die mündlich tradierte Kultur eine schriftlich fixierte Form erhält.

Bei diesem Prozess fällt den Autoren eine besondere Rolle zu. Aus der Sicht der

potenziellen Leserschaft könnte zum Authentizitätsverlust des Heimatbuches führen,

wenn der Autor nicht aus dem Kreise der Betroffenen käme und sich nicht als

Schicksalsgefährte bekennen würde. So wird er Chronist seiner Heimat, der im Auftrag

des Kollektivs arbeitet. Durch die Zugehörigkeit zur Dorfgemeinschaft wird der Autor

als authentischer Vermittler und Verwalter des kollektiven Gedächtnisses akzeptiert. Im

Falle eines Autorenkollektivs wird die Arbeit unter der Leitung einer authentischen

Persönlichkeit durchgeführt, deren persönliche Mitwirkung als Garantie für die

Glaubwürdigkeit des Geschriebenen steht. Nur so ist gesichert, dass die Geschichte aus

dem Blickwinkel der Vertriebenen, durch das Auge der Dorfbewohner gesehen wird.

Die meisten Heimatbücher charakterisiert eine durch die Zur-Verfügung-Stellung der

privaten Aufzeichnungen, Erinnerungen, Berichte und Fotos die vielfach umstrittene

kollektive Verfasserschaft, die an die Volksdichtung erinnert, wo jeder seinen Beitrag

zum Werk beisteuern kann, sodass das entstandene Werk als Kollektivleistung

bewertbar wird. Die kollektive Arbeit am Heimatbuch, die indirekte Beteiligung der

Landsleute deutet auf eine enge Beziehung zwischen Autor(en) und Leser hin. Dass

Autor und Konsument in einer nahezu ineinander übergehenden Rolle gegenüber

stehen, findet in der Frage der Finanzierung einen weiteren Beleg. Die Bücher werden

von dem künftigen Lesepublikum oder Heimatkreisgemeinschaft selbst vorfinanziert.

Die Herausgabe der Heimatbücher wird in den meisten Fällen von der

Ortsgemeinschaft, den Heimatvereinen, den Landsmannschaften und ihrer

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Organisationen übernommen oder durch die Ausschaltung weiterer Zwischeninstanzen

zwischen Autor und Leser erscheinen die Heimatbücher im Selbstverlag.

Die meisten Autoren kommen aus der Schicht der Dorfintelligenz. Die Dominanz dieser

Gruppe wird aber geschwächt, wenn wir das Autorenkollektiv der Heimatbücher näher

untersuchen, soweit sie uns aus den Heimatbüchern bekannt sind. Die Mitarbeit der

Landwirte, Bauern und Handwerker prägt bedeutend das Bild vom Autor. An zweiter

Stelle finden wir die Schicht der Promovierten, darunter auch Berufshistoriker und

Wissenschaftler, die mit der Redaktionsarbeit beauftragt wurden, deren geschulte Hand

Garantie für die Qualität der Arbeit war, aber auch Berufsgruppen, zu denen nicht

unbedingt ein potenzieller Heimatbuchautor assoziiert wird. Verbindendes Merkmal

dieser Autoren ist, dass sie sich in die große Familie der Freizeit- und Privathistoriker

einreihen lassen, welche diesen Weg aus affektiver Motivation eingeschlagen haben mit

einem Interesse für die Vergangenheit, die ihnen wohl auch eine Antwort auf die

eigenen Schicksalsfragen geben könnte.

Im Falle der Herausgeber und Mitarbeiter, die uns namentlich bekannt waren, konnte

aufgedeckt werden, dass jeder dritte von ihnen schon in der Zwischenkriegszeit im

Interesse der Ungarndeutschen aktiv tätig war. Sie bilden die ältere Generation der

Heimatbuchautoren, die sich in der Zwischenkriegszeit als junge Intellektuelle in die

Volkstumsarbeit gestürzt hatten.

Eines der wichtigsten Merkmale der Heimatbücher ist, dass die subjektive

Perspektive der Vertriebenen in ihnen nicht nur in den Erlebnisberichten und

autobiographisch-geprägten Erzählungen einen Raum gewinnt, sondern auch in den

geschichtlichen Darstellungen, die – wie das die Heimatbücher zu beweisen versuchen

– in keinem Geschichtsbuch zu lesen sind. Es gibt zwar geschichtswissenschaftliche

Untersuchungen zum Thema, aber keine der Arbeiten könne das Eigene, das

Selbsterlebte authentisch widerspiegeln. Diese seelische Grundhaltung legitimiert die

Existenz aller Heimatbücher und hebt die Autoren mit der Losung „das kann nur der

wissen, der alles selbst miterlebt hat“ auf das Podest der Auserwählten. Und in gewisser

Weise werden die Heimatbuchautoren von der Gemeinschaft wirklich für eine

besondere Aufgabe auserwählt: Sie werden zum Verwalter des kollektiven

Gedächtnisses der Gemeinschaft. Als Ergebnis der Verwaltungsarbeit entsteht ein

Kanon, bzw. eine kanonisierte Kultur, wo unter Kanon ein fixierter, geschlossener und

in welcher Weise auch immer exemplarischer Komplex verstanden wird, der mit dem

Begriff Kultur-Kanon bezeichnet werden kann und der in der Identitätskonstruktion

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und -rekonstruktion eine zentrale Rolle bekommt: „Das sind wir“ könnte der Untertitel

bei jedem Heimatbuch heißen. Die Heimatbücher stellen aus der Erzählperspektive der

Vertriebenen das Bild der alten Heimat dar, das jedem der sie gekannt hat, in ihr gelebt

hat, bekannt sein musste, doch der neue Blick auf das Alte auch das Bekannte – das in

Geschichtsbüchern eine Bearbeitung gefunden hat – führt zur Innovation.

Die Innovation wird als neue Sinngebung, und dies insbesondere als Neuinterpretation

der vorgängigen Tradition verstanden, ferner sind der Bezug und die Reflexion auf die

Vorgänge zu beobachten, was sich zugleich als Bemühung um Legitimation deuten

lässt. So ist dieser Prozess weniger eine stoffliche Neuerung, sondern vielmehr eine

neue Weise der Gestaltung, eine Neuinterpretation und Sinngebung in Form eines

Buches über die Heimat.

Es ist in der vorliegenden Arbeit untersucht worden, was die vertriebenen

Ungarndeutschen unter Heimat verstehen und wie dieses Heimatbild durch die

Heimatbücher vermittelt wird. Alle Eckpfeiler und ideologischen Vorstufen und

Teilmengen der ethnischen Identität (wie Konzeption der Staatsnation, politische

ungarische Nation, Hungarus-Bewusstsein, Staatsidee des St. Stephanreiches) werden in

den Heimatbüchern zur Schau gestellt, um die Treue zu Ungarn zu demonstrieren und

die in der Zwischenkriegszeit entstandene zwiespältige Situation zu deuten. Dabei wird

klar, dass der Aufstieg aus den unteren gesellschaftlichen Schichten, mit der ebenso die

Gefahr der völligen Magyarisierung verbunden war, zwangsweise über den Weg der

Doppelidentität führte und in dem grundlegend neuen internationalen Beziehungsgefüge

und in der veränderten ideologischen Konstellation nach dem Ersten Weltkrieg auch das

ungarländische Deutschtum gezwungen war, seine Identität neu zu definieren. Die

Heimatbücher machen das Bild von der Heimat und Nation noch komplizierter, wenn

sie neben Vaterland noch den Begriff Mutterland führen.

Die politische Belastung und die Verknüpfungstendenzen von Heimat und Nation

führten zu einer widerspruchsvollen aber paradoxerweise doch konvergierenden

ideologischen Entwicklung und öffneten hinsichtlich der ungarländischen Deutschen

weitere Dimensionen, die dadurch zur Neubestimmung oder mindestens zum

Überdenken der eigenen Identität gezwungen worden sind. Neben der ungarndeutschen

Identität erschien die Alternative der Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe, zur

deutschen Volksgemeinschaft. Die Entscheidung für die Volksgruppen-Ideologie

bedeutete einen radikalen Kurswechsel und die Hinwendung zum Deutschen Reich.

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Die Heimatbücher spiegeln mit wechselnder Intensität die oben geschilderte

ideologische Entwicklung wider, wobei sie die Betonung auf den Begriff Heimat legen,

deren Bild sich stets in der Konfrontation mit der Fremde formte. Sie legen den Akzent

auf Absicherung der ethnischen Gruppe nach außen, indem sie kulturelle, religiöse,

soziale und ethnische Unterschiede zwischen der alten und neuen Heimat in jeder

historischen Phase synchron auftreten lassen. Solche Abgrenzungen dienen der

Identitätsbestimmung und -suche, die infolge der immer neu auftretenden Spannung von

Heimat und Fremde notwendig werden. Es ist untersucht worden, wieweit sich die

Differenzierungsprozesse zwischen dem Eigenen und dem Anderen die

Distanzierungsprozesse zwischen dem Vertrauten und dem Fremden im Falle der

Heimatbücher einander ergänzen und bedingen. Demnach konnte festgestellt werden,

dass die thematisch-strukturellen Bestimmungsmerkmale der Heimatbücher in

diachroner Dimension die Differenzierungsprozesse sind, die auf Fremderfahrung

basieren und als Reflexionen auf Fremderleben zu deuten sind. Die Bestimmung des

Eigenen geschieht im Verlauf der Identitätsentwicklung nie ohne das Fremde, zu dem

die Heimatbücher das Vertraute in Distanz treten lassen.

Als erste Begegnung mit der Fremde stellen die Heimatbücher das Kolonisten-Dasein

dar, das zu einem zentralen Topos der Textsorte heranwächst. Die fremde Umgebung

erfüllt die Funktion eines signifikanten Kontrastes, der als Gegenbild gerade die

Identität des Eigenen verstärken soll. Sie zeigen als Reflexion auf dieses Fremderleben

bzw. die Gefährdung durch das Fremde die Fokussierung auf das Eigene. Dabei entsteht

eine Asymmetrie der Innen-Außen-Relation, denn diese Fokussierung führt zur

Überbetonung des Inneren und des Eigenen.

Die Überbetonung der eigenen Werte hatte aber eine gemeinschaftsstiftende Kraft und

konnte durch die Klischees und Topoi eine gemeinsame Plattform für alle Einwanderer

und Siedler deutscher Herkunft schaffen. Das hatte im Prozess der Identitätsbildung

eine enorme Bedeutung, denn die Kolonistendörfer wurden erst infolge verschiedener

Ausgleichprozesse zu einer Dorfgemeinschaft, zu deren Herausbildung auch

identitätsstiftende, klare und nicht selten übertriebene Abgrenzungsschemata nötig

waren.

Die Heimatbücher fokussieren das Eigene und die ortsspezifische

Besonderheiten werden zwecks Identitätsstärkung ständig in der Reflexion auf die

fremde Umgebung präsentiert, wobei das Dorf als Imaginationsraum fungiert und zur

Erinnerungslandschaft wird, die eine archaische, einfache Welt entstehen lässt. In der

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nostalgischen Perspektive erweckt Heimat die Illusion, „hier sei die Welt nicht fremd“.

So wird in den Heimatbüchern individuelle Nostalgie mit sozialgeschichtlicher

kurzgeschlossen, die Sehnsucht nach der „heilen Welt“ der Kindheit mit derjenigen

nach der „guten alten Zeit“. Im idyllischen Moment sind weitere wesentliche

Grundmotive der Heimatbücher herauszuheben: einfache, überschaubare Verhältnisse,

sinnliche Unmittelbarkeit und Reduktion von Komplexität.

In den Heimatbüchern sind die Reflexionen über die Vergangenheit und

Gegenwart Produkte der Erinnerungsarbeit, einzeln oder kollektiv geleistet. Auswahl

und Selektion werden im Verlauf der Erinnerung immer von der ethnischen

Zugehörigkeit her bestimmt. Je mehr Bedeutung aber einer Abgrenzung ethnischer

Natur zugemessen wird, desto mehr wird die Selbstinterpretation sich an dieser

Grenzlinie orientieren. Diese Abgrenzung kann in den Heimatbüchern so

überdimensioniert werden, dass sie zur völligen Ausblendung, ja Nichtwahrnehmung

der jenseits dieser Grenzlinie befindlichen fremdethnischen Gruppe(n) führt. So liefern

die Heimatbücher ein Extrembeispiel des bei jeder Identitätsbildung wirksamen

Selektionsmechanismus, der aus der diachronen und synchronen Dimension der

individuellen und der Gruppenerfahrung all die Merkmale heraussortiert, mit denen sich

der einzelne in Übereinstimmung mit seiner Gruppe zu identifizieren wünscht bzw.

infolge Fremdinterpretation zu identifizieren gezwungen wird.

Hinsichtlich der Identitätskonstruktion ist neben der Kolonisationszeit ist der zweite

wichtige Kulminationspunkt und Bezugszeitraum aller Heimatbücher die Zeit der

Vertreibung, in der die Ungarndeutschen Fremde im eigenen Land geworden sind. Die

Vertreibung verursachte eine Erschütterung des Selbstbildes und rief in den Kreisen der

Vertriebenen eine neue Auseinandersetzung mit der eigenen Identität hervor, ferner

führte sie zu einer neuen Grenzziehung zwischen Eigenem und Fremdem. Diese

Fremderfahrung führte überhaupt zur Entstehung der Heimatbücher, in denen der

Mensch in seinen Grundbestimmungen als ein Wanderer zwischen Heimat und der

Fremde dargestellt wird.

Die Sehnsucht nach Heimat, Zufriedenheit und Identität verbinden die Heimatbücher

mit dem Dorf, als seien die oben erwähnten Begriffe räumlich determiniert. So sind

Raum und damit verbunden die Zeit als Indizes für geschichts-, sozial- und

kulturräumliche Konfigurationen aufzufassen.

Jahrzehnte nach der Vertreibung, geographisch weit entfernt von der ehemaligen

Heimat erscheinen immer noch die Heimatbücher mit der Intention, das Eigene zu

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tradieren und veranschaulichen wie Heimat mit Identitätskonstitution, mit

Fremderfahrung und dadurch mit der Fremde verbunden ist. Somit ist kein Begriff von

Heimat und Identität denkbar ohne den Begriff des Fremden und den des Eigenen.

Die Autoren bemühten sich, möglichst alles, was in der Heimatgemeinde

geschah, was sie mit dem Wort „Heimat” verbinden, niederzuschreiben und im Buch

über die Heimat festzuhalten. Dabei geht es nicht unbedingt um das Werten, sondern

viel mehr ums Archivieren des erkundeten Materials. Durch die Anwendung der

statistischen Methode sind die Heimatbücher einzeln nach semantisch-inhaltlichen

Gesichtspunkten untersucht worden, wobei sich herausgestellt hat, dass sich die

Heimatbücher grundsätzlich nach den folgenden 13 Themenkomplexen strukturieren:

(1) Geschichte Ungarns bzw. des Dorfes vor der Ansiedlung der Deutschen; (2)

Ansiedlung der Deutschen; (3) Kirche- und Kirchengeschichte; (4) Ort-, und

Verwaltungsgeschichte, Gemeindeleben; (5) Schulwesen und Schulgeschichte; (6)

Wirtschaftliche Lage und Probleme; (7) Sprache und Mundart; (8) Sitten und

Gebräuche; (9) Erlebte Heimat; (10) Zwischenkriegszeit; (11) Zweiter Weltkrieg und

die Vertreibung; (12) In der neuen Heimat; (13) Sonstiges.

Die Heimatbücher zeigen den Ort in seiner historisch, kulturell und vor allem sozial

bedingten Komplexität, denn die Vertriebenen benötigen für ihre Identität die Summe

gegenwärtiger und vergangener Ereignisse, eben „die Spuren, die sie selbst hinterlassen

haben.” Ein möglicher Weg, sich dieser Spuren zu vergewissern, wird durch die

Heimatbücher wahrgenommen.

Die Landschaft, der Ort und die Gebäude, alles was den Raum füllt, ist nicht an

sich wichtig: Die einzelnen Orte werden selbst zu Trägern der Erinnerung und über ein

Gedächtnis verfügen. Durch die Erinnerung wird der Heimatort als Gedächtnisort

konstruiert, um all das, was an sie an Erinnerung anhaftet, aus dem kollektiven

Gedächtnis abrufbar zu machen.

In diesem Zusammenhang ist die zentrale Position der Kirche nicht nur topographisch

gemeint, sondern sie fungiert wie ein Knotenpunkt in der Konstituierung des

Gedächtnisortes. Durch sie ist es möglich, dass der topographische Gedächtnisort auch

die Tradition in sich aufnimmt. So wird durch das Heimatbuch das ehemalige

Heimatdorf der Vertriebenen Symbol ihrer Identität und Anhaltspunkt ihrer Erinnerung.

Die Dorfgemeinschaft bildet mit dem Raum eine symbolische Wesensgemeinschaft, an

der sie auch festhält, wenn sie von ihrem Raum getrennt ist.

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Demgemäß ist das Ziel der Heimatbücher, dem Ort anhaftende Geschichte, die

Vergangenheit zu zeigen und sie dadurch von dem physischen Ort los zu lösen, damit er

im Weiteren als Gedächtnisort fungieren kann. Dabei wird klar, dass die wahre

emotionale Bindung weder den Bildern familiärer Geborgenheit und noch der Heimat

der Kindheits- und Jugenderlebnissen gilt, die Heimatklischees, Worthülsen und ein

statisches Heimatbild an die Oberfläche bringen, sondern es ist die emotionale

Ortsbezogenheit, welche die Zugehörigkeit zu einer größeren, örtlich beschränkten

Bezugskategorie bedeutet, die eng mit dem Sozialzusammenhang der Ortsgemeinde in

Verbindung steht und welche durch den Ortsnamen und das Namenkorpus einer

Gemeinde symbolisiert wird. Dementsprechend bekommt der Ortsname eine

symbolische Bedeutung und wird gegebenenfalls selbst zu einem Gedächtnisort, dessen

Symbolgehalt auszulegen, zu deuten ein Hauptanliegen der Heimatbücher ist.

Die Geschichtlichkeit, die Zeit selbst in einem Raum, die zeitliche

Verwurzelung in einem Ereignis- und Wirkungszusammenhang, der Vergangenheit,

Gegenwart und Zukunft betrifft, wird von in Heimatbüchern nach subjektiven

Gesichtspunkten geordnet. So kristallisieren sich durch die Heimatbücher Kolonisation

und Vertreibung, die zwei Kulminationspunkte der ungarndeutschen Geschichte heraus.

Beide wachsen zu Gedächtnisorten heran, die aufeinander beruhen, sodass die alte

Heimat der Ahnen zur neuen Heimat der Vertriebenen werden kann, und auch

umgekehrt. Es entsteht ein Kreislauf, der das ganze Leben zwischen den zwei

Gedächtnisorten, zwischen Kolonisationszeit und Vertreibung einrahmt.

Das von den Heimatbüchern vermittelte Geschichtsbild zeigt die Wiederholbarkeit von

Ereignissen, womit die Wiederkehr von Konstellationen gemeint ist. Es kommt das

seltsame Phänomen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zustande und impliziert

zugleich die Wiederholung der geschichtlichen Entwicklung innerhalb eines

Menschenlebens, trotz der zeitlichen Distanz zwischen Ansiedlung und Vertreibung.

Der gewaltsame Abbruch der Geschichte im Raum bedeutet dann die Auflösung der

Dorfgemeinschaft, die nur durch die Gedächtnisorte in einer imaginären Form im

kollektiven Gedächtnis fortexistieren kann.

Raum und Zeit sind in den Heimatbüchern voneinander nicht zu trennen. Sie sind

miteinander verwoben und sichern im Zeit und Raum durchdringenden

Erinnerungsprozess die an einem Ort geknüpfte Kontinuität zwischen Gegenwart und

Vergangenheit. Das bedeutet, dass die zeitlichen Prozesse, selbst die Geschichtlichkeit

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im Raum projiziert erscheinen, sich entfalten – und schließlich einen Sinn gewinnen.

Raum und Zeit bedingen einander: Der Raum gewinnt durch die daran geknüpfte Zeit

und Erinnerung eine Bedeutung, und umgekehrt gewinnt die Zeit an den Ort gebunden

eine Neuinterpretation. Das Dorf erscheint als Gedächtnisort, der in seiner Gesamtheit

die Erinnerungen der Gemeinschaft konstituiert. Da die Widerspiegelung des Dorfes

durch das Gedächtnis geschieht oder zumindest beeinträchtigt wird, entsteht eine

fließende Grenze zwischen der objektiv vorhandenen realen Welt und durch die

Erinnerung bedingte imaginäre Welt. Die Diskrepanz zwischen dem äußeren und

inneren Bild vom Dorf wird durch die Erinnerung überwunden. Die äußere Wirklichkeit

erfährt eine Verinnerlichung durch das Anheim fallen der Erinnerung. Parallel zu

diesem Prozess stehen die Raumstrukturen, bei denen immer eine von Außen nach

Innen gerichtete Tendenz zu beobachten ist. Sprachliche Reflexionen beweisen die

Ausdehnung des Raumes durch die Darstellung eines an den Raum gebundenen

Erlebnisses, wodurch ein innerer Raum geschaffen wird. Die bildliche Darstellung

dieses Gedächtnisraumes führt zur Illusion des Fiktionalen, zu der sich noch die

‚Fiktionalität der Ignoranz’ gesellt, um die Wissenslücken zu füllen.

Die Autoren bevorzugen das System der inneren Verbindungen durch literarische Texte

aus der Volkspoesie und der Heimatlyrik, die gemeinsam mit den aus den Federn der

Vertriebenen entstammenden autobiographischen Beiträgen als textsortenspezifisches

Wesensmerkmal den nostalgisch affektiven Grundton des Gesamtwerkes erzeugen und

über die Prozesse der Identitätsentwicklung und über das Heimatverständnis der

Vertriebenen Aufschluss geben, sodass ihre Bedeutung eher im literatursoziologischen,

funktionalen Kontext gedeutet werden muss. Das Fehlen der oberen literarischen

Segmente kann letztlich die Verwendung der Bezeichnung 'Heimatbuch' in Frage

stellen.

Durch die rückwärtsgewandte Perspektive zwecks Identitätskonstruktion und

-rekonstruktion in der Semantisierung von Heimat, entsteht eine Asynchronie zwischen

der Zeit der dargestellten Ereignisse und der subjektiven Eindrücke über die Ereignisse.

Es wird die in der Vernichtung der Dorfgemeinschaft manifestierende zerstörerische

Wirkung der Zeit erlebt, indem die Diskrepanz zwischen innerer Zeit und der

geschichtlichen Zeit als wahres Schockerlebnis registriert wird, wodurch die Ereignisse

aus einer neuen, subjektiven Perspektive erfahren und vermittelt werden. Die

Kolonisationszeit und Vertreibung wachsen zu geschichtlich metaphorischen

Gedächtnisorten heran, beziehen sich sogar aufeinander.

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Der besondere Stellenwert der Heimatbücher besteht nicht nur darin, dass sie das

kollektive Gedächtnis formen und transferieren helfen, sondern dass sie Archiv,

Geschichtsbuch, Regelkodex gleichsam ersetzen und selbst als funktionale

Gedächtnisorte auftreten. Beim Lesen eines Heimatbuches entfaltet sich vor uns eine

imaginäre Reise in die Vergangenheit des Dorfes und der Dorfgemeinschaft und wie bei

einer Reise, wird nicht nur der geographische Raum durchquert, sondern dabei wird

selbst das Lesen zu einer Reise im kulturellen Gedächtnis der Gemeinschaft.

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6 Literaturverzeichnis

6.1 Primärliteratur

6.1.1 Ungarndeutsche Heimatbücher, Dorfmonographien, Ortsgeschichten

(Mit Abkürzungen)

Ágfalva (1996) Böhm, András: Ágfalvi mozaik. Agendorfer Mosaik. o. O.:

Selbstverlag, 1996., 313 Seiten.

Bácsalmás (1965) Tafferner, Anton: Bácsalmás (Batschalmasch). Eine deutsche

Marktgemeinde in Ungarn. Hrsg. vom Heimatausschuss. München: [Verlag

nicht bekannt], 1965., 320 Seiten.

Bácsalmás (1990) Zweites Bácsalmáser (Batschalmascher) Heimatbuch. Aufsätze und

Photos zur Geschichte und Kulturgeschichte. Hrsg. vom Patenschaftausschuß

der Bácsalmáser. Backnang: Selbstverlag des Herausgebers, 1990., 477 Seiten.

Baja (1974) Flach, Paul: Zur Entstehungsgeschichte der deutschen Pfarrei und

Pfarrkirche von Baja. München: Ledermüller, 1974., 112 Seiten.

Bátaszék (1991) Göbelt, Johannes: Heimatbuch der Großgemeinde Bátaszék/Badeseck

im Komitat Tolnau (Ungarn). Hrsg. vom Heimatverein Bátaszék. 2 Bde. Pécs:

Selbstverlag des Herausgebers, 1991., 284 bzw. 365 Seiten.

Békásmegyer (1981) Moser (geb. Zurmühl), Barbara: Heimatbuch der Krottendorfer.

Chronik – Geschichte – Bräuche. Elztal-Dallau bei Mosbach: Fa. Laub [Verlag],

1981., 160 Seiten.

Békásmegyer (1983) Schicksalswege der Krottendorfer. Streifzug durch die

Vergangenheit bis zur Gegenwart. Zum 25. Heimattreffen der

Békásmegyerer/Krottendorfer in Dallau bei Mosbach am 23. April 1983.

Bia (1982) Holzer, Paul Andreas: Das Wiehaller Heimatbuch. Ingersheim: Eigenverlag

des Autors, 1982., 188 Seiten.

Bikács (1986) Schmausser, Mathias: Unsere Heimat Bikács (Wigatsch) 1936-1986.

Chronik einer Gemeinde in der Tolnau. Ostelsheim: [Selbstverlag], 1986., 342

Seiten.

191

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Boldogasszonyfa (1989) Habich, József: Boldogasszonyfa. Steyr: [Verlag nicht

bekannt], 1989., 310 Seiten.

Bonyhád (1972) Knabel, Wilhelm: Geschichte Bonyháds (Bonnhards) von der Urzeit

bis 1945. [Die Deutschen aus Ungarn. Schriftenreihe der Landsmannschaft der

Deutschen aus Ungarn; 6] München: [Verlag nicht bekannt], 1972., 44 Seiten.

Bonyhádvarasd (1996) Patton, Andreas M. (Teil I.)/Putschli, Jakob (Teil II):

Heimatbuch von Bonyhádvarasd/Warasch. Werden und Vergehen eines

deutschen Dorfes in der Schwäbischen Türkei/Ungarn. Hrsg. von der

Ortsgemeinschaft „Warasch“. Bonyhádvarasd: Ortsgemeinschaft Warasch,

[1996]., 314 Seiten.

Budafok (1984) Greszl, Franz: Die deutsche Siedlung Promontor bei Ofen-Buda im

Spiegel der Geschichte. 82 hektographierte Folioseiten mit vielen Bildern und

Dokumenten. Stuttgart: Verlag Unsere Post, 1984., 82 Seiten.

Budafok (1991) Greszl, Franz: Die deutschen Siedlungen des Prinzen Eugen in Ungarn:

vom Weinbaugebiet zum Großstadtbezirk. [Eckart-Schriften; 118] Wien:

Österreichische Landsmannschaft, 1991., 140 Seiten.

Budajenő/Telki (1996) Regős, Ferenc (u.a.): Budajenő-Jaina und Telki-Tölek.

Erinnerungen an die alte Heimat. Volkskundliche Darstellung aufgrund von

Sammlungen und Erzählungen. Heimatbuch. Veröffentlichung anläßlich des

Jubiläumsfestes „50 Jahre Neue Heimat“ der Budajenöer und Telkier verbunden

mit dem Kirchweihfest am 29. Juni 1996 in Gaildorf. Gaildorf: [Verlag nicht

bekannt], 1996., 123 Seiten.

Budakeszi (1986) Follath, Franz: Budakeszi-Wudigeß. Hrsg. von der Budakesser

Gemeinschaft im Verband der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn e. V.

Heidelberg: Winter, 1986., 335 Seiten.

Budaörs (1952) Riedl, Franz: Budaörser Heimatbuch. Stuttgart: Verlag Unsere Post,

1952., 208 Seiten.

Budaörs (1965) Riedl, Franz: Budaörs. Perle des Ofner Berglandes. Freilassing:

Pannonia-Verlag, 1965., 93 Seiten.

Budaörs (1985) Hauser, József: Budaörsi Krónika. [A Budaörsi Városi Jogú

Nagyközségi Tanács Végrehajtó Bizottsága megbízásából.] Budapest: Zrínyi

Katonai Könyvkiadó, 1985., 203 Seiten.

192

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Cikó (1991) Reder, Andreas: Cikó: ein Heimatbuch über die Ortsgeschichte unseres

Dorfes in Ungarn. Pécs: Arbeitsgemeinschaft „Heimatbuch Cikó“, 1991., 293

Seiten.

Cikó (1999) Kiszler, Ilona: Bei uns in Cikó. Budapest: Landesselbstverwaltung der

Ungarndeutschen, 1999., 179 Seiten.

Császártöltés (1967) Bánáti, Miklós: Huszonkét évtized az új hazában. Császártöltés

község történeti adattára 1744-1964-ig. Kecskemét: [Verlag nicht bekannt],

1967., 368 Seiten.

Császártöltés (1969) Flach, Paul: Siedlungsgeschichte von Császártöltés: einer

deutschen Gemeinde an der nördlichen Grenze der Batschka. [Die Deutschen

aus Ungarn. Schriftenreihe der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in

Bayern e. V.; 4] München: Ledermüller, 1969., 77 Seiten.

Császártöltés (1981) Bánáti Miklós: Újabb adalékok Császártöltés történetéhez.

Császártöltés: [Verlag nicht bekannt], 1981., 190 Seiten.

Csátalja (1988) Ottenthal, Adam: Heimatbuch Tschatali-Csátalja. I-II. Band.

Wiesbaden-Sonnenberg: Selbstverlag, 1988., 788 bzw. 205 Seiten.

Csávoly (1980) Ginder, Paul/Pfeil, Jakob/Rukatukl, August: Csávoly (1780-1980).

Heimatbuch einer ungarndeutschen Gemeinde aus der Batschka. Hrsg. von der

Patenstadt Waiblingen. Waiblingen: Stadt, 1980., 352 Seiten.

Csávoly (1989) Rukatukl, August: Ein bayrisches [sic!] Sprachinsel in der

Nordbatschka Ungarn – Csávoly/Tschawal mit seinen Tochtersiedlungen. Die

dortige Mundart nach den Regeln der Laut- und der Formlehre und besonderen

Wörterbuch. [Manuskript]

Csobánka (1986) Walper, Franz: Csobánka. Beiträge zur Geschichte eines

Nationalitätendorfes im Ofner Bergland in Ungarn und Erinnerungen. St. Pölten:

Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft, 1986., 200

Seiten.

Csobánka (1996) Walper, Franz: „Gott schreibt auch auf krummen Zeilen grade...“

Dokumentation des Leidenweges und der Vertreibung der Deutschen aus

Csobánka/Ungarn. Budapest: Selbstverlag, 1996., 102 Seiten (+80 S.

Dokumentation).

Csolnok (1977) Fekete, Tibor: Den Janzabach entlang. (Beschreibung und Geschichte

der Bergwerkgemeinde Csolnok.) / A Janza patak mentén. (Csolnok

193

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bányászközség leírása és története.) Budapest: Lehrbuchverlag, 1977., 109

Seiten.

Dunakömlőd (1942) Stenger, Paul: Heimatbuch der Großgemeinde Dunakömlőd in

Tolnauer Land in Ungarn. Reichertshofen: Selbstverlag, 19942. [19891], 452

Seiten. [+Roger Schillings Arbeit aus 1932. (122 Seiten.)]

Elek (1977) Stöckl, Johann/Brandt, Franz: Die Geschichte der Gemeinde Elek in

Ungarn. Weinheim an der Bergstraße: [Verlag nicht bekannt], 1977., 244 Seiten.

Etyek (1994) Günther, Irmhild/Kies, Otfried: Etyek-Edeck, Deutsche Siedler in einem

ungarischen Dorf. Hrsg. vom Etyeker Heimatverein. Lauffen am Neckar:

Heimatverein, 1994., 229 Seiten.

Fertőrákos (1995) Stabenow, Eberhard: Kroisbach. Alte Heimat in Ungarn. Hrsg. von

dem Kroisbacher Heimatverein. Horb am Neckar: Geiger Verlag, 1995., ?

Seiten.

Fertőrákos (1997) Stefánka, László: Kroisbach/Fertőrákos. Sopron: Escort 96 BT,

1997., 41 Seiten.

Fertőrákos (2001) Bán, János: Die politische, wirtschaftliche, geistliche und kulturelle

Geschichte von Kroisbach (Fertőrákos). (Ins Deutsche übersetzt von: Ildikó-

Melinda Ciorba.) [Kroisbacher Hefte; 2] Fertőrákos: Deutsche Selbstverwaltung

Kroisbach, 2001., 160 Seiten.

Ganna (1990) Koller, Josef: Heimat am Rande des Bakonyer Waldes. Gannaer

Heimatbuch. Karlsruhe-Neureut: [Verlag nicht bekannt], 1990., ? Seiten.

Ganna/Döbrönte (1999) Koller, Josef: Unvergessene Heimat Ganna. Gannaer

Heimatbuch: mit einer Chronik des Nachbarortes Döbrönte. Karlsruhe:

Selbstverlag, 1999., 259 Seiten.

Ganna/Nagytevel/Pölöske (2006) Koller, Josef: Vertreibung und Neubeginn: Schicksal

und Chance einer gewaltsamen Deportation; Chronik für die Orte Ganna,

Deutsch-Tevel, Pölöske. [60. Gedenktag, am 4. Juni 2006 in Karlsruhe-Neureut

– Dokumentation eines Rückblicks.] Karlsruhe: [Selbstverlag], 2006., 70 Seiten.

Gara (1991) Keiner, Stefan: Gara: Erinnerungen an die Heimat. Beiträge zur Geschichte

einer überwiegend deutschen Grenzgemeinde in der Nordbatschka/Ungarn.

Hrsg. vom Garaer Heimatausschuss. [Langenau: Verlag nicht bekannt], 1991.,

469 Seiten.

Gödre/Kiskeresztur (2000) Hartmann, Stefan: Heimatbuch Gödre und Kiskeresztur.

Westhausen: [Verlag nicht bekannt], 2000., 80 Seiten.

194

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Hajós (1976) Flach, Paul/Paul, Josef: Siedlungsgeschichte von Hajós, einer

schwäbischen Gemeinde an der nördlichen Grenze der Batschka. [Die

Deutschen aus Ungarn; 11] München: Selbstverlag, 1976., 151 Seiten.

Hajós (1996) Schellack, Fritz (Hrsg.): Hajós — ein ungarndeutsches Dorf im Umbruch.

Beiträge zum Alltagsleben nach der politischen Wende von 1989. [Studien zur

Volkskultur in Rheinland-Pfalz; 20] Mainz: Gesellschaft für Volkskunde in

Rheinland-Pfalz, 1996., 310 Seiten.

Harka (1986) Harkau und Seine Nachbarn. 40 Jahre nach der Ausweisung

Deutschkreuz. [Die Deutschen aus Ungarn. Schriftenreihe der Landsmannschaft

der Deutschen aus Ungarn in Bayern e. V.; 11] [Ort und Verlag nicht bekannt],

1986., 111 Seiten.

Harka (1987) Schindler, Andreas: Harkau, mein Heimatdorf. Die Geschichte einer

deutschen Bauerndorfes in Westungarn. Sinsheim: Selbstverlag, 1987., 259

Seiten.

Hegyeshalom (1968) Nitsch, Johann: Straß-Sommerein. Heimatbuch. Amberg: Flierl,

1968., 118 Seiten.

Herend (1998) Hudi, József: Herend története. Egy bakonyi község múltja és jelene.

Veszprém: Herendi Német kisebbségi Önkormányzat, 1998., 329 Seiten.

Hidegkút (1987) Hidegkuti, Mihály/Hudi, József: Hidegkút története. [A Veszprém

Megyei Levéltár Kiadványai; 5] Veszprém: Veszprém Megyei Levéltár, 1987.,

356 Seiten.

Hőgyész (1989) Hoben, Josef: Hőgyész. Geschichte eines Dorfes in der „Schwäbischen

Türkei“. Uhldingen-Mühlhofen: Selbstverlag, 1989., 159 Seiten.

Iklad (1991) Asztalos, Miklós/Brandtner Pál: Iklad. Egy magyarországi német falu

története. [Múzeumi füzetek; 42] Aszód: Petőfi Múzeum, 1991., 412 Seiten.

Kakasd (1959) Fritz, Johann: Kakasd. Unsere Heimat. Langenau, 1959., 32 Seiten.

Kakasd (1979) Fritz, Johann: Kakasd. Geschichte und Brauchtum einer deutschen

Gemeinde in der Schwäbischen Türkei. Langenau: Ortsgemeinschaft der

Kakasder, 1979., 324 Seiten.

Katymár (1980) Hellenbarth, Maria (Hrsg.): Ein ungarndeutsches Dorf in der Nord-

Batschka. Schwäbisch-Gmünd: Selbstverlag, 1980., 271 Seiten.

Kecel (1984) Bárth, János (Hrsg.): Kecel története és néprajza. Kecel: Kecel

Nagyközség Tanácsa, 1984., 1215 Seiten.

195

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Kismaros (1974) Míves, Ottó: Kismaros község története. Kismaros: [Verlag nicht

bekannt], 1974., 134 Seiten.

Kisnyárád (1986/1988) Englert, Adam: (Bd. 1): Ihr Herz schlägt im Süden. „Stifoller“

Kolonisten in der Tolnau und Branau/Ungarn 1717-1804. Wettenberg-Wißmar:

Selbstverlag, 1986., 106 Seiten.; (Bd. 2): Kschnarad'r Heimatbuch.

Siedlungsgeschichte in den Jahren 1724-1783. Wettenberg-Wißmar:

Selbstverlag, 1988., 175 Seiten.

Kunbaja (1967/a) Tafferner, Anton (Hrsg.): Kunbaja. Eine ungarndeutsche

Grenzgemeinde in der Nordbatschka mit Umgebung (Bácsbokod, Csátalja, Gara

und Katymár). München: Heimatausschuß, 1967., 512 Seiten.

Kunbaja (1967/b) Flach, Paul: Geschichte von Kunbaja: Werden und Vergehen einer

deutschen Gemeinde in der Nordbatschka. [Die Deutschen aus Ungarn; 2]

München: Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Bayern, 1967., 189

Seiten.

Kunbaja (1997) Ginal, Andreas: Monographie Alte Heimat – Neue Heimat. Die Zeit im

Bild. Vergangenheit und Gegenwart von ehemaligen Kunbajern. Selbstverlag,

Würzburg: Echter Verlag, 1997., 186 Seiten.

Leányvár (1996) Binder, Georg: Leányvár/Leinwar eine donauschwäbische Gemeinde.

Das 50. Jahr der Vertreibung der Deutschen aus Leányvár/Leinwar. Künzelsau:

Selbstverlag, [1996]., ? Seiten.

Levél (1983) Drescher, Reinhold: Kaltenstein. Ein Gemeinwesen des Heidenbodens.

Scheinfeld: Selbstverlag, [1983]., 159 Seiten.

Mágocs (1989/1992) Teufel, Franz: Mágocs. Marktgemeinde in der Branau/Baranya –

Ortschronik. (Teil I.): 1250-1800. Aichelberg: Lenau Verein, 1989., 144 Seiten.;

(Teil II.): 1800-1948. Aichelberg: Lenau Verein, 1992., 396 Seiten.

Magyarpolány (1987) Ebele, Ferenc: Magyarpolány. Magyarpolány: [Verlag nicht

bekannt], 1987., 47 Seiten.

Majos (1997) Heinrich März: Heimatbuch und Ortschronik von Majos/Majesch.

Olching: Selbstverlag, 1997., 465 Seiten.

Máriahalom (19972) Wagenhofer, Wilhelm: Von Kirwa bis Máriahalom. Geschichte

eines deutschen Dorfes in Ungarn. Bous: Anton Treszl, 1995., 206 Seiten.

[19972., 194 Seiten.]

196

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Máriakálnok (1982) Frauhammer, Johann: Maria-Gahling und der Heidenboden: durch

Vertreibung verlorene Heimat. Freiburg: Selbstverlag, 1982., 164 Seiten.

Mária-Kéménd (1979) Reil, Karl: Der Ort, wo unsere Wiege stand: Maria-Kéménd. Bad

Dürrheim: [Verlag nicht bekannt], 1979., 103 Seiten.

Mosonszentjános (1982) Kleiner, Rudolf: St. Johann, St. Peter am Heideboden.

Geschichte deutscher Gemeinden in Ungarn. Donnerskirchen: Selbstverlag,

1982., 281 Seiten.

Mosonszentjános (1993) Kleiner, Rudolf: Der vergessene Heideboden, St. Johann und

St. Peter. Donnerskirchen: Selbstverlag, 1993., 460 Seiten.

Mosonszolnok (1989) Neuberger, Johann: Heimatbuch der Gemeinde Zanegg:

Mosonszolnok, bei Wieselburg (Moson) in Westungarn. Leinfelden bei

Stuttgart: Selbstverlag, 1989., 248 Seiten.

Mucsi (1988) Hambuch, Wendelin: Mutsching/Mucsi. Geschichte und Gesellschaft

einer ehemaligen fuldischen Gemeinde in Ungarn. Budapest: Tankönyvkiadó,

1988., 405 Seiten.

Nagykovácsi (1962) Greszl, Franz: Groß-Kovatscher Heimatbuch. Geschichte und

Schicksal einer ungarndeutschen Gemeinde. Lahr im Schwarzwald: Dreyspring,

1962., 204 Seiten.

Nagynyárád (1984) Weiss, Johann/Häffner, Johann: Nagynyárád. Schwabach:

Selbstverlag, 1984., 107 Seiten.

Nemesnádudvar (1997) Richter, Georg: Geliebtes Nadwar. Erinnerungen an die

verlorene Heimat H-6345 Nemesnádudvar. Hrsg. von der

Heimatortsgemeinschaft Nadwar. Horb am Neckar: Geiger-Verlag, 1997., 451

Seiten.

Németkér (1980) Sommer, Michael: Heimatbuch von Németkér/Kremling in Ungarn.

Büchenbach: Selbstverlag, 1980., 216 Seiten.

Pécsvárad (1990) Öhler, Anna: A pécsváradi németek. / Die Deutschen in Pécsvárad.

Pécsvárad: Pécsváradi Várbaráti Kör, 1990., 39 Seiten.

Perbál (1971) Steiner, Hans: Chronik der Gemeinde Perbál. Hrsg. anläßlich des 25.

Jahrestages der Vertreibung 1946-1971. Marburg: [Verlag nicht bekannt], 1971.,

36 Seiten.

197

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Perbál (1988) Walter, Josef: Perbál/Perwall. Geschichte und Erinnerungen an unsere

Heimatgemeinde in Ungarn. Hirschberg: Förderkreis Heimatbuch Perbál, 1988.,

293 Seiten.

Perbál (1991) Molnár, Zoltán: Adatok Perbál történetéhez. [A Zsámbéki-medence

kiskönyvtára; 1] Budapest: Selbstverlag, 1991., 115 Seiten.

Pesthidegkút (1980) Pesthidegkút. Geschichten – Chronik – Bräuche. Heimatbuch zum

ersten Heimattreffen der Hidegkuter am 5. Juli 1980 in Moosbach. [Moosbach:

Verlag nicht bekannt], 1980., 133 Seiten.

Piliscsaba (1988) Hauck, Johann: Tschawa-Piliscsaba. Heimatbuch zur Geschichte des

Dorfes Piliscsaba und seiner Bewohner, den Tschamern. Ettlingen: Gelka Druck

und Verlag, 1988., 431 Seiten.

Pomáz (1982) Plank, Anton/Schleer, Karl: Pomáz im Ofner Bergland. Chronik einer

deutschen Minderheit im Umland von Budapest. Elztal-Dallau: Laub, 1982., 253

Seiten. [Pomáz: Pomázi Kisebbségi Önkormányzat, 19982., 291 Seiten.]

Pusztavám (1978/a) Tafferner, Anton/Schell, Franz (Hrsg.): Heimatbuch von Pusztavám

und Umgebung. Werden und Vergehen einer deutschen Siedlung in Ungarn. Mit

einem Anhang über „Die Mundart von Pusztavám“ von Adam Wittmann.

Geretsried (Obb.): Heimatausschuss Geretsried, 1978., 478 Seiten.

Pusztavám (1978/b) Flach, Paul: Zur Vergangenheit von Pusztavám, einer deutschen

Gemeinde in Ungarn. [Die Deutschen aus Ungarn. Schriftenreihe der

Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Bayern e. V.; 14] München:

Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Bayern, 1978., 32 Seiten.

Rátka (1991) Frisnyák, Sándor: Rátka. Ein deutsches Dorf in Tokaj-Hegyalja. Rátka:

Községi Önkormányzat, 1991., 183 Seiten.

Sérsekszöllös (1959) Reitinger, Heinrich: Sérsekszöllös. Geschichte einer deutschen

Gemeinde der Schwäbischen Türkei, 1909-1959. München: Selbstverlag, 1959.,

39 Seiten.

Solymár (19862) Taller, Josef (Hrsg.): Solymár. Chronik einer schwäbischen

Großgemeinde im Ofner Bergland, herausgegeben 40 Jahre nach der

Vertreibung. Ettlingen: Gelka Druck und Verlag, 19862., 286 Seiten.

Solymár (1993) Seres, István: Solymár története és néprajza. Solymár: Helytörténeti

Alapítvány, 1993., 347 Seiten.

198

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Somberek (1997) Michaelisz, Franz: Somberek (Schomberg). Die Vergangenheit und

Gegenwart einer Nationalitätengemeinde. Nördlingen: [Verlag nicht bekannt],

1997., 104 Seiten.

Sopron (1964) Schusteritsch, Eugen: Ödenburg und Umgebung. Ein Heimatbuch. Hrsg.

vom Oedenburger Heimatkomitee der Patenstadt Bad Wimpfen. Bad Wimpfen:

[Bürgermeisteramt], 1964., 184 Seiten.

Sopron (1991) Schusteritsch, Eugen: Ein Sträußlein Zyklamen. Journalistischer

Gedankengang auf dem Weg zur Partnerschaft Sopron/Ödenburg—Bad

Wimpfen. Bad Wimpfen: Ödenburger Heimatmuseum Bad Wimpfen, 1991., 172

Seiten.

Sopron (2000) Maar, Grete: Einführung in die Geschichte der westungarischen Stadt

Scrabantia–Ödenburg-Sporon. [Beiträge zur Spachinselforschung; 15] Wien:

Edition Praesens, 2000., 210 Seiten.

Sopronbánfalva (1991) Deggendorfer, Hans/Ziegler, Matthias:

Wandorf/Sopronbánfalva. Schwäbisch Gmünd: Festausschuß Wandorfer

Kiritog, 1991., 360 Seiten.

Soroksár (1989) Schäfer, Michael/Weidinger, Michael: Soroksár. Heimatbuch einer

deutschen Großgemeinde in der Umgebung von Budapest. Gerlingen:

Selbstverlag, 1989., 372 Seiten.

Süttő (2000) Barakka, Gábor (Hrsg.): Sédtőtől – Süttőig. Süttő: Polgármesteri Hivatal,

2000., 400 Seiten.

Szakadát (1989) Glósz,, József/Kápolnás, Mária: Szakadát község monográfiája (1723-

1949). [Separatum. Béri Balogh Ádám Múzeum Évkönyve; 14] Szekszárd: Béri

Balogh Ádám Megyei Múzeum, 1989., 116 Seiten.

Szálka (1983) Heilmann, Franz: Szálka – Salkau. Eine deutsche Gemeinde in Ungarn.

Szálka: [Verlag nicht bekannt], 1983., 150 Seiten.

Szárazd (1993) Wolf, Johann: Szárazd – Chronik der evangelisch-lutherischen

Gemeinde. Rockenhausen, Selbstverlag, 1993., 327 Seiten.

Szederkény (1973) Ravasz, János: A hétszáz éves Szederkény. (Egy baranyai német

község története.) Pécs: Községi Tanács Szederkény, 1973.,153 Seiten.

Taksony (1999) Gráff, Terézia: Taksony község krónikája. Taksony: [Verlag nicht

bekannt], 1999., 119 Seiten.

Tarján (1992) Mikonya, Josef: Tarjáni krónika. Tarján község a történelem tükrében.

Tarján: Polgármesteri Hivatal, 1992., 130 Seiten.

199

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Tarján (1996) Treszl, Anton: Tarian. Ein ungarndeutsches Dorf und seine Umgebung.

Bous: Selbstverlag, 1996., 240 Seiten.

Tarján (1998) Treszl Anton: Tarian. Ein ungarndeutsches Dorf und seine Umgebung II.

Bous: Selbstverlag, 1998., 328 Seiten.

Tétény (1970) Joó, Ernő/Tóth, Gábor/Tóth, Sándor: Tétény-Promontor. Budapest XXII.

kerületének története. Budapest: XXII. kerületi tanács, 1970., 365 Seiten.

[19882., 524 Seiten.]

Tétény (1984) Greszl, Franz: Die deutsche Siedlung Promontor bei Ofen-Buda im

Spiegel der Geschichte. Stuttgart: Verlag Unsere Post, 1984., 82 Seiten.

Tevel (1988) Eppel, Johann: Tevel. Zweieinhalb Jahrhunderte schwäbische

Ortsgeschichte in Ungarn, 1701-1948. Hrsg. von der Heimatgemeinschaft der

Teveler e. V. Eppingen. Budapest: Interpress, 1988., 568 Seiten.

Torbágy (1984) Bruckner, Franz: Turwaller (Torbágy) Heimatbuch. Geschichte einer

schwäbischen Gemeinde im Ofener Bergland. Ulm: Selbstverlag, 1984., 272

Seiten.

Törökbálint (1984) Zeiss, Franz: Großturwall—Törökbálint. Chronik einer

Großgemeinde. [Graben-Neudorf: Selbstverlag], 1984., 214 Seiten.

Újbarok (1990) Rosnak, Hans: Ortschronik von Dörfl. [Ort und Verlag nicht bekannt],

1990., 179 Seiten.

Újpetre (1996) Erdődy, Gyula: Újpetre község története. / Geschichte der Gemeinde

Újpetre. [zweisprachig] Újpetre: Önkormányzat, 1996., 116 Seiten.

Ujszentiván (1981) Gräbeldinger, Anton: Újszentiván (Neu-Sankt-Johann): Geschichte

einer von Deutschen mitbewohnten Gemeinde im nördlichen Banat, Ungarn

sowie Beiträge und Ahnentafeln der deutschen Sippen nach dem Stande 1944.

Bad Reichenhall: [Verlag nicht bekannt], 1981., 285 Seiten.

Varsád (1995) Weißenberger, Heinrich: Varsád/Waschad: ein Dorf, eine Heimat, unsere

Heimat im Komitat Tolna, Ungarn. Katrine: Selbstverlag, 1995., 446 Seiten.

Városlőd (1990) Roth, Michael: Zur Geschichte von Waschludt/Városlőd. Hrsg.

anlässlich der 750-Jahrfeier in Városlőd am 26. Juli 1990. Bad Kreuznach:

Fiedler, 1990., 208 Seiten.

200

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Vaskút (1971) Reppmann, Anton: Vaskut. Geschichte einer deutschen Gemeinde in der

Nordbatschka. [Donauschwäbische Beiträge; 57] Freilassing: Pannonia-Verlag,

1971., 125 Seiten.

Vaskút (1983) Flach, Paul: Waschkut. Beiträge zur Geschichte einer überwiegend

deutschen Gemeinde in der Batschka/Ungarn. [Die Deutschen aus Ungarn.

Schriftenreihe der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Bayern e.V.;

18] München: Selbstverlag, 1983., 736 Seiten.

Vecsés (1986) Lakatos, Ernő (Hrsg.): Vecsés története. [Pest megyei Falumonográfiák]

Vecsés: Önkormányzat, 1986., 289 Seiten.

Véménd (1986) Petri, Johann: Vemend. Ettlingen: Gelka Druck und Verlag, 1986., 168

Seiten.

Vértesacsa (1987/1988) Mayer, Elisabeth (Hrsg.): Vértesacsa, wo meine Wiege stand...

Bilderbogen der Erinnerung. Texte und Bilder. Nürtingen: [Selbsverlag], Bd. 1.:

1987., Bd. 2.: 1988., 344 bzw. 288 Seiten.

Vértesacsa (1991) Kasó, Katalin: Vértesacsa. Vértesacsa: Polgármesteri Hivatal, 1991.,

168 Seiten.

Vértestolna (1989) Engstner, Josef: Tolna/Vértestolna: „Dorfchronik im Rahmen der

Geschichte“. Chronik einer deutschen Siedlung im Gerecse-Gebirge/Ungarn,

gegründet im Jahre 1733, von den Bewohnern „Taunau“ genannt. Berlin:

Selbstverlag, 19892., 288 Seiten.

Vértestolna (1990) Engstner, József/Engstner, Béla: Vértestolna: a múlt tükrében.

Berlin: Selbstverlag, 1990., 280 Seiten.

Villány (1990) Rosinger, Hans: Villány/Wieland: im Spiegel der Chronik. Freising:

Selbstverlag, 1990. 54 Seiten.

Villány (1999) Pusztai, Béla: Unser Heimat, das berühmte Weindorf Wieland / A

vörösborról híres Villány. [zweisprachig] Pécs: Kódex, 1999., 137 Seiten.

Závod (1990) Mayer, Anton: Závod in der Tolnau: Heimatbuch zur Geschichte des

Dorfes Závod und dessen Bewohnern. Ettlingen: Gelka Druck und Verlag,

1990., 297 Seiten.

Zsámbék (1981) P. Jelli, Martin Anton OSB/Lugmayer, Anton: Zsámbék/Schambek.

Bildgeschichte einer „schwäbischen“ Gemeinde im Ofener Bergland/Ungarn.

Gerlingen: Heimatverein Zsámbék, 1981., 143 Seiten.

Zsámbék (1988) P. Jelli, Martin Anton OSB: Schambek. Beiträge zur Geschichte und

Volkskunde einer „schwäbischen“ (donauschwäbischen) Gemeinde im Ofner

201

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Bergland/Ungarn. Band II. Gerlingen-Nattheim: Heimatverein

Schambek/Zsámbék, 1988., 316 Seiten.

Zsámbék (1992) P. Jelli, Martin Anton OSB: Schambek. Dokumente zur Geschichte

einer „schwäbischen“ (donauschwäbischen) Geimeinde im Ofner

Bergland/Ungarn. Bd. III. Gerlingen-Nattheim: Heimatverein

Schambek/Zsámbék, 1992., 290 Seiten.

6.1.2 Heimatbücher, Monographien von Siedlungsgebieten

(eine Auswahl)

Die Donauschwaben. Deutsche Siedlung in Südosteuropa. Ausstellungskatalog. Hrsg.

vom Innenministerium Baden-Württemberg. Sigmaringen, 19892., 327 Seiten.

[19871.]

Drescher, Reinhold: Ahnenerbe: Heimat Heideboden. Ein Lesebuch für jung und alt.

Ansbach: Selbstverlag, 1985., 144 Seiten.

Goldene Batschka: ein Heimatbuch der Deutschen aus der Batschka. München:

Selbstverlag, 1953., 253 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir Balten. Hrsg. von Boehm, Max Hildebert/Weiß

Hellmuth/Gehrmann, Karlheinz. Salzburg-München: Akademischer

Gemeinschaftsverlag, 1951., 389 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir Donauschwaben. Hrsg. von Diplich, Hans/Hockl, Hans

Wolfram. Salzburg: Akademischer Gemeinschaftsverlag, 1950., 405 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir Pommern. Hrsg. von Gehrmann, Karlheinz/Bismarck, Herbert

von. Salzburg-München: Akademischer Gemeinschaftsverlag, 1951., 397 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir Schlesier. Hrsg. von Lange. Horst/Turley, Karl. Salzburg:

Akademischer Gemeinschaftsverlag, 1949., 389 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir Siebenbürgen. Hrsg. von Zillich, Heinrich. Salzburg:

Akademischer Gemeinschaftsverlag, 1949., 393 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir Sudetendeutschen. Hrsg. von Pleyer, Wilhelm. Salzburg:

Akademischer Gemeinschaftsverlag, 1949., 430 Seiten.

Heimat im Herzen. Wir von der Weichsel und Warthe Hrsg. von Gehrmann, Karlheinz/

Krannhals, Hanns von/Wittek, Erhard. Salzburg: Akademischer

Gemeinschaftsverlag, 1950., 405 Seiten.

202

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Hockl, Hans Wolfram: Heimatbuch der Donauschwaben. Hrsg. vom Südostdeutschen

Kulturwerk. München-Aalen: Donauschwäbischer Heimatverlag, 1960., 388

Seiten.

Nie vergessene Heimat. Erinnerungsband an die Ostgebiete. Hamburg: Thordsten,

1950., 347 Seiten.

Tafferner, Anton (Hrsg.): Heimatbuch der Nordschomodei. Geschichte einer deutschen

Sprachinsel der Schwäbischen Türkei in Ungarn. München: Landsmannschaft

der Deutschen aus Ungarn, 1973., 478 Seiten.

Volk, Mathias (Hrsg.): Unvergessene Heimat Branau/Baranya. Karlsruhe:

[Selbstverlag], 1985., 624 Seiten.

6.1.3 Heimatbücher vor 1945

(eine Auswahl)

Adrian, Karl: Unser Salzburg 1816-1916: ein Heimatbuch für die Jugend und das Volk.

Hrsg. aus Anlaß der 100jährigen Zugehörigkeit des Herzogtums Salzburg zur

österreichisch-ungarischen Monarchie. Wien : Schulbücherverlag, 1916.

Alt-nassauischer Kalender: ein Heimatbuch für die Freunde des Nassauer Landes.

[Zeitschrift] Wiesbaden, 1906-1922 nachgewiesen.

Batschkaer Heimatbücher. Novi Vrbas [Neuwerbaß]: Pleeß, 1929.

Benecke, Theodor: Lüneburger Heimatbuch. Bremen: Schünemann, 1914.

Bock-Letter, Ernst: Ein Heimatbuch des alten Landkreises Linden. Hannover: Geibel,

19162.

Bode, Benno: Die Schlacht bei der Göhrde, 16. September 1813 : ein Heimatbuch und

eine Festgabe, dem Hannoverlande, besonders den Göhrde-Gemeinden (Kreise

Bleckede, Dannenberg, Uelzen) und den Göhrde-Regimentern (Dragoner-Regt.

Nr. 9, Feldartillerie-Regt. Nr. 10) zum Jubelfeste 1913 dargereicht. Hannover:

Geibel, 1913.

203

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Braun, Hans: Grundlagen zu einer Geschichte der Familie Braun: mit Beiträgen zur

hessischen Familien- und Ortsbeschreibung; ein Heimatbuch; eine Sammlung

von Studien, Berichten, Lebensbeschreibungen, Literaturangaben und Urkunden,

auch von Bildern, Nachkommen- und Ahnentafeln. Berlin: Hoffmann, 1914.

Bräutigam, Ludwig: Mein Heimatbuch. Ohlau: Leichter, 1905.

Bröcker, Paul: Mein Heimatbuch: was die hamburgischen Bauten der Jugend und dem

Volke von unserer Stammesart erzählen. Hamburg: Boysen & Maasch, 1910.

Das Heimatbuch des Kreises Lauban. Hrsg. von Bertram, Fritz. Marklissa: Menzel,

1928.

Das Pommersche Heimatbuch: Für die Hand des Lehrers und des Heimatfreundes in

Verbindung mit dem Landesverein Pommern des Bundes Heimatschutz. Berlin:

Emil Hartmann, 1926.

Dehio, Sophie: Reval einst und jetzt. Heimatbuch. Reval: Kluge, 1910.

Dohse, Richard: Meerumschlungen: ein literarisches Heimatbuch für Schleswig-

Holstein, Hamburg und Lübeck. Hamburg: Janssen, 1907.

Egerländer Heimatsbuch: gesammelte Aufsätze von John, Alois. Eger: Selbstverlag,

1907.

Engelhardt, Ewald: Arterner Heimat-Buch. Natur- und Kulturgeschichte der Stadt

Artern von Urzeiten bis zur Gegenwart; mit Paßworten, Geleit und

Quellenkunde, Zeittafel und Gesamtverzeichnis. Artern: Stadtverwaltung, 1913.

Ester, Karl: Die Rheinlande: ein Heimatbuch. Leipzig: Brandstetter, 1916.

Franz, Max: Bilder aus der Sage und Geschichte der Stadt Aschersleben. Ein

Heimatbuch für Schule und Haus. Quedlinburg: Schwanecke, 1915.

Gehrke, Paul: Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Ein Heimatbuch für Schule

und Haus. Danzig: Kafemann, 1911.

Gild, Andreas: Hessisches Heimatsbuch: ein Lesebuch für jung und alt; zugleich eine

Ergänzung zu „Hessische Geschichte im Anschluß an die deutsche und

preußische“ und „Landeskunde von Hessen-Nassau“. Kassel: Hühn, 1904.

Hary, Artur: Unser Land. Luxemburg: Soupert, 19162.

204

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Heimatbuch der Gemeinde Bommern-Ruhr. Hrsg. von Stehl, Wilhelm. Witten-

Bommern: Bundes-Verlag, 1930.

Heimatbuch der Gemeinde Eichwalde. Hrsg. von Biermann, Bernhard. Eichwalde:

Biermann, 1938.

Heimatbuch der preußischen Provinzen. Hrsg. von Ebersbach, Paul/Stuhlfath, Walter.

Langensabia, 1931.

Heimat-Buch der Vereinigung vogtländischer Schriftsteller und Künstler Hrsg. von der

Vereinigung vogtländischer Schriftsteller und Künstler. Plauen i. V.:

Selbstverlag der Vereinigung, 19123.

Heimatbuch des Bezirkes Horn. Hrsg. von Lukas, Franz/Moldaschl, Friedrich. Horn:

Pichler, 1933.

Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien. Hrsg. von Groß, August. Löwenberg:

Kreisausschuß, 1922.

Heimatbuch für die baltische Jugend. Hrsg. von Goertz, Leon. Riga: Löffler, 1909.

Heimatbuch für unser hamburgisches Wandergebiet. Hamburg: Boysen, 1914.

Heimatbuch. Beiträge zur altmärkischen Heimatkunde. Hrsg. von Nitter, Edwin.

Gardelegen: Grimm&Sohn, 1937.

Heimatbücher der Deutschen in Polen [Zeitschrift. Bydgoszcz/Bromberg] 1 (1926) – 5

(1930).

Heimatbücherei des Isergebirges. [Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für

Heimatkunde des Gablonz-Tannwalder Lehrervereines. Jablonec/Gablonz.] 1

(1925) –

Heimatbüchlein der Brünner deutschen Sprachinsel. Hrsg. von Felkl, Hans. Brünn:

Winiker, 1924.

Heimatbuch für Nordhausen und die Grafschaft Hohenstein. Hrsg. von Heine, Heinrich.

Nordhausen: G. Wimmer, [1908].

Henniger, Karl: Niedersächsische Erzählungen. Hannover: Geibel, 1912.

Hinsberg, Georg: Berleburger Bilderbuch. Berleburg: Selbstverlag, 1912.

Hinsberg, Georg: Streifzüge durch Berleburgs Vergangenheit. Berleburg: Selbstverlag,

1915.

205

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Isenhagener Kreiskalender: ein Heimatbuch auf das Jahr... Hrsg. vom Kreisausschuß

des Kreises Isenhagen. Wittingen: Neessche Buchdruckerei, 1902-1934.

Jacobi, Karl: Nassauisches Heimatbuch: Regierungsbezirk Wiesbaden; Bilder aus der

Natur des Landes, des geschichtlichen und kulturellen Leben seiner Bewohner.

Wiesbaden: Petmecky, 1913.

Jessen, Willers: Heimatbuch des Kreises Eckernförde. Eckernförde: Schwensen, 1916.

Karlsbader Heimatbücher. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde des

Bezirkes Karlsbad. Karlsbad: W. Heinisch, 1926-1932.

Köhler Josef: Heimatbuch für die Schulen des Egerlandes. Eger (u.a.):

Kobrtsch&Gschihay, 1912-16.

Köhler, Josef: Egerländer Heimatbuch für Schule und Haus. Eger (u.a.):

Kobrtsch&Gschihay, 1916.

Kohnen, Anton: Oldenburger Kriegs- und Heimatbuch. Vechta i. O.: Vechtaer

Druckerei und Verlag, 1916.

Krausbauer, Theodor: Auch ein Heimatbuch. Leipzig: Klinkhardt, 1914.

Krumm, Hermann: Unsere meerumschlungene Nordmark. Kiel: Lipsius&Tischer, 1914.

Kunze, Wilhelm: Geologische Wanderungen: Teil I: Heimat-Geologie im Unterrichte;

Teil II: Geologische Streifzüge in die Werralandschaften; ein Heimatbuch.

Eschwege: Braun, 1914.

Kunzendorf, Paul: Vom Frieden zum Krieg; Ein deutsches Heimatbuch. Leipzig:

Eberhardt, 1916.

Lechner, Ludwig: Das Leizachtal. Miesbach: Mayr, 1913.

Mollat, Georg: Siegerländer Heimatbuch. Siegen: Selbstverlag des

Volksbildungsvereins, 1914.

Müller, Bernhard: Alt-Frankfurt: ein Heimatbuch aus dem Maingau. Frankfurt am

Main: Reitz&Köhler (u.a.), 1917.

Müller, Franz: Heimatbuch der Stadt Magdeburg und ihrer Umgebung. Magdeburg:

Creutz, 19132.

Munzinger, Ludwig: Das feldgraue Heimatbuch. Leipzig: Grethlein, 1916.

Neuer Elsässer Kalender für das katholische Volk: illustriertes Haus- und Heimatbuch

für das katholische Volk. [Zeitschrift. Mühlhausen-Colmar: Oberelsässische

Verlagsanstalt.] 1 (1912) – 71 (1980).

206

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Niedersachsen: ein Heimatbuch. Hrsg. von Flemes, Bernhard. Leipzig: Brandstetter,

1915.

Niedersächsisches Heimatbuch. [Zeitschrift. Hildesheim-Münster: Borgmeyer,] 1

(1914) – 3 (1920).

Nordwestböhmische Heimatbücher. Hrsg. vom Anstalt für Sudetendeutsche Heimat-

forschung. [Zeitschrift. Brüx-Komotau: Verlag der Stadtmuseen,] 1 (1928) – 3

(1930).

Oberlausitzer Heimatbücherei. [Schriftenreihe. Hrsg. von Glauber, Emil d. J.] Görlitz:

Verlagsanstalt Görlitzer Nachrichten und Anzeiger, 1921-

Obgartel, Wilhelm: Der Regierungsbezirk Gumbinnen: ein Heimatbuch; auf Anregung

der Königlichen Regierung zu Gumbinnen. Insterburg: Selbstverlag, 1912.

Ostdeutsche Heimatbücher. [Schriftenreihe. Danzig: Danziger Verlagsgesellschaft,] Bd.

1 (1921) – Bd. 10 (1925).

Ostdeutsche Heimatbücher. [Zeitschrift. Leipzig-Posen: Verlag der Historischen

Gesellschaft für Posen,] 1 (1926) – 11 1(941).

Peter, Johann: Der Richterbub: ein Heimatbuch aus eigener Jugend. Freiburg i. Br.

(u.a.): Herder, 1914.

Petrich, Hermann: Unser Bismarck: 50 Bismarckgeschichten, alte und neue, aus seinen

pommerschen Tagen. Ein pommersches Heimatbuch. Gütersloh: Bertelsmann,

1915.

Pommersche Heimatbücher. [Schriftenreihe. Hrsg. von Schröder, Walter. Stettin:

Fischer&Schmidt,] 1925-1930.

Posener Heimatbücher. [Schriftenreihe. Lissa i. P.: Oskar Eulitz,] Bd. 1 (1914) [mehr

nicht erschienen].

Rauer, Paul: Heimatbuch. Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart der Stadt

Posen. Posen: Philipp, 1914.

Rommel, Karl: Reutlinger Heimatbuch. Bilder, Sagen, Geschichten aus Stadt und Amt.

Rutlingen: Oertel&Spörer, 1913.

Schlesische Heimatbücherei. [Schriftenreihe. Hrsg. von Glauber, Emil. Görlitz:

Verlagsanstalt Görlitzer Nachrichten und Anzeiger,] 1921-

Schmarje, Johannes: Die Nordmark. Ein Heimatbuch für Schleswig-Holstein, Hamburg

und Lübeck. Leipzig: Brandstetter, 19102.

Schremmer, Wilhelm: Schlesische Heimat. Langensalza: Beltz, 1925.

207

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Schwäbisches Heimatbuch. [Zeitschrift. Hrsg. vom Bund für Heimatschutz in

Württemberg und Hohenzollern. Stuttgart: Kohlhammer,] 1913-1949.

Schwalm, Johann Heinrich: Der Kreis Ziegenhain: ein Heimatsbuch für Schule und

Haus. Marburg: Elwert, 1908.

Spenner, Eduard: Ein Beitrag zum Hoyerswerdaer Heimatbuch. Hoyerswerda: Lapstich,

1908.

Spohr, Wilhelm: Heimatsagen und Bilder aus der Geschichte Halberstadts: ein

Heimatbuch für Schule und Haus. Quedlinburg: Schwanecke, 1914.

Sudetendeutsche Heimatbücherreihe. [Schriftenreihe. Plan bei Marienbad: Deutscher

Heimatverlag,] 1928-

Südmährisches Heimatbuch für Volk und Schule. Hrsg. von Altrichter, Anton (u.a.).

Nikolsburg: Bartosch, 1923.

Tiroler Heimatbücher. [Schriftenreihe. Hrsg. von Klebelsberg zu Thumburg, Raimund

von. Wien: Schulwissenschaftlicher Verlag Haase,] Bd. 1 (1929)–

Tiroler Heimatbücher. [Zeitschrift. Hrsg. von der Landesgruppe Tirol des Vereines für

Christliche Erziehungswissenschaft. Stift Wilten: Selbstverlag des Jugend-

Schutzvereines „St. Bartlmä“,] 1 (1924)–

Uhlmann-Bixterheide, Wilhelm: Die rote Erde: ein Heimatbuch für Westfalen. Leipzig:

Brandstetter, 19122.

Unser Ostpreußen: ein Heimatbuch für Schule und Haus. Leipzig: Klinkhardt, 1917.

Vesper, Wilhelm: Der Kreis Homburg: Heimatbuch für jung und alt. Marburg: Elwert,

1908.

Wibbelt, Augustin: Ein Heimatbuch: Worte des Trostes und der Mahnung. Warendorf

in Westfalen: Schnell, 1916.

Wunschik, Julius: Aus Vergangenheit und Gegenwart von Ratibor an der Oder. Ratibor:

Selbstverlag, 1916.

208

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6.2 Sekundärliteratur

6.2.1 Bibliographien, Nachschlagewerke

Brockhaus-Enzyklopädie: in vierundzwanzig Bänden. Mannheim, 198919.

Brockhaus-Wahrig Deutsches Wörterbuch: in sechs Bänden. Hrsg. von Wahrig,

Gerhard/Krämer, Hildegard/Zimmermann, Harald. Wiesbaden-Stuttgart, 1981.

Bücherei des Deutschen Ostens. [Schriftenreihe. Bearb. von Kessler, Wolfgang. Herne

in Westfalen,] Bücherverzeichnis (ab 1950) bzw. Bestandskatalog: Bd. 1.

(1982): Nordostdeutschland; Bd. 2. (1982): Brandenburg-Preußen,

Nordosteuropa; Bd. 3 (1984): Schlesien; Bd. 4 (1987): Böhmische Länder,

Südosteuropa.

Bücherkunde Ostdeutschlands und des Deutschtums in Ostmitteleuropa. Bearb. von

Jilek, Heinrich/Rister, Herbert/Weiss, Hellmuth. [Ostmitteleuropa in

Vergangenheit und Gegenwart; 8] Köln-Graz, 1963.

Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk. 5 Bde. Hrsg.

von Wander, Karl Friedrich Wilhelm. Kettwig, 1987. [Nachdruck der Ausgabe

Leipzig, 1867.]

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Bearb. von Heyne, Moritz.

München, 1984. [Nachdruck der Erstausgabe 1854.]

Digitale Bibliothek. Bd. 1: Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka. Berlin

[Directmedia Publishing GmbH], 1999.

Duden „Etymologie“: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Hrsg. von

Drosdowski, Günther. Mannheim-Wien-Zürich, 19892.

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Erarb. unter der Leitung von Pfeifer,

Wolfgang. Berlin, 1989.

Evangelisches Staatslexikon. Begründet von Kunst, Hermann/Grundmann, Siegfried.

Hrsg. von Herzog, Roman. 2 Bde. Stuttgart, 19873.

Hemmerle, Rudolf: Heimat im Buch: Heimatbücher, Heimatbriefe, Kalender und

Jahrbücher 1945-1970. München, 1970.

209

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Hemmerle, Rudolf: Heimat im Buch: Sudetendeutsche Heimatbücher,

Ortsmonographien, Karten, Heimatblätter, Heimatzeitschriften, Jahrbücher und

Kalender nach 1945. Eine Bibliographie. München, 19962.

Kessler, Wolfgang (Bearb.): Ost- und südostdeutsche Heimatbücher und

Ortsmonographien nach 1945. Eine Bibliographie zur historischen Landeskunde

der Vertreibungsgebiete. München (u.a.), 1979.

Kluge Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache. Bearb. von Seebold, Elmar.

Berlin (u.a.), 199523.

Lukan, Walter/Peyfuss, Max Demeter: Ost- und Südosteuropa-Sammlungen in

Österreich. Verzeichnis der Bibliotheken, Institute, Archive und Museen.

München, 1990.

Ostdeutsche Ausstellungen, Archive, Heimatstuben und Sammlungen in Hessen. Hrsg.

von dem Bund der Vertriebenen. Wiesbaden, 1989.

Ostdeutsche Bibliographie: das internationale Schrifttum über die Heimatgebiete, die

deutschen Vertriebenen, das deutsche. Vertriebenenproblem und mitteldeutsche

Fragen. 1 (1952) – 21 (1972). [Zeitschrift. Bearb. von Marzian, Herbert. Hrsg.

vom Göttinger Arbeitskreis.]

Ostdeutsche Museen und Sammlungen in Baden-Württemberg. Hrsg. vom

Innenministerium Baden-Württemberg. Sigmaringen, 1988.

Ostdeutsche Museen und Sammlungen in der Bundesrepublik Deutschland und

Österreich. Bonn, 1989.

Reichert-Flögel, Ute: Ostdeutsche Patenschaften heute. Hrsg. von dem Bundesminister

des Innern. Bonn, 1989.

Repertorium der Periodica: Zeitschriften, Jahrbücher, Zeitungen, Traditionsblätter und

Kalender im Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde. Freiburg,

1987.

Scherer, Anton: Donauschwäbische Bibliographie. Das Schrifttum über die

Donauschwaben in Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und Bulgarien sowie – nach

1945– in Deutschland, Österreich, Frankreich, USA, Canada, Argentinien und

Brasilien. Bd. 1.: 1935-1955. München, 1966.; Bd. 2.: 1955-1965. München,

1974.; Bd. 3.: 1965-1945. Graz, 1998.

210

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Schlesische Bibliographie. [Schriftenreihe. Bearb. von Rister, Herbert. Hrsg. vom

Herder-Institut im Einvernehmen mit der Historischen Kommission für

Schlesien. Marburg,] 1928-34 (1961-63); 1935-41 (1992-96); 1942-51 (1953);

1952-53 (1954); 1954-55 (1956); 1956-57 (1959); 1958-60 (1982-85); 1961-63

(1975-83); 1964-70 (1984); 1971-80 (1986-87); 1981-85 (1989).

Seeßlen, Georg/Kling, Bernt: Unterhaltung. Lexikon zur populären Kultur. 2 Bde.

Reinbek bei Hamburg, 1977.

Spruth, Herbert: Landes- und familiengeschichtliche Bibliographie für Pommern.

Neustadt an der Aisch, 1962-1965.

Staatslexikon: Recht, Wirtschaft, Gesellschaft; in fünf Bänden. Hrsg. von der Görres

Gesellschaft. Freiburg (u.a.), 1985-19897.

Verzeichnis der Schriften über Pommern. Hannover, 1964.

Vollack, Manfred: Die pommerschen Kreise und Städte im Spiegel der nach 1945

erschienenen Heimatliteratur und ihre Patenschaften. In: Patenschaften und

Heimatkreisliteratur. Lübeck, 1977., S. 57-85.

6.2.2 Monographien, Studien

Aichinger, Ingrid: Probleme der Autobiographie als Sprachkunstwerk. In: Österreich in

Geschichte und Literatur 14 (1970), S. 418-434.

Aichinger, Ingrid: Künstlerische Selbstdarstellung. Goethes „Dichtung und Wahrheit“

und die Autobiographie der Folgezeit. Bern, 1977.

Androutsopoulos, Jannis K.: Zur Beschreibung verbal konstituierter und visuell

strukturierter Textsorten: das Beispiel Flyer. In: Fix, Ulla/Wellmann, Hans

(Hrsg.): Bild im Text – Text und Bild. [Sprache – Literatur und Geschichte; Bd.

20] Heidelberg, 2000., S. 343-366.

Annabring, Matthias: Das ungarländische Deutschtum. Leidensweg einer

südostdeutschen Volksgruppe. [Südost-Stimmen;. II. Jg., Nr. 2] Stuttgart-

Möhringen, 1952.

Annabring, Matthias: Volksgeschichte der Deutschen in Ungarn. Stuttgart, 1954.

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Kommunikation; VII.] München, 1991.

Assmann, Aleida: Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine kurze Geschichte der

deutschen Bildungsidee. [Edition Pandora; Bd. 14] Franfurt a. M. (u.a.), 1993.

Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen

Gedächtnisses. München, 1999.

Assmann, Aleida/Assmann, Jan/Hardmeier, Christof (Hrsg.): Schrift und Gedächtnis.

München, 1983.

Assmann, Aleida/Assmann, Jan (Hrsg.): Kanon und Zensur. [Beiträge zur Archäologie

der literarischen Kommunikation; II.] München, 1987.

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soziales Gedächtnis. [Funkkolleg Medien und Kommunikation: Kollegstunde;

11] Tübingen, 1990.

Assmann, Aleida/Harth, Dietrich (Hrsg.): Kultur als Lebenswelt und Monument.

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der Literaturwissenschaft. [Deutsche Vierteljahresschrift für

Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Sonderheft 1994] Stuttgart-

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Ägypten. In: Assmann, Aleida/Assmann, Jan/Hardmeier, Christof (Hrsg.):

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Assmann, Jan: Stein und Zeit. Mensch und Gesellschaft im alten Ägypten. München,

1991.

Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in

frühen Hochkulturen. München, 1992.

Assmann, Jan (Hrsg.): Die Erfindung des inneren Menschen. Studien zur religiösen

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Assmann, Jan/Hölscher, Tonio: Kultur und Gedächtnis. Frankfurt a. M., 1988.

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7 Anhang

7.1 Heimatgedichte

Heinrich DüllWie einst zu Hause vor 50 Jahren

Als wir jung in der alten Heimat warenund sind mit der Träge und Schubkarren gefahrenvon der großen Welt nicht viel wußtender einzige Kummer war Schnupfen und Husten.Mit Staubhaufen auf Feldern wir spieltenunsere Eltern im Schweiße den Boden umwühltenvon morgens bis spät abends nur schwer schaffenum die Zukunft für uns alle gemütlicher zu machen.Was dann geschah ist nicht zu beschreiben,wenige von uns konnten zu Hause bleiben.

Wir wurden zerstört, verschleppt und vertriebenverloren der Heimat Gut und unsere Lieben.In vielen Ländern der Welt sind wir angekommenhaben neue Sprachen und modernes Leben begonnen.Der Schwabe Fleiß hatte es verbrachtund uns wieder Menschen in der Welt gemacht.Wir können nie vergessen, was mit uns geschehenunserer Jugend soll es in der Zukunft besser gehen.Wir danken dem Herrn für unser neues Lebenund den Lieben in der alten Heimatsoll er auch Frieden auf Erden geben.Dabei bleibt es mit Kummer und Qualunser teuere Heimat, sie war einmal.

(Majos 1997: 463)

Wolfgang FederauHeimat

Du kannst sie tausendmal verlassenUnd kehrst doch immer ihr zurück.Sie ist mit Türmen, Kirchen, GassenDein unverlierbar-letztes Glück.

Sie birgt der Jugend reinste Träume,Sie schließt dich ein wie Mutterschoß.Sie dehnt sich über alle RäumeUnd nimmer kommst du von ihr los.

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Soweit kannst du ja garnicht gehen,Daß du sie einmal ganz vergißt.Ihr Bild wird dir vor Augen stehen,Wo du auch immer weilst und bist.

So sehr kannst du ihr nicht entgleiten,Daß dieses letzte Band zerreißt.Weil, wo auch immer du magst schreiten,Ein Pfeil steht, der – zur Heimat weist.

(Torbágy 1984: 5)

Toni ZirkelbachO gold’ne Zeit

O gold’ne Zeit,Wie bist du weit?Mein Heimatland,Des Schicksals HandRiß mich hinausIn grober Halt Wie fremden GastVom Vaterhaus...

Du grüner HainIm Sonnenschein.VergißmeinnichtBeim MorgenlichtNochmals erblickt!Nun führt mein wegAuf ödem StegOhn’ ein Zurück.

Bei stiller NachtMein Schmerz erwacht.Die Einsamkeit,Sie nährt mein Leid;Schwach bete ich:O gold’ne Zeit,Wie bist du weit…Wer höret mich?

(Budaörs 1952: 4)

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Theresia StettnerAuszugslied (9. Dezember 1944)

Ein Bauernvolk voll Kraft und MutBewahr der Väter Erbe gut.Es gibt nichts Schöneres auf ErdenAls Bauer zum Volksernäher werden,Den Väterglauben, Brauch und Sitte pflegen,Ihrer eingedenk auf allen unseren wegen.Nun ist es Zeit, entzündet uns das Licht,Bevor die Sonne hintern Berg vorbricht.Die Wagen stehen in den Schuppen schon bereit,Gebt uns als letzten Gruß ein Winken zum Geleit.Die Pferde eingespannt, fahr’n wir von hier nun fortUnd verlassen uns’ren lieben, lieben Heimatort.Kein Lied erklang auf unseren stummen Lippen.Im stillen gedachten wir nun jener, die geblieben.In Dunkelheit und Einsamkeit zogen wir die Straßen.Jedoch im Dunkeln wandeln nur, die ihren Gott vergaßen.Der Herrgott ist mein Hüter und mein Licht,oh Menschenseel’, vergiß das nicht!

(Pusztavám 1978a: 195)

[Verfasser unbekannt]Flüchtlingslied

„Neunzehnhundertsiebenundvierzig, Es war im Monat August,mußte verlassen meine Heimat,mußte in die Fremde ziehn.

Als deutsches Kind bin ich geborenin dem schönen Ungarnland.Mein Eigentum hab ich verlorenals Flüchtling werde ich genannt.

Aus Ungarn bin ich ausgewiesen,habe keine Schuld daran,daß sie uns zertreten mit den Füßen,haben niemand Leids getan.

Einst ging ich auf der fremden Straße,da schauen mich die Leute an.Aus meinen Augen fließt das Wasser,daß ich nicht mehr reden kann.

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Abends in der späten Stunde,wo ein jeder Vogel ruht,und ich Armer sitz’ und weine,bring’ mein Leben traurig zu.

Traurig ging ich von der Heimat,weil dort einst meine Wiege stand.Niemand kann uns das ersetzen – Es war ja unser Vaterland.

So lebe wohl, du schöne Heimat,es gibt für uns ein Wiedersehen.So lebet wohl, ihr Berg’ und Täler,wir müssen in die Fremde ziehn.

(Csávoly 1980: 282-283)

Katharina Bulla-MüllerHeimat

Heimat dich hab ich so lieb,in meinem Herzen wohnst du in Klarheit noch heutewie es kein zweites Bild jemals gibt,vor dem in Ehrfurcht und Lieb ich mich neige.

Umgibt ihn Kraft und Treue ihres Wesens,das unserem Volke seinen Namen gab;das in des Erdreichs schwarzer Furche noch zu lesen,auf die ihr Schweiß und Blut einst floß hinab.

Aus dieser Erde wurde ich geboren,ihr heiliges Vermächtnis trage ich in mirund wenn auch heut die Heimat ich verloren,so leb ich doch und sterbe auch mit ihr.

(Majos 1997: 462)

H. P.Unsere Heimatkirche

Zwischen den alten Linden,weißt du, was ich da seh?Unsere Heimatkirche!Ihr Turm weist mahnend zur Höh’.Wie in vergangenen Tagen

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will sie uns Trösterin sein,will aus der Ferne uns grüßen,mit ihrem Segen erfreun.Sie will uns mahnen und sagen:„Vergiß deine Heimat nie!Weck auch in deinen Kinderndie Liebe und Treue für sie,Doch schau nicht zurück, sondern vorwärts,und lerne aus dem Verzicht:über der irdischen Heimat vergiß die ewige nicht“.

(Nagykovácsi 1962: 10)

H. P.Verlorene Heimat

Vor unserm innern Auge stehn sie auf,die Bilder einer lang vergangenen Zeit;die Wege, die wir gingen, liegen weitund tauchen aus der Dämmerung herauf.Wo ist das liebe Heimatdorf gebliebenmit Kirche, Schule und dem Vaterhaus,wo täglich wir gegangen ein und aus,wo ernste Arbeit wir und Scherze trieben,Als dann der Sturmwind über unser LandUnd über seine Menschen ist gekommen,hat er Besitz und Sicherheit genommenund riß uns liebe Menschen von der Hand.Wir haben unser Schicksal überwunden;mit Gottes Hilfe und mit eigner Krafthat jeder sich ein neues Heim geschafft,doch über Raum und Zeit sind wir verbunden.

(Nagykovácsi 1962: 11)

[Verfasser unbekannt]Abschied von der Heimat

Tränen hab ich viel vergossen,Weil ich scheiden muß von hier.Denn mein liebster Vater hat’s beschlossen:Aus der Heimat wandern wir.

Heimat, heute wandern wir,Heute scheid’ ich fort von dir.

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Drum ade und lebe wohl,Drum ade und lebe wohl.

Lebt wohl ihr Rosen in mei’m Garten,Ich darf euch nicht mehr pflegen und warten.Lebt wohl ihr alle meine Blümelein,Morgen gehts fort, es muß geschieden sein.

Lieb’s Blümelein, wein’ mit mir,Weil ich heut muß scheiden von dir.Drum ade und lebe wohl,Drum ade und lebe wohl.

(Pusztavám 1978a: 196)

Johann Stöckl[ohne Titel]

Weit, so weit vom HeimatorteStanden wir so einsam und allein;Kalte Menschen, harte WorteBrachten uns viel Schmerz und Pein:Süße Heimat, wie könnten wir wieder Hören deine trauten Lieder!

Altersgrau ragt uns’re KircheAus der Bäume grün hervor,Wo wir oft an heil’ger SchwelleSandten unser gebet empor.Könnten wir in ihren HallenFlehend auf die Knie Fallen!

Auf dem Friedhof ruhen viele –Väter, Mütter in dem Grab,Und statt einer TrauerweideSenkt sich Gras auf’s verlass’ne Grab,Treure Ahnen, Ruh’t in FriedenSei vom Richter Euch beschieden!

Ruhlos, zogen wir durch die StraßenIn des Wetters Wind und Graus;Wir mußten alles längst verlassen,Und wandern in die Welt hinaus.Wird man uns auf heim’schen StättenEinst zur letzten Ruhe betten?

(Elek 1977: 69)

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Karl Hübl[ohne Titel]

Wir grüßen dich, o Heimat, in der Ferneund preisen deiner Schönheit Macht und Glut.Wir wissen es: noch leuchten dir die Sterne,noch lebst du uns in Gottes starker Hut.

Dem Ahnen einst zu Nutz und Ehr gegeben,rang er dem Wald dich ab in zäher Kraft,den Söhnen, Enkeln schenktest du das Lebenund deines Rechtes Treu und Zeugenschaft.

Und kamen manchmal auch verworr’ne ZeitenUnd drohten deinen Menschen Pest und Tod,du konntest ihnen doch manch Fest bereitenund immer halfst du Gute aus der Not.

Und immer neigtest du dich ihren Bittenund schenktest ihnen alles: Brot und Wein.Du hütetest so fromm die alten Sittenund führtest uns voll Treu zu Gottes Sein.

Wer wollte zweifeln, wollte nicht vertrauen?Wir wissen es, du rufst uns einst zurück,du läßt uns wieder deine Berge schauenund schenkst uns freundlich deiner Täler Glück.

O Heimat, liebste, nie und nie verloren,ob auch das Trennungsweh uns oft beschlich,wir haben dich im Herzen uns erkorenund einst umfassen wir, o Mutter, Dich!

(Pomáz 1982: 6)

Heinrich DüllEs war einmal

Fern von der Heimatin einem fremden Landsitzen wir beisammenam Meeresstrand.

Sprechen von der Heimat,die uns als Kind so lieb.Die Erinnerung daranuns heute noch blieb.

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Es war einst so schönund ist heute noch sonur fern von zu Hausein der Welt irgendwo

Man soll es genießensolange wir können,denn das ist nun alles,was ihr Euch könnt gönnen.

Der Herr hat es gegeben,der Teufel hat es genommenwir sind Kinder der Weltauf Erden bekommen.

Und wenn wir mal gehen,wird nichts mitgenommennur den Glauben konnteuns niemand nehmen

Und damit wollen wirIn die Ewigkeit gehen.Der Name des Herrn sei gelobt.

(Majos 1997: 464)

Jakob RettigAllmächtiger Vater…

...Du bist mir auf den Fersenjeden Schritt und Tritt.Du schützest mein Gehen,indem Du gehest mit.

...Du reichest, wenn ich in Not,zur Hilfe Deine Hand.Du bist mir Leben und Tod,indem Du mich gesandt.

…Du hast es bewiesen,ohne Dich nur Untergang.Tägliches gebet sei Dir gepriesenVon mir als innigster Dank.

(Gara 1991: 3)

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W. K.Der Glocken Abschied

Verstummt sind die ehernen Zungen,Nicht ruft zum Gotteshaus ihr Klang:Kommt – kommt ohn’ Zittern und Zagen.Erquickt euer Herz am Gesang;Findet Trost im göttlichen Wort,Vertraut euch nur dem alten Gott!“

Freude – Freude klang es hernieder,Ist heute bei uns eingekehrt:Ein Kindlein hat Gott uns beschieden,Und seine Gemeinde vermehrt.Auf Jesu Nam’ sei es getauft,Und seiner Führung anvertraut!

Zwei Herzen haben sich gefundenRief dann der Glocken froh Geläut;Liebe –Liebe soll sie verbinden,Und Eltern Segen sie begleit!Nie stärke Zwietracht ihren Bund,Gott lobe stets ihr Herz und Mund!

Friede – Friede mit deiner Asche,So rief uns Trost der Glockenklang;Und es wurd um das Herz uns wehe,Bei jedem Pilgers letztem Gang,Sanft sei dein’ Ruh in kühler ErdUnd ewges Leben dir beschert!

Friede – Freude sind nun geschieden,Auch uns’re Glocken müssen fort;Väter und Söhne draußen bluten,Für’s Vaterland an fernen Ort.Uns’re Lieben ach Herr Beschütz’,Durch dieser Glockenerz Geschütz!

Donnerrt nun hart dem Feind’„Wehe euer List und Tücke!“Ungarn möge forthin bestehen,Gott führ’ uns gnädig zum Siege!Bring uns den Frieden dann wieder,Singt als Glocken Siegeslieder!

(Majos 1997: 236)

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Julius SchlittDie Heimatglocke

Liegt ein Dörflein tief im TalGanz der Welt verborgen;Schön, so lieb und keine QualMacht dem Herz hier Sorgen.

Kamen viel vom Westen her,Ließen sich hier nieder,Hart war ihre Arbeit sehr,Fanden Glück doch wieder.

Fleiß, Gebet und ernste Tathat sie schnell erhoben,Aber was das Wunder tat,War die Kraft von oben.

Alles schön im Dorf und lacht,Eins noch fehlet ihnen,Noch das Eine sei gemachtDann hat’s Dörflein Frieden.

Ja, es fehlt der heil’ge OrtMit den lieben Stunden,Da man singt, wo Gottes WortHeilet alle Wunden.

Und zur Tat der Glaube geht,Opfer bei zu tragen,So, daß bald die Kirche steht.

Von jetzt an der Kirchturm wachtÜber Tal und Höhen;Zieht das Herz zu Gott mit Macht,Wenn die Glocken tönen.

„Hör“, sie ruft auch heut dir zuAus dem Heimatturme:„Kind, so lang wirst glauben Du,Hast auch Freud im Sturme!“

Wo dich auch die Welt hintreibt,Wallen nach die Glocken,Klingen: „Stehe fest im Streit,Laß dich nicht verlocken!

Über deiner Wiege klangEinst dies lieb Geläute,

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Geht dir nach dein Leben lang,Ist dein treu Geleite.

Kommt die letzte Stunde dein,Mußt ins Grab hinscheiden,Kommt die Glocke, wird dich heim,In den Himmel läuten.

Großes tat uns der Herr,Ist nicht zu ermessen,Hat geholfen bis hierher,Wird uns nicht vergessen.

Heute denken dankend wirSeiner treuen Hilfe,Segne Gott daheim und hier Unsre liebe Kirche.

(Majos 1997: 238.)

M. FritzGlockenweihe (am 23. Februar 1923)

Was in des Dammes tiefer GrubeDie Hand mit Geisteshilfe baut,Hoch auf des Turmes Glockenstube,Da wird es von uns Zeugen laut.

Noch dauern wird’s in späten TagenUnd rühren vieler Menschen Ohr,Sie werden mit Betrübten klagenUnd stimmen zu der Andacht Chor.

Was unten hier dem Erdensohne Das wechselnde Verhängnis bringt,Das schlägt an die metallne Krone,Daß es erbaulich weiter klingt.

Darum ihr Brüder, kommt herbei,Daß wir die Glocke taufend weihn.Johannes soll ihr Name sein,Unter dem sie rufet die Gemeind.

Es ist dann fortan ihr Beruf –Den Menschen hier auf Erden –Wozu der Meister sie erschuf,zu künden alles Sein und Werden.

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Hoch über müdem Erdenleben,Soll sie am blauen HimmelszeltAls Nachbarin des Donners schwebenUnd grenzen an die Sternenwelt.

Soll eine Stimme sein von oben,Wie der Gestirne helle Schar,Die ihren Schöpfer strahlend lobenUnd bestimmen das zeitliche Jahr.

Nur ewigen und ernsten DingenSei ihr metallner Mund geweiht,Daß immer in schnellen SchwüngenVerkünde im Fluge sie die Zeit.

Jetzt nun mit der Kraft des StrangesWiegt die Glocke aus der Gruft,Daß sie in das Reich des KlangesSteige in die Himmelsluft.

Freude hat mir Gott gegeben,Sehet wie ein goldner Stern,Aus der Hülse blank und edel,schält sich der metallne Kern.

Ziehet nun, um sie empor zu heben,Sie bewegt sich, fängt an zu schweben.Freude unsrem Dorf sie bedeute,Friede sei ihr Erstgeläut.

(Kakasd 1979:143)

Elisabeth Ebner[ohne Titel]

Wann werden wir wiederDie Kapelle aufbaun,Wann ruft uns das Glöcklein,Die Heimat zu schaun?

Die Kapelle in Trümmern,Kein Turm mehr steht,Kein Glöcklein ruftZum heil’gen Gebet.

(Budaörs 1952: 70)

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Heinrich DürrGrüsse an die alte Heimat

Die Heimat im Herzendie Freunde im Sinnwie schön ist die Welt,wo ich eben bin.

Im Flugzeug nach obenDie Wolken unter mirmeine Freunde auf der Erdeim Herzen bei mir

Unser Herrgott rund um unsMit Gnaden bedachtalles in der Weltso herrlich bewacht.

Darum liebe Freundesollt ihr euch auf ihn stützendann wird er uns allehimmlisch beschützen.

Im Falle ihr verzweifeltdann rufet ihn an,denn er ist der einzige,der helfen kann.

(Majos 1997: 464)

Franz BrucknerUnsere Heimat

Drunten im tiefen DonaulandZwischen Bergen und grünen Tälern,Wo einst unsere Wiege standUnter Schwalbennestern Dächern.

Wo Pfirsiche, KirschenUnd gelbe Aprikosen Wechseln sich mit farbigen Und dunkelroten Rosen.

Wo Himbeeren, Weichseln und WeintraubenIn stolzer Pracht ersprüh’n,Und im schönen Monat MaiDie Akazienwälder blüh’n.

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Da wo die Sonne ihre StrahlenVom blauen Horizont herunterBlumen, Früchten, Menschen schenktVom Frühjahr bis Oktober.

Wo die unendliche weitenWeizenfelder liegen,Rebhühner, Störche und FasaneÜber die Landschaft fliegen.

Wo der gute RebentropfenBei Gesang und MusikAm späten, milden AbendDie Nachbarn zusammenbringt.

Da wo jetzt fremde MenschenHerumirren auf unser Ahnen Grab,Da liegt unsere schöneund unvergessliche Heimat.

Liebe, ferne Heimat,Was ist aus dir geworden?Wie konntest uns das antun,Was haben wir verbrochen?

Unsere größte Sünde warDie stete Treue zu dirAus der wir ein Paradies gemachtVon einst verlassenem Revier.

doch innerlich fühlen wir,Daß du uns nicht vergißt;Bleib treu uns alten Freunden,Wir danken dir dafür!

(Torbágy 1984: 263)

Katharina Bulla-MüllerHeimat zwischen Ländergrenzen

Heimat über Ländergrenzen gedenk ich dein,Geh’ im Sonnenlichte glänzen heller Fenster Schein;Wand’re altvertraute Wege noch im Träume nach,Steh’ an Kirchhofgruften oben, an der Lieben verlassnen Grab.Bilder tauchen schemenhaft durch Nebelschwaden,Boote voller Menschenfracht am DonauuferEingeladen, treiben auf dem Silberbande stromabwärts;Fort von trauten Lande. Wo, am fremden Ufergefilde

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Spülen Wellen sie zum Strande?Heimatlose, fremde Pilger wandern südwärts:Donauschwaben. 1720 Namen erstmals eingetragen„Majos“, taucht in den Annalen der Geschichtsberichteauf. Ein entbehrungsreiches Leben nimmt in Ungarn einen Lauf.Lauschen wir heut’ ihren Namen. liebe Gäste hier,Können still wir nun erahnen, diese Namen, das sindWir! Stellvertretend sollen hier die ersten fünfder Jahre stehn:1720: Schäfer1721: Ritl, Schättl1722 Merz, Schmidt, König, Scheerer1723 Zulauf1724 Spitznagel. Heinrich, Bernard, Greb, Glanz, Husch, Reininger1725: Arndt, Filsinger, Heß, Hohl, Kraft, WeinöhlBis die halbe Dorfgemeinschaft musste gehen.Doch vermag ich’s nicht zu schildern, denn die BilderFehlen mir, Ländergrenzen, die mich hindern durch einschlimmes Kriegsgewirr.Wer kann wohl den Schmerz ermessen, welcher wiederAnfang nahm. Heimatlose, Fremde, pilgern donauaufwärtsmit der Bahn; gleich den Ahnen 1720, donauabwärtsmit dem Kahn.Heimatlosen zwischen Ländergrenzen, nehmen langsamAbschied nun; um in Gottes treuen Händen, nicht mehrHeimatlos zu ruhn. Jene, die uns nachgeboren, Kinder oderKindeskind mögen niemals sie vergessen, daß wir alle Wand’rer sind!

(Majos 1997: 461)

Emilie Nau, geb. KappelHeimat

Ganz weit in der Ferne, südlich von Wien,da leuchten die Sterne, da zieht es mich hin.

Hart an der Grenze, ganz nahe am Hain,da gibt es ein Dörfel, da war daheim.

Dort hab’ ich gesungen, dort hab’ ich gelacht,dort hab’ ich frohe Stunden

meiner Jugend verbracht.Ich bin dort geboren drum hab’ ich

das Dörfel so liebwas hab’ ich verbrochen, daß mich man vertrieb?

So bin ich Dörflein, mein liebes,

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von dir gegangen,vor meinen Blicken die kühle, weite Fremde.

So bin ich gegangen, so mußte ich gehen,ich hatte einen Gedanken:

Heimat, wann wird’ ich dich wieder sehen?

Dies denk’ ich nur immer,dies denk’ ich auch heut!

Das Heimweh wird schlimmerund größer das Leid.

Es geht mir nicht schlecht,auch schön ist es hier,

doch meine Gedanken sind immer,meine Heimat, bei dir.

Oft bin ich zu Hause des Nachts im Traum,da pflück’ ich im garten das Obst

von dem Baum,da bin ich im Kirchlein, im trauten daheim,ich geh’ auch spazieren nach Harkau hinein,

ich seh’ die Bekannten, die Straßen, die Felderund von oben die großen Kastanienwälder.

Dies alles verschwindet, wen der Morgen erwacht,da bin ich glücklich, den ich hab’ ja die Nacht

in der Heimat verbracht.

(Harka 1987: 1)

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7.2 Autobiographisch-geprägte Beiträge

Unser Maulbeerbaumvon Andreas Cser (Fischer)

Schön waren seine Äste, dadurch prächtig seine Krone. Die großen Blätter dunkelgrün, so groß wie eine Männerhand. Seine Früchte, die dunkelroten Maulbeeren, erfrischend köstlich und größer als Kirschen. Treu und brav wie ein pflichtbewußter Diener, brachte er jedes Jahr seine Früchte, ohne jegliche Pflege: kein Spritzen, kein frühjährliches Schneiden. Auch bei größter Trockenheit lechzte er nicht nach Wasser, de bissigsten Frost hat er zum Frühjahr längst vergessen, und zu richtiger Zeit meldeten sich immer seine Knospen. Jedes zweite-dritte Jahr wurden seine zu weit in den Hof ragenden Äste – da sie beim Einbringen der Getreideernste störten, gekürzt. Das war alles, was der Baum in seiner Bescheidenheit abverlangte.

Für mich war er ein wichtiger Teil meines Kinderparadieses, zumal der Aufstieg in seine Krone fast spielend zu bewältigen war. Trotz seiner kräftigen Äste war der Baumstamm mit seiner ungewöhnlichen Form eine einmalige Erscheinung. Der ziemlich dicke Stamm kam nur einen halben Meter senkrecht aus der Erde, dann gings ein Stück waagerecht, bis er sich wieder kerzengerade zum Himmel streckte.

„Ich weiß nicht, wie alt der Baum ist“ antwortete der Vater auf meine Frage. „Als ich so klein war, wie du, stand er genau so da, wie heute“. Den Großvater konnte ich nicht mehr fragen, ihn, de sich wohl auch öfters im Schatten des Baumes abkühlte. Er ruhte schon bei seinen Vorfahren auf dem Friedhof.

War der Baum nun ein- oder zweihundert Jahre alt, oder vielleicht noch älter, auf meine bohrenden Fragen bekam ich keine Antwort.

„Es ist doch alles vergeblich, dieser Kerl hört nicht auf meine Warnung“ beklagte sich die Mutter. „Kaum hat er ein frisches Hemd am Leib, ist er wieder auf dem Baum und voller roter Flecken kommt er herunter“. Der Friede kehrte erst ein, als ich zum Baumklettern ein altes verschlissenes Hemd des Vaters bekam. Wie ein stolzer Beduine paradierte ich umher und kletterte nun hemmungslos auf den Baum. Auf den waagerechten Stamm legte ich öfters leere Getreidesäcke, mit einem Seil wurden Steigbügel angefertigt, ich schwang mich in den Sattel, und ritt um die Welt. In meiner Kinderphantasie sah ich unter mir das ganze Dorf, Felder, Wiesen, Wald die Nachbardörfer, die große Stadt Budapest und die Donau. Viel weiter kam ich nicht, weil dort irgendwo ja die Welt zu Ende sein mußte…

Wenn ich dann von der großen Reise erschöpft und müde von meinem Pferd stieg, war ich schon überzeugt: Schön ist schon diese Welt, aber am schönsten ist es doch hier daheim in Wudigeß.

Trotz Welterfahrung durch meine Streifzüge, zur Feldarbeit war ich noch nicht zu gebrauchen, zu schwach, zu jung. Die um fünf Jahre ältere Schwester wurde schon für leichtere Arbeit herangezogen.

Frühmorgens fuhr man auf die Felder (der Streß war damals noch nicht erfunden), öfters kam auch fremde Hilfe dazu. Für solche Tage wurden mir meine Aufgaben und Pflichten gründlich eingetrichtert: die Kühe und die Schweine auf die Straße in die gemeinsame Herde zu treiben. Danach war ich alleine der Herr in Haus und Hof. Nur mehr das Geflügelgetier war zu versorgen, eine Kleinigkeit. Und nun gings rauf auf den Baum, ich pickte nur die ganz reifen Beeren herunter. Inzwischen schüttelte ich immer wieder einen Ast. Unten wartete alles mit gestrecktem Hals, aufgeregt und voller Gier auf die herabfallende Köstlickeit – Hühner, Gänse, Enten. Aber es war kein schöner

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Anblick, wie die Großen den Kleinen alles wegschnappten. (So ist es nun mal, und nicht nur bei den Tieren). Besonders schlecht ging es in dem Tumult (Verteilungskampf) den kleinen unbeholfenen Entlein. Für die armen Verdrängten pflückte ich in einen Becher schöne reife Beeren und in einer behüteten Ecke bekamen die Kleinen die größten Früchte von mir zugesteckt. Sie wurden zutraulich und dankbar, ich streichelte ihren Samt- und Seiderücken und genoß ihr lebhaftes Treiben.

Mein und ihr Glück dauerte aber nicht lange. Plötzlich, wie auf ein Kommando, war die fröhliche Mahlzeit beendet. Na ja, die haben eben genug – ja wenn’s das gewesen wäre! Sie latschten alle ganz komisch daher, die kleinen Füßlein wirkten wie gelähmt, die Schnäbel zogen sie auf dem Boden herum, taumelten, fielen um. Einige standen wieder auf, ein Teil blieb liegen.

„Was ist wohl passiert?“ fragte ich verzweifelt einen größeren Jungen aus der Nachbarschaft, de ich eiligst herbeigeholt hatte.

Ohne Mitleid verkündete er: „Deine kleinen Enten sind alle besoffen, die haben einen Mordsrausch, wenn nicht schon Alkoholvergiftung“.

Alkoholvergiftung, für mich ein unbegreiflicher, aber doch ein schrecklicher Begriff. – „Nein, den Tierarzt holen lohnt sich nicht, der kostet mehr als die alle wert sind“ sagte er und ließ mich in meinem Elend stehen.

Ich trug die kläglich schwankenden Entlein einzeln in eine große Kiste in den Hühnerstall und wartete auf ihr und mein weiteres Schicksal. Verflücht habe ich die Früchte und den Baum, den ich, wie ich mir damals schwor, nie wieder berühren würde.

Nach einem schweren Schlaf öffnete ich am nächsten Morgen frühzeitig, voller Unruhe den Hühnerstall. Zu meiner großen Erleichterung kamen die Alkoholiker alle quicklebendig aus der Kiste. Nicht ein Stein, ein ganzer Steinbruch fiel mir vom Herzen. Vergessen war sofort der Schwur, ich streichelte nicht nur die Entlein, sondern auch den Baum, auf den ich wieder meinen Sattel legte, das Glück war heimgekehrt…

Unter dem alten Baum im Schatten auf der Bank sehe ich noch heute den Vater mit müdem Körper sitzen. Die Arbeit, die Sorgen – de Pflug des Lebens hatte Furchen in sein Gesicht gezogen. Er griff zu seiner Pfeife, trocknete mit staubigem Hemd seine Stirn, wobei die Blätter kühle und frische Luft dazuspendeten.

Über die Schultern meiner vergangenen Kindheit bestaune ich auch heute noch immer wieder unseren unvergeßlichen Maulbeerbaum.

Eine Nachricht:„In eurem Hof wurde der Maulbeerbaum herausgeschnitten“.Er ist also auch gegangen…Solange der Rhythmus des Lebens ihn umkreiste, erlebte er fröhliche Stunden,

auch Stürme – Geburten und Tod, und inzwischen ist er – wie die Menschen – gealtert. Als die häßlichen Zeiten kamen, trug er stille das Schicksal des Dorfes mit. An

den traurig-blutigen Weihnachtstagen kamen die fremden Soldaten. Unter seinen blätterlosen Ästen knabberten Kosakenpferde erbeutetes Futter.

In seinem sehr langen Dasein teilte der Maulbeerbaum mit den Menschen, die um ihn lebten, Freud und Leid, aber ein ewiges Gesetz bestimmt es, daß sich ihre Wege doch seltsam trennen:

Der Mensch kehrt zurück zur Erde, der Baum aber wird ihr entrissen.

(Budakeszi 1986: 323-324)

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Ein langer Tag 1945von Josef Stadler

1945. Mitte Januar: Ein russischer Leutnant trommelt ungeduldig an meine Wohnungstür. Es war Belagerungszeit und man schief deshalb nicht so richtig. Ich war schnell auf den Beinen und schaute hinaus. Auch ohne russische Sprachkenntnisse verstand ich, daß ich sofort mit ihm gehen muß. Weigerung oder Widerstand wäre sinnlos gewesen. Ich verabschiedete mich von Frau und Kind und folgte ihm. Mit aller Deutlichkeit zeigte er mir seine Maschinenpistole. Seine Drohung, mich zu erschießen, wenn ich ihm nicht folgen würde, war nichts Neues. Sie machte keinen besonderen Eindruck auf mich. Meine Gedanken waren anderswo: Geht es nur zur Arbeit, so war es nicht so schlimm, denn die Front war nahe. Immer wieder wurden Zivilisten zu irgendwelchen Arbeiten herangezogen. Viel schlimmer war es, wenn man einen geflohenen Gefangenen ersetzen mußte. Wir gingen in Richtung Garten. Im Drahtzaun war ein großes Loch, da schlüpften wir durch und schon im Hof des Nachbarn machten wir Halt. Der Russe, der nicht wußte, was er tun sollte, ging fast verlegen auf und ab. Da kam ihm eine eigenartige Idee. Er fand einen alten Hofbesen, den er mir in die Hand drückte. Er zeigte mir, wie man kehren muß und sagte immer wieder, daß ich dableiben müsse. Die ganze Szene war urkomisch, denn es war noch nicht einmal 6 Uhr morgens. Der Russe verschwand dann für kurze Zeit. Er kehrte mit einem zweiten Zivilisten zurück. Auch dieser wurde darüber belehrt. wie gefegt wird. Nach geraumer Zeit waren wir zu viert im Hofe versammelt. Woher die anderen drei gekommen waren, ist mir heute noch ein Rätsel, denn sie waren nicht aus meiner Ortschaft. Laut Befehl legten wir alles beiseite und folgten dem Soldaten. Wir landeten in einem Gasthof, wo sich uns ein unwahrscheinlich trauriger Anblick bot. Da standen mehrere bis auf die Knochen abgemagerte Pferde. Ihre Köpfe hingen teilnahmslos herab. Kein freudiges Wiehern, kein ungeduldiges Scharren mit den Füßen, dazu hatten sie keine Kraft mehr. Diese armen Geschöpfe hatten schon seit Tagen nichts mehr zu fressen. Sie hatten keine Herren, und die Natur bot in dieser Jahreszeit außer Eis und Schnee nichts. Einige leckten den verharschten Schnee, und die anderen standen einfach da.

Unser Befehl lautete, diese Pferde nach Tárnok zu bringen. Ich war bis dahin noch nie in Tárnok, ich wußte nur, daß diese Ortschaft ungefähr 27 km entfernt ist. Etwa 7 bis 8 Pferde wurden mit Telefondrähten zusammengebunden und jeder von uns vier bekam eine „Einheit“. Wir setzten uns in südlicher Richtung in Bewegung und durchquerten unsere Gemeinde. Bis dahin ging alles verhältnismäßig gut. Ein Kosake hatte die Aufgabe, diesen fragwürdigen Transport zu begleiten. Er, ausgerüstet mit einer Maschinenpistole, hatte natürlich ein gesundes Pferd. Ich erhielt die Aufgabe, die Kolonne zu führen. Der Kosake wollte ein schnelleres Tempo. Er fluchte und schimpfte auf mich. Nach etwa 3 km verspürte ich ein Zucken an meinem Draht. Eines meiner Pferde war hingefallen. Da kam auch schon der Kosake und schlug mit dem Gewehrkolben auf das gestürzte Tier, es stand jedoch nicht mehr auf. Schnell flickte er den Draht zusammen und wir marschierten weiter. Einige russische Nachschubkolonnen zogen an uns vorbei. Von Budapest her, wo noch gekämpft wurde, drang dumpfes Dröhnen. Von den Csiker Bergen her blies ein eisiger Wind, und unser Tempo wurde immer langsamer.

Der Kosake kam trotz der eisigen Kälte ins Schwitzen. Die Unsinnigkeit diese4s Unternehmens regte auch ihn auf. Er schimpfte nicht auf uns, sondern auf den, der diesen idiotischen Befehl erteilte. Unsere Kräfte waren schwer angespannt, denn wir mußten die noch verbliebenen Pferde buchstäblich ziehen! An ein Ausrücken war nicht zu denken. Endlich kam die nächste Ortschaft, Törökbálint, in Sicht, wo wir eine

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Wende erhofften. In Törökbálint angekommen, wurde uns wieder das Erschießen angedroht, wenn wir den Transport verlassen. Unser Russe ritt zum dortigen Kommandanten. Dieser erschien alsbald und verhandelte sehr lange mit dem Kosaken. Die beiden Russen befahlen uns, aufs Gemeindeamt zu gehen.

Auf dem Rathaus von Törökbálint fand ein „feierlicher Akt“ statt. Etwa 20 bis 24 dem Tode geweihte Pferde wurden dem Gemeindevorsteher als „Geschenk“ der Roten Armee übergeben. Wir vier Zivilisten bekamen ein Schreiben in die Hand, wonach wir in unsere Ortschaft zurückkehren durften. Ich trennte mich von meinen Kameraden und besuchte kurz meine in Törökbálint wohnhafte Schwester. Nachdem ich mich bei ihr gestärkt hatte, trat ich den Heimweg an, denn es war schon spät am Nachmittag. Alle Strapazen waren vergessen und mit beschwingten Schritten marschierte ich heimwärts. Doch meine Freude währte nicht lange. An den I.-Klasse-Äckern angelangt, stand plötzlich ein Russe vor mir. Er deutete mir an, daß ich ihm folgen solle. Selbstbewußt zog ich mein Schreiben aus der Tasche und zeigte es ihm. Er warf einen kurzen Blick darauf und zerriß es in kleine Stücke. Er schob mich vor sich her, bis zu einem Tal, wo bereits mehrere Männer arbeiteten. Ein schweres Geschütz stand da. Es war zugedeckt und wartete auf Einsatz. Unsere Aufgabe war es, eine etwa 60 Zentimeter tiefe Erdschicht für dieses Geschütz auszuheben. Diese Aufgabe war äußerst schwer, denn der Boden war knochenhart. Trotz ständigem „dawai“ kamen wir nur langsam voran. Das Ungetüm wurde dann in Richtung Budapest in Stellung gebracht. Ein Schaudern lief mir über den Rücken, als ich diesen todbringenden Koloß betrachtete. Die Nacht war schon hereingebrochen, als ich wegkam. Mein Heimatort noch einige Kilometer entfernt und schwer belagert von Russen. Ich schlich mich von Haus zu Haus, denn für einen Zivilisten hatten die Russen immer Verwendung. Es war schon spät in der Nacht, als ich am Hause meiner Wohnung ankam. Hier lief ich einem Wachposten in die Arme. Ich erklärte diesem mit Händen und Füßen, daß ich hier wohne. Er deutete mir an, daß hier kein Zivilist mehr wohne und ich solle verschwinden. Ich glaubte ihm nicht und schlich mich durch einige Gärten in meine Wohnung, wo ich ganz erschöpft ankam, aber voller Glück meine Frau und meine dreijährige Tochter in meine Arme schließen konnte.

(Budakeszi 1986: 327-328)

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Unterwegs in die neue Heimatvon Josef Lohr

Im Rückblick von fast vier Jahrzehnten liegt der Tag der Ausweisung aus unserem Heimatdorf Torbágy/Turwall fast schon wie in grauer, nebelhafter Ferne.

Und doch…, irgendwo tief verborgen in unserem Herzen sind die damaligen Geschehnisse, Ereignisse stets lebendig geblieben. Sie rufen uns die Bilder der alten Heimat und den Tag des Abschieds manchmal vielleicht wehmütig, manchmal vielleicht verklärt; doch immer wieder in Erinnerung zurück.

Brechen wir also nun auf, liebe Freunde und Leser der Heimatchronik; gehen wir jetzt gemeinsam diesen Weg so, als stünden wir noch alle miteinander neben dem Gleiskörper des Torbágyer Güterbahnhofs, von wo aus unsere Fahrt begann…

… heute ist Mittwoch, der 27. Februar 1946.Der Morgen graut schon, es will Tag werden. Vermutlich ist es der letzte Tag in

der guten Heimat. Ich liege wach im Transportwaggon und friere. Es war kalt in der Nacht im ungeheizten Güterwagen. Mit mir liegen noch vier andere Männer hier im Raum. Wir verbrachten die letzte Nacht im Zug, um unsere verbliebenen, schon eingeladenen, zur Mitnahme freigegebenen 30 kg Habseligkeiten zu bewachen. Die Nacht verlief ruhig, wir wurden nicht gestört. Der lange Zug besteht aus lauter Güterwagen und ist am ersten Gleis, direkt neben der Güterhalle des Bahnhofs abgestellt.

Der erste Transport aus Torbágy, etwa gleich groß wie der unsrige, mit über siebenhundert Personen an Bord, ging schon vor drei Tagen auf die unbekannte Fahrt 'gen Westen. Wo sich dieser wohl im Augenblick befindet? In diesem Transport sind neben den Torbágyern auch die aus Bia ausgewiesenen Landsleute.

Am frühen Vormittag gehe ich nochmals, letztmals ins Dorf zurück, ich muß wohl endgültigen Abschied nehmen. Die Ortschaft liegt wie ausgestorben da, die allermeisten – ob Ausgewiesene oder Zurückbleibende – sind schon auf dem Bahnhof in ängstlicher Erwartung des Unabwendbaren.

Als ich in mein verlassenes, leeres Elternhaus komme, sehe ich, daß ich im Hof nicht alleine bin. Ein ungebetener Gast, telepes genannt, steht da und inspiziert das nun besitzerlos gewordene Anwesen. Eine kurze, bange Weile stehen wir uns stumm, wortlos gegenüber – und dann verläßt er den Hof.

Nun bin ich auf weiter Flur allein… das Abschiednehmen schmerzt unsagbar; es ist unfaßbar, alles Gegenwärtige lassen zu müssen: Freunde, liebgewonnene Menschen, Haus und Heimat.

Nein,… irgendwie will es der Verstand nicht fassen, einfach nicht zur Kenntnis nehmen… um im nächsten Augenblick doch der unerbittlichen Wahrheit ins Auge schauen zu müssen.

Wohl traf – fast ohne Ausnahme – uns alle kurz vorher schon ein bitterer Schlag, als nach Beendigung der jahrelangen Feindseligkeiten Väter und Söhne nicht mehr aus dem Kriege zurückkehrten; als nach der verlorenen Schlacht die einst behütete, gepflegte, in sich abgeschlossene Dorfgemeinschaft nicht mehr existierte, und als jedermann spürte: so wie es einst und immer gewesen ist, wird es nie wieder sein!

Und dann zogen immer mehr, immer bedrohlichere dunkle Gewitterwolken am Horizont unseres Daseins auf… Irgendwie ging das Leben aber weiter…

Jeder versuchte – zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Zuversicht und Niedergeschlagenheit und auf ein gütiges, barmherziges Schicksal hoffend – unter den

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gegebenen Umständen und aus der vorhandenen Lage das Beste zu machen… bis aus der heimlichen Angst bittere Gewißheit wurde.

Und so stehe ich jetzt da, verlassen, hoffnungslos im Hofe meiner Eltern, an der Stätte all meiner Kindheits- und Jugendträume… und irgendwie ist alles unerklärlich, aber doch bin ich auch ein wenig zuversichtlich, denn ich bin ja noch jung, ich bin ja erst kaum über Zwanzig. Ich muß ja – außer Liebe, Freunde, Erinnerung – keine irdischen Güter, keine materiellen Werte, Haus, Hof zurücklassen. Um wie viel ärmer sind aber unsere Eltern, Großeltern dran? Ich kann es nicht ermessen, ich kann es nur ahnen, wie erbarmungslos, wie vernichtend ihr Los heute sein muß! Es muß doch für sie, die Älteren und Alten, heute die Welt zusammengestürzt sein! Eine Welt, die viele Generationen mit Entbehrung, Ausdauer und Fleiß aus dem Nichts erschaffen haben und die dann zum Lebenszweck, zum Lebensinhalt, zur wahren Heimat geworden ist! Soll all das nun wahrlich umsonst gewesen und für immer vorbei sein?

Am Vormittag schon ist auf dem Bahnhof reges Treiben vorzufinden. Am Nachmittag, in Erwartung der baldigen Abfahrt des Zuges, ist das gebotene Bild noch bunter und lebhafter, vielfältiger: Gruppenbildung hier, Abschiednehmen dort. In den Gesichtern steht wie eingraviert die Trostlosigkeit, der pure Schmerz. Die Augen sind traurig, mitunter voller Tränen. Zum letzten Mal umarmend verabschieden sich Eltern von den Kindern, Geschwister von den Geschwistern, Kinder von den Eltern… und irgendwo unsichtbar, irgendwie unausgesprochen, aber wahrscheinlich tausendmal gedacht, steht mitten in diesem dunklen, grausigen Inferno die unbeantwortete Frage: „Warum darf das geschehen, Herrgott wo bist Du heut’?“

Mittlerweile ist es Spätnachmittag. Soeben ist die Lokomotive an den Zug angekuppelt worden. Steht die Abreise unmittelbar bevor? Aber nein, es dauert noch eine kurze Weile, die Galgenfrist währt noch bis etwa 19 Uhr. Alle Vorbereitungen sind nun getroffen.

Und plötzlich, in diese Erwartung hinein, Minuten vor der Abfahrt – gespielt von der Musikkapelle – erklingt fast unerträglich schwer das Wehklagen in die Welt hinaus – oder vielleicht gar auch als Dank und Abschied an das gewesene, nun endgültig verlorene Vaterland der letzte musikalische Gruß, die ungarische Hymne: Gott segne die Ungarn; „Isten áld [sic!] meg a magyart!“… Kaum ist der letzte Ton der Musik verklungen, da setzt sich, fast unbemerkt, der Zug auch schon in Bewegung; zuerst ganz langsam, dann immer und immer schneller… ein letzter Aufschrei, ein letzter Wink… und der Zug verläßt die Heimatgemarkung: lieb Torbágy, lieb Heimatland ade…

Und der Zug fährt in die dunkle Nacht hinein; er fährt mit uns in eine ungewisse Zukunft, mit unbekanntem Ziel in eine weite Ferne…

Heute, zwei Tage nach der Abfahrt des Zuges aus Torbágy, steht unser Transport auf einem Nebengleis der ungarischen Grenzstation Hegyeshalom.

Die Fahrt bis hierher verlief gut und zügig. Zwar sind wir gestern in Felsögalla seitens einiger Besatzungssoldaten bedrängt worden, aber dank des energischen Auftretens unseres Transportleiters, verlief der Zwischenfall glimpflich. Komárom erreichten wir gestern um die Mittagszeit, wo wir eine längere Zeit verweilten, um anschließen über Győr/Raab dann die ungarisch/österreichische Grenze bei Hegyeshalom zu erreichen. Hier stehen und warten wir nun, bis es irgendwann weitergeht.

Das Leben im Zug hat sich inzwischen fast schon normalisiert!Im Waggon Nr. 15 des langen Zuges sind wir5 21 Personen: auf der einen Seite

haben sich die Familien Straub-Koller-Gauland etabliert; auf der anderen Seite hat sich die Familie Lantos/Gauland mit uns häuslich eingerichtet.

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Die Einrichtung ist nicht gerade als luxuriös zu betrachten: gegenüber der Eingangstür unserer fahrenden Behausung steht der Tisch, drumherum viele Stühle, in der Mitte des Raumes auch der Ofen, der eine angenehme Wärme verbreitet. Tisch- und Ofenbenützung zur Essensvorbereitung erfolgt von Familie zu Familie; das Eßbesteck in der Schublade ist Gemeinschaftseigentum. Wenn es möglich ist, wird Gekochtes gegessen; – wenn bei fahrendem Zug keine Kochmöglichkeit besteht, wird Kaltes verzehrt: Schmalz, „Lekvar“ (Eingemachtes), Speck stehen dann gewöhnlich auf dem Speisezettel. Solange der Vorrat reicht!

Von Freitag auf Samstag in der Nacht um 2 Uhr verließen wir, von den meisten fast unbemerkt, unser ehemaliges Heimatland Ungarn. Ich spürte, daß der Zug in Bewegung gekommen ist; „wir sind schon in Österreich“ – denke ich; und der Zug rollt…

Es war schon Tag, als wir Wien, die österreichische Hauptstadt erreichten. Über einen Tag lang standen wir hier, wahrscheinlich am Güterbahnhof Hüttersdorf. Viele Österreicher suchten uns da auf und wollten Tauschgeschäfte mit uns machen: Lebensmittel gegen Gebrauchsgegenstände.

Für Tabak und Brot war vieles zu haben. Den Vogel schoß dabei zweifelsohne einer unserer Turwaller ab: er tauschte für einen Liter guten „Turwaller Sonnenberger“! Wein 60 (sechzig) Glas Bier ein!

Die Preise sind im allgemeinen sehr niedrig hier. Mangels Angebot – sagen die Österreicher; eben weil für Geld nichts zu haben ist.

Wien haben wir heute, am 3. März, verlassen und sind über St. Pölten – Melk – Amstetten in Linz, in der amerikanischen Zone, gelandet.

Ein Aufatmen war spürbar, als der Zug langsam über die Enns-Brücke fuhr und wir heil und glücklich das jenseitige Ufer erreichten.

Hier in Linz sind wir vom österreichischen Roten Kreuz freundlich empfangen und zuvorkommend bewirtet worden: jeder Wagen erhielt einen vollen Eimer schwarzen Kaffee und pro Person ein Stück Brot mit einem Stück Käse dazu.

Am nächsten Abend haben wir dann die schöne Stadt Passau erreicht; wir waren in Deutschland am Montag, den 4. März.

Hier am Bahnhof trafen wir den leeren, auf dem Rückweg sich befindlichen ersten Transportzug, welcher Torbágy seinerzeit drei Tage vor uns verlassen hat.

Zuversicht schöpften wir alle, als uns der Zugführer und Transportverantwortliche, ein Leutnant namens Németi, glaubhaft und treu versicherte, daß er seine Transportinsassen am Bestimmungsort gut und heil abgeliefert hat. Hier ergab sich auch die erste günstige Möglichkeit, eilig geschriebene Briefe direkt mit „nach Hause“ schicken zu können.

Um der strengen Gesundheitsvorschrift an der Grenze Genüge zu tun, haben wir die erste diesbezügliche Prozedur über uns ergehen lassen müssen; unweit von Passau, in Schadling, sind wir von Kopf bis Fuß gründlich desinfiziert worden. Wir hegten danach die berechtigte Hoffnung, daß eventuelle „vielbeinige Mitreisende“ dabei einen gnädigen Tod gefunden haben mögen, um uns das Leben nicht mehr unnötig erschweren zu können. Wir fuhren über Regensburg und Nürnberg am Mittwoch nach Wasseralfingen. Hier eine angenehme, freudige Überraschung: einige unserer Landsleute vom ersten Transport sind hier im Lager! In Aalen wurden sie auswaggoniert.

Wir fuhren aber – nach kurzem Halt in Wasseralfingen – weiter und kamen bis Königsbronn. Untätig und ungeduldig verbrachten wir hier – harrend der kommenden Dinge – den Rest des Mittwochs und den ganzen Donnerstag. Das Lager „Erbach“ hier

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wollte bzw. konnte uns wegen angeblicher Überfüllung nicht aufnehmen – hörte ich. Am Freitagvormittag, 8.3. 1946, ging die Fahrt über Heidenheim weiter und kurz danach ertönte der langersehnte, erlösende Ruf: Ziel erreicht! Alles ausladen!

An der Bahnhofstafel lese ich: HERBRECHTINGEN – Gott sei’s gedankt! Wir sind am Ziel – Was dann ab Kommando „Ausladen“ sich tut, abspielt, ereignet, könnte keines Dichters Feder naturgetreu und treffend je beschreiben oder schildern. Innerhalb kürzester Frist liegen und stehen Tische, Stühle, Ofen, Kisten, Säcke, Pakete und Gebrauchsgegenstände jeglicher Art zuhauf entlang der Schienen und des freien Platzes vor der Lagerhalle am Herbrechtinger Bahnhof.

Die ganze mitgebrachte Habe einer einst reichen Gemeinde liegt als kläglicher, beschämend armer Haufen da am Bahnhofsvorplatz unter freiem Himmel ausgebreitet – als Spott sozusagen für unseren Fleiß und Arbeitsamkeit.

Welch ein Leben, welch ein Treiben setzt nun ein! Einem menschlichen Ameisenhaufen gleich, entsteht rege Betriebsamkeit; Schreien, Gestikulieren und Laufen der Menschen erfüllen den Lagervorplatz und es ist vorerst eine Bewegung ohne Sinn und Ziel. Erst später dann steht die Richtung fest: der Weg ins Lager…

Eine knappe Woche waren wir jetzt unterwegs, seit wir Linz verlassen haben. Müde, aber hoffnungsvoll schaue ich der vorgesehenen dreiwöchigen Gesundheits-Quarantäne entgegen; froh, glücklich und dankbar darüber, daß wir nach der langen Reise eine Bleibe und ein Dach – wenn zwar auch nur vorübergehend – überm Kopf haben.

Unser Transport ist im Lager auf drei Etagen untergebracht und in neunzehn Blocks aufgeteilt. Parterre und I. Stock beinhalten je einen sehr großen Saal, wo in jedem weit über hundert Menschen wohnen und schlafen müssen.

Im II. Stock sind drei Räume: in einem davon bin ich mit noch ca. neunzig weiteren Personen. In der Mitte stehen Tische und Stühle für den Tagesaufenthalt. Die Betten sind parallel zu den Längsseiten des Zimmers aufgestellt; es sind Doppelstockbetten aus Holz.

Es ist soweit! Heute noch werden wir das Lager verlassen! Es ist Montag, der 1. April 1946!

Gestern ist die Aufteilung im einzelnen bekanntgegeben worden; welche Familien wo und in welcher Gemeinde untergebracht werden. Es steht jetzt offiziell fest, daß wir alle im Kreis Heidenheim bleiben und auf über dreißig Ortschaften verteilt werden.

Der Ort, wo ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern, neben elf anderen Torbágyer Familien, untergebracht und eine neue Heimat finden möge, heißt: Niederstotzingen!

Ich kann mir darunter nichts vorstellen, ich kenne den Ort noch nicht!So erwarten wir jetzt das Einstreffen der Lastautos, die uns in die vorgesehenen

Ortschaften bringen werden.Und solange ich da stehen und warten muß, kann ich denken und beten…… da uns unser Sein jetzt so unbekannt, so führe uns doch die Gotteshand – einerguten, sicheren Zukunft entgegen!Nachdem wir das Lager verlassen und die Tore sich hinter uns an jenem

denkwürdigen 1. April 1946 wieder geschlossen haben, war die mehr als zwei Jahrhunderte überdauernde, bis zum Schluß einheitliche und intakte Torbágyer Dorfgemeinschaft unwiderruflich und endgütig aufgelöst und für immer verloren.

Der überwiegende Teil der früheren Einwohner des einst stolzen und blühenden Gemeindewesens ist heute in alle Winde verweht und verstreut.

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Wir alle aber – wohin uns das Schicksal in der großen Welt auch immer geführt haben mag – tragen sicherlich noch irgendwo tief im Herzen verborgen das Bild der alten Heimat: unseres geliebten, unvergessenen Turwall (Torbágy)!

Möge daher diese unsere Torbágyer-Turwaller Heimatchronik ein festes, dauerhaftes Bindeglied sein und bleiben zwischen Hier und Fern; zwischen Vergangenheit und Gegenwart und möge sie bleibende und segensreiche Verbindung und Freundschaft neu schaffen und weiterhin halten zwischen der alten und unserer neuen Heimat.

Im März 1984(Torbágy 1984: 167-171)

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Erinnerungen an unsere Fluchtvon Matthias Maratzi

Am 18. September 1944 mußte ich nach Andócs in der Nordschomodei einrücken. Nach acht Tagen wurde ich entlassen. Als ich nachhause kam, freuten sich meine Angehörigen. Nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Familien gab es viel zu tun, weil die Männer bereits fehlten. Darob entstanden zwischen den Frauen Zänkereien. Die Leute waren schon aufgeregt. Ich wendete mich schließlich an Franz Stammler, was es Neues gäbe? Er sagte: »Wir werden wahrscheinlich flüchten müssen, aber niemand weiß, wohin.«Dann verbreiteten sich Angst und Haß unter den Dorfsleuten. »Wenn wir also wirklich keine Bleibe mehr haben sollten, was sollen wir tun?« fragte ich immer wieder Franz Stammler in jenen Tagen. Er antwortete: »Von Haus zu Haus gehen und die Leute aufrufen, sie sollen sich zum Flüchten fertigmachen. Es wird nicht mehr lange dauern«. Aber dies war sehr schwer. Viele Leute fingen gleich zu weinen an. Aber ich sagte: »Es bleibt uns nichts anderes übrig. Wir müssen fort.«

Am 9. Dezember 1944 ging‘s von Pusztavám fort. Wir verließen die Heimat in Gottes Namen mit einem Pferdegespann und fuhren von Dorf zu Dorf, bis wir an die ungarisch-österreichische Grenze kamen. Von dort ging es nach Zillingsdorf, wo wir uns eine Woche über Weihnachten aufhielten. Dann fuhren wir weiter nach Neunkirchen, wo wir einwaggoniert und nach Bayern gebracht wurden. Aber an der bayerisch-österreichischen Grenze wollten die Eisenbahner nicht weiterfahren. Da setzte sich wieder Franz Stammler ein. Wir erlebten unterwegs schwere Luftkämpfe. Im Jänner 1945 kamen wir in Beuerberg an und wurden in der Schule untergebracht. Es dauerte noch drei Monate, bis unsere Tochter mit vierzehn Jahren aus der Tschechei zu uns kam.

(Pusztavám 1978a:185)

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Erinnerungen an meine Soldatenzeit und Kriegsgefangenschaftvon Paul Moosberger

Meine Vorfahren waren Kleinhäusler. Im Jahre 1924 kam ich in die evangelische Volksschule. Hier – wie in den meisten Konfessionsschulen wurde nach dem sogenannten C-Typ unterrichtet, d. h. zweimal in der Woche gab es je eine Stunde Deutschunterricht. Der Konfessionsunterricht wurde ebenfalls in der Muttersprache gehalten. 1930 war für mich die Schule zu Ende und der Ernst des Lebens erfaßte mich früh. In diesem Jahr war ich bereits Halbwaise und 1934 Vollwaise. Der Unterricht während meiner Schulzeit war außer den vorgenannten Unterrichtsstunden rein ungarisch. In der darauffolgenden staatlichen Jugenderziehung der Jungmannschaft (Levente) war das noch mehr der Fall. Hier ging alles ungarisch. Die Levente diente der vormilitärischen Ausbildung der Jugend vom 12.-21. Lebensjahr. Dies sollte u. a. durch Sport und Spiel erreicht werden. Die Übungen (meistens am Sonntagvormittag) umfaßten 2-3 Wochenstunden.

Am 1. Februar 1940 wurde ich zur Honvéd, h. h. zur ungarischen Wehrmacht einberufen. Meine Einheit lag in Stuhlweißenburg, dem Hauptsitz des Komitates Fejér. Mit mir waren mehrere Kameraden aus Pusztavám eingerückt. Ende Oktober 1941 zogen die Stuhlweißenburger Regimenter nach Rußland. Nach einem Jahr, im Oktober 1942 kam ich wieder in die vielgeliebte Heimat zurück. Das Leben in Pusztavám verlief damals noch ruhig. Nur hie und da merkte man ein trauriges Gesicht, als nämlich die ersten Nachrichten von Gefallenen und Verwundeten eintrafen.

Im Jahre 1942 wurde ich von der Volksbund-Landesführung zum Sportleiter der Gebiete Bakony (Buchenwald) und Vértes (Schildgebirge) ernannt. Es ging um die sportliche Ertüchtigung der deutschen Jugend. Im Sommer 1944 wurde ich zur Waffen-SS eingezogen. Ich war zuerst der Wachkompanie in Budapest und während der letzten Monate der 22. SS-Kav. Division zugeteilt. Für unsere Einheiten war es ein Glück, daß sich am 15. Oktober 1944 der Regierungswechsel rasch vollzog und aus »Budapest« kein »Bukarest« wurde, d. h. daß nicht die ganze ungarische Wehrmacht zur roten Armee überlief. Die Bevölkerung von Budapest unterstützte uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir mußten am eigenen Leibe spüren, wie grausam die Bombenangriffe der Alliierten auf Budapest und auf die Bevölkerung waren.

An dieser »Letzten Schlacht« um Budapest waren auch viele Pusztavámer als Soldaten beteiligt. Anfang November 1944 wurde ich leicht verwundet, doch nach dem Ausbruchsversuch aus der Ofner Burg, am 13. Februar 1945 war der krieg für mich zu Ende. Mit Hunderten von deutschen und ungarischen Soldaten, die die Kesselschlacht überlebt haben, wurde ich entwaffnet und wir traten den Marsch in die Gefangenschaft an.

Wir wurden zu Einheiten zusammengestellt und marschierten nach Süden. Viele Kameraden waren durch Entbehrungen und Hunger äußerst geschwächt. Unsere Hoffnung, daß der Ring um Budapest gesprengt würde, ging nicht auf. Wir waren entkräftet, verlaust. Betrunkene Rotarmisten schossen immer wieder in unsere Kolonnen. Ich erlebte, daß viele Kameraden sich vor Ermattung selbst aufgaben, und weil sie nicht mehr weitermarschieren konnten, erhielten sie von der Wachmannschaft den gezielten Genick- oder Gnadenschuß und blieben im Straßengraben liegen. Denn drei volle Wochen dauerte der Todesmarsch bis Baja. Einige Kameraden taten sich zusammen und schleppten die Ermatteten und Kranken weiter. So wurde der Kompanieschreiber Josef Schneider aus Cservenka in der Batschka mitgeschleppt, um ihm den berüchtigten Genickschuß zu ersparen.

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In Baja verbrachten wir zwei Wochen, wo bereits viele an der Ruhr erkrankten. Hier wurden wir unserer letzten Habseligkeiten und unserer Uniform, wenn diese noch in einem guten Zustand war, beraubt. Vor der Verladung in die Waggone wurden noch gewisse Körperteile nach Gold und Schmucksachen untersucht. Wir wurden nach Messern, Scheren, Fotos, Schreibwaren und sonstigen Metallgegenständen gründlich gefilzt. So verschwand auch das Foto meiner Braut, mein letztes Stückchen Papier und Bleistift.

Zu Ostern kamen wir im Lager Fokschani in Rumänien an, doch gleich ging es in verplombten und mit Stacheldraht gesicherten Waggonen weiter nach Osten. Ich konnte mir die vielen russischen Städte nicht merken, aber es ging Richtung Kaukasus. Eines Tages wurden wir auf amerikanische Laster umgeladen und unser Ziel war das armenische Hochgebirge, eine Stadt Armeniens, Kirowobad. Hier sahen wir bereits tausende Kriegsgefangene bei schwerer Arbeit, beim Straßenbau und beim Bau einer Gebirgsbahn.

Bis zu unserem eintreffen in diesem Lager im April 1945 wurden von uns keine Personalien aufgenommen. Die durch Genickschüsse liquidierten oder von der Ruhr dahingerafften Kameraden wurden nicht registriert und gelten nun für ewige Zeiten als »Vermißte«. Im Jahre 1946 erkrankte auch ich an Malaria. Drei Jahre lang ging‘s hin und her, bis 1948 ein junger ungarischer Arzt sich meiner annahm und mich ausheilte. Mehrere Kameraden wurden durch diese heimtückische Krankheit dahingerafft.

Im Mai 1948 wurden wir samt und sonders als »Kriegsverbrecher« zu 25 Jahren schweren Arbeitslagers und »Verbesserungslagers« verurteilt; und zwar, wie es in der Begründung hieß, »im Namen de Volkes«. Nachher gab es keine Rauchwaren mehr, keine Seife, keinen Zucker und auch die Tagesrationen an Nahrungsmitteln wurden herabgesetzt. Ende 1948 war es soweit, daß ich bei meinen Kameraden als »abschreibungsreif« galt, d. h. ich sollte auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Der Weg in ein sowjetisches sog. »Schweigelager« begann. Je 7 Mann wurden in ein Lager verschickt, wo bereits an die zweitausend Russen, hauptsächlich aus dem Raum Kaukasus, untergebracht waren. Dann ging‘s weiter nach Norden. In Workuta angekommen, wußten wir: Hier gibt es kein Ausreißen. Nur durch ein Wunder werden wir überleben können. Im Winter gab es 60° Minus! Das war sogar für sehr viele Russen zuviel, die das Klima gewohnt waren. Im Winter sah es aus, wie eine ewige Finsternis. Hier im Norden Rußlands gab es keinen Strauch, keinen Baum, nur eine mit Moos bewachsene Tundra. In dieser Tundra ragten die Fördertürme der Kohlengruben empor.

In der Umgebung konnte man KZ-Lager sehen, in denen Strafgefangene, Deutsche, Ungarn, Rumänen, Italiener, Polen, Tschechen, Serben, sogar Türken, Griechen und Franzosen schwerste Arbeit verrichten mußten. Selbst Rußlanddeutsche gab es unter ihnen. Wolgadeutsche und Bessarabiendeutsche, dann Deutsche aus der Ukraine. Sie alle wurden wegen ihrer politischen Einstellung verschleppt oder als »Kriegsverbrecher« verurteilt. Auch Frauen und Kinder befanden sich oft unter den Verurteilten bzw. Verschleppten. Es kam vor, daß sie während der Außenarbeiten von Raubtieren überfallen und zerrissen wurden. Unter den Verurteilten sah man auch Don-Kosaken und Angehörige der Wlassoff-Armee.

In den ersten drei Jahren gab es monatlich einen freien Sonntag bzw. Montag, die zur regelrechten Qual wurden. Früh, um sechs Uhr ging es los mit Baden, Haareschneiden usw. Sämtliche behaarten Körperteile wurden rasiert und der Kopf kahlgeschoren. Anschließend wurden die zerrissenen Klamotten und Schuhe gewechselt, wenn welche vorhanden waren. Die Klamotten bestanden nur aus bereits zerschlissenen und zerrissenen Uniformen der Roten Armee.

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Im Mai 1950 wurden wir wieder gesammelt und nach dem Süden verfrachtet. In einem Holzlager an der Petschóra wurde haltgemacht, denn auch hier wurden Arbeitssklaven gebraucht. Auf der Petschóra wurden riesige Mengen Holz herabgeflößt. Hier waren hauptsächlich sogenannte »Gatershani« untergebracht, d. h. jeder Gefangene trug eine Nummer und wurde nur mit dieser Nummer gerufen. Also wurden wir zu bloßen Nummern. Während es in Workuta vorwiegend politische Gefangene gab, waren es hier hauptsächlich Intelligenzler. Die Atmosphäre war etwas ruhiger und auch die Wachmannschaften verhielten sich menschlicher, denn diese selbst waren z. T. Strafgefangene!

Als wir im Juli 1950 in Stalino, im Kohlenpott des Donezbeckens eintrafen, wiegten sich sehr viele von uns in der Hoffnung, bald die Reise in die Heimat antreten zu dürfen. Aber im Kreml war dies nur ein Schachzug. Im Herbst 1950 wurden Ungarn, Rumänen, Italiener, Serben und Tschechen wieder gesammelt und soweit sie als Kriegsgefangene galten, verladen und in Stalingrad wieder ausgeladen. Da gab es unter uns enttäuschte, lange Gesichter. Ein Fluchen, Schimpfen, Resignieren setzte seitens der enttäuschen Gefangenen ein. Aber es war nichts zu machen, denn die Kommandos unserer langjährigen »Gastgeber« ertönten wieder: »Seid ruhig, sonst wird geschossen!« Das war im Dezember 1950.

Zu diesem Affentanz gehörten viele Vernehmungen durch die Politrucks. Oft wurden wir zwei-dreimal nachts vernommen. Das dauerte wochenlang. Allerdings ging es bei diesen Verhören nicht um »Kriegsverbrechen«, sondern um die Klärung der Staatsangehörigkeit, die denn Russen scheinbar großes Kopfzerbrechen bereitete. Donauschwaben aus Jugoslawien und Banater Schwaben mit Siebenbürger Sachsen wurden in die Lager um Stalingrad gebracht. Wir Schwaben aus Ungarn galten als »Ungarn«.

Mitte 1950 durften wir auf Karten kleine Einkäufe machen, so z. B. Schreibsachen kaufen, wenn man allerdings auch das Geld dazu hatte. Die meisten Kameraden konnten oder durften bis zu dieser zeit mit ihren Angehörigen noch keine Verbindung aufnehmen, so auch wir aus Ungarn nicht. Wir überlegten, was wir machen sollten, um ein Lebenszeichen geben zu können. Denn es war verboten, sich an das Deutsche Rote Kreuz oder an eine andere Dienststelle zu wenden. Überdies wußten die meisten Schwaben aus Jugoslawien und Ungarn nicht, wo sie ihre Angehörigen suchen sollten, ob noch in der alten Heimat oder in Deutschland. Denn viele hatten vor dem Einmarsch der Roten Armee ihre Heimat verlassen und sind nach Deutschland bzw. Nach Österreich geflüchtet. Wiederum viele wurden von den neuen Regierungen in Ungarn enteignet und des Landes verwiesen, außerdem mußten viele Racheakte über sich ergehen lassen. Jeder Hergelaufene glaubte, sich and den wehrlosen Schwaben rächen zu dürfen.

Da griff ich zu einer List. Ich schrieb an die Frau eines Kameraden als »meine Schwester« und fragte sie, wo meine Schwester, verehelichte Leni Burg und mein Bruder Michael, zu finden wären. Es klappte wie am Schnürchen. Allerdings mußte ich zwei-dreimal schreiben, bis ich mein Ziel erreichte. Es ging über den Evangelischen Hilfsdienst des Bischofs Dr. Heckel. Meine Schwester wohnte damals in Schwaigwall bei Wolfratshausen. Die erste Karte von ihr erreichte mich vor Weihnachten 1950. Dr. Heckel gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Verbindung zustandekam und daß die Grüße meiner Schwester Maria und des Bruders Michael mich erreicht hätten. Er hoffe, noch mehreren Brüdern in der Not helfen zu können. Da viele Kameraden nicht in der Lage waren, ein paar Zeilen richtig aufzusetzen, schrieb ich an Bischof Dr. Heckel als »Bruder«. Er hatte wahrscheinlich noch nie in seinem Leben so viele

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»brüderliche« Grüße erhalten, wie in den Jahren 1950 und 1951 und bis zu unserer Entlassung im Oktober 1955.

Bereits 1953 wurden etliche Transporte im Lager Stalino zusammengestellt. Wir konnten das aus DDR-Zeitungen, die wir lesen durften, erfahren. Darin standen auch die Namen mehrerer meiner früheren Kameraden. Doch die Freude, daß auch wir alsbald zu unseren Angehörigen entlassen würden, war verfrüht. Alles fiel ins Wasser. Ganz im Gegenteil: Die Haftbedingungen wurden noch mehr verschärft. Wir bekamen keine deutschen, ungarischen oder rumänischen Zeitungen mehr. Die Pakete aus Westdeutschland wurden scharf kontrolliert. Der Tod Stalins im März 1953 rief unter uns eine heimliche Freude hervor. Vom Aufstand in der russischen Zone (17. Juni 1953) erfuhren wir durch einen Zeitungsfetzen. Dann griff wieder Hoffnungslosigkeit unter uns um sich. Wie lange würde es noch dauern?

Von 1952 bis Sommer 1953 arbeitete ich auf einem Bau als »Zimmermann« mit Rittmeister und Oberstleutnant von Wangenheim zusammen. Wir waren wie ein Leib und eine Seele. Ich lauschte seinen Lebensschilderungen stets mit Vergnügen. Aber er wurde im Laufe der Jahre der ständigen Verfolgung und der Verhöre überdrüssig und wählte im April 1953 im Lager III bei Stalingrad den Freitod. Er erhängte sich.

Unser Gefangenenleben ging weiter, bald auf, bald ab, je nach den politischen Zweckmäßigkeiten. Man betrachtete uns gewissermaßen als politische Handelsware. Im Winter 1954/55 wurde die Lagerordnung verschärft. Von Stalingrad wurden wir nach Norden in das Gebiet des Urals verlegt. Als wir hier ankamen, herrschte fast ein chaotischer Zustand in unseren Reihen. Hunderte von Kameraden haben die Arbeit verweigert und mit unseren Bewachern, den russischen Polit-Offizieren, wurden sehr harte Debatten geführt. Trotzdem Ließ man uns eine Zeitlang ungestört und hielt uns gewissermaßen unter Quarantäne, um Seuchen vorzubeugen. Nach Ablauf der Quarantäne wurden die Gesunden von den Kranken abgesondert und zum Ausrücken auf die Arbeitsplätze aufgefordert.

Die Mehrheit trat wirklich zur Arbeit an, aber es blieben noch immer um die 200 Mann zurück, die die Arbeit verweigerten. Daraufhin wurde die Bewachungsmannschaft verstärkt und in Alarmbereitschaft versetzt. Dann wurden die Kandaren an uns Arbeitssklaven erst richtig angezogen. Beim leisesten Mucksen ratterten die Salven der MGs über unsere Köpfe hinweg. Einige »Meuterer« wurden durch Genickschuß erledigt. Andere wiederum wählten in ihrer Hoffnungslosigkeit den Freitod. Etliche schnappten über und wurden geistesgestört.

So verlief der Sommer 1955, bis der damalige Bundeskanzler Adenauer in Moskau seine Verhandlungen mit den Russen aufnahm. Es ging um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Da es den Russen sehr daran gelegen war, gingen sie auf das Angebot Adenauers ein, nämlich die deutschen Gefangenen freizulassen. Ganz plötzlich änderten nun die Polit-Offiziere ihre Einstellung uns gegenüber. Nun hieß es auf einmal: »Skoro damoi!« (Bald werdet ihr nachhause gehen). Die Russen wollten uns aufpäppeln, gutgelaunt stimmen. Militärkapellen spielten den ganzen Tag bis spät in die Nacht. Wir durften – zusammen mit den russischen Strafgefangenen – die mit unserem Schweiß erbaute russische Millionenstadt besichtigen, die während der Kriegshandlungen von den Deutschen und ihren Verbündeten zerstört worden war. Die Stadt hieß Perwoj-Uralsk. Aber das war nur ein Vorwand, denn soweit kamen die Deutschen nicht.

Durch Lautsprecher wurde uns das Eintreffen Konrad Adenauers in Moskau mitgeteilt; wir konnten die Begrüßungsreden hören; das Deutschlandlied erklang. Wir wollten unseren Ohren nicht trauen. Die deutschen Kameraden nahmen in gewohnter Weise Haltung an und aus den Augen rollten nach einem Jahrzehnt die ersten

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Freudentränen. Wir konnten die Stimme Adenauers hören, er sagte, sie seien darum nach Moskau gekommen, um über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zu verhandeln. Nach zehn Jahren wieder in die Freiheit, zu unseren Angehörigen zu gelangen, das kam uns alles so unglaublich vor. Doch abends erfuhren wir, daß die Verhandlungen unterbrochen worden sind.

Die Musik im Lager wurde eingestellt und in unsren Reihen gab es abermals enttäuschte Gesichter. Auch die Russen waren enttäuscht und versuchten uns zu trösten. In einem kameradschaftlichen ton baten sie uns, in die Unterkünfte zu gehen und die weitere Entwicklung der Verhandlungen abzuwarten. Wir versuchten einzuschlafen, aber wir drückten vergeblich die Augen zu.

Der Morgen brach an und man merkte, daß die Russen unruhig geworden sind, was mit uns geschehen werde. Das Lagertor haben sie wieder geschlossen und niemand durfte mehr das Lager verlassen. Aber so gegen zehn Uhr erklärten sie freudestrahlend, daß Adenauer sich auf Bitten Chruschtschows bereiterklärt habe, weiter zu verhandeln. Nun setzte in unserem Lager Nr. 3 bei Perwoj Uralsk die Militärmusik wieder ein… bald merkten wir, wie sich unser Lager mit Gefangenen aus anderen Lagern füllte, wie Transporte zusammengestellt und abgefertigt wurden. Da waren die Moskauer Verhandlungen bereits beendet.

Bald wurden auch aus unseren Reihen die ersten Namen verlesen. Alles war aufs äußerste gespannt. Immer wieder wurden Namen verlesen, und wenn ich auch nicht unter den ersten bin – dachten sich viele – beim nächsten Transport bin ich bestimmt dabei. Die Heimkehrer wurden dann gebeten, zu Hause den Angehörigen sofort zu melden, daß dieser und jener noch am Leben sei.

Während dieser Zeit konnte man alles kaufen: Wein, Bier, Schnäpse, Schmucksachen, sogar goldene Uhren, neue Anzüge, wenn man das Geld dazu hatte. Diese Sachen wurden ins Lager gebracht. Dabei wurde von der Lagerleitung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß keine Rubel nach Deutschland mitgenommen werden dürfen. Als beim dritten Transport auch mein Name vorgelesen wurde, ging ich anschließend gleich mit allen meinen Habseligkeiten in den großen Speisesaal des Lagers.

Hier wurde eine Liste herumgereicht, die jeder Entlassene unterschreiben mußte. Die Russen erklärten immer wieder den Inhalt der Schrift und fragten uns, ob wir den Inhalt richtig verstanden hätten. Darin hieß es, daß wir uns verpflichten, keiner politischen, militärischen, kirchlichen oder zivilen Organisation, Partei beizutreten, nicht einmal dem Deutschen Roten Kreuz! Nachdem jeder Entlassene unterschrieben hatte, gingen wir auf unseren Transportzug zu, der auf freier Strecke stand, unweit von unserem Lager.

Langsam setzte sich der Zug in Bewegung… in Richtung Western. In diesem Transport befand sich unser Lagerarzt, Dr. Trieber, der das Lazarett betreute, sowie Rudolf Jordan, der das Buch schrieb: »Erlebt und erlitten. Von München bis Moskau«. Nach zwei Wochen traf unser Transport am 13. Oktober 1955 im Grenzdurchgangslager Friedland ein. Es war am späten Nachmittag. Ein Meer von Menschen erwartete uns. Fragen und immer wieder Fragen… Namensschilder wurden uns entgegengehalten: »Wer kennt diesen Namen?« Unseren Vater, Bruder, Onkel usw. Usw. Oft mit Angabe der letzten Einheit bzw. Der Feldpostnummer. Nur schwer konnten wir uns einen Weg durch die Menge zur großen Rednerbühne auf dem Marktplatz bahnen. Inzwischen setzte Glockengeläut ein und eine Polizeikapelle spielte das Kirchenlied: »Großer Gott, wir loben Dich!« Unter Tränen und Schluchzen sang alles mit, aus der innersten Tiefe des Herzens.

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Nach diesem ergreifenden Empfang wurden wir ärztlich untersucht und die Personalien aufgenommen. Danach ging es für mich am 15. Oktober 1955 ab in Richtung München. Auch hier, am Münchner Hauptbahnhof dieselbe Szene wie in Friedland. Jedermann wollte wissen, wo der Vater, Bruder sei. Eine große Menschenmenge wartete auf uns. Die Erkundigungen nach den Vermißten wollten kein Ende nehmen. Ich konnte nicht viel aussagen, denn meine Schwester mit Sohn, meine Jugendfreunde und Kameraden Josef Wenus und Josef Stammler hatten mich bald erspäht und aus der Menge »befreit«.

Im Bahnhof-Restaurant des Münchner Hauptbahnhofs mußten alle Kriegsgefangenen bei gedeckten Tischen, bei Semmeln und Weißwürsten, wieder Platz nehmen und der damalige Münchner Oberbürgermeister Wimmer hielt die Empfangsrede. Dann wurde uns Bier und Kaffee gereicht. Wir verschlangen die Weißwürste mit einem Heißhunger. Die karitativen Organisationen, das Deutsche rote Kreuz, der Caritas-Verband, die Innere Mission, bemühten sich um uns. Für mich war bereits gesorgt und los ging‘s in Richtung Wolfratshausen-Gartenberg in die heutige Dr. Bleyer-Siedlung. Wir blieben vor dem notdürftig ausgebauten Bunker von Josef Wenus stehen; ringsum eine große Menge; Küsse und Händedruck wollten nicht enden; Umarmungen unter Tränen. Alles Pusztavámer, die mir einen solchen warmen Empfang bereitet haben. Ich fand vor Rührung und vor verweinten Augen kein Wort; mir war‘s, als hätte sich in Gartenberg ein zweites Pusztavám gebildet.

Dann fuhren wir im Schrittempo durch die Menge dem heim meiner Schwester zu, das sie 1953 erbaut hatte. Hier warteten auf mich mein Schwager Sepp, sowie die Kati Basl, die Schwester meines Vaters, auch ihr Mann, Onkel Stefan. Wieder tränenvolle Umarmungen und schluchzendes Schweigen. Ich konnte es mit meinen strapazierten nerven kaum mehr aushalten, denn die letzten 48 Stunden waren sehr anstrengend. Ich wollte nur schlafen. Meine Schwester richtete das Bett her, doch ich fand vor Aufregung keine ruhe. In den folgender. Tagen kamen Nachbarn. Freunde und Bekannte sowie auch eine Einladung zu einem offiziellen Empfang ins Rathaus durch Bürgermeister Karl Lederer.

Der Empfang wurde am 16. Oktober gehalten. Die Presse interessierte sich hauptsächlich nach den Behandlungsmethoden, nach der Verpflegung und nach der kulturellen Betreuung in den einzelnen Gefangenenlagern. Doch da mußten wir daran denken, nicht zu viel zu erzählen, damit wir die Entlassung der letzten Gefangenen, die noch zurückgehalten wurden, nicht gefährden.

Dann begann das neue Leben. Als erstes trat die ungarndeutsche Trachtengruppe an mich heran. Bei ihr sollte von seiten [sic!] der Landsmannschaft der offizielle Empfangs- und Begrüßungsabend stattfinden. Der Initiator des Abends war Sepp Stammler und mit ihm noch viele andere Puszavámer. Der Sepp umso mehr, als ich ihm einmal bei einem Partisanen-Überfall in Rußland das Leben gerettet habe. Da waren noch der Vorsitzende der Trachtengruppe Andreas Netzkar, Franz und Ladislaus Stammler, Josef Wenus und viele andere, deren Namen in der 25 jährigen Gründungsbroschüre Geretsrieds zu finden sind. Die Mitglieder der Landsmannschaft, viele Gemeinderäte, an der Spitze Bürgermeister Lederer, waren erschienen. Karl Girschik sorgte mit seiner Gitarre für gute Unterhaltung, unter anderem mit dem Lied: »Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde«.

Abermals rollten die Tränen aus meinen Augen, im stillen [sic!] daran denkend, daß dieser Satz für uns Heimatvertriebene eigentlich »stand eine Linde« heißen müßte. Ständig mußte ich noch an meine mehr als zehn Jahre dauernde Gefangenschaft und Sklavenarbeit denken. Die dauerte vom 13. Februar 1945 bis 15. Oktober 1955.

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Während dieser zehn Jahre geschah im Westen vieles. In meinem Gedächtnis klafften große Lücken, die ich meinen russischen »Gastgebern« zu verdanken habe.

In den folgenden Wochen mußte ich meine Versprechen einlösen, nämlich Angehörige von Kameraden, die im Lager zurückgeblieben waren, zu verständigen. Unter anderem konnte ich Frau Maria Keim in Ansbach (Am Rabenstein 4) mitteilen, daß ihr Gatte Friedrich in meinem Lager zurückgeblieben ist, sich einer einigermaßen guten Gesundheit erfreue und von unverwüstlichem Humor sei. Ich schloß meinen Brief in der Hoffnung, daß mein Kamerad Fritz recht bald die Heimreise werde antreten und sie ihren Friedrich in die Arme werde schließen können. Die Jüngste hatte ihren Papa noch nicht gesehen. Kamerad Fritz war tatsächlich beim 6. Transport dabei, kam aber aus verschiedenen Gründen erst 1956 heim.

Wir Heimkehrer mußten, uns an das freie Leben erst gewöhnen. Zehn Jahre lang wurden wir herdenmäßig zum Aufstehen, Waschen, Essen und zur Arbeit getrieben. Tag für Tag, Monat und Jahr für Jahr. Oft glattgeschoren, wie ein Verbrecher im ewigen Eis der Tundra schuften. Viele Heimkehrer wurden nach ihrer manchmal erbärmlichen Entschädigung für die erlittenen Gefangenschaftsjahre zu völligen Versagern. Sie konnten sich an keine geregelte Arbeit mehr gewöhnen, z. T. auch aus gesundheitlichen Gründen.

Umso mehr muß ich mich heute noch an die Fürsorge meiner Pusztavámer Landsleute erinnern, mit der sie mich nach meiner Heimkehr umgaben, und mir in der harten Konfrontation mit dem täglichen Leben halfen.

In diesem Sinne habe ich meine Lebenserinnerungen dem Heimatbuch zur Verfügung gestellt und meinen Pusztavámer Landsleuten zur Lehr und Ehr gewidmet.

(Pusztavám 1978a: 197-206)

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Mein Abschied von PerbálVon Franz Tonigold

Am 4. April 1946 bin ich aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Perbál zurückgekommen. Ich traf meinen Vater im Hof unseres Anwesens. Er war gerade dabei, eine Kiste zusammenzuzimmern.

In dieser Kiste sollten die auf 50 kg pro Person begrenzten Habseligkeiten verstaut werden, die unsere Familie mitnehmen durfte. Am nächsten Tag sollte der Transport abgehen.

Am Vorabend ist unsere Familie noch einmal zusammengekommen, um gemeinsam Abschied zu nehmen von einer Heimat, in die unsere Vorfahren vor etwa 250 Jahren gekommen waren. Die Stimmung war düster. Die meisten hatten geglaubt, mit der Kapitulation seien die Schrecken des Krieges vorbei, sie hatten gehofft, eine Normalisierung könnte ihren Anfang nehmen.

Der Transport

Am Morgen des 5. April 1946 fuhren wir mit fuhrwerken zur nächsten Bahnstation, Piliscsaba. Ungarische Polizei, die sich immer korrekt verhielt, eskortierte uns. Jeweils 25 bis 30 Personen wurden Familienweise in Viehwaggons verladen. Unser Waggon war mit 28 Personen aus 8 Familien belegt.

Es war eine beschwerliche Reise. Sowohl alte, gebrechliche Leute als auch Säuglinge mußten auf engstem Raum zusammenleben. Interne Spannungen waren so nicht zu vermeiden. Ich habe während des gesamten Transportes im Bremserhäuschen campiert. Im Österreich mußten wir mehrere Tage auf eine neue Lokomotive warten. Unterwegs verstarb Frau Walter. Sie mußte in ihrem Sarg auf dem Bahnsteig zurückgelassen werden. Noch heute weiß ihre Familie nicht, wo und wie Frau Walter beerdigt wurde.

Ankunft in Ernsthausen

Bei herrlichem Sonnenschein sind wir dam 14. April 1946 in Ernsthausen angekommen. Die Ernsthäuser gingen gerade zur Kirche.

Eine Wohnungskommission wies uns in Notquartiere ein. Für gewisse Fälle war dazu eine Polizeieskorte erforderlich.

Es ist uns damals schwer gefallen, Verständnis für die Vorbehalte der einheimischen Bevölkerung aufzubringen, die plötzlich ihre Wohnungen mit fremden Menschen, mit Flüchtlingen teilen mußten. Dennoch, trotz dieser deprimierenden Anfangsschwierigkeiten ist im Nachhinein festzustellen, daß sich das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Zwangsumsiedlern schneller normalisiert hat, als wir das damals unter dem Eindruck der schweren Schicksalsschläge erhoffen konnten. Sicherlich ist dieser Integrationsprozeß dadurch beschleunigt worden, daß beide Bevölkerungsgruppen zusammenarbeiten mußten, um beim Wiederaufbau erfolgreich voranzukommen.

Die Eingliederung von Millionen von Flüchtlingen respektiert heute die Welt als größte Leistung des Nachkriegsdeutschlands.

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Rückblick

Die meisten von uns konnten sich nur schwer vorstellen, wie das Leben weitergehen sollte. Zu plötzlich hatte uns das Schicksal aus einer Gemeinschaft herausgerissen, die seit mehr als 300 Jahren in vorgezeichneten Bahnen Bestand gehabt hatte.

Ich selbst hatte in amerikanischer Gefangenschaft zumindest eine vage Vorstellung davon bekommen, daß es neben der bekannten patriarchalisch geordneten Welt auch noch eine andere Welt gibt. Eine Welt, die demokratisch geordnet ist und den Tüchtigen optimale Chancen eröffnet. Ich war damals jedenfalls nicht ohne Hoffnung. Fast alle von uns haben die Chance bewußt oder unbewußt genutzt. Heute, nach 40 Jahren, können wir uns kaum noch vorstellen, wie wir noch in dieser alten Welt leben könnten.

(Perbál 1988: 193-194)

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Wie ich die alte Heimat nach 16 Jahren wiedersahVon Barbara Czink

In einer kurzen Zusammenfassung möchte ich dies Erleben meinen Landleuten schildern.

Schon des öfteren hegte ich in den letzten Jahren den stillen Wunsch, nach Hause, in die „Alte Heimat“ zu fahren. Vielleicht war es verborgenes Heimweh, was mich dazu trieb, mich intensiv um das Visum zu bemühen. Im Lauf dieses Jahres ist es mir nun genehmigt worden, und so beteiligte ich mich an einer Sonderfahrt nach Ungarn, um meinem sehnlichsten Wunsch nachzukommen.

Bei der Ausweisung im Jahre 1946 war ich elf Jahre alt, doch ich konnte mich jetzt an manches noch gut erinnern. Schon auf der Hinfahrt wuchs die Spannung und Neugierde in uns allen zusehends; wie würde nun alles sein, was wird uns dort geboten werden, denn sicher hatte sich in den letzten 16 Jahren gar viel verändert.

Als der Zug in Budapest ankam, waren am Bahnhof schon die Verwandten und Bekannten anwesend, um ihre Angehörigen auf ehedem heimatlichem Boden freudig begrüßen zu können. Diese Begrüßung war ein rührender Anblick, und manche Freudenträne floß ungetrocknet zur Erde! Wir, die Reisenden, trennten uns nach Erledigung sämtlicher Formalitäten und begaben uns mit unseren Angehörigen nach Hause.

Ich selbst verbrachte meine Freientage zum größten Teil in Budapest. Trotzdem Budapest noch manch Schönes von früher zu bieten hat, führte mich doch mein erster Ausflug nach Maria-Einsiedel, dem altbekannten und schönen Wallfahrtsort. In Einsiedel hat sich nicht viel geändert; was neu hinzu kam, ist eine schöne Lourdesgrotte, die im Freien steht. Im Gotteshaus war auch alles unverändert geblieben. Als wir dort eintraten, war gerade Gottesdienst. Ich sah fast nur ältere Leute und nur einen geringen Teil Jugend, die in stiller Andacht vor dem Altar und dem Gnadenbild verharrten. Ihre Gesichter beobachtete ich besonders und konnte feststellen, welch tiefer Glaube und Hoffnung von den Andächtigen ausstrahlte, trotz Unterdrückung und eisernem Vorhang! Muß dies für uns im Westen lebende Heimatvertriebene, denen es gut geht, die vielleicht Gott und Kirche bei Seite geschoben haben, nicht beschämend sein?! Wie mag es im Inneren dieser geprüften Menschen aussehen, die Tag und Nacht in der Hoffnung leben: Unser Herrgott wird alles zum Guten wenden und die Mutter Gottes wird uns beschützen! Sie hätten wahrlich oft Grund, an Gott zu zweifeln, doch trotz aller Nöte tun sie es nicht!

Mein zweiter Ausflug führte mich nach Nagykovácsi. Wir fuhren mit einem „Veteran“-Omnibus durch die Trockenheit und Hitze des Sommers hinaus ins Land. Ein erbärmliches Bild bot sich uns! Das einst so schöne, saubere, stolze Dorf war nicht wiederzuerkennen! Ich glaube, fast sagen zu dürfen, daß es dem Ruin entgegen geht. Manches Haus ist schon eingestürzt, manch schöner Nuß- oder Birnbaum, der einst vor den Häusern stand, wurde ohne triftigen Grund abgesägt. Es war sehr schmerzlich, dies alles sehen zu müssen! Um in den Friedhof zu gelangen, mußten wir einen primitiven Seitenweg benutzen, und auch dort bot sich eine Stätte des Grauens. Wie man uns sagte, schloß man das Haupttor, da die Kühe im Inneren des Friedhofes weideten. Anschließend führte unser Weg durch die Ortsstraße hinauf zur Kirche. Auf diesem Weg sahen wir fremde Menschen verstohlen aus den Häusern blicken, sie merkten wohl, daß wir einst hierher gehörten. Was mögen sie gedacht haben? Die Kirche selbst ist kaum verändert, natürlich hätte sie manche Reparatur dringend nötig. Wir verweilten einige Zeit im Inneren des Raumes und sammelten uns zu einem stillen Gebet.

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Im Verlauf der Urlaubstage durchstreiften wir des öfteren die Straßen und Gassen, und ich muß nochmals betonen: es tat mir bitter weh zu sehen, was aus unserer lieben alten Heimat geworden ist! Alles, was unsere Vorfahren mühsam und mit viel Liebe gegründet und aufgebaut haben, geht immer mehr in fremde Hände über und dem sicheren Chaos entgegen!

Im schönen Budapest von früher ist es auch nicht anders. Die Menschen haben keine Mittel vorwärts zu kommen, da man sie ausbeutet, wie und wo es nur möglich ist. Auch hier in der Millionenstadt gehen die Menschen still, friedlich und geduldig ihrer Arbeit nach, stets in der Hoffnung, eines Tages von ihrem Joch befreit zu werden. Sie leben wie Gefangene, die stündlich auf ihre Befreiung warten!!

Es gab auf dem Weg in die nähere und weitere Umgebung, trotz allem, auch manch Schönes und Erfreuliches zu sehen! Z. B. den herrlichen Ausblick vom Dreihottergebirge, dem Johannesberg, dem St. Gerhardsberg, die schönen Brücken, die wieder hergestellt sind. Den prächtigen Ausblick von der Fischerbastei und nicht zum Schluß die wunderschöne, von der Donau umspülte Margarethen-Insel. Auch manch erhabene Basilika und schöne Museen haben wir besichtigt.

So neigten sich bald die Tage unseres Aufenthaltes dem Ende entgegen, und wir mußten uns von unseren lieben Verwandten und Bekannten trennen, denn wir waren ja nur für einige Tage geduldete Gäste im eigenen Land, im „Neuen Staat“!

Eine Szene bleibt mir wohl immer in Erinnerung, es war beim Abschied am Hauptbahnhof. Da bot sich uns ein rührend-trauriges Bild: Großvater und Enkelsohn, die sich zum ersten Mal im Leben sahen, lagen sich in den Armen und weinten bittere Abschiedstränen. Dem alten Mann kam beim Abschied sicher zum Bewußtsein, daß er vielleicht seinen Enkelsohn nie mehr wiedersehen werde?!

Die Stunde des Abschieds für alle war nun gekommen, und der Zug brachte uns wieder in den Westen, in den Westen, der uns nach der Vertreibung vor 16 Jahren aufnahm und uns eine zweite Heimat gab!

(Nagykovácsi 1962:65-68)

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Wie ich unsere Vertreibung erlebtevon Thomas Pitz

Als Fünfzehnjähriger erlebte ich die Vertreibung, und nun suche ich sie mir zu vergegenwärtigen. Bilder tauchen aus der Erinnerung auf und fügen sich zur Geschichte des Verlaufs.

Zwischen Verzweiflung und Hoffnung

Verzweiflung und Hoffnung war das Grundgefühl unseres Lebens in jener Zeit: vom Einmarsch der Russen, am 24. Dezember 1944, bis zum bedeutungsvollen Tag des 3. Mai 1946.Die aufs „hohe Roß“ Gekommenen haben ja durch die verschiedensten Schikanen dafür gesorgt, daß wir allesamt nicht aus dem Zustand der Angst und Spannung herausgekommen sind. Es hatte nur einer jener verdächtigen Männer an einem Gassenende aufzutauchen, und schon geriet die ganze Gasse in Unruhe. Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgte man jeden ihrer Schritte und atmete erleichtert auf, wenn sie am Hause vorüber waren. Konfiszierung, Ablieferungsbefehle, Beschlagnahme des Hauses, Verhaftungen und Internierungen waren die Zwecke ihrer verhaßten Besuche. War es da ein Wunder, wenn wir dieses gefährlichen und notvollen Zustandes überdrüssig wurden?!Immer häufiger konnte man selbst von jenen älteren Leuten, die mit allen Fasern ihres Herzens an ihrer Heimat hingen, hören: „Es wird höchste Zeit, daß dieses Elend ein Ende nimmt!“ Alle Sehnsucht nach der Befreiung richtete sich auf jene einzig aussichtsreiche Möglichkeit der Überführung nach Deutschland. Diese Möglichkeit trat ja schon ziemlich früh in unseren Gesichtskreis, als sich die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz herumgesprochen hatten. Ich erinnere mich noch deutlich an die triumphierende Feststellung des Herrn Ligeti, die er bereits im Sommer 1945 auf einer Kundgebung im Schloßpark gemacht hat: „Die Schwaben müssen raus!“In unserer misslichen Lage erschien uns Deutschland wie das Gelobte Land. Öfters wurde Bayern als Bestimmungsort genannt. Die Vorstellungen über dieses Land waren recht dürftig und besonders bei uns Jugendlichen etwas romantisch. Uns schwebte vor Augen ein Land von hohen Bergen, in denen die Jodler nie verklingen, ein Land der vielen Weiden, wo man sich hauptsächlich von Milch und Butter ernährte und zur Abwechslung höchstens noch Sauerkraut aß und Bier trank.Die Wirklichkeit sollte uns eines Besseren oder besser gesagt, eines Schlechteren belehren. Nun jedenfalls bereitete man sich auf den „Tag X“ vor. Viele taten es schon 1945. Es gab Spezialisten im Dorf, die möglichst viel Gepäck auf möglichst kleinen Raum zusammenpacken konnten; sie waren natürlich viel begehrt in jenen Tagen.

Die Stunde des Abschieds

Der 3. Mai 1946 ist für uns alle einer der schicksalsreichsten Tage geworden: der Tag des Verlustes der Heimat, der Tag, der für jeden eine ganz neue Lebenssituation erbrachte. Mit jenem gemischten Gefühl des Schmerzes über den Verlust einerseits und der Sehnsucht nach Freiheit von Not und Tyrannei andererseits wurde der Tag erwartet und, als er endlich da war, hingenommen.Wir luden unsere Habseligkeiten auf die Pferdewagen, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Beim schlechten Zustand der Fahrzeuge – die guten sind ja alle der

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„Befreiung“ durch die Russen zum Opfer gefallen – war es nicht verwunderlich, daß es auch Pannen gab, Räderbrüche und ähnliche unwillkommene Zwischenfälle.Eine lange Wagenkolonne schlängelte sich die Höhen hinauf, Solymár zu. Wie war es uns doch sonderbar zumute auf diesem Wege!Stück um Stück der Heimat entschwand unseren Augen, den Augen, die meist mit Tränen gefüllt waren: zuerst das Haus, dann die Gasse, der Schauplatz des so trauten Volkslebens, die mit Büschen bewachsenen Höhen über dem Dorfe, auf denen wir so viel und so gerne herumgetollt waren, blieben zurück. Die Wagen rollten vorüber an den Äckern, die von manchem Schweißtropfen unserer Väter getränkt waren. Alles, was deutscher, Fleiß und deutscher Geist in zwei Jahrhunderten gestaltet und erhalten hat, blieb zurück oder war für immer zerschlagen. Der Weg neigte sich von den Höhen des Schmalzberges nach Solymár zu. Wir hatten zum letzten Mal unser Dorf, unsere Heimat gesehen, und drüben in Solymár wartete auf uns die Ungewissheit.Wir hatten wohl alle, gleich ob jung oder alt, das Gefühl, als ginge eine Welt zugrunde und als stünden wir vor deren Scherben…

Eine moderne Völkerwanderung

Es ist keine Anmaßung, hier von Völkerwanderung zu sprechen. Unser Zug nach Bayern ist nämlich ein Teil jener gewaltigen Menschenbewegung, wie sie Europa wohl kaum je gesehen. Wo hätten sich schon jemals 10 Millionen auf unfreiwilliger Wanderschaft befunden? Dieser unserer Fahrt fehlte jedoch der Hauch der Größe. Neben den ruhmumglänzten Ereignissen der Geschichte stehen eben die Tragödien, die ihre Größe höchstens vom Übermaß des Leides empfangen.In Viehwaggons wurden wir zusammengepfercht. Dreißig Personen mit dem ansehnlichen Gepäck haben je einen Waggon so ausgefüllt, daß man sich darin eben noch umdrehen konnte, ohne einen anderen umzurennen. Um unser Gepäck bangten wir bis zuletzt wegen der möglichen Kontrollen. Es war jedoch nicht so schlimm, wie befürchtet wurde. In der Anwesenheit einer amerikanischen Begleitung erblickten wir die Gewähr für einen geordneten Verlauf der Ausweisung. Nach den endlos erscheinenden Stunden des Wartens setzte sich unser Zug um 5 Uhr abends westwärts in Bewegung. Docht wir suchten selbst dem Übel eine Lichtseite abzugewinnen. In uns Jungen war ja die Lust am Abenteuer nicht erstorben, und auch die Älteren erwarteten neue, meist ungesehene Länder. Schließlich ließ sich die Welt auch vom Viehwagon aus ganz gut betrachten.Wir nahmen an der offenen Waggontür Platz. Anfangs glitten noch gewohnte Bilder an uns vorüber, aber bei Komorn hörte die Welt für die meisten auf, bekannt zu sein. In der „Kleinen ungarischen Tiefebene“ (Kisalföld) senkte sich die erste Nacht über uns. Jeder versuchte, sich für die Nacht einzurichten. Das war bei der Enge des Raumes kein einfaches Unternehmen. In allen möglichen Stellungen wurde geschlafen oder auch bloß in die Finsternis hineinsinniert. Die Nacht und alle Nächte dieser Fahrt waren uns eine Plage und wir warteten immer sehnsuchtsvoll auf den Morgen.In der ersten Nacht hatten wir bereits die ungarische Grenze passiert und am Morgen standen wir auf dem österreichischen Bahnhof Götzendorf. Wir empfanden es als eine erste Genugtuung, Ungarn hinter uns gelassen zu haben, ein Land, das uns die primitivsten Rechte verweigerte. Als ich den ersten österreichischen Bahnbeamten reden hörte, stieg in mir ein gewisses Gefühl der Heimatlichkeit auf. Sein Dialekt war von dem unseren nicht allzu weit entfernt.Wir blieben in Götzendorf über einen Tag lang. Bei diesem und auch bei den anderen längeren Aufenthalten entfaltete sich ein seltsames Freiluftleben: es wurden schnell

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Kochstellen zusammengebastelt, und schon brodelten die bescheidenen Mahlzeiten darauf – mit der von einer allgemeinen Küche täglich verabreichten Suppe konnte man sich natürlich nicht aufrechterhalten, selbst auf einer Reise nicht. Man aß im Freien, wusch die Wäsche der Kleinkinder, ging spazieren, um die erstarrten Glieder in Bewegung zu bringen. Der nahe liegende Vergleich mit dem Zigeunerleben war nicht selten zu hören. Was für uns den Tiefpunkt der Menschenunwürdigkeit bedeutete, waren wir jetzt gezwungen, am eigenen Leib zu erleben. Nun, wir machten gute Miene zum bösen Spiel.Eine willkommene Abwechslung war es für uns Jungen und Kinder, wenn die Amerikaner, die unseren Zug begleiteten, Süßigkeiten verteilten. Sie taten es auf amerikanische Manier, indem sie Schleckwerk und Zigaretten in die Luft warfen und an der entstehenden Balgerei dann ihre Freude hatten.Am 5. Mai mittags, es war Sonntag, setzte sich unser Zug endlich wieder in Bewegung. Wir fuhren jedoch nicht über Wien, wie wir gehofft – wir hätten doch so gerne den „Steffi“ gesehen –, sondern wir schlugen einen Bogen um Wien herum. Man wollte anscheinend der Großstadt diesen Anblick des Elends ersparen. Über Wiener-Neustadt verlief die Fahrt dieses Tages bis Weißenbach. Wir erfreuten uns, so gut es ging, an der herrlichen Landschaft des Alpenvorgebirges. In Weißenbach ließen es sich einige nicht einmal nehmen, bei einer Tanzveranstaltung mitzumachen.Am Montag, dem 6. Mai, setzten wir unsere Fahrt fort, wiederum durch dunkles bewaldetes Gebirge. St Veit/Gölsen, St. Pölten ließen wir zurück. Die schöne Strecke im Donautal mit Melk und Maria-Taferl wurde leider nachts durchfahren. Als wir am Dienstagmorgen erwachten, standen wir auf dem Bahnhof von St. Valentin nahe der Zonengrenze. Hier stand uns eine Überraschung bevor: wir trafen den ersten Transport unserer Landsleute. Natürlich wurden mit vielen und bewegten Worten die Erlebnisse ausgetauscht und das mögliche Ziel unserer Fahrt erörtert. Es wurde Hessen genannt. Die anderen fuhren bald weiter, uns aber stand wieder eine eintägige Wartezeit bevor. Dabei wären wir schon so gerne jenseits der Zonengrenze gewesen. Der bloße Anblick der Russen beunruhigte uns, und wir sehnten mit Inbrunst jenen Augenblick herbei, wo wir sie nicht mehr zu sehen brauchten; der Schrecken der vorausgegangenen Zeit steckte uns noch zu stark in den Knochen.Am Mittwoch, dem 8. Mai 1946, standen wir endlich an der Grenze zur Freiheit. Es war auf der Ennsbrücke. Eine letzte flüchtige Kontrolle durch die Russen, und dann verließen wir den russischen Machtbereich.In Linz wurde gegen eventuelle „Mitreisende“ kleineren Formates vorgegangen. Wir wurden einzeln in eine Staubwolke gehüllt und kamen wie Bäckerlehrlinge wieder zum Vorschein. Dieselbe Prozedur widerfuhr uns sicherheitshalber noch einmal in Regensburg. In Linz gab es noch ein glückliches Wiedersehen mit einigen Heimkehrern. Unter ihnen waren Martin Bayer und Josef Gerendás aus unserer Gasse. In einer Nachfahrt gelangten wir nach Bayern.

Der Empfang in der Heimat unserer Väter

Am 9. Mai abends trafen wir in Regensburg ein. Überraschenderweise wurden wir hier ausgeladen und in ein Lager, eine ehemalige Kaserne, gebracht; wir wären doch recht gerne gratis weitergefahren. Sollte das der Endpunkt unserer Fahrt sein? In diesem Lager ist es uns, schlicht und einfach gesagt, erbärmlich ergangen. Wir hausten in Massenquartieren. Es gab wenig Essen und das war schlecht. Wir hungerten. Die Vorräte aus der Heimat waren zu Ende gegangen. Die Streifzüge durch die Stadt waren meist erfolglos. Wenn man Glück hatte, konnte man in einem Gasthaus ein

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markenfreies, sogenanntes Stammgericht erwischen, bestehend aus Kartoffelsalat und sonst nichts. Die Einheimischen sahen uns nicht gerne. Das alles verdichtete sich zu einer tiefen Enttäuschung. Gewiß hatten wir uns Deutschland zu schön vorgestellt und hatten zu wenig bedacht, daß dieses Land selbst in tiefer Erniedrigung dalag, und wir waren im Begriff, das Elend noch zu vergrößern. Trotz alledem habe ich es nicht versäumt, die Stadt näher anzusehen. Regensburg hatte für mich schon immer einen zauberhaften Klang. Täglich zog ich aus, um die Stadt zu erobern. Staunend stand ich vor dem berühmten gotischen Dom, und die Barockpracht der Emmeramskirche und der Alten Kapelle hatten mich vollends in Verzückung gesetzt.Nach sechs Tagen Aufenthalt in Regensburg wurden wir wieder in unsere Wagen sechster Klasse verfrachtet. Doch seltsamerweise fuhren wir nicht weiter westwärts, sondern in Richtung Passau zurück. Straubing mit seinem türmer[r]eichen Stadtbild weckte in mir den Wunsch, diese Stadt einmal näher kennenzulernen. Da konnte ich nicht ahnen, daß ich schon wenige Monate später in diese Stadt einziehen sollte, um mein Gymnasialstudium fortzusetzen. – In Plattling bogen wir nach Süden ab. In Landau-Isar wurden wir, d. h. die eine Hälfte des Zuges, abgehängt und die andere nach Vilsbiburg weitergeleitet.Hier in Landau wiederholte sich zunächst das unliebsame Lagerleben. Gasthäuser und ein Jugendheim mußten uns aufnehmen. Nachdem wir mehrmals registriert und in den lebenswichtigen Akten festgehalten waren, bekamen wir unsere Flüchtlingsausweise. Damit begann unser Dasein als „Ein-Viertel-Bürger“ des Landes Bayern.Die Beherzteren gingen bereits auf Expeditionen in die Gegend hinaus. Es kamen auch Bauern in die Lager, um sich Landarbeiter zu werben. Die Männer und Frauen, die von den Bauernhöfen mit Gaben zurückkamen, erschienen uns bei ihrer Rückkehr wie die Kundschafter aus dem Gelobten Land. Schon begannen die ersten Familien das Lager zu verlassen. Auch unsere Familie wurde bereits eine Woche nach der Ankunft in Landau hinausgefahren in einen kleinen, nur aus sechs Häusern bestehenden Ort, wo wir für die kommenden Jahre Unterkunft und Arbeit gefunden haben.Wir glaubten, am Ende der Welt angekommen zu sein. Ähnlich erging es auch den anderen Familien. Für alle begann eine schwere, an Entbehrungen und Plagen reiche Zeit. In äußerster Not versuchten wir, jeder auf seine Art und in der vorgegebenen Lage, wieder Boden zu fassen und ein neues Lebensglück aufzubauen. Wahrlich eine Aufgabe für lange Jahre…

***Mittlerweile ist seit diesen Ereignissen über ein Jahrzehnt in die Vergangenheit gesunken. An diesem markanten Zeitpunkte ist es nicht überflüssig, zurückzuschauen und sich zu erinnern. Der Sinn dieses Gedenkens ist aber nicht, daß wir uns in Selbstbemitleidungen und Klagen ergehen. Nein! es soll uns vielmehr veranlassen zur Dankbarkeit, da uns Gott in dieser Zeit den Weg in eine bessere Zukunft geführt hat.Haben wir nicht erkennen müssen, daß selbst der schmerzliche Verlust der Heimat uns zum Besseren gereicht ist, da ER uns aus einer ausweglosen Not und Knechtschaft befreit hat?Und daß wir soviel zu leiden hatten, wer dürfte sich darob beschweren? Suche es jeder aufzufassen als Versöhnung des Zornes Gottes, der gewiß nicht ohne Grund über der Erde steht.Letztlich soll uns diese Rückschau jene nicht vergessen lassen, für die die Bedrängnis all die Jahre hindurch nicht aufgehört und für die noch keine Stunde der Befreiung geschlagen hat.

(Nagykovácsi 1962: 55-61)

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[ohne Titel- und Autorangabe]

Nach zwei Wochen langer Fahrt“ – so berichtete mir meine Gewährsperson – „war um Mitternacht das Ziel: Lissitschansk am Donec, nordwestlich von Woroschilowgrad, erreicht und der Menschentransport wurde ausgeladen. Nach einem Fußmarsch von etwa fünf Kilometer wurden wir in einen großen dunklen Raum gesperrt, In der Früh kam ein russischer Offizier und ließ uns durch einen Dolmetscher ausrichten, daß wir hierher gebracht wurden, um das von den Deutschen zerstörte Rußland wieder aufbauen zu helfen.

Wir wurden in drei Lagern untergebracht Zwei waren durch einen Stacheldraht von einander getrennt, das dritte aber war etwa 10 km weiter von uns. Männer und Frauen waren in getrennten Abteilungen. Tagsüber konnten wir aber miteinander sprechen. Als wir im Lager ankamen, gab es weder Türen noch Glas in den Fenstern. Wir dachten schon, wir würden hier erfrieren.

Nach einer Woche wurden wir in Arbeitsgruppen eingeteilt und mußten (in Tages- und Nachtschichten) täglich acht Stunden schwer arbeiten. Der Weg zum Arbeitsplatz dauerte etwa anderthalb Stunden. Ich erinnere mich an einen Fall, da ich mich an den Flach-Brüdern festhalten mußte, weil man bei dem meterhohen Schnee, eisigen Wind und tobenden Schneesturm kaum vorwärts kommen konnte.

Die meisten mußten in den Kohlengruben arbeiten. Einige waren beim Schachtbohren, was sehr schwer war, beschäftigt, andere beim Holzverladen am Bahnhof. Da war ich auch dabei. Das war so schwer, daß man bei jedem Schritt in die Knie sank. Ich war aber auch in der Kohlengrube. Jenen Karfreitag, an dem ich zum ersten Male hinunter mußte, werde ich nie vergessen. Es war nicht in allen Gruben gleich. Dort, wo ich war, stand das Wasser 25 cm hoch. Bis man dann nach der Arbeit zum Lager kam, waren die Schuhe und Füße durch die große Kälte so zusammengefroren, daß man sie kaum herunterbrachte. Im Frühjahr wurde es dann besser.

Wenn wir mehr und kräftigeres Essen bekommen hätten, wären doch nicht so viele gestorben. Das Essen bestand aus einer Scheibe Brot, aus Gurken- oder Krausuppe und einem Esslöffel Hirsebrei. Und das bei so schwerer Arbeit. Weil aber der Hunger so groß war, verlangten viele noch ein oder zwei Portionen von der stets versalzenen Gurken- oder Krautsuppe. Da bekamen sie Durchfall und Wassersucht, und in wenigen Monaten war rund ein Drittel der Leute gestorben.

Einige versuchten auch die Flucht, kamen aber nicht weit und wurden wieder zurückgebracht. Als Strafe wurden sie in den eiskalten Dachboden gesperrt, ohne Essen, bis sie dem Tode nahe waren. Nur Eduard Kindl war die Flucht gelungen. Er kehrte nach monatelangem Fußmarsch, Entbehrungen und unter ständiger Gefahr, wieder eingefangen zu werden, im Oktober 1945, kurz vor meiner Heimkehr, nach Vaskút zurück.

Einmal ging ich allein auf meinen Arbeitsplatz. Da rannte mir ein etwa 12jähriger Junge nach. Ich hatte Angst, denn in Gruppen hatten uns die Kinder oft beschimpft, und ging noch schneller. Als mich der Junge dennoch eingeholt hatte, sah er sich um, ob er nicht beobachtet wird, und drückte mir dann zwei Brötchen in die Hand. – Auch unser Offizier ließ mich einmal rufen und mir durch den Dolmetscher sagen, daß er mich schon lange beobachte, und daß ich immer so traurig bin; bestimmt denke ich viel an meine Familie und an die Heimat. Er möchte mir deshalb nur mitteilen, daß wir nur vorübergehend hier sind um am Wiederaufbau Rußlands mitzuhelfen; daß wir aber bestimmt wieder in unsere Heimat und unserer Familie zurückkehren können. Wir dürfen aber die Hoffnung auf diese Rückkehr niemals aufgeben und uns in Trübsal

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stürzen, sonst richten wir uns nicht nur seelisch, sondern auch körperlich völlig zugrunde und versperren uns selbst den Weg in die Heimat. Und er hatte Recht, denn der größte Teil der in Rußland Verstorbenen bestand aus solchen, die die Hoffnung auf eine Heimkehr aufgegeben hatten.

Einen ersten Hoffnungsschimmer zur Heimkehr gab es im September 1945, als es hieß, die arbeitsunfähigen Kranken werden in ihre Heimat zurückgeführt. Und in der Tat, am 6. Oktober ist der erste Transport mit entlassenen Kranken von Lissitschansk in Richtung Heimat abgefahren. Als aber der Zug zum ersten Male haltmachte, wurden bereits sechs Tote herausgetragen und beerdigt; darunter auch der 18jährige Gabriel Egi, obwohl sein Vater, Anton Egi, ihm schon seit Tagen auch sein eigenes Essen überlassen hatte. Kurze Zeit später starb auch Anton Egi.

Auf der Reise bekamen wir für je sechs Personen einen Laib Brot und täglich einmal Kleiensuppe, die man bei bestem Willen nicht essen konnte. Nach wochenlanger umständlicher Fahrt trafen die ersten Vaskúter Verschleppten anfangs November 1945 in Vaskút ein.

(Vaskút 1983: 296-298)

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Die Zivilverschleppung der Eleker zur Zwangsarbeit nach Rußland [ohne Autor]

Am 24. September 1944, an einem Sonntagnachmittag, kamen unter Führung russischer Offiziere die ersten rumänischen Soldaten. Erst am Abend folgten russische Truppen und belagerten die Gemeinde Elek. Die Front stand hier 14 Tage lang. Junge Frauen und Mädchen mußten in solchen Verstecken Zuflucht suchen, von denen man nicht einmal ahnen konnte, daß sich dort Menschen aufhalten konnten. Der letzte Eisenbahnzug verließ schon am 22. September den Bahnhof Elek. Am 6. Oktober versuchten die Ungarn über Nacht die Russen zurückzudrängen. Der Versuch ist den ungarischen Truppen misslungen. Am westlichen Dorfrand, von den Kleinhäusler und Weingärten her, gab es heftige Kämpfe beim Wasser Rumbala. Am 6. Oktober war dann Elek von den Russen für immer fest belagert. Am 22. Dezember nahm die örtliche Nationale Kommission ihre Tätigkeit auf.Schon am 20. Dezember kamen russische Offiziere mit etwa 350 Mann in die Gemeinde. An der Spitze der Gruppe stand ein GPU-Major. Zwischen Weihnachten und Neujahr 1944 wurde in Elek eine Volkszählung durchgeführt, mit dem Vorwand, man brauche die genaue Seelenzahl für die Einführung der Zucker- und Lebensmittelkarten. Es war selbstverständlich, daß sich zu diesem Zwecke jeder, ohne Ausnahme, gerne meldete. Am 1. Januar 1945 hatte die GPU-Mannschaft Elek hermetisch abgesperrt und keiner durfte hinaus oder herein. Da man jetzt schon genau wußte, wie viele und welche Personen zur Verschleppung in Frage kamen, wurden am 2. Januar in der Früh die Kleinrichter der Gemeinde – jeder in seinem Viertel – mit der Trommel herumgeschickt um folgendes bekanntzugeben: Alle Frauen, von 17–35 und alle Männer 16–48 Jahren werden verpflichtet, sich im Kulturhaus und den übrigen Sammelstellen einzufinden. Jede Person muß für drei Wochen Verpflegung mitbringen und mit warmer Kleidung erscheinen. Es wurde den Menschen gesagt, sie müßten im Lande in Zuckerfabriken und beim Maisbrechen arbeiten, insgesamt nur drei Wochen. Noch am selben Tag hat man auch die Bauhandwerker, die das Verschleppungsalter bereits überschritten hatten, zur Ausstattung der 40 Waggons eingezogen. In jedem Waggon mußten die Handwerker einen Ofen aufstellen, denn die Russen aus den Häusern der Einwohner weggeholt hatten. Da es nur einen Spengler im Ort gab, mußten auch die Schlosser herangezogen werden. Es fehlte an Blech, deshalb bekamen sie von den Russen den Befehl, von den Häusern der geflüchteten Deutschen die Dachrinnen abzumontieren und daraus die Ofenrohre für die Öfen in den Waggons herzustellen. Zum Schlafen hatte man Holzpritschen eingebaut, aber es waren keine Bretter vorhanden, denn auch die Holzhandlung war schon längst ausgeräubert. Die Russen wollten aus den Häusern der Geflüchteten die Fußböden herausreißen und sie für Pritschen verwenden. Die Handwerker und der Bürgermeister konnten sie jedoch mit viel Mühe überzeugen, daß die alten Bretter für diesen Zweck nichts taugten. So brachten sie dann von irgendwoher sechs Wagen mit Dielen. Erst drei Tage vor der Abfahrt erschien in den Sammellagern ein russischer Oberst und gab bekannt, daß die eingezogenen Menschen nach Rußland transportiert würden, um dort Aufbauarbeiten zu leisten. Er hat ihnen versprochen, daß sie in Rußland als freie Arbeiter, Kino, Theater und Konzerte besuchen könnten. Deshalb nahmen sie auch alle Sonntagskleidung mit. Da man jetzt schon wußte, was wirklich gespielt wurde, rannten die Mütter mit Bettzeug, Wäsche, Kleidung, Decken und Lebensmittel zu ihren Kindern in die Sammellager. Sie waren ja schon seit dem 2. Januar in den Sammellagern eingesperrt und durften nicht mehr nach Hause. So darbten sie schon in Elek 10 Tage im Gefängnis, wo sie sich mit eigener Verpflegung notdürftig versorgten. Auch die Waschgelegenheit

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war nur mangelhaft. Wer sich zu melden weigerte, wurde mit Internierung und sogar mit der Todesstrafe bedroht. Ein Vater hatte seine Tochter bei ihren Schwiegereltern verborgen, um sie vor der Verschleppung zu retten. Doch es wurde – durch eifrige Helfershelfer – den Russen verraten, daß die Tochter im Dorfe sei. Man sagte ihm, wenn die Tochter nicht erscheine, müsse er selbst mit nach Rußland, obwohl er die Altersgrenze weit überschritten hatte. Er wurde von den Russen so lange verhört, bis sich die Tochter schließlich doch meldete und auch nach Rußland kam.Als die Waggons mit den Öfen und Schlafpritschen fertig waren, begann die Einwaggonierung. In jeden Viehwaggon kamen 30 Personen mit Gepäck, welches noch sehr reichlich war, da die Mütter dafür sorgten. Der Bürgermeister bekam von den Russen den Befehl, noch einen Waggon extra mit Fleisch, Schweinespeck, Schinken und Mehl zu beladen. Ein Waggon mußte dazu mit Brennholz bekamen wir nichts. Die Lebensmittel behielten die Russen, davon sahen wir nichts mehr. Auf dem Weg mußten wir uns vom eigenen Vorrat verpflegen.Als die „Einwaggonierung“ fertig war, wurden die Türen von den Russen verschlossen und am 11. Januar 1945, nachmittags um 17 Uhr, in Bewegung gesetzt. Bei der Einwaggonierung und Abfahrt durfte niemand dabei sein. Die Angehörigen konnten nur aus weiter Entfernung – wo die Sicht noch zur Bahnlinie möglich war – mit traurigem Herzen winken. Wir waren ja eingeschlossen und konnten nur mühselig alle aus den kleinen Fenstern der Viehwaggons hinausschauen. Die Waggons wurden einmal täglich geöffnet – und da bekamen wir Wasser. In jedem Waggon war in einer Ecke ein Loch ausgesägt worden, wo wir die Notdurft verrichten konnten. Die Kälte war schrecklich – vom 22. Bis 30. Januar erlitten wir Temperaturen von Minus 40°. Am 2. Februar 1945 kamen wir in der Ukraine, in Krivojrog, an. Wir aus Elek waren 1.100 Personen; es kamen noch 200 aus Jugoslawien dazu. Diese 1.300 Personen hat man auf fünf Gruppen aufgeteilt. Die stärkste Gruppe mit 500 Personen kam in das Lager 5, die anderen kamen ins Lager 1, 2, 3 und 4. Die Auswaggonierung begann noch am 2. Februar. Die erste Gruppe wurde in der Früh, die anderen im Laufe des Tages verteilt. Die Insassen vom Lager fünf wurden noch etwa 20 km nordöstlich von Krivojrog zur Grube Kaganowitsch gefahren und erst um 23 Uhr in der Nacht ausgeladen. Wir waren überrascht, als wir merkten, daß uns ca. 15 russische Frauen mit Gewehren bewachten. Nur gruppenweise wurden wir ins Lager geführt. Das mitgebrachte Gepäck mußten wir im Lagerhof liegen lassen. Vorerst war noch alles reichlich vorhanden. So mußten wir dann die ganze Nacht zusammengepreßt auf dem kalten Gang stehen, der ohne Fenster und Türen war. Als es in der Früh hell wurde, konnten wir schon etwas mehr erkennen. Es war ein zweistöckiges Haus, noch von den Deutschen erbaut. Der zweite Stock war eine bis auf die Mauern ausgebrannte Ruine und man konnte in den Himmel sehen. Keine Türen, keine Beleuchtung, die Wände unverputzt, die Fenster zugemauert und nur mit einem 15 bis 20 cm kleinem Glasguckloch versehen. Es dauerte Monate, bis es von unseren Handwerkern einigermaßen wasserdicht gemacht werden konnte. Es war auch kein Baumaterial vorhanden, es fehlte einfach an allem.Zum Schlafen gab es Bretterpritschen, zwei- und dreistöckig übereinander. Ein Liegeplatz war 35 cm breit. Wir konnten uns nur auf Kommando drehen und wenden. Auch alte Eisenbetten waren zum Schlafen da, in einem Bett mußten zwei miteinander schlafen. Die Einlage war geflochtener Draht ohne Matratzen und Decken, ohne Heizung und Beleuchtung. Wenn man am Arbeitsplatz eine Glühbirne stehlen konnte, hatte man Licht machen können, allerdings ohne Schalter. Man mußte den negativen und positiven Draht zusammenklemmen, wenn man Licht haben wollte. So verunglückte ein Mädchen tödlich, als sie Licht machen wollte und einen elektrischen Schlag bekam.

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Das Lager war mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben, an jeder Ecke bewacht von einer russischen Frau mit Maschinenpistole.Am 3. Februar in der Früh bekamen wir zum erstenmal von den Russen eine Suppe, mit heißem Wasser abgebrühtes Maisschrot und ein Stückchen schweres, schwarzes Brot. Im Lager wurden Rotten gebildet, diese wieder zu Brigaden aufgeteilt, mit einem russischen und einem deutschen Brigadeführer. Der Russe holte die Brigade jeden Morgen vom Lager ab und führte sie zu Fuß zum Arbeitsplatz, der 4 oder auch 6 km entfernt war. Bis zum Kriegsende wurde täglich 10 Stunden gearbeitet. Auch die „Zehn-Tage-Woche“ wurde eingeführt. Als man aber sah, daß die Sterberate dadurch noch höher anstieg, hat man sie wieder abgeschafft. Es herrschte immer eine Kälte von 35° bis 40°C. Die Arbeiten erstreckten sich auf verschiedene Gebiete, Bauarbeiten, Kanalisierung, Erzgrube, Kolchose, Fundamentegraben und in der Ziegelei arbeiten. Die Erde war im Winter hart wie Felsen gefroren. Die Russen forderten Normen. Es gab zwischen Frauen und Männern keinen Unterschied, sie mußten alle das gleiche leisten. So waren Frauen am heißen Brennofen und holten die Ziegel heraus. Die schwer beladenen kleinen Ziegelwaggons mußten sie zu zweit aufwärts schieben. Oft brachen sie unter der Last zusammen und die Waggons rollten zurück über ihre Füße.Die russischen Aufseher hatten das Recht, von uns Schuhe, Kleider und Strümpfe zu fordern. Wenn wir uns weigerten, dann gaben sie der Lagerführung falsche Meldungen und zwar, daß wir sabotieren und nicht arbeiten wollen. In solchen Fällen wurden die Unglücklichen 10–15 Tage in den Karzer gesteckt, das heißt, sie kamen in einen unterirdischen Keller bzw. In ein finsteres Loch. Es war eine Holzpritsche drin, und im Sommer stand das Wasser 20 bis 30 cm hoch. Das Essen bestand für den eingekerkerten aus 200 Gramm Brot und einer Suppe täglich, oder deutlicher gesagt, ein bißchen warmes Wasser. Die allgemeine Verpflegung war so gering, daß sämtliche Lagerinsassen schon ihre mitgenommene Sonntagskleidung den Russen oft nur für ein Stück Brot verkauften. Die von zu Hause mitgenommenen Lebensmittel reichten vier, fünf Monate. Wenn es den Offizieren bekannt wurde, daß wir einen Feiertag hatten, den wir doch nicht feiern durften – wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten –, dann haben sie das Lager verstärkt besetzt. Jeder Koffer wurde durchwühlt und immer wieder das Wertvollste weggenommen. Die Russen brachten ihre Geliebten mit, die sehr eifrig mithalfen. Beschweren konnten wir uns nirgendwo, wir waren den Russen ohne Schutz ausgeliefert. Es blieb uns kein Eßbesteck, Buch, Schmuck, ja sogar unsere Gebetbücher haben sie weggenommen, weil das feine Papier für Zigarettenpapier verwendet werden konnte. Schon im März hatten wir den ersten Toten. Er ist unter großer Anteilnahme einfach, aber doch feierlich, begraben worden. Vor seinem Tode bat er die Lagerführung mit zusammengefalteten Händen um zwei Kartoffeln. Er hatte zuviel Magensäure und konnte die täglich dreimal verabreichte Krautsuppe nicht vertragen. Auch diese letzte Bitte hatte man ihm versagt.

Im Oktober 1945 wurde der erste Krankentransport von den Lagern, wo Eleker waren, zusammengestellt. Aus dem Lager 5 wurden 45 Personen nach Hause entlassen. Durch diese Kranken erfuhren die Eltern und Angehörigen endlich nach zehn Monaten, wo sich die Verschleppten befanden. Kurz vor diesen Kranken kamen zwei Männer aus Rußland zu Fuß nach Hause, die aus einem dieser Lager ausgerissen waren. Von diesen konnte man nicht viel erfahren, denn sie hielten sich verborgen. Da jetzt die Angehörigen zu Hause schon wußten, wo sie überhaupt waren, begannen einige mit dem Briefeschreiben. Die Heimgekehrten berichteten unter anderem auch, daß die Dolmetscher in vielen Fällen über die Lagerinsassen falsche politische Informationen gaben und die Gefangenen von den Offizieren oft schikaniert wurden. Der erste Brief,

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der noch im Oktober geschrieben wurde, kam im Lager 1 im März 1946 an. Er war ein halbes Jahr unterwegs.Den Brief bekam eine junge Frau von ihrem Mann, der schon Anfang September 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft in Österreich in die Heimat Elek entlassen wurde. Der Brief war so deutlich und klar geschrieben und schilderte die Lage von daheim, wie sie damals war. Der Briefschreiber hat die Dolmetscher sehr scharf angegriffen, weil ihn die kranken Heimkehrer über diese Situation gut informiert hatten. Eine aus Jugoslawien stammende Lagerdolmetscherin hat den Brief zuerst gelesen und geprüft. Sie brachte den Brief nur zögernd an die angeschriebene Frau. Sie sagte zu Frau N. N.: „Wenn ich mit dir nicht so gut befreundet wäre, würde ich dir diesen Brief nie überreichen, dein Mann greift uns alle sehr hart an.“ Deshalb wurde dann dieser Brief nur geheim übergeben, so daß die GPU-Offiziere gar nichts davon wußten. Die Briefe durften übrigens nur einmal durchgelesen werden, nachher hat sie der GPU-Leutnant verbrannt. So konnte dann dieser Brief in allen Lagern der Eleker im Geheimen gelesen werden, natürlich nur von Bekannten. So waren sie dann fast alle über die Lage daheim informiert. Nur von der bevorstehenden Ausweisung wußten sie nichts, aber auch die Daheimgebliebenen ahnten davon noch nichts. Auf dem Brief klebten für 900 Pengö Briefmarken. Da staunten sie nur und sagten zueinander: um Gotteswillen, haben die zu Hause ein Joch Feld verkauft, um den Brief fortschicken zu können? Weil damals ein Joch Feld ca. 900 Pengö kostete. Dadurch ahnten sie, daß in der Heimat wieder die Inflation blühte, wie es nach dem Ersten Weltkrieg auch der Fall war.

In jedem Lager hatte der GPU-Offizier seine Vertrauensleute auserwählt, die ihm laufend über die Einstellung der Lagerinsassen und was im Lager gesprochen wurde, berichteten. Auch über die politische Vergangenheit und Volksbund usw. Wurde nachgeforscht. Wenn jemand verraten wurde, holte man diesen Unglücklichen immer in der Nacht zwischen ein und zwei Uhr zum Verhör, welches bis in die frühen Morgenstunden dauerte. Trotzdem mußte er zur Arbeit gehen. Die Hauptdolmetscherin war eine Jüdin aus Dnjepropetrowsk, sie kam monatlich einmal für 2–3 Tage in das Lager und wirkte bei Verhören mit.Am Anfang haßte uns die russische Zivilbevölkerung, wahrscheinlich wegen unseres guten Allgemeinzustandes. Ein halbes Jahr reichte noch das von zu Hause mitgebrachte Fett, der Schweinespeck und das Mehl. Auch die Kleidung von zu Hause war so lange noch in Ordnung. Das dauerte aber nur bis Mai, Juni 1945. Von da an ging es in sehr raschem Tempo abwärts. Da brachen wir schon fast alle unterernährt und mit zerlumpten Kleidern auf den Arbeitsplätzen zusammen. Von den Russen, wie auch von den Deutschen, starben viele. Ein Jahr später, im Sommer 1946, war die Lagerbevölkerung schon so heruntergekommen, daß immer bis zu 300 Arbeitsunfähige und Schwerkranke herumlagen. Die Kranken wurden auch in diesem Jahr im September nach Hause abtransportiert. Die Lumpen der Abtransportierten wurden unter den Zurückgebliebenen verteilt. Als sie fort waren, wurde das ganze Lager umgruppiert. Das Umziehen im Lager war alle zwei bis drei Monate an der Tagesordnung. Es wurde immer gewechselt und man durfte nie in ein und demselben Raum bleiben. Dann kam der schreckliche Winter 1946–47. Die Verpflegung war so gering, daß wir nur noch Skeletten glichen. Es gab Fälle, da nahe Verwandte – die sich zu Hause fast täglich trafen – von einem anderen Lager zu Besuch kamen und vor lauter Abmagerung einander nicht wiedererkannten. Die Schwerkranken wurden von den anderen isoliert untergebracht. Nach einigen Tagen schwollen Beine und Kopf an, sie bekamen Durchfall und nach zwei, drei Tagen waren sie tot. Der Verlust an toten betrug trotz der Krankentransporte 15 bis 18% der Lagerinsassen.

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Die Lagerküche bekam nicht einmal soviel Brennmaterial zugewiesen, daß sie das Essen kochen konnte. Die Leute brachten das Holz vom Arbeitsplatz für die Küche mit, dafür bekamen sie eine zusätzliche Suppe. Ein Mann brach unterwegs mit seinem Holz zusammen, die Schicksalsgefährtenhaben ihn – es war Mitte Februar – im Schnee und grimmiger Kälte liegen lassen. Keiner von ihnen hat sein Holz liegenlassen, um ihm in das Lager zurückzuhelfen. Keiner wollte durch Hilfsbereitschaft die zusätzliche Suppe einbüßen. Ein Zeichen dafür, wie der Hunger und die Tortur die Menschen seelisch und körperlich vernichtete. Viele Lagerinsassen sind am Körper aufgeschwollen, auch solche, die noch vor einem halben Jahr zu den bestverdienenden Spezialisten, Technikern, Uhrmachern, Baumeistern zählten, das heißt nebenher verdienten. Auch diese haben sich wie kleine Kinder benommen, und man konnte mit ihnen über ernste Dinge nicht reden. Die Gelehrtesten wurden am ehesten irrsinnig.Die Grube hatte 150 Pferde. Ist ein Pferd vor Hunger verendet, wurde das Fleisch von den Russen aufgegessen. Die Leber, Lunge und Milz bekamen manchmal auch einzelne Lagerinsassen, die zufällig während der Zerlegung vorbeikamen. Die Hungersnot war so groß, daß die Menschen sogar Hunde und Katzen geschlachtet und aufgegessen haben. Aber auch diese fand man nur selten.An Wanzen und Ratten hat es nie gefehlt. Die Ratten sind oft über schlafende Gesichter gelaufen. Die Betroffenen schlugen vor Schreck Alarm. Da erwachte dann das ganze Zimmer. Baden mußten wir immer spät in der Nacht, das Wasser war kalt, oft war man nur halb gebadet, da kein Wasser mehr da war. Einige Handwerker konnten sich nebenbei etwas dazuverdienen, aber nur dann, wenn sie den Verdienst mit dem Offizier teilten. So konnten sie sich doch noch selbst ernähren. Die Lagerleitung konnte man sehr leicht mit Schmuck, Uhren und anderen wertvollen Sachen bestechen. Wer das Glück hatte, diese Sachen lange Zeit zu verstecken, der konnte sich durch Bestechung in den Krankentransport aufnehmen lassen und kam so nach Hause. In den Krankentransporten starben täglich von 1000 Kranken 8 bis 10 Menschen.Nach der Arbeit kamen wir mit nassen Kleidern, Schuhen, Füßen und nassen Fußlappen in die unbeheizten kalten Räume. Wir legten die nassen Fußlappen zum Trocknen unter uns, aber statt zu trocknen sind sie gefroren. Ausziehen konnten wir uns wegen der Kälte nicht, wir hatten weder Stroh, Strohsäcke noch Decken. Die Daunenfederdecken, die wir von zu Hause mitgenommen hatten, wurden von den Russen in einem Keller gelagert, und wir duften sie nicht benutzen. In der Früh mußten wir wohl oder übel mit den hartgefrorenen Fußlappen und den hart vereisten Schuhen zur Arbeit. Wir waren alle Todeskandidaten; wer das nicht miterlebt hat, kann sich das alles nicht vorstellen, kaum noch glauben. Im Winter wurden die Toten nicht beerdigt, man hat sie in einem Schuppen aufeinandergestapelt. Im Frühjahr hat man sie in ein Massengrab gelegt. Die Ratten haben die Augenhöhlen der gestapelten Toten ausgefressen und auch andere Teile angenagt. Die Gesamtzahl der Toten ist von den aus Elek Verschleppten auf etwa 150 bis 200 zu schätzen, genau ist das leider nicht feststellbar. Die Bevölkerung von Elek ist in der ganzen Welt verstreut und lebt in Kanada, USA, Brasilien, Australien und auch in Deutschland. Auch aus der Nachbarstadt Gyula hat man die Deutschen nach Rußland verschleppt, obwohl diese kein Wort Deutsch konnten. Sie waren schon völlig assimiliert, aber wegen ihrer deutschen Abstammung und Namen hat man sie nach Rußland gebracht. Von der Ausweisung hat man sie jedoch noch verschont.

(Elek 1977:141-145)

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