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Arbeitszufriedenheit von ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken
Eine empirische Untersuchung zur Erhebung der Zufriedenheit von
BerufsanfängerInnen und ÜbersetzerInnen mit langjähriger Berufserfahrung
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
einer Magistra der Philosophie
an der Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von
Stefanie KLÜNSNER
am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft
Begutachterin: Univ.-Prof. Dr. Hanna Risku
Graz, 2012
2
“We are witnessing a revolution in the
making as scientists from all different
disciplines discover that complexity has a
strict architecture. We have come to
grasp the importance of networks.”
(Barabási 2002:7)
“[A]s production networks cannot function
without translators, improving translators’
working conditions therein is of
paramount importance to the users and
the entire industry.” (Abdallah 2012:37)
"The translation profession has recently
undergone a shift from a predominantly
humanist occupation to a globalized
industry. […] Characterized by a
hierarchical structure, extreme division of
labour, and the involvement of multiple
actors, production networks are rife with
ethical dilemmas.” (Abdallah 2011b:129)
“[N]ot only do people have a need to
make sense of the subject position they
occupy in their work but they also need
to create such an attitude toward their
work so that they can tolerate the given
conditions, retain their self-respect, and
find their role somehow meaningful.”
(Abdallah 2010:30)
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG 6
1 NETZWERKE UND IHRE TRANSLATIONSWISSENSCHAFTLICHE RELEVANZ 9
1.1 Netzwerkforschung in der Translationswissenschaft 10 1.1.1 Von der traditionellen zu einer neuen Struktur 10 1.1.2 Aufkommen von „Produktionsnetzwerken“ 11 1.1.3 Beschreibung translatorischer Netzwerkbeziehungen anhand Barabásis Netzwerkforschung 12
1.1.3.1 Barabásis „General Network Theory“ 12 1.1.3.2 Beziehungen zwischen AkteurInnen eines translatorischen Netzwerkes 14
1.2 Netzwerkforschung in der Soziologie 16 1.2.1 Die „Agency Theory“ 16
1.2.1.1 Das Konzept der „Agency“ 17 1.2.1.2 Principal‐Agent‐Beziehungen in translatorischen Produktionsnetzwerken 18 1.2.1.3 Die vier Principal‐Agent‐Dyaden 19
1.2.2 Die Actor‐Network Theory 21 1.2.2.1 Zum Inhalt der Actor‐Network Theory 21 1.2.2.2 Die Akteure 22 1.2.2.3 Die Übersetzung 23 1.2.2.4 Die vier Momente der Übersetzung 24 1.2.2.5 Relevanz der Actor‐Network Theory für die Translationsforschung 25
1.3 Abdallahs Untersuchungen in translatorischen Produktionsnetzwerken 27 1.3.1 Gründe für (Un‐)Zufriedenheit beim Übersetzen in translatorischen Produktionsnetzwerken 28 1.3.2 Asymmetrische und unvollständige Informationen 29 1.3.3 Moral Hazard 30 1.3.4 Vertrauensbeziehungen 32 1.3.5 Loyalitätsbeziehungen 33 1.3.6 Qualität als Konfliktquelle 35 1.3.7 Schlechte Bezahlung und geringes Ansehen 36 1.3.8 Vorbereitung von StudentInnen auf die Arbeit in Produktionsnetzwerken 39 1.3.9 Zusammenfassung und Fazit 40
2 PSYCHOLOGISCHE KONZEPTE DER ARBEITSZUFRIEDENHEIT 41
2.1 Die Bedeutung der Arbeit und einhergehender Emotionen 42 2.1.2 Emotionen bei der Arbeit 43
2.1.2.1 Positive Arbeitsemotionen wie Freude und Stolz 44 2.1.2.2 Negative Arbeitsemotionen wie Stress, Angst und Neid 45 2.1.2.3 Zusammenspiel von Emotionen und Arbeitszufriedenheitsurteilen 46
2.2 Theoretische Ansätze zur Untersuchung der Arbeitszufriedenheit 47 2.2.1 Begriffsbestimmung Arbeitszufriedenheit 48 2.2.2 Grundlegende Konzepte und Theorien 49
2.2.2.1 Die Motivationstheorie nach Maslow (1954) 49 2.2.2.2 Herzbergs Zwei‐Faktoren‐Theorie (1959) 50 2.2.2.3 Das Modell der Formen der AZ nach Bruggemann et al. (1975) 51 2.2.2.4 Erweiterung des Modells von Bruggemann durch Büssing (1991) 53 2.2.2.5 Das Arbeitszufriedenheitsmodell von Jiménez (2000) 54 2.2.2.6 Relevante aktuelle Studien 56
3
2.2.2.6.1 AZ und Innere Kündigung 56 2.2.2.6.2 Zufriedenheit älterer Beschäftigter 57 2.2.2.6.3 Einfluss von Arbeitswerten und Wichtigkeitsgraden 58 2.2.2.6.4 Messung von Arbeitszufriedenheit 59
2.2.3 Das komplexe Modell der Arbeitszufriedenheit von Roedenbeck (2008) 60 2.2.3.1 Situative Aspekte der Arbeitszufriedenheit 61 2.2.3.2 Personelle Aspekte der Arbeitszufriedenheit 63
3 ANALYTISCHER ORIENTIERUNGSRAHMEN FÜR DIE EMPIRISCHE STUDIE 64
3.1 Interdisziplinäre theoretische Grundlagen 64
3.2 Theoretische Grundlagen aus der Psychologie 66
3.3 Determinanten für Arbeitszufriedenheit: der Orientierungsrahmen 67
4 FORSCHUNGSFRAGE UND HYPOTHESEN 70
5 EMPIRISCHE STUDIE 72
5.1 Zielsetzung der Fragestellung 72
5.2 Methode der empirischen Studie 73 5.2.1 Begründung für ein qualitatives Vorgehen im vorliegenden Fall 74 5.2.2 Vorstellung der angewandten Methode 75
5.2.2.1 Definition der in Frage kommenden InterviewpartnerInnen 75 5.2.2.2 Leitfaden‐Interview und Leitfadenkonstruktion 76 5.2.2.3 Transkription 78 5.2.2.4 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring 80
5.3 Datenauswertung und ‐analyse 81 5.3.1 Durchführung des Leitfaden‐Interviews 81 5.3.2 Statistische Angaben zu den befragten Personen 82
Ausbildung 82 5.3.3 Analyse und Interpretation der Arbeitszufriedenheit der befragten Personen 83
5.3.3.1 Arbeitszufriedenheit der BerufsanfängerInnen 84 5.3.3.1.1 BA1 – Ariane „Die Aussteigerin“ 84 5.3.3.1.2 BA2 – Ava „Die Desillusionierte“ 90 5.3.3.1.3 BA3 – Angelika „Die Sicherheitsbedürftige“ 96 5.3.3.1.4 BA4 – Armin „Der Spieler“ 102 5.3.3.1.5 BA5 – Alessandra „Die Willensstarke“ 107 5.3.3.1.6 BA6 – Anja „Die finanziell Unabhängige“ 112 5.3.3.1.7 Arbeitszufriedenheit der BerufsanfängerInnen: Fazit 117
5.3.3.2 Arbeitszufriedenheit der erfahrenen ÜbersetzerInnen 121 5.3.3.2.1 BE1 – Edoardo „Der Weltenbummler“ 121 5.3.3.2.2 BE2 – Elke „Die Kontaktfreudige“ 127 5.3.3.2.3 BE3 – Esther „Die Teamplayerin“ 133 5.3.3.2.4 BE4 – Evelyn „Die Späteinsteigerin“ 140 5.3.3.2.5 Arbeitszufriedenheit der erfahrenen Übersetzerinnen: Fazit 146
5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse 148
5.5 Besprechung der Hypothesen 151
5.6 Einflussreiche Faktoren und erfolgreiche Strategien für AZ 152
4
6 ALLGEMEINE SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK 157
7 BIBLIOGRAFIE 160
8 ANHANG – ABBILDUNGS UND TABELLENVERZEICHNIS 164
9 ANHANG – TRANSKRIPTE 165
10 ANHANG – CD 272
5
Einleitung
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Arbeitszufriedenheit von Übersetzer-
Innen in translatorischen Produktionsnetzwerken. Diese im Laufe der Globalisierung
aufgekommene Netzwerkstruktur hat in der gegenwärtigen Übersetzungs- branche
wesentlich an Bedeutung gewonnen und bildet heutzutage das Arbeitsumfeld einer
Vielzahl von ÜbersetzerInnen. Das Aufkommen von Produktionsnetzwerken hatte zur
Folge, dass die traditionell horizontale Struktur der Übersetzungstätigkeit, bei der
ÜbersetzerInnen direkten Kontakt zu ihren KundInnen hatten, durch eine vertikale
Organisationsstruktur ersetzt wurde, in der ÜbersetzerInnen oft viele Verbindungen von
ihren EndkundInnen entfernt sind (Abdallah/Koskinen 2007:675).
Wie die Pionierstudie von Kristiina Abdallah (2012) zeigt, geht diese Umstellung jedoch
mit einer Reihe unterschiedlicher Herausforderungen und Probleme einher. Beispiels-
weise ist der Konkurrenzkampf unter ÜbersetzerInnen in solchen Netzwerken sehr groß,
wodurch sowohl der Preis für ihre Dienstleistungen als auch die Qualität der Produkte
sinkt. Folglich verringert sich auch das ohnehin niedrige Ansehen des Berufes noch
weiter, was sich wiederum in noch schlechterer Bezahlung äußert. Außerdem haben
ÜbersetzerInnen aufgrund ihrer ungünstigen Position im Netzwerk oftmals wenig Einfluss
und keinen Zugriff auf relevante Informationen, was sich in manchen Fällen auf die
Qualität ihrer Übersetzungen auswirkt.
Solche und andere Herausforderungen führen schließlich dazu, dass sich Übersetzer-
Innen in translatorischen Produktionsnetzwerken in eine Randposition gedrängt fühlen
und zunehmend unzufrieden mit ihrer Rolle und Arbeit in diesem System sind. Sollte ihre
Unzufriedenheit weiter steigen, besteht die Gefahr, dass sie aus dem System aussteigen
oder junge qualifizierte ÜbersetzerInnen erst gar nicht einsteigen. (Vgl. Abdallah 2007,
2010, 2012)
Durch die Vergegenwärtigung eben skizzierter Schwierigkeiten, mit denen es Übersetzer-
Innen in Produktionsnetzwerken aufnehmen müssen, wird ersichtlich, weshalb aktuell ein
derart großer Forschungsbedarf hinsichtlich der Beschaffenheit solcher Produktions-
netzwerke sowie der darin bestehenden Relationen und Interaktionen besteht. Denn erst
wenn bestimmte Probleme und deren Ursache verstanden und zutage gefördert werden,
können entsprechende Maßnahmen und Lösungsstrategien entworfen werden.
Aus diesem Grund sollen im Rahmen dieser Diplomarbeit – als Beitrag zu diesem bislang
kaum erforschten Themengebiet – ÜbersetzerInnen nach ihren persönlichen Erfahrungen
in translatorischen Produktionsnetzwerken befragt werden. Um ein möglichst breites
Spektrum an Erfahrungen, Zugängen, Problemen und Lösungsstrategien erfassen zu
können, werden für die Interviews sowohl BerufsanfängerInnen als auch erfahrene
ÜbersetzerInnen ausgewählt. Dabei soll die zentrale Forschungsfrage dieser Diplomarbeit
nach der Zufriedenheit von BerufsanfängerInnen und erfahrenen ÜbersetzerInnen mit
ihrer Übersetzungstätigkeit in Produktionsnetzwerken geklärt werden. Die Detailfragen,
die es dabei zu beantworten gilt und die Hypothesen, die der Untersuchung vorausgehen,
ergeben sich aus der theoretischen Abhandlung dieser Arbeit und werden in Kapitel 4
zusammengefasst dargestellt.
Den theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit bilden in einem ersten Kapitel (Kapitel
1) Abdallahs Ansätze aus der Translationswissenschaft (2007, 2010, 2012), die General
Network Theory des Physikers Barabási (2002), die Agency Theory (Eisenhardt 1989)
und die Actor-Network Theory (Latour 1987) aus der Soziologie.
Zunächst soll die Netzwerkrelevanz und -forschung in der Translationswissenschaft
besprochen werden. Als Verstehensgrundlage für die Topologie translatorischer
Produktionsnetzwerke und für die Beschreibung der darin bestehenden Beziehungen wird
Barabásis Netzwerkmodell herangezogen, auf die sich insbesondere Abdallah für ihre
Studien in translatorischen Netzwerken stützt. Ihre Untersuchungsergebnisse sowie
Beiträge von Chan (2005), Risku (2009) und Dams/Zethsen (2011) sollen erläutert
werden, um den Einfluss der vorherrschenden Strukturen und Vorgänge auf die Agency
der ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken identifizieren zu können.
Die Agency Theory wird herangezogen, um die Komplexität von Produktionsnetzwerken
zu entschlüsseln und die darin stattfindenden wirtschaftlichen Kooperationen, den
Informationsfluss und die Beziehungen der verschiedenen AkteurInnen zu untersuchen.
Es soll festgestellt werden, inwiefern asymmetrischer Informationsfluss und Moral Hazard
bestehen und zur Zufriedenheit beziehungsweise Unzufriedenheit von ÜbersetzerInnen
beitragen. Hierbei wird bereits auf einige Ergebnisse von Abdallahs Studien eingegangen.
Die Actor-Network Theory soll schließlich dazu dienen, den Einfluss menschlicher und
nichtmenschlicher „Akteure“ im Produktionsnetzwerk zu beleuchten und Qualitäts-
probleme und Machtstrukturen zu analysieren.
Da es bei dem Thema der vorliegenden Arbeit aber nicht nur um ÜbersetzerInnen und
ihren Beruf geht, sondern auch um ihre Zufriedenheit bei der Arbeit, erscheint es hierbei
besonders wichtig, die psychologische Komponente dieses Aspektes zu berücksichtigen
und in einem zweiten theoretischen Kapitel (Kapitel 2) zu diskutieren. Als Einführung in
die psychologische Dimension des Themas „Arbeitszufriedenheit“ (AZ) sollen grundlegen-
de psychologische Konzepte und Modelle der „Arbeitszufriedenheitsforschung“ vorgestellt
werden, die für das Verständnis des Untersuchungsgegenstandes erforderlich sind.
7
Schließlich wird eines der aktuellsten Konzepte der AZ-Forschung ausgearbeitet: das
Komplexe Modell der Arbeitszufriedenheit von Roedenbeck (2008). Ziel ist es hierbei
nicht, dieses überaus komplexe Modell bis ins kleinste Detail zu erörtern, sondern
verschiedene Determinanten daraus abzuleiten, die für die Zufriedenheit bei der Arbeit
bestimmend sind. Diese sollen dann zusammen mit eigens erarbeiteten netzwerk-
spezifischen Faktoren für AZ in einen Orientierungsrahmen eingeordnet werden, auf den
bei der Analyse der Interviewdaten zurückgegriffen werden kann.
Dieser interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es, die Forschungsfrage aus verschiedenen
Blickwinkeln zu betrachten – dem der Translationswissenschaft, dem der Physik, dem der
Soziologie und dem der Psychologie – und Erkenntnisse daraus zu kombinieren. Die
Analyse der Untersuchungsdaten basiert somit auf einem ganzheitlichen Gedanken-
konstrukt, wodurch Schlussfolgerungen aus einem möglichst breiten Ideenspektrum
entstehen können.
Der Untersuchung einzelner Erfahrungsberichte sind natürlich Grenzen gesetzt und es
können keine allgemein gültigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Trotz allem ist
dieser Untersuchungsansatz zur Erhebung der Zufriedenheit von ÜbersetzerInnen bei der
Arbeit essentiell, um den Berufsalltag von ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken
besser verstehen, Probleme aufdecken und Lösungen dafür finden zu können. Oberstes
Ziel ist es, anhand der Zufriedenheitsurteile der interviewten ÜbersetzerInnen die Haupt-
probleme und möglichen Lösungsstrategien von BerufsanfängerInnen und erfahrenen
ÜbersetzerInnen zu identifizieren. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung sollen
Aufschluss darüber geben, ob das bestehende System in dieser Form längerfristig
Bestand haben kann oder ob grundlegende Veränderungen vonnöten sind.
8
1 Netzwerke und ihre translationswissenschaftliche Relevanz
Netzwerke jeglicher Form und Ausprägung (Internet, Terrornetzwerke, biologische Netz-
werke, etc.) sind in der modernen Kultur des 21. Jahrhunderts allgegenwärtig und „will
drive the fundamental questions that form our view of the world in the coming era”
(Barabási 2002:7). Die verschiedensten Wissenschaften bedienten sich des Begriffs
„Netzwerk“ zur Beschreibung des Phänomens, durch Raum und Zeit Verbindungen
herzustellen, zu kommunizieren und zu interagieren. Durch diesen Begriff sollte das
Konzept der Verbundenheit sowie die Komplexität von Netzen, die durch multidimension-
ale Beziehungen und Organisationsstrukturen aufgebaut sind, visualisiert und begreifbar
gemacht werden (Folaron/Buzelin 2007:606).
Wie in der Einleitung bereits erwähnt wurde, ist die Netzwerkstruktur seit der Globali-
sierung auch in der Übersetzungsbranche das vorherrschende Arbeitsumfeld vieler
ÜbersetzerInnen. Für die Untersuchung dieser translatorischen Netzwerke bediente sich
die Translationswissenschaft bestimmter Rahmenkonzepte aus anderen Wissenschaften,
die sich mit dem Konzept „Netzwerk“ befassen. Die so erzielte Identifikation von
Phänomenen, die entweder direkt oder indirekt mit Übersetzung in Zusammenhang
stehen, hilft dabei, netzwerkinterne Prozesse zu verstehen und die Interaktionen zwischen
AkteurInnen, Institutionen, Texten und Strategien in Form eines komplexen Netzwerkes
wiederspiegeln zu können. Außerdem erlaubt dieser interdisziplinäre Zugang die
Betrachtung translatorischer Netzwerke und aller wesentlichen Einflussfaktoren aus
einem multidimensionalen Blickwinkel. Dieser „increasing focus on interdisciplinarity in
translation studies“ (Tahir-Gürçağlar 2007:726) führte zur Entwicklung neuer Methoden
und Perspektiven für die Übersetzungsforschung und schließlich auch zu einer
Erweiterung des Bereiches der Translationswissenschaft (ibid.:726f.).
Auch die vorliegende Arbeit greift auf Theorien unterschiedlicher Wissenschaften zurück,
um die Entstehung, Beschaffenheit und Funktionsweise translatorischer Produktionsnetz-
werke beschreiben und analysieren zu können. In Unterkapitel 1.1.3.1 des nachfolgenden
Kapitels wird daher auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Physik Bezug genommen, um
die Beziehungen zwischen AkteurInnen eines Netzwerkes besser beschreiben zu können.
9
1.1 Netzwerkforschung in der Translationswissenschaft
Das Interesse der Translationswissenschaft am Konzept des Netzwerkes wurzelt in den
Auswirkungen der strukturellen Veränderungen, die sich seit der Globalisierung in der
Übersetzungsbranche zugetragen haben: Projekte werden gegenwärtig über die verschie-
densten geografischen Grenzen sowie sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg
realisiert: „The network-based nature of the translation industry is evident from current
practice where translation projects are managed across countries, continents, cultures
and languages” (Cronin 2003). Ermöglicht wird dies durch die Organisations- struktur
eines Netzwerkes, in welchem der Übersetzer/die Übersetzerin lediglich ein Akteur/eine
Akteurin unter vielen ist.
In der „kulturellen Wende“ der 1990er Jahre wurde in der Translationswissenschaft das
Bild von ÜbersetzerInnen als einsam tätige „HandwerkerInnen“ durch ein Konzept ersetzt,
das die Übersetzungsproduktion als Ergebnis interkultureller Teamarbeit begriff (Kung
2009:123f.). Die Tatsache, dass auch andere AkteurInnen, wie beispielsweise Heraus-
geberInnen, VerlegerInnen, Institutionen, LeserInnen und AutorInnen, eine Rolle im
Übersetzungsprozess spielen, trat verstärkt in das Bewusstsein der Translationswissen-
schaftlerInnen und wurde folglich in ihren Überlegungen berücksichtigt. Der Fokus, der
lange Zeit auf dem Text, der Textäquivalenz und kulturellen Faktoren lag, verschob sich
zu dieser Zeit auf den soziokulturellen Kontext, in dem die Übersetzungsproduktion
stattfindet. Übersetzung wurde nunmehr als bedeutsame soziale Handlung angesehen,
die neben dem Übersetzer/der Übersetzerin von einer Reihe anderer AkteurInnen
durchgeführt wird und in einem Netzwerk stattfindet (ibid.).
1.1.1 Von der traditionellen zu einer neuen Struktur
Außerhalb der Translationswissenschaft wird Übersetzen meist als eine „solitary activity“
(Folaron/Buzelin 2007:634) angesehen und ÜbersetzerInnen als die unsichtbaren Mittels-
personen. Die Studien der TranslationswissenschaftlerInnen Abdallah und Koskinen
(2007), Abdallah (2012), Risku (2009) und Dam/Zethsen (2011) (siehe Kapitel 1.3) zeigen
jedoch, dass sich der Beruf von ÜbersetzerInnen in der gegenwärtigen Welt, in der
zunehmend Verbundenheit herrscht und in der gegenseitige Abhängigkeit die Norm
geworden ist, verändert hat. Sowohl ihre Aufgabenbereiche als auch ihre Arbeitsumgeb-
ungen sind komplexer geworden: „Der Allrounder im stillen Kämmerlein wird […] zum
Problemlöser, der in der Lage ist, im Teamverband komplexe interkulturelle Situationen zu
meistern“ (Risku 2009:32).
10
Diese Wandlung des Berufsbildes professioneller ÜbersetzerInnen ist auf große Struktur-
veränderungen zurückzuführen, die sich im Laufe der letzten 15 Jahre zugetragen haben
(Abdallah 2012:iii). Die traditionelle dyadische Struktur der Übersetzungstätigkeit besteht
aus dem Kunden/der Kundin und dem Übersetzer/der Übersetzerin der Übersetzung.
Diese Struktur setzt den direkten Kontakt zwischen den KundInnen und den
ÜbersetzerInnen voraus. Es besteht die Möglichkeit, den Übersetzungsauftrag zu
besprechen, relevantes Material zu erhalten und den Auftrag sowie die Bezahlung zu
verhandeln (ibid.:46).
Diese traditionelle Struktur wird auf dem gegenwärtigen Übersetzungsmarkt zunehmend
durch eine neue Struktur ersetzt. Diese neue Struktur hat die Form eines selbst-
organisierenden, skalenfreien, „real-world“ Netzwerkes (mehr dazu in Kapitel 1.1.3.1)
(Abdallah/Koskinen 2007:635), in welchem KundInnen und ÜbersetzerInnen nicht mehr in
direktem Kontakt miteinander stehen. Die „beratende und koordinierende“ (Risku
2009:137) Vermittlung zwischen den beiden übernehmen in solchen Netzwerken
Übersetzungsunternehmen, die durch ihre mächtige Vermittlerposition die Dynamik der
Branche verändert haben. Daraus ergibt sich eine völlig neue Konstellation in der
Übersetzungsbranche. Es entstanden sogenannte Produktionsnetzwerke, die die Rolle
und den Status von ÜbersetzerInnen beeinflusst haben (Abdallah/Koskinen 2007:674).
1.1.2 Aufkommen von „Produktionsnetzwerken“
Produktionsnetzwerke wurden von Abdallah und Koskinen (2007:675) als die vorherr-
schende Arbeitsumgebung für ÜbersetzerInnen in der gegenwärtigen Übersetzungs-
branche beschrieben. Laut Sturgeon (2001:2) ist das Produktionsnetzwerk „a set of inter-
firm relationships that bind a group of firms into a larger economic unit“. Es handelt sich
hierbei um Firmen unterschiedlicher Größe, angefangen bei MikrounternehmerInnen
(BesitzerInnen kleiner Betriebe) bis hin zu multinationalen Unternehmen. Abdallah
(2010:11) verdeutlicht diese Definition mit der Erklärung, dass vertikal organisierte und
damit stark hierarchische Produktionsnetzwerke aus mehreren AkteurInnen bestehen,
deren Rollen und Leistungen sich in der Interaktion manifestieren.
Produktionsnetzwerke entstanden im Zuge des freien Handels und der Globalisierung als
Leitfirmen wie etwa Fernsehsender, Unternehmen oder Institutionen begannen, jene
Tätigkeiten auszulagern, die bis dahin betriebsintern durchgeführt wurden. Sogenannte
„Komplettanbieter“, wie etwa Übersetzungsunternehmen, machten es sich zur Aufgabe,
diesen Leitfirmen ein Komplettpaket an Waren und Dienstleistungen anzubieten. Anstatt
jedoch hauseigenes Personal anzustellen, nehmen diese Komplettanbieter zusätzliche
11
DienstleisterInnen unter Vertrag, sogenannte „UnterauftragnehmerInnen“ (sub-
contractors), welche unter Umständen wiederum eine andere Schicht noch kleinerer
Arbeitseinheiten beschäftigen.
Die Leitfirmen geben in solchen Netzwerken Anweisungen und Spezifizierungen über das
Produkt oder die Dienstleistung. Die Komplettanbieter entscheiden dann, wo und wie
diese Produkte oder Dienstleistungen gemacht werden. Die UnterauftragnehmerInnen
hingegen haben auf all diese Entscheidungen wenig Einfluss und stehen in der Regel nur
durch den vermittelnden Anbieter mit den End-KundInnen in Verbindung (Abdallah/
Koskinen 2007:675). Diese neue Struktur hat die Handlungsfähigkeit, die sogenannte
„Agency“ (mehr dazu in Kapitel 1.2.1.1), von ÜbersetzerInnen grundlegend verändert und
dazu geführt, dass diese sich oft gezwungen sehen, sich unethisch zu verhalten:
[P]roduction networks manifest themselves as a challenging working environment for the translator, as pressures from the rest of the production network may impose certain unethical behavior on the translator, despite translators’ desire to act ethically in the interest of the user. (Abdallah 2012:32)
Welche Probleme im Speziellen dazu führen, dass ÜbersetzerInnen in dieses ethische
Dilemma gedrängt werden, soll in den folgenden Abschnitten erklärt werden.
1.1.3 Beschreibung translatorischer Netzwerkbeziehungen anhand Barabásis Netzwerkforschung
Um die Beziehungen zwischen den AkteurInnen zu beschreiben, die in translatorischen
Produktionsnetzwerken tätig sind, ist es zunächst nötig, ein dieser Struktur zugrunde
liegendes Konzept von Netzwerken näher zu beleuchten. Es handelt sich hierbei um das
in der Einleitung bereits angesprochene Netzwerkkonzept des Physikers Albert-László
Barabási, das nun herausgegriffen und im folgenden Unterkapitel kurz näher beleuchtet
werden soll. Seine Arbeit im Bereich der Netzwerkforschung liefert Begriffe, Modelle und
Erklärungen, die der Translationswissenschaft als Basis für ihre Beschreibungen
translatorischer Netzwerke und darin bestehender Beziehungen dienten.
1.1.3.1 Barabásis „General Network Theory“
Der ungarische Physiker Albert-László Barabási beschäftigte sich eingehend mit
Netzwerken. Seine Forschungsarbeit sollte in den Naturwissenschaften der Anfang einer
„neuen“ Netzwerkforschung sein. Im Gegensatz zur mathematischen Graphentheorie, die
sich hauptsächlich mit kombinatorischen Eigenschaften künstlicher Konstrukte
beschäftigt, konzentriert sich diese „neue“ Netzwerkforschung auf Strukturen natürlich
vorkommender Netzwerke, auf sogenannte „real-world networks“ (Newman et al. 2006:4).
12
Barabásis Studien zufolge sind reale Netzwerke, wie beispielsweise translatorische
Produktionsnetzwerke, das Internet oder soziale und ökonomische Netzwerke, keine
Zufallsnetzwerke, wie seit den Forschungsergebnissen der Mathematiker Erdős and
Rényi im Jahr 1959 angenommen wurde (Barabási 2002:23), sondern sogenannte
„skalenfreie Netzwerke“ (scale-free networks).
Wie am Beispiel Internet demonstriert werden kann, haben die meisten Knoten eines
solchen skalenfreien Netzwerkes nur sehr wenige Verbindungen und einige wenige
Knoten, sogenannte „Hubs“, eine Vielzahl von Verbindungen: „Just as in society a few
connectors know an unusally large number of people, we found that the architecture of the
World Wide Web is dominated by a few very highly connected nodes, or hubs“ (ibid.:58,
Hervor.i.Orig.). In Zufallsnetzwerken hingegen weisen die meisten Knoten die gleiche
Anzahl an Verbindungen auf (ibid.:74ff.). Abbildung 1 dient der Veranschaulichung dieser
zwei Netzwerkarten.
Abb. 1: (a) Zufallsnetzwerke, (b) skalenfreie Netzwerke1
Barabási näherte sich dem Netzwerk von der Perspektive des Netzwerkwachstums
(growth). Demnach entstehen Hubs, die eine Vielzahl an Verbindungen mit anderen
Knoten im Netzwerk eingehen, aufgrund präferierter Verbindungen (preferential
attachment). Barabásis Untersuchungen ergaben, dass diese Hubs die Topologie des
Netzwerkes bestimmen, exponentiell wachsen und somit zu einer hierarchischen Struktur
führen (ibid.). Diese Erkenntnis verdeutlichte den Unterschied zwischen künstlichen und
„real-world“ Netzwerken und bewies, dass
[...] growth and preferential attachment can explain the basic features of the networks seen in nature. No matter how large and complex a network becomes, as long as
1 Quelle der Grafik: http://www.nature.com/nature/journal/v406/n6794/fig_tab/406378a0_F1.html [06.02.2013]
13
preferential attachment and growth are present it will maintain its hub-dominated scale-free topology. (Barabási 2002:91)
Wie Barabásis Feststellung bereits zu entnehmen ist, wird die Topologie skalenfreier
Netzwerke von Hubs dominiert. Das Gesetz des Wachstums besagt, dass mit dem
Wachstum des Netzwerkes die Knoten, die als erstes an das Netzwerk anknüpften, mehr
Zeit hatten, neue Verbindungen zu gewinnen als jene Knoten, die erst später dazu
kamen. Präferierte Verbindung heißt demnach, dass die stark verlinkten Hubs noch mehr
Verbindungen erzielen und somit noch einflussreicher werden.
Daraus folgt, dass ein Knoten, der neu zu einem Netzwerk hinzukommt, eine Verbindung
mit einem Hub eingehen muss, um im Netzwerk bestehen zu können. Aufgrund ihrer
selbstorganisierenden Eigenschaft sind skalenfreie Netzwerke in der Regel jedoch
hierarchisch, undemokratisch und für Neuankömmlinge als drakonisch anzusehen
(ibid.:61). Es stellt sich daher die Frage, wie sich Neuankömmlinge in diesen Netzwerken
zurechtfinden, „in which only the rich get richer” (ibid.:92).
1.1.3.2 Beziehungen zwischen AkteurInnen eines translatorischen Netzwerkes
Bei der Beschreibung der neuartigen Beziehung zwischen den einzelnen AkteurInnen
translatorischer Produktionsnetzwerke werden Parallelen zu Barabásis Netzwerk-
forschung ersichtlich. Seine Modelle und Konzepte selbstorganisierender, skalenfreier
und realer Netzwerke können wie eingangs schon erwähnt in der Translationswissen-
schaft angewandt werden und somit zu einem besseren Verständnis des sozioökono-
mischen Status‘ professioneller ÜbersetzerInnen beitragen (Folaron/Buzelin 2007:635).
Wie in der Einleitung besprochen werden ÜbersetzerInnen in translatorischen Netzwerken
mit Herausforderungen konfrontiert, die es in dyadischen Beziehungen zwischen
KundInnen und ÜbersetzerInnen nicht gibt. Die horizontale und persönliche Beziehung
zwischen KundInnen und ÜbersetzerInnen (Abb. 2), die sich vormals kannten und sogar
in demselben Unternehmen arbeiteten, wird durch ein vertikales Netzwerk ersetzt (Abb.
3). Die EndkundInnen sind in solch einem vertikalen Netzwerk unter Umständen mehrere
Verbindungen von den ÜbersetzerInnen entfernt. Somit herrscht zwischen ihnen kein
direkter Kontakt und keine Interaktion mehr (Abdallah/Koskinen 2007:675).
14
Abb. 2: dyadische Beziehung zwischen ÜbersetzerIn und KundIn (Abdallah/Koskinen 2007:677)
Abb. 3: translatorische Produktionsnetzwerke (Abdallah/Koskinen 2007:677)
Wie diese Abbildungen zeigen, werden ÜbersetzerInnen in diesen vertikalen Netzwerken
mit einem System konfrontiert, in dem es keine dyadischen Beziehungen mehr zwischen
ihnen und ihren KundInnen gibt. In der gegenwärtigen Sprachenindustrie erledigen
Komplettanbieter von Übersetzungen oft riesige mehrsprachige Projekte. Unterauftrag-
nehmende ÜbersetzerInnen, die für einen Teil einer Sprachkombination zuständig sind,
stellen dabei lediglich ein Glied einer langen Kette dar (Abdallah/Koskinen 2007:675).
In Produktionsnetzwerken scheint sich die Rolle und der Status von ÜbersetzerInnen als
ÜbersetzungsexpertInnen verringert zu haben, während sich Übersetzungsunternehmen
fest als Vermittler zwischen KundInnen und ÜbersetzerInnen etabliert haben. Diese
Veränderung wurde als die „industrielle Revolution“ der Übersetzungsbranche bezeichnet.
15
Laut Champollion (2006) (zit. n. Abdallah/Koskinen 2007:675) fallen ÜbersetzerInnen
dabei ironischerweise ihrer eigenen industriellen Revolution zum Opfer. In Netzwerken
werden sie zu Maschinenteilen, wie das im frühen 19. Jahrhundert bei den Industriearbei-
terInnen der Fall war. Durch die Globalisierung wird das Übersetzungsvolumen zwar zu-
nehmend größer, die ÜbersetzerInnen werden jedoch zu anonymen Komponenten eines
gigantischen Systems, das von internationalen Übersetzungsbüros geleitet wird (ibid.).
An dieser Stelle ist anzumerken, dass es immer noch die traditionelle dyadische
Beziehungen zwischen ÜbersetzerInnen und ihren KundInnen gibt, zwischen denen kein
Vermittler fungiert. ÜbersetzerInnen empfinden diese Beziehungen oftmals als befriedi-
gender und führen zudem zu besseren Ergebnissen: „In such relations, the translator can
generally exercise his/her full agency and expertise, which has positive repercussions on
the translation quality as well“ (Abdallah 2012:46).
1.2 Netzwerkforschung in der Soziologie
Obwohl ÜbersetzerInnen weitgehend als unsichtbar angesehen werden, können sie als
die HauptakteurInnen translatorischer Produktionsnetzwerke angesehen werden. Die
Untersuchung ihrer Wahrnehmung des Systems ist daher von besonderer Bedeutung. Um
die Studie vorliegender Arbeit durchführen und analysieren zu können, sind jedoch neben
dem Verständnis über ihr Arbeitsumfeld in Netzwerken und deren topologische
Beschaffenheit auch das Wissen über theoretische Rahmenkonzepte aus der Soziologie
erforderlich. In den folgenden Unterkapiteln sollen daher zwei soziologische Theorien
vorgestellt werden, die eine wertvolle Basis für die Untersuchung der Arbeitszufriedenheit
von ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken sowie für die Analyse der
Untersuchungsdaten darstellen. Zuerst wird auf die „Agency Theory“ eingegangen und im
Anschluss die „Actor-Network Theory“ vorgestellt.
1.2.1 Die „Agency Theory“
In den 1960er und 1970er Jahren beschäftigten sich WirtschaftswissenschaftlerInnen
erstmals mit der sogenannten „Agency Theory“, um die unterschiedlichen Risikobereit-
schaften und Handlungsspielräume von Individuen und Gruppen untersuchen zu können
(Eisenhardt 1989:58). Später wurde der Ansatz wesentlich von Eisenhardt (1989)
beeinflusst. Die Interessen und Errungenschaften der Agency Theory bilden einen
wichtigen Grundstein für Vorkenntnisse und Annahmen, die der vorliegenden Unter-
suchung zugrunde liegen, weshalb diese Forschungsrichtung in diesem Kapitel ein-
gehend vorgestellt und diskutiert werden soll.
16
Die Agency Theory beschäftigt sich mit den omnipräsenten „Agency“-Beziehungen, bei
denen ein „Principal“ (AuftraggeberIn) Arbeit an einen „Agent“ (Beauftragte/n) überträgt,
der diese dann ausführt – aus diesem Grund ist die Theorie auch unter dem Namen
„Principal Agent Theory“ bekannt. Ziel der Theorie ist es, diese Beziehung zu beschreiben
und Lösungen für zwei in dieser Beziehung auftretende Probleme zu finden: das Agency-
Problem und das Problem der Risikoteilung. Das Agency-Problem entsteht, wenn die
Wünsche und Ziele der AuftraggeberInnen und der Beauftragten in Konflikt stehen und es
schwierig oder teuer für die AuftraggeberInnen ist, das tatsächliche Handeln der
Beauftragten zu überprüfen. Das Problem der Risikoteilung tritt auf, wenn Auftrag-
geberInnen und Beauftragte unterschiedliche Risikobereitschaften haben und daher
unterschiedliche Handlungen bevorzugen.
Der Vertrag, der die Beziehung zwischen AuftraggeberInnen und Beauftragten bestimmt,
dient als Untersuchungseinheit. Das Ziel der Agency Theory ist es daher, den
effizientesten Vertrag für die AuftraggeberInnen-Beauftragten-Beziehung zu bestimmen
(Eisenhardt 1989:58).
1.2.1.1 Das Konzept der „Agency“
Das Konzept der „Agency“ kann als „willingness and ability to act“ (Kinnunen/Koskinen
2010:6) definiert werden. Die Bereitschaft (willingness) etwas zu tun, steht in Verbindung
mit bewussten, reflexiven und intendierten Entscheidungen und schließt moralische und
ethische Komponenten mit ein. Es handelt sich daher um einen individuellen und
psychologischen Aspekt. Die Fähigkeit (ability) etwas zu tun, impliziert hingegen vielmehr
Einschränkungen und die vorhandene Macht(losigkeit), wodurch die intrinsische
Beziehung zwischen Macht und Agency ersichtlich wird. Schließlich ist Agency auch ein
Produkt von Handlungen (actions) und daher keine statische und messbare Entität
(ibid.:6f.), sondern vielmehr „a relational, fluid and constantly evolving series of acts, a
‘flow’“ (ibid.:7).
Laut Hollstein (2008:91) beschreibt das Konzept der Agency die Handlungs- und
Gestaltungsmöglichkeit der AkteurInnen in einem Netzwerk. In den gegenwärtigen
translationswissenschaftlichen Studien spielt es eine zentrale Rolle für die Beschreibung
und Erklärung der professionellen Rollen von ÜbersetzerInnen (Kinnunen/Koskinen
2010:4), weshalb es auch für die Untersuchung der vorliegenden Arbeit von großer
Relevanz ist. Anhand der Agency Theory soll die Agency der ÜbersetzerInnen aus ihrer
eigenen Sicht erforscht werden, um somit einen Zusammen- hang zu ihrer
Arbeitszufriedenheit oder Unzufriedenheit feststellen oder ausschließen zu können.
17
1.2.1.2 Principal-Agent-Beziehungen in translatorischen Produktionsnetzwerken
Anhand der Untersuchung von Principal-Agent-Beziehungen kann gezeigt werden, was
passiert, wenn Zuständigkeiten zwischen AuftraggeberInnen und Beauftragten übertragen
werden. Unter dem Gesichtspunkt der Agency Theory kann demnach die Entstehung
translatorischer Produktionsnetzwerke auf diese Übertragung von Zuständigkeiten
zwischen AuftraggeberInnen und Beauftragten zurückgeführt werden:
Translation production networks are formed when one actor who needs translations, in the capacity of a principal, delegates work to another actor, an agent, to produce these translations, and this latter actor, in the capacity of a principal, subcontracts translating work to yet another actor, who becomes an agent. (Abdallah 2010:15)
In einer solchen Beziehung zwischen AuftraggeberInnen und Beauftragten können
unterschiedliche Probleme auftreten. Beispielsweise wenn die beiden Parteien
unterschiedliche Ziele verfolgen oder ein asymmetrischer Informationsstand besteht,
wenn AuftraggeberInnen und Beauftragte eine unterschiedliche Risikobereitschaft haben
oder ihre Wünsche und Ziele miteinander konkurrieren (Eisenhardt 1989:60f., Abdallah
2010:14, 2012:25f.).
Von einem „asymmetrischen Informationsstand“ wird gesprochen, wenn sich Auftrag-
geberInnen und Beauftragte in einer wirtschaftlichen Unternehmung gegenseitig nicht die
nötigen relevanten Informationen zukommen lassen (Abdallah 2012:26). Im Falle eines
vollständigen Informationsflusses weiß der Auftraggeber/die Auftraggeberin über die
Vorgehensweise des/der Beauftragten Bescheid. Im Falle eines asymmetrischen
Informationsflusses weiß der Auftraggeber/die Auftraggeberin nicht genau, was der/die
Beauftragte getan hat: „Given the self-interest of the agent, the agent may or may not
have behaved as agreed“ (Eisenhardt 1989:61).
Stimmen die Wünsche des Auftraggebers/der Auftraggeberin und des/der Beauftragten
nicht überein und ist der Auftraggeber/die Auftraggeberin nicht in der Lage, zu
kontrollieren, ob der/die Beauftragte angemessen gehandelt hat, tritt das Agency-Problem
auf. Hierbei treten zwei Aspekte ins Bild: „Moral Hazard“ und „Adverse Selection“. Von
„Moral Hazard“ wird gesprochen, wenn der/die Beauftragte nicht den nötigen Einsatz
zeigt: „The argument here is that the agent may simply not put forth the agreed-upon
effort. That is, the agent is shirking“ (ibid.). Eine genauere Definition für diesen Begriff
bietet Abdallah:
Moral hazard occurs in the network when one party takes risks at the expense of the other parties in such a manner so as to benefit the risk taker economically from his/her risk-taking, whilst the other parties end up paying for the negative consequences, should the risk materialise. (Abdallah 2012:5)
18
„Adverse Selection“ bezieht sich auf das Risiko, das AuftraggeberInnen bei der
Kooperation mit ÜbersetzerInnen eingehen, da sie deren Fähigkeiten im Vorhinein oder
währenddessen nicht überprüfen können:
The argument here is that the agent may claim to have certain skills or abilities when he or she is hired. Adverse selection arises because the principal cannot completely verify these skills or abilities either at the time of hiring or while the agent is working. (Eisenhardt 1989:61)
Wenn das Verhalten des/der Beauftragten nicht beobachtbar ist, kann der Auftrag-
geber/die Auftraggeberin entweder auf Informationsüberwachungssysteme, wie beispiels-
weise Finanzplanungssysteme, Berichterstattungsverfahren und zusätzliche Führungs-
ebenen, zurückgreifen, um die Vorgehensweise des/der Beauftragten zu überwachen,
oder er/sie stellt den Beauftragten/die Beauftragte unter einen angemessenen Vertrag.
Dadurch sollen Agency-Probleme verhindert werden, da der/die Beauftragte so realisiert,
dass er den Auftraggeber/die Auftraggeberin nicht betrügen kann (ibid.:61f.).
Für eine reibungslose Beziehung zwischen AuftraggeberInnen und Beauftragten spielen
also verschiedene Faktoren eine wesentliche Rolle. Der Vertrag wird dabei als wichtiges
Instrument genannt, durch welches verschiedene Formen der Kooperation und der
Kontrolle zwischen AuftraggeberInnen und Beauftragten ermöglicht werden. Ziel ist es
daher, den „optimalen Vertrag“ zwischen den beiden zu eruieren (Eisenhardt 1989:60).
Abdallah wandte die eben skizzierten Erkenntnisse der Agency Theory für ihre
Untersuchungen an (2010:13) und konnte zeigen, dass bei der Übertragung von
Zuständigkeiten zwischen AuftraggeberInnen und ÜbersetzerInnen in translatorischen
Produktionsnetzwerken Fehler auftreten. Ein näheres Eingehen auf ihre Ergebnisse
erfolgt in Kapitel 1.3.
1.2.1.3 Die vier Principal-Agent-Dyaden
Zunächst soll an dieser Stelle jedoch auf Abdallahs (2010:15) Anwendung der Agency
Theory zur Erklärung der Struktur translatorischer Produktionsnetzwerke eingegangen
werden. So beschreibt sie die gegenwärtige translatorische Netzwerkform als aus vier
verschiedenen Dyaden bestehend, wobei jede der vier Dyaden die Beziehung zweier
unterschiedlicher GeschäftspartnerInnen beschreibt. Sie stellt diese vier Dyaden in einer
Grafik dar (siehe Abb. 4).
19
Abb. 4: Abdallahs Modell der vier Principal-Agent-Dyaden in translatorischen Produktionsnetzwerken (Abdallah 2010:16)
Aus der Grafik kann abgelesen werden, dass in diesen vier Principal-Agent-Dyaden die
LeserInnen der Übersetzung gegenüber den anderen AkteurInnen immer die Rolle des
„Primary Principals“ (PP) einnehmen. ÜbersetzerInnen hingegen befinden sich immer in
der Rolle des „Agent“ (A) gegenüber zwei AuftraggeberInnen, den LeserInnen einerseits
und dem Übersetzungsunternehmen andererseits. Dem Kundenunternehmen sowie dem
Übersetzungsunternehmen kommt jeweils eine Doppelrolle zu: die Rolle des „Inter-
mediary principal“ (IP) oder des „Agents“ (ibid.:17). Diese Abbildung verdeutlicht daher
den hierarchischen Charakter translatorischer Produktionsnetzwerke.
Wie auch bei Abdallahs Studie liegt das Interesse der vorliegenden Untersuchung auf den
Dyaden drei und vier. Um die Un-/Zufriedenheit von ÜbersetzerInnen in translatorischen
Produktionsnetzwerken ergründen zu können, gilt es, die Beziehung zwischen dem
Übersetzungsunternehmen als Intermediary Principal und dem Übersetzer/der
Übersetzerin als Agent sowie die Beziehung zwischen den EndverbraucherInnen der
Übersetzung als Primary Principal und dem Übersetzer/der Übersetzerin als Agent zu
verstehen und zu beschreiben.
Die Agency Theory dient dazu, die Komplexität von Produktionsnetzwerken zu behandeln
und wirtschaftliche Kooperationen, Informationsflüsse sowie die Beziehungen der
unterschiedlichen vernetzten AkteurInnen zu untersuchen. Darüber hinaus macht die
Agency Theory klar, dass AuftraggeberInnen nach Weitergabe von Zuständigkeiten an
Beauftragte nicht nur Vertrauen benötigen, sondern auch wirtschaftliche Anreize und
Informationsüberwachungssysteme. Nur so können AuftraggeberInnen sichergehen, dass
Beauftragte in ihrem besten Interesse handeln (Abdallah 2012:26f.).
20
1.2.2 Die Actor-Network Theory
In diesem Kapitel soll nun die zweite Theorie aus der Soziologie, die für die Analyse
vorliegender Untersuchung von Relevanz ist, vorgestellt werden: die sogenannte „Actor-
Network Theory“ (ANT), die in den frühen 1980er Jahren in der Wissenschafts- und
Techniksoziologie entstand.
Die Gründer und wichtigsten Vertreter der ANT waren Bruno Latour, John Law und Michel
Callon (Fenwick/Edwards 2010:3). Sie gingen erstmals von der Annahme aus, dass es
ein Wechselspiel zwischen Technologie und Gesellschaft gibt. Zur damaligen Zeit waren
VertreterInnen der beiden vorherrschenden Denkrichtungen, dem Technik- determinismus
und dem Sozialkonstruktivismus, der Meinung, dass sich Gesellschaft und Technologie
gegenseitig nicht beeinflussen würden. Der revolutionäre Denkansatz der ANT brachte
demnach erstmals Technologie und Gesellschaft zusammen und vereinte beide in einem
sozio-technologischen System (Ziemkendorf 2007:3, Belliger/Krieger 2006:20f.).
Natur und Gesellschaft sind laut ANT nicht getrennt zu betrachten. Die Gesellschaft der
Moderne ist durchwegs technisiert und das Zusammenspiel und die Abhängigkeit des
Menschen von der Technik eine selbstverständliche Tatsache. In allen gesellschaftlichen
Bereichen wird menschliches Handeln und Erleben von Technik geprägt, weshalb der
Mensch seine technischen Apparate vermehrt vermenschlicht und sozialisiert. Das
Problembewusstsein gegenüber Technik und Wissenschaft steigt und führt zu einem
grundlegend neuen Verständnis von Mensch und Natur. Der theoretische Anspruch der
ANT kann daher als adäquates Angebot für ein neues Paradigma der Soziologie ange-
sehen werden, das im nächsten Kapitel erläutert werden soll. (Belliger/Krieger 2006:16f.)
1.2.2.1 Zum Inhalt der Actor-Network Theory
An die Stelle des Versuchs, soziale oder materiell-technische Bedingungen zu erklären,
tritt in der ANT das Streben nach einer Beschreibung heterogener Netzwerke
(Belliger/Krieger 2006:23). Grundsätzlich besagt die ANT, dass die Welt aus techno-
sozial-semiotischen Hybriden besteht, also beispielsweise aus Zeichen, Menschen,
Institutionen, Normen und Artefakten, die sich ständig selbständig in sich verändernden
Netzwerken organisieren. Natur und Gesellschaft sowie Subjekt und Objekt sollen laut
ANT nicht als unhinterfragte Voraussetzungen der Theoriebildung dienen. Die ANT bietet
eine Alternative, indem sie versucht, die
Realität so zu beschreiben, dass sie nicht in die Kategorie und den Rahmen der modernen Übereinkunft fällt, welche das wirkliche Geschehen – die Interaktion von Menschen und Nichtmenschen in das Kollektiv der Hybriden – verdeckt. (Ibid.:24)
21
Der Grundsatzgedanke der ANT besagt also, dass das Soziale aus Netzwerken besteht,
die wiederum aus heterogenen Objekten gebildet werden „whose resistance has been
overcome“ (Law 1992:2). Diesem Konzept geht jedoch die Kernannahme der ANT voraus,
dass diese Netzwerke nicht nur aus Menschen, sondern auch aus jedem erdenklichen
anderen Stoff und Material bestehen, wie beispielsweise aus Maschinen, Tieren, Texten,
Geld oder Konstruktionen. In Laws (1992) Worten bedeutet dies also, dass
[…] the stuff of the social isn’t simply human. It is all these other materials too. Indeed, the argument is that we wouldn’t have a society at all if it weren’t for the heterogeneity of the networks of the social. So in this view the task of sociology is to characterise these networks in their heterogeneity, and explore how it is that they come to be patterned to generate effects like organisations, inequality and power. (Ibid.:2f.)
Mit genau dieser Frage nach dem Entstehen von Organisationen, Ungleichheiten und
Machtverhältnissen in sozialen Netzwerken beschäftigt sich auch die vorliegende Arbeit.
Es gilt, diese Entwicklungen aufzuzeigen, um verstehen zu können, in welchem Arbeits-
umfeld ÜbersetzerInnen arbeiten, wie sie darin positioniert sind und insbesondere wie sie
sich darin zurechtfinden und fühlen.
1.2.2.2 Die Akteure
Da in der ANT nicht nur Menschen, sondern auch Materialien berücksichtigt werden,
entstand ein neues Konzept der anglosächsischen Begriffe „actor“ und „actant“, die bis
vor Aufkommen der ANT immer einen einzelnen bewusst handelnden Menschen meinten.
Laut semiotischer Definition ist ein „actor“ oder „actant“ in der ANT also
something that acts or to which activity is granted by others. It implies no special motivation of human individual actors, nor of humans in general. An actant can literally be anything provided it is granted to be the source of an action. (Latour 1999:5, Hervor.i.Orig.)
Aufgrund der Tatsache, dass der Begriff „Akteur” sowohl Menschliches als auch Nicht-
menschliches bezeichnet, wird er im Folgenden nur gegendert, wenn ausschließlich von
menschlichen AkteurInnen die Rede ist.
Die Erweiterung des Akteurbegriffs in der ANT um Nichtmenschen führte zu einem neuen
Denkansatz in der Soziologie. Insbesondere auch deshalb weil der Stellenwert von
Menschen hierbei nicht höher ist als jener der Nichtmenschen. Der Mensch wird als
gleichwertiger Teil der Welt gesehen, ein Standpunkt, der als „Symmetry“ bezeichnet wird
und ein Grundkonzept der ANT darstellt (Belliger/Krieger 2006:35). Nichtmenschliches
jeglicher Art (Bakterien, Möbel, Technologien, Chemikalien, Erinnerungen, etc.) kann sich
jederzeit zusammenschließen, sich selbst und gegenseitig verändern. Diese Dinge
22
formen Verbände oder Netzwerke, die sich räumlich ausbreiten und sehr lange Bestand
haben können (Fenwick/Edwards 2010:3).
Netzwerke bestehen also aus Akteuren, die wiederrum selbst aus heterogenen
Elementen zusammengesetzt sind. Akteure sind somit selbst auch immer Netzwerke
(Belliger/Krieger 2006:43). Ein Fernseher beispielsweise, der aus einem Geflecht an
Kabeln und Anschlüssen besteht, eine Bank, die aus verschiedenen Transaktionen und
KundInnen-Verbindungen aufgebaut ist oder ein Körper, der ein komplexes Netzwerk von
Prozessen beinhaltet. Alle diese Akteure bestehen aus Netzwerken. Ihr Erscheinungsbild
wird jedoch als etwas Einheitliches wahrgenommen und die Netzwerke, die es bilden,
verschwinden. Diese vereinfachenden Auswirkungen werden in der ANT als
„Punktualisierungen“ (punctualisation) bezeichnet und erschließen eine wichtige
Eigenschaft von sozialen Netzwerken.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass ein Akteur keineswegs stabil ist. Soziale Strukturen
unterliegen daher auch einer ständigen Weiterentwicklung und Reproduktion. Dieses
prozessorientierte Konzept sozialer Strukturen impliziert, dass keine Version einer
sozialen Ordnung, einer Organisation oder eines Akteurs jemals vollendet, autonom und
endgültig ist (Law 1992:5f.). Der Prozess, bei dem sich heterogene Akteure aneinander
anpassen und einen punktualisierten Akteur (ein Netzwerk) bilden, wird „Übersetzung“
genannt und bildet den Forschungsschwerpunkt der ANT. Es wird untersucht,
[...] how actors and organisations mobilise, juxtapose and hold together the bits and pieces out of which they are composed; how they are sometimes able to prevent those bits and pieces from following their own inclinations and making off; and how they manage, as a result, to conceal for a time the process of translation itself and so turn a network from a heterogeneous set of bits and pieces each with its own inclinations, into something that passes as a punctualised actor. (Law 1992:6)
Wie die Anpassung der Akteure an ein neues Netzwerkumfeld durch Überwindung der
eigenen Neigungen erreicht wird, soll im folgenden Kapitel genauer besprochen werden.
1.2.2.3 Die Übersetzung
Der Prozess, der stattfindet, wenn sich Menschen oder Objekte zusammenschließen und
gegenseitig verändern, um Verbindungen herzustellen, nennt Latour (1987:108)
„translation“ (Übersetzung), weshalb die ANT auch „Soziologie der Übersetzung“
(Belliger/Krieger 2006:38; Callon 2006:135) genannt wird.
Bei jeder Verbindung, die zwischen Entitäten entsteht, wirkt eine Entität auf die andere ein
und „übersetzt“ (transtales) diese, um Teil der Gemeinschaft oder des Netzwerkes werden
zu können (Fenwick/Edwards 2010:9). Law beschreibt Übersetzung als den „process or
the work of making two things that are not the same, equivalent” (Law 1999:8). Übersetz-
23
ung ist der ständige Versuch, Akteure in ein Netzwerk einzubinden, indem im Rahmen
eines Handlungsprogramms Akteuren Rollen und Interessen zugewiesen werden.
Es handelt sich bei diesem Vorgang um einen komplexen Prozess, der aus einer Reihe
verschiedener kommunikativer Handlungen besteht, die alle das Ziel verfolgen, ein
Netzwerk zu bilden (Belliger/Krieger 2006:38f.). Vor der Übersetzung sind die Akteure
ohne Kontakt zueinander irgendwo verstreut. Erst die während des Übersetzungs-
prozesses stattfindenden Verhandlungen und Anpassungen führen schließlich dazu, dass
die Akteure ein geeintes, kooperierendes Netzwerk bilden (Callon 2006:169f.).
1.2.2.4 Die vier Momente der Übersetzung
Der komplexe Prozess der Übersetzung wird laut Callon (2006:135) in vier Momente
eingeteilt: die Problematisierung (1), das Interessement (2), das Enrolment (3), und die
Mobilisierung (4). Durch Übersetzungen gehen diese Phasen ineinander über, ohne
jemals einen definitiven Endzustand zu erreichen. Mit diesem Modell wird ein Prozess
beschrieben, der entweder gelingen oder scheitern kann, weshalb Callon eine fünfte
Phase (Dissidenz) hinzufügte, die die neue Netzkonstruktion erneut infrage stellt (Lorenz 2008:580, Callon 2006:165).
Problematisierung (1) meint, dass ein Netzwerk immer dann gebildet wird, wenn sich ein
Akteur vor ein Problem gestellt sieht, für dessen Lösung er andere potentielle
menschliche oder nichtmenschliche Akteure gewinnen muss. Dabei muss das Problem-
bewusstsein mit anderen Akteuren geteilt werden, es muss also ein obligatorischer
Passagepunkt (OPP) gefunden und definiert werden (Callon 2006:149), bevor
kooperatives Handeln möglich ist. Der übersetzende Akteur versucht dabei, das Problem
so zu definieren, dass es andere ebenfalls als Problem ansehen, das sie lösen wollen. In
weiterer Folge versucht er die anderen in das Netzwerk eingebundenen Akteure davon zu
überzeugen, dass das Problem anhand seines Handlungsprogramms gelöst werden kann
(Belliger/Krieger 2006:40). Um ein auf dieses Problem bezogenes Handlungsprogramm
zu erstellen, folgt nun das Interessement (2).
Bei dieser zweiten Phase der Übersetzung werden die Akteure nach ihrer Netzwerk-
tauglichkeit und -bereitschaft getestet und so für das Handlungsprogramm konstituiert.
Um in einem neuen Netzwerk mitarbeiten zu können, müssen die Akteure daher aus ihren
bisherigen Zusammenhängen gelöst werden (Lorenz 2008:580) und ihnen werden Rollen,
Identitäten und Funktionen zugeteilt. Während sich die Akteure so in ein neues Netzwerk
einbinden, lösen sie alte Netzwerke auf, in denen sie zuvor Mitglied waren. Ziel der
Interessement-Phase ist es, die Akteure zu Verbündeten zu machen und Allianzen zu
bilden (Belliger/Krieger 2006:40).
24
Ist der Prozess des Interessements erfolgreich, führt er zum Enrolment (3). Es handelt
sich hier um einen Transformationsprozess, der alle Akteure im Netzwerk betrifft und bei
dem es gilt, mögliche Formen des Zusammenspiels der beteiligten Akteure zu finden.
Dieses Zusammenspiel kann aber nur funktionieren, wenn die einzelnen Akteure ihre
Rollen akzeptieren, sie dieser also keinen Widerstand entgegensetzen (Lorenz 2008:580;
Belliger/Krieger 2006:41; Callon 2006:156f.). Das Enrolment kann sich auf verschiedenste
Arten äußern, beispielsweise durch Einsatz physischer Gewalt, Verführung, Transaktion
oder durch widerstandslose Zustimmung (Callon 2006:159).
Die Mobilisierung (4) ist dann jene Phase, in der die Akteure und ihre Verbindungen
stabilisiert und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Sie bilden so ein
Netzwerk von Beziehungen, das durch eine/n oder wenige SprecherInnen repräsentiert
wird (Callon 2006:160ff.; Lorenz 2008:580). „Mobilisieren“ bedeutet, „dass Entitäten, die
zuvor unbeweglich waren, Beweglichkeit verliehen wird“ (Callon 2006:162). Die Akteure
tauschen in dieser Phase mit allen möglichen Mitteln Dinge, Rollen und Interessen,
sogenannte Vermittler bzw. Vermittlungsinstanzen, aus. Diese Vermittlungsinstanzen
(Produkte, Geld, Texte, Vertreter, Delegierte, etc.) können als die Sprache des
Netzwerkes betrachtet werden, mithilfe welcher Akteure ihre Intentionen in andere
Akteure übersetzen (Belliger/Krieger 2006:41).
Diese vier Phasen des Übersetzungsprozesses stellen jeweils eine Momentaufnahme des
Verhandlungsfortschrittes dar, der schließlich dazu führt, dass einzelne SprecherInnen
definiert werden, die das Netzwerk repräsentieren und für dieses handeln und sprechen,
ohne dass eine Abstimmung stattgefunden hat. Es kann natürlich auch vorkommen, dass
die Verschiebungen und die SprecherInnen abgelehnt werden oder die Akteure ihre
Rollen nicht akzeptieren. Dann wird von „Dissidenz“ gesprochen (Callon 2006:170).
1.2.2.5 Relevanz der Actor-Network Theory für die Translationsforschung
Der theoretische Rahmen der ANT „allows the description of a complex structure with its
heterogeneous elements and their relationships“ (Abdallah 2011a:175) und eignet sich
daher für die Untersuchung translatorischer Produktionsnetzwerke und beteiligter Akteure.
Die verschiedenen menschlichen AkteurInnen translatorischer Produktionsnetzwerke, die
bereits in Kapitel 1.1.2 als UnterauftragnehmerInnen sowie ArbeitnehmerInnen von
Leitfirmen, Komplettanbietern und Übersetzungsunternehmen identifiziert wurden, bilden
neben den nichtmenschlichen Akteuren, wie beispielsweise Texten, Geld, Konzepten,
Computern, Organisationen, Talenten, Verträgen, Aufträgen, u.v.m. (ibid.), das translato-
rische Akteur-Netzwerk.
25
Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, wie zufrieden oder unzufrieden ÜbersetzerInnen
mit ihrer Arbeit im Akteur-Netzwerk sind und welche Umstände beziehungsweise
Determinanten (Identität, Rolle, Funktion, etc.) dazu führen, dass sie zufrieden
beziehungsweise unzufrieden sind. Durch die Beschreibung der unterschiedlichen
Machtverhältnisse im Netzwerk könnten beispielsweise Gründe für Un-/Zufriedenheit
identifiziert werden. Wie es dazu kommt, dass einzelne Individuen im Akteur-Netzwerk
mächtiger werden als andere, kann durch die von der ANT angebotene Untersuchung des
„Übersetzungs“-Prozesses verdeutlicht werden:
Übersetzung ist der Mechanismus, durch den die soziale und die natürliche Welt fortschreitend Form annehmen. Das Resultat ist eine Situation, in der bestimmte Entitäten andere kontrollieren. Will man verstehen, was die Soziologen Machtbeziehungen nennen, muss man den Weg beschreiben, durch den die Akteure definiert, assoziiert und gleichzeitig verpflichtet werden, ihren Allianzen treu zu bleiben. Das Repertoire der Übersetzung […] erlaubt auch eine Erklärung, wie einige das Recht erhalten, die vielen von ihnen mobilisierten stillen Akteure der sozialen und natürlichen Welt zu repräsentieren und für sie zu sprechen. (Callon 2006:170)
Ziel dieser Arbeit ist es auch, eine Antwort auf die Frage zu erhalten, wie die AkteurInnen
translatorischer Netzwerke ihre Entscheidungen vertreten, welche Strategien sie
anwenden, um ihren Platz im Netzwerk zu verhandeln und um andere zur Kooperation zu
überreden. Diese Daten könnten helfen, die Quellen der Arbeitszufriedenheit und
-unzufriedenheit von ÜbersetzerInnen zu ergründen und folglich zu fördern
beziehungsweise zu eliminieren.
Die ANT bietet hierfür adäquate Denkansätze und Beschreibungsmöglichkeiten, weshalb
sie zusammen mit der Agency Theory von Kristiina Abdallah 2010 in translations-
wissenschaftlichen Untersuchungen angewandt wurde, um die Beziehungen zwischen
Akteuren in der Übersetzungsindustrie zu identifizieren und zu beschreiben (Abdallah
2010:12, Buzelin 2005:194f.). Das nächste Kapitel widmet sich genau diesen
Untersuchungen von Abdallah und soll die wesentlichen Ergebnisse hervorheben und im
Kontext der vorliegenden Untersuchung reflektieren.
26
1.3 Abdallahs Untersuchungen in translatorischen Produktionsnetzwerken
Die finnische Translationswissenschaftlerin Kristiina Abdallah fand anhand empirischer
Untersuchungen (Abdallah 2012:2) heraus, dass professionelle ÜbersetzerInnen
gegenwärtig hauptsächlich in translatorischen Produktionsnetzwerken tätig sind. Darüber
hinaus musste sie feststellen, dass bis dato nur sehr wenige wissenschaftliche
Untersuchungen über professionelle ÜbersetzerInnen durchgeführt wurden (2010:11). Sie
setzte es sich daher zum Ziel, die Arbeitsbedingungen von ÜbersetzerInnen, die in dieser
vernetzten Arbeitsumgebung tätig sind, zu untersuchen.
Im Rahmen ihrer 2012 veröffentlichten Doktorarbeit mit dem Titel „Translators in
Production Networks. Reflections on Agency, Quality and Ethics“ führte Abdallah
zwischen 2005 und 2011 (ibid.:12) Tiefeninterviews mit insgesamt acht finnischen
ÜbersetzerInnen durch, die zu Beginn des Befragungsprozesses für die verschiedensten
Übersetzungsbüros entweder als UnterauftragnehmerInnen (subcontractors), als
freiberufliche oder als angestellte ÜbersetzerInnen tätig waren. Sie wollte herausfinden,
welche Möglichkeiten und Ressourcen ÜbersetzerInnen zur Verfügung stehen, um ihre
Tätigkeit in Produktionsnetzwerken ausführen zu können und inwieweit es ihnen möglich
ist, ihren HauptauftraggeberInnen (Primary Principals), den LeserInnen, in Produktions-
netzwerken gerecht zu werden (Abdallah 2010:11f.).
Der Untersuchungsgegenstand von Abdallahs Arbeit fällt nicht nur in den Bereich der
Soziologie der Translation, sondern vor allem in den Bereich der translators’ workplace
studies (Abdallah 2012:1). Um die organisatorischen Charakteristika des Arbeitskontextes
von ÜbersetzerInnen zu definieren, bediente sie sich der oben erläuterten General
Network Theory Barabásis (2002), der Agency Theory Eisenhardts (1989) und der Actor-
Network Theory Latours (1987). Mithilfe dieser Theorien konnte sie zusätzliche Einblicke
in die Übersetzungsarbeit in translatorischen Produktionsnetzwerken erlangen und den
Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichsten Blickwinkeln analysieren.
Ihre Untersuchungsergebnisse sind laut eigenen Angaben von besonderer Relevanz für
professionelle ÜbersetzerInnen, WissenschaftlerInnen und Lehrende der Translations-
wissenschaft, AbsolventInnen des Translationswissenschaftsstudiums, KundInnenfirmen,
Übersetzungsunternehmen sowie LeserInnen der Übersetzungen „for they are all
stakeholders in translation production networks“ (Abdallah 2012:2). Es ist ihre
Überzeugung, dass es im langfristigen Interesse all dieser InteressensvertreterInnen liegt,
eine nachhaltige Entwicklung der Übersetzungsindustrie zu fördern.
27
Anhand ihrer Interviewdaten lässt sich ein Überblick über die Arbeit in Produktions-
netzwerken aus der Sicht der ÜbersetzerInnen selbst herstellen. Ihre Untersuchungen
und Analysen bieten eine wertvolle Basis für weitere Forschungen in diesem Bereich
(insbesondere der vorliegenden) und sind hinsichtlich der Probleme, Erfahrungen und
schließlich der Arbeitszufriedenheit bzw. -unzufriedenheit von ÜbersetzerInnen in
Produktionsnetzwerken besonders interessant. Aus diesem Grund widmet sich dieses
Kapitel den Ergebnissen ihrer Studie. Als Ergänzung zu ihren Erkenntnissen dienen die
interessanten Studienergebnisse der Translationswissen- schaftlerInnen Chan (2005),
Risku (2009) und Dam/Zethsen (2011).
1.3.1 Gründe für (Un-)Zufriedenheit beim Übersetzen in translatorischen Produktionsnetzwerken
Zunächst einmal erscheint es sinnvoll, Abdallahs Studien nach Gründen für Zufriedenheit
beim Übersetzen zu durchleuchten. Dabei ist jedoch festzustellen, dass in ihren Beiträgen
keine konkreten Gründe für die Zufriedenheit von ÜbersetzerInnen genannt werden.
Lediglich aus einer Aussage einer von ihr interviewten Übersetzerin lässt sich erschlie-
ßen, welche Faktoren für die Zufriedenheit von ÜbersetzerInnen bestimmend sein
könnten.
Es handelt sich dabei um die angestellte Übersetzerin namens Maija. Sie hatte aufgrund
schlechter Arbeitsbedingungen in einem Übersetzungsunternehmen zuerst ihrer
Unzufriedenheit Ausdruck verliehen („Voice“) und daraufhin das Unternehmen verlassen
(„Exit“) (Abdallah 2010:37). Im zweiten Interview mit Abdallah berichtete sie von ihrem
neuen Arbeitsplatz nur Positives:
Well, here it was very different. Much better. The people were different, more empowered, and the salaries were much better. There was a collective labour agreement, all the processes were written out in files. There were clear rules, lots of information was available, the work community was nice. The people and superiors were nice, too. […] There were problems here as well, but the people were active, they spoke out. (Maija, zit. n. Abdallah 2010:38)
Ihren Aussagen zufolge legen angestellte ÜbersetzerInnen Wert auf eine gute
Arbeitsatmosphäre, harmonische Zusammenarbeit mit den KollegInnen und Vorge-
setzten, eine funktionierende Kommunikationsbasis sowie ein angemessenes Gehalt und
kollektive Arbeitsvereinbarungen. Zu ihrer Zufriedenheit tragen darüber hinaus der freie
Zugriff auf relevante Informationen und klare Regeln bei. Es ist anzunehmen, dass bei
freiberuflichen ÜbersetzerInnen ähnliche Faktoren zu Zufriedenheit führen.
28
Hauptsächlich ging aus Abdallahs Gesprächen mit den finnischen ÜbersetzerInnen
jedoch die Unzufriedenheit selbiger hervor. Sie stellte fest, wie belastend die gegen-
wärtige Situation für ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken ist. Die Befragten wurden
beim Nachdenken über ihre Arbeit in Produktionsnetzwerken sichtlich wütend, frustriert
oder unsicher. Zwei der InterviewpartnerInnen begannen während des Interviews sogar
zu weinen.
Als Hauptproblem der gegenwärtigen Übersetzungsbranche wird die schlechte Bezahlung
genannt. Eine/r der interviewten ÜbersetzerInnen sieht darin eindeutig eine geringe
Wertschätzung seiner/ihrer Arbeit. Aus den Interviewdaten geht ebenfalls hervor, dass
sich ÜbersetzerInnen leicht verloren und ausgeschlossen fühlen, wenn sie essentielle
Informationen nicht erhalten, die sie brauchen würden, um den gesamten Prozess der
Produktionsnetzwerken sowie ihren Beitrag und ihre Zugehörigkeit darin verstehen zu
können.
Die Befragten bestätigten darüber hinaus, dass sich der Vertrauensaufbau zu
GeschäftspartnerInnen sehr schwierig gestaltet, wenn kein persönliches Treffen möglich
ist. Des Weiteren stimmen laut ihren Aussagen oft die Anforderungen nicht mit dem
überein, was realisierbar ist, und es wird ein irrationales Maß an Flexibilität verlangt.
(Abdallah 2007:681ff.)
Es kann daher angenommen werden, dass hingegen eine positive Bewertung der eben
genannten Faktoren Gehalt, Wertschätzung, Rolle, Einfluss und Anforderungen zu
Zufriedenheit führt.
1.3.2 Asymmetrische und unvollständige Informationen
Eine wesentliche Erkenntnis aus Abdallahs Untersuchungen ist, dass in translatorischen
Produktionsnetzwerken kein asymmetrischer Informationsfluss herrscht. Einer der Gründe
hierfür besteht darin, dass ÜbersetzerInnen sich darin allein schon aufgrund der
generellen Eigenschaften solcher skalenfreien – und dadurch höchst undemokratischen –
Netzwerke (s. Kapitel 1.1.3.1) in einer sehr ungünstigen Lage befinden, um auf
Informationen zugreifen zu können. Dies kann auch anhand der vier Principal-Agent-
Dyaden (Kapitel 1.2.1.3) demonstriert werden:
Even just by looking at the different dyads […], we can see that the translator enters the economic configuration only in the third dyad as the agent, and, as to the accessibility of information, this position is by definition structurally unfavourable because of the general principles of scale-free, and therefore highly undemocratic, networks. (Abdallah 2010:20, Hervor.i.Orig.)
29
Die lange Kette an AkteurInnen in Produktionsnetzwerken führt häufig dazu, dass
Informationen verloren gehen, wodurch die Arbeit der ÜbersetzerInnen erschwert wird:
[T]he client company is one or more dyads away from the actual translator, with no contact or interaction between them. Such chains of actors generate incomplete and asymmetric information by hindering the flow of relevant information. (Abdallah 2010:21f.)
Laut Aussagen der interviewten ÜbersetzerInnen sind in der gegenwärtigen
Übersetzungsbranche fehlende Informationen sowie minderwertige oder unzureichende
Ausgangsmaterialien keine Seltenheit. Unter diesen Umständen ist es ÜbersetzerInnen
nicht immer möglich, ihre Arbeit zufriedenstellend auszuführen (ibid.:22). Denn Übersetz-
erInnen brauchen Zugang zu relevanten Informationen und Materialien, um ein qualitativ
hochwertiges Endprodukt herstellen zu können. Die Minimalanforderungen von Übersetz-
erInnen zur Erfüllung eines adäquaten Übersetzungsauftrages inkludieren beispielsweise
den Ausgangstext, die kundenbezogene Terminologie, Informationen über das Ziel-
publikum und das Produkt. Werden diese nicht zur Verfügung gestellt, leidet nicht nur der
Arbeitsprozess des Übersetzers/der Übersetzerin darunter, sondern auch die Qualität des
Endproduktes (ibid.:20). Sind die einzelnen AkteurInnen durch einen Vertrag gebunden,
sollten alle über Eigenschaften und Qualität des Produktes gleichermaßen informiert sein.
Dass AuftraggeberInnen und Beauftragte nicht gleichermaßen Zugang zu Information
haben, kann sowohl unbeabsichtigt passieren als auch zum eigenen Vorteil beabsichtigt
sein. Dies geschieht meist aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen der Parteien oder
gegenseitigen Misstrauens. Aus Abdallahs Interviews geht hervor, dass ÜbersetzerInnen
im Falle eines unvollständigen Informationsaustausches frustriert und verärgert sind
(ibid.:20). Als Folge tritt dann oftmals das in Kapitel 1.2.1.2 besprochene Moral-Hazard-
Problem (ibid.:14f.) auf, das im folgenden Kapitel genauer diskutiert werden soll.
1.3.3 Moral Hazard
Unethisches Verhalten – oder Moral Hazard – entsteht nicht nur, wenn asymmetrischer
Informationsfluss oder (wie in Kapitel 1.2.1.2 erläutert) unterschiedliche Risikobereitschaft
herrscht, sondern auch wenn die Ziele und Wünsche der verschiedenen AkteurInnen nicht
übereinstimmen. In translatorischen Produktionsnetzwerken ist dies häufig der Fall, da
Qualität nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt wird (Abdallah 2010:22f., 2011a:181f.).
Abdallah betitelt diese Tatsache als „major problem in the present translation industry“
(Abdallah 2010:23) und schlägt als Lösung die Einführung eines Qualitätsklassifizierungs-
systems vor, das als Grenzobjekt oder Informationssystem gelten und die Qualitäts-
definitionen der verschiedenen AkteurInnen auf einen gemeinsamen Nenner bringen soll.
30
Die Erstellung eines solchen Informationssystems kann in translatorischen Produktions-
netzwerken, in denen „lack of trust is currently widespread“ (ibid.), als Investition in
Vertrauensförderung betrachtet werden und opportunistisches Verhalten sowie
unethisches Verhalten verhindern (ibid.:22f.).
Unethisches Verhalten kann sich auch als „Double“ oder „Triple Moral Hazard“ äußern.
Verhalten sich das Übersetzungsunternehmen und der Übersetzer/die Übersetzerin
einander gegenüber unethisch, betrügen sie sich also und halten sie Informationen
zurück, dann liegt ein Fall von „Double Moral Hazard“ vor. Von „Triple Moral Hazard“ ist
die Rede, wenn diese beiden Parteien zusammenarbeiten, um eine dritte Partei zu
betrügen. In beiden Fällen haben ÜbersetzerInnen keinen Zugang zu relevanten
Informationen und befinden sich unter dem ständigen Druck, den Anforderungen zweier
Principals (AuftraggeberIn und LerserIn) gerecht werden zu müssen, deren Ziele und
Interessen jedoch nicht übereinstimmen.
Den Ansprüchen der LeserInnen widerspricht beispielsweise das Übersetzen qualitativ
minderwertiger Ausgangstexte. Ein schlechter Ausgangstext verlangsamt die Arbeit der
ÜbersetzerInnen und kann die Qualität der Übersetzung vermindern. ÜbersetzerInnen
sind unter diesen Moral-Hazard-Bedingungen gezwungen, erhöhten Einsatz zu zeigen:
As long as the translator compensates for the inadequate working conditions provided by the intermediary principals by putting in extra efforts into his/her task, there is a case of moral hazard in the production network. (Abdallah 2010:25)
Wenn ÜbersetzerInnen den Anforderungen der Übersetzungsunternehmen (intermediary
principals) unterliegen, wird aus Moral Hazard Double oder sogar Triple Moral Hazard,
indem der Hauptauftraggeber/die Hauptauftraggeberin, das Übersetzungsunternehmen
und der Übersetzer/die Übersetzerin zusammenarbeiten und den Leser/die Leserin
betrügen.
Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang von Abdallah die Tatsache
hervorgehoben, dass sich die Anforderungen der Übersetzungsunternehmen weniger auf
Qualität als auf möglichst kostengünstige Übersetzungen konzentrieren. Diese Tatsache
kann die Arbeitsbedingungen für ÜbersetzerInnen unerträglich machen, weshalb den
Anforderungen der Übersetzungsunternehmen nach kostengünstigen Produkten nicht
mehr nachgekommen werden kann. Im Endeffekt führen Double und Triple Moral Hazards
dazu, dass sich die Qualität in der Übersetzungsbranche verringert (ibid.:23-26).
31
1.3.4 Vertrauensbeziehungen
Die Netzwerkwirtschaft, in der es keine Stütze durch Organisationsstrukturen gibt, wird
vorrangig durch Vertrauensbeziehungen zusammengehalten. Der Aufbau langanhaltender
und stabiler Partnerschaften ist demnach für das Funktionieren eines Netzwerkes
essentiell. Ein effektiver Aufbau von Vertrauensbeziehungen führt dazu, dass „the
perspectives and interests of each stakeholder are addressed, knowledge is shared, and
information is clear, accountable and legitimate as far as all parties are concerned“
(Abdallah/Koskinen 2007:677f.).
In translatorischen Produktionsnetzwerken sind diese Bedingungen laut Abdallah
(2012:29) jedoch nur selten erfüllt. Erklärt werden kann diese Tatsache anhand Barabásis
Netzwerkforschung. Bei einer Übertragung Barabásis Modells auf translatorische
Produktionsnetzwerke, in denen Übersetzungsbüros und EndkundInnen die Hubs sind
und unterauftragnehmende ÜbersetzerInnen einzelne Knoten darstellen, kann festgestellt
werden, dass UnterauftragnehmerInnen oftmals dazu gezwungen sind, dem
Übersetzungsbüro, mit dem sie verbunden sind, zu vertrauen.
In dieser asymmetrischen Abhängigkeit ist es unterauftragnehmenden ÜbersetzerInnen
oft nicht möglich, vom Übersetzungsbüro regelmäßige Arbeitsaufträge, eine bessere
Bezahlung oder nachhaltigere Arbeitsbedingungen zu fordern. Laut Abdallah und
Koskinen (2007:678) ist es häufig der Fall, dass ÜbersetzerInnen bei Verhandlungen mit
KundInnen nicht anwesend sind und somit die Kontrolle über ihren Übersetzungsvertrag
an das vermittelnde Übersetzungsbüro verlieren. Auf diese Weise sind sie gezwungen,
Vertrauen auszuüben, indem sie dem Büro die Verantwortung übertragen, in ihrem
Interesse zu handeln.
Auf der anderen Seite sind auch KundInnen gezwungen, ihren GeschäftspartnerInnen zu
vertrauen, da auch sie nur limitierte Möglichkeiten haben, die weiteren Prozesse in der
Produktionskette zu beeinflussen. Das Übersetzungsbüro ist folglich als Vermittler im
Produktionsnetzwerk in der besten Position, um Informationen beider Seiten zu sammeln
und das Netzwerk zu kontrollieren. Ein Hub dieser Art, seien es mächtige KundInnen oder
VermittlerInnen, kann beispielsweise hierarchisch tiefer gestellte Knoten dazu zwingen,
gegeneinander zu konkurrieren.
Die Bildung horizontaler Verbindungen zwischen den einzelnen Knoten wird in Netz-
werken nur selten unterstützt, da zu viel Informations- und Wissensaustausch unter ihnen
negative Auswirkungen auf die Rolle des Vermittlers haben könnte. Die Bildung solcher
horizontaler Verbindungen wird darüber hinaus durch die geografische Dimension des
translatorischen Produktionsnetzwerkes verhindert, da die einzelnen Knoten meist auf der
32
ganzen Welt verstreut sind und nur virtuell mit dem Hub in Verbindung stehen.
(Abdallah/Koskinen 2007:678f.)
Riskus (2009) Fallstudie in einem Wiener Übersetzungsbüro skizzieren jedoch eine
weniger düstere Situation. Ihren Ergebnissen zufolge herrscht zwischen Übersetzungs-
büro und ÜbersetzerInnen sehr wohl eine Vertrauensbeziehung: „Man akzeptiert die
Übersetzer als professionelle Partner und vertraut ihnen, auch bei Problemsituationen“
(Risku 2009:228). Die Wertschätzung des Büros für die ÜbersetzerInnen „als gleich-
gestellte Partner“ (ibid.:227) wird auch in der informellen, sehr persönlichen und
diplomatischen Kommunikationsweise deutlich (ibid.:226f.).
1.3.5 Loyalitätsbeziehungen
Wenn ein Netzwerk erfolgreich sein will, muss es neben Vertrauens- auch auf
Loyalitätsbeziehungen bauen (Abdallah/Koskinen 2007:680). Herrscht Loyalität unter den
AkteurInnen eines Netzwerkes, ist dessen Belastbarkeit größer und es kann sich
schneller an Veränderungen anpassen. Die Basis jeder Loyalitätsbeziehung bildet
Vertrauen und Vertrauen entsteht durch Vertrautheit. Letztere kann jedoch nur durch
Kontakt und Kommunikation entstehen.
Laut Abdallah und Koskinen (2007) stellt die geografische Entfernung zwischen Übersetz-
erInnen und KundInnen sowie die große Anzahl an ÜbersetzerInnen, die für große
Übersetzungsprojekte gebraucht werden, die Entstehung von Vertrauens- und somit
Loyalitätsbeziehungen vor eine Herausforderung. Obwohl Übersetzungsunter- nehmen
oftmals mit einer Vielzahl von ÜbersetzerInnen auf der ganzen Welt zusammenarbeiten,
fühlen sie sich hauptsächlich ihren großen KundInnen gegenüber verantwortlich. Da es in
Netzwerken nicht nur ein einziges Übersetzungsunternehmen gibt, sondern meist sogar
mehrere, ist die Gefahr sehr groß, dass Vertrauens- und Loyalitätsbeziehungen in dieser
langen Kette von AkteurInnen gar nicht erst entstehen (ibid.:681).
Abdallah und Koskinen sehen einen Anstieg der Transaktionskosten in Produktions-
netzwerken als längerfristige Folge: „[T]he problems of trust and loyalty may turn the
system, which now may seem profitable, into one that is vulnerable and costly to maintain”
(Abdallah 2012:29). Denn sollte die Unzufriedenheit der ÜbersetzerInnen zunehmen und
somit zu deren Ausstieg aus der Branche führen, werden Übersetzungsunternehmen viel
Ressourcen und Zeit darin investieren müssen, neue ÜbersetzerInnen anzuwerben und
einzuschulen (ibid.:29f.).
Diesen Studienergebnissen stehen erneut Riskus (2009) Erkenntnisse gegenüber. Ihre
Fallstudie ergab, dass sich das von ihr untersuchte Übersetzungsbüro sowohl gegenüber
33
den KundInnen als auch gegenüber den ÜbersetzerInnen loyal verhielt. Der Aufbau
persönlicher Beziehungen zu KundInnen und ÜbersetzerInnen ist ein fixer Bestandteil der
Firmenpolitik (Risku 2009:232). Auch wenn sich die Kommunikation zwischen Übersetz-
ungsbüro, ÜbersetzerInnen und KundInnen vermehrt über große räumliche Entfernungen,
technische Hilfsmittel (ibid.:223) und in einer virtuelle Kommunikationswelt (ibid.:26)
abspielt, in der die „physische Grenzen der Zusammenarbeit“ (ibid.) aufgehoben sind,
herrscht ein reger, zumeist freundlicher (ibid.:225) Austausch zwischen ÜbersetzerInnen,
zwischen ÜbersetzerInnen und dem Übersetzungsbüro, zwischen MitarbeiterInnen des
Büros untereinander und zwischen BüromitarbeiterInnen und KundInnen. Zur Aufrecht-
erhaltung des persönlichen Kontaktes dienen verschiedenste „Artefakte zum Zweck der
Kommunikation“ (ibid.:148), wie beispielsweise das Telefon, das E-Mail oder das Fax.
Aus der Kommunikation zwischen den MitarbeiterInnen des Übersetzungsbüros und den
ÜbersetzerInnen geht auch deren Wertschätzung für letztere hervor. Sie wissen über die
Leistungen von ÜbersetzerInnen sowie über Herausforderungen und Schwierigkeiten
ihrer Tätigkeit Bescheid – sie gehören einer „Wissenscommunity“ (ibid.:226) an. Über-
setzungsfirmen sind sich darüber hinaus der Tatsache bewusst, dass ÜbersetzerInnen ihr
Kapital darstellen, weshalb sich sich immer für eine gute Beziehung zu ihnen bemühen
(ibid.:225f.) und sie im Ernstfall „vor etwaigen Vorwürfen in Schutz“ (ibid.:228) nehmen.
Laut Riskus Studie sind MitarbeiterInnen von Übersetzungsunternehmen auch „stets
bemüht, eine persönliche Beziehung zum Kunden aufzubauen“ (ibid.:225). Oftmals kommt
es aufgrund der Unkenntnis von KundInnen über den Arbeitsaufwand und die
Kompetenzen von ÜbersetzungsdienstleisterInnen – sie gehören nicht derselben
Wissenscommunity an – zu Missverständnissen. Eine freundliche, diplomatische und
persönliche Kommunikation spielt bei der Vermeidung dieser Missverständnisse eine
wichtige Rolle (ibid.:223).
Resümierend kann Risku feststellen, dass Übersetzungsbüros sowohl eine loyale,
persönliche Beziehung zu den ÜbersetzerInnen als auch zu den KundInnen pflegen:
Die Mitarbeiterinnen vertreten sowohl die Interessen der Kunden als auch die der Übersetzer. In der Tat gibt es hier keine einander ausschließenden Communities, vielmehr geht es um „Shifting Communities“; je nach Situation fühlen sich die Mitarbeiterinnen einmal den Übersetzern, dann wieder den Kunden näher. (Risku 2009:230)
Es ist von überaus großer Wichtigkeit, sich auf GeschäftspartnerInnen verlassen zu
können und eine Loyalitätsbeziehung aufzubauen, um komplexe Sprachprojekte realisie-
ren zu können. In Netzwerken kommen daher informellen, persönlichen Gespräche über
34
unterschiedlichste Kommunikationsmedien, die normalerweise face-to-face in der Kantine
oder bei einer Kaffeepause stattfinden, eine essentielle Bedeutung zu (ibid.:236).
1.3.6 Qualität als Konfliktquelle
Abdallah integrierte in ihre Doktorarbeit (2012) auch Ergebnisse zu einer Fallstudie
bezüglich Qualität in translatorischen Produktionsnetzwerken, die sie bereits im Rahmen
ihrer Masterarbeit (2003) in einem Unternehmen für Audiovisuelle Übersetzung in
Finnland (Abdallah 2011a:176) durchgeführt hatte. Zwischen 1999 und 2000 beobachtete
und befragte sie sieben ÜbersetzungsstudentInnen, die in diesem Unternehmen
Untertitelungsarbeiten durchführten (ibid.:180).
Ihr Ziel war es, anhand der Actor-Network-Theory darzustellen, was Übersetzungsqualität
in diesem speziellen Netzwerk ausmacht. Auf Basis dieses theoretischen Hintergrundes
konnte sie nicht nur feststellen, wie Machtpositionen in diesem Produktionsnetzwerk
entstanden und verteilt wurden, sondern auch wie sich soziale Ordnungen durch den
„Übersetzungs“-prozess (Latour 1987:108) bildeten und wie Probleme und Konflikte
zwischen den AkteurInnen schließlich dazu führten, dass das untersuchte Akteur-
Netzwerk scheiterte (ibid.:185).
Wie groß die Anzahl an verschiedenen Akteuren in einem solchen Netzwerk sein kann,
verdeutlicht folgende Beschreibung des Akteur-Netzwerkes unter Beobachtung:
[T]he internationally operating pay-TV provider as the lead firm (client company), the translation company as the service provider, people (translation company owners, students as subcontractors, […], pay-TV viewers), social, political, and economic elements (globalization, neoliberalism, free trade, the act on competition restrictions, the translation policy of the lead firm […]), inscriptions (house rules, emails, billing instructions, purchase orders, bills, copyright waiver and […] the contract between the client and the translation company) and technology (communication and information technology including teletext, computers, subtitling software […]). (Abdallah 2011a:178)
Darüber hinaus besteht das Akteur-Netzwerk auch aus unterschiedlichen Fähigkeiten,
Bezugsrahmen, Wissen, Übersetzungen, Ausgangsmaterialien, Geld sowie aus semio-
tischen Aspekten wie beispielsweise Qualität und Ethik (ibid.:179).
Abdallahs Untersuchungen ergaben, dass sich die studierenden ÜbersetzerInnen in
Bezug auf Qualität verschiedenen Problemen gegenübergestellt sahen. Sie stellte fest,
dass die jungen ÜbersetzerInnen Qualität anders definierten als andere AkteurInnen im
Produktionsnetzwerk. Während die ÜbersetzerInnen unter Qualität gemeinhin „gute
Qualität“ verstanden (ibid.), zählt für andere AkteurInnen hauptsächliche die schnelle,
35
flexible und preisgünstige Produktion als „gute“ Dienstleistung (Abdallah 2012:33), wie
diese Beschreibung verdeutlicht:
After all, in this case study, competitive bidding meant low fees, occassionally very tight deadlines, and the hiring of students as translators. In translation studies, such parameters are not considered to be conductive to good quality. (Abdallah 2011a:183)
Aufgrund dieses Mangels einer allgemein akzeptierten Qualitätsdefinition gab es auch
kein geteiltes Interesse der AkteurInnen bezüglich Qualität (ibid.:185).
Darüber hinaus befanden sich die jungen ÜbersetzerInnen in einer machtlosen Position,
wenn es um die Verteidigung ihrer Qualitätsdefinition und ihrer Rechte ging. Grund dafür
war, dass sie ihre eigenen qualitätsbezogenen Vorgaben im Akteur-Netzwerk nicht in
Umlauf bringen konnten (ibid.). Es galt daher nicht ihr Wunsch, qualitativ Hochwertiges zu
produzieren, sondern es sollte nach den Vorgaben der mächtigeren AkteurInnen im
Netzwerk möglichst schnell und flexibel gearbeitet werden. Diese Vorgaben „functioned
as strong non-human actors that controlled the work of the translators” (ibid.:182).
Ein weiteres Problem stellte die Tatsache dar, dass die ÜbersetzerInnen über kein
funktionierendes Qualitätsmodell verfügten und daher auch das komplexe Netzwerk, in
dem sie tätig waren, nicht analysieren konnten (ibid.:185). Die Bilanz für die
ÜbersetzerInnen stellte sich daher als ernüchternd heraus: „The novice translators ended
up carrying the responsibility for quality on their shoulders and, even worse, they became
the scapegoats for poor quality“ (Abdallah 2012:31).
Auch wenn auf Basis dieser Fallstudie keine allgemein gültigen Aussagen gemacht
werden können, werden dennoch Tendenzen sichtbar, die auf zahlreiche Probleme
bezüglich Qualität in translatorischen Produktionsnetzwerken hinweisen.
1.3.7 Schlechte Bezahlung und geringes Ansehen
Untersuchungen zur Erhebung des Ansehens professioneller ÜbersetzerInnen sind in der
Translationswissenschaft bislang selten (Dam/Zethsen 2011:976). Die wenigen Studien,
die zu dieser Thematik durchgeführt wurden, führten jedoch alle zu demselben Ergebnis:
Übersetzen ist eine „low-status profession“ (ibid.). Auch die 2005 von der Confederation
of Unions for Academic Professionals (Akava) durchgeführte Studie zu Arbeits-
bedingungen und Arbeitszufriedenheit finnischer ÜbersetzerInnen und die Untersuch-
ungsergebnisse von Abdallah (2007, 2010) und Dam/Zethsen (2011) haben ergeben,
dass sowohl ÜbersetzerInnen (Dam/Zethsen 2011:977) als auch die Tätigkeit des
Übersetzens selbst ein geringes Ansehen haben (Abdallah 2010:26).
36
Abdallah bringt das geringe berufliche Ansehen mit den niedrigen Bezahlungen in
Zusammenhang. Während die Übersetzungsbranche immer professioneller wurde und die
Arbeitsmenge gestiegen ist, ist die Bezahlung der ÜbersetzerInnen drastisch gesunken:
„[S]even out of eight interviewed translators mention low pay or salary in the translation
industry“ (ibid.:27). Dafür kann es laut Abdallah zwei Gründe geben: Entweder weil die
Parteien der verschiedenen Dyaden gezwungen sind, untereinander zu konkurrieren und
somit immer niedrigere Preise zu bieten oder weil die Kunden- oder Übersetzungs-
unternehmen (intermediary principals) nicht bereit sind, die ÜbersetzerInnen angemessen
für ihre Arbeit zu bezahlen (ibid.).
Auch der chinesische Wissenschaftler Chan (2005) sieht in der geringen Bezahlung eine
Ursache für das geringe Ansehen der ÜbersetzerInnen und ihres Berufes. Würde ihr
Ansehen gesteigert werden, würde auch die Bezahlung besser werden. Dies stellt sich
laut Chan jedoch aufgrund des „Adverse Selection“-Problems (siehe Kapitel 1.2.1.2), das
aufgrund von asymmetrischen Informationsständen besteht, als schwierig heraus. Denn
potentielle AuftraggeberInnen können nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Übersetz-
erInnen unterscheiden. Aus diesem Grund sind AuftraggeberInnen lediglich bereit, „to pay
a going price that is below the ‚fair’ level“ (Chan 2005). Dies hat zur Folge, dass „gute“
ÜbersetzerInnen die Industrie verlassen und nur die „schlechteren“ zurückbleiben (ibid.).
Laut Chans Argumenten führt die schlechte Bezahlung der ÜbersetzerInnen schließlich
zum Aussteigen „guter“ ÜbersetzerInnen, die Platz für „schlechte“ machen (ibid.).
Abdallah stimmt der Einteilung in „gute“ und „schlechte“ ÜbersetzerInnen zwar nicht zu,
bestätigt Chans Aussagen jedoch anhand ihrer Untersuchungsergebnisse, die aufweisen,
dass vier der insgesamt acht befragten ÜbersetzerInnen die Übersetzungsbranche bei
ihrem zweiten Interview aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen verlassen hatten
(Abdallah 2010:19).
Die dänischen Wissenschaftlerinnen Dam und Zethsen (2011) führten ebenfalls
Untersuchungen bezüglich des Ansehens von ÜbersetzerInnen durch. Sie wollten die
Richtigkeit der vorherrschenden Annahmen überprüfen, dass innerhalb der Translations-
branche ÜbersetzerInnen internationaler Organisationen aufgrund ihrer Arbeitsbedingung-
en und ihres relativ hohen Gehalts das höchste Ansehen und ÜbersetzerInnen im
öffentlichen Dienst den niedrigsten Status haben. Dam und Zethsen weisen darauf hin,
dass diesen Annahmen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde liegen, denn die
translationswissenschaftliche Literatur „does not address the issue of translator-status
segmentation in any systematic way, neither theoretically nor empirically“ (ibid.:980).
37
Aus diesem Grund führten die beiden WissenschaftlerInnen in Dänemark unter den drei
Hauptberufsgruppen UnternehmensübersetzerInnen (in Unternehmen angestellte Über-
setzerInnen), AgenturübersetzerInnen (in Übersetzungsagenturen angestellte Übersetzer-
Innen) und freiberufliche ÜbersetzerInnen mittels Fragebögen Untersuchungen bezüglich
der vier Parameter für Ansehen: Gehalt, Ausbildung/Expertise, Sichtbarkeit und
Macht/Einfluss durch. Sie gingen dabei von der Hypothese aus, dass Unternehmens-
übersetzerInnen knapp vor AgenturübersetzerInnen an oberster Stelle der Status-
Hierarchie stehen würden (ibid.: 980f.). Der niedrigste Status wurde für freiberuflich tätige
ÜbersetzerInnen angenommen, da ihr Beruf aufgrund der isolierten Arbeitstätigkeit von
Einflussschwäche und Unsichtbarkeit geprägt ist.
Diese Hypothese wurde teilweise bestätigt. Es konnte gezeigt werden, dass Übersetzer-
Innen, die in Unternehmen angestellt sind, den höchsten und freiberufliche Übersetzer-
Innen den niedrigsten Status haben. Bezüglich ÜbersetzerInnen, die in Übersetzungs-
agenturen angestellt sind, brachte die Studie jedoch hervor, dass diese ihr Ansehen eher
jenem von freiberuflichen ÜbersetzerInnen gleichsetzen, als jenem von Unternehmens-
übersetzerInnen. Eine fixe Anstellung und ein regelmäßiges Einkommen stehen demnach
nicht direkt im Zusammenhang mit beruflichem Ansehen:
Even if company translators rated their general occupational status higher than the two other groups, they also had the lowest salaries, while freelancers, who – together with agency translators – had the lowest status ratings also had the highest salaries. (Dam/Zethsen 2011:994)
Im Gegensatz zu Abdallahs und Chans Einschätzungen ist demnach das berufliche
Ansehen laut Dam und Zethsen von der Höhe des Gehalts unabhängig. Ihre Studie
ergab, dass der Status vielmehr abhängig von den Faktoren Sichtbarkeit, (wahrge-
nommener) Einfluss und gesellschaftlich wahrgenommene Expertise ist. In diesem
Zusammenhang konnte festgestellt werden, dass UnternehmensübersetzerInnen
bezüglich Sichtbarkeit und Einfluss signifikant vor den anderen beiden Berufsgruppen
lagen, wobei freiberufliche ÜbersetzerInnen ihre Situation in diesen beiden Bereichen am
schlechtesten einstuften. Darüber hinaus brachte die Studie hervor, dass „relatively ‚soft‘
parameters such as responsibility and appreciation‘“ (ibid.:995) für ÜbersetzerInnen am
wichtigsten sind (ibid.:994f.).
Die Haupterkenntnis aus Dams und Zethsens Studie bestätigt jedoch Abdallahs
Untersuchungsergebnis: „[T]he overall relatively low-status picture of all three groups of
translators, in spite of their strong professional profiles, is probably the most robust finding
of the entire investigation” (ibid.:995).
38
1.3.8 Vorbereitung von StudentInnen auf die Arbeit in Produktionsnetzwerken
Angesichts der vielen Probleme, die in gegenwärtigen translatorischen Produktions-
netzwerken zutage treten, sind laut Abdallah auch die Anforderung an die Ausbildung
künftiger ÜbersetzerInnen gestiegen:
Instead of learning merely about the traditional, dyadic relation between the translator and the client, students must also become familiar with the process of professional translation in complex production networks - such networks being the defining feature of present-day economic life. (Abdallah 2011b:130)
Aus diesem Grund wurde im Jahr 2005 für ÜbersetzungsstudentInnen an der Universität
von Tampere in Finnland der Universitätskurs „Translators' and Interpreters' Professional
Business Skills“ (kurz: TIPBS) entworfen, der genau diese Herausforderungen der Arbeit
in Produktionsnetzwerken aufgreifen und behandeln sollte. Die Erstellung des TIPBS-
Kurses geschah in dem Bewusstsein, dass die Übersetzungsausbildung nicht aus den
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten ausgegrenzt werden könne,
sondern in diese integriert werden muss.
Ziel war es, „to provide students with up-to-date, practical yet research-based information
on their future working environment, to deepen their knowledge of working life practices,
and to enhance their agency“ (Abdallah 2011b:133f.). Auf diese Weise sollten die
KursteilnehmerInnen auf die reale Arbeitssituation und die ethischen Dilemmata in dieser
neuen Arbeitsumgebung vorbereitet und so für ihren Einstieg in die vernetzte Arbeitswelt
ausgestattet und befähigt (empowered) werden (ibid.:130).
Das Fazit lautet, dass bereits die Auseinandersetzung mit ethischen Konfliktsituationen
und deren Lösungsmöglichkeiten zu einer Bemächtigung (empowerment) der
StudentInnen führte. Das Bewusstsein für die Probleme brachte die Studierenden dazu,
„ready for change“ (ibid.:149) zu werden und verhindert somit ihren Berufseinstieg als
„subvervient and submissive conveyor belt workers“ (ibid.). Der Nutzen dieses TIPBS-
Kurses für die StudentInnen kann im Allgemeinen als sehr positiv bewertet werden:
Not only have they acquired the conceptual tools to analyze the logistics of production networks, they are also able to critique this economic configuration, and, as a consequence, have become critical of the narrow role reserved for translators within it. (Abdallah 2011b:149)
Trotz der ethischen Dilemmata blickten viele der Studierenden positiv in ihre berufliche
Zukunft. Sollte diese nicht in der Übersetzungsindustrie stattfinden, dann in einer anderen
Branche, die ihre Fachkenntnisse als multilinguale KommunikatorInnen zu schätzen weiß
(ibid.).
39
1.3.9 Zusammenfassung und Fazit
Abdallahs Untersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass sich ÜbersetzerInnen
im gegenwärtigen System in eine Randposition gedrängt fühlen und unzufrieden sind.
Diese Tatsache steht jedoch im Gegensatz zum derzeitigen Aufschwung des Übersetz-
ungsmarktes, dessen Wert weltweit steigt und weiter am steigen ist (Abdallah 2007:682f.).
Verschiedene Faktoren verhindern die Entstehung guter Kooperation und qualitativ hoch-
wertiger Übersetzungen: Einerseits fehlt es laut Abdallah an Vertrauen zwischen den
AuftraggeberInnen und den Beauftragten sowie an Unterstützung für die ÜbersetzerInnen.
Andererseits fehlt es auch an nötigen Informationen (Abdallah 2012:32f.). Darüber hinaus
dienen ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken zwei HauptauftraggeberInnen (Leser-
Innen und Übersetzungsunternehmen), deren Anforderungen, Wünsche und Interessen
nicht übereinstimmen. Diese Tatsache kann dazu führen, dass ÜbersetzerInnen keinem
bzw. keiner ihrer AuftraggeberInnen gerecht werden können.
Ein weiterer Negativ-Faktor ist das Vorhandensein unterschiedlicher Qualitätskriterien.
Übersetzungsunternehmen definieren Übersetzungsqualität über Schnelligkeit, Flexibilität
und niedrige Preise. Die Entscheidung, ÜbersetzerInnen weniger zu bezahlen, dient
lediglich ihrem eigenen Profit. ÜbersetzerInnen selbst jedoch ist es wichtig, gute Arbeit zu
leisten, nicht nur, um ihrem Berufsethos zu folgen und den LeserInnen ein gutes Produkt
zu liefern, sondern auch, um innere Zufriedenheit zu erlangen.
Die Agency der ÜbersetzerInnen sowie ihre Möglichkeiten, im Interesse der Hauptauftrag-
geberInnen zu handeln, sind derzeit in translatorischen Produktionsnetzwerken stark
eingeschränkt. Auch die Rolle und der sozio-ökonomische Status von ÜbersetzerInnen in
diesem System sind gering. Diese Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen führt zu
einer Verminderung der Übersetzungsqualität und hat schließlich unerwünschte Folgen
für die HauptauftraggeberInnen: die LeserInnen (Moral Hazard).
Es liegt in der Verantwortung von ÜbersetzungswissenschaftlerInnen und -lehrenden,
Übersetzungsvereinen sowie Übersetzungsunternehmen, Wege zu finden, Moral-Hazard-
Probleme zu lösen „by creating incentives that prevent quality cheating and promote,
instead, sustainable development in the industry“ (Abdallah 2012:34). (Ibid.:33f.) Zur
Erreichung dieses Ziels ist es wichtig, zukünftige ÜbersetzerInnen während ihrer Aus-
bildung mit den organisatorischen Eigenschaften von Produktionsnetzwerken vertraut zu
machen und auf darin vorkommende Probleme vorzubereiten. Wie Abdallahs
Untersuchungen gezeigt haben, kann hierbei die direkte Auseinandersetzung mit
ethischen Konfliktsituationen und deren Lösungsmöglichkeiten bereits zu einem stärkeren
Selbstbewusstsein der NachwuchsübersetzerInnen führen (ibid.:39).
40
2 Psychologische Konzepte der Arbeitszufriedenheit
In Kapitel 1 wurde die Dimension translatorischer Produktionsnetzwerke in einem inter-
disziplinären theoretischen Kontext erörtert. In diesem Kapitel soll nun, wie in der
Einleitung bereits erwähnt wurde, die psychologische Dimension des Konzepts der
Arbeitszufriedenheit separat besprochen werden, um den gesamten theoretischen
Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit zu erfassen und abzustecken.
In der empirischen Untersuchung dieser Arbeit sollen ÜbersetzerInnen nach ihren
Berufserfahrungen in translatorischen Produktionsnetzwerken befragt werden, um
dadurch auf ihre Zufriedenheit bei der Arbeit schließen zu können. Um Zusammenhänge
zwischen diesen Erfahrungsberichten und der Arbeitszufriedenheit herstellen zu können,
bedarf es jedoch einer theoretischen Grundlage und geeigneten Methodik.
PsychologInnen beschäftigen sich seit den 1970er Jahren (Bruggemann et al. 1975) mit
dem Konzept der „Arbeitszufriedenheit“ und haben verschiedenste Einflussfaktoren
diskutiert und Methodiken zur Erhebung und Analyse entwickelt. Die Auseinandersetzung
mit der langjährigen Arbeitszufriedenheitsforschung der Psychologie wird daher
ersichtlich. Die Translationswissenschaft kann sich ihrer Erkenntnisse bedienen, um im
translationswissenschaftlichen Kontext Zusammenhänge zwischen bestimmten Faktoren
am Arbeitsplatz und Zufriedenheit bei der Arbeit erkennen und deuten zu können. Die
Nutzung des psychologischen Wissens in diesem Bereich ist darüber hinaus wichtig, um
für die empirische Untersuchung dieser Arbeit Determinanten für AZ zu identifizieren und
um die richtigen Fragen formulieren und in weiterer Folge die zusammengetragenen
Interviewdaten zielführend interpretieren zu können. Die Interdisziplinarität, die in der
Translationswissenschaft immer häufiger praktiziert wird, spiegelt sich somit auch in
vielerlei Hinsicht im Untersuchungsansatz vorliegender Arbeit wieder.
Aus den eben erläuterten Gründen soll im Folgenden zuerst ein Überblick über die
psychologischen Forschungen und Konzepte zu diesem Thema gegeben und im
Anschluss ein geeignetes aktuelles Modell der Arbeitszufriedenheit erläutert werden, aus
dem sich schließlich für die vorliegende translationswissenschaftliche Studie relevante
Determinanten für Arbeitszufriedenheit ableiten lassen.
41
2.1 Die Bedeutung der Arbeit und einhergehender Emotionen
In der Bibel wird Arbeit als eine von Gott verhängte Strafe und somit als Plage und Qual
angesehen (Fischer 1989:24f.). Dieses Verständnis änderte sich im 5. Jahrhundert nach
Christus (Kern 2009) mit Augustinus‘ Prädestinationslehre, derzufolge eine Arbeit zu
haben als Zeichen Gottes galt, zu den prädestinierten Menschen zu gehören
(Buer/Schmidt-Lellek 2008:25).
Über die Jahrhunderte wich diese Anschauung dem heute vorherrschenden Druck,
wirtschaftlichen Erfolg haben zu müssen. Eine Arbeit zu haben sichert in der modernen
Gesellschaft nicht nur die Existenz, es ist auch in vielen Fällen Grundvoraussetzung für
ein sinnerfülltes Leben (ibid.). Es gilt: „Wer beruflich und wirtschaftlich erfolgreich ist, ist
etwas wert und verdient Anerkennung, andernfalls ist das Selbst von Entwertungs-
gefühlen, ja zuweilen von Vernichtungsgefühlen bedroht“ (ibid.:26).
Seit der Spätmoderne ist die Ökonomie von Ungleichheiten geprägt, die sich in den
Topgehältern von ManagerInnen, in den Einkommenskluften zwischen Beschäftigten
höherer und denen niedrigerer betrieblicher Ebenen sowie in der Stagnation der
Mittelschicht-Einkommen im Gegensatz zur Elite äußert. Der gegenwärtig herrschende
Wettbewerb nach dem Motto „the winner takes it all“ führt zudem zu einer wachsenden
materiellen und folglich sozialen Ungleichheit (Sennett 2008:46f.). Darüber hinaus fand
eine Umstrukturierung von Bürokratien statt, die zur Folge hatte, dass sich neue
Machtpositionen herauskristallisierten, die die Unternehmen nun kontrollieren:
[D]er Wegfall bürokratischer Zwischenschichten [kann] auch die Kommunikationskette beeinträchtigen, in der Macht beim Durchgang nach unten interpretiert und Information bei der Weitergabe nach oben verändert wird. Nach der Umstrukturierung kann das nun flexible Unternehmen dieses zerstückelte Territorium besser kontrollieren. Das Zentrum beherrscht die Peripherie auf eine ganz bestimmte Weise. Die Menschen an der Peripherie werden in ihren Arbeitsprozessen allein gelassen; auf der Befehlskette findet in beiden Richtungen kaum noch Kommunikation statt. (Sennett 2008:46f.)
Diese Beschreibung des „neuen Kapitalismus“ nach Sennett (2008) lässt Ähnlichkeiten
zur gegenwärtigen Übersetzungsindustrie erkennen, in der die Strukturen von
Produktionsnetzwerken ähnliche Eigenschaften aufweisen. Es handelt sich bei der in
Kapitel 1 erläuterten Entwicklung in der Übersetzungsbranche demnach um einen
Prozess, der sich auch auf Globalisierungsebene abspielt.
42
2.1.2 Emotionen bei der Arbeit
Wie in diesem Kapitel noch öfter ersichtlich sein wird, stehen Emotionen in enger
Verbindung mit Arbeitszufriedenheit. Wie eine Person ihre Arbeit bewertet und ob sie
diese als sinnvoll und zufriedenstellend empfindet, hängt dabei von ihrem subjektiven
Empfinden und Erleben ab. Die Grundlage des Erlebens bilden wiederum Emotionen.
Gefühle der Angst oder Freude sind allgegenwärtige Phänomene, die einen zentralen
Bestandteil des menschlichen Lebens und der beruflichen Arbeit darstellen. Da ein
Großteil der Lebenszeit mit Arbeit verbracht wird, ist die Beschäftigung mit Emotionen, die
im Berufsalltag erlebt werden, von besonderer Wichtigkeit (Brehm 2001:205).
Das tägliche Arbeitsleben wird sowohl von positiven Gefühlen der Lust wie auch von
negativen Gefühlen der Unlust bestimmt. Diese subjektiven Empfindungen äußern sich
beispielsweise in Freude an der Tätigkeit, Stolz über die erzielten Ergebnisse, aber auch
in Anspannung, Stress, Angst oder Neid. Im Dienstleistungsgewerbe, in dem nicht nur die
eigenen Gefühle, sondern auch die Gefühle der KundInnen eine Rolle spielen, kommt
dem Umgang mit Emotionen, auch „Emotionsarbeit“ (ibid.:211) genannt, bei der Arbeit
eine besondere Bedeutung zu (ibid.:205f.).
Wichtig hierfür ist zunächst einmal die Beschäftigung mit dem Begriff der „Arbeits-
emotionen“. Laut Brehm kann dieser wie folgt definiert werden:
Arbeitsemotionen sind […] als Gefühle anzusehen, die eng mit dem Erleben, Wahrnehmen und Bewerten von Arbeit verbunden sind. Sie stellen ein komplexes Gefüge subjektiver und objektiver Faktoren dar, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird. Sie können
- affektive arbeitsbezogene Erfahrungen, wie Gefühle der Erregung oder der Lust bzw. Unlust bewirken,
- kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen und Klassifikationsprozesse im Zusammenhang mit der Arbeit enthalten,
- physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen,
- zu arbeitsbezogenem Verhalten führen, welches häufig expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist. (Ibid.:206, Hervor. i. Orig.)
Affektive Erfahrungen umfassen demnach alle subjektiven Empfindungen, die wiederum
kognitiv wahrgenommen und verarbeitet werden. Bei diesem kognitiven Verarbeitungs-
prozess findet eine Reizbewertung statt, die zu einer entsprechenden Reaktion führt.
Physiologische Veränderungen können durch bestimmte Arbeitssituationen und damit
verbundenen Emotionen hervorgerufen werden. Diese körperlichen Prozesse werden
durch das autonome Nervensystem gesteuert und können sich beispielsweise in erhöhter
Puls- und Atemfrequenz äußern. Das adaptive emotionale Arbeitsverhalten schließt
43
hauptsächlich motorische Verhaltensmuster verbaler und nonverbaler Art ein. So zeigen
sich Arbeitsemotionen beispielsweise an der Stimmlage, Blickrichtung, Mimik und Gestik
oder an Notfall- und Abwehrreaktionen wie Angriff oder Flucht. Letztere äußern sich
hauptsächlich in Absentismus (ibid.:206f.).
Der Umgang mit Emotionen und die damit verbundene Entwicklung emotionaler
Kompetenzen ist daher in der heutigen Arbeitswelt ebenso gefordert wie kognitive
Fähigkeiten. Neben der intellektuellen Intelligenz ist die emotionale Intelligenz immer
wichtiger geworden. Sowohl interpersonale Fähigkeiten, die sich auf Menschenkenntnisse
allgemein beziehen, als auch intrapersonale Kompetenzen bezüglich der eigenen Identität
können dabei helfen, Gefühle anderen Menschen und sich selbst gegenüber zu erkennen,
einzuordnen und darauf angemessen zu reagieren. In der Psychologie wird von fünf
grundlegenden emotionalen Kompetenzen gesprochen: Selbstwahrnehmung, Selbst-
regulierung, Motivation, Empathie und Soziale Fähigkeiten. Jeder dieser Fähigkeiten wird
in der heutigen Arbeitswelt neben akademischer Intelligenz ein hoher Stellenwert
eingeräumt (ibid.:213f.).
2.1.2.1 Positive Arbeitsemotionen wie Freude und Stolz
Positive Gefühle oder Lustgefühle bei der Arbeit äußern sich als tätigkeitsbezogene
Freude, ergebnisbezogene Zufriedenheit und eine durch unerwartete Ereignisse
ausgelöste ereignisbezogene Freude. Ergebnisse der Emotionsforschung zeigen, dass
Freude nicht durch eigene Anstrengungen erzeugt werden kann, sondern vielmehr
einfach unerwartet passiert (Brehm 2001:207f.).
In der Arbeitssituation können Empfindungen der Freude vor allem durch unvollständige
Aufgaben und eingeschränkte Handlungsspielräume verhindert werden. Empfunden wird
dieses „angenehme, offene Gefühl des Wohlbefindens“ (ibid.:207) hauptsächlich bei der
Ausübung von Tätigkeiten, die kreatives Denken, Problemlösen sowie selbstständiges
und eigenverantwortliches Handeln erfordern. Ebenso eine Rolle spielt, ob das eigene
Interesse für die auszuführende Arbeit groß genug ist (ibid.:208).
Eine zweite positive Arbeitsemotion ist der Stolz, der ein bewusst empfundenes Gefühl
des gehobenen Selbstwertes beinhaltet. Diese angenehme Emotion tritt oft mit Gefühlen
der Freude, der Befriedigung, des Glücks oder der Erleichterung auf. Während fehlender
Stolz zu Minderwertigkeitskomplexen führt, kann sich übersteigerter Stolz in Eitelkeit und
fehlender Bescheidenheit äußern. Darüber hinaus zeigt sich ein für die Betriebswirtschaft
relevanter Zusammenhang zwischen Stolz und Arbeitsleistung. Stolz führt zu gesteigerten
Leistungen und wirkt als Anreiz, leistungsbezogen zu arbeiten (ibid.).
44
Es ist anzunehmen, dass sowohl das Gefühl der Freude als auch das Gefühl des Stolzes
einen Einfluss darauf hat, ob eine Tätigkeit sorgfältig und nach hohen Qualitätsmaßstäben
ausgeführt wird. Die Arbeitswelt wird jedoch auch von negativen Emotionen beeinflusst,
die im nächsten Unterpunkt besprochen werden sollen (ibid.).
2.1.2.2 Negative Arbeitsemotionen wie Stress, Angst und Neid
Heutzutage werden durch erhöhte Arbeitsleistung und -intensität, höheres Arbeitstempo
sowie stärkere Sinnes- und Nervenbelastung vermehrt psychische Belastungen
ausgelöst, die gemeinhin als „Stress“ bezeichnet warden (Brehm 2001:209). Dieses
negative Empfinden inkludiert mitunter Nervosität und Ängste oder Gefühle des
Gehetztseins und der Hektik. Stress wird als Anpassungsreaktion des Organismus auf
äußere Gegebenheiten verstanden. Dabei ist allerdings entscheidend, dass nicht
objektive Merkmale als Stressoren wirken, sondern vielmehr subjektive Bewertungen
einer Situation. Stressoren sind somit allgegenwärtig und können entweder pathogen,
neutral oder salutogen wirken (ibid.).
Stress und Anspannung wird vor allem dann empfunden, wenn gefordert wird, vielfältige,
gleichzeitige Informationen zu verarbeiten, schnell zu reagieren und dabei besonders
hohe Qualitätsmaßstäbe zu erfüllen. Auch das soziale Umfeld am Arbeitsplatz ist ein
potentieller Stressor, da Konflikte mit KollegInnen, Diskriminierungen, fehlende Anerken-
nung und Nichterhalt von Informationen Stressempfinden hervorrufen können. „Mobbing“
oder in schweren Fällen sogar „Psychoterror“ führen nicht nur zu Stressreaktionen,
sondern lösen auch Angstgefühle bei den Betroffenen aus (ibid.).
Angstgefühle am Arbeitsplatz äußern sich durch starke Beunruhigung, ein flaues Gefühl
im Magen, Nervosität, Anspannung und ein Gefühl der Beengtheit. Diese negativen
Arbeitsemotionen werden oft begleitet von Gefühlen des Alleinseins, der Unzulänglichkeit
und Unsicherheit. Ängste werden als Schwäche angesehen und daher meist tabuisiert,
weshalb sich viele Menschen dieses Gefühls erst bewusst werden, wenn es bereits
krankhafte Ausmaße angenommen hat. Angstgefühle können eingeteilt werden in:
Existenzängste, soziale Ängste und Leistungs- bzw. Versagensängste (ibid.209f.).
Eine weitere negative Arbeitsemotion stellt der Neid dar. Dieses Gefühl der Missgunst
entsteht dann, wenn ein Mensch etwas bekommen möchte, was ein anderer besitzt. Es
kann sich hierbei sowohl um materielle Dinge handeln, wie beispielsweise um Firmen-
wagen oder unterschiedliche Gehälter, als auch um immaterielle Vorzüge, wie etwa
besondere Fähigkeiten und Kenntnisse, eine bessere Ausbildung oder größere Erfolge
(ibid.:210f.). Wird die Aufteilung von Vorzügen den ArbeitskollegInnen missgönnt oder
wird diese als ungerecht empfunden, führt dies zu Neidempfindungen:
45
Bedeutsam für die Entstehung von Neid ist das Gefühl der Mitarbeiter, dass die Gratifikationen ungerecht vergeben werden. Ein Gefühl der Ungerechtigkeit entsteht aus einer wahrgenommenen Diskrepanz zwischen dem, was man glaubt verdient zu haben, und dem was man tatsächlich verdient. Außerdem entstehen Gefühle, ungerecht behandelt zu werden aus dem Vergleich mit Anderen insbesondere dann, wenn das Ertrags-Einsatz-Verhältnis von Vergleichspersonen vorteilhafter eingeschätzt wird. (Brehm 2001:211, Hervor.i.Orig.)
Untersuchungen aus dem Jahr 1991/92 haben darüber hinaus gezeigt, dass Neid in
vielen Fällen für ein schlechtes Betriebsklima verantwortlich ist (ibid.:211)
2.1.2.3 Zusammenspiel von Emotionen und Arbeitszufriedenheitsurteilen
Die Arbeitszufriedenheitsforschung hat Emotionen, die Menschen bei der Arbeit erleben,
schon immer berücksichtigt, obwohl für gewöhnlich lediglich nach der Zufriedenheit und
nicht nach spezifischen Emotionserlebnissen (Freude, Ärger, Stress, etc.) oder
Stimmungen (gereizt sein, sich ausgebrannt fühlen, etc.) gefragt wurde. (Wegge/Van Dick
2006:14)
2006 wurden Untersuchungen zum Wechselspiel zwischen Emotionen und
Arbeitszufriedenheitsurteilen durchgeführt, die zu dem Schluss führten, dass affektive
Erlebnisse bei der Arbeit eine essentielle Determinante von Arbeitszufriedenheitsurteilen
darstellen (ibid.:18). Positive Emotionen beeinflussen Arbeitszufriedenheitsurteile
demnach positiv wohingegen negative Emotionen einen negativen Einfluss haben.
Positive Emotionen entstehen bei den ArbeitnehmerInnen insbesondere mit der
Erreichung ihrer Ziele, während negative Emotionen bei unerwünschten Handlungen des
Managements oder bei Fehlverhalten von Kunden aufkeimen.
Neben Emotionen sind Arbeitszufriedenheitsurteile auch von den jeweiligen Persönlich-
keitsdispositionen (individuelle Anspruchsniveaus, Neurotizismus vs. Extraversion)
abhängig. In diesem Zusammenhang konnte sogar festgestellt werden, dass ein Arbeits-
zufriedenheitsurteil in gewisser Weise genetisch bedingt ist. Darüber hinaus spielt die
allgemeine Lebenszufriedenheit eine Rolle für die Beurteilung der Zufriedenheit bei der
Arbeit (ibid.:21f.).
Aufgrund der in diesem Kapitel erläuterten Wichtigkeit von Emotionen und deren Einfluss
auf Zufriedenheitsurteile sollen diese bei der vorliegenden Untersuchung der Arbeits-
zufriedenheit von ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken nicht außer
Acht gelassen werden.
46
Nach der in diesem Kapitel erfolgten Einführung in das Themengebiet „Arbeitszufrieden-
heit“ über die Beschreibung der Bedeutung von Arbeit und der Erläuterung von Emotionen
bei der Arbeit soll nun im nachfolgenden Kapitel auf konkrete psychologische Forschungs-
ansätze zu Zufriedenheit bei der Arbeit eingegangen werden, aus denen schließlich
Determinanten für Arbeitszufriedenheit abgeleitet werden.
2.2 Theoretische Ansätze zur Untersuchung der Arbeitszufriedenheit
Die Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten zu einer höheren wirtschaftlichen
Belastung der MitarbeiterInnen von Unternehmen geführt. Sie leiden vermehrt unter dem
wachsenden Effizienzdruck und der Unsicherheit über den Erhalt des Arbeitsplatzes.
Diese Probleme wirken sich auf das Befinden und die Motivation von MitarbeiterInnen
aus, worunter wiederum das Arbeitsklima leidet.
Unternehmen streben vermehrt danach, diese nachteiligen Arbeitsbedingungen zu
verbessern und die Arbeitsqualität zu steigern, um auf dem Arbeits- und Personalmarkt
wettbewerbsfähig und attraktiv zu sein. Die Erhebung der Arbeitszufriedenheit (AZ) spielt
hierbei eine entscheidende Rolle. In regelmäßig durchgeführten MitarbeiterInnen-
befragungen wird diese ermittelt, um je nach erhobenen subjektiven Indikatoren
organisatorische Maßnahmen zu setzen, die zur Erreichung der Verbesserungsziele
beitragen. Das Wissen über die AZ der MitarbeiterInnen dient dabei nicht nur der
Förderung ihrer Befindlichkeit im Beruf, sondern führt auch zu ökonomischen
Ergebnissen. (Fischer 2006:1)
Das vorliegende Kapitel ist in drei Teile gegliedert. Der erste Abschnitt soll den Begriff der
Arbeitszufriedenheit vorstellen und definieren. Der zweite soll einen Überblick über die
wichtigsten theoretischen Ansätze in der AZ-Forschung geben. Die Abhandlung
verschiedener grundlegender Methodiken soll zeigen, wie sich die AZ-Forschung im Laufe
der Jahre entwickelt hat und welche Parameter für die Messung von AZ herangezogen
und verworfen wurden. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit einem der aktuellsten
Modelle der AZ: dem komplexen Modell der Arbeitszufriedenheit (KMA) von Roedenbeck
(2008). Dieses Modell soll in seinen Grundzügen vorgestellt werden, um daraus
Determinanten für AZ abzuleiten, die die empirische Untersuchung der vorliegenden
Arbeit leiten sollen.
47
2.2.1 Begriffsbestimmung Arbeitszufriedenheit
1975 war das Interesse am Problem Arbeitszufriedenheit in deutschsprachigen Ländern
noch nicht sehr groß. In englischsprachigen Ländern gab es in Forscherkreisen jedoch
bereits eine vierzigjährige Diskussion, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzte.
Neben unterschiedlichen Begriffen, wie „job satisfaction“, „morale“, „job attitude(s)“ und
„vocational satisfaction“, existierte auch keine einheitliche Definition (Bruggemann et al.
1975:13).
Im Deutschen hat sich als Übersetzung des Begriffs „job satisfaction“ der Terminus
„Arbeitszufriedenheit“ durchgesetzt, welcher gemeinhin einen Zustand der „Zufriedenheit
mit einem gegebenen betrieblichen Arbeitsverhältnis“ (ibid.) beschreibt. Jedoch beinhaltet
dieser Begriff eine Einstellung zum Arbeitsverhältnis, das alle möglichen Facetten von
„zufrieden“ bis „unzufrieden“ einschließt, und weist „nicht von vornherein auf eine positive
Wortbedeutung von ‚Zufriedenheit’“ (ibid.:19) hin. Darüber hinaus ist dieser Begriff von
Konzepten wie „Berufszufriedenheit“ und „Zufriedenheit mit der Arbeitstätigkeit“
abzugrenzen (ibid.).
Im Laufe der darauffolgenden Jahre brachten ArbeitspsychologInnen unterschiedlichste
Konzepte und Theorien zur Arbeitszufriedenheit hervor. Weitestgehend wird dabei auf
sozialpsychologische Einstellungsmodelle Bezug genommen. Im Allgemeinen wird AZ
demnach als Einstellung einer Person verstanden, die sich sowohl aus kognitiven als
auch aus emotionalen Komponenten zusammensetzt. AZ ist also ein „positiver
emotionaler Zustand, der sich aus der Bewertung der Arbeit und der Arbeitserlebnisse der
Person ergibt“ (Wegge/Van Dick 2006:13). Hauptsächlich führt die Befriedigung
individueller Bedürfnisse, Ziele und Wünsche zu Zufriedenheit, wobei sich diese auch auf
das soziale Umfeld beziehen und sich nicht nur auf die Arbeitstätigkeit beschränken
(ibid.).
Bis heute gibt es weder eine einheitliche Definition dieses Begriffes, noch ein allgemein
akzeptiertes oder gültiges Modell für dessen Messung. Als „kleinsten gemeinsamen
Nenner“ (Büssing 1991:89) für viele AZ-Definitionen kann die Beziehung von Person und
Umwelt, ausgedrückt über die Relation von Soll-Werten (Bedürfnisse und Wünsche der
Person) und Ist-Werten (Erfüllungsgrad dieser Bedürfnisse in der Arbeitssituation),
angesehen werden. Ist die Differenz dieser Soll-Ist-Wert-Relation unterschiedlich groß,
spricht man von Arbeitsunzufriedenheit (AUZ) (ibid.).
Diese dynamische Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt wird insbesondere
unter Roedenbeck (2008) zum Thema. Er vereinte verschiedene Beiträge zur AZ, um die
48
wichtigsten Einflussfaktoren in ein neues Modell aufzunehmen. Dieses Modell zählt zu
den jüngsten Konzepten der AZ-Forschung und basiert auf folgender Definition:
Arbeitszufriedenheit wird als emotionaler Zustand (eZ) verstanden, welcher von der Subjektivität des Individuums (P) und der Situation (S) in hohem Maße abhängig ist. So gilt: eZ = f (P,S). (Roedenbeck 2008:3)
Dieses Verständnis liegt auch der vorliegenden Untersuchung als Arbeitsdefinition
zugrunde. Als theoretische Grundlage für die Fragestellungen zu dieser Studie sollen
daher im nachstehenden Kapitel grundlegende AZ-Konzepte und Theorien vorgestellt
werden.
2.2.2 Grundlegende Konzepte und Theorien
2008 wurden in den größten wissenschaftlichen Literaturdatenbanken der Psychologie
mehr als 26.300 Artikel zum Thema Arbeitszufriedenheit gezählt. Im Vergleich zum Jahr
1998 entspricht dies einer Zunahme von 526 Prozent. Das Interesse an diesem
Forschungsgegenstand nimmt demnach ständig zu. Dennoch ist anzumerken, dass diese
große Anzahl an Veröffentlichungen eine Vielzahl an unterschiedlichen Konzepten und
Theorien offenbart, die sich im Laufe der AZ-Forschung entwickelt haben. (Roedenbeck
2008)
Bei der nachfolgenden Bestandsaufnahme grundlegender Modelle und Theorien der AZ-
Forschung liegt das Hauptaugenmerk sowohl auf einflussreichen älteren Konzepten als
auch auf den jüngsten Studien. Die Besprechung anderer Modelle der langjährigen
Erforschung der Arbeitszufriedenheit steht dabei für die theoretischen Abhandlungen
dieser Arbeit nicht im Vordergrund. Ziel ist es, auf diese Weise einen groben Überblick
über die Entwicklung und Komplexität dieses Forschungsgebietes zu geben und die
Verstehensgrundlage für das aktuellste AZ-Modell, dem Komplexen Modell der
Arbeitszufriedenheit von Roedenbeck (2008), zu bilden.
Die Erläuterungen der ausgewählten Konzepte und Theorien erfolgen in diesem Kapitel in
chronologischer Reihenfolge, beginnend mit den ersten Ansätzen zu einer Theorie der
Arbeitszufriedenheit im Jahr 1954.
2.2.2.1 Die Motivationstheorie nach Maslow (1954)
Erste Hinweise darauf, was einen Menschen zufrieden macht, lieferte Maslow im Jahr
1954 in seinem theoretischen Ansatz zur Klärung der Frage nach der „Motivation des
gesunden Menschen“ (Bruggemann et al. 1975:20). Maslow erstellte ein theoretisches
Modell über die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen, indem er diese in fünf
49
Gruppen von Motivationsinhalten einteilte: physiologische Bedürfnisse, Sicherheits-
bedürfnisse, Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse, Achtungsbedürfnisse und Bedürf-
nisse nach Selbstverwirklichung (ibid.:21f.).
Die Hierarchie dieser Kategorien ist dabei je nach den individuellen psychologischen und
sozialen Bedürfnissen bei jedem Menschen verschieden. Lediglich die physiologischen
Bedürfnisse gelten als elementarste Bedürfnisse und sind daher allen anderen
Bedürfnissen hierarchisch übergeordnet (Maslow 1970:35-52). Damit ein neues Bedürfnis
aufkommt, müssen die in der individuellen Hierarchie vorgeordneten Bedürfnisse nicht
vollständig befriedigt worden sein. Sobald ein Bedürfnis der Ebene 1 regelmäßig und über
einen längeren Zeitraum Befriedigung erlangt, werden Bedürfnisse der nächsten
Bedürfnisebene aktuell (Bruggemann et al. 1975:24).
Damit ein Mensch seine Bedürfnisse befriedigen kann, müssen entsprechende
Rahmenbedingungen gegeben sein, wie etwa Rede-, Handlungs- und Informations-
freiheit, Verteidigungsrecht sowie das Recht auf Gerechtigkeit und Ehrlichkeit. Diese
Grundmanifeste der Demokratie werden von Menschen verteidigt, um die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse sicherzustellen. Solche Verteidigungs- oder Bewältigungsmechanismen
sind wichtig, da sie zur Befriedigung von Grundbedürfnissen beitragen (Maslow 1970:47).
Maslows Aussagen lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Befriedigung von
Bedürfnissen zu Zufriedenheit führt. So führt seinem Konzept zufolge die
Nichtbefriedigung eines Grundbedürfnisses zu feindseligem Verhalten, während die
Befriedigung von Bedürfnissen Menschen freundlich werden lässt (Bruggemann et al.
1975:64). In den Worten von Bruggemann et al.: „Stützt man sich auf MASLOW, so ist
das Gleichgewicht des Organismus ausschlaggebend. Die Übertragung des Ansatzes auf
die AZ ist daher nur vom Modell der Befriedigung bzw. Frustration her möglich“ (ibid.:64,
Hervor. i. Orig.).
2.2.2.2 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie (1959)
Herzberg übernahm das Grundkonzept von Maslows Bedürfniskategorisierung und
übertrug es auf die Arbeitswelt, um Aussagen über die Arbeitszufriedenheit von
Beschäftigten machen zu können. Er ging davon aus, dass einige Arbeitsmotive nicht
strikt entweder zu AZ oder zu AUZ führen, sondern vielmehr zu einer Variation zwischen
diesen beiden Stimmungszuständen. Er spricht dabei von „positiven Faktoren“ (satisfiers),
die den Bereich zwischen „Neutralität“ und „Zufriedenheit“ bestimmen, und von „negativen
Faktoren“ (dissatisfiers), die zu einer Stimmung zwischen „neutral“ und „unzufrieden“
führen (Herzberg et al. 1967:96).
50
Die positiven Faktoren bezeichnet Herzberg als „Kontent-“ (Bruggemann et al. 1975:36)
oder „Motivationsfaktoren“. Diese Faktoren betreffen die Arbeitstätigkeit selbst, also die
Möglichkeit zu Leistung und Weiterentwicklung, Verantwortung bei der Arbeit, Aufstiegs-
möglichkeiten und Anerkennung. Er nennt diese Faktoren „Motivatoren“, da sie den
Menschen bei der Arbeit motivieren und zu Zufriedenheit und Selbstverwirklichung führen.
Die negativen Faktoren bezeichnet Herzberg als „Kontext-“ oder „Hygienefaktoren“. Sie
beziehen sich auf die Arbeitsumgebung, wie beispielsweise auf die Gestaltungsmöglich-
keit äußerer Arbeitsbedingungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Unternehmens-
politik und -administration, Bezahlung und Arbeitsplatzsicherheit. Wenn die mit diesen
Faktoren verbundenen Bedürfnisse unter das von den ArbeitnehmerInnen akzeptable
Niveau sinken, resultiert daraus ein Gefühl der Arbeitsunzufriedenheit. Aufgrund dieser
Unzufriedenheit ist das Arbeitsumfeld für die Betroffenen dann im psychologischen Sinne
ungesund. Um Unzufriedenheit und schlechte Arbeitsleistungen zu verhindern, gilt es
also, Bedürfnisse in Zusammenhang mit Hygienefaktoren zu befriedigen (Herzberg et al.
1967:113ff.).
Hierbei ist jedoch anzumerken, dass – auch wenn Motivatoren hauptsächlich für
Zufriedenheitsgefühle verantwortlich sind – Hygienefaktoren ebenfalls zur Befriedigung
menschlicher Bedürfnisse führen können:
It should be understood that both kinds of factors meet the needs of the employee; but it is primarily the ‘motivators’ that serve to bring about the kind of job satisfaction and […] the kind of improvement in performance that industry is seeking from its work force. (Herzberg et al. 1967:114)
Herzbergs Forschungsbeitrag und Erkenntnisse stellten eine wesentliche Wissens-
erweiterung in der AZ-Forschung dar.
2.2.2.3 Das Modell der Formen der AZ nach Bruggemann et al. (1975)
Der Ansatz von Bruggemann et al. (1975) fußt auf der Annahme, dass sich für jedes
Individuum aus den Merkmalen der Arbeitssituation, die die generellen Bedürfnisse des
Individuums betreffen, konkrete Bedürfnisse und Erwartungen ergeben. Sie legen den
sogenannten „Soll-Wert“ für das entsprechende Arbeitsverhältnis fest. Inwieweit diese
konkreten Bedürfnisse und Erwartungen tatsächlich befriedigt werden, entspricht dem „Ist-
Wert“. Die Un-/Zufriedenheit oder Un-/Befriedigung eines/einer Arbeitenden hängt folglich
vom Vergleich des Soll-Wertes mit dem Ist-Wert ab (Bruggemann et al. 1975:132).
Aus diesem Verhältnis von Soll- und Ist-Wert ergeben sich verschiedene Formen von AZ,
wie in Abbildung 5 schematisch dargestellt ist.
51
Abb. 5: Formen der AZ nach Bruggemann et al. (1975:134f.)
Der Zustand der AZ hängt somit einerseits von der Befriedigung bzw. Nicht-Befriedigung
von Bedürfnissen und Erwartungen ab und andererseits von der Erhöhung,
Aufrechterhaltung oder Senkung des persönlichen Anspruchsniveaus: „[P]ositive AZ kann
nicht nur aus der unmittelbaren Befriedigung durch das Arbeitsverhältnis, sondern auch
durch nachträgliche Senkung des Anspruchsniveaus [...] entstehen“ (ibid.:130f.). Darüber
hinaus führt auch das Verhalten bezüglich Problemlösung, -fixierung und -verdrängung im
Falle der Nicht-Befriedigung zu bestimmten Ausprägungen von AZ.
Bruggemann et al. schließen aus ihren Überlegungen, dass der Zustand der AZ von der
jeweiligen Situation und Person sowie deren individuellen Anreizen abhängig ist, womit
zum ersten Mal in der AZ-Forschung das Verhältnis Person-Umwelt berücksichtigt wurde
(Büssing 1991:91). Eine weitere Schlussfolgerung lautet, dass die jeweilige Verarbeitung
von Frustrations- und Befriedigungserlebnissen bestimmend für die Einstellung zum
Arbeitsverhalten sowie für die Entwicklung neuer Bedürfnisse und Erwartungen ist. Dieses
52
Modell hebt demnach auch erstmalig einen Prozessverlauf bei der Entstehung von AZ-
Formen hervor (Jiménez 2006:184).
2.2.2.4 Erweiterung des Modells von Bruggemann durch Büssing (1991)
Das Modell von Bruggemann et al. (1975) wurde von Büssing (1991) in einigen wichtigen
Aspekten erweitert. Zunächst geht auch er davon aus, dass sich Arbeitszufriedenheit aus
dem Vergleich zwischen persönlichen Ansprüchen (Soll-Wert) und der Arbeitssituation
(Ist-Wert) ergeben. Er kritisiert jedoch die immer noch unzureichende Berücksichtigung
der Wechselbeziehung zwischen diesen Werten:
Wenige Autoren verstehen diese Relation [...] als wechselseitig, also als eine Beziehung, in der Soll-Wert-bedingte Ist-Wert-Veränderungen und Ist-Wert-bedingte Soll-Wert-Veränderungen stattfinden können. [...] Es kann [...] festgestellt werden, dass aufgrund der wechselseitigen Beziehung nicht nur das Produkt des Soll-Ist-Wert-Verhältnisses, sondern auch und v.a. der Prozeß hinsichtlich der allseitigen Dynamik in diesem Verhältnis Kern einer AZ-Theorie und -methode werden sollte. (Büssing 1991:89)
Die Dynamik zwischen Person (legt Soll-Wert fest) und Umwelt (legt Ist-Wert fest) führt
laut Büssing zu einem Rückkoppelungsprozess: Die Person wird durch die Umwelt
beeinflusst und verändert durch ihr Handeln wiederum ihre Umwelt, weshalb sie ihren
Soll-Wert dem neuen Ist-Wert anpassen muss (ibid.:87).
Nach Büssing spielen für die Analyse des Soll-Ist-Wert-Vergleichs die wahrgenommene
Kontrollierbarkeit der Arbeitssituation und die Veränderung des Anspruchsniveaus eine
wesentliche Rolle (ibid.:93). Das Ausmaß der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit
(Tätigkeitsspielraum2) bestimmt dabei, ob Veränderungen des Anspruchsniveaus
(Senkung, Steigerung) nötig sind, um das Ergebnis des Soll-Ist-Wert-Vergleichs zu
regulieren. Das bedeutet: Kann bei Unzufriedenheit die Arbeitssituation nicht kontrolliert
werden, wird das Anspruchsniveau gesenkt. Ist die Arbeitssituation jedoch kontrollierbar,
bleibt das Anspruchsniveau dasselbe.
Aus den Zufriedenheitsurteilen über die Kontrollierbarkeit und die Anspruchsniveau-
veränderung ergeben sich laut Büssing und Bissels (1998:211) acht verschiedene
Formen der Arbeitszufriedenheit, die sich jedoch von jenen Bruggemanns (1975)
unterscheiden: Progressive, stabilisierte und konstruktive/fixierte Zufriedenheit, Zufrieden-
2 Dieses Konzept aus der Tätigkeitstheorie gleicht dem Konzept der Agency aus der Soziologie. Es wird in die drei Dimensionen Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum aufgegliedert und dient der Beschreibung von Arbeitstätigkeiten: „[D]er Tätigkeitsspielraum [ist] als wesentliches Merkmal zur Beschreibung von Möglichkeits- und Veränderungsspielräumen bei der Analyse der AZ heranzuziehen“ (Büssing 1991:95).
53
heit mit reduziertem Anspruchsniveau sowie resignierte Zufriedenheit, konstruktive,
fixierte und resignierte Unzufriedenheit.
Im Gegensatz zu Bruggemanns Modell erlaubt dieses Konzept der unterschiedlichen
Formen der AZ eine qualitative Unterscheidung zwischen ähnlicher oder gleicher
Zufriedenheitszustände. Wird in einem Betrieb hohe AZ erhoben, kann dies nach
Bruggemanns Modell sowohl auf gute Arbeitsbedingungen als auch auf eine erfolgreiche
Anspruchsniveauveränderung zurückzuführen sein. Büssings und Bissels Konzept
hingegen berücksichtigt nicht nur die Wirkungen eines Ereignisses in der Arbeitswelt,
sondern auch das unterschiedliche Problemlöseverhalten. Diese Differenzierung erlaubt
es, die Verbesserungsmaßnahmen im Betrieb an die jeweiligen Formen der AZ
anzupassen. So erfordert beispielsweise die Feststellung konstruktiv unzufriedener
Stimmung andere Interventionen als resignative AZ, die von Vertrauensverlust in die
eigenen Möglichkeiten und Anspruchsniveausenkung geprägt ist (Jiménez 2006:162ff.).
Büssings Person-Umwelt-Bezug und Rückkoppelungs-Konzept sowie seine Über-
legungen zu wahrgenommener Kontrollierbarkeit und Anspruchsniveauveränderungen
sollten richtungsweisend für Jiménez Modell der AZ sein.
2.2.2.5 Das Arbeitszufriedenheitsmodell von Jiménez (2000)
Paul Jiménez (2000) integrierte in seine Überlegungen erstmals dynamische Prozesse in
ihrer zeitlichen Abhängigkeit und erstellte daraus ein neues theoretisches Modell der AZ.
Sein Ansatz beruht hauptsächlich auf den Modellen von Bruggemann und Büssing,
welche er um Grundelemente aus der Kybernetik erweiterte. Dieser Ansatz erlaubte die
spezifischere Untersuchung des dynamischen Prozesses zwischen AZ, Anspruchsniveau
und Wirkung von Persönlichkeitsfaktoren (Fischer 2006:6). Durch Berücksichtigung der
Zeitdimension wurde die bis dahin statische Betrachtungsweise maßgeblich ergänzt –
eine Ergänzung, die aufgrund der Tatsache, dass betriebliches Leben weitgehend von
dynamischen Prozessen gekennzeichnet ist, unentbehrlich ist und darüber hinaus zu
einem wesentlich besseren Verständnis des Zufriedenheitsprozesses führt (Fischer
2006:6f.)
Das so entstandene „Kybernetischen Modell der Arbeitszufriedenheit“ enthält einige
essentielle neue Ansätze. Beispielsweise wird AZ darin als „mehrdimensionale Variable“
(Jiménez 2006:166) betrachtet, die sich aus der Bewertung verschiedener Einzelfacetten
(KollegInnen, Bezahlung, Vorgesetzte, etc.) der AZ ergibt. Jede Facette weist dabei ihr
eigenes Anspruchsniveau und ihren eigenen Ist-Wert auf, aus deren Vergleich sich ein
Zustand der AZ oder AUZ ergibt. Die Betrachtung von AZ als Ergebnis unterschiedlicher
Einzelfacetten führt zu dem Verständnis, dass das Problemlöseverhalten für jede einzelne
54
Facette unterschiedlich sein kann (ibid.:166f.). Dieses Verhalten führt zu einem neuen Ist-
Wert, der nun wieder mit dem Soll-Wert verglichen wird (Jiménez/Trummer 2003:418).
Jiménez vergleicht diesen Rückkoppelungsprozess mit einem „Regelkreismodell“ aus der
Kybernetik und überträgt dieses auf die Situation in der Arbeitswelt (Jiménez 2006:164ff.).
Er geht dabei von zwei Regelkreisen aus, die er zu einem Modell der AZ vereint (siehe
Abb. 6).
Abb. 6: Kybernetisches Modell der Arbeitszufriedenheit von Jiménez (2006:169)
Punkte A, B, C und D (s. Abb. 6) stellen den ersten Regelkreis dar: Befindet sich das
System in einem ausgewogenen Gleichgewicht ergibt sich daraus ein Zustand der
„Zufriedenheit“ und „Normalverhalten“ ist zu erwarten. Bei Unzufriedenheitfolgt ein vom
normalen Verhalten abweichendes Vorgehen (Punkt 2 in der Abb.), um die Arbeits-
situation aufrecht zu erhalten oder ihr entgegen zu steuern. Dieses umfasst unter
anderem „Voice“ (Widerspruch) oder „Exit“ (Verlassen des Unternehmens). Sind diese
Bewältigungsverhalten aufgrund zu hoher Kosten oder Risiken nicht umsetzbar, erfolgt
die Senkung des Anspruchsniveaus (ibid.:168).
Die Punkte B, E und F bilden den zweiten Regelkreis: Das Anspruchsniveau (5) wird hier
durch die Erwartung an die AZ-Entwicklung (Erhöhung oder Senkung) sowie durch die
55
wahrgenommene Kontrollierbarkeit reguliert. Ist das Anspruchsniveau einmal niedrig,
sollte daraufhin wieder höhere AZ folgen (7). Kann die Arbeit zufriedenstellend erledigt
werden führt dies zu hoher AZ für diese AZ-Facette und die Entwicklungserwartungen an
andere Möglichkeiten steigen (5). Dies führt wiederum zu einer Steigerung des
Anspruchsniveaus und die Zufriedenheit nimmt folglich ab. In dieser Situation könnten
externe Aspekte (8), wie beispielsweise Beratung mit den Vorgesetzten, Abhilfe schaffen
und zur erneuten Erhöhung oder Senkung des Anspruchsniveaus führen (ibid.:168ff.).
Wie oben bereits angesprochen, ist die Berücksichtigung der Zeitdimension ein
essentieller Aspekt dieses Modells. AZ wird im Verlaufe der Zeit von Veränderungen der
Umwelt beeinflusst. So verändern sich mit der Zeit sowohl das Problemlöseverhalten
einer Person, wie auch äußere Störfaktoren und Erwartungshaltungen (ibid.:174f.). Die Art
(langsam oder sprunghaft), Richtung und Dauer der Änderung führen dabei zu
entscheidenderen Wirkungen als deren Betrag (ibid.:184).
Die Untersuchung einzelner Arbeitszufriedenheitsfacetten in ihrer zeitlichen Abhängigkeit
zeigt, dass einzelne Facetten als stabil beurteilt werden, wohingegen sich andere unab-
hängig davon mit der Zeit verändern. Beispielsweise kann die AZ-Facette „Erwartungen“
in einigen Aspekten (KollegInnen, Betriebsklima, etc.) stabil und in anderen Aspekten
unbeständig sein (ibid.:181). In einer empirischen Untersuchung gilt es, diese zeitlichen
Veränderungen mitzuerheben, weshalb sich Jiménez Modell hauptsächlich für Längs-
schnittstudien eignet.
2.2.2.6 Relevante aktuelle Studien
Im Folgenden soll eine kurze Darstellung aktueller Themen der AZ-Forschung erfolgen,
die für die vorliegende Untersuchung und Analyse relevante Basiselemente sowie
Erklärungshinweise liefern. Dabei sollen lediglich die Ergebnisse bestimmter Aspekte
herausgegriffen und kurz diskutiert werden.
2.2.2.6.1 AZ und Innere Kündigung
Wie bereits aus Jiménez „Kybernetischem Modell der AZ“ hervorgeht, erfolgt bei
Unzufriedenheit ein vom normalen Verhalten abweichendes Vorgehen. In diesem Kapitel
soll kurz das Bewältigungsverhalten „innere Kündigung“ besprochen werden.
Innere Kündigung wird meist definiert als „Verzicht auf Engagement am Arbeitsplatz“ (Hilb
1992:5), der auf ein langanhaltendes Gefühl der Frustration und Aversion in der Arbeits-
situation zurückzuführen ist. Der Prozess der inneren Kündigung ist nicht äußerlich
56
wahrnehmbar, kann jedoch zur „äußeren“ (tatsächlichen) Kündigung wichtiger Mitarbeiter-
Innen führen (Jiménez/Trummer 2003:416f.).
Gerade im Dienstleistungssektor wird die Qualität eines Produktes (materiell oder
immateriell) wesentlich durch das Engagement und den Einsatz des/der Arbeitenden
bestimmt (ibid.:415). Um diese Qualität zu wahren, ist es von besonderer Wichtigkeit, die
innere Kündigung einer Person so früh wie möglich zu erkennen und Maßnahmen gegen
diesen Rückzug zu ergreifen.
In vielen Fällen folgen auf innere Kündigung Handlungen wie beispielsweise „Voice“ oder
„Exit“. Dabei hegen Personen, die stärker unzufrieden mit ihrer Arbeit sind, weitaus öfter
Kündigungspläne. Sind Lösungsvarianten wie Voice oder Exit zur Problembehebung nicht
möglich, werden sowohl das Engagement als auch das Anspruchsniveau reduziert, um
die Situation als erträglich zu empfinden. Innere Kündigung ist somit nicht nur eine
„bewusste Strategie“, sondern auch eine „Reaktionsform“ (ibid.:420), die eingesetzt wird,
um die äußere Kündigung (Exit) zu umgehen.
Zur Erhebung des Zustands innerer Kündigung müssen zwei verschiedene Dimensionen
berücksichtigt werden: einerseits das Demotivationserleben und der bewusste innere
Rückzug im zeitlichen Vergleich zum Empfinden früher und andererseits das aktuelle
Engagement. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass Personen, die bei der
Arbeit eine starke Demotivation erleben, unzufriedener sind als Personen, die eine
geringe Demotivation verspüren. Ebenso gilt, dass Personen mit geringem Engagement
im Vergleich zu Personen mit hohem Engagement niedrigere AZ aufweisen sollten.
(Ibid.:420f.)
2.2.2.6.2 Zufriedenheit älterer Beschäftigter
Seit den 50er Jahren weisen Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass ältere
Beschäftigte zufriedener bei der Arbeit sind als ihre jüngeren KollegInnen (Schulte
2006:273). Es liegt die Vermutung nahe, dass die besonders hohe allgemeine AZ
(ibid.:275) älterer Beschäftigter (55 Jahre und darüber) (ibid.:274) durch Resignation oder
Akkomodation an die Situation zustande kommt.
Schultes (2006) Untersuchungen zeigen jedoch, dass die hohe AZ älterer Beschäftigter
hauptsächlich durch eine veränderte Arbeitsorientierung zustande kommt. Ältere
ArbeitnehmerInnen orientieren sich demnach nicht so sehr an extrinischen Faktoren
(hohes Einkommen, gute Aufstiegschancen, etc.), sondern vielmehr nach dem Grad der
Sicherheit, den ein Arbeitsverhältnis bietet. Erklären lässt sich diese veränderte
Orientierung beispielsweise damit, dass sich potenzielle Stressoren der beruflichen
57
Tätigkeit (Maximierung des Verdienstes, MitarbeiterInnenkonkurrenz) in den letzten
Jahrzehnten der Berufstätigkeit verringern (ibid.:289). Da ältere Menschen beispielsweise
für ihren Haushalt einen geringeren finanziellen Betrag aufwenden müssen als jüngere,
verspüren sie auch weniger Druck, Geld verdienen zu müssen.
Die AZ älterer ArbeitnehmerInnen wird somit nicht nur von der Arbeit selbst bestimmt,
sondern auch von arbeitsexternen Faktoren und vor allem von geänderten Anspruchs-
strukturen bzw. beruflichen Werten (ibid.:279f.).
2.2.2.6.3 Einfluss von Arbeitswerten und Wichtigkeitsgraden
Bei der Beurteilung individueller Einstellungsurteile kommt Arbeitswerten eine erhebliche
Bedeutung zu (Borg 2006:62). Arbeitswerte werden meist als wünschenswerte oder
wichtige psychologische Objekte in der Arbeitswelt definiert. Angaben dazu werden im
Allgemeinen als Hinweise dafür interpretiert, was die Befragten motiviert und bei der
Arbeit antreibt. Wie bei Jiménez (2006) bereits gezeigt wurde, wird in der heutigen AZ-
Forschung von „Facetten“ der AZ gesprochen, um all jene Möglichkeiten zu beschreiben,
die die Arbeit für Belohnung oder Befriedigung bietet. In den Begriff ‚Arbeitswerte‘ fließt
darüber hinaus auch der Grad der individuellen Wertschätzung dieser Möglichkeiten (Borg
2006:62).
Zusammenhänge zwischen Wichtigkeits- und Zufriedenheitsurteilen konnten in
unterschiedlichen Studien nachgewiesen werden. Es steht demnach fest, dass mit
zunehmender Zufriedenheit über einen Arbeitsaspekt auch dessen Wichtigkeit höher
eingestuft wird. Hohe Unzufriedenheit ist hingegen umso unerträglicher, je wichtiger die
Thematik ist. In manchen Fällen lässt sich diese hohe Unzufriedenheit durch Reduktion
der Wichtigkeit eliminieren. Wenn es jedoch um Arbeitsaspekte wie beispielsweise das
Einkommen geht, kann diese Werteminderung nicht vorgenommen werden (ibid.:73f.).
Extreme Affekte treten also nur dann auf, wenn die Thematik besonders wichtig ist. Durch
Wichtigkeitsfragen in Befragungen soll somit erforscht werden, wo das Problem der
MitarbeiterInnen wirklich liegt, um es so beheben zu können. Den Zufriedenheitsurteilen
alleine wird laut Borg (2006:78) offenbar nicht getraut.
58
2.2.2.6.4 Messung von Arbeitszufriedenheit
Fischer und Belschak (2006) beschäftigen sich mit der Frage, wie Aussagen über Glück
und Zufriedenheit gedeutet werden können. Denn wie ihrer Erörterung zu entnehmen ist,
gestaltet sich die theoretische Konzeption von Glücksgefühlen als äußerst schwierig.
Erklärungen hierfür wurden bereits in Kapitel 2.1.2.3 angesprochen und beziehen sich auf
jene Einflüsse, die zur Entstehung von AZ-Urteilen führen.
Bei der Messung und Beurteilung von Zufriedenheitsäußerungen spielen demnach nicht
nur affektive Empfindungen eine Rolle, sondern auch genetisch bedingte individuelle
Persönlichkeitsdispositionen sowie die allgemeine Lebenszufriedenheit (Wegge/Van Dick
2006:21f., Fischer/Belschak 2006:85). Zu beachten ist hierbei, dass die Erhebung der
allgemeinen Zufriedenheit von konkreten affektiven Ereignissen geprägt ist. So sind
beispielsweise „Glück und Schmerz [...] Charakteristika einzelner Momente, und die
Augenblicksempfindung ist deshalb nur ein schmaler Ausschnitt im gesamten Strom der
Erfahrung“ (Fischer/Belschak 2006:87).
Fischer und Belschak (2006:88) kritisieren, dass in der Zufriedenheitsforschung lange
davon ausgegangen wurde, dass anhand solcher Augenblicksempfindungen ein
objektiver Gemütszustand gemessen werden könne. Der Entwicklung von Empfindungen
proportional zu ihrer zeitlichen Erstreckung wurde dabei jedoch in der Forschung noch zu
wenig Beachtung geschenkt.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Messung von AZ ergibt sich im Rahmen des
Erhebungsprozesses selbst: Üblicherweise wird bei der Frage nach Empfindungen nicht
zwischen gegenwärtigen und vergangenen Erfahrungen differenziert. In der Tat jedoch
gehen den diesbezüglichen Antworten verschiedene kognitive Operationen voraus,
weshalb die Verlässlichkeit der Aussagen unterschiedlich beurteilt werden sollte. Wie
Studien zeigten, unterscheidet sich die intuitive Beurteilung der eigenen Erfahrungen
während einer Periode deutlich von einer zeitlich versetzten Beurteilung (ibid.:93f.). Eine
längere Periode wird demnach im Nachhinein nach affektiven Spitzenwerten global
bewertet:
Die Menschen konstruieren und bewerten offenkundig einen ‚repräsentativen Moment’ [...] und verwenden die Bewertung dieses Moments als einen Beleg für die Bewertung der gesamten Periode. Die Zeitdauer wird in dieser subjektiven Repräsentation definitiv gelöscht. (Fischer/Belschak 2006:94)
Hierbei ist anzumerken, dass die Bewertung in der Abschlussphase der Periode die
Beurteilung wesentlich beeinflusst, weshalb beispielsweise die Wiederwahl einer
langjährig negativ behafteten Regierung durch ein positives Ereignis zu Ende ihrer Wahl-
59
periode zu einer Wiederwahl führen kann. Um der verfälschten Wirkung der Erinnerung
entgegenzuwirken, wird vorgeschlagen, möglichst spezifische und zeitnahe Augenblicks-
empfindungen zu erheben (ibid.:94f.).
Ergänzend zu Fischer und Belschaks (2006) Untersuchungen zur Messung von AZ treten
in diesem Kontext die Studien Bornewassers (2003) in Erscheinung. Er nimmt eine
kritische Stellung gegenüber der häufigen Annahme ein, dass der Messvorgang die
Ausprägung des mentalen Zustands nicht beeinflussen würde (ibid.:138). Seine
Argumentation legt die Interpretation nahe, dass neben eben erörterten erinnerungs-
bedingten Verfälschungen auch andersartige individuell stattfindende Wahrnehmungs-
verzerrungen die Zufriedenheitsmessung beeinflussen können.
So wird Studien zufolge Erfolg vorzugsweise der eigenen Person zugeschrieben und
Misserfolg anderen Personen oder Umständen (ibid.:136). In diesem Zusammenhang
führen unterschiedliche Befunde zu der Annahme, dass Zufriedenheitsurteile bezüglich
einzelner Arbeitskomponenten in individuellen Vorurteilen wurzeln (ibid.:151f.).
Darüber hinaus kann AZ nicht als Konstante angesehen werden, sondern erweist sich je
nach Situation als variabel (ibid.:137). Beispielsweise kann jede Messung dadurch
beeinflusst werden, dass die Befragten sich als Resultat eine Veränderung erwarten.
Ebenso kann ein im Hintergrund der Erhebung intendierter und kalkulierbarer Zweck
(politische Forderungen u.Ä.) die Messungen beeinflussen (ibid.:138).
Diese eben skizzierten Überlegungen machen deutlich, dass sich die Messung von AZ
schwierig gestaltet und es viele Parameter zu berücksichtigen gilt. Im nachfolgenden
Kapitel soll das aktuelle Modell der AZ, das Komplexe Modell der Arbeitszufriedenheit,
beschrieben werden, das der vorliegenden Untersuchung als Basis dient.
2.2.3 Das komplexe Modell der Arbeitszufriedenheit von Roedenbeck (2008)
Wie die im vorherigen Kapitel referierten Ansätze verdeutlichen, ist das Konzept der AZ
uneinheitlich und zerfällt „in einzelne, unterschiedlich gewichtete Faktoren, denen
unterschiedliche Komponenten zugeordnet sind“ (Bornewasser 2003:140). Die obige
Darstellung der vielseitigen Entwicklung der AZ-Forschung in der Psychologie soll recht-
fertigen, wieso für die gegenwärtige Arbeit ein Modell herangezogen wurde, das „alle
wesentlichen Erkenntnisse der Zufriedenheitsforschung integriert“ (Roedenbeck 2008:1):
das Komplexe Modell der Arbeitszufriedenheit (KMA) von Marc R.H. Roedenbeck (2008).
Roedenbecks Modell ist eines der jüngsten in der AZ-Forschung und wird von ihm selbst
beschrieben als „ein hoch komplexer Ansatz zur Beschreibung des Konstruktes der
60
Arbeitszufriedenheit, welcher auf der Annahme der subjektiven Konstruktion einer persön-
lichen Realität beruht“ (ibid.:14). Anhand seines Modells, das qualitative und quantitative
Ansätze vereinigt, sollen der Grad und die Qualität der Zufriedenheit sowie die subjektiven
Vorlieben in der jeweiligen Situation erhoben werden. Außerdem erlaubt das Modell die
Beschreibung von Handlungen im Allgemeinen und bezüglich einzelner Aspekte (ibid.:1).
Die für Roedenbeck geltende Begriffsbestimmung von AZ wurde bereits in Kapitel 2.2.1
angeführt. Demnach definiert er AZ als emotionalen Zustand (eZ), der wesentlich von der
Subjektivität der Person (P) und der Situation (S) abhängig ist. Um das Phänomen der AZ
zu erklären, bedient sich Roedenbeck mathematischer Darstellungsformen. So beschreibt
er in Anlehnung an Lewins Feldtheorie Arbeitszufriedenheit in einer mathematischen
Formel als: eZ = f(P, S) (ibid.:3).
2.2.3.1 Situative Aspekte der Arbeitszufriedenheit
Roedenbecks (2008) eingehende Analyse älterer und jüngerer Modellansätze ergaben,
dass bei der Untersuchung von AZ grundsätzlich zwischen zwei Aspekten unterschieden
werden kann: Einerseits den „situativen Aspekte der AZ“ und andererseits den
„personellen Aspekte der AZ“ (Roedenbeck 2008:3).
Die Erforschung situativer Aspekte ergab, dass Personen eine Situation (S) in
unterschiedliche Facetten (Fi) gliedern, von denen wiederum jede eine Gruppe von
Aspekten (Aj) enthält. So gilt: eZ = f(P,S) = f(P,Fi ⌠Aj⌡). Roedenbecks Analyse älterer AZ-
Modelle brachte demnach vier Facetten (Fi) der Arbeitsplatzsituation hervor:
1) die soziale Facette,
2) die affektiv-emotionale Facette,
3) die kognitiv-intellektuelle Facette und
4) die instrumentell-materielle Facette.
Jede dieser Facetten ist wiederum in einzelne Aspekte aufgegliedert, die sich jedoch in
den verschiedenen Wissenschaftsliteraturen unterscheiden. Um alle diese Aspekte „als
gleichwertige Interpretationsansätze verschiedener Forscher […]“ (ibid.:4) in seinem
Modell zu vereinen, leistete Roedenbeck erhebliche Recherchearbeit. Er identifizierte
schließlich 59 Aspektmöglichkeiten3, die er auf die oben aufgezählten vier Facetten wie in
der Abbildung 7 dargestellt aufteilt.
3 Roedenbeck spricht in seiner Arbeit zwar von 59 Aspektmöglichkeiten, in seiner grafischen Darstellung (siehe nächste Seite) sind jedoch 60 abgebildet.
61
Abb. 7: Die situativen Aspekte nach Roedenbecks KMA (Roedenbeck 2008:5)
Wie der Abbildung 7 zu entnehmen ist, fallen unter die soziale Facette Aspekte wie
„Anerkennung“, „Autonomie“ und „Status“, während der affektiv-emotionalen Facette
Aspekte wie „Stolz“, „Enttäuschung“ und „Belastungen“ zugeordnet werden. Die kognitiv-
intellektuelle Facette beinhaltet unter anderem die Aspekte „Aktivität“, „Einfluss“ und
„Kreativität“ und die instrumentell-materielle Facette beispielsweise die Aspekte „Be-
zahlung“, „Platzgestaltung“ und „Arbeitsweg“.
Laut Roedenbeck ist „ein Erhebungsinstrument auf dieser Grundlage nun dynamisch zu
gestalten, welches die Wahl zur Beantwortung aus der Vielfalt dem Individuum freistellt“
(ibid.:5). Dies entspricht dem Vorhaben vorliegender Arbeit, die relevanten situativen
Aspekte der Befragung individuell anzupassen und nach untersuchungsrelevanten
Kriterien auszuwählen.
62
2.2.3.2 Personelle Aspekte der Arbeitszufriedenheit
Roedenbecks Untersuchung „personeller Aspekte der AZ“ in der Literatur ergaben, dass
der emotionale Zustand der AZ das Ergebnis einer „individuellen Konstruktion“ (Roeden-
beck 2008:5) ist. Diese Konstruktion ist wiederum das Resultat eines Prozesses, in dem
das Individuum die fünf Stationen „Wahrnehmung“, „Gegenüberstellung“, „Verarbeitung“,
„Gewichtung“, „emotionaler Zustand“ und „Verhalten“ durchläuft (s. Abb. 8).
Abb. 8: Der Interaktionsprozess nach Roedenbeck (2008:6)
Der Prozess4 beginnt mit der Wahrnehmung der Arbeit, die von der individuellen Auswahl
der verfügbaren Aspekte geprägt wird, wobei das Auswahlverfahren von subjektiven
Zielkonzeptionen geleitet ist. In einer Gegenüberstellung wird dann der Ist-Wert mit den
individuellen Zielvorgaben (Erwartungs-Werten) verglichen. Das Ergebnis dieses
Vergleichs wird im darauffolgenen Verarbeitungsschritt kognitiv bewertet (+, 0, -).
Anschließend wird jeder Aspekt einer Gewichtung nach dem individuellen Grad der
Wichtigkeit unterzogen. Die Qualität der Zufriedenheit wird durch diese Bewertung der
einzelnen Aspekte festgelegt und bildet nun den emotionalen Zustand. Als letzten Schritt
generiert das Individuum je nach den einzelnen Aspektzufriedenheiten und dem
Gesamtzustand ein bestimmtes Verhalten. (Ibid.:6ff.)
4 Dieser Prozess enthält dieselben Grundzüge wie Brehms Beschreibung von „Emotionsarbeit“ (Kapitel 2.1.2).
63
3 Analytischer Orientierungsrahmen für die empirische Studie
Da die interdisziplinären theoretischen Erläuterungen in Kapitel 1 und 2 sehr umfassend
sind, sollen an dieser Stelle alle wesentlichen Aspekte der unterschiedlichen Theorien und
Modelle in Tabellen zusammengefasst werden. Somit wird eine übersichtliche Darstellung
der referierten theoretischen Grundlagen gewährleistet, auf die bei der Analyse der
empirischen Daten zurückgegriffen werden kann.
Des Weiteren dient diese tabellarische Zusammenfassung der Identifikation von
Determinanten für Arbeitszufriedenheit, die für die Arbeit in der Netzwerkwirtschaft
relevant, jedoch noch nicht in Roedenbecks Modell enthalten sind. Diese aus der
Zusammenfassung abgeleiteten Determinanten für AZ sollen im Anschluss mit
Roedenbecks Determinanten vereint in einem Modell dargestellt werden (Kapitel 3.3).
Hierbei ist jedoch anzumerken, dass bei der vorliegenden empirischen Untersuchung
nicht auf alle in den Tabellen angeführten Aspekte eingegangen werden kann. Ihre
Relevanz wird hauptsächlich von den InterviewpartnerInnen festgelegt, indem sie von
selbst auf diese eingehen oder nicht.
3.1 Interdisziplinäre theoretische Grundlagen
In Kapitel 1 wurden Ansätze aus der Physik und der Soziologie erläutert, die in der
Translationswissenschaft zur Untersuchung translatorischer Produktionsnetzwerke
herangezogen wurden. Die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit kann
demnach bereits auf einer umfassenden interdisziplinären theoretischen Basis aufgebaut
werden, die helfen soll, die richtigen Kriterien bei der Auswahl der InterviewpartnerInnen
abzustecken, die topografischen Gegebenheiten und Dynamiken translatorischer
Produktionsnetzwerke zu verstehen und daher in der Befragung aufkommende Anspiel-
ungen oder Zusammenhänge verstehen und benennen zu können.
Die General Network Theory dient dabei als Verstehensgrundlage für die Beschaffenheit
translatorischer Produktionsnetzwerke. Die aus dieser Theorie gewonnenen Kenntnisse
sollen helfen, Aussagen der interviewten ÜbersetzerInnen im entsprechenden Berufs-
kontext zu verstehen. Die Agency Theory sowie die Actor-Network Theory bilden
wiederum die theoretische Basis für grundlegende Forschungsfragen.
Wie oben bereits angekündigt, werden in der Tabelle 1 die wichtigsten zu untersuchenden
Aspekte und Fragen im Kontext dieser drei Theorien zusammengefasst dargestellt.
64
General Network Theory
Agency Theory Actor-Network Theory
Organisation: Organisation und Struktur des Produktionsnetzwerks (PNW)
Beziehungen: Wirtschaftliche Kooperationen zwischen den verschiedenen AkteurInnen im Produktionsnetzwerk (PNW), Kontakt zu Büro bzw. zu ArbeitskollegInnen
Menschliche AkteurInnen und nichtmenschliche Akteure im PNW: Identifikation
Kontakt zum/zur HauptauftraggeberIn und zum vermittelnden Büro
Primary Principals (PPs): Übersetzen für einen oder zwei PPs, Verpflichtungsgefühl gegenüber der jeweiligen PPs
Einfluss menschlicher AkteurInnen und nichtmenschlicher Akteure auf die Arbeit der ÜbersetzerInnen
Rolle des vermittelnden Übersetzungsbüros
Vertrag: Regelung der Kooperation durch einen Vertrag, Existenz von Qualitätsklassifizierungssystemen oder allgemein gültigen Kriterien, Einhaltung vorhandener Verträge, Zusammenhang mit Agency-Problemen
Machtstrukturen: Beschaffenheit der Machtkonstellationen vorhandener Akteure, Gewichtung der Vorgaben/Anweisungen menschlicher AkteurInnen und nichtmenschlicher Akteure
Moral Hazard: Ehische Konfliktsituationen und ihre Auswirkungen auf die (Un-) Zufriedenheit der ÜbersetzerInnen
Machtposition des/der ÜbersetzerIn: „mächtige“ oder machtlose ÜbersetzerInnen
Informationen: Zugang zu allen relevanten Ressourcen oder asymmetrischer Informationsfluss
Qualitätsprobleme: Existenz solcher Probleme im PNW und Umgang damit
Agency: Bereitschaft und Fähigkeit der ÜbersetzerInnen, im PNW zu handeln
Punktualisierung: Vereinfachte Darstellung heterogener Actor-Networks
Vertrautheit, Vertrauen und Loyalität zwischen den einzelnen AkteurInnen. Bildung und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte
„Übersetzungs“-prozess: Prozess zur Herstellung von Verbindungen mit gegenseitiger Veränderung der Menschen und Objekte
Ziele, Risikobereitschaften und Wünsche: Gleiche oder konkurrierende Ziele, Risikobereitschaften und Wünsche unter den einzelnen AkteurInnen im PNW
4 Momente der Übersetzung: (Problematisierung, Interessement, Enrolment, Mobilisierung), Ernennung von SprecherInnen
Qualität des Arbeitsprozesses und des Produktes/Ausgangsmaterials, gleiche oder konkurrierende Definition von Qualität, gleiche oder unterschiedliche Wertlegung bei der Arbeit
Gehalt und Preise: Angemessenheit, Dauer bis zur Bezahlung, Existenz von Mengenrabatten oder Preisnachlässen, Vorhandensein einer Minimalgebühr, unter der nicht gearbeitet wird
Rolle und Status der ÜbersetzerInnen: Gefühl der Wertschätzung und Erfüllung, Möglichkeit zum Einsatz eigener Kreativität und Stärken
T R A N S L A T I O N S W I S S E N S C H A F T
Beitrag/Zugehörigkeit von ÜbersetzerInnen im Übersetzungsprozess in PNW
Tabelle 1: Theoretische Grundlagen aus der Translationswissenschaft und der Netzwerkforschung
65
3.2 Theoretische Grundlagen aus der Psychologie
Auch die in Kapitel 2 referierten psychologischen Ansätze sollen tabellarisch dargestellt
werden. Die schematische Auflistung in der Tabelle 2 ruft erneut die Bedeutung von Arbeit
und die Wichtigkeit von Emotionen für AZ in Erinnerung, gibt anhand der älteren Modelle
einen Überblick über die Evolution der AZ-Forschung und gewährt eine Bestands-
aufnahme aktueller Studien. Roedenbecks Komplexes Modell der AZ (KMA) liefert
schließlich Determinanten für AZ, die in weiterer Folge mit Determinanten aus den
anderen Theorie (Kapitel 3.1) verknüpft werden sollen.
Bedeutung der Arbeit und Emotionen bei
der Arbeit Ältere Modelle
Aktuelle Studien: Alter, Arbeitswerte, innere
Kündigung Roedenbecks
KMA
Nützlichkeit: Einschätzung der Arbeit als nützlich, angemessene Belohnung, angemessener Status
MASLOW: Physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse, Achtungsbedürfnisse und Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung
Innere Kündigung: Verlust von Engagement oder Senkung des Anspruchsniveaus, Problemlösung durch Voice oder Exit
Situative Aspekte: 4 Facetten der Arbeitsplatz-Situation (soziale, affektiv-emotionale, kognitiv-intellektuelle und instrumentell-materielle)
Positive Emotionen: Freude, Stolz, Zusammenhang mit Leistungsmotivation
HERZBERG: Kontent- und Motivationsfaktoren
Alter: Zufriedenheit älterer Beschäftigter höher aufgrund neuer Arbeitsorientierung und dem Grad an finanzieller Sicherheit
Personelle Aspekte: emotionaler Zustand entsteht aus Verarbeitungsprozess jedes einzelnen Aspektes und führt zu individuell differenziertem Verhalten
Negative Emotionen: Stress (Stressoren), Angstgefühle (Existenzängste, soziale Ängste, Leistungs- bzw. Versagensängste), Neid
BRUGGEMANN et al.: unterschiedliche Formen der AZ, Vergleich Soll-Ist-Wert
Arbeitswerte: Bewertung unterschiedlicher Objekte der Arbeitswelt als wünschenswert oder wichtig, Erfüllung dieser Werte, Motivation für Beschäftigte
Emotionen und AZ-Urteile: affektive Erlebnisse, Persönlichkeitsdispositionen
BÜSSING: Dynamik zwischen Soll- und Ist-Wert, wahrgenommene Kontrollierbarkeit und Anspruchsniveauveränderungen
Wichtigkeit einer Thematik wirkt sich auf AZ aus: Mögliche Eliminierung hoher AUZ durch Reduktion der Wichtigkeit
P S Y C H O L O G I E
JIMÉNEZ: Bewertung verschiedener Einzelfacetten der AZ, Berücksichtigung der Zeitdimension (Längsschnittstudien)
AZ-Messung: Berücksichtigung von individuellen genetischen Persönlichkeitsdispositionen, Lebenszufriedenheit, Zeitdauer, verzerrten Erinnerungen Erhebung möglichst spezifischer und zeitnaher Augenblicksempfindungen
Tabelle 2: Theoretische Grundlagen aus der Psychologie
66
3.3 Determinanten für Arbeitszufriedenheit: der Orientierungsrahmen
Wie in Kapitel 2 bereits erläutert wurde, entsteht AZ aus einem komplexen Prozess und
unter Einfluss verschiedenster Faktoren. Zusammengefasst kann festgestellt werden,
dass sich die globale AZ eines Menschen aus der Summe der Bewertung verschiedenster
Einzelaspekte ergibt (vgl. Jiménez 2006 und Roedenbeck 2008). Eine vereinfachte
Darstellung dieses Entstehungsprozesses bietet Abbildung 9.
Abb. 9: Entstehung globaler AZ durch Einzelaspekt-Bewertung
Die Bewertung der einzelnen Aspekte ist jedoch nicht immer konstant und kann sich mit
der Zeit verändern (Jiménez 2006:181). Da im begrenzten Rahmen dieser Diplomarbeit
jedoch keine Längsschnittstudie durchgeführt werden kann, kann die Dynamik der
Arbeitssituation und die damit verbundene Arbeitszufriedenheitsentwicklung und
-veränderung nicht berücksichtigt werden.
67
Im Fokus der vorliegenden Studie steht daher die Erhebung des momentanen AZ-
Zustandes der Individuen, der sich aus der Bewertung „repräsentativer Momente“
(Fischer/Belschak 2006:94) ergibt, die wiederum Aufschluss über die Bewertung der
gesamten Arbeitssituation geben. Es gilt dabei insbesondere die Subjektivität des
Individuums, dessen Komplexität und die Komplexität der Arbeitssituation, die sich in der
Vielzahl an möglichen Aspekten widerspiegelt, zu berücksichtigen.
Um die empirisch erhobenen Daten der vorliegenden Untersuchung zielgerichtet
analysieren zu können, bedarf es eines analytischen Orientierungsrahmens. Besonders
wichtig für die Erstellung eines solchen Orientierungsrahmens sind die Determinanten für
AZ aus Roedenbecks Komplexen Modell der Arbeitszufriedenheit (2008). Sie sollen bei
der Analyse der Interviewdaten dazu dienen, Erfahrungsberichte, AZ-Urteile und Aus-
sagen in den einzelnen Fällen deuten und einordnen zu können. Die Beschreibung der
Situation und Arbeitszufriedenheit sowie die Bedeutung der einzelnen Aspekte sind bei
jedem Individuum unterschiedlich und daher auch subjektiv und individuell zu bewerten.
Der analytische Orientierungsrahmen soll dabei helfen, herauszufinden, welche der
angeführten Aspekte für ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken als
relevant für Zufriedenheit oder Unzufriedenheit klassifiziert werden. Auf diese Weise kann
auch für jeden individuellen Fall die allgemeine Feststellung gemacht werden, in welcher
der vier Facetten (sozial, affektiv-emotional, kognitiv-intellektuell, instrumentell-materiell)
die meisten Probleme bestehen, die schließlich zu globaler Arbeitsunzufriedenheit des
Individuums führen.
Für den nachstehenden analytischen Orientierungsrahmen (s. Abb. 10) wurden die von
Roedenbeck ausgearbeiteten vier Facetten der Arbeitssituation sowie die dazugehörigen
Aspekte übernommen. Dabei wurden jedoch geringe Modifizierungen vorgenommen.
Beispielsweise erfolgte eine Zusammenfassung der Aspekte „Glücksgefühl“ und
„Enttäuschung“ unter dem Begriff „(+/-) Emotionen“, da dieser sämtliche Empfindungen
von Freude bis Unlust beinhaltet. Darüber hinaus wurden bestimmte netzwerkspezifische
Determinanten für AZ (wie beispielsweise „Moral Hazard“, „Agency“, „Loyalität“, „Vertrag“)
hinzugefügt, die sich aus der theoretischen Erarbeitung in Kapitel 1 und 2 ergeben haben
und in den Tabellen 1 und 2 zusammengefasst aufscheinen. Diese Ergänzungen
erfolgten in alphabetischer Reigenfolge und wurden durch fette, orange Schrift
hervorgehoben. Sie sollen einen spezifischeren und umfassenderen Analyserahmen für
die vorliegende Untersuchung in translatorischen Produktionsnetzwerken bieten.
68
Abb. 10: Analytischer Orientierungsrahmen der Determinanten für AZ in translatorischen PNW (nach
Roedenbeck, Ergänzungen von S.K.)
69
4 Forschungsfrage und Hypothesen
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der Forschungsfrage „Wie zufrieden sind
BerufsanfängerInnen mit ihrer Tätigkeit in translatorischen Produktionsnetzwerken im
Vergleich zu erfahreneren ÜbersetzerInnen in diesem Arbeitsfeld?“
Basierend auf der theoretischen Abhandlung in den Kapiteln 1 und 2 ergeben sich zu
dieser Forschungsfrage drei grundlegende Hypothesen für die vorliegende Diplomarbeit.
So wird aufgrund von Abdallahs Forschungsergebnissen (2007, 2010, 2012) basierend
auf der Agency Theory angenommen, dass die Agency von ÜbersetzerInnen in
translatorischen Produktionsnetzwerken eingeschränkt ist, da sie sich Herausforderungen
wie „asymmetrischem Informationsfluss“, „Moral Hazard“, Qualitätskonflikten, Vertrauens-
und Loyalitätsverlust sowie niedriger Bezahlung und geringem Ansehen gegenüber-
gestellt sehen. Dies führt dazu, dass ÜbersetzerInnen bei ihrer Arbeit überwiegend
negative Emotionen wie Stress, Ängste und Neid empfinden, während Stolz und Freude
oftmals zu kurz kommen. Der Zusammenhang solch negativer Emotionen mit
Arbeitsunzufriedenheit ist klar ersichtlich. Abdallahs Untersuchungsergebnisse (2007,
2010, 2012) führen in Kombination mit den vier Facetten der Arbeitsplatzsituation aus der
Psychologie zu der Vermutung, dass globale Unzufriedenheit hauptsächlich durch die
negative Bewertung von Aspekten der sozialen Facette entsteht.
In diesem Zusammenhang entsteht auch die Annahme, dass bei ÜbersetzerInnen in
translatorischen Produktionsnetzwerken die persönlichen Ansprüche und Erwartungen
(Soll-Wert) nicht mit der tatsächlichen Arbeitssituation (Ist-Wert) übereinstimmen und sie
daher unzufrieden sind. Aufgrund der theoretischen Erläuterungen der Psychologie wird
angenommen, dass Zufriedenheit dann oftmals nur durch Senkung oder Anpassung des
Anspruchsniveaus erreicht wird und die Arbeitssituation somit lediglich aufgrund von
Resignation als „zufriedenstellend“ beurteilt wird.
Des Weiteren wird aufgrund von Schultes (2006) Forschungsergebnissen bezüglich der
hohen Arbeitszufriedenheit älterer Beschäftigter angenommen, dass ÜbersetzerInnen mit
langjähriger Berufserfahrung mit ihrer Arbeit in translatorischen Produktionsnetzwerken
zufriedener sind als BerufsanfängerInnen. Diese Annahme wurzelt darüber hinaus in der
Überlegung, dass erfahrene ÜbersetzerInnen im Laufe ihrer Karriere bessere
Lösungsstrategien entwickelt haben und sich außerdem gegen das Verlassen der
Branche entschieden haben, während AnfängerInnen schneller mit Frustration,
Resignation oder Maßnahmen wie Voice oder Exit reagieren (Jiménez 2006:168).
Außerdem verfügen AnfängerInnen durch ihre geringe Berufserfahrung über weniger
Konfliktlösungs- oder Konfliktpräventionsstrategien und geringeres Selbstvertrauen.
70
Die Zusammenhänge eben erläuterter Hypothesen lassen sich grafisch wie folgt
zusammenfassen (s. Abb. 11).
Abb. 11: Grafische Darstellung der Hypothesen vorliegender Arbeit
Um die zentrale Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit klären zu können und die
Hypothesen widerlegen oder bestätigen zu können, werden in einer empirischen
Untersuchung folgende Detailfragen beantwortet:
Wie beurteilen BerufsanfängerInnen ihre Agency in solchen Netzwerken und welche
Erwartungen haben sie an den Beruf? Inwiefern werden diese erfüllt bzw. nicht erfüllt?
Wie bewerten erfahrene ÜbersetzerInnen ihre Agency im Netzwerk und inwiefern
beeinflusst diese ihre Arbeits(un-)zufriedenheit? Wie hat sich ihre Zufriedenheit im Laufe
ihrer ÜbersetzerInnen-Karriere entwickelt?
Welche Probleme nennen BerufsanfängerInnen und erfahrene ÜbersetzerInnen als
Hauptursache für Un-/Zufriedenheit? Welchen Einfluss haben in diesem Zusammenhang
Probleme wie „asymmetrischer Informationsfluss“ und „Moral Hazard“ auf den
Berufsalltag von ÜbersetzerInnen?
Welche Problemlösestrategien haben BerufsanfängerInnen und auf welche Strategien
greifen erfahrene ÜbersetzerInnen zurück, um ihre Zufriedenheit zu steigern? Wird
Arbeitszufriedenheit nur aufgrund von Senkung des Anspruchsniveaus erreicht?
Welche Determinanten sind ausschlaggebend für Unzufriedenheit? Kann eine Facette
der Arbeitsplatzsituation als Hauptträger von Determinanten für AUZ identifiziert werden?
71
5 Empirische Studie
Abdallahs Untersuchungen zur Befindlichkeit professioneller ÜbersetzerInnen in trans-
latorischen Produktionsnetzwerken anhand der General Network Theory (Barabási 2002),
der Agency Theory (Eisenhardt 1989) und der Actor-Network Theory (Latour 1987) sind
bislang einzigartig und bieten eine wertvolle Basis für weitere Untersuchungen zur
Erhebung der Zufriedenheit von ÜbersetzerInnen in solchen Netzwerken. Abdallahs
Interviews scheinen in die Tiefe zu gehen und haben die wertvolle Erkenntnis zutage
gebracht, dass unter ÜbersetzerInnen in dieser Arbeitsumgebung ein relativ ausgeprägtes
Maß an Unzufriedenheit zu verzeichnen ist.
Weitere Untersuchungen in diesem Bereich durchzuführen ist insofern wichtig, als eine
größere Vielzahl an Ergebnissen die Gründe für eventuelle AUZ von ÜbersetzerInnen in
translatorischen Produktionsnetzwerken deutlicher beschreiben würde und als nur auf
diese Weise eine bessere Arbeitsumgebung geschaffen werden kann. Denn – wie aus
Abdallahs Schlussfolgerungen klar hervorgeht – es ist für ÜbersetzerInnen von überaus
großer Wichtigkeit, einen Sinn in ihrer Position in Produktionsnetzwerken zu sehen, um
eine entsprechende Einstellung gegenüber ihrer Arbeit entwickeln zu können, mit der sie
die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen akzeptieren, ihre Selbstachtung wahren und sich
in ihrer Rolle nützlich und zufrieden fühlen können (Abdallah 2010:30).
Aus diesem Grund soll im Rahmen vorliegender Diplomarbeit eine ähnliche Untersuchung
zur Erhebung der AZ von ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken durchgeführt
werden. Am leichtesten lässt sich ihre Zufriedenheit durch die Befragung selbiger
eruieren. Aus ihren persönlichen Erfahrungen können wertvolle Erkenntnisse gewonnen
werden, die zu einem besseren Selbstverständnis sowie in weiterer Folge zu besseren
Arbeitsbedingungen führen sollen.
Bei der Befragung wird auf die Unterscheidung zwischen BerufsanfängerInnen und
erfahrenen ÜbersetzerInnen Wert gelegt. Der Grund hierfür liegt darin, dass auf diese
Weise eine möglichst breite Palette an Erfahrungen und Lösungsstrategien zutage
gefördert werden kann.
5.1 Zielsetzung der Fragestellung
Die Hauptfragestellung für die empirische Untersuchung lautet: Wie zufrieden sind
ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken? Durch die Erhebung der
Zufriedenheit von BerufsanfängerInnen und erfahrenen ÜbersetzerInnen soll ein Einblick
in deren Berufssituation gewonnen und eventuelle Schwierigkeiten identifiziert werden.
72
Denn erst wenn bestimmte Probleme und deren Ursache verstanden und zutage
gefördert werden, können entsprechende Maßnahmen und Strategien entworfen werden.
Durch Forschungsarbeit im Bereich translatorischer Produktionsnetzwerke soll betroffen-
en ÜbersetzerInnen geholfen werden, ihre Rolle und Position in diesem System besser
verstehen zu können, damit sie Selbstvertrauen gewinnen und Probleme eigenständig
lösen können. Somit würde nicht nur die Qualitätssicherung der Produkte gefördert
werden, sondern auch eine positivere Wahrnehmung des Übersetzungsberufes entste-
hen. Für die Erreichung dieser Ziele braucht es jedoch die oben angesprochene wissen-
schaftliche Beschäftigung mit diesem Thema und eine Berichterstattung über die gegen-
wärtige Situation aus erster Hand: nämlich aus der Sicht der ÜbersetzerInnen selbst.
Über die Erfahrungen von BerufsanfängerInnen und erfahrenen ÜbersetzerInnen in dieser
Arbeitsumgebung sollen umfassende Informationen über arbeitsbezogene Phänomene
und Trends erschlossen werden.
5.2 Methode der empirischen Studie
Dem explorativen Zweck dieser Arbeit, der sich der Erhebung von Zufriedenheitsurteilen
einzelner Personen widmet, kann mithilfe einer qualitativen Forschungsmethode am
besten genüge getan werden (vgl. Bortz/Döring 1995:271). Denn qualitatives Denken wird
von bestimmten Grundsätzen geleitet, die das Untersuchungssubjekt hervorheben, dieses
in seinem natürlichen Umfeld beschreiben und interpretieren sowie daraus allgemein
gültige Schlüsse zulassen sollen. Die wichtigsten qualitativen Grundsätze sind demnach:
die Forderung stärkerer Subjektbezogenheit der Forschung, die Betonung der Deskription und der Interpretation der Forschungssubjekte, die Forderung, die Subjekte auch in ihrer natürlichen, alltäglichen Umgebung (statt im Labor) zu untersuchen, und schließlich die Auffassung von der Generalisierung der Ergebnisse als Verallgemeinerungsprozeß. (Mayring 1999:9, Hervor.i.Orig.)
Die qualitative Forschung eignet sich für die vorliegende empirische Untersuchung also
deshalb, weil sie „am Einmaligen, am Individuellen ansetzen“ (Mayring 1993:18) will und
sich bestimmter Methoden bedient, „die differenzierte Einblicke in die subjektive Weltsicht
der untersuchten Personen ermöglichen“ (Bortz/Döring 1995:281). Im Gegensatz dazu
würde eine quantitative Untersuchungsmethode ein standardisiertes Vorgehen verlangen
und lediglich inhaltlich eingegrenzte Antworten hervorbringen (ibid.:283).
Da qualitative Befragungen im Vergleich zu quantitativen Vorgehen jedoch mehr Zeit in
Anspruch nehmen, kann insgesamt nur eine geringere Anzahl an Personen befragt
werden und die individuellen Erfahrungen sind nur schwer vergleichbar. Zu unterstreichen
ist hierbei jedoch, dass anhand interpretativer Vorgehensweisen bei der Verbaldaten-
73
analyse der „inhaltliche Reichtum der individuellen Antworten“ (ibid.:272) berücksichtigt
werden kann. Nach dem Induktionsschlussprinzip können so aus diesen Einzel-
bewertungen verallgemeinerte Aussagen abgeleitet werden und zur Entstehung
innovativer Gedankenkonstrukte führen (ibid.:275). Qualitative Methoden verlangen dabei
Offenheit dem Forschungsgegenstand gegenüber. Es gilt daher insbesondere, während
des Untersuchungsprozesses „die Augen offen für Unerwartetes“ (Mayring 1999:16) zu
lassen und neue interessante Aspekte aufzugreifen.
Das für die vorliegende Arbeit relevante qualitative Erhebungsverfahren ist das
problemzentrierte Interview, das die befragte Person möglichst frei antworten lässt, um
eine offene Gesprächssituation zu erreichen. Das Interview wird dabei von einer
bestimmten Problemstellung geleitet, die von der Interviewerin im Vorfeld bereits analy-
siert und erarbeitet wurde und auf die sie während des Interviews immer wieder zurück-
kommt (ibid.:50). Während des Interviews werden Erfahrungsrealitäten von den
GesprächspartnerInnen verbalisiert und im Anschluss von der Interviewerin interpretativ
anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1993, 1999) ausgewertet.
5.2.1 Begründung für ein qualitatives Vorgehen im vorliegenden Fall
Wie eben erläutert ist zur Erhebung von Arbeitszufriedenheitsurteilen eine qualitative
Untersuchungsmethode einer quantitativen vorzuziehen. Dies liegt hauptsächlich in der
Inkonsistenz von AZ-Urteilen begründet, die auf täglich stattfindende negative und
positive Ereignisse zurückzuführen sind. Diese positiven und negativen Ereignisse und
deren Einflüsse lassen sich beispielsweise in einem Interview miterfassen, während
quantitative Befragungen die Befragten zwingen, gewisse „Konnotationen in resümier-
ende Urteile zu transformieren“ (Büssing 1991:108). Aussagen, die über die eigene AZ
getroffen werden, können in einem Interview durch die Beschreibung bestehender Tätig-
keitsspielräume (s. Kapitel 2.2.2.4) erläutert werden. Die Vorteile einer qualitativen
Befragung sind jedoch noch weitreichender:
Anstelle der AZ-Messung durch vorgegebene „Entweder-Oder-Entscheide“ im Fragebogen rückt mittels der Erhebung in offenen Interviews die „Herstellung“ von AZ in einer nicht abgeschlossenen, nach Möglichkeit wiederholten, sich über eine längere Zeit erstreckenden, aktiven Auseinandersetzung in den Vordergrund. (Büssing 1991:109)
Für Untersuchungen zur Erhebung von AZ-Urteilen eignen sich qualitative Studien auch
daher besonders gut, weil auf diese explorative Weise neue Einblicke und Impulse
gewonnen werden können, was dem Vorhaben vorliegender Untersuchung entspricht.
74
5.2.2 Vorstellung der angewandten Methode
Die empirische Datenerhebung im Rahmen dieser Arbeit soll mithilfe halb-strukturierter,
offener Einzelinterviews realisiert werden. „Halb-strukturiert“ ist das Interview, da die
Interviewerin (Autorin vorliegender Arbeit) die Befragung anhand eines im Vorfeld
erstellten Fragen-Leitfadens durchführt, wobei die Fragenformulierungen und -reihenfolge
im Verlaufe des Interviews an die Situation angepasst werden kann. „Offen“ ist das
Interview, da die InterviewpartnerInnen die Fragen ohne Antwortvorgaben frei
beantworten können (Mayring 1993:44, 1999:49). Es handelt sich hierbei um eine
explorative Studie mit ermittelnder Funktion (Bortz/Döring 1995:217f.). Die Daten-
dokumentation erfolgt mittels Transkription sowie Notizen während des Interviews und die
Datenauswertung unter Anwendung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1993).
Zunächst erscheint jedoch die genaue Beschreibung der in Frage kommenden Interview-
partnerInnen als sinnvoll.
5.2.2.1 Definition der in Frage kommenden InterviewpartnerInnen
Für das Erhebungsvorhaben vorliegender Studie wurden ÜbersetzerInnen befragt, die in
in vertikal organisierten translatorischen Produktionsnetzwerken tätig sind oder waren und
ihre Übersetzungsaufträge nicht direkt von ihren KundInnen erhalten bzw. erhielten,
sondern über eine vermittelnde Instanz oder Person (Komplettanbieter), also
beispielsweise ein Übersetzungsbüro.
Als BerufsanfängerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken werden Personen
angesehen, die den Beruf erst seit maximal fünf Jahren ausüben. Als erfahrene
ÜbersetzerInnen gelten Personen, die seit mindestens fünf Jahren in Produktionsnetz-
werken tätig sind. Diese beiden Personengruppen wurden für die empirische
Untersuchung ausgewählt, um unterschiedliche Herangehensweisen an den Beruf zu
untersuchen und mögliche Unterschiede in Zufriedenheit und Problemlösestrategien
analysieren zu können.
Für die Interviews kamen dabei sowohl freiberufliche ÜbersetzerInnen infrage als auch
ÜbersetzerInnen, die in einem angestellten Arbeitsverhältnis tätig sind. Denn auch jene,
die in einem Unternehmen beschäftigt sind und ihre Aufträge über einen vermittelnden
Arbeitgeber/eine vermittelnde Arbeitgeberin erhalten, befinden sich in einem Netzwerk.
Bei der Auswahl der InterviewpartnerInnen spielte es außerdem keine Rolle, ob die
ÜbersetzerInnen immer noch in diesen Netzwerken tätig sind oder nicht. Hierbei war
lediglich wichtig, dass die Tätigkeit im Netzwerk keine allzu lange Zeit zurück liegt
(maximal ein Jahr).
75
5.2.2.2 Leitfaden-Interview und Leitfadenkonstruktion
Laut Bortz und Döring (1995:289) ist das Leitfaden-Interview die häufigste der qualitativen
Befragungsformen. Im Vorfeld zur tatsächlichen Interviewdurchführung wird dabei ein
thematischer Rahmen gesteckt, in welchem die Datenerhebung und -analyse ohne allzu
große Einschränkungen erfolgt:
Durch den Leitfaden und die darin angesprochenen Themen erhält man ein Gerüst für Datenerhebung und Datenanalyse, das Ergebnisse unterschiedlicher Interviews vergleichbar macht. Dennoch läßt es genügend Spielraum, spontan aus der Interviewsituation heraus neue Fragen und Themen einzubeziehen oder bei der Interviewauswertung auch Themen herauszufiltern, die bei der Leitfaden-Konzeption nicht antizipiert wurden. (Bortz/Döring 1995:289)
Bei der Leitfadenkonstruktion werden sowohl Haupt- als auch Detaillierungsfragen erstellt
(ibid.), nach denen sich der Interviewer/die Interviewerin bei den Interviews orientiert. Der
Leitfaden für die Interviews im Rahmen vorliegender Arbeit wurden in Anlehnung an die
Tabelleninhalte aus Kapitel 3.1 und 3.2 sowie an die Detailfragen aus Kapitel 4 erstellt
und beinhaltet die folgenden Haupt- und Detaillierungsfragen:
76
Hauptfragen Wie sehen für Sie ideale Arbeitsbedingungen aus? Wie ist die
Situation tatsächlich?
Wie beurteilen Sie Ihr Mitsprache- und Ihr Entscheidungsrecht
im Netzwerk?
Wo sehen Sie Möglichkeiten, aufgrund Ihrer bisherigen
Erfahrungen in Zukunft anders oder besser handeln zu
können?
Detaillierungsfragen Was ist für Sie bei der Arbeit wichtig? Werden diese Aspekte
erfüllt?
Was sind Ihre größten Ängste, Sorgen und Enttäuschungen
bezüglich der Arbeit?
Wann empfinden Sie Stolz, Befriedigung, Freude bei der
Arbeit?
Würden Sie sagen, dass Sie heute (un-)zufriedener sind als zu
Beginn Ihrer Tätigkeit?
Was steigert/dämpft Ihre Bereitschaft für Engagement?
Was frustriert oder demotiviert Sie am meisten?
Wie sehen Sie Ihren Status unter Mitmenschen?
Würden Sie Ihre Bezahlung als angemessen beschreiben?
Wie verläuft der Kontakt zum Büro oder den KollegInnen?
Herrscht Vertrauen/Loyalität zwischen Ihnen?
Wie verlaufen Verhandlungen vor/während der
Auftragsübernahme? Verfolgen Sie dabei irgendwelche
Strategien? Gibt es einen Vertrag?
Was ist dem Auftraggeber/der Auftraggeberin wichtig und was
ist Ihnen wichtig?
Wessen Vorgaben/Anweisungen sind vorrangig?
Gibt es einheitliche Qualitätskriterien? Was wird als „gute“
Dienstleistung verstanden?
Falls Ausbildung: Bot diese eine angemessene Vorbereitung?
Wie ist Ihre Erwartungshaltung bezüglich zukünftiger
Entwicklungen?
Haben Sie Änderungsvorschläge für die Vorgehensweise Ihrer
AuftraggeberInnen oder bezüglich des bestehenden Systems?
Tabelle 3: Interviewleitfaden für die vorliegende empirische Studie
77
Da die Fülle der Antwort vom Charakter der befragten Person abhängig ist, wurden nicht
bei jedem Interview alle Detaillierungsfragen gestellt. Vor Befragungsbeginn wurde der
befragten Person versichert, dass alle nötigen Maßnahmen im Sinne des Datenschutzes5
getroffen werden. Das bedeutet, dass dem Befragten/der Befragten die Anonymität ihrer
Antworten und die sichere Aufbewahrung des Datenmaterials versichert wurde. Um die
Anonymität des/der Befragten bei der Analyse gewährleisten zu können, wurden
seine/ihre identifizierbaren Merkmale (Name, Wohnort, Alter, etc.) in der Arbeit modifiziert
dargestellt. Somit wird verhindert, dass aufgrund des Wohnortes und des Berufes auf die
Identität des/der Befragten geschlossen werden kann (ibid.:288).
Nach Beendigung der einzelnen qualitativen Befragungen wurden in einem standard-
isierten Fragebogen Angaben zur Sozialstatistik gemacht (ibid.). Diese Angaben
umfassen Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Beschäftigungsart (selbstständig/angestellt),
Arbeitsjahre in dieser Branche, Sprachenpaare und Sonstiges.
5.2.2.3 Transkription
Um die Interviewdaten „genau und nachvollziehbar“ (Kuckartz et al. 2008:25) interpretativ
anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1999) analysieren zu können,
wurden die Interviews zunächst mithilfe eines digitalen Aufnahmegerätes aufgenommen
und anschließend verschriftlicht. Diese Verschriftlichung von Tonaufzeichnungsdaten wird
als Transkription bezeichnet und dient der Analysearbeit sowie der allgemeinen Nach-
vollziehbarkeit der Untersuchung (Bortz/Döring 1995:287f.). Eine gängige Definition für
Transkription lautet: „Die Verschriftlichung menschlicher Kommunikation, meist auf der
Grundlage von Tonband- oder anderen Aufzeichnungen. Je nach Untersuchungszweck
kann bzw. muss die Transkription mehr oder weniger umfassend sein“ (ILMES 2008, zit.
n. Kuckartz et al. 2008).
Mayring (1999:71) bekräftigt diese Aussage, indem er anmerkt, dass die in manchen
Fällen beigefügten Kommentare und Zeichen die Lesbarkeit der Transkription
erschweren, weshalb der nötige Kommentierungsgrad je nach Fragestellung der
Untersuchung festgelegt werden soll. Wenn es bei der Erhebung wie im vorliegenden Fall
um inhaltlich-thematische und nicht um sprachwissenschaftliche Erkenntnisse geht, ist die
Transkription daher möglichst einfach und ökonomisch zu gestalten. Im Wesentlichen
wurden aus diesem Grund die folgenden Transkriptionsrichtlinien nach Kuckartz et al.
(2008:27f.) angewandt (Erweiterungen sind in eckigen Klammern angeführt):
5 Genauere Informationen zu Datenschutzmaßnahmen sind unter Bortz/Döring 1995:288 nachzulesen.
78
- Die Transkription erfolgt wörtlich, wobei Dialekte und lautsprachliche Äußerungen
nicht inkludiert werden. Es werden keine Zusammenfassungen gemacht.
- Die Sprache wird geglättet und an das Schriftdeutsch [bzw. -englisch] angepasst.
- Sämtliche Äußerungen, die eine Identifizierung der Befragten ermöglichen, werden
anonymisiert.
- Auffällig lange Pausen werden mit drei Auslassungspunkten (…), [kürzere Pausen
mit zwei Auslassungspunkten(..)] gekennzeichnet.
- Betonte Äußerungen werden mit einer Unterstreichung markiert.
- Bejahende oder bestätigende Lautäußerungen der Interviewerin, wie etwa „Aha“
oder „Mhm“, werden nicht transkribiert.
- Einwürfe, die den Gesprächsfluss der Befragten oder der Interviewerin
unterbrechen, werden in Klammern angeführt [bzw. ganz ausgelassen].
- Unterstützende oder hervorhebende Lautäußerungen (wie lachen oder seufzen)
werden in Klammern gesetzt.
- Die interviewende Person wird durch ein „I“ und die befragte Person durch ein
„BE“ (Befragte/r Erfahren) bzw. durch ein „BA“ (Befragte/r AnfängerIn), gefolgt von
ihrer Kennnummer, gekennzeichnet.
- Zwischen jedem SprecherInnenwechsel wird eine Leerzeile bzw. ein Absatz
eingefügt, um die Lesbarkeit zu erhöhen.
Außerdem wird bei langgezogener Aussprache der Buchstabe doppelt geschrieben. Bei
Satzabbruch, Satzneubildung oder einem gedanklichen Einschub wird ein Gedankenstrich
gesetzt. Sollte ein Wort auf der Audiodatei völlig unverständlich sein, werden drei XXX
geschrieben. Werden Namen, Länder oder Firmennamen genannt, werden diese aus
Gründen des Datenschutzes weggelassen und in eckigen Klammern durch [Name],
[Land], [Firmenname] ersetzt. Bei zu vielen persönlichen Aussagen über die Person, wird
lediglich in eckigen Klammern auf [Identitätshinweise] hingewiesen.
Nach der Transkription der Tonaufzeichnungen aller Einzelinterviews nach den eben
genannten Richtlinien wurde mit der Analyse der Daten begonnen. Diese erfolgte in
Anwendung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1993), die im Folgenden kurz
beschrieben werden soll.
79
5.2.2.4 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
Mayrings Analyseanleitung dient dem „regelgeleiteten, intersubjektiv nachvollziehbaren
Durcharbeiten umfangreichen Textmaterials“ (Bortz/Döring 1995:307) und einer theorie-
geleiteten Interpretation. Nachvollziehbar und somit wissenschaftlich ist die Methode der
Inhaltsanalyse aufgrund der Zerteilung des Analyseablaufes in vorab festgelegte
Interpretationsschritte (Mayring 1993:48f.).
Die qualitative Inhaltsanalyse wird in drei Grundformen gegliedert: die zusammenfass-
ende, die explikative und die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse. Für die Analyse
der empirischen Untersuchung dieser Arbeit wird die zusammenfassende qualitative
Inhaltsanalyse nach Mayring (1999) angewandt. Sie ermöglicht die Untersuchung kleiner
Sinneinheiten und beinhaltet ein Kategorienschema, wodurch eine zusammenfassende
Betrachtung des Interviewmaterials ermöglicht werden soll (Mayring 1999:91f.).
Bei der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse werden spezifische Textstellen
des transkripierten Interviewmaterials vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden
theoretischen Fragestellungen in bestimmte Kategorien aufgegliedert. Diese Kategorien-
bildung erfolgt nach den vorab durch die theoretischen Grundlagen der Fragestellung
festgelegten Selektionskriterien und -definitionen für die Kategorienbildung. Kategorien
„stellen Verallgemeinerungen dar, hervorgegangen aus der Ebene konkreter empirischer
Tatbestände; sie sind somit theoretische Aussagen“ (ibid.:79). Im vorliegenden Fall gelten
demnach die Determinanten für Arbeitszufriedenheit (s. Abb. 10) als Selektionsdefinition
für die Kategorienbildung.
Nach diesen Selektionsdefinitionen wird der zu analysierende Text Zeile für Zeile
untersucht. Wird eine Textstelle gefunden, die einer dieser Definitionen entspricht, wird
sie auf ihren Inhalt reduziert paraphrasiert (z.B. „keine Belastung gespürt“). Diese
Paraphrasen werden dann verallgemeinert und in Kategorien zusammengefasst (Mayring
1993:57). Textstellen mit ähnlichem Inhalt werden den entsprechenden Kategorien
zugeordnet (Subsumption). Wird eine Textstelle gefunden, die sich nicht zu den bereits
existierenden Kategorien zuordnen lässt, wird induktiv eine neue Kategorie formuliert.
Auch wenn die Zuordnung der Kategorien zu Textstellen möglichst regelgeleitet ablaufen
soll, geschieht sie jedoch nicht automatisch, sondern „stellt einen Interpretationsakt dar“
(ibid. 2005:11).
Die Bezeichnung der Kategorien wird von einem Begriff oder Satz des Materials
abgeleitet. Die Kategorien werden nach einem ersten Analysedurchgang verfeinert und
dienen schließlich der endgültigen Auswertung. Diese kann unter zwei unterschiedlichen
Gesichtspunkten erfolgen: Entweder wird das gesamte Kategoriensystem bezüglich der
80
Fragestellung und Theorie interpretiert oder die Einteilung der Textstellen in Kategorien
wird quantitativ ausgearbeitet (z.B. Überprüfung der Häufigkeit einzelner Kategorien).
(Ibid. 1999:91-94.)
5.3 Datenauswertung und -analyse
In diesem Kapitel erfolgt nun die Analyse der einzelnen Interviews sowie die anschließ-
ende Analyse der Gruppenresultate. Hierbei soll insbesondere auf den theoretischen
Hintergrund der Kapitel 1 und 2 zurückgegriffen und eine Lösung für die in Kapitel 4
dargestellten Forschungsfragen und Hypothesen erarbeitet werden. Nach einer einführen-
den Erläuterung der Interviewdurchführung und einer Auflistung statistischer Daten der
befragten Personen erfolgt schließlich die Analyse und Auswertung der Interviewdaten.
5.3.1 Durchführung des Leitfaden-Interviews
Insgesamt wurden zwischen November und Dezember 2012 zehn ÜbersetzerInnen zu
ihren Erfahrungen in translatorischen Produktionsnetzwerken befragt. Sechs der
befragten ÜbersetzerInnen (fünf weibliche, ein männlicher) haben zwischen eineinhalb
und drei Jahren Berufserfahrung und zählen somit zu den „BerufsanfängerInnen“. Vier
ÜbersetzerInnen (drei weibliche, ein männlicher) arbeiten seit sieben oder mehr Jahren in
diesem Beruf und bilden daher die Gruppe der „erfahrenen ÜbersetzerInnen“.
Die Hälfte der Befragungen fand an öffentlichen Orten statt. Zwei Interviews wurden
aufgrund der großen örtlichen Entfernung zu dem/der Befragten über das Online-Medium
Skype realisiert und drei Interviews wurden bei den Befragten Zuhause durchgeführt. Die
Länge der Interviews variierte dabei zwischen 30 und 90 Minuten.
Alle Interviews wurden mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgenommen und später
transkribiert. Den befragten Personen wurde vor Beginn des Interviews die sichere
Verwahrung der Audioaufzeichnungen sowie die Geheimhaltung ihrer Daten zugesichert.
Der/die InterviewpartnerIn wurde nach dem Interview gebeten, in einem kurzen
Fragebogen Angaben zu persönlichen Daten zu machen. Zusätzlich wurde von mir direkt
nach jedem Gespräch ein kurzer Post-Report verfasst, in dem der Verlauf des Interviews,
eventuelle Störungen, die Verfassung der InterviewteilnehmerInnen und mögliche andere
Besonderheiten oder Gedanken festgehalten wurden. Die Transkriptionen und Post-
Reports (siehe Anhang) sind innerhalb der Gruppen chronologisch gereiht und nach den
jeweiligen Gruppenkodierungen BA1-BA6 (BerufsanfängerInnen) und BE1-BE4
(erfahrene ÜbersetzerInnen) geordnet.
81
Da bei der Analyse nicht auf Namen zugunsten von Kodierungen (BA1, BE3, etc.)
verzichtet werden soll, wurden die Namen der InterviewpartnerInnen im Nachhinein
verändert. Um jedoch bei einem Vergleich von Personen der beiden Gruppen das
Erkennen ihrer Gruppenzugehörigkeit zu erleichtern, wurden den BerufsanfängerInnen
Namen zugeordnet, die mit A beginnen, und den erfahrenen ÜbersetzerInnen Namen mit
E gegeben. Auf diese Weise soll die Lesbarkeit erhöht und die Besprechung attraktiver
gestaltet werden.
Bevor die Ergebnisse der Interviewanalysen dargestellt werden, soll zunächst noch ein
kurzer Überblick über statistische Daten der befragten Personen gegeben werden.
5.3.2 Statistische Angaben zu den befragten Personen
Die Tabellen 4 und 5 bieten eine Übersicht über die Angaben der InterviewpartnerInnen in
den statistischen Fragebögen.
Gruppen-kodierung
+ Name (verändert)
Geburts-
jahr
Mutter-sprache
Arbeitsjahre
Beschäfti-gungsart
Arbeits-
sprachen
Ausbildung
BA1 Ariane
1987 Deutsch 1,5 freiberuflich Englisch Übersetzen
BA2 Ava
1983 Deutsch 1,5 freiberuflich Bulgarisch,
Englisch
Übersetzen und
Dolmetschen
BA3 Angelika
1989 Deutsch 2 freiberuflich
Bosnisch/ Serbisch/ Kroatisch, Englisch
Übersetzen
BA4 Armin 1986 Deutsch 1,5 freiberuflich Englisch Informatik
und Anglistik
BA5 Alessandra
1983 Deutsch 3 freiberuflich Englisch,
Französisch Übersetzen
BA6 Anja
1986 Deutsch 2,5 freiberuflich Englisch,
Türkisch Übersetzen
Tabelle 4: Statistische Daten der BerufsanfängerInnen
82
Gruppen-kodierung
+ Name (verändert)
Geburts-
jahr
Mutter-sprache
Arbeitsjahre
Beschäfti-gungsart
Arbeits-
sprachen
Ausbildung
BE1 Edoardo
1979 Italienisch 11 freiberuflich Englisch,
Französisch Dolmetschen
BE2 Elke
1957 Deutsch 24 freiberuflich Englisch,
Arabisch
Übersetzen und
DolmetschenBE3
Esther
1979 Deutsch 7 angestellt Englisch Anglistik und Medienwiss-enschaften
BE4 Evelyn
1955 Deutsch 20 freiberuflich Französisch,
Ungarisch
Übersetzen und
Dolmetschen
Tabelle 5: Statistische Daten der erfahrenen Übersetzerinnen
5.3.3 Analyse und Interpretation der Arbeitszufriedenheit der befragten Personen
Für die Auswertung der Interviewdaten wurde zunächst jedes Transkript einzeln nach
Regeln der qualitativen Inhaltsanalyse analysiert. Die Ansätze der Translationswissen-
schaft (Abdallah 2007, 2010, 2012), der General Network Theory (Barabási 2002), der
Agency Theory (Eisenhardt 1989) und der Actor-Network Theory (Latour 1987) sowie der
Analytische Orientierungsrahmen der Determinanten für AZ (s. Abb. 10) in Anlehnung an
Roedenbecks (2008) Determinanten für Arbeitszufriedenheit wurden bei der Analyse als
Hilfestellung herangezogen. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass diese theoretischen
Grundlagen lediglich als Informationsmaterial angesehen wurden und die Erlangung
neuer, gar widersprüchlicher Erkenntnisse bei der Analyse weder ausgeschlossen noch
angestrebt wurde.
In den folgenden Kapiteln werden die Ergebnisse der Einzelanalysen vorgestellt. Danach
folgen eine Gruppen- und schließlich eine Gesamtanalyse, in der die Ergebnisse der
Einzel- und Gruppenanalysen zusammengefasst und interpretativ dargestellt werden.
83
5.3.3.1 Arbeitszufriedenheit der BerufsanfängerInnen
Zunächst sollen die Interviewdaten der sechs interviewten ÜbersetzerInnen der Gruppe
„BerufsanfängerInnen“ analysiert werden. Da sich jedes der folgenden Unterkapitel auf
die Analyse eines Interviews konzentriert und nur Zitate aus dem jeweiligen Transkript
verwendet werden, wird nicht nach jedem Zitat die Quelle erneut angeführt.
5.3.3.1.1 BA1 – Ariane „Die Aussteigerin“
Netzwerktopologie
Die Netzwerktopologie von Arianes Arbeitswelt lässt sich in Anlehnung an Barabásis
General Network Theory (2002) darstellen (s. Abb. 12).
Abb. 12: Netzwerktopologie BA1
Als Hub in diesem Netzwerk können sowohl das Online-Übersetzungsnetzwerk
Translator’s Café („[D]as ist, glaub’ ich, ein heißer Tipp.“) als auch die einzelnen
Übersetzungsbüros (Intermediary Principals) identifiziert werden. Ariane stellt als
Übersetzerin das letzte Glied in dieser Kette dar.
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Ariane war während ihres Übersetzungsstudiums eineinhalb Jahre als freiberufliche
Übersetzerin tätig. Die Interviewdatenanalyse ergab, dass die Ist-Werte in vielen
Arbeitsbereichen Arianes Soll-Werten entsprachen. Beispielsweise verfügte Ariane über
einen großen Handlungsspielraum in ihrer Rolle als Übersetzerin. Ihre Bedingungen, sagt
sie, hat sie „eigentlich immer durchgesetzt“.
84
So konnte sie etwa bei ihren Preisen „viel verhandeln“ und vor Auftragsannahme immer
schriftlich in einem Kostenvoranschlag ihren Wunschpreis festlegen. Wenn Übersetzungs-
büros dringende Anfragen hatten, wurde Arianes Handlungsspielraum sogar vergrößert,
weil da „kannst du sagen, ja du machst es nur zu den Bedingungen und du möchtest eine
Anzahlung oder so. Das geht auch“. Ariane sieht die Wahlfreiheit von Übersetzungsbüros
dann nämlich eingeschränkt, da sie aufgrund des Zeitmangels nicht nach dem/der
billigsten ÜbersetzerIn suchen können: „Übersetzungsbüros haben nicht immer die
Freiheit. (...) Also manchmal war’s so, dass (..) ja, dass am nächsten Tag der Auftrag
fertig sein hat müssen und dann haben sie nicht wirklich viel Auswahl.“
Ariane glaubt, ihren Handlungsspielraum ihrem Übersetzungsstudium verdanken zu
können, denn „ersten weißt du, wie du vorgehen musst, wenn du einen Auftrag kriegst“
und zweitens da „es ein bisschen das Selbstbewusstsein [stärkt], weil du traust dich dann
auch einen Preis verlangen für das. Also das schon. Das hab’ ich schon auch gemerkt.“
Der Kontakt zu Menschen aus anderen Ländern und Kulturen motivierte sie: „Ich glaub’,
das Nette ist der Kulturtransfer irgendwo. Dass du halt ein bisschen in eine andere Welt
schnuppern kannst.“ Dieser Aspekt der Arbeit war für sie „das Aufregende daran“: „[W]eil
du das ja wieder dann in eine andere Kultur bringen musst. Das schätz’ ich daran. Also
nicht unbedingt die Sprache selber, sondern eher das Drumherum.“ Ariane empfand ihre
Übersetzungstätigkeit als bedeutsam und die Kontakte mit Menschen aus anderen
Ländern als das Beste an diesem Beruf:
Ja dass du auf einer internationalen Bühne arbeitest. Also das ist schon lässig. Du weißt, du sitzt jetzt nicht irgendwo in einem Dorf in Österreich im Büro und arbeitest mit deinen Dorfkollegen, sondern du arbeitest halt irgendwie mit – ja, irgendwem aus Russland oder mit einem Amerikaner und so weiter und so fort und das aber alles zur gleichen Zeit. Das ist schon cool. Ja. Das war eigentlich das Beste daran.
Darüber hinaus motivierten sie die guten Beziehungen zu den Übersetzungsbüros, die im
Laufe der Zeit auch immer intensiver und persönlicher wurden:
Es entsteht dann später schon eher eine engere Beziehung. Also am Anfang bist du halt quasi ja der, der das übersetzt und später sprechen sie dich dann auch wirklich so an und fragen dann so quasi: He, wie geht’s dir? Du ich hätt’ da jetzt einen Text. Hast du Zeit? Und bla bla. Also es wird dann schon enger.
Daher erfuhr sie auch meist Anerkennung für ihre Arbeit: „Also da is‘ mir schon
vorgekommen, man kriegt schon wirklich was für seine Arbeit. Also das is‘ schon
gegeben“. Das positive Feedback machte sie sehr zufrieden: „Man kriegt auch dann
meistens positive Rückmeldungen. Also so eigentlich ein ‚Danke, dass du’s gemacht hast’
und ‚Passt gut, perfekt’.“
Arianes Einstellung zu ihrer Arbeit als freiberufliche Übersetzerin schien demnach zu
Beginn sehr positiv: „Am Anfang hab‘ ich mir schon immer dacht, also sicher, das mach‘
85
ich, das ist perfekt“. Diese Meinung änderte sich jedoch im Laufe der Zeit: „[E]s ist ein
totaler Stress (...). Also, ich glaub‘, mittlerweile würd‘ ich’s nicht mehr hauptberuflich
machen.“ Rückblickend beschreibt Ariane ihre Übersetzungstätigkeit als „kostbare
Erfahrung“ und als „Nebenjob ganz nett“ aber „so wirklich allein als freiberuflicher
Übersetzer, der jetzt nicht selber eine Agentur hat (…), glaub’ ich nicht. Also könnte ich
mir jetzt nicht vorstellen“.
Obwohl der Soll-Ist-Vergleich in vielen Aspekten sehr positiv ausfällt und Ariane demnach
während ihrer Übersetzungstätigkeit nicht unzufrieden war, entschied sie sich schluss-
endlich, die Branche zu wechseln (Exit) und eine Fixstelle als Marketing-Texterin in einem
international tätigen Unternehmen anzunehmen. Diese Entscheidung ist wohl darauf
zurückzuführen, dass viele ihr wichtige Aspekte, wie beispielsweise Sicherheit und ein
regelmäßiges Einkommen in ihrer eineinhalbjährigen Berufserfahrung nicht befriedigt
wurden. Lediglich als Nebenjob kann sie sich das Übersetzen noch vorstellen: „Ich glaub’,
perfekt ist es, wenn du (..) nebenberuflich übersetzt und vielleicht irgendeinen Teilzeitjob
hast. Dann kannst du beides machen.“ Daher schließt sie den Übersetzungsberuf als
Zukunftsoption nicht aus:
Ich hab‘ auch vor, dass ich’s später vielleicht einmal mach‘, wenn ich Kinder hab‘ oder so und ich in Karenz bin, dass ich da was dazu verdien‘. Also das auf jeden Fall. Ich würde es nur nicht hauptberuflich machen. Also nebenberuflich sicher, auf jeden Fall.
Die ausschlaggebenden Determinanten für ihren Ausstieg aus der Übersetzungsbranche
werden nun zusammengefasst dargestellt.
Bezahlung eines Nebenjobs
Also für mich war’s ein nettes Taschengeld.
Als Studentin war für Ariane der Hauptmotivator „das Geld (lacht). Das muss ich offen und
ehrlich sagen. Wenn du weißt, he, du kannst jetzt über’s Wochenende 800 Euro
verdienen und (…) dann tust halt (…) schnell. Sagen wir mal so.“ Ein entscheidender
Faktor hierbei ist, dass Ariane als Studentin die Zeit hatte, solche Aufträge anzunehmen:
„Also es hat jetzt funktioniert, wenn du jetzt nicht wirklich einen Vollzeitjob hast oder so.
Dann kannst du nämlich sagen, okay, dann arbeite ich heute halt mal bis Mitternacht oder
bis eins.“
Darüber hinaus war Ariane von ihrem Einkommen als Übersetzerin nicht abhängig, was
ihr die Freiheit gab, Aufträge abzulehnen und nur gewinnbringende Kooperationen
einzugehen. Aufgrund des unregelmäßigen Auftragsvolumens bezeichnet sie ihr
Einkommen daher als „nettes Taschengeld“, von dem man alleine nicht leben könne. Sie
ist sich jedoch bewusst, dass sie sich erst am Beginn ihrer Karriere befand und es einer
86
längeren Berufslaufbahn bedürfen würde, um von der Bezahlung den Lebensunterhalt
begleichen zu können:
[W]ahrscheinlich hätte ich es dann länger machen müssen, damit ich dann auch wirklich herausfinde, ob man dann mit’m Preis auch weiter rauf gehen kann oder keine Ahnung. Aber ich war halt doch nur ein junger Übersetzer ganz am Anfang.
Sie arbeitete jedoch lange genug, um festzustellen, dass die geografische Lage des
Übersetzungsbüros einen entscheidenden Unterschied bei den Preisen darstellte. So
bezahlten US-amerikanische Büros generell „um einiges mehr“ als andere Büros:
„Scheinbar war ihnen das irgendwo wichtiger.“ Ein indisches Büro hingegen bezahlte sehr
wenig, was sie „manchmal genervt“ hat. Da sie nicht bereit war, ihr Anspruchsniveau
diesbezüglich zu senken und die Situation zu akzeptieren, brach sie diese
Zusammenarbeit auch irgendwann ab:
[D]as hat mir ganz wenig gezahlt. Die haben halt dann, ich glaub’, 0,05 pro Wort. Und da hab’ ich dann, am Anfang hab’ ich öfter mit ihnen zusammengearbeitet und später gar nicht mehr, weil ich gesagt hab’, das ist mir zu wenig. Also es variiert schon stark.
Niedrige Preise entlohnen in Arianes Augen nicht ihre Fähigkeiten und ihre Ausbildung:
„Ja, es ist schon unangenehm. Vor allem wenn du weißt, he, du hast studiert und
eigentlich kannst du das gut, was du machst und dann (..) ja (…) kriegst nichts für das.“
Mangel an sozialen Kontakten
Eine weitere ausschlaggebende Determinante für Arianes Berufswechsel stellte der
fehlende soziale Kontakt zu ArbeitskollegInnen dar:
Das ist auch lästig (...). Mir is’ zum Schluss auch so gegangen, dass ich gesagt hab’, ich muss mir jetzt, glaub’ ich, irgendwo ein Büro mieten, wo andere Leute sitzen, weil sonst dreh’ ich durch. Ich setz’ mich jetzt einfach in irgendeine Firma rein, auch wenn ich da nichts zu suchen hab’. Aber (..) du bist schon einsam. Du sitzt daheim, du stehst halt irgendwann auf, weil’s eigentlich wurscht is’, wann du aufstehst. Dann sitzt den ganzen Tag im Pyjama vorm PC (heitere Stimme) und das ist dann dein Arbeitstag. Du redest eigentlich den ganzen Tag mit niemandem, außer wenn irgendwer zufällig anruft – Mama, Oma, Freund. Das is’ irgendwie auch – das war’s. Das stimmt, ja. Du tust ein bisschen vereinsamen.
Diese Einsamkeit kann sich auch auf den Charakter von ÜbersetzerInnen auswirken. Eine
Zukunftsvision, die sie auch nicht darin bestärkt, den Beruf weiter auszuüben: „Man sagt
ja immer, dass Übersetzer skurrile Persönlichkeiten sind. Und ich glaub’, das kommt nicht
von irgendwo her.“
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Asymmetrischer Informationsfluss
[D]u tappst halt im Dunkeln.
Eine weitere Determinante für Arianes Exit ist der asymmetrische Informationsfluss.
Obwohl Arianes Beziehung zu den vermittelnden Büros teilweise ziemlich vertraut war,
wurde nie ein Kontakt zu den EndkundInnen hergestellt. Dadurch stärkte das Übersetz-
ungsunternehmen seine Vermittlerrolle und Machtposition im Netzwerk. Es lässt der
Übersetzerin Ariane lediglich Informationen zukommen, die es für angemessen hält:
[A]lso ich hab’ eigentlich selten erfahren, für wen das jetzt wirklich ist. [I]ch hab eigentlich nur immer ungefähr gewusst, was der macht. Also sie haben halt gesagt, ja das ist für irgendein Wandsticker-Herstellungs-Unternehmen (lacht) und das war’s. Und mehr hab’ ich dann nicht erfahren. Zum Beispiel sowas. Oder irgendeine (…), ja eine ganz eine große Computerfirma, haben sie einmal gesagt.
Diese Form des asymmetrischen Informationsflusses bringt andere Probleme mit sich, die
zu Frustration führen:
Ich hab’s halt deshalb ein bisschen störend gefunden, weil die ja oft das Corporate Wording haben und das hätt‘ ich dann halt gebraucht. Das ist das einzige. Also du fertigst dann halt eine Übersetzung an und tappst halt trotzdem im Dunkeln, weil du nicht weißt, welche Wörter du verwenden darfst, sollst, musst. […] Es is‘ dann schon so, dass das Übersetzungsbüro das nochmal zum Auftraggeber sendet und du kriegst dann schon nochmal was zurück mit Rückmeldungen aber (..) es is’ halt dann (..) du erfährst es eigentlich erst nachdem du alles gemacht hast, ob das jetzt passt oder ob noch was zu überarbeiten ist und das is’ halt mühsam. Also ich fänd’s halt feiner, wenn du dann gleich eine Datei mitkriegst und da steht drinnen: He du, das nennen wir übrigens so und das so. Und das war halt selten.
Wenn essentielle Informationen nicht gleich bei Auftragserteilung mitgeschickt wurden,
erschwerte ihr das die Arbeit und führte dazu, dass sie doppelte Arbeit verrichten musste.
Ein Arbeitsaufwand, der als sinnlos empfunden wird:
Ja, du musst es dann halt noch einmal alles durchackern. Wenn’s halt ein langer Auftrag is‘, is‘ halt mühsam. Aber (…). Also ich hab’s ein paar Mal erlebt, dass sie’s schon mitgeschickt haben, dass sie mir eine Tabelle mitgegeben haben und gesagt haben: He du, da sind die Wörter drinnen. Bitte die verwenden. Also genau die verwenden. Aber das war halt (..) ganz selten. Also (…) nicht wirklich oft.
Eine schnelle und lückenlose Informationsübermittlung würde ihrer Meinung nach zur
Zufriedenheit aller Parteien beitragen: „Also ich glaub’, das ist auch in ihrem Interesse,
dass sie einfach gleich antworten, weil sie brauchen die Übersetzung ja auch.“
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Demotivation durch Massenproduktion
Nein. Also das wär’ mir zu stressig und – ich weiß nicht, die Massenproduktion, das (..) das passt mir dann einfach nicht.
Ariane schließt momentan die Option aus, hauptberuflich als Übersetzerin in einem
Angestelltenverhältnis tätig zu sein. Da sie derzeit in ihrem Unternehmen hin und wieder
Übersetzungen koordiniert, weiß sie, dass sich angestellte ÜbersetzerInnen „wirklich viel
gefallen lassen“ müssen:
[I]m Normalfall in einem großen Unternehmen kriegst du halt 10 Texte pro Tag und die musst du alle übersetzen und die musst du total schnell übersetzen und wenn der das am Nachmittag braucht, dann muss das am Nachmittag fertig sein. Und das ist eine pure Stresserei und hat nichts mehr mit Sprachspiel oder sonst irgendwas zu tun. Das ist einfach nur mehr Massenproduktion. Wir schicken – und wir sind nur eine Abteilung von vielen – keine Ahnung, sicher fünf Textfiles und dann heißt’s halt, ja also das brauchen wir bis (…) Freitag spätestens und wenn da halt noch nichts fertig is‘ dann wird angerufen und Terror gemacht. Bis das Dokument dann da ist wird ständig im 5-Minuten-Takt angerufen. Und ich glaub’, das ist für den Übersetzer auch nicht so nett. Aber es nutzt nichts, weil wir brauchen das dann halt auch. Und die haben schon viel zu tun. Also die arbeiten sehr viel.
Neben dem großen Zeitdruck leiden angestellte ÜbersetzerInnen auch unter mangelnden
Entfaltungsmöglichkeiten: „Und du kannst wirklich nicht so kreativ sein, dass ich sag’:
Okay, aber kann ich mich ja trotzdem austoben, auch wenn’s viel zu tun is. Aber das is’
leider nicht gegeben.“ Ariane ist es also wichtig, ihren kreativen Geist zu befriedigen,
weshalb ihre Zufriedenheit als Übersetzerin auch stark davon abhängt, „welche Texte du
übersetzt“. Die Tätigkeit literarischer ÜbersetzerInnen würde daher am ehesten ihren Soll-
Werten entsprechen:
Wennst jetzt literarischer Übersetzer bist, der halt ein Buch nimmt und da halt auch länger daran arbeitet, hast du, glaub’ ich, eine andere Bindung zu dem Ganzen als ein Übersetzer, der am Tag ein paar Texte rein kriegt – alle unterschiedlich, keine Ahnung (..) Business-Texte, Marketing-Texte, usw. (..) Das ist dann eher die Massenproduktion. Aber jemand, der halt wirklich die Zeit hat und da ein bisschen d’rüber nachdenken kann, der denkt dann sicher anders d’rüber. Also das glaub‘ ich schon.
Für den Moment hat Ariane ihre Übersetzungskarriere jedoch auf Eis gelegt und ist
zufrieden mit ihrer Fixanstellung.
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5.3.3.1.2 BA2 – Ava „Die Desillusionierte“
Netzwerktopologie
Abbildung 13 zeigt das Produktionsnetzwerk, in dem Ava als freiberufliche Übersetzerin
tätig ist. Als Hubs können eindeutig die Übersetzungsagenturen (IP) identifiziert werden.
Abb. 13: Netzwerktopologie BA2
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Ava arbeitet seit eineinhalb Jahren als freiberufliche Übersetzerin und erhält immer wieder
Aufträge von Übersetzungsbüros. Zu Beginn ihrer Tätigkeit befand sie sich kurz vor
Abschluss ihres Übersetzungs- und Dolmetschstudiums, das sie mittlerweile beendet hat.
Die Analyse der Interviewdaten ergab, dass Avas Beziehungen zu den AuftraggeberInnen
grundsätzlich gut verlaufen. Ein Büro organisiert sogar persönliche Treffen mit den
ÜbersetzerInnen: „[W]enn dann eben sechs, sieben Leute waren, dann haben wir halt
zuerst geredet eine Stunde lang, wer was, wo macht, ob’s einem gefällt. Halt eher auf
freundschaftlicher Basis“. Dann wurde Geschäftliches besprochen. Obwohl Ava in ihrer
Freizeit unentgeltlich an diesen Treffen teilnimmt, schätzt sie diese, „weil’s wirklich sehr
nett war einfach mit der Gesprächsatmosphäre“.
Am meisten Spaß bereiten ihr die Aufträge eines Kinderfilmproduzenten, da sie bei der
Übersetzung von Serien oder Computerspielen für Kinder „ein bisschen mehr Spielraum“
hat als bei anderen Textsorten. Außerdem erfüllt es sie mit Stolz, „zu wissen, dass die
Kinderchen (...) wirklich mit deinen Texten dann arbeiten und dass du ihnen hilfst, zu
verstehen, wie das Spiel geht und was sie machen müssen. Das is’ schon nett.“
Die Analyse ergab jedoch, dass Avas negative Erfahrungen überwiegen. Denn aufgrund
der schwierigen Arbeitsumstände glaubt sie, von dieser Arbeit nicht leben zu können: „Ich
90
noch nicht (lacht). Wie’s die anderen machen, weiß ich nicht. (...) Dass man wirklich nur
übersetzt und dass man davon auch leben kann, das findet man glaub‘ ich nicht.“ Da sie
noch keine erfolgreichen Strategien für sich entwickelt hat, scheint sie in manchen Fällen
zu resignieren.
Ava blickt demnach skeptisch in ihre Zukunft als Übersetzerin und ist froh, derzeit nicht
nur auf den Übersetzungsberuf angewiesen zu sein, da sie auch „noch andere Sachen
machen kann“, wie sie sagt. Denn sie glaubt, „wenn ich’s jetzt wirklich konkret nur als
Übersetzerin versuchen müsste, (...) dann würd’s viel Streiterei geben in meinem
Bekanntenkreis (lacht), wo man die Wut rauslassen kann.“
Es folgt eine Auflistung der ausschlaggebenden Determinanten für Avas Unzufriedenheit.
Unzufriedenheit über schlechte Bezahlung und Pauschalpreise
[Da] hatte ich jetzt wirklich nicht das Gefühl, dass ich da großartig irgendwas machen kann (...).
Da sich Ava bereits während ihrer Studienzeit als Übersetzerin selbstständig machte,
waren ihre Erwartungen bezüglich der Bezahlung sehr niedrig: „[W]eil weißt eh als
Studentin, wenn man eh schon was kriegt, ist man dankbar.“ Einige Übersetzungs-
agenturen engagieren jedoch bewusst ÜbersetzungsstudentInnen, da sie in dem Glauben
agieren, deren Arbeit nicht so hoch entlohnen zu müssen: „[W]eil sie irgendwann auch im
Gespräch einfließen hat lassen, ja, für Studenten ist es angemessen das Gehalt (...).“
Aufgrund ihrer geringen Berufserfahrung fehlt ihr auch das Selbstbewusstsein, mehr für
ihre Arbeit zu verlangen:
Weil wie gesagt, einerseits ist man froh, dass man was hat, weil’s eh schon schwierig ist, da langsam hinein zu finden. Aber andererseits denkt man sich (...) schon, okay für so viel Zeitaufwand im Verhältnis so wenig Geld ist eher (..) ja, nicht ärgerlich (..) aber ich würde schon ein bisschen mehr Geld wollen.
Als Berufseinsteigerin ist Avas Agency bei Preisverhandlungen sehr eingeschränkt: „Und
da war dann auch nicht sehr viel Spielraum, (…) [d]ass man sagt, ja, aber eigentlich ist
das zu wenig und theoretisch sollte es besser bezahlt sein (lacht).“ Die Mitarbeiterin eines
Büros stellte von Anfang an klar, dass sie nicht mit sich verhandeln lasse und allen
ÜbersetzerInnen einen „Fixpreis für den Gesamtauftrag“ zahlen würde: „Ja. Es war auch
weil sie von Vornherein gesagt hat, ja, alle bekommen den und den Gehalt für den
gleichen Auftrag. Is’ so. Punkt (lacht).“ Dieser Pauschalbetrag war Ava zwar „zu wenig“,
doch waren ihre Hemmung zu groß, Forderungen zu stellen: „[D]as sind dann so sechs,
sieben, acht Sprachen und da war halt Bulgarisch mitunter dabei und da konnte ich jetzt
nicht rausstechen und sagen: Naja, aber ich möchte jetzt das und das haben.“
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Bei der Zusammenarbeit mit dem Kinderfilmproduzenten kann Ava ihren Preis zwar
angeben, das auftraggebende Unternehmen entscheidet jedoch daraufhin über
Auftragserteilung oder -absage: „Da musste ich einen Vorschlag bringen, eine Honor-
arnote erstellen. Also je nachdem was man dann verlangt hat, haben sie dann bewilligt
oder nicht (lacht).“ Somit ist Avas Agency nur bedingt größer. Wird ihr Preis nämlich nicht
akzeptiert, bekommt sie den Auftrag nicht. Dennoch bevorzugt sie diese Vorgehensweise,
da sie mehr Spielraum für sich sieht: „[W]eil ich dann nämlich mit der Normzeile
argumentieren konnte und auch sagen konnte, auch wenn jetzt da Bilder sind, textmäßig
ändert sich jetzt nicht wirklich viel.“
Dass Ava noch keine Strategie entwickelt hat, um besser bezahlt zu werden, liegt
vielleicht auch daran, dass die Zusammenarbeit mit Übersetzungsbüros während der
Ausbildung nicht ausreichend behandelt wurde: „Wie man mit den Übersetzungsbüros an
sich arbeiten kann, soll, muss, hat man, glaub‘ ich, nicht gesagt bekommen im Studium.
Ist mir jetzt nicht konkret in Erinnerung.“ Auch die Preisvorgaben, die Ava während ihrer
Ausbildung kennen lernte, sind nur theoretisch hilfreich, „indem sie sagen, wie viel man
verlangen sollte, dass man sich nicht unterm Wert verkaufen sollte“. In der Realität ließen
sich diese jedoch nicht umsetzen: „Aber wenn man dann mal wirklich draußen ist, dann
kommt man nicht so weit: So, aber ich möchte so viel, weil so hat’s geheißen.“
Asymmetrischer Informationsfluss
Ich weiß jetzt nicht, ob’s der Grund is’, aber sie hat mal erwähnt, dass wenn jetzt jeder so viele Fragen hat, dass dann der
Auftraggeber überfordert wär’ mit so vielen Anfragen. Die Ist-Situation beim Informationsfluss widerspricht Avas Soll-Vorstellungen: „[D]ass ich
auf jeden Fall immer mit dem (...), für den die Übersetzung bestimmt ist, direkt kommuni-
zieren kann.“ Denn die Kontaktaufnahme zu den HauptauftraggeberInnen wird vom
vermittelnden Übersetzungsbüro unterbunden, was ihre Arbeit verlangsamt:
Weil ich auch öfters gefragt hab‘, ob ich ihn persönlich ansprechen kann, (...) ob das passt, wenn ich’s extrem verändere oder große Teile auslasse oder hinzufüge, weil’s einfach nicht verständlich ist ohne Hilfe. Und da hat sie mir gesagt, nein, das möchte sie nicht, also ich soll ihr die Fragen stellen und sie gibt sie dann weiter. (…) Also ein direkter Kontakt war überhaupt nicht möglich.
Ava hat allerdings nicht das Gefühl, dass ihre Fragen wirklich an die Hauptauftrag-
geberInnen weitergeleitet werden. Sie vermutet, dass die Übersetzungsbüros die Fragen
„aussieben oder selektieren, was jetzt gefragt wird und was nicht“ und „dass die
Antworten auf meine Fragen (...) eher von“ MitarbeiterInnen des Büros kommen.
Die Verhinderung des Direktkontakts zu den EndkundInnen und die dadurch fehlenden
oder uneindeutigen Informationen bringen Ava in eine unangenehme Situation und
erwecken ein Unsicherheitsgefühl bezüglich des Endproduktes. Denn sie fühlt sich für die
92
Qualität ihrer Arbeit verantwortlich („Natürlich, ist ja auch meine Arbeit.“) und möchte,
„also speziell für mich – will ich ja damit zufrieden sein. Und wenn ich irgendwie das
Gefühl hab‘, vielleicht passt das nicht, dann ist das für mich auch unangenehm.“ Ava sieht
die Verantwortung dafür dann bei sich und vertraut nicht darauf, dass das Übersetzungs-
büro sich in so einem Fall für sie einsetzen würde:
[W]enn am Schluss dann der Auftraggeber mit meiner Übersetzung unzufrieden ist, dann fällt es auf mich zurück und nicht auf sie. Weil ich glaub’ auch nicht, dass sie dann gesagt hätt’, naja ursprünglich hat sie eh gefragt, wie sie das machen soll.
In dieser Principal-Agent-Beziehung herrscht demnach weder Vertrauen noch Loyalität.
Kaum Entfaltungsmöglichkeiten
Ich denk‘ mal, wenn ich mal irgendwann eine literarische Übersetzung bekommen sollte,
kann ich mich glaub‘ ich schon entfalten. Ava kann sich im Moment als Übersetzerin nicht verwirklichen. Da sie noch nicht genug
Berufserfahrung hat, um sich in einem für sie interessanten Bereich zu spezialisieren,
nimmt sie Textsorten aller Art an: „Da muss man nehmen, was man kriegt oder eben sehr
viele absagen (lacht), was man auch tut.“ Die meisten Aufträge erfordern wenig kreative
Eigenständigkeit, bieten kaum Platz für die Umsetzung der eigenen Fähigkeiten und
Talente. Die eintönige Übertragung von Termini in den verschiedensten Fachgebieten
kommt einer maschinenähnlichen Aufgabe gleich und wirkt wenig motivierend: „Einmal
ging’s um Computer-Fachtexte, eigentlich um Computerbegriffe, da gab es nicht viel
Spielraum mehr, und das andere Mal um Ikea-Wohnmöbel, (…) also eine Anweisung.“
Sie könnte sich daher auch nicht vorstellen, in Zukunft in einem Übersetzungsbüro
angestellt zu sein, „wenn man acht Stunden am Tag jeden Tag drinnen sitzt und eben
seine Texte nicht frei aussuchen kann. Das stell’ ich mir sehr unangenehm vor.“
Sie wünscht sich, in Zukunft „dann auch die Texte aussuchen“ zu können, „[w]eil man sich
dann wahrscheinlich nur die Texte aussucht, die einem liegen und mit denen man gerne
seine Zeit verbringt.“ Besonders interessant stellt sie sich die Arbeit literarischer
ÜbersetzerInnen vor, da sie Kreativität und Einfallsreichtum erfordern:
Weil man da auch viel mehr Spielraum hat, denk‘ ich mir. Also man muss auch sehr einfallsreich sein, was man dann schreibt und man kann mit den Worten, glaub‘ ich, viel mehr spielen als wenn man jetzt Computer-Fach-Sachen übersetzen muss.
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Geringe Anerkennung und niedriger Status
Also ich hab‘, Gott sei Dank, auch keine negative Antwort erhalten, aber gelobt, neein (lacht).
Ava erfährt selten Anerkennung für ihre Arbeit. Von keinem Auftraggeber/keiner
Auftraggeberin hat sie „jemals erfahren: He das hast voll super gemacht. Und keine
Ahnung: Toll! Weiter so (lacht).“ Es frustriert sie, dass ihre Arbeit von AuftraggeberInnen
„überhaupt nicht wertgeschätzt“, „nicht wirklich wahrgenommen“ und auch nicht „als
eigenständiges Arbeitsprofil angesehen wird, weil eben immer Übersetzen und viele
Sachen dazu gefragt sind“.
Die Übersetzungstätigkeit wird auch in ihrem Umfeld nicht geschätzt, „weil’s eben jeder
macht und weil man auch zu hören bekommt, naja jeder macht’s“. Viele in ihrem
Bekanntenkreis begegnen ihrer beruflichen Tätigkeit mit Unwissen und Geringschätzung:
Man kriegt schon die Frage öfters zu hören: Aha, also studiert? Übersetzen? Echt jetzt? Kann man das studieren? Muss man das studieren? Ja aber ich kenn‘ viele, die das nur so nebenbei machen. Aha, okay.
Die Tatsache, dass Ava jahrelang Übersetzen studiert hat und danach mit allen anderen
Sprachkundigen in einen Topf geworfen wird, frustriert sie. Sie bezeichnet sich daher
sogar selbst als „[u]nzufrieden (lacht). Ja deprimiert.“:
Irgendwie denkt man sich, warum hat man das soo lange Zeit studiert und im Prinzip, ich will jetzt nicht sagen Zeit verplempert aber (..) ja (lacht) so viel Mühe investiert und jetzt steht man da, jeder andere ist im Prinzip – ja nicht besser aber jeder andere wird genau so gesehen wie du, kriegt die Arbeit und ja gut. Dann stehst da mit deiner Ausbildung.
Große Konkurrenz unter ÜbersetzerInnen
Ich glaube, also jetzt speziell für Englisch und für Sprachen, die von vielen gesprochen
werden, wird’s noch schlechter werden (...). Avas Erfahrungen nach ist der Konkurrenzkampf in Englisch sehr groß. Außerdem hat sie
gelernt, „[d]ass man sicherlich nicht die gelehrten 1,20 für die Normzeile für Englisch
verlangen kann.“ Da es „soo viele“ Englisch-ÜbersetzerInnen auf dem Markt gibt, verliert
der/die einzelne ÜbersetzerIn an Wert, die Agency ist eingeschränkt und es kommt zu
Preisdumping: „[W]enn man sich jetzt die Frechheit herausnimmt, 1 Euro 20 die
Normzeile zu verlangen, dann heißt’s so: Gut, danke, tschüss. Der Nächste bitte. Weil es
gibt genug, die’s für 70 Cent machen.“
Als ausgebildete und professionelle Übersetzerin legt Ava Wert auf qualitativ hochwertige
Textproduktion. Sie zweifelt jedoch daran, dass jemand, „der die Ausbildung nie gemacht
hat“, diesem Kriterium genauso gerecht wird: „Und wenn’s jetzt da jemand macht, der
nicht ausgebildet ist und 70 Cent verlangt, ist halt, glaub’ ich, nicht ganz so geschult
darauf.“ Ava ist der Meinung, dass ÜbersetzerInnen ohne Übersetzungsausbildung „von
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Grund auf mehr Selbstbewusstsein“ haben, da sie sich weniger Gedanken über Qualität
machen: „Der sagt, ja passt Englisch-Deutsch, super, kann ich, mach‘ ich.“ Da viele
AuftraggeberInnen nicht primär auf Qualität setzen, wird ungeschulten ÜbersetzerInnen
auch viel Raum geboten: „Ich glaub’, [ihnen ist wichtig,] dass es schnell und billig ist. Hab’
ich so das Gefühl gehabt (lacht).“
In Zukunft werden sich ÜbersetzerInnen besonders in den Weltsprachen weiter
qualifizieren müssen, um sich von der Masse abzuheben, weil „man eben sagt, dass eh
jeder Englisch kann und die ganzen gängigen Sprachen.“ Ava meint, es wäre nicht genug,
nur „die paar Sprachen“ zu beherrschen, wenn man nicht nur „ganz extrem schwierige
Fachtexte bekommen“ wolle, von denen es „jetzt wahrscheinlich auch nicht jeden Tag
Hunderte gibt“. Avas Zukunftsprognose für hauptberufliche ÜbersetzerInnen fällt somit
düster aus:
Aber auch wenn man sich jetzt nur in eine Nische hineinbewegt, weiß nicht, dass es da tagtäglich jahrelang so viele Fachtexte gibt und so wenig andere Konkurrenten, dass man davon leben könnte, das kann ich mir nicht vorstellen. Speziell im Übersetzen. (...) Außer man lernt jetzt ganz ausgefallene Sprachen. Dann geht’s bestimmt besser.
Die Arbeit im Produktionsnetzwerk erweist sich momentan für Ava aufgrund ihrer
Unsicherheiten und aufgrund fehlender Strategien als schwierig und unzufriedenstellend.
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5.3.3.1.3 BA3 – Angelika „Die Sicherheitsbedürftige“
Netzwerktopologie
Abbildung 14 zeigt das Produktionsnetzwerk, in dem Angelika tätig ist. Als Hubs können
das Online-Netzwerk Translator’s Café und die Intermediary Principals (Übersetzungs-
agenturen) identifiziert werden.
Abb. 14: Netzwerktopologie BA3
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Angelika machte sich bereits während ihres Übersetzungsstudiums selbstständig und
arbeitet nunmehr seit zwei Jahren als freiberufliche Übersetzerin, wobei sie
„hauptsächlich über dieses [Online-]Portal da, dieses Translator’s Café [arbeitet]. Da
kriegst hauptsächlich Anfragen von Übersetzungsbüros, die wiederum ihre Kunden
haben“. Nachdem sie ihr Studium beendet hatte, beschloss sie, sich einen fixen Job in
einer anderen Branche zu suchen und ist heute als technische Redakteurin in einem
internationalen Unternehmen angestellt. Sie nimmt daher nur noch hin und wieder
Übersetzungsaufträge an.
Die Interviewdatenanalyse ergab, dass Angelika sehr gerne als Übersetzerin arbeitet. Der
Übersetzungsberuf befriedigt ihren Wissensdurst und ermöglicht ihr die persönliche
Horizonterweiterung durch die Auseinandersetzung mit vielen verschiedenen Themen-
gebieten: „Und das was mir einfach daugt beim Übersetzen ist, du hast immer wieder
neue Sachen. (...) [D]u siehst einfach so viele verschiedene Dinge, das siehst du sonst
nicht. (...) Das ist schon fein.“ Außerdem ist sie stolz auf ihre Übersetzungsausbildung und
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möchte sich mit qualitativ hochwertiger Arbeit von ÜbersetzerInnen ohne Übersetz-
ungsausbildung abheben: „[E]s gibt so viele schlechte Übersetzer oder Übersetzer kannst
eigentlich gar nicht sagen, Sprachkundige. Wo du dich quasi dann als Ausgebildete halt
wirklich hervorheben willst.“
Neben einigen unzufriedenstellenden Kooperationen mit Büros hat Angelika auch eine
besonders gute Zusammenarbeit mit einem englischen Übersetzungsbüro, dessen
Organisation und Professionalität Angelika begeistern: „Eine einzige Übersetzungs-
agentur in England, da hab‘ ich sowas [Vertrag zur Geheimhaltung übermittelter
Textinhalte] ausgefüllt und die sind aber wirklich, die sind echt auf Zack.“ Auch verfügt das
Büro über ein eigenes Online-Portal, das den ÜbersetzerInnen unter anderem eine
Online-Version der Übersetzungssoftware Trados zur Verfügung stellt und somit eine
bessere Zeiteinteilung, leichtere Textbearbeitung und schnelle Kontaktaufnahme zum
Büro ermöglicht: „Also das hab’ ich nur das eine Mal gesehen. (...) Also die sind einfach
beeindruckend! Es hilft nichts.“
Da Angelika „jetzt nicht 100 Prozent darauf angewiesen“ ist, von den Verdiensten der
Übersetzertätigkeit zu leben, „sondern das mehr mach[t], dass [sie sich] quasi [ihre]
Ausbildung erhalte[t] und doch nebenbei ein bisschen in Übung bleib[t]“, ist ihr Handlungs-
spielraum im Produktionsnetzwerk kaum eingeschränkt. Sie kann schlechte Koopera-
tionen und Angebote ablehnen, „weil [sie] nicht darauf angewiesen“ ist.
Müsste sie jedoch als freiberufliche Übersetzerin ihren Lebensunterhalt verdienen, hätte
sie „Existenzängste“. Ihrer Meinung nach ist es einfach „zu riskant“, diesen Beruf haupt-
beruflich auszuüben:
Einfach weil – die Auftragslage ist zwar okaay – aber nur für nebenbei. Also dass du jetzt wirklich hauptberuflich voll als Übersetzer arbeiten kannst und du sagst, dir bleibt dann noch was über und du willst wirklich was daran verdienen und nicht nur mehr so aus ideellen Gründen (..) ist glaube ich sehr schwierig. Vor allem wenn du wirklich alleine bist.
Aus diesem Grund hat sich Angelika nach ihrem Studienabschluss entschieden, die
Übersetzungstätigkeit auf ein Minimum zu reduzieren und eine fixe Anstellung zu suchen,
die ihr mehr Sicherheit und Anerkennung bietet.
Die Tatsache, dass ihr der Beruf grundsätzlich gefällt und ihre persönlichen Interessen
erfüllt, kann gegen die fehlende Sicherheit und die schwierigen Umstände im Produktions-
netzwerk nicht ankommen: „Nur wirklich als Übersetzer arbeiten (..) nein, das möchte ich
nicht.“ Sie findet es unfair, dass im Studium nicht früh genug eindeutig auf die schlechte
Bezahlung von ÜbersetzerInnen hingewiesen wird:
Und das ist aber auch was, was an der [Universität] nicht unbedingt kommuniziert wird. Also diese (..) Kollektivvertragssache, dass du da wirklich so wenig bezahlt kriegst, dass sagen sie dir frühestens im letzten Jahr vorm Master, wenn du dann eh schon fertig bist
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und eh nicht mehr weggehst. Aber am Anfang vom Bachelor so in den Einführungsveranstaltungen, dass sie dir sagen, dass sie dich quasi zurück auf den Boden holen, das tut keiner. (..) Das ist, weiß ich nicht, nicht besonders fair eigentlich.
Sie sieht ihre Berufsmöglichkeiten aufgrund der umfangreichen Übersetzungsausbildung
jedoch nicht nur auf das Übersetzen beschränkt, denn „wir haben einfach irrsinnig viel
Möglichkeiten danach, (...) weil Sprachen werden immer gebraucht.“ Sie versteht daher
auch „total“, weshalb „75 Prozent oder so der Absolventen nie oder nur kurz als
Übersetzer arbeiten“.
Dass Angelika nicht von ihrem Übersetzungsberuf leben kann, ist der ausschlaggebende
Grund für ihre Kündigungsabsicht (Intention to quit). Weitere einflussreiche Gründe sollen
nun zusammengefasst dargestellt werden.
Unzufriedenheit über schlechte Bezahlung und Preisdumping
[Da] denk‘ ich mir dann, ja bitte, dann lass’ es von wem machen, der’s nicht kann (lacht).
Angelika musste feststellen, dass die Normpreise, die auf der Universität vermittelt
werden, auf dem Übersetzungsmarkt nicht gezahlt werden. Sie musste ihr
Anspruchsniveau diesbezüglich senken. Erhält sie zu niedrige Preisangebote, versucht
sie, zu verhandelt und „auf [ihre] Ausbildung zu pochen“. Nicht jeder geht jedoch auf ihre
Preisforderungen ein, weshalb sie oft zu hören bekommt: „[J]a ein anderer macht’s billiger
und macht’s aber auch.“ Wenn AuftraggeberInnen primär nur Wert auf billige
Übersetzungsdienstleistungen legen, nach dem Motto „[J]a du kriegst jetzt drei Cent pro
Wort (..) friss oder stirb, weil (lacht) einfach so, weil mehr ist es mir nicht wert“, dann gibt
Angelika die Aufträge gerne an weniger bietende KollegInnen ab: „Ja, dann tut’s mir leid,
aber meine Ausbildung ist mir mehr wert und deswegen such’ dir wen anderen.“
Angelikas Aussagen zufolge sind drei Cent pro Wort „so das low level“. Ihre Einstellung zu
diesen Preisangeboten ist klar: „Nein, also ich – um das Geld arbeit’ ich nicht“.
Der Grund, warum überhaupt so niedrige Preise angeboten werden, ist für Angelika die
Bereitschaft vieler ÜbersetzerInnen, für so wenig Geld zu arbeiten: „Definitiv. Weil sonst
würden sie’s nicht so oft (..) quasi (..) verlangen“. Häufiger werden zwischen fünf und
zehn Cent pro Wort bezahlt, aber „das sind schon Mindestpreise“. Sie ist auch der
Meinung, dass die Verantwortung für schlechte Bezahlung nicht bei den Übersetzungs-
agenturen liegt, sondern bei den HauptauftraggeberInnen:
Das sind dann eher die Endkunden, (…) die irgendwie kein Verständnis dafür haben, ich brauch‘ meinen Text jetzt in der anderen Sprache aber kosten darf’s nichts. (…) Also da hab’ ich eher die Erfahrung gemacht, dass die Mindestpreise mehr von Endkunden kommen. (…) So total unrealistisch. Also so dieses ganz extrem Knausrige eigentlich.
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Zu den niedrigen Preisen kommt das Risiko, dass AuftraggeberInnen sich weigern, zu
bezahlen. Dann sind die Mittel von ÜbersetzerInnen begrenzt: „[D]a brauchst du nicht mit
einem Anwalt kommen, weil da passiert nichts.“ Das Risiko sei bei der Zusammenarbeit
mit außereuropäischen Büros am größten, weshalb sie diese vermeidet:
[E]s ist dann nicht so ungefährlich, wenn du so Kunden von irgendwo her hast. Wenn du jetzt sagst, du bleibst innerhalb von Europa, ist das vielleicht eher noch greifbar. (...) Also solche Sachen mach’ ich auch nicht. Da bin ich einfach vorsichtig und eben weil ich nicht darauf angewiesen bin.
Große Konkurrenz unter „Sprachkundigen“
[D]ann bist halt einer unter vielen.
Wie oben bereits erwähnt wurde, führt der Preiskampf unter ÜbersetzerInnen zu
schlechter Bezahlung. Schuld daran sind laut Angelika ungeschulte Sprachkundige, die
ihre Übersetzungsdienste zu niedrigen Preisen anbieten:
Also ich würd’ jetzt nicht sagen [Konkurrenz] unter den Übersetzern, sondern mehr unter den Sprachkundigen allgemein. (...) Mir kommt manchmal vor, das sind so die, ja die gelangweilt zuhause sitzen und halt grad meinen, sie sind zweisprachig aufgewachsen oder haben in der Schule eine Sprache gehabt. Ja, was tun wir nebenbei? Tun wir ein bisschen übersetzen. Wir sind grad auf das Portal gestoßen und das funktioniert klass. Und das ist halt (lacht) (..) also da (..) wird schon viel manipuliert sag’ ich jetzt auch einmal.
Angelika nutzt die zahlungspflichtige Master-Mitgliedschaft bei Translator’s Café und im
Online-Netzwerk für professionelle ÜbersetzerInnen Proz.com, um sich von anderen
ÜbersetzerInnen abzuheben. Diese Mitgliedschaften ermöglichen es ihr, ein Profil zu
erstellen, in dem sie ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen darlegen kann.
AuftraggeberInnen, die auf Professionalität Wert legen, werden darauf aufmerksam und
sie erhält „dann nachher schon die besseren Anfragen“.
Unzufriedenheit über geringe Wertschätzung
[I]m englischsprachigen Raum [bist] du als Übersetzer mehr wert.
Am meisten frustriert Angelika an ihrer Arbeit als Übersetzerin die fehlende
Wertschätzung für den Übersetzungsberuf: „Eben genau das: Ja, machst halt schnell, ist
eh einfach.“ Darüber hinaus frustriert sie die allgemeine Unwissenheit über die
Übersetzungstätigkeit und deren Geringschätzung:
Das macht mich krank, da werde ich ganz narrisch bei sowas. (...) [T]eilweise auch in meinem Bekanntenkreis, wo ich mir dann anhören kann: Und, studierst noch immer deine Sprachen? Wo ich mir denk’, du hast überhaupt keine Ahnung (lacht). Das ist einfach total diese Ignoranz immer noch. Aber das wird sich glaub‘ ich auch nicht so schnell ändern – leider.
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Auch von den AuftraggeberInnen erhält Angelika weder positives noch negatives
Feedback: „Also ich hab’ (…) zu meinen Übersetzungen keine Rückmeldungen kriegt.
Waren die jetzt gut oder nicht? Oder passt’s jetzt?“ Die einzige Bestätigung für ihre Arbeit
sieht sie in der Erteilung neuer Aufträge durch dieselben Agenturen: „Also (…) man merkt
halt, wenn dann wieder mal ein Auftrag von der gleichen Agentur kommt, dann wird’s wohl
passt haben, sonst würden’s ihn nicht schicken.“
Einen Unterschied in der Wertschätzung sieht Angelika in angloamerikanischen Ländern:
„[I]ch glaub im englischsprachigen Raum ist das eher etabliert, dass da der Übersetzer
auch (..) was wert ist.“ Der höheren Wertschätzung in diesen Ländern steht jedoch die
Tatsache gegenüber, dass englischsprachige Übersetzungen mit den niedrigsten Preisen
entlohnt werden, da sowohl das Auftragsvolumen als auch die Anzahl an ÜbersetzerInnen
sehr groß ist:
[E]s sind irrsinnig viel Englisch-Deutsch-Aufträge und die sind dann halt wirklich mit diesen Mini-Preisen angeschrieben.Also das ist halt wieder die andere Seite. Es gibt halt irrsinnig viele Leute, die behaupten, sie können Englisch und die behaupten, sie können Deutsch. Es sind große Sprachen, das ist einfach so.
Anerkennung erfährt Angelika, wenn eine ihrer Übersetzungen veröffentlicht wird: „Wenn
du den Text dann wo findest, irgendwo publiziert, das ist schon cool. Auch wenn du nicht
draufstehst – trotzdem – du weißt es zumindest“. Namentlich genannt zu werden, erfüllt
sie mit noch mehr Stolz: „Das ist schon ziemlich cool. Weil dann stehst halt auch ein bissl
doch in der Öffentlichkeit.“
Enttäuschung über niedrigen Status Wie ich angefangen habe zu studieren, habe
ich mir gedacht, das ist prestigeträchtiger. Angelika findet, dass weder der Übersetzungsberuf noch die Übersetzungsausbildung in
der Gesellschaft wertgeschätzt wird: „Es ist einfach, ja braucht eh keiner, ist eh selbst-
verständlich, habe ich in der Schule gehabt (lacht). (…) [W]er braucht quasi in der
Allgemeinheit einen Übersetzer?“ Sie musste feststellen, dass „Dolmetschen halt einfach
das prestigeträchtigere [ist] immer noch“. Diese Tatsache frustriert sie, da sie sich nicht
wahrgenommen fühlt:
Als eine Selbstverständlichkeit, irgendwie nicht als was Besonderes und dass du jetzt was kannst oder so. Also ich weiß nicht, mein Freund ist Installateur, der hat jetzt den Master als Installateur gemacht und der wird mehr angesehen als ich, die den Master hat als Übersetzer. Und das ist halt viel viel besser, wo ich mir dann denke, meine Ausbildung dauert länger und das wird irgendwie total (..) weiß ich nicht, runter geschraubt, wo ich mir dann denke, ja – ich habe auch schon gehört: Hättest halt was Gescheitest studiert.
100
Angelika hat das Gefühl, ihre Berechtigung als Übersetzerin ständig verteidigen und
erklären zu müssen: „[I]ch bin es einfach leid, dass ich mich ständig verteidige, weil ich
denk’ mir dann: Ja, dann redest halt.“ Ihr ist es sehr wichtig, dass ihre Ausbildung
geschätzt und angemessen entlohnt wird. Für sie ist die schlechte Bezahlung ein Zeichen
der Geringschätzung:
[E]s ist halt weit weniger populär, als ich mir gedacht habe und es ist weit weniger (..) gewinnbringend, sag’ ich jetzt einmal. Auch wenn du dir so Jobangebote anschaust, wenn du jetzt sagst, du wirst irgendwo angestellt als Übersetzer, was da kollektiv gezahlt wird, ist ja (..) ein Witz. Also (..) nach fünf Jahren Studium möchte ich mehr verdienen als das, was da kollektiv gezahlt wird. Das war mitunter auch ein Grund, wo ich gesagt habe, das ist – das bin ich mir zu schade.
Die negative Zufriedenheitsbeurteilung der Determinante Status führte mitunter zu
Angelikas Entscheidung, sich eine Fixanstellung zu suchen.
101
5.3.3.1.4 BA4 – Armin „Der Spieler“
Netzwerktopologie
Abb. 15: Netzwerktopologie BA4
Die Beschaffenheit von Armins Netzwerkumgebung zeigt deutlich, dass die vermittelnden
Übersetzungsunternehmen mit ihren vielen Verbindungen die Hubs sind. Armin und seine
ÜbersetzungskollegInnen verfügen hingegen über nur wenige Verbindungen im Netzwerk.
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Armin studiert Englisch und Informatik und übernimmt seit eineinhalb Jahren nebenbei
Übersetzungsaufträge. Er erledigt die Aufträge in Zusammenarbeit mit drei Freunden, von
denen keiner Übersetzen studiert hat:
Also ich bin der Einzige, der Englisch studiert. Alle anderen machen (..) einer hat mittlerweile aufgehört, der möchte Privattrainer werden für Fitness. Der Nächste macht Softwareentwicklung und Wirtschaft auf der [Universität] und der Letzte, weiß ich gar nicht, was der studiert. Aber er ist auf der [Universität], das weiß ich.
Das Übersetzerteam hat sich auf die Übersetzung von Computerspielen spezialisiert und
arbeitet hauptsächlich mit einem belgischen Übersetzungsbüro zusammen. Armins
entscheidender Vorteil ist seine finanzielle Unabhängigkeit: „[W]ir machen das Geld, das
wir verdienen beim Übersetzen, nicht abhängig von irgendwas. Also keine Miete oder gar
nichts. Das ist quasi nur so ein Bonus nebenbei.“
Da Armin aufgrund seines Studiums derzeit nicht auf den Verdienst der Übersetzer-
tätigkeit angewiesen ist und daher über mehr Entscheidungs- und Handlungsfreiraum
verfügt, kann er den Beruf relativ entspannt ausüben, nur bevorzugte Textsorten
übernehmen und lukrative Kooperationen eingehen. Er und seine Übersetzungskollegen
102
haben daher auch beschlossen, die Zusammenarbeit mit einem Übersetzungsbüro
abzubrechen, das ihnen nur kurze Aufträge im Bereich Finanzen geschickt hat, da diese
„aufwändiger und zach“ waren und darüber hinaus weniger Geld einbrachten.
Armin hat jedoch gemerkt, dass die großen Übersetzungsprojekte der Computerspiel-
branche mit hohen physischen und psychischen Anforderungen einhergehen können. Um
das Übersetzungsvolumen neben anderen Verpflichtungen zu schaffen, ohne sich dabei
körperlich und geistig zu überfordern, ist gutes Zeitmanagement gefragt:
2.500 Wörter schaffst du an einem Tag nebenbei. Wenn du’s hauptberuflich machst, musst natürlich mehr tun. Aber so ist das die Grenze, wo man nicht irgendwie (…) also es ist nicht wirklich ein Burnout aber wo man nicht zu erschöpft wird oder sowas. Weil du studierst noch nebenbei, musst noch lernen nebenbei.
Die zeitaufwändige Arbeit an großen Übersetzungsaufträgen erfordert viel Konzentration
und Durchhaltevermögen, denn „das geht sehr auf die Konsistenz. Also da musst dann
einfach eine Pause machen.“ Diese Pause müsste „mindestens eine Woche“ lang sein,
um „komplett abschalten“ zu können. Die Pause ist auch erforderlich, um neue Motivation
zu schöpfen: „Wenn man mal ein bisschen eine Pause gehabt hat, dann kribbelt es einen
schon wieder, dann denkt man sich, jetzt würd’ ich gerne wieder was übersetzen (...).“
Zwar spricht die körperliche und kognitive Belastung für Unzufriedenheit, jedoch führen
viele andere Aspekte zu allgemeiner Zufriedenheit. Armin ist nicht nur glücklich über die
flexible Arbeitsweise („[D]a du zuhause arbeitest ist es komplett egal, wenn du mal
aufstehst, einmal eine halbe Stunde nichts machst oder irgendwas anderes machst
(...)’.“), sondern auch über das motivierende Feedback („Da hat sie gemeint, ja der
Proofreader hat gemeint, das ist eine gute Qualität und (..) dann hat sie sogar noch
geschrieben (...) ‚your best work’.“). Entscheidend für Armins Zufriedenheit sind jedoch die
Bezahlung, die Textsorte Computerspiel und die relativ stabile Auftragslage. Die Erfüllung
seines Anspruchsniveaus in diesen Aspekten macht etwaige Schwierigkeiten wett.
Motivation durch gute Bezahlung
[A]lso wenn du wirklich regelmäßig Spiele rein bekommen würdest und bei 5 Cent bist und mit 2.000
Wörter pro Tag oder mehr, lasst es sich fein leben. Wie bereits erwähnt wurde, stellt die Bezahlung für Armin eine große Motivation für das
Übersetzen dar. In der Computerspielbranche werden hauptsächlich große Übersetzungs-
projekte ausgegeben, die in Summe viel einbringen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Armins
erster Übersetzungsauftrag vor eineinhalb Jahren:
Das waren ein paar Millionen [Wörter] insgesamt zu übersetzen. Weil ich weiß nicht, wie viel Leute insgesamt dabei waren, aber wir waren einmal mindestens zu viert plus noch andere aus Deutschland und so weiter. (...) [D]as war ein größeres Projekt, soll heißen,
103
dass jeder so um die 200.000 Wörter gehabt hat. Das hat dann quasi den ganzen Sommer gedauert.
Das große Auftragsvolumen und die entsprechende Entlohnung machen den Übersetz-
ungsberuf für Armin sowohl als Hauptberuf als auch als Nebenjob attraktiv. In seiner theo-
retischen Rechnung, würde er von der Übersetzungstätigkeit gut leben können: „Wenn du
dann 2.000 Wörter pro Tag hast, hast 100 Euro. Pro Tag! Hast aber einen Aufwand von,
sagen wir, fünf Stunden von mir aus, naja vier Stunden.“ Voraussetzung ist jedoch, dass
regelmäßig Aufträge hereinkommen, worin er aber den größten Risikofaktor sieht:
[D]as ist ja das größte Problem. Wenn du wirklich regelmäßig Montag bis Freitag jeden Tag 100 Euro verdienen willst oder mehr noch, weil du, sagen wir mal, wenn du’s wirklich hauptberuflich machst, hast du ja acht Stunden Zeit. Sagen wir 200 Euro pro Tag, hast einen Tausender in der Woche.
Armin geht bei dieser Rechnung von seinen üblichen Preisen aus, die bei drei bis fünf
Cent pro Wort liegen. Er sieht bezüglich der Bezahlung auch einen Unterschied zwischen
sich und hauptberuflich tätigen ÜbersetzungsabsolventInnen: „Und es ist ja so, 3 Cent ist
wirklich in der Branche eher ein Hungerlohn. Und was ich so gehört habe 10 Cent und
noch mehr, aber die sind halt alle – haben das studiert, sind es hauptberuflich.“ Dass er
weniger pro Wort verdient, nimmt Armin gerne in Kauf, wenn er dafür Computerspieltexte
übersetzen kann: „Wenn ich wüsste: Hey, du bekommst da 10 Cent pro Wort, es sind
aber 5.000 Wörter für einen Finanztext (..) Es ist zwar viel Geld im Endeffekt, aber das
überleg‘ ich mir zweimal.“ Er kann auch verstehen, warum in der Computerspielbranche
weniger bezahlt wird:
[D]as musst du halt überlegen, was die Firma theoretischerweise zahlen muss, also der Endkunde, wenn er über einen Mittelsmann rennt, weil die wollen ja auch was mitschneiden natürlich. Also wenn bei uns – für uns ist dann 5 Cent zum Beispiel schon viel. Da ist dann quasi eine kleine Feier immer dahinter, wenn wir wissen, okay für das nächste Projekt bekommen wir 5 Cent. Und dann möchte ich nicht wissen, was die quasi wirklich verlangen.6
Für weniger als drei Cent pro Wort würden sie jedoch nicht mehr arbeiten: „Also 3 Cent
Minimum weil mittlerweile haben wir ein bisschen Erfahrung.“
Demotivierend ist laut Armin die späte Bezahlung der Büros: „Der einzige Nachteil ist, die
Bezahlung hinkt immer hinterher. Aber das hängt mit dem Endkunden zusammen, hast du
jetzt da mittlerweile so rausgefunden“. Obwohl ein Vertrag unterschrieben wird, werden
die darin festgelegten Konditionen bezüglich der Bezahlung nicht immer eingehalten:
„Also es steht: Within 60 days und das ist für mich innerhalb von 60 Tagen. Bis jetzt war’s
meistens ab dem oder nach dem 60. Tag wird bezahlt.“ Die späte Bezahlung löst ein
6 An diese Stelle sei erwähnt, dass die Computerspielbranche 2011 in Deutschland zwei Milliarden Euro umsetzte und der US-amerikanische PC-Spielehersteller Electronic Arts 2012 alleine einen Jahresumsatz von einer Milliarde US-Dollar erzielte. Quellen: http://www.zeit.de/digital/games/2012-08/games-studie-marktentwicklung [06.02.2013], http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/spielehersteller-star-wars-beschert-ea-hoehere-prognose/5763092.html [06.02.2013]
104
Frustgefühl bei Armin aus: „Weil da fängst du dir an zu denken, okay, warum sollte ich
pünktlich arbeiten, wenn ich mein Geld nicht bekomme?“
Motivation durch Spezialgebiet
Und das ist unser Vorteil.
In Armins Fall stellt die Spezialisierung für Computerspiele eine eigene Determinante für
Arbeitszufriedenheit dar. Ein Vorteil dabei ist die relativ stabile Auftragslage, da die
Übersetzung eines Computerspiel-Textes häufig zu Folgeaufträgen führt: „[W]eil dann
wissen die, okay, wir haben an dem Spiel schon gearbeitet, jetzt geben wir denen wieder
was, weil die kennen sich aus in der Welt und worum es geht und so weiter.“
Ein weiterer Vorteil ist, dass Computerspielfirmen an hochwertigen Übersetzungen inter-
essiert sind, weshalb die Bereitstellung von Informationen gut funktioniert:
[D]er russische Kunde hat dann auch Bilder mitgeschickt: Achtung, das ist so ein Umhang, der so ausschaut. Achtung, das ist eine Robe. Das ist was zum Aufsetzen, das ist ein Schmuckstück und sonst irgendwas.
Zwar wird auch hier der Direktkontakt zu den EndkundInnen von den Büros verhindert,
der Informationsfluss dadurch aber nicht wesentlich beeinträchtigt. Das Übersetzungsbüro
stellt den ÜbersetzerInnen ein Übersetzungsprogramm zur Verfügung, mit dem die
großen PC-Spiel-Projekte leichter bearbeitet und Fragen leichter gesammelt und an die
EndkundInnen weitergeleitet werden können: „Es gibt dann eine Excel-File sozusagen,
dort schreibst du hin: In der Datei in dieser Zeile steht das und das drinnen, ich würde es
so oder so übersetzen. Oder: Was heißt das überhaupt?“
Des Weiteren beinhaltet die Textsorte Computerspiel vergleichsweise wenige sprachliche
Hürden: „[D]ie Finanztexte, da sind einfach Sätze, die über ein paar Zeilen gehen. (...)
[E]s kommt halt bei den Spielen natürlich auch vor aber nicht in dem Ausmaß und nicht
mit dem Spezialvokabular.“
Die Textsorte wirkt demnach als Armins persönlicher Motivator für die Übersetzungs-
tätigkeit. Er kann damit in gewisser Weise beruflich sein Hobby ausüben: „Und das ist bei
Spielen eben einfach viel angenehmer. Weil man spielt selber viel, dann liest du viel über
diese Dinge und dann kennst du dich aus.“
105
Wenig Konkurrenz in der Computerspielbranche
[S]ie fallen immer wieder auf uns zurück.
Armin ist der Meinung, dass die Konkurrenz unter deutschsprachigen ÜbersetzerInnen in
der Computerspielbranche nicht sehr groß sein kann und liefert dafür ein treffendes
Beispiel. Nicht einmal als die Leistung seines Übersetzerteams von der Vermittlungs-
instanz als unzufriedenstellend bewertet wurde, wurden sie durch ein anderes Team
„ersetzt“:
Und ich weiß nicht, ob die einfach – keiner kennt die Firma und ob die dann keine Leute bekommen, weil theoretischerweise wenn du einmal schlecht bist und so wie das im Endeffekt auch gut bezahlt ist, müsste man sich denken, okay, jetzt sind wir draußen, jetzt kommt ein neues Team und die kriegen die ganzen Aufträge aber sie fallen immer wieder auf uns zurück.
Dieses Verhalten des Büros legt die Vermutung nahe, dass es für den Bereich
Computerspiele kaum andere Übersetzungsteams dieser Art gibt, sondern eher einzelne
ÜbersetzerInnen. Größer ist die Konkurrenz unter ÜbersetzerInnen Armins Meinung nach
auf Online-Portalen. Dort entscheiden Kriterien wie niedriger Preis, schnelle Verfügbarkeit
und zahlungspflichtige Mitgliedschaften: „Und da hast du einen Konkurrenzdruck einen
großen weil dann: Wer bietet die beste Rate an für ein Wort? Wer kann am schnellsten?
Wer hat eine Mitgliedschaft, wer nicht?“ Da er und seine ÜbersetzungskollegInnen mit
den Computerspiel-Aufträgen gut verdienen, sind sie auf Aufträge aus Online-Portalen
nicht angewiesen und Armin darüber sehr glücklich.
106
5.3.3.1.5 BA5 – Alessandra „Die Willensstarke“
Netzwerktopologie
Abb. 16: Netzwerktopologie BA5
Abbildung 16 zeigt, dass die Hubs des Produktionsnetzwerkes die Intermediary Principals
sind. Mit ihnen arbeitet Alessandra hauptsächlich zusammen: „Weil man da halt mehr
Aufträge teilweise bekommt.“
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Alessandra machte sich vor drei Jahren während ihres Übersetzungsstudiums als
Übersetzerin selbstständig. Da sie derzeit von der freiberuflichen Übersetzungstätigkeit
allein noch nicht leben könnte, ist sie nebenbei auch als Sprachtrainerin tätig und macht
„50 Prozent Übersetzung und 50 Prozent Sprachtraining für [ihren] Umsatz“. Beim
Übersetzen setzt sie auf die Zusammenarbeit mit Büros und mit DirektkundInnen, die man
„schon ein bissl mehr (..) pflegen (lacht) [muss] als die Büros“. Obwohl es ihr gefällt, „von
allem ein bissl was (lacht)“ zu machen, macht ihr das Übersetzen am meisten Spaß: „Das
Übersetzen schon. Also das habe ich studiert und das macht mir voll Spaß.“
Die Interviewdatenanalyse ergab, dass Alessandra trotz einiger Schwierigkeiten im
Produktionsnetzwerk mit ihrem Übersetzungsberuf sehr zufrieden ist, da der
befriedigende Soll-Ist-Vergleich bei ihr wichtigen Aspekten überwiegt. Es ist ihrer Liebe
zum Beruf, dem zusätzlichen Einkommen aus dem Nebenjob und ihren Persönlichkeits-
dispositionen (Willensstärke, Selbstvertrauen, positive Lebenseinstellung) zu verdanken,
dass sie unzufriedenstellende Umstände gelassen sehen kann: „Es gibt zwar schon
107
Dinge, die mich nicht so freuen, aber ja. Das hat man in jedem Beruf.“ Mithilfe gewisser
Taktiken versucht sie, negative Umstände zu verbessern oder ganz zu umgehen.
Beispielsweise hat sie gelernt, dass es ihr bei unzureichendem Informationsfluss „nicht zu
blöd ist, irgendwie nachzufragen“, um die Qualität des Translates zu garantieren: „Weil ich
mir denke, das beeinflusst dann das Endprodukt schon und lieber frage ich einmal nach
und sie haben dann das Gefühl, die versteht was davon.“
Darüber hinaus leistete sie „schon viel Erklärungsarbeit“, um der großen Unwissenheit
über den Translationsprozess und -beruf entgegenzuwirken und somit auch den Status
von ÜbersetzerInnen zu verbessern. Auch hat sie aufgrund ihres Selbstvertrauens heute
kein Problem mehr damit („am Anfang hat mich das sehr genervt“), dass Dolmetscher-
Innen höher angesehen sind als ÜbersetzerInnen: „Mittlerweile regt es mich überhaupt
nicht mehr auf, weil ich mir denke, (...) man kann einfach nicht zwei verschiedene Berufe
in einen Topf werfen.“
Aufgrund des großen Konkurrenzkampfes unter ÜbersetzerInnen, der von Übersetzungs-
büros mitverursacht wird, musste Alessandra lernen, gewisse Umstände zu akzeptieren.
Beispielsweise die Tatsache: „[W]enn man da nicht innerhalb von relativ kurzer Zeit
antwortet, haben sie den Auftrag an wen anderen vergeben.“ Oder auch dass sie sich in
solchen Fällen vergebens mit dem Angebot auseinandersetzt und Zeit verliert:
[I]ch mein’, ich schau mir das Dokument, das sie anhängen, dann schon gerne an und sag’ nicht nur ja (lacht). Und wenn man dann antwortet und sich ja schon irgendwie Gedanken macht und dann heißt es, nein, wurde anders vergeben. Das ist sicher demotivierend, muss ich sagen. Aber ja, ist halt so.
Die Aussage „ist halt so“ ist ein eindeutiger Indikator dafür, dass sie ihr Anspruchsniveau
diesbezüglich senken musste. Um dieser Situation jedoch weniger ausgeliefert zu sein,
setzt Alessandra auf eine Marketing-Strategie, um DirektkundInnen auf sich aufmerksam
zu machen. Mit einer eigenen Internetseite macht sie Werbung für sich: „[A]uf meiner
Homepage [habe ich] die Logos von meinen Kunden sozusagen, (...) dass man dann
schon sieht, mit welchen Kunden ich schon zusammengearbeitet habe.“
Die eben erläuterten Beispiele zeigen, dass Alessandra mit bestimmten Vorgehensweisen
gegen die schlechten Bedingungen im Produktionsnetzwerk ankämpft. Die folgenden
Ausführungen sollen verdeutlichen, wie Alessandra die Arbeit im Produktionsnetzwerk mit
positiver Einstellung zufriedenstellend meistert.
Zufriedenheit durch genügend Handlungsspielraum
Alessandra ist es wichtig, sich professionell zu verhalten. Ihre Handlungen werden daher
von gewissen Grundsätzen geleitet, die sie mit Nachdruck und Willenskraft durchsetzt.
108
Wenn sie beispielsweise einen Abgabetermin aushandelt, ist ihr dessen Einhaltung sehr
wichtig:
Weil ich finde, das Deadlines total wichtig sind und dass das auch zur Professionalität beiträgt. Weil wenn ich sage, ich schaffe das in dem Zeitrahmen, dann habe ich alles daranzusetzen, dass ich es schaffe. Und wenn ich eine Nacht durcharbeite, weil ich zu langsam bin, das ist mein Problem. Dann lerne ich vielleicht, dass ich das nächste Mal sage, okay in der Zeit geht sich das nicht aus, ich bräuchte einen Tag länger. Ich habe schon auch verhandelt mit ihnen und sage von vornherein, wäre gut, wenn ich vielleicht ein, zwei Arbeitstage länger hätte, aber das im Nachhinein zu sagen, ich schaffe es jetzt nicht, das (..) habe ich dann noch nie machen müssen Gott sei Dank (lacht).
Besonders im Bereich der Bezahlung und der Qualität nützt Alessandra ihre
Entscheidungsfreiheit, um Preisdumping zu verhindern und nur mit qualitätsbewussten
GeschäftspartnerInnen Kooperationen einzugehen. Ist die Bezahlung zu gering, akzeptiert
Alessandra keine Einschränkungen und lehnt die Zusammenarbeit kategorisch ab. Zu
Beginn einer neuen Kooperation legt sie ihre Preise „pro Wort, pro Seite, pro Stunde für’s
Korrekturlesen und so“ selbst fest. Sie bezeichnet ihren Handlungsspielraum dennoch als
„limitiert“, da sie ihre Preise nicht vor jedem Auftrag neu verhandeln kann: „[D]ie haben
ganz, ganz viele Übersetzer, ganz viele Projekte und das wäre glaube ich zuuu mühsam,
da jedes Mal dann noch mit denen zu verhandeln.“
Alessandra ist der Meinung, dass StudentInnen bereits während ihres Übersetzungs-
studiums darauf hingewiesen werden sollten, „dass es wichtig ist, dass sie sich schon
Gedanken machen über (..) also dass sie während dem Studium sich schon Aufträge
besorgen“. Im Moment ist es jedoch so, dass es „sicher Dinge [gibt], die man im Studium
anders machen könnte oder zusätzlich“, um ÜbersetzerInnen ideal auf den Arbeitsmarkt
vorzubereiten.
Verteidigung ihres Berufsethos
[D]ann schneidet man sich ja gegenseitig irgendwie ins Fleisch damit, wenn man sowas annimmt.
Alessandra meint, dass es gerade am Anfang schwierig ist, Preise konsequent hoch
anzusetzen, da man in dieser Situation auch mit weniger zufrieden ist: „[W]eil gerade am
Anfang denkt man sich, naja 60 Cent [pro Zeile] besser wie nichts“. Sie hat jedoch gelernt,
dass es später nicht so leicht ist, „dann den Preis wieder zu heben“, weshalb Preise nicht
zu tief angesetzt werden dürfen:
Es ist vieles schon auch Fingerspitzengefühl, wie weit kann ich gehen, dass ich es kriege, dass ich noch zufrieden bin. Es soll auch nicht zu billig sein, damit es noch was wert ist und ja. Das finde ich so das Schwierigste.
Alessandra ist es aus verschiedenen Gründen sehr wichtig, sich nicht unter ihrem Wert zu
verkaufen. Einerseits möchte sie ihre Ausbildung nicht verschwenden und andererseits ist
es ihr ein Anliegen, den Marktpreis nicht zu drücken:
109
Und man ärgert sich dann den ganzen Auftrag lang eigentlich (...). [M]an muss es nicht übertreiben, aber man darf sich ja auch nicht unterm Wert verkaufen, weil sonst ist das Studium nachher nichts wert. Weil wenn man jetzt doch Qualität um den Preis kriegt, dann sieht auch keiner mehr ein, warum er mehr zahlen sollte. Also ich habe schon einiges abgelehnt deswegen, hab’ auch schon Angebote gestellt und habe dann so die Frage zurückgekriegt, ob ich einen Knall habe. Das darf man dann nicht persönlich nehmen (lacht). Und ich hab’ keine horrenden Preise, das muss ich dazu sagen (lacht).
Dank ihres Selbstbewusstseins kann sie mit negativen Rückmeldungen dieser Art
umgehen und mit einer Ausweichstrategie ihrem Berufsethos treu bleiben:
[A]uf der anderen Seite denke ich mir, man kann dann mehr Zeit investieren, um sich umzuhören und das vielleicht sinnvoller nutzen, als wirklich auch den Preis des Marktes kaputt zu machen, weil das macht man ja im Prinzip auch damit. Und das ist mir auch wichtig (lacht).
Den Einsatz des österreichischen Berufsverbandes Universitas für bessere Bezahlung
freiberuflicher ÜbersetzerInnen findet Alessandra zwar generell hilfreich, deren Preis-
empfehlung jedoch „für gewisse Texte (...) einfach übertrieben. Weil man das wirklich
nicht kriegt am Markt.“
Zufriedenheit durch angemessene, verlässliche Bezahlung
Dass Alessandra von Übersetzungsbüros weniger bezahlt bekommt als von Direkt-
kundInnen, ist in ihren Augen aufgrund der gebotenen Dienstleistungen und Vorteile
gerechtfertigt: „Also es wird immer noch einmal gelesen, revidiert oder sonst irgendwas,
was dann für mich auch rechtfertigt, dass ich ein bissl weniger verlang’.“ Da Alessandra
„die ganzen Zwischenschritte“ des Qualitätsmanagement-Prozesses nicht durchführen
muss und „im letzten Schritt nicht die volle Verantwortung für“ das Endprodukt hat, fühlt
sie sich trotz der niedrigen Bezahlung „fair“ behandelt. Darüber hinaus hat sie die
Möglichkeit, ihre korrigierte Übersetzung noch einmal gegen Bezahlung zu kontrollieren.
Sie macht „dann sozusagen text control und schaut, ob das auch wirklich passt (...) und
für das wird man auch bezahlt.“
Alessandras Soll-Vorstellung einer idealen Bezahlung inkludiert nicht nur einen
angemessen Preis, sondern auch eine verlässliche Überweisung, „dass ich da nicht ewig
dann meinem Geld hinten nachlaufen muss, das gehört für mich irgendwie auch dazu. (...)
[D]as kostet sonst extrem viel Zeit und Nerven.“ In Zusammenarbeit mit Übersetzungs-
büros entspricht die Ist-Situation diesen Vorstellungen, denn „[b]ei den Agenturen ist mir
das jetzt noch nie passiert, muss ich jetzt auch sagen. (...) [O]b ich das jetzt nach 14 Tage
oder nach 30 Tagen krieg’, ist mir dann ziemlich egal. Hauptsache ich kriege es.“
110
Zusammenarbeit mit qualitätsbewussten Büros
[W]enn man’s schon studiert hat, so wie wir (lacht), dann sollte man zumindest auch sagen,
dass gewisse Qualität vorgestellt wird. Alessandra sieht es als Teil ihrer Professionalität, hohe Ansprüche an die Qualität zu
stellen. Ihr ist es besonders wichtig, nur mit Büros zusammenzuarbeiten, die auch Wert
auf professionelle Arbeit und qualitativ hochwertige Translate legen. Die Zusammenarbeit
mit einem englischen Büro stimmt sie in dieser Hinsicht besonders zufrieden, da es auf
hohem technologischen Niveau arbeitet, gut organisiert ist und da „man rückfragen kann
und wenn was zu klären ist, dann klären sie das mit dem Kunden oder sie wissen schon
so viel, dass sie sowieso die Antwort geben können“.
Wenn Alessandra merkt, dass ein Büro ihre Qualitätsansprüche nicht teilt, geht sie
grundsätzlich keine Kooperation mit ihnen ein. Ob ein Büro an Qualität interessiert ist, ist
manchmal bereits anhand des gebotenen Preises ersichtlich:
[A]uch für medizinische Sachen, die wollten da 60 Cent die Zeile zahlen und das ist etwas, wo ich sage, nein, das hat nichts mit Qualität zu tun (...). [D]as schaue ich mir gar nicht an. (...) Nein, weil das finde ich einfach nicht professionell. Und das sagt dann auch schon einiges über das Übersetzungsbüro aus (lacht).
Motivation durch Anerkennung und Sichtbarwerden
[W]enn ich einen großen Auftrag habe, habe ich auch kein Problem am Wochenende
zu arbeiten oder einmal länger zu arbeiten. Alessandras Expertise als Übersetzerin ist oft gefragt. Die Anerkennung ihres Fach-
wissens nährt ihr Selbstvertrauen: „[W]enn so Fragen sind, ist der Spot auch okay, wenn
er in Österreich läuft, obwohl er nicht extra irgendwie angepasst ist und dann kann ich da
meinen Senf dazu geben sozusagen.“ Darüber hinaus bieten ihr große Projekte die
Möglichkeit, Anerkennung zu erlangen. Sie hat gemerkt, dass sie die Arbeit an größeren
Projekten daher mehr motiviert als kleine Aufträge: „Wenn das was ganz was Kleines ist,
wo man viel Neues recherchieren muss, ist das ein bissl demotivierend, weil sich das
dann nicht mehr so rechnet.“ Wenn ein großer Auftrag veröffentlicht und ihre Arbeit
dadurch sichtbar wird, ist Alessandra bereits während des Übersetzungsprozesses
motivierter:
Was mich wirklich motiviert ist dann, wenn man sagt, man hat eine große Broschüre, 50 Seiten, das wird gedruckt, in ganz Österreich aufgelegt, wo ich mir denke, ma. Das ist dann cool. Also da bemüht man sich, also ich bemüh‘ mich immer (lacht) aber das motiviert dann halt noch einmal zusätzlich. (...) Ja weil das irgendwie schon toll ist, wenn man dann sagt, okay, das hat man jetzt geschafft, (...) es liegt irgendwo auf und das lesen dann keine Ahnung wie viele Leute, dann denke ich mir, es muss jetzt eben nicht mein Name dabei stehen aber für mich selber (…).
Für Alessandra ist der Beruf der selbstständigen Übersetzerin (trotz mancher
Schwierigkeiten) sehr erfüllend.
111
5.3.3.1.6 BA6 – Anja „Die finanziell Unabhängige“
Netzwerktopologie
In Anjas Netzwerkumgebung bilden die Intermediary Principals die Hubs.
Abb. 17: Netzwerktopologie BA6
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Anja machte sich vor zweieinhalb Jahren während ihrer Übersetzungsausbildung als
Übersetzerin selbstständig. Während des Studiums arbeitete sie zusätzlich in einem
Übersetzungsbüro und nach Studienabschluss als Praktikantin in einem anderen Büro.
Obwohl ihr Letzteres eine Teilzeitstelle anbot, entschied sie sich gegen eine Anstellung
und für die Selbstständigkeit, da sich „angestellt praktisch nicht mit den Arbeitszeiten von
[ihrem] Mann kombinieren lässt“ und da ihr freie Zeiteinteilung sehr wichtig ist:
Also was ich zum Beispiel auch super finde, ist, dass ich keine Ahnung, zu Mittag einkaufen gehen kann, wenn sonst keiner einkaufen geht (lacht). Oder was weiß ich, am Dienstag einmal in die Therme fahren und dafür halt am Sonntag arbeiten.
Die Analyse der Interviewdaten ergab, dass Anja mit vielen Umständen im Produktions-
netzwerk nicht zufrieden ist. Da sie ihren Beruf jedoch sehr liebt („[D]a vergesse ich auch
zeitweise mal, dass ich das mache, weil es meine Arbeit ist.“) und aufgrund des
Einkommens ihres Ehemannes nicht hundertprozentig auf die Bezahlung der
Übersetzungstätigkeit angewiesen ist, ist Anja trotz dieser äußeren Umstände nicht
unzufrieden. Diese Tatsache wendet die zahlreichen negativen Erfahrungen, die Anja im
Laufe ihrer bisherigen Übersetzungskarriere gemacht hat, ins Positive: „[E]s ist einfach
sehr wichtig, dass man an dem, was man macht, auch wirklich Spaß hat, weil sonst halte
ich das keine 40 Jahre durch.“ Daher ist sie auch bereit, die schlechten Bedingungen in
Kauf zu nehmen:
112
[W]enn man was wirklich gerne macht und wenn man auch weiß, dass man es einigermaßen gut macht oder versucht, es so gut wie möglich zu machen, dann nehme ich auch mal Bedingungen in Kauf, die vielleicht nicht ideal sind. Also ich denke mir, [i]ch würde jetzt nicht irgendwas machen, nur weil es besser bezahlt ist. Ich mach’s einfach gern. Und ich denke mir, gerade in der heutigen Zeit, wo wir wahrscheinlich bis keine Ahnung 70 (lacht) arbeiten müssen mindestens, weil die Rente eh schon sonst wo ist, ist es irgendwie wichtig, dass man das, was man arbeitet, auch gerne macht.
Da sie keinen anderen Beruf lieber ausüben würde, versucht sie, das Beste aus der
Situation zu machen und die Ist-Werte so gut es geht an ihre Soll-Werte anzupassen. Es
folgen nun die entsprechenden Erläuterungen, auf denen dieses Fazit beruht.
Eingeschränkte Agency
Ja es ist halt, also man fühlt sich ein bisschen ohnmächtig was eben so Sachen wie Preis
und zum Teil auch was Deadlines betrifft. Grundsätzlich ist Anja der Meinung, im Laufe ihrer Ausbildung gut auf die „Problematik
des Berufes“ vorbereitet worden zu sein und Selbstbewusstsein gewonnen zu haben:
„[D]as Studium ermöglicht mir eine entspanntere Berufsausübung, weil ich das Gefühl
habe, ich kann das oder ich habe das gut gelernt.“ Dennoch musste sie feststellen, dass
gerade der Handlungsspielraum von BerufseinsteigerInnen „sehr eingeschränkt“ ist, da
sie sich erst auf dem Übersetzungsmarkt behaupten müssen: „Weil wenn du als
Berufsanfänger hergehst und sagst, ich mache das nur zu dem Preis und nur in der
Deadline, dann wirst du keine Aufträge kriegen. Geht einfach nicht.“ Zurückzuführen ist
die eingeschränkte Agency bei Bezahlung und Abgabeterminen auf unrealistische
Anforderungen der AuftraggeberInnen und große Konkurrenz unter ÜbersetzerInnen:
Wenn dann wirklich einmal ein enger Auftrag kommt und dann, wenn das dann vielleicht auch noch ein relativ großer ist, wo, keine Ahnung, 300 bis 500 Euro rausschauen, wenn du es machst und sie dann sagen, wir brauchen das aber in der Zeit. Ja toll. Jetzt kann ich entweder jeden Tag bis Mitternacht dran sitzen oder ich kann eben 300 Euro weniger verdienen diesen Monat. Das ist irgendwie blöd. Also da fühlt man sich schon ein bisschen so (..) machtlos, weil es hilft mir auch nichts, wenn ich dann sage: Ja, ich mach’s dir einen Tag später. Dann sagt er: Ja, der Kunde will es aber da, ich suche mir einen anderen Übersetzer.
Da sie in gewissen Bereichen nicht bereit ist, ihr Anspruchsniveau zu senken, hat sie
beschlossen, die Verbesserung ihrer Arbeitssituation selbst zu initiieren (‚Voice‘-
Strategie). Wenn eine Deadline zu knapp bemessen wird, „dann sage ich ihm das auch“.
Auch lehnt sie mittlerweile Anfragen ab, bei denen „ich von vornherein sehe, der [Aus-
gangstext] ist so schlecht, dass ich ihn nicht verstehe (...). Das habe ich am Anfang nicht
gemacht.“ Anja ist der Überzeugung, dass die Agency „ein bisschen besser [wird], je
länger man mit einem Büro zusammenarbeitet oder auch je mehr Kunden man schon
vorweisen kann“.
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Niedrige Bezahlung
[E]s kann ja nicht der Sinn der Sache sein, dass ich als Übersetzer dann was anderes machen muss, damit
ich mir meinen Lebensunterhalt finanzieren kann. (lacht) Anja musste feststellen, dass sie als freiberufliche Übersetzerin ohne das zusätzliche
Einkommen ihres Mannes ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren könnte. Eine Tatsache,
die sie „erschüttert“ und sie „auf dem harten Boden der Realität“ landen ließ:
Aber ich habe jetzt gesehen im Oktober (…) – da habe ich wirklich viel gearbeitet, also sicher 40 Stunden die Woche – und war (..) ja, bisschen über 1.000 Euro. Und da denke ich mir halt, das geht sich bei mir aus, weil wir die Miete uns teilen und weil ich momentan noch steuerfrei bin (…). Aber eigentlich kann man davon nicht leben. Und dann denke ich mir, das ist nicht okay, dass (…) man fünf Jahre studiert hat und dann für einen Preis arbeitet, wo ich genau weiß, wenn ich 40 Stunden die Woche arbeite, kann ich nicht davon leben. Das kann eigentlich nicht sein.
Obwohl sie sich aufgrund ihrer finanziellen Unabhängigkeit „eigentlich als Ausnahmefall“
bezeichnet, ist ihr Anspruch trotzdem: „[A]lso wenn ich jetzt alleine wäre, würde ich auch
davon leben können wollen.“ Zu den niedrigen Preisen kommt die instabile Auftragslage
hinzu. Denn manchmal „ist ein Loch, wo irgendwie 10 Tage gar nichts ist und dann kriegst
du in 2 Wochen Anfragen für 4 Wochen.“ Diese Unsicherheit ist „ein ungutes Gefühl,
wenn man irgendwie 10 Tage nichts verdient und schon weiß, das wird sich wahr-
scheinlich für das nächste Monat nicht ausgehen.“
Anja nennt viele Gründe für die schlechten Preise auf dem Übersetzungsmarkt. Als
Hauptursache sieht sie den niedrigen Status des Übersetzungsberufes in der Gesellschaft
und die Konkurrenz durch unseriöse ÜbersetzerInnen ohne Übersetzungsausbildung, die
nur nebenbei zum Spaß übersetzen:
[G]erade bei Englisch gibt es irrsinnig viele Leute, die aus irgendeinem Grund Englisch können oder irgendwann gekonnt haben und sich jetzt einbilden, sie können übersetzen und das dann für, was weiß ich, 30 Cent die Zeile oder noch weniger vielleicht anbieten, weil sie es eh nur zum Spaß nebenher neben einer anderen Arbeit machen. Und natürlich nehmen die Büros dann zuerst mal die Leute. (...) [I]ch denke, mit der Zeit werden sie irgendwie auf diese Preise auch konditioniert.
Eine weitere Ursache sieht sie in genau dieser Profitgier mancher Büros: „Weil ich weiß,
dass die einen Euro die Zeile den Kunden verrechnen und ich kriege 40 Cent. Und dann
kann man sich eh ausrechnen, was überbleibt (lacht).“ Auch wenn sie „schwer mit dem
Gedanken“ spielt, ihre Preise zu erhöhen, sieht sie ihren Handlungsspielraum einge-
schränkt: „Weil die ordnen die Übersetzer in der Kartei nach Preisen. Und dann krieg‘ ich
(lacht) wahrscheinlich halb so viele Aufträge, insofern überlege ich da noch.“
Einziger Lichtblick für Anja ist im Moment die Zusammenarbeit mit einem Büro: „[D]a ist
es wirklich ganz anders. Also der zahlt doppelt so viel pro Zeile, was irrsinnig ist.“ Den
Grund für die hohe Bezahlung dieses Büros sieht Anja in dessen Spezialisierung „auf
114
Recht und Wirtschaft“, wodurch er „hauptsächlich offizielle Kunden, also Behörden oder
Gerichte oder so [hat], die natürlich Standardpreis zahlen müssen“.
Anja musste resignierend festgestellt: „Also wenn man wirklich davon leben will, dann
muss man einfach manche Sachen akzeptieren“. Sie würde sich daher auch wünschen,
dass „die Berufsverbände einsehen, dass es eben nichts bringt, den Mitgliedern [nur zu]
sag[en], sie dürfen nicht unter dem und dem Preis arbeiten, sondern dass man da auch
woanders ansetzen muss“.
Asymmetrischer Informationsfluss und schlechtes Ausgangsmaterial
‚Mach’ dir keine Gedanken, das ist für den Kunden nicht relevant, übersetze es einfach’.
Anjas Soll-Wert bezüglich der Verfügbarkeit und Bereitstellung von Informationen ent-
spricht nicht immer dem Ist-Wert: „Ich meine, manchmal hätte ich eben gerne mehr, weil
ich eben qualitativ eine andere Vorstellung von einer guten Übersetzung habe.“ Ein Büro
antwortet beispielsweise auf Rückfragen ihrerseits immer mit: „Ja jetzt mach’ dir nicht so
viel Sorgen, übersetz’ das doch einfach (lacht).“
Besonders frustrierend findet es Anja, wenn das Ausgangsmaterial qualitativ minderwertig
ist und „du dann auch nicht wirklich nachfragen, Fragen stellen kannst, die beantwortet
werden“. Das liegt ihrer Meinung nach daran, dass Qualität „dem Kunden nichts Wert ist.
Eh klar, weil sonst hätte er nicht so einen Ausgangstext irgendwo her bekommen“. In so
einem Fall „ist wirklich eigentlich das höchste der Gefühle“, dass sie unverständliche
Textstellen rot markiert und das dem Büro so weiterleitet:
Aber das ist jetzt nicht wirklich ein befriedigendes Ergebnis. (...) Das ist frustrierend (lacht). Also so richtig irgendwie schlechte Texte und dann noch vielleicht nicht gut bezahlt, das ist irgendwie keine gute Mischung.
Die Qualität von Ausgangstexten lässt besonders im Englischen zu wünschen übrig: „[I]m
Englischen habe ich manchmal wirklich das Gefühl, es denkt sich jeder Mensch, er kann
Englisch (lacht) und produziert dann irgendwas, was wir dann übersetzen müssen (lacht).“
Solche Aufträge nimmt sie nur des Geldes wegen an, „[w]eil man kann auch nicht sagen,
dass man dadurch irgendwie in Übung bleibt, weil von schlechten englischen Ausgangs-
texten wird mein Englisch auch nicht besser.“
Große Konkurrenz unter ÜbersetzerInnen
[E]s wird prinzipiell einmal auf den Preis geschaut und wenn der stimmt, dann nehmen sie wen auf.
Die große Konkurrenz unter ÜbersetzerInnen auf dem Übersetzungsmarkt führt wie oben
bereits erwähnt zu eingeschränkter Agency und niedrigen Preisen. Anja sieht die Ursache
für den Konkurrenzkampf beim Verhalten der AuftraggeberInnen, die ihre Anfragen an
115
viele ÜbersetzerInnen gleichzeitig schicken und dann ÜbersetzerInnen mit den
niedrigsten Preisen wählen:
Wenn ich mich mit 70 Cent die Zeile bewerbe, werde ich überhaupt nicht zum Bewerbungsgespräch oder zu einer Probeübersetzung eingeladen. Dann heißt es gleich: Danke, ist uns zu teuer. Da kann ich noch so gut qualifiziert sein.
Um als ÜbersetzerIn konkurrenzfähig zu sein, ist daher permanente Verfügbarkeit über
Internet ein Muss: „[W]enn das an fünf Leute geht und du das eine halbe Stunde in der
Mailbox lässt, dann ist der Auftrag weg.“ Außerdem ist es wichtig, keine Anfragen
abzulehnen: „[M]ittlerweile schicken sie es nur mehr an mich. Aber das liegt daran, dass
ich eigentlich alles nehme, was sie mir schicken.“ Auch die Tatsache, dass Anja aufgrund
der Arbeitszeiten ihres Mannes meist abends übersetzt, stellt in diesem Zusammenhang
einen Vorteil dar, „weil sie wissen, dass ich oft am Abend arbeite und weil sie sonst nicht
mehr leicht wen kriegen für die Zeit“.
Geringe Anerkennung und Wertschätzung
[I]ch (...) bin ziemlich lange in die Nacht hinein gesessen und dann schickst du es ab und
dann kommt nicht einmal: Muh! zurück. „Am Anfang“ hat es Anja „irrsinnig frustriert“, dass sie selbst bei positiver Leistung keine
Anerkennung erhält:
Also so auf die Art: Kein Feedback ist ein gutes Feedback. (…) Aber wenn alles okay ist, dann meldet sich kein Mensch mehr. Dann kriegst du nicht einmal eine Mail, wo irgendwie drin steht: Danke erhalten, sondern es ist einfach Sendepause.
Sie hat mittlerweile aber resigniert: „[D]as stört mich jetzt nicht mehr so. (...) [J]etzt habe
ich mich schon daran gewöhnt.“ Vor allem auch, weil das „von Büro zu Büro [variiert]. Also
ich habe da auch andere Erfahrungen gemacht“. Wenn der Fall eintritt und sie eine
positive Rückmeldung für ihre Arbeit erhält, ist das ihrer Aussage nach wie „Balsam für
die Seele“. Besonders ihre Expertise wird wertgeschätzt: „Dann sagen sie auch mal: Ja,
wenn du das so gelernt hast, dann wird das so passen. Also da habe ich wirklich das
Gefühl, dass ich mit meiner Kompetenz jetzt irgendwie wahrgenommen werde.“
Durch Anpassung ihres Anspruchniveaus hat Anja gelernt, mit geringer Anerkennung
umzugehen und ihr Selbstbewusstsein nicht zu verlieren. Dennoch würde sie sich
wünschen, dass der Übersetzungsberuf von AuftraggeberInnen und der Gesellschaft
mehr geschätzt würde und „irgendwie mehr wahrgenommen wird, das Übersetzen
eigentlich nicht jeder kann, der zwei Sprachen kann, sondern dass das auch mit was
lernen und mit Kompetenzen verbunden ist.“ Ihrer Meinung nach würde das auch die
Bezahlung verbessern, wodurch schlussendlich wohl auch ihr Anspruch erfüllt würde, von
ihrem Beruf leben zu können.
116
5.3.3.1.7 Arbeitszufriedenheit der BerufsanfängerInnen: Fazit
Bestimmung der Arbeitszufriedenheit
Die Analyse der einzelnen Interviews führte zu dem Ergebnis, dass Aspekte der
verschiedensten Facetten zu Zufriedenheit oder Unzufriedenheit führen. Demnach führt
die positive Beurteilung von Aspekten der sozialen Facette (Agency, Andere Menschen,
Anerkennung, Feedback, Informationsfluss, Status) oft zu Zufriedenheit und die negative
Beurteilung selbiger häufig zu Unzufriedenheit. Zu Zufriedenheit führen darüber hinaus
Aspekte der kognitiv-intellektuellen Facette (Fertigkeiten, Interesse, Kreativität, Persön-
lichkeitsdispositionen) und zu Unzufriedenheit Aspekte der instrumentell-materiellen
Facette (Bezahlung, Sicherheit).
Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Arbeitszufriedenheit der BerufsanfängerInnen
entscheidend von der Befriedigung individueller Bedürfnisse abhängig ist. In Herzbergs
(1967) Worten führen demnach einerseits befriedigte Kontentfaktoren zu Zufriedenheit,
wie beispielsweise Umsetzung persönlicher Fähigkeiten und Einsatz individueller
Interessen (alle sechs), Anerkennung (Ariane, Angelika, Alessandra), Kreativität (Ava,
Alessandra, Anja) und Horizonterweiterung (Angelika, Alessandra, Anja). Andererseits
können auch befriedigte Kontextfaktoren als starke Motivatoren bei der Arbeit wirken, wie
etwa zwischenmenschliche Beziehungen (Ariane, Ava), Bezahlung (Armin) oder
Flexibilität (Armin, Alessandra, Anja).
Werden wie in Avas Fall weder Kontent- noch Kontextfaktoren befriedigt, kann innere
Kündigung, die häufig zur äußeren Kündigung führt, nicht ausgeschlossen werden. Eine
interessante Erkenntnis ist jedoch, dass sich manche BerufseinsteigerInnen für Exit
entscheiden, obwohl viele wichtige Faktoren befriedigt werden (Ariane). Andere
ÜbersetzerInnen wiederum, für die wichtige Faktoren derzeit unbefriedigt sind, bleiben
ihrem Beruf treu (Anja, Alessandra). Die Kontentfaktoren wirken bei ihnen offenbar als
sehr starke Motivatoren, sodass die negative Einwirkung von Kontextfaktoren akzeptiert
und nach Lösungen gesucht werden kann. Für sie gilt scheinbar der Leitsatz: „Also wenn
man wirklich davon leben will, dann muss man einfach manche Sachen akzeptieren“
(Anja). Es kann daher festgestellt werden, dass diese BerufsanfängerInnen ihr
Anspruchsniveau in gewissen Bereichen senken, um den Beruf ausüben zu können.
117
Bestimmung der Arbeitsbedingungen im Produktionsnetzwerk
Als Hauptproblem von BerufsanfängerInnen im Produktionsnetzwerk konnte die schlechte
Bezahlung identifiziert werden. Alle sechs Befragten geben an, ihren Lebensunterhalt vom
Einkommen der Übersetzungstätigkeit nicht bezahlen zu können: „Hut ab vor allen denen,
die das probieren“ (Angelika). Aus diesem Grund sind fünf der BerufsanfängerInnen nur
nebenbei als freiberufliche ÜbersetzerInnen tätig, haben die Branche bereits verlassen
(Ariane), zeigen Anzeichen von innerer Kündigung (Ava) oder Intention to quit (Angelika).
Für sie ist auch die Anstellung in einem Unternehmen oder Übersetzungsbüro keine
Option. Als Argumente werden niedrige Bezahlung, fehlende Flexibilität, monotone
Arbeitsweise und eingeschränkte Kreativität durch Massenproduktion genannt. Anja ist
die Einzige, die hauptberuflich als selbstständige Übersetzerin arbeitet, da sie wegen des
Einkommens ihres Ehemannes nicht auf den Verdienst des Übersetzens angewiesen ist.
Für die schlechte Bezahlung werden drei Gründe genannt: das geringe Ansehen des
Berufes durch Unwissenheit über den Translationsprozess, der große Konkurrenzkampf
unter ÜbersetzerInnen beziehungsweise „Sprachkundigen“ (Angelika) und die fehlende
Bereitschaft von EndkundInnen und Übersetzungsagenturen, ÜbersetzerInnen ange-
messen zu entlohnen. Darüber hinaus sehen die BerufsanfängerInnen ihre Agency
aufgrund geringer Berufserfahrung und fehlender Optionen stark eingeschränkt. Anja fühlt
sich beispielsweise „ohnmächtig“ und Ava handlungsunfähig, wenn es um die Erhöhung
niedriger Preise geht. Durch „Voice“ oder Ablehnung schlechter Angebote können
niedrige Preise zwar umgangen werden, jedoch schrumpft dadurch das Auftragsvolumen.
Einziger Lichtblick scheint die Zusammenarbeit mit Büros angloamerikanischer Länder zu
sein (s. Ariane, Angelika, Alessandra), da die Bezahlung besser ist und ÜbersetzerInnen
mehr Wertschätzung entgegengebracht wird.
Der asymmetrische Informationsstand ist für die meisten befragten BerufsanfängerInnen
eine weitere Schwierigkeit bei der Arbeit im Produktionsnetzwerk: „[I]ch muss dem jetzt
nachlaufen und eigentlich will der was von mir“ (Angelika). Keine/r der ÜbersetzerInnen
hat direkten Kontakt zu den EndkundInnen, weshalb sie auch nicht immer alle
essentiellen Informationen erhalten. Die lange Kette an AkteurInnen im Netzwerk führt
demnach zu verzögerter Informationsvermittlung und erschwert somit die Übersetzungs-
arbeit und Qualitätssicherung. Oft werden sie auch mit schlechtem Ausgangsmaterial
konfrontiert, was laut Anja bereits auf die Qualitätsansprüche des Endkunden/der
Endkundin schließen lässt.
118
Die Qualitätssicherung wird auch durch den großen Zeitdruck beeinträchtigt, der
ÜbersetzerInnen von EndkundInnen auferlegt wird. EndkundInnen scheinen Qualität über
Schnelligkeit und niedrige Preise zu definieren, während ÜbersetzerInnen ein gutes
Produkt liefern wollen, das ihren hohen Ansprüchen genügt. Wenn die Qualitätskriterien
zwischen AuftraggeberInnen und ÜbersetzerInnen zu unterschiedlich sind, greifen
manche ÜbersetzerInnen zu Strategien wie Auftragsablehnung oder senken
diesbezüglich ihr Anspruchsniveau.
Die Analyse hat außerdem gezeigt, dass sich vier der BerufsanfängerInnen in keinem
Fachbereich spezialisiert haben (Ariane, Ava, Angelika, Anja) und daher Übersetzungs-
aufträge aus den verschiedensten Fachbereichen annehmen. Diese meist kurzen
Ausgangstexte unterschiedlichster Textsorten werden zwar als interessant, jedoch als
unbefriedigend beschrieben, da nur wenig Bindung zum Endprodukt entsteht, der
Verdienst gering und die Kreativität eingeschränkt ist. Die literarische Übersetzung wird
daher oftmals als Idealbild gesehen.
Die Untersuchung ergab jedoch auch, dass den vielen negativen Kooperationsbeispielen
auch Positivbeispiele gegenüber stehen. Ariane etwa erhielt von vielen Büros Anerken-
nung für ihre Arbeit: „[M]an kriegt schon wirklich was für seine Arbeit“ (Ariane). Ava
berichtet von einer zufriedenstellenden Kooperation, in der sie Aufträge eines Kinderfilm-
produzenten vermittelt bekommt. Diese Aufträge bieten ihr die Möglichkeit, ihre Kreativität
auszuleben und eine Bedeutung in ihrer Arbeit zu sehen. Angelika zeigt sich begeistert
von der Zusammenarbeit mit einem englischen Übersetzungsbüro, das durch gute
Organisation, technologische Hilfsmittel und angemessene Bezahlung besticht. Auch
Alessandra hebt die Zusammenarbeit mit einem englischen Übersetzungsbüro als sehr
positiv hervor. Sie ist generell sehr zufrieden mit ihrem Beruf, da sie auf Kooperationen
mit qualitätsbewussten Agenturen setzt. Auch Anja arbeitet mit einem Büro zusammen,
das anderen in jeder Hinsicht überlegen ist. Es bezahlt ihr nicht nur doppelt so viel, es
bietet ihr auch interne Weiterbildungsmöglichkeiten und punktet mit respektvollem
Umgang und Wertschätzung.
Armins Beispiel zeigt, dass die Spezialisierung in einem Fachgebiet, das den persön-
lichen Interessen entspricht, ein Ausweg aus dieser unbefriedigenden Auftragslage sein
kann. Darüber hinaus erhält Armin in seinem Spezialgebiet regelmäßig große Projekte,
auf die er stolz ist und die ihm einen guten Verdienst einbringen. Da die EndkundInnen
seiner Branche Wert auf qualitativ hochwertige Endprodukte legen, verläuft auch der
Informationsfluss zufriedenstellend. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Konkurrenz in diesem
Bereich nur sehr gering zu sein scheint, da die Arbeit von Übersetzungsteams sehr
gefragt aber offenbar selten zu finden ist.
119
Alessandras Beispiel macht deutlich, dass mithilfe gewisser Einstellungen und Strategien
die Arbeitsbedingungen verbessert werden können. So macht die konsequente
Einhaltung des Berufsethos nicht nur glücklich, sondern trägt auch zur allgemeinen
Verbesserung der Marktsituation bei. Außerdem kann durch Aufklärungsarbeit die
Unwissenheit über den Translationsprozess vermindert und der Status verbessert
werden. Mit selbstbewusstem Auftreten können Alessandra aber auch Ariane, Angelika
und Anja bessere Preise aushandeln und bestimmte Forderungen durchsetzen.
Selbstbewusstsein und Willensstärke helfen ÜbersetzerInnen darüber hinaus, schlechte
Bedingungen konsequent abzulehnen und nur gute Kooperationen einzugehen, in denen
sie als ÜbersetzerInnen geschätzt und als PartnerInnen angesehen werden. Die
Ausbildung kann die Selbstbewusstseinsbildung wesentlich beeinflussen. Drei der
Befragten sind der Meinung, durch ihre Übersetzungsausbildung an Selbstvertrauen
gewonnen und Vorgehensweisen gelernt zu haben. Zwei berichten hingegen, dass das
Übersetzungsstudium sie nicht entsprechend auf die Anforderungen auf dem realen
Arbeitsmarkt vorbereitet hätte.
Die Analyse gipfelt jedoch in dem Fazit, dass BerufsanfängerInnen trotz Selbstvertrauens,
Durchsetzungskraft und Befolgung guter Strategien bei Vollzeit-Beschäftigung nicht von
diesem Beruf alleine leben können und zur finanziellen Absicherung auf Nebenjobs
angewiesen sind. In diesem Zusammenhang bringt Anja die derzeitige Gefühlslage vieler
BerufsanfängerInnen auf den Punkt: „Es kann ja nicht der Sinn der Sache sein, dass ich
als Übersetzer dann was anderes machen muss, damit ich mir meinen Lebensunterhalt
finanzieren kann.“
120
5.3.3.2 Arbeitszufriedenheit der erfahrenen ÜbersetzerInnen
In den folgenden Unterkapiteln erfolgt die Interviewdaten-Analyse der vier erfahrenen
ÜbersetzerInnen. Auch hier werden pro Unterkapitel nur Zitate aus den entsprechenden
Transkripten verwendet. Die Zitat-Quelle entspricht demnach der Kapitelüberschrift.
5.3.3.2.1 BE1 – Edoardo „Der Weltenbummler“
Netzwerktopologie
In Edoardos Netzwerkumgebung profitieren die Intermediary Principals von den meisten
Verbindungen. Als Hubs ist ihre Stellung im Netzwerk gesichert, wohingegen Edoardo als
einzelner Übersetzer auf eine Verbindung zu ihnen angewiesen ist, um auf die vielen
Übersetzungsaufträge Zugriff zu haben, die das Netzwerk zur Verfügung stellt.
Abb. 18: Netzwerktopologie BE1
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Edoardo übernimmt seit elf Jahren Übersetzungsaufträge. Seit Abschluss seines
Dolmetschstudiums vor acht Jahren arbeitet er hauptberuflich als freiberuflicher Über-
setzer, ist als solcher auf der ganzen Welt unterwegs und hat viele (internationale)
Erfahrungen gesammelt.
Die Analyse ergab, dass Edoardo in ein paar Aspekten mit seiner Arbeit im
Produktionsnetzwerk unzufrieden ist. Er bemängelt die schlechte Bezahlung, den
asymmetrischen Informationsfluss, den niedrigen Status, die mangelnde Qualitätssicher-
ung und den großen Konkurrenzkampf. Der unzufriedenstellende Soll-Ist-Vergleich in
diesen Aspekten führt dazu, dass er sein Anspruchsniveau anpassen und Strategien
entwickeln musste.
121
Im Bereich Bezahlung musste Edoardo akzeptieren, dass die Preisvorgaben seiner
Universität „rubbish“ und „out of the market“ waren, und sein Soll-Wert daher unerreicht
blieb. Auch wenn er heute bessere Preise aushandeln kann als zu Karrierebeginn, ist er
dennoch nicht zufrieden mit der Preislage. Aufgrund der niedrigen Preise mancher Länder
lehnt er eine Zusammenarbeit mit ihnen kategorisch ab: „I don’t work with clients from
South America. I don’t work with clients from Asia. I don’t work with clients from India. I
don’t work with clients from Africa.” Niedrige Preise von Büros anderer Länder akzeptiert
er nur unter bestimmten Voraussetzungen: „[I]t has to be regular work, all the payments
have to be monthly and they have to be timely. So, you know, those are conditions that
are very important if you want to accept a lower rate.“
Edoardo wünscht sich bessere Preise von Büros, um weniger arbeiten zu müssen: „If I
would get more money, I would work less.“ Derzeit arbeitet er oft sechzehn Stunden pro
Tag, was ihn unzufrieden stimmt: „I would change the rates of course because I only want
to work eight hours per day. I do not want to work 16 hours per day.” Die langjährige
Arbeitserfahrung hat ihn jedoch gelehrt, dass er sein Anspruchsniveau senken muss:
„[Y]ou know, I’m a professional that worked in the real market for a long time and I don’t
believe in dreams any more (laughs) like to manage to work for 20 cents per word.“ Um
sich finanziell abzusichern, plant er die Gründung eines eigenen Übersetzungsbüros:
„[N]ow I am expanding and I’m going to become an agency as well.”
Ideale Arbeitsbedingungen (Soll-Wert) umfassen für Edoardo neben guter Bezahlung und
einer „flexible or long-term deadline“ auch den Zugang zu essentiellen Informationen in
möglichst kurzer Zeit. Er beschreibt diese Soll-Werte als „the most important for me” und
darüber hinaus als „very difficult [to get] because agencies do not want to share the
contacts of the end-clients” und da „[d]eadlines tend to be tight, especially if you work with
the agencies“. Dass zu enge Deadlines oft qualitative Einschränkungen erfordern,
bezeichnet er als „[m]aybe not ethical but it’s real life“. Er muss die Realität in diesen
Bereichen demnach resignierend hinnehmen, sagt jedoch: „[Y]ou have to adapt.“
Ein weiterer Aspekt, der zu Unzufriedenheit führt, ist der Status. Edoardo hat die
Erfahrung gemacht, dass ÜbersetzerInnen in der Gesellschaft überaus wenig Ansehen
haben und generell große Unwissenheit über die Übersetzungstätigkeit herrscht:
[Y]ou are invisible. You are nobody. You do a job which is not common. People generally don’t know. So you just have to accept the fact that your job doesn’t really exist in the main labor market. (…) And I just gave up trying to explain what I do. Because people don’t get it. And this is in Italy especially and also all around the world. Translators are invisible. If you ask people about translation they would think it’s books, it’s novels, that it’s technical contracts, technical materials, technical translations in general. They don’t see where it comes from.
122
Auch der große Konkurrenzkampf, der laut Edoardo auf dem Übersetzungsmarkt
herrscht, entspricht nicht seinem Soll-Wert. Edoardo glaubt, dass der Druck im Gegensatz
zu „some exotic language combinations like, I don’t know, Chinese into Farsi or Chinese
into Russian“ in seiner Sprachenkombination eminent ist. Verschärft wird der Konkurrenz-
kampf durch das Internet, das Agenturen ermöglicht, ihre Aufträge an die billigsten
ÜbersetzerInnen weltweit zu vermitteln: „[N]owadays it’s very easy to outsource to a low-
rate translator somewhere in Thailand or in Argentina or wherever.“ Wenn Übersetzer-
Innen überleben wollen, müssen sie flexibel sein und sich dieser Veränderung anpassen:
„They [cheap translators] don’t destroy the market, they change the market. And you have
to be aware of this, so you have to adapt. If you don’t adapt you (…) it’s extinction.“
Obwohl seine Soll-Werte in eben erläuterten Aspekten nicht den Ist-Werten entsprechen,
ist Edoardo nicht unzufrieden. Denn er hat Strategien entwickelt, um sich den Änderungen
des Übersetzungsmarktes anzupassen und seine Zufriedenheit zu steigern. Dank seiner
positiven Lebenseinstellung und seines Durchhaltevermögens kann er seinen Beruf trotz
aller Schwierigkeiten zufrieden ausüben. Aufgrund seiner langjährigen Arbeitserfahrung
verfügt er heute über eine veränderte Arbeitsorientierung in Richtung Zukunftsplanung.
Verbesserte Agency durch Selbstvertrauen und Self-Marketing
[I]t all depends on your ability to get clients, to market yourself as a translator and get clients.
Edoardo arbeitet heute bewusst mit Übersetzungsagenturen zusammen, da es für ihn
einfacher ist und da er von ihnen die meisten Aufträge erhält: „85 percent of my
translation jobs still come from agencies“. Büros sind ein wichtiger Bestandteil des
Übersetzungsmarktes, da sie große, mehrsprachige Projekte managen, wozu einzelne
ÜbersetzerInnen nicht in der Lage wären:
[G]enerally end-clients want a package. (...) So the company or the end-client doesn’t want to deal with all the translators, generally speaking. So they just want to have one person or agent or agency that takes care of their project. (…) [I]f you want to work for bigger clients, you need to work for an agency.
Für den einzelnen Übersetzer/die einzelne Übersetzerin gilt daher, „to understand what’s
best for you“ und sich nur auf Kooperationen einzulassen, in denen möglichst unein-
geschränkt und zufrieden gehandelt werden kann.
Durch Selbstmarketing konnte Edoardo seine Agency vergrößern. Edoardo sieht in
erfolgreichem Self-Marketing einen Ausweg aus unbefriedigenden Kooperationen, die ihn
frustrieren: „You feel frustrated. You learn that you can drop the agencies and say: Okay,
I’m sorry but I’m not going to do work with you anymore, bye bye.”
123
Denn wer sich gut verkaufen kann, kann seine GeschäftspartnerInnen auswählen und ist
nicht gewzungen, unter schlechten Arbeitsbedingungen zu arbeiten: „This is why you
have to be good in marketing. Marketing is about selling yourself. You have to sell
yourself to the best client, to the best customer.“
Zufriedenheit über nordamerikanische Übersetzungskultur
North America invests in quality professionals.
Laut Edoardo stellt Qualität für südeuropäische Büros keine Priorität dar, denn „they know
the end-client won’t really care about the quality, the final quality“. Aus diesem Grund sind
Agenturen im Süden Europas auch „not prepared to pay as much as other countries. So
that’s the main problem. It’s the quality, it’s the investment they do in quality.“
Edoardo hat jedoch die Erfahrung gemacht, dass die nordamerikanische Übersetzungs-
kultur professionelle ÜbersetzerInnen mehr zu schätzen weiß. Die Produktion qualitativ
hochwertiger Produkte ist ihnen daher auch eine höhere finanzielle Investition wert:
„[T]hey know that they have to invest in quality professionals. Like people who can provide
quality products. So the rates tend to be higher in North America.”
Entscheidend für gute Bezahlung ist demnach „the translation culture of the country”.
Edoardo nennt Kanada als Beispiel für ein Land, das aufgrund seiner Übersetzungskultur
ÜbersetzerInnen gut bezahlt: „Canada I find is a very good market for translators because
everything is translated into the official two languages and it really invests in good quality
translations, generally speaking.” Aus diesem Grund würde er am liebsten nur noch mit
kanadischen Büros kooperieren. Ein Soll-Wert, der unerfüllt bleibt: „[M]y best clients are in
Canada. Ideally, I would only like to work in Canada. But so far, it’s not possible. So I still
have to deal with Italians. Italians are the worst.”
Zufriedenheit dank guter Principal-Agent-Beziehungen
So you know it depends on the relationship I have.
Da Übersetzungsbüros mit sehr vielen ÜbersetzerInnen zusammenarbeiten, kann
Vertrauen nur langsam aufgebaut werden. Die Qualität der Beziehung zur Übersetzungs-
agentur entscheidet, welchen Preis Edoardo verlangt, welche Deadline er aushandeln
kann und wie engagiert er ist. Eine gute, für ihn wertvolle Beziehung muss gepflegt
werden und verlangt Kompromissbereitschaft:
So sometimes they contact me and they ask for favors. And I do those favors. Sometimes you can even accept a lower rate or a tight deadline if you want to keep that relationship, if you want to invest in that relationship.
124
Wieder konnte Edoardo „some patterns according to the countries and to the translation
culture of these countries” feststellen. Seiner Erfahrung nach ist es „in North America
much more about creating rapport with the professionals”. Der Grund dafür liegt laut
Edoardo in deren Geschäftskultur und -verständnis:
It’s the culture, it's the business culture as well. They know how to make money because they know that trust is good for business, good manners are good for business as well. And you have to invest in quality, you have to invest in specific and specialized training. They generally tend to be nicer than Southern Europeans in the working world. It’s a different working environment. The working environment is more productive also because of the typical types of relationships among companies, among project managers and translators. So this is what I feel when I am in North America. People are generally nicer, even in a business environment. In Southern Europe it’s different. It’s just the culture, it’s less (…) It’s a bit more competitive, in a sense that they take advantage of you a bit more maybe (…). But it depends on your experiences. But this is only in general. In Northern America, they know how to do business better than in Europe, I think.
Genau um diese guten Beziehung ist Edoardo derzeit bemüht. Er möchte in dieser
Hinsicht keine Kompromisse mehr eingehen, sondern für seine Arbeit und Fähigkeiten
respektiert werden:
[T]he most frustrating clients are those that say: Just do a translation, (…) this is the rate and that’s it and I’ll pay you after three or four months or I’m not paying you because you are just a translator. You know, I’ve been dealing with these clients for a long time because in the beginning you have to make compromises. Now I have clients, especially from Northern Europe or Northern America, who really know how to treat professionals and give good rates. It’s also about the rapport they create. So for me, this is really something that I want right now. It’s not all about money, it’s about respect. Respect for my job and respect for my skills.
Gute Beziehungen zeichnen sich mitunter dadurch aus, dass er positive Rückmeldungen
für geleistete Arbeit erhält, was seine Engagementbereitschaft steigert: „Honestly, it’s the
relationship that I have with the agencies. Sometimes they reward your efforts and they
reward your efforts also by just thanking you for your job and this means a lot.” Wenn
seine Übersetzungsarbeit anerkannt wird und darüber hinaus einen Beitrag zu etwas
Sinnvollem darstellt, erfüllt ihn das mit Stolz:
So when I get some sort of positive feedback from the agencies, like if they say: Thank you, the client really appreciated your efforts and your translation will now help building a new hospital in Uganda for example. Then you feel fulfilled, you feel happy. So it’s about the relationship with the end-clients, it’s about the final products and yes.
Positives Feedback dieser Art „happens very rarely”. Viel öfter kommt es vor, dass
AuftraggeberInnen seine Arbeit nicht würdigen: „[T]he most frustrating clients are those
that say: Just do a translation. Something that can be understood and you know, this is
the rate and that’s it.”
125
Zufriedenheit dank Flexibilität und bedeutender Rolle
[Y]ou have a mission as a translator.
Edoardo arbeitet gerne als freiberuflicher Übersetzer, da ihm diese Arbeit viele Freiheiten
lässt und Möglichkeiten bietet:
What makes me happy is flexibility, it gives me good money and I can live anywhere I want. I can scale if I want, which means I can invest in marketing, I can make more money if I want and this can happen over my computer and my interconnections. I need an infrastructure, I need materials, it’s just my mind and my computer.
Was Edoardo am meisten motiviert ist der Gedanke, dass er mit seiner Arbeit etwas zur
Gesellschaft beiträgt. Er empfindet seine Rolle als Vermittler zwischen unterschiedlichen
Kulturen und Völkern als sehr wichtig und erfüllend:
You know, it’s not all about money, of course, I was kidding before. It’s also about your role, your role in making a better world, which means I mean you create communication among different cultures, you create communication among peoples. So you have a mission as a translator. And this is something that motivates me to keep working
Diese Liebe zum Beruf, seine erfolgreichen Strategien sowie die positiven Zufrieden-
heitsurteile der oben erläuterten Arbeitsbereiche führen dazu, dass Edoardo mit den
Herausforderungen im Produktionsnetzwerk umgehen kann.
126
5.3.3.2.2 BE2 – Elke „Die Kontaktfreudige“
Netzwerktopologie
Elkes Netzwerkumgebung wird von den Hubs (IP) regiert. Es gibt jedoch auch einzelne
PPs, die viele Verbindungen zu Hubs haben und diese somit untereinander ausspielen
und einen Konkurrenzkampf unter ihnen auslösen. Elke steht am Ende der Netzwerkkette.
Abb. 19: Netzwerktopologie BE2
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Elke ist seit 24 Jahren freiberuflich als gerichtlich beeidete Übersetzerin und Dol-
metscherin tätig. Sie liebt ihren „Beruf wirklich sehr“, „das kommunikative Element“, den
„kulturellen Aspekt“ und „geh[t] einfach gern’ mit Sprache um“. Elke schätzt sich glücklich,
ihren Beruf so gerne auszuüben: „[A]lso ich könnt’ mir nichts anderes vorstellen (lächelt).
Ich hab’ das Glück.“ Die Selbstständigkeit „bringt halt den großen Vorteil“ mit sich, flexibel
sein zu können und den Beruf „mit der Familie in Einklang“ zu bringen.
Die Interviewdatenanalyse ergab jedoch, dass Elke mit der Arbeit im Produktions-
netzwerk, auf die sie während ihrer Übersetzungsausbildung nicht vorbereitet wurde,
unzufrieden ist. Die Zusammenarbeit mit Büros ist für sie „in keiner Weise“ befriedigend.
Auch wenn sie langjährige Beziehungen als Positivbeispiele nennt, musste sie im Laufe
ihrer Karriere doch in einigen Kooperationen und Arbeitsbereichen ihr Anspruchsniveau
an die Ist-Situation anpassen. Um nicht auf die vielen Aufträge von Büros verzichten zu
müssen, wendet sie heute gewisse Strategien an, wie Voice, Auftrags-Ablehnung oder
Kooperationsabbruch, um den Ist-Wert so gut wie möglich an ihren Soll-Wert anzu-
gleichen. Darüber hinaus veränderte sie ihre Arbeitsorientierung und spezialisierte sich
127
auf gewisse Fachbereiche (Gerichtliche Beeidigung), eröffnete ein eigenes Übersetzungs-
büro, begann zu dolmetschen und arbeitet vermehrt mit DirektkundInnen zusammen:
„[W]eil man [da] mehr das Gefühl hat, wirklich da jetzt dem Kunden geholfen zu haben.
Meine Kinder sagen immer mein Helfersyndrom wird da mehr befriedigt.“
Durch ihre stetige Kompetenzerweiterung gewann sie nicht nur zusätzliche Einkommens-
möglichkeiten, sondern erreichte auch die Erfüllung ihrer persönlichen Bedürfnisse. Elke
schöpft ihre Arbeitsmotivation und -zufriedenheit aus ihrer Liebe zum Beruf, der
Übersetzungstätigkeit für DirektkundInnen, der Anerkennung bei Dolmetschaufträgen und
der Abwechslung durch ihren Nebenjob. Hinzu kommt, dass sie heute eine Fixanstellung
in ihrem Nebenjob hat und ihre Kinder schon groß sind. Die finanziellen Sorgen sind
demnach heute nicht mehr so groß und sie kann ihrer Arbeit unbeschwerter nachgehen.
Im Folgenden sollen die Herausforderungen im Produktionsnetzwerk erläutert werden.
Eingeschränkte Agency
Es ist letztendlich auch ein Erfahrungswert geworden.
Elke sieht sich im Netzwerk als die „kleine Übersetzerin am Ende“. Eine Position, die auch
ihre Agency einschränkt. Da Übersetzungsagenturen viele Verbindungen im Netzwerk
haben und da „sich Kunden offenbar eher an große Übersetzungsbüros wenden als
vielleicht an Übersetzerinnen, Dolmetscherinnen mit zwei Sprachen, so wie ich“, sieht sie
sich zu einer Zusammenarbeit gezwungen. Sie erhält „einfach leider immer noch zwei
Drittel der Aufträge oder Anfragen (...) über Büros“.
Die Vorgaben der Übersetzungsagenturen sind mächtige nichtmenschliche Akteure im
Netzwerk. So fühlt sie sich bei der Bezahlung manchmal „fies behandelt“ und bei der
Deadline eingeschränkt: „[G]enügend Zeit spielt’s kaum.“ Auch die Tatsache, dass „die
meisten Büros bestrebt sind, einen direkten Kontakt zwischen Kunden und Übersetzerin
dringend zu vermeiden“, schränkt Elkes Agency ein. Diese Vorgabe des Büros führt zu
einer „Zeitverzögerung“, die Elke als „hin und wieder problematisch“ und „nicht ganz
einfach“ beschreibt. Der Übersetzungsprozess wird durch diesen asymmetrischen
Informationsfluss gestört, da „man auch nicht so die Möglichkeit hat, direkt die Fragen
darzulegen und zu erklären, die sich unter Umständen auch im Anschluss an eine Frage
noch einmal zusätzlich ergeben“.
Auch die Vorgabe enger Abgabetermine seitens der Übersetzungsbüros beeinflusst Elkes
Agency. Da sie Qualitätseinbußen bei ihrer Arbeit nicht akzeptiert („[D]as nehm’ ich nicht
in Kauf. Nein.“), muss sie Willenskraft beweisen, um ihre Bedingungen durchzusetzen:
128
Ja, der große Zeitdruck, das ist schon auch immer wieder ein Thema. Wo ich weiß, ich müsst’ mich eigentlich mehr durchsetzen versuchen. Was ich eh mehr und mehr tu’, weil ich sag’, Qualität, die ich liefern möchte, ist einfach unter diesem Zeitdruck dann auch nicht möglich. Und sieh’ da, dann geht’s plötzlich auch ein paar Tage später.
Im Laufe der Jahre konnte Elke ihre Agency durch die Voice-Strategie verbessern. Sie hat
gemerkt, dass auf ihre Forderungen eingegangen wird, wenn sie diese mit dem nötigen
Nachdruck stellt: „Also im Lauf der Zeit hab’ ich gemerkt, ich muss mich einfach
durchsetzen und meine Ansprüche laut kundtun.“ Wichtig ist nur, dass man diese auch
stellt: „Es hat also die Erfahrung gezeigt, dass man [die] wirklich einfordern muss“. Sind
terminliche Anforderungen beispielsweise „dermaßen utopisch“, muss darauf hingewiesen
werden und „plötzlich geht’s dann doch ein bissi“. Trotzdem ist ihre Durchsetzungskraft
weiter ausbaufähig: „[D]das Ausmaß, in dem ich das tue, denke ich mir oft im Nachhinein,
lässt immer noch zu wünschen übrig (lacht). Also ich lass’ mich leider sehr oft trotz
alledem immer noch zu sehr unter Druck setzen.“
Unzufriedenheit über unangemessene Bezahlung
Das ist ja die böse Wirklichkeit auch.
Elkes Soll-Wert bezüglich der Bezahlung stimmt „nicht immer“ mit dem Ist-Wert überein:
„Weil halt die Büros den Preis schon sehr drücken“. Die daraus resultierenden Preise sind
oft unangemessen und für Elke ein Zeichen der Geringschätzung. Lediglich das große
Auftragsvolumen, dass ihr die mittlerweile „35 bis 40 Büros“ verschafft, rechtfertigen die
Zusammenarbeit: „Da ist die Befriedigung eher eine finanzielle.“
Die Tatsache, dass Elke aufgrund ihrer peripheren Position im Produktionsnetzwerk am
wenigsten verdient, findet sie „manchmal schon fies“. Aus diesem Grund lehnt sie heute
Aufträge ab, die sie zu Beginn ihrer Karriere noch angenommen hätte: „Muss man ja. (...)
[S]onst kommt man ja nicht rein. (...) Und ich kann’s mir jetzt Gott sei Dank leisten, dass
ich dann was ablehne. Also ich mach’ nicht mehr alles zu jedem Preis.“
Als Berufseinsteigerin fühlte sich Elke aufgrund des unregelmäßigen Einkommens auch
oft unsicher: „Ja, ich mein’, früher einmal war das so, dass die freiberufliche Tätigkeit
natürlich schon eine gewisse finanzielle Unsicherheit mit sich brachte. (...) [D]as waren
schon immer wieder Sorgen.“ Erst seit kurzer Zeit ist Elke dank ihres Übersetzungsbüros,
das „ganz gut läuft“, und einer Fixanstellung im Nebenberuf finanziell abgesichert.
Obwohl ich jetzt schon an die 20 Jahre [einen Nebenjob habe] und das durchaus immer auch als mein zweites Standbein betrachtet hab’, hab’ ich eben erst seit kurzer Zeit eine Fixanstellung, wo also diese Absicherung da gegeben ist.
Darüber hinaus setzt Elke vermehrt auf die lukrative Zusammenarbeit mit Direktkund-
Innen, die sie mithilfe einer Selbstmarketing-Taktik gewinnen möchte:
129
[I]ch bin ja, wie Sie sehen, eine andere Generation – dass ich mich dann wirklich, nachdem meine Kinder schon so geschimpft haben mit mir, endlich entschlossen hab’, eine eigene Homepage zu machen – Endlich! Wo ich eh gewusst hab’, dass das ansteht.
Der Vorteil einer eigenen Internetseite ist für Elke klar: „[D]as bringt dann schon viel oder
ein wenig mehr, dass die Kunden einen direkt finden und diese Zwischenschaltung eines
Büros wegfällt.“
Schlechte Ausgangstexte und unentgeltliche Qualitätsarbeit
Arabisch mit den Punkten, wenn da ein Punkt nicht da ist oder nicht gleich gut lesbar ist, ist das schon ein Dilemma.
Die Qualität der Ausgangstexte entspricht nur selten Elkes Soll-Wert:
Sagen wir ein Drittel der Texte sind wirklich schlechte Ausgangstexte und das ist relativ viel und relativ mühsam dann. (...) Aber manchmal gibt’s halt keinen anderen Text. Und man muss sich halt plagen und quälen.
Nicht nur im Arabischen ist Elke mit schlechten Ausgangstexten konfrontiert. Sie bekommt
auch häufig schlechte englische Texte, deren Übersetzung einen Mehraufwand bedeutet:
Im Englischen ist der Fall, dass sehr oft schlecht formulierte englische Texte vorgelegt werden, die nicht von Englisch-Muttersprachlern – sichtlich – formuliert sind. Und das ist auch sehr mühsam.
Weil „Kunden immer alles schon gestern haben wollen“ wird Elkes Soll-Wert, „genügend
Zeit zu haben, um sich genügend mit dem Fachgebiet auseinandersetzen“ zu können, „in
der bösen Wirklichkeit kaum“ erfüllt. Um die Qualität von Übersetzungen sicherzustellen,
setzen Büros vermehrt auf Qualitätsmanagement-Maßnahmen, „sind ISO qualifiziert“ oder
haben „in ihren Konditionen das Vier-Augen-Prinzip“. Bei der Durchführung dieses
Prinzips, bei dem „man von einem Kollegen beziehungsweise irgendeiner qualifizierten
Person die Übersetzung Korrekturlesen lassen soll“, wird Elkes Meinung nach jedoch
nicht bedacht, „dass auch das einen Zeitaufwand erfordert“, der noch dazu unbezahlt ist:
Das ist jeweils nur mein Problem. Und das ist auch irgendwie eine fiese Geschichte, weil ich mein, ganz richtig, Qualität hat ihren Preis. (..) Aber das müsste das Büro zahlen oder tragen diese Forderung. Weil es ist ja Name und Ruf des Büros dann.
Konkurrenz unter ÜbersetzerInnen
Da spielt der Zeitfaktor eine Rolle.
Elkes Erfahrung nach ist im Produktionsnetzwerk „sicherlich eine gewisse Konkurrenz
vorhanden“. Sie erfordert ihrerseits ständige Verfügbarkeit und ein gutes Preis-Angebot:
Da spielt zum Teil der Zeitfaktor eine Rolle, dass man also wirklich schnell auf ein Angebot antwortet, (..) der Druck immer präsent zu sein und ständig online und zum Teil halt die Kostenfrage, die entscheidet.
130
Jedoch herrscht auch unter Übersetzungsbüros ein gewisser Konkurrenzkampf. Auch hier
entscheiden Schnelligkeit und „[d]er niedrigste Preis“ über die Auftragserteilung seitens
der EndkundInnen: „[E]s ist sicherlich auch so, das merke ich, dass also immer mehr und
mehr Kunden verschiedene Übersetzungsbüros oder ÜbersetzerInnen anschreiben und
dann halt danach ihren Auftrag vergeben.“ Übersetzungsbüros müssen dann die Anfragen
an ihre ÜbersetzerInnen weiterleiten, um ein Angebot festlegen zu können. Um den
EndkundInnen ein möglichst gutes Preisangebot zu machen und selbst keinen Verlust zu
riskieren, erhält Elke den geringsten Anteil:
[D]as Lustige ist ja, ich krieg ja sehr oft Anfragen von mehreren Büros zum gleichen Auftrag und man weiß ja dann als kleine Übersetzerin am Ende, dass die Büros ja draufschlagen als wie ihren Obolus dann noch und das ist immer dann lustig zu beobachten, welches Büro (lacht) da dann offenbar Höchstbieter war und den Auftrag nicht gekriegt hat.
Demnach sind auch EndkundInnen mitverantwortlich für die niedrigen Preise und den
Konkurrenzkampf unter ÜbersetzerInnen und Büros auf dem Übersetzungsmarkt.
Mangelndes Feedback und fehlende Anerkennung
[D]ie Wertschätzung lässt schon sehr zu wünschen übrig.
Elke enttäuscht die Tatsache, dass bei der Zusammenarbeit mit Büros „meistens eben
kaum“ Feedback gegeben wird: „Ja (...) wär’ schon nett, wenn man mal ein bisschen eine
Reaktion kriegen würde.“ „Hin und wieder“ kommt es vor, dass Büros eine positive
Rückmeldung der EndkundInnen weiterleiten, was sie dann sehr freut: „[M]anche Büros
geben das schon dann weiter. (...) [D]as ist schon sehr erfreulich.“ Es sind meist jene
Büros, die Elkes Arbeit honorieren und selbst Wochenendarbeit wertschätzen, mit denen
sie schon länger zusammenarbeitet:
Ja, vielleicht auch eher bei diesen Büros, wo man schon länger eben für die tätig is’, dass da schon ein Feedback kommt: Danke für den großen Einsatz, und Wochenendarbeit – was sehr oft als völlig normal vorausgesetzt wird. Und man ganz erstaunt ist, dass man einen Wochenendzuschlag unter Umständen verlangt.
Die geringe Anerkennung bringt Elke mit fehlendem Selbstbewusstsein mancher
ÜbersetzerInnen in Zusammenhang. ExpertInnen sollten professionell auftreten, um als
solche wahrgenommen und respektiert zu werden:
Das ist jetzt natürlich nur meine persönliche Meinung aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus, aber ich kann mir den Vorwurf an gewisse Kollegen nicht ersparen, dass die zum Teil auch da schuld sind. Und bei gewissen Behörden, sei’s die Asylbehörde, da nicht selbstbewusster auftreten (...) dass man da mehr als Experte wahrgenommen wird, selbst auf die Gefahr hin, wenn’s da auch zu einer Auseinandersetzung kommt (..) wie (lacht) ich da auch durchaus meine Erfahrungen gemacht hab.
131
Ein weiteres Problem, das zu geringer Anerkennung führt, stellt das Unwissen über die
Komplexität des Translationsprozesses dar:
[I]ch kann mich erinnern (lächelt), und das ist wirklich so ein lustiges Beispiel, das is’ mir so im Hinterkopf geblieben, also dass einmal ein Kunde zu mir gesagt hat, weil ich gesagt hab: Sie, das ist unmöglich in dieser kurzen Zeit. Da hat er gesagt: Sie brauchen das ja eh nur in Englisch umschreiben (lacht).
Dennoch bewertet Elke ihren Status unter Mitmenschen im Allgemeinen als „durchaus
positiv und gut“ und ist dank gewisser Strategien, ihrer Leidenschaft fürs Übersetzen und
positiver Erfahrungen mit DirektkundInnen eine zufriedene Übersetzerin.
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5.3.3.2.3 BE3 – Esther „Die Teamplayerin“
Netzwerktopologie
Abb. 20: Netzwerktopologie BE3
Esther ist in einem Unternehmen angestellt und erhält interne Übersetzungsaufträge, die
über eine Abteilungsleiterin an die Übersetzerinnen vermittelt werden. In den meisten
Fällen verläuft der Informationsaustausch direkt mit den PPs der einzelnen Abteilungen.
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Esther studierte Anglistik und Medienwissenschaften. Seit ihrem Studienabschluss vor
sieben Jahren ist sie bei einem internationalen Logistik- und Automations-Unternehmen
als Übersetzerin angestellt. Nach dem Studium waren für Esther der Sicherheitsgedanke
und ein regelmäßiges Einkommen vorrangig: „Die Fixanstellung war mir wichtig. Also
gerade für diese Zeit, damit man einfach mal endlich Geld verdient.“
Die Analyse der Interviewdaten ergab, dass Zustände in gewissen Arbeitsbereichen zu
negativen Zufriedenheitsurteile führen. Beispielsweise entspricht die Qualität des
Ausgangsmaterials, das zwar generell in Ordnung ist, hin und wieder nicht Esthers Soll-
Vorstellungen:
Manchmal sind es dann auch ausländische Kollegen, die auf Deutsch jetzt einen Bericht schreiben, die jetzt vielleicht, keine Ahnung, Polnisch als Muttersprache haben. Das fließt dann halt natürlich nicht so. (...) Und da tut man sich natürlich schwer, zu raten, was es
133
jetzt genau ist. Und das dann in die Fremdsprache zu bringen, wenn man das Deutsche schon schwer versteht. Also das ist schon ein Thema.
Auch stellt der generell herrschende Zeitdruck ein Problem dar, der durch Esthers
Position im Netzwerk verschärft wird. Ausgangstexte werden beispielsweise bereits unter
Zeitdruck produziert, weshalb für die Übersetzung am wenigsten Zeit bleibt: „Weil wir halt
doch die letzten in der Schlange sind (...) und auch die Vorigen schon tendenziell unter
Zeitdruck litten.“ Daher kann Esther auch ihre hohen Qualitätsansprüche nicht immer
umsetzen. Ihre Übersetzungsarbeit wird immer wieder durch dringendere Aufträge, „die
direkt an den Kunden raus gehen“ oder „weltweit ausgesendet werden“ unterbrochen, die
dann unter großem Zeitdruck ausgeführt werden müssen. Mittlerweile hat sie ihre
Qualitätsansprüche von „erstens pünktlich und zweitens perfekt“ auf „so perfekt wie
möglich und so schnell wie nötig“ reduziert.
Eine weitere negative Beurteilung erhielt der Aspekt Status. Da Esther im Unternehmen
für Englisch zuständig ist, kränkt es sie besonders, dass manche ArbeitskollegInnen vor
Englisch-Kenntnissen keinen großen Respekt haben und der Meinung sind, dass „‚eh
jeder Englisch kann“. Es kommt vor, dass „langjährige Mitarbeiter wirklich in leitenden
Stellen“ auf ihre eigenen Fremdsprachenkenntnisse beharren und englische Slogans
entwerfen, die „einfach nicht gut“ sind und „[n]icht das heißt, was die Leute glauben, dass
es heißt“. Diese Machtdemonstration von Führungspersönlichkeiten, die sich gegen ihre
Fachmeinung durchsetzen, diffamiert Esthers Expertinnenstatus und senkt ihre
Arbeitsmoral. Darüber hinaus ist ihre Agency eingeschränkt:
Wenn man einfach eine gewisse Zeit im Unternehmen ist (lacht), dann denkt man sich: Ja, wenn sie glauben, dann sollen sie halt so machen. Nein, man lernt dann auch einfach, damit umzugehen. Und vor allem es sind ja nur meine Nerven, die dadurch strapaziert werden. Einen Chef kümmert das ja nicht. Weil ich kann ja zu dem auch nicht sagen – da geht’s wirklich um die höchsten Leitenden – da kann ich auch nicht so sagen: Das ist ein Blödsinn. Weil zum Bereichsleiter sage ich dann vielleicht: Also ich würde das so nicht schreiben. Zu dem kann ich das vielleicht noch sagen. Aber in der Etage kann ich das dann einfach so nicht sagen.
Sie hat also gelernt, mit dieser Geringschätzung umzugehen: „Ich stehe da wirklich
drüber. Mir ist das total egal.“ Auch hilft ihr das hohe Ansehen, das sie in den USA erfährt:
„Es ist lustigerweise in den USA sind da alle so: Wow! Übersetzerin! Cool! Also da habe
ich eigentlich echt einen riesen Unterschied gemerkt. Das ist viel mehr.“
Dank ihrer positiven Lebenseinstellung, ihrem Selbstbewusstsein und einem gewissen
Abstand zur Arbeit kann Esther trotz eben erläuterter Schwierigkeiten zufrieden sein.
Darüber hinaus ist der Soll-Ist-Vergleich in vielen ihr wichtigen Arbeitsbereichen sehr
zufriedenstellend. Die folgenden Darstellungen sollen diese Aussage belegen.
134
Zufriedenheit dank Teamgeist und Dynamik
Da ist das Team, das da sehr hilft.
Die gute Atmosphäre unter den 16 Übersetzerinnen (alle weiblich) des Unternehmens und
der Abteilungsleiterin entsprach von Anfang an Esthers Soll-Wert. Die guten Beziehungen
innerhalb der Abteilung sind für Esther eine moralische Stütze und helfen ihr bei Stress-
und Frustabbau:
Dann sagt man zu den Kollegen: Mah, nervig! Urgh! Schildere das kurz und dann (..) geht’s auch leichter. (...) Man muss das nicht alleine mit sich herumschleppen und sich darüber ärgern, sondern man kann das dann doch zur Sprache bringen.
Dank des guten Teamgeistes entstand eine Dynamik, die die Arbeitsbedingungen der
Übersetzerinnen in Esthers Firma nachhaltig verbessern sollte. Durch „wirklich sehr viel
Informationsarbeit“ konnten die Übersetzerinnen ihre Stellung innerhalb des Unter-
nehmens verbessern und KollegInnen aus anderen Abteilungen über ihre Tätigkeiten
aufklären:
[D]ass man einfach den Leuten zeigt, wie wir arbeiten. Dass man auch sagt, ich brauche auch diesen Hintergrund weil. (...) [M]an muss ja auch sagen, es wird ja von uns etwas gebraucht. Wir sind ja im Endeffekt eine Dienstleistung. Je schneller (...) und sinnvoller sie uns antworten, umso schneller kriegen sie auch das, was sie brauchen. Und das haben wir auch durchaus schon so kommuniziert. Die Abteilung gibt es ja auch schon sehr lange. Das heißt, es ist relativ gut integriert.
Einen großen Beitrag leistete hierbei eine ehemalige Abteilungsleiterin, die mit starkem
Selbstbewusstsein Übersetzerinnen im Unternehmen sichtbar machte:
[D]ie war eine sehr, sehr starke Persönlichkeit und hat dann auch mal klipp und klar den Leuten gesagt: „Das geht nicht! Illusorisch! Machen wir nicht!“ – „Ja aber wenn“ – „Ja dann rechnen Sie uns nächstes Mal mit ein, einschließlich den Zeiten ungefähr, wie viel man rechnen muss.“ Also wirklich sehr viel Informationsarbeit.
Durch diese Aufklärungsmaßnahmen konnten die Übersetzerinnen ihre Rolle und
Wichtigkeit im Unternehmen nach außen vermitteln und sich besser in das Unternehmen
integrieren: „[W]ir werden auch mit eingerechnet – normalerweise – inzwischen.“ Die
Informationsarbeit führte auch dazu, dass Esthers Abteilung heute nur noch von Personen
mit Fachkenntnissen geleitet wird: „[D]as war auch nicht immer so.“ Früher hatten sie
einen Abteilungsleiter, der „keine Ahnung hat[te], was wir wirklich tun. Und so ist es für
uns ein großer Gewinn, dass unsere jetzige Chefin, Abteilungsleiterin Übersetzerin ist.“
135
Große Agency durch zunehmendes Selbstbewusstsein
[M]it der Zeit kommt dann auch die Sicherheit.
Da mittlerweile im Unternehmen ein Bewusstsein für die gegenseitige Abhängigkeit
beziehungsweise den gegenseitigen Nutzen herrscht, verfügt Esther generell über eine
große Agency. Beispielsweise hat sie bei Verhandlungen zu Abgabeterminen viel Spiel-
raum. Wenn ein Termin zu kurzfristig ist, bietet sie einen anderen an: „[A]ber ich kann dir
das und das anbieten. Passt dir das? Geht das zumindest irgendwie? (...) [D]amit der
Kunde halt auch seine Sache rechtzeitig bekommt.“
Im Laufe der Jahre hat sie auch an Selbstvertrauen gewonnen: „Also man wird dann
einfach mit der Zeit relaxter und entspannter. (...) Man hat ja einen gewissen Hintergrund
auch. (...) [D]iese wachsende Sicherheit ist natürlich fein.“ Der Gewinn an Selbstbewusst-
sein und Arbeitserfahrung brachte auch einen sozialen Aufstieg innerhalb der Übersetz-
ungsabteilung mit sich: „[D]ie Kollegen kommen [jetzt] und fragen mich: Verstehst du das?
(...) Was soll ich da nehmen? (...) Und das finde ich natürlich spannend und lustiger als
umgekehrt (lacht).“
Mit zunehmender Arbeitserfahrung stieg auch ihre Sicherheit beim Übersetzen, da sie ihre
Verantwortung beim Übersetzen besser einzuschätzen lernte:
Natürlich können auch schwere Unfälle passieren. Wir recherchieren die Dinge auch grundlegend, aber man wird auch mit der Zeit relaxter. Also das zeigt dann die Erfahrung: Okay, da ist jetzt wirklich „Achtung!“ und aufpassen, das genau recherchieren. Wenn jetzt da vielleicht der Motor, „wenn der nicht rund läuft“, und statt „rund läuft“ wäre es halt etwas anderes gewesen, ja. Passiert jetzt niemandem wirklich was.
Durch ihre Berufserfahrung ist Esther heute demnach selbstbewusster, gelassener,
routinierter und stressresistenter. Generell bezeichnet sich Esther im Vergleich zu früher
als „[j]etzt durchaus zufriedener“.
Zufriedenheit durch guten Informationsfluss
Also dieser Informationsfluss läuft ziemlich gut und hilft uns auch sehr.
Esther und ihre Kolleginnen greifen in der Regel auf ein betriebsinternes standardisiertes
Begriffssystem zurück. Wenn es jedoch Fragen zu einem bestimmten Fachbegriff gibt,
müssen sie nicht erst über die Abteilungsleiterin gehen, sondern wenden sich „gleich [an]
die Abteilungen“, wo die ExpertInnen sitzen. Esther sieht darin einen enormen Vorteil, da
durch schnelle Kommunikation, raschen Wissensaustausch und gegenseitige Hilfe-
stellung effektiver gearbeitet werden kann und „natürlich auch die Qualität“ des
Endproduktes gesteigert wird:
136
[E]s wird auch viel untereinander (...) kommuniziert auch in der Abteilung, was fein ist. Dadurch dass wir in der Firma zusammen sind, dass man nicht zuhause sitzt und sein Süpp- chen kocht und vor sich hin übersetzt, mit dringenden Texten auch unter Umständen alleine ist oder auf sein Netzwerk selber zurückgreifen muss. Wir haben das Netzwerk intern. (...) Wir haben einerseits uns gegenseitig mit unterschiedlichen Erfahrungsstufen und auch, da wir im selben Unternehmen sind, wenn wir da anrufen und sagen: Du, was heißt das? Was meinst du damit? Da kriegen wir dann auch Skizzen und Erklärungen und dergleichen, die einfach wirklich unterstützen.
Wenn Übersetzungen zu technischen Geräten oder Maschinen anzufertigen sind,
erhalten sie außerdem „Beispielaufbauten“ und Erklärungen der Person, die „das Hand-
buch erstellt hat“. Diese bereitwillige Vermittlung von essentiellen Informationen stellt für
Übersetzerinnen Idealumstände dar, woraus geschlussfolgert werden kann, dass sich
diese wahrgenommen und respektiert fühlen: „Die Leute sind sehr bemüht und unter-
stützen sehr.“
Motivation durch Gehaltserhöhungen
[I]m Vergleich zu meinem Einstiegs- gehalt hat sich doch einiges boniert.
Esther genießt es, dass sie ihrem Geld nicht hinterherlaufen muss, sondern „[i]ch habe
pünktlich mein Gehalt, das ist auch sehr fein (lacht)“. Das Einkommen der Über-
setzerinnen ist „natürlich im Unternehmensvergleich auf der unteren Schiene“. Dennoch
findet Esther die Bezahlung „durchaus in Ordnung“. Das liegt auch daran, dass Esthers
Abteilung sich im Laufe der letzten sieben Jahre eine bessere Gehaltssituation erkämpfen
konnte. Früher mussten die Übersetzerinnen noch zusätzlich zu den 38,5 Arbeitsstunden
15 Stunden für einen Pauschalpreis einarbeiten: „Und dann wirklich übersetzen den
ganzen Tag, diese geistige Arbeit, das war dann schon heftig.“ Sie ist froh, dass sie diese
Pauschalzahlung abschaffen konnten zugunsten eines höheren Einstiegsgehaltes „mit
schrittweisen Erhöhungen nach zwei Jahren, nach drei Jahren und fünf Jahren, glaube
ich, auch um die Leute an das Unternehmen zu binden“.
Im Laufe der Jahre erhielt sie darüber hinaus Gehaltserhöhungen „auch dadurch dass ich
– ich bin engagiert und ich habe mich wirklich bemüht und ich schau‘, dass meine Sachen
fertig werden und dass ich wirklich gut arbeite.“ Dass Fleiß und Verlässlichkeit nicht unbe-
merkt blieben ist insbesondere der berufsinternen Solidarität der Abteilungs- leiterin zu
verdanken: „[D]adurch dass die Chefin selber Übersetzerin ist, kann sie auch das wert-
schätzen und schaut auf solche Dinge.“ Der Abteilungsleiterin ist besonders wichtig, dass
sie weiß, sie kann sich auf mich verlassen, ich mache auch schwierige Dinge, die schneller sein müssen. Ich krieg’ keine Krise, wenn die GF [Geschäftsführung] vor der Tür steht und sagt: Das brauchen wir bis Mittag (klopft mehrmals auf den Tisch).
Generell findet Esther jedoch: „Geld ist nicht alles“. Funktionierende Beziehungen schätzt
sie mehr als gute Bezahlung: „[F]ür mich sind diese Sachen mit der Chefin, sich Sachen
137
ausreden zu können (...) und auch diese Freiheiten zu haben (...) also diese Flexibilität ist
mir mehr wert (...).“ Die Folgen der finanziellen Entlohnung sind Motivation und
Zufriedenheit, die Esthers Bindung an das Unternehmen begünstigen.
Motivation dank Möglichkeit zur Kompetenzerweiterung
Ich brauche einfach eine gewisse Abwechslung und mir reicht es nicht, dass da unterschiedliche Textsorten dann kommen.
Nach dreieinhalb Jahren in der Übersetzungsabteilung war Esther in ihrer Arbeit schon
sehr routiniert und sah „dann keine Herausforderung mehr“. Darüber hinaus stellte sie
fest, dass „auch der Kontakt mit anderen Leuten“ etwas war, was ihr „jetzt am reinen
Übersetzen fehlt[e]“. Zu dieser Zeit hatte sie „wirklich überlegt“, den Beruf aufzugeben.
Das Unternehmen wusste dies zu verhindern, indem es ihr die Möglichkeit gab, in die
Marketing-Abteilung zu wechseln, wo sie daraufhin sechs Monate tätig war, bevor sie
wieder in die Übersetzungsabteilung zurückkehrte, da ihr „[d]ieses Spiel mit der Sprache“
fehlte.
Durch ihre Marketing-Erfahrung haben sich ihr zusätzliche Aufgabenbereiche beim
Übersetzen erschlossen, bei denen sie mehr Spielraum für Kreativität und persönliche
Entfaltung hat. Beispielsweise ist sie seitdem für die Übersetzung von Marketing-Texten
zuständig, was sie sehr freut, da diese Arbeit ihren kreativen Geist zufrieden stellt:
Weil man da ein bisschen mit der Sprache spielen kann. (...) Also das schön Klingende, das Schwingende. (...) [W]eil ich spiele mit der Sprache irrsinnig gern, das gefällt mir nach wie vor irrsinnig.
Darüber hinaus hat sie seither die Möglichkeit, selbst „so kleine Texte und dergleichen“ für
den Marketing-Bereich zu verfassen und diese „dann gleich ins Englische“ zu übersetzen.
Sie sieht in der Produktion von Ausgangstexten einen großen Vorteil, denn „wenn ich
selber schreibe, weiß ich natürlich am besten, was ich meine (lacht). (...) Also und das
motiviert mich zum Beispiel sehr. Das daugt mir total.“
Da ihr das Unternehmen diese Kompetenzerweiterung ermöglichte, rückte die Option des
Berufswechsels in weite Ferne: „[S]o kann ich einfach die ganzen verschiedenen
Geschichten da bündeln, zusammen mit dem Übersetzen, das ich sehr gerne mach’, und
das passt mir ganz gut.“ Außerdem gewährte ihr das Unternehmen vor Kurzem eine
Arbeitsstundenkürzung von 40 auf 30 Wochenstunden, wodurch Esther die Möglichkeiten
hatte, „nebenher noch eine Ausbildung“ zur „Shiatsu-Praktikerin“ zu machen:
Und es passt mir jetzt auch sehr gut, (...) dass ich jetzt diesen Luxus habe, (...) [u]nd dass ich jetzt zum Beispiel mir das auch so einteilen kann, dass ich mit ihm (zeigt auf Hund) gehen kann, dass ich ihn haben kann. Das macht dann schon sehr viel wett. Das (...) ist viel wert.
138
Zufriedenheit durch betriebsinterne Anerkennung
Sagt sie so: Ja, das ist gut. Genau. Das ist gut. (...) Also solche Sachen sind dann sehr motivierend.
Obwohl ihre Englischexpertise von manchen ArbeitskollegInnen nicht hoch angesehen ist,
erhält Esther für ihre Übersetzungsarbeit generell positives Feedback von Arbeitskolleg-
Innen, was Esther als „sehr motivierend“ empfindet. Sie sieht darin „dann die Wert-
schätzung. Die Wertschätzung ist es, ja“. Die Bestätigung ihrer Arbeitsweise erweckt
positive Gefühle: „[W]enn ein Kollege sagt: Boah, das ist super! Das klingt super. (...)
Genau das haben wir gesucht. So da, das ist wirklich spitze.“
Durch die Zusammenarbeit mit berufsfremden KollegInnen kann sie auch deren falsches
Bild ihrer Tätigkeit als „eine bessere Sekretärin“ in ein positives umwandeln: „Das ist ja
richtig Arbeit, was du machst! (...) [N]icht nur so trallala vor sich hin geschrieben.“ Da sie
„dann doch immer wieder mit den gleichen Leuten zu tun“ hat, wird ihre Arbeit in der
Regel jedoch „grundsätzlich schon wertgeschätzt und auch dass wir wirklich uns
bemühen, dass wir die Deadlines halten. Auch wenn sie knapp sind.“
Langanhaltende Beziehungen im Unternehmen fördern demnach die gegenseitige
Wertschätzung. Da die Anerkennung für Esthers Übersetzungsfähigkeiten im Unter-
nehmen stetig stieg, erlebte sie auch einen sozialen Aufstieg. Das äußert sich auch in der
Ausweitung und Wichtigkeit ihrer Tätigkeiten: „Jetzt mache ich kaum noch Handbücher.
Jetzt mache ich die Marketing-Sachen, dringende Sachen von der Geschäftsführung.“
Die vielen positiven Erfahrungen, die Esther als angestellte Übersetzerin in ihrem Unter-
nehmen gemacht hat, führen zu globaler Arbeitszufriedenheit.
139
5.3.3.2.4 BE4 – Evelyn „Die Späteinsteigerin“
Netzwerktopologie
Abb. 21: Netzwerktopologie BE4
Analyseergebnis und ausschlaggebende Determinanten
Evelyn studierte Übersetzen und Dolmetschen erst nachdem ihre Kinder bereits groß
waren. Mit 40 Jahren startete sie in das Berufsleben und ist nun seit beinahe 20 Jahren
als gerichtlich beeidete Übersetzerin tätig. Die Interviewdatenanalyse ergab, dass drei
Determinanten zu Unzufriedenheit führen: Asymmetrischer Informationsfluss, fehlende
Anerkennung und große Konkurrenz.
Der Soll- und Ist-Wert bezüglich Informationsfluss stimmt in Evelyns Netzwerkumgebung
nicht immer überein. Essentielle Informationen werden von der Vermittlungsinstanz
zurückgehalten: „Ich weiß eigentlich oft gar nicht für wen und warum ich das übersetze.“
Dass die Kontaktaufnahme zu den EndkundInnen verhindert wird, stellt für sie ein großes
Problem dar: „Das Problem für mich ist die Einstellung zu dieser Arbeit, dass man nicht
auch von Person zu Person bestimmte Dinge besprechen kann, dass die Kommunikation
(..) die fehlt, die ist gestört.“
Auch musste sie feststellen, dass durch den fehlenden Direktkontakt zu KundInnen die
Anerkennung geringer ist als beispielsweise beim Dolmetschen:
[M]an wird eigentlich nur als Übersetzer auf keine besonders hohe Stufe gestellt (lacht). (...) [A]ls Dolmetscher merkt man ja, ob man was zusammenbringt oder nicht. Die Rückmeldung ist dann da (lacht).
140
Sie muss sich daher mit den wenigen positiven Rückmeldungen zufrieden geben, die sie
nach Übersetzungsaufträgen erhält. Generell bekommt sie jedoch nur „ganz, ganz selten“
überhaupt ein Feedback, weshalb sie keine Meldung bereits als positive Meldung wertet:
„[W]enn keine Rückmeldung kommt, kann man eigentlich davon ausgehen, dass es in
Ordnung ist oder zumindest, dass es halt akzeptiert wurde in der Form.“
Ihre Erfahrung zeigte darüber hinaus, dass „[s]eit alles über Internet lauft“ der Konkurrenz-
kampf sowohl unter ÜbersetzerInnen als auch unter Übersetzungsbüros sehr groß ist. Da
Übersetzungsanfragen online an mehrere ÜbersetzerInnen versendet werden können,
gewinnt oft das billigste Angebot: „[W]enn man dann zurückschreibt ja so 1 Euro 20 oder
so, dann sagen sie: Nein danke, wir haben Leute, die machen das um 50 Cent.“ Auch
müssen sich Übersetzungsbüros gegen andere auf dem Markt behaupten. Entscheidend
ist dabei oft ihre Kompetenz. Übersetzungsbüros, die „dem Kunden, das Gefühl geben,
dass sie dort gut aufgehoben sind und dass ihr Anliegen in kürzester Zeit professionell
erledigt wird“ haben laut Evelyns Erfahrungen die besten Chancen.
Obwohl Evelyn in diesen drei Aspekten ihr Anspruchsniveau senken musste, ist sie nicht
frustriert oder unzufrieden. Denn die positiven Einzelbewertungen anderer Arbeitsbe-
reiche überwiegen und führen zu globaler Arbeitszufriedenheit. Ausschlaggebend dafür ist
die positive Erfüllung des Soll-Ist-Vergleiches und die Wichtigkeit der Aspekte. Letztere
sollen im Folgenden genauer erläutert werden.
Verbesserte Agency durch mehr Selbstbewusstsein
[D]as lasse ich mir aber auch nicht mehr gefallen inzwischen.
Evelyn bezeichnet sich heute als „ein bissl selbstsicherer vielleicht“ als zu Beginn ihrer
Karriere. Über manche Dinge, bei denen sie „am Anfang unsicher war“, könnte sie „jetzt
nur d‘rüber lachen“. Die anfänglichen Unsicherheiten waren ihrer Meinung nach auch die
Folgen der mangelhaften Ausbildung: „[S]o wie die Ausbildung damals war, hat sie mich
überhaupt nicht auf den Beruf vorbereitet.“ Im Laufe ihrer Karriere gewann sie jedoch an
Arbeitserfahrung und Selbstvertrauen, wodurch sie schließlich ihren Handlungsspielraum
maßgeblich ausbauen konnte: „[I]ch arbeite jetzt schon so lange, dass ich sagen kann, ich
kann jetzt das machen, was ich übersetzen will und ich lehne auch oft was ab, was ich
nicht will (...).“
Dieser Gewinn an Entscheidungsfreiheit erhöht ihre Arbeitszufriedenheit. Durch gewach-
senes Selbstvertrauen stellt Evelyn heute auch gewisse Bedingungen an Übersetzungs-
agenturen, um sich die Arbeit zu erleichtern. So hat sie beispielsweise durchgesetzt, dass
141
sie für Büros aufgrund des großen Zeitaufwandes keine Kostenvoranschläge mehr „für
Anfragen, die noch keine Aufträge sind“ berechnet:
[W]enn ich 40 Seiten krieg’, warum soll ich mich jedes Mal eine Stunde hinsetzen, das umwandeln, ausrechnen und so weiter. Das heißt, bei den Büros, die mir solche Anfragen schicken, habe ich jetzt gesagt, bitte immer jedes Mal die Zeichen dazu schreiben. Das machen sie jetzt auch. (...) Weil dazu ist ja das Büro da meiner Meinung nach (lacht). Weil ich mein, sonst kann ich eh selber für die Leute arbeiten. Und das funktioniert auch recht gut, muss ich sagen.
Nachdem Evelyn „eh lange gewartet“ hat, konnte sie in den letzten Jahren „bei allen
Büros“ eine Preiserhöhung „so um 10 bis 20 Prozent“ erreichen, ohne dass sie „dafür
weniger Aufträge gekriegt hätte“. Diese Entwicklung ist nicht allein auf ihr gestiegenes
Selbstvertrauen zurückzuführen, sondern vor allem auf ihren willensstarken Ehemann:
„[E]r sagt, du sollst nicht so dumm sein und für das gleiche Geld arbeiten. Und er fragt da
an. Der hat null Hemmungen (lacht).“ Durch das Anheben ihres Tarifes würde sie
mittlerweile „nicht mehr kriegen, wenn ich direkt fürs Gericht das machen würde“. Auch
hat sie „jetzt bei dem einen Büro durchgekriegt“, dass sie für Übersetzungen in die
Fremdsprache statt dem üblichen Gerichtstarif (90 Cent pro Zeile) „dass ich dafür 1 Euro
20 krieg’“. Bei einem anderen Büro „kriege ich jetzt auch 30 Prozent mehr“ für die
Übersetzung fachspezifischer Texte, die mehr Rechercheaufwand erfordern und daher
zeitaufwändiger sind: „[W]eil ich mir gedacht habe, es ist wirklich ein Unterschied, ob ich
jetzt eine Brillenrechnung übersetze (lacht) oder was besonders Spezielles.“
Für sie ist die Bezahlung demnach generell „in Ordnung, ja“, sie kann gut von ihrer
Übersetzungstätigkeit leben und ist sehr zufrieden. Entscheidend beeinflusst wird diese
Zufriedenheit jedoch auch von der Tatsache, dass sie auf das Einkommen der
Übersetzungstätigkeit nicht angewiesen ist: „Wenn man nicht jeden Auftrag annehmen
muss, ist es schon von Vorteil.“
Durch ihr Selbstvertrauen trifft sie heute auch in anderen Bereichen des Übersetzungs-
berufes autonome Entscheidungen, die sie früher den Übersetzungsbüros überließ. Jetzt
vertraut sie auf ihre Fachkenntnisse und ihr Urteilsvermögen:
Und für mich habe ich die Entscheidung getroffen, ich ändere, was ich glaube ändern zu müssen und mache für das Gericht dort einen Vermerk hin. Aber ich rufe nicht mehr extra an. Ich meine, das ist dann wieder eigenmächtig, aber was mir sinnvoll vorkommt, das mache ich dann und umgeh’ das dann halt. Ich mein‘, ich denke mir dann immer, wenn was wirklich nicht passt, dann kommt eh die Negativ-Rückmeldung (lacht).
Die letzte Entscheidungsinstanz ist demnach nicht mehr das vermittelnde Büro, sondern
Evelyn selbst. Auch hat sie sich dazu entschieden, Dolmetschanfragen, die „rund um die
Uhr, um Mitternacht“ gestellt werden und einen „um alle Zeiten aus dem Bett holen“,
abzulehnen: „Ich habe ihnen gesagt, ich bin einfach zu wenig in Übung, um das
übernehmen zu können und das haben sie auch so akzeptiert.“ Darüber hinaus nimmt sie
142
keine Aufträge an, die nicht in ihrem Spezialgebiet liegen, weil „es ist einfach der
Zeitaufwand riesig für etwas, was Sie nicht regelmäßig machen“.
Kaum Zeitdruck durch effizientes und schnelles Übersetzen
[E]in Termin schreckt mich nicht so sehr.
Dank jahrelanger Arbeitserfahrung ist Evelyns Arbeitsweise effizienter geworden.
Mittlerweile kann sie „relativ schnell arbeiten und (...) gut dabei bleiben bei der Arbeit“,
sodass „es terminmäßig noch nie Probleme gegeben hat. Also das war immer schnell
genug.“ Ihr Spezialgebiet stellt dabei einen entscheidenden Vorteil dar, da sie bei
Gerichtstexten „schon vieles als Vorlage gespeichert (lacht) [hat], was die Arbeit natürlich
auch enorm beschleunigt“. „[S]o spannend es“ für sie auch ist, „was Neues zu
übersetzen,“ findet sie es „auch recht erholsam“, wenn sie „zwischendurch etwas schon
Übersetztes wieder teilweise kopieren und nur ein bissl überarbeiten“ muss.
Zu „Engpässen“ kommt es lediglich, wenn HauptauftraggeberInnen „so trödeln, dass fürs
Übersetzen fast keine Zeit mehr“ bleibt oder wenn viele Aufträge auf einmal
zusammenkommen. Aufgrund des „riesengroßen“ Auftragsvolumens und der resultieren-
den Einkommenshöhe kann sie mittlerweile „durchaus mit gutem Gewissen Übersetz-
ungen ablehnen“, was „man sich am Anfang vielleicht nicht trauen würde, aus Angst,
keine Aufträge mehr zu bekommen“.
Zufriedenheit durch langjährige, gute Kooperationen
Das Verhältnis zu den Büros hat sich schon sehr geändert.
Da Evelyn aufgrund des großen Auftragsvolumens Büros in gewisser Weise auf eine
Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen ist, ist ihr der Gewinn und Erhalt zufriedenstel-
lender Kooperationen besonders wichtig. Sie geht heute keine Kooperationen mehr mit
Übersetzungsbüros ein, die ihre Fachkenntnisse in Frage stellen („[D]as war ein Büro, die
nach jeder Übersetzung angerufen hat, um die Übersetzung mit mir durch zu besprechen
und zwar auf sinnloseste Weise.“) oder ihren Ansprüchen in Sachen Bezahlung,
Textsorten und Arbeitsbedingungen nicht genügen. Sie ist lediglich um gute
Kooperationen bemüht und auch bereit, in diese zu investieren. Obwohl sie eigentlich nur
mehr Aufträge annimmt, die sie wirklich machen will, springt sie in Notsituationen für gute
Beziehungen ein:
[M]an versucht halt auf einer halbwegs vernünftigen Kooperation zu arbeiten. Also ich nehme dann schon manchmal auch, wenn die wirklich in einer Notsituation sind und gerade niemanden finden, (...) dann hilft man insofern schon aus oder man schaut, dass man das noch irgendwo unterbringt.
143
Evelyn schätzt die Beziehung zu Büros, die sich ihr gegenüber moralisch verhalten: „Er
könnte die ganzen Formulare, die ich ihm schon übersetzt habe, irgendeinem jungen
[billigeren] Übersetzer hinschmeißen und dem künftig die Aufträge geben. (...) Das ist die
Ethik des Büros.“ Darüber hinaus bevorzugt sie die Zusammenarbeit mit Büros, die ihr
regelmäßig Aufträge und größere Auftragsmengen schicken und sie dadurch „schon mehr
oder weniger halt fix beschäftigen“. Die langjährige gute Zusammenarbeit mit gewissen
Büros führte zu mehr Wertschätzung und Vertrauen:
[D]ass das auch akzeptiert wird, wenn man jahrelang Übersetzungen auch einmal termingerecht abliefert. Das wird im Allgemeinen schon geschätzt. (..) Und wenn die auch wissen, sie können sich im Notfall auf Sie verlassen und Ihnen das auch am Telefon sagen, ja das schicken wir jetzt Ihnen, weil da wissen wir, dass wir das rechtzeitig zurückkriegen.
Durch gute Kooperationen ist Evelyn heute besser in das Netzwerk integriert. Früher hätte
sie Büros „als Vorgesetzte empfunden“, während sie sich heute „als Mitarbeiter und nicht
als Handlanger“ fühlt. Mittlerweile ist sie sich ihrer Rolle bewusst: „Ich mein‘, mit denen
arbeitet man zusammen und ohne mich könnten sie auch keine Dienstleistung liefern
(lacht). Weil das Büro lebt ja auch von seinen Übersetzern.“
Evelyns Möglichkeit, gute Kooperationen aus dem reichhaltigen Angebot aussieben zu
können, ist eng mit ihrer finanziellen Unabhängigkeit verbunden: „Aber das können Sie
halt auch nur machen, wenn Sie nicht auf Aufträge angewiesen sind. Weil sonst würden
Sie das vielleicht auch über sich ergehen lassen (lächelt).“
Motivation durch großes Auftragsvolumen
[W]enn ich aufhöre in ein paar Jahren, dann müssten es (...) mindestens zwei
sein, die sich die Arbeit aufteilen. Im Laufe der Jahre hat Evelyns Auftragsvolumen stetig zugenommen. Früher, als sie
noch nicht so viele Aufträge erhielt, hatte sie neben dem Übersetzen auch Nebenjobs, die
sie jedoch mehr aus Spaß und für den Ausgleich ausübte als aus finanziellen Gründen.
Für sie ist es „angenehm, wenn man verdient“. Ihr Zuverdienst wäre aber „eigentlich nicht
wirklich notwendig“ gewesen. Deshalb meint sie auch, ihr Fall sei „vielleicht jetzt auch
nicht der Üblichste“. Wäre sie jedoch auf das Einkommen der Übersetzungstätigkeit
angewiesen, hätte sie die ersten fünf Jahre „nicht davon leben können, nein. Das hat
sicher fünf Jahre gedauert, bis es auch so war, dass man jetzt sagen könnte, das wäre
gerade mal das Mindesteinkommen.“ Mittlerweile ist ihr Auftragsvolumen beim
Übersetzen jedoch so groß, dass sie andere berufliche Tätigkeiten nebenbei „nicht mehr
schaffen“ würde:
144
[I]n dem Jahr habe ich jedenfalls noch mehr gearbeitet wie im Vorjahr. Also einkommens- mäßig habe ich nicht einmal gemerkt, dass ich meinen [Nebenjob] aufgegeben habe (lacht). Das hat sich durch noch mehr Übersetzen ausgeglichen.
Sie muss mittlerweile sogar „schon aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Weil vorige
Woche habe ich, glaube ich, jeden Tag 12 Stunden gearbeitet.“ Derzeit macht ihr die
Arbeit aber Spaß: „[F]ür mich passt es. Es war auch der Beruf, den ich immer wollte und
(..) ich wollte eigentlich nie was anderes machen. Ich habe dann halt nur Kinder gekriegt
vorher (lacht).“ Da sie ihre Beeidigung bei Gericht gerade für fünf Jahre verlängern ließ,
ist für sie die Pensionierung momentan auch noch keine Option, obwohl „in ein paar
Jahren wird sich das vielleicht auch ändern (lacht)“.
Motivation durch sprachliche Herausforderung
Wenn mein Computer kontrolliert wird in nächster Zeit (lacht), der ist voll mit diversen Rauschgift-Suchbegriffen
(lacht) aber sehr detailliert in alle Richtungen. Evelyn übersetzt nicht nur gerne, weil sie „Sprachen so gern’ mag und die Unterschiede
zwischen den Sprachen“, sondern weil es ihr auch Spaß macht, beim Übersetzen mit
unterschiedlichen neuen Themen konfrontiert zu werden. Dass die Übersetzungstätigkeit
„relativ doch vielfältig ist“, motiviert sie, „auch wenn die Gerichtstexte inzwischen
Überhand nehmen (lacht)“. Jedoch enthalten auch Rechtstexte „interessante neue“
Inhalte, wie beispielsweise „Vernehmungsprotokoll eben, wo Rauschgift beschlagnahmt“
wurde oder „Schusswaffen“, über die Evelyn vorher „nicht sehr viel“ wusste. Ihre
Erfahrung hat gezeigt:
[E]s gibt keine einzige Übersetzung, wo nicht eine oder mehrere Hürden drinnen sind und zwar in den harmlosesten Dokumenten. (...) Es sind nicht nur schwierige Texte schwierig. Es kann in jedem Text was vorkommen, was man lösen muss.
Die Herausforderung, passende Begriffe und gute Formulierungen zu finden, „ist einmal
immer wieder ein Ansporn“ und „diese anderen Sichtweisen sind schon spannend. Das ist
das Interessante eigentlich.“ Dank ihrer Liebe zum Beruf und ihrer verbesserten Agency
ist Evelyn eine sehr zufriedene Übersetzerin.
145
5.3.3.2.5 Arbeitszufriedenheit der erfahrenen Übersetzerinnen: Fazit
Bestimmung der Arbeitszufriedenheit
Die Analyse der einzelnen Interviewdaten ergab, dass sowohl die Zufriedenheit als auch
die Unzufriedenheit der erfahrenen ÜbersetzerInnen hauptsächlich durch Aspekte der
sozialen Facette hervorgerufen wird. Bei zwei ÜbersetzerInnen führt jedoch auch der
Aspekt Bezahlung der instrumentell-materiellen Facette zu Unzufriedenheit.
Der Hauptmotivator für alle vier ÜbersetzerInnen ist die Liebe zum Beruf (Kontentfaktor).
Die Arbeit mit der Sprache, ihre Rolle und Bedeutung als ÜbersetzerInnen sowie die
Erweiterung ihrer Kompetenzbereiche sind einflussreiche Motivatoren, die sie über
unbefriedigte Kontextfaktoren hinwegsehen lassen. Darüber hinaus haben sie Strategien
entwickelt, um die Kontextfaktoren zu beeinflussen und ihrem Traumberuf zufrieden
nachgehen zu können.
Bestimmung der Arbeitsbedingungen im Produktionsnetzwerk
Die drei freiberuflich tätigen ÜbersetzerInnen Edoardo, Elke und Evelyn mussten fest-
stellen, dass ihr Soll-Wert in gewissen Aspekten des Berufes nicht dem Ist-Wert entspricht
und sie ihr Anspruchsniveau senken müssen. Dennoch ist keine/r der drei Übersetzer-
Innen unzufrieden bei der Arbeit oder spielt mit dem Gedanken, die Branche zu wechseln.
Verantwortlich für ihre Zufriedenheit ist jedoch nicht die Senkung des Anspruchsniveaus,
sondern ihre Entschlossenheit, nicht zu resignieren.
Zu Beginn ihrer Karriere war diese durch Selbstvertrauen genährte Entschlossenheit noch
nicht so groß, weshalb sie bei der Zusammenarbeit mit Übersetzungsbüros schlechte
Bedingungen und niedrige Preise akzeptierten, um den Einstieg ins Berufleben zu
schaffen. Heute ist keine/r der drei ÜbersetzerInnen mehr bereit, schlechte Bedingungen
in ihnen wichtigen Aspekten zu akzeptieren. Sie sind selbstsicherer und sich ihrer Rolle im
Produktionsnetzwerk bewusster, da sie wissen, dass Übersetzungsbüros ohne ihre
professionelle Arbeit keine Dienstleistung anbieten können. Erfahrene ÜbersetzerInnen
setzen dieses Wissen bewusst ein, um ihre Forderungen durchzusetzen und ihre
Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Erfahrene freiberufliche ÜbersetzerInnen sind sich der Tatsache bewusst, dass sie
aufgrund des großen Auftragsvolumens auf die Zusammenarbeit mit Übersetzungsbüros
angewiesen sind und daher Wege finden müssen, um in diesen Kooperationen
Zufriedenheit zu erfahren. Mithilfe gewisser Strategien und Taktiken schaffen sie es,
gewisse Ist-Werte an ihre Soll-Werte anzugleichen und so mit den Schwierigkeiten im
Produktionsnetzwerk umzugehen.
146
So lehnen heute alle drei ÜbersetzerInnen Aufträge zu niedrigen Preisen kategorisch ab
und beenden schlechte Beziehungen zu Büros. Sie sind dazu übergegangen, Zeit und
Engagement in gute Beziehungen zu investieren, um diese längerfristig zu behalten.
Denn es hat sich gezeigt, dass in langjährigen Kooperationen die Agency der Übersetzer-
Innen am besten, die Wertschätzung und der gegenseitige Respekt am größten und die
Auftragslage am stabilsten ist. Langanhaltende Beziehungen führen daher am häufigsten
zu Zufriedenheit.
Darüber hinaus hat Elke ihre Kompetenzbereiche stetig erweitert, ist somit finanziell
abgesichert und befriedigt dadurch auch andere Bedürfnisse. Edoardo arbeitet an der
Gründung eines eigenen Übersetzungsbüros und arbeitet vermehrt mit nord-
amerikanischen Übersetzungsbüros zusammen, da seine Arbeit dort am meisten
geschätzt und entlohnt wird. Mithilfe von Selbstmarketing-Strategien passen sich die
beiden an die Gegebenheiten auf dem derzeitigen Übersetzungsmarkt an und stellen sich
der großen Konkurrenz mit Flexibilität und Professionalität. Auch Evelyn war im Laufe
ihrer Karriere in verschiedenen Nebenjobs tätig, die ihre Interessen befriedigten und sie
finanziell absicherten. Beim Übersetzen hat sie sich hauptsächlich auf den Rechtsbereich
spezialisiert und mittlerweile eine überaus gute Auftragslage, von der sie auch finanziell
profitiert.
Esthers Beispiel zeigt die Situation einer angestellten Übersetzerin. Auch sie konnte im
Laufe ihrer Karriere ihre Arbeitsbedingungen verbessern und ist heute nach eigener
Aussage zufriedener als zu Karrierebeginn. Ein besonderer Vorteil ist dabei das
betriebsinterne Übersetzungsteam, das im Kollektiv eine bessere Bezahlung, mehr
Wertschätzung und bessere Integration erreichen konnte. Dieses Beispiel ist ein Hinweis
dafür, dass ÜbersetzerInnen im Produktionsnetzwerk die vertikalen Verbindungen unter-
einander verstärkt suchen sollten, um gemeinsam mehr zu bewirken.
Darüber hinaus zeigen Esthers Erfahrungen, dass es innerhalb eines Unternehmens, wo
Angestellte im selben Gebäude arbeiten, direkten Kontakt haben und gemeinsame Ziele
verfolgen, einen besseren Informationsfluss, mehr Raum für Hilfsbereitschaft und weniger
Nährboden für Unfreundlichkeiten gibt. Außerdem verdeutlicht ihr Beispiel, dass die
Tätigkeit einer angestellten Übersetzerin sehr abwechslungsreich sein kann und dass
Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen zu Motivation und Zufriedenheit
führen können.
Alle vier Einzelinterviews zeigen demnach, dass mit zunehmender Arbeitserfahrung
Herausforderungen besser bewältigt werden und die Zufriedenheit steigt.
147
5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse
Topologische Gegebenheiten und einflussreiche AkteurInnen des Produktionsnetzwerkes
Die Analyse ergab, dass die grafischen Darstellungen der skalenfreien Produktionsnetz-
werke, in denen die zehn befragten ÜbersetzerInnen tätig sind beziehungsweise waren,
topologische Gemeinsamkeiten aufweisen. Die Beschaffenheit aller Netzwerke wird von
den Hubs, in diesem Fall den Intermediary Principals, dominiert. Die ÜbersetzerInnen
(Agents) befinden sich in einer peripheren Lage am Ende der AkteurInnenkette und sind
nur dank ihrer Verbindungen zu den Hubs mit dem Netzwerk verbunden. Außer Esther
steht keine/r von ihnen in direktem Kontakt mit den Primary Principals. Drei der
BerufsanfängerInnen (Angelika, Alessandra, Anja) sowie drei der erfahrenen
ÜbersetzerInnen (Edoardo, Elke, Evelyn) haben daher neben ihren Verbindungen zu den
Hubs auch dyadische Beziehungen zu DirektkundInnen, in denen ihre Agency in der
Regel größer ist.
Die Analyse des „Übersetzungsprozesses“ im Sinne der Actor-Network Theory ergab,
dass nichtmenschliche Akteure sehr einflussreich sind. Einerseits stellen die Vorgaben
der EndkundInnen und der Übersetzungsagenturen nach möglichst billigen und schnellen
Übersetzungsdienstleistungen wirkungsreiche nichtmenschliche Akteure im Netzwerk dar
und bestimmen die Arbeitsbedingungen der ÜbersetzerInnen und die Bedingungen auf
dem Übersetzungsmarkt.
Andererseits erwies sich auch das Internet als starker nichtmenschlicher Akteur, da es für
den großen Konkurrenzkampf auf dem Übersetzungsmarkt verantwortlich ist. Über das
Internet können Übersetzungsanfragen an die billigsten Büros vergeben und in weiterer
Folge an die billigsten ÜbersetzerInnen verteilt werden. Darüber hinaus ist das Email das
häufigste Kommunikationsmittel und dient in den meisten Fällen als einzige schriftliche
Unterlage zum Nachweis festgelegter Konditionen. Online-Netzwerke (Proz.com) stellen
für ÜbersetzerInnen wertvolle Plattformen dar (Angelika), um mit anderen ExpertInnen zu
kommunizieren. Online-Portale (Translator’s Café) werden insbesondere von Berufs-
anfängerInnen genutzt, um schnell viele Verbindungen im Netzwerk herzustellen (Ariane,
Angelika, Armin) und somit ihr Auftragsvolumen zu vergrößern. Mithilfe eigener Internet-
seiten (Alessandra, Edoardo, Elke) können sich ÜbersetzerInnen von der Masse abheben
und direkt mit EndkundInnen in Kontakt treten.
Die MitarbeiterInnen der Übersetzungsbüros stellen wiederum die wichtigsten mensch-
lichen AkteurInnen im Produktionsnetzwerk dar. Sie befinden sich in der SprecherInnen-
Rolle oder Machtposition, da sie als VermittlerInnen zwischen den beiden Parteien
148
(EndkundInnen und ÜbersetzerIn) die Kontrollfunktion innehaben und da sie je nach
Flexibilität und Preisvorgaben der ÜbersetzerInnen Aufträge an diese verteilen.
Bestimmung der Arbeitszufriedenheit
Die Analyse der zehn Einzelbefragungen hat gezeigt, dass die Arbeitszufriedenheit ein
komplexes Phänomen ist, das von individuellen Empfindungen und Prioritäten geprägt ist.
Darüber hinaus sind Zufriedenheitsurteile abhängig von den Persönlichkeitsdispositionen
und Anspruchniveaus sowie der allgemeinen Lebenszufriedenheit einer Person. Der
Einfluss individueller Arbeitswerte, Motivatoren und Wichtigkeitsgraden ist demnach
entscheidend für die Einstellung zur Arbeit und die Arbeitszufriedenheit und kann selbst
bei schwierigen äußeren Umständen zu unerwarteten Zufriedenheitsurteilen führen.
Aufgrund der Komplexität des Phänomens Arbeits(un-)zufriedenheit ist ein globales Urteil
darüber auch nur sehr schwer zu fällen. Im Laufe der Studie haben sich jedoch einige
Aspekte herauskristallisiert, die häufig mit Negativerfahrungen behaftet sind und somit zu
Unzufriedenheit führen. Diese sind nach Häufigkeit geordnet in Abbildung 22 zu sehen.
Abb. 22: Determinanten für AUZ bei ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken
149
Die Abbildung zeigt, dass schlechte Bezahlung, asymmetrischer Informationsfluss,
fehlende Anerkennung, niedriger Status und die große Konkurrenz auf dem
Übersetzungsmarkt bei den meisten befragten ÜbersetzerInnen zu Unzufriedenheit führt.
Diese Bilanz weist Parallelen zu Abdallahs (2012) Studienergebnissen auf und bestätigt
die von ihr erhobenen schlechten Bedingungen auf dem gegenwärtigen
Übersetzungsmarkt.
Dennoch ist der Großteil der befragten ÜbersetzerInnen nicht unzufrieden bei der Arbeit.
Denn wie die vorliegende Studie gezeigt hat, führen viele Aspekte der Arbeit, die
individuelle Priorität haben, zu Zufriedenheit. Abbildung 23 gibt Aufschluss darüber,
welche Determinanten bei den befragten ÜbersetzerInnen häufig für Zufriedenheit
verantwortlich sind.
Abb. 23: Determinanten für AZ bei ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken
Hierbei ist anzumerken, dass bezüglich eines Aspektes von den meisten ÜbersetzerInnen
sowohl Negativ- als auch Positivbeispiele genannt wurden. In der Regel überwog jedoch
entweder der positive oder der negative Erfahrungswert und führte zur entsprechenden
Gesamtbeurteilung des Einzelaspektes und der oben gezeigten Einteilung. Anhand dieser
Analyseergebnisse können die drei Hypothesen vorliegender Arbeit beantwortet werden.
150
5.5 Besprechung der Hypothesen
Die erste Hypothese vorliegender Arbeit, dass eingeschränkte Agency in Aspekten der
sozialen Facette zu negativen Emotionen und somit zu globaler Arbeitsunzufriedenheit
führt, kann nur teilweise bestätigt werden. Die Analyse hat zwar gezeigt, dass die Agency
der ÜbersetzerInnen in Aspekten der sozialen Facette eingeschränkt ist. Es ist jedoch
nicht der Fall, dass diese zu globaler Arbeitsunzufriedenheit führen. Denn sowohl die
BerufsanfängerInnen als auch die erfahrenen ÜbersetzerInnen weisen in den
entsprechenden Aspekten Andere Menschen (Konkurrenz), Anerkennung, Feedback,
Informationsfluss, Kollegen (soziale Kontakte) und Status vermehrt die Bereitschaft auf,
ihr Anspruchsniveau zu senken oder mit gewissen Taktiken gegen die schlechten
Bedingungen vorzugehen.
In diesem Zusammenhang konnte außerdem festgestellt werden, dass globale Arbeits-
zufriedenheit nicht durch einen einzigen Aspekt oder eine einzige Facette bestimmt wird.
ÜbersetzerInnen klagen zwar über eingeschränkte Agency in Aspekten der sozialen
Facette, jedoch auch über eingeschränkte Agency in der instrumentell-materiellen und der
kognitiv-intellektuellen Facette. Ob diese Unzufriedenheitsurteile zu globaler Arbeits-
zufriedenheit führen, ist abhängig von verschiedenen Faktoren, Arbeitswerten und
Prioritäten. Wie Anjas und Elkes Beispiele deutlich zeigen, führt die eingeschränkte
Agency in sozialen Aspekten nicht zu globaler Arbeitsunzufriedenheit, da andere Aspekte
erfüllt werden, die mehr Gewichtung haben. Auch Angelikas Agency ist in verschiedenen
Bereichen der sozialen Facette eingeschränkt. Entscheidend für ihre „Intention to quit“
sind jedoch die Aspekte Bezahlung und Sicherheit der instrumentell-materiellen Facette.
Dieselben Aspekte führten auch bei Ariane zu globaler Arbeitsunzufriedenheit und
bewegten sie zum „Exit“.
Auch die zweite Hypothese kann nur teilweise bestätigt werden. Zwar ist es der Fall, dass
der Soll-Ist-Vergleich in vielen Arbeitsbereichen bei ÜbersetzerInnen beider Gruppen zu
Unzufriedenheit führt und durch Senkung oder Anpassung des Anspruchniveaus
ausgeglichen wird. Es ist jedoch nicht der Fall, dass Zufriedenheit nur durch diese
Anspruchsniveauveränderung erreicht wird. Vielmehr wird Zufriedenheit durch gezieltes
Handeln in unzufriedenstellenden Aspekten erzielt. Denn es hat sich gezeigt, dass
ÜbersetzerInnen nicht bereit sind, in Arbeitsbereichen zu resignieren, die ihnen wichtigen
sind, sondern mit gewissen Strategien gegen die schlechten Bedingungen vorzugehen
versuchen. Es hängt demnach viel von den individuellen Prioritäten, Ansprüchen und
Arbeitswerten ab, ob ein Ist-Wert akzeptiert oder ob dagegen vorgegangen wird.
151
Die dritte Hypothese, dass ältere ÜbersetzerInnen höhere Arbeitszufriedenheit haben als
BerufsanfängerInnen, kann jedoch bestätigt werden. Die Erfahrungsberichte der älteren
ÜbersetzerInnen zeigen, dass schlechte Arbeitsbedingungen im Produktionsnetzwerk mit
besseren Konfliktlösungs- oder Konfliktpräventionsstrategien bekämpft werden und somit
nicht zu Unzufriedenheit, innerer Kündigung oder Exit führen. Durch langjährige
Berufserfahrung ändert sich die Arbeitsorientierung, die finanziellen Sorgen werden
geringer, das Bewusstsein für die eigene Identität und die beruflichen Kompetenzen steigt
und somit auch die Agency im Produktionsnetzwerk.
5.6 Einflussreiche Faktoren und erfolgreiche Strategien für AZ
Ziel vorliegender Arbeit war es unter anderem, mögliche Lösungsstrategien aufzudecken,
die dazu führen, dass sich ÜbersetzerInnen trotz schwieriger Umstände auf dem
Übersetzungsmarkt behaupten können. Aus diesem Grund sollen selbige neben anderen
einflussreichen Faktoren abstrahiert und zusammengefasst dargestellt werden. Die
Auflistung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge.
Arbeitserfahrung
Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass die Anzahl der Arbeitsjahre ein
einflussreicher Faktor für Arbeitszufriedenheit ist. Denn nach mehreren Berufsjahren
haben ÜbersetzerInnen bessere Strategien entwickelt, um sich in das Netzwerk zu
integrieren und ihre Rolle darin zu stärken. Mit der Erfahrung steigt in der Regel auch das
Selbstvertrauen, wodurch der Handlungsspielraum erweitert werden kann. Die
Erweiterung des Handlungsspielraumes gibt ÜbersetzerInnen das Gefühl, autonom
entscheiden zu können und Einfluss zu haben. Schlechte Kooperationen wurden im Laufe
der Jahre abgebrochen und lediglich gute eingegangen, die durch persönliche
Investitionen aufrecht erhalten wurden. Darüber hinaus entwickeln ÜbersetzerInnen mit
zunehmender Arbeitserfahrung eine gewisse Routine, wodurch sie schneller und
effektiver arbeiten und folglich mehr Aufträge annehmen können.
Finanzielle (Un-)Abhängigkeit
Einen weiteren einflussreichen Faktor für Arbeitszu(un-)friedenheit stellt die finanzielle
(Un-)abhängigkeit dar. Sind ÜbersetzerInnen gänzlich auf das Einkommen der
Übersetzungstätigkeit angewiesen, entscheiden sie sich in den ersten Berufsjahren
tendenziell für Exit (s. Ariane, Angelika) oder einen Nebenjob zur finanziellen Absicherung
(s. Alessandra, Edoardo, Elke, Evelyn).
Ist keine finanzielle Abhängigkeit gegeben, da das Einkommen des Ehemannes für
finanzielle Sicherheit sorgt (s. Anja, Evelyn) oder da eine andere „Ausnahme“situation
152
besteht (s. Ava, Armin) sind ÜbersetzerInnen tendenziell zufriedener in ihrem Beruf. Das
ist auf den größeren Handlungsspielraum zurückzuführen, der aus finanzieller Unab-
hängigkeit resultiert. Durch den geringen finanziellen Druck haben sie vermehrt die
Möglichkeit, eigenmächtig Entscheidungen zu treffen. Sie können daher schlechte
Kooperationen beenden und müssen niedrige Preise und schlechte Bedingungen nicht
hinnehmen. Durch freie Auswahl der Textsorten, der Kooperationen und Arbeitsmenge
sind ÜbersetzerInnen in finanzieller Unabhängigkeit tendenziell zufriedener.
Selbstbewusstsein
Das Bestehen von ÜbersetzerInnen im Produktionsnetzwerk hängt stark von deren
Selbstbewusstsein ab. Selbstbewusste Personen verfügen über stärkeren Willen und
mehr Durchsetzungsvermögen. Diese Eigenschaften helfen ÜbersetzerInnen, bestimmte
Bedingungen unter keinen Umständen zu akzeptieren. Somit können schlechte
Kooperationen leichter beendet und die eigene Agency ausgebaut werden.
Wie an Esthers Beispiel deutlich wurde, kann eine einzelne selbstbewusste Übersetzerin
– in diesem Fall ihre ehemalige Vorgesetzte – die Bedingungen für eine ganze
Übersetzungsabteilung nachhaltig verbessern. Auch hat das Übersetzerinnen-Team des
Unternehmens mit vereinten Kräften Aufklärungsarbeit geleistet und so das Bewusstsein
der MitarbeiterInnen für ihren Aufgabenbereich geschärft. Es zeigt, wie wichtig es ist,
berufsfremden Menschen zu vermitteln, was der Übersetzungsprozess beinhaltet und
wieso bestimmte Informationen für ÜbersetzerInnen wichtig sind.
Die Studie hat gezeigt, dass das Selbstbewusstsein bei manchen ÜbersetzerInnen bereits
zu Karrierebeginn sehr groß ist (s. Ariane, Angelika, Alessandra, Armin) und bei anderen
im Laufe der Karriere durch positive Erfahrungen und Rückmeldungen entstand (s. Elke,
Esther, Evelyn). Das Untersuchungsergebnis zeigt außerdem, dass starkes Selbst-
vertrauen bei BerufseinsteigerInnen sowohl zu Exit (Ariane, Angelika) als auch zu mehr
Ausdauer (Anja) führen kann. In beiden Fällen ist jedoch entscheidend, wie groß die
finanzielle Abhängigkeit vom Verdienst der Übersetzungstätigkeit ist.
Selbstmarketing
Aufgrund des großen Auftragsvolumens arbeiten alle befragten selbstständigen
ÜbersetzerInnen mit Übersetzungsbüros zusammen. Da jedoch die direkte Kooperation
mit EndkundInnen als befriedigender beschrieben wird, da sie mit mehr Anerkennung,
besserer Bezahlung und größerer Agency einhergeht, sollte versucht werden, durch
Selbstmarketing-Taktiken DirektkundInnen zu gewinnen. Dadurch vergrößern
ÜbersetzerInnen ihren Tätigkeitsspielraum und verringern ihre Abhängigkeit von
Übersetzungsagenturen. ÜbersetzerInnen könnten auch dazu übergehen, für die
153
DirektkundInnen Gesamtpakete anzubieten, indem sie nicht nur Übersetzungen, sondern
auch Ausgangstexte verfassen (Ariane, Esther) – Eine Option für Übersetzerinnen, die
mehr Abwechslung brauchen und andere Talente und Fähigkeiten einsetzen wollen.
Somit bleibt der Spaß an der Arbeit erhalten, der durch schlechte Bedingungen bei der
Zusammenarbeit mit Büros oft gedämpft wird, und individuelle Bedürfnisse können
befriedigt werden.
Spezialisierung
Eine erfolgreiche Strategie zur Optimierung der Zufriedenheit ist die Spezialisierung in
einem Fachbereich, der die persönlichen Interessen des Übersetzers/der Übersetzerin
erfüllt und somit die Motivation steigert (s. Armin, Anja, Elke, Evelyn). Bestimmte
Spezialgebiete bieten darüber hinaus die Möglichkeit, vergleichsweise mehr zu verdienen.
Beispielsweise ist der Beruf der ÜbersetzerInnen im Rechtsbereich geschützt, weshalb für
Übersetzungen Standardpreise bezahlt werden müssen. Gerichtlich beeidete
ÜbersetzerInnen haben außerdem den Vorteil, sich in ihrem Fachbereich zu vertiefen,
folglich immer schneller zu arbeiten (s. Evelyn) und somit mehr Aufträge in kürzerer Zeit
bearbeiten zu können. Im Computerspielbereich werden hauptsächlich große Projekte
vergeben, die eine große Wort-Anzahl beinhalten. Auch scheint die Gründung von
Übersetzungsteams die Überlebenschancen von ÜbersetzerInnen im
Produktionsnetzwerk zu vergrößern. Denn im Team lassen sich größere Projekte
bearbeiten, die den Verdienst steigern. Außerdem ist der Konkurrenzdruck geringer und
die Auftragslage sicherer.
Um ÜbersetzerInnen zu ermöglichen, von ihrer Arbeit leben zu können, muss die
Übersetzungstätigkeit auch in anderen Fachgebieten ein geschützter Beruf werden. Die
Anzahl dieser Fachbereiche, in denen Mindestpreise gesetzlich vorgeschrieben sind und
in denen nur ausgebildete ÜbersetzerInnen zugelassen sind, müsste ausgeweitet werden.
Wenn dann in den übrigen Bereichen nur mehr „Sprachkundige“ nebenberuflich tätig sind,
würde die Qualität wohl so weit sinken, dass auch dort das Bewusstsein für
Qualitätsarbeit geschärft würde. Die Maßnahme der Fachgebiets-Erweiterung würde auf
lange Sicht zu einer größeren Anzahl an geschützten Berufsfeldern führen, in denen nur
ausgebildete ÜbersetzerInnen arbeiten, die angemessen für ihre Arbeit bezahlt werden.
Übersetzungsausbildung
Die Übersetzungsausbildung kann ein einflussreicher Faktor für Arbeitszufriedenheit sein.
Denn die Hälfte der BerufsanfängerInnen gewann durch ihre Ausbildung an Selbst-
vertrauen. Ariane verdankt ihre große Agency dem Studium, da es das „Selbstvertrauen
stärkt“, Angelika ist stolz auf ihre Ausbildung und nutzt diese als Argument bei
154
Preisverhandlungen und Anja ermöglicht das Gelernte heute eine „entspanntere
Berufsausübung“.
Dennoch wird von Befragten beider Gruppen die suboptimale Vorbereitung auf das reale
Arbeitsleben kritisiert. Die drei freiberuflich tätigen erfahrenen ÜbersetzerInnen gaben an,
„überhaupt nicht auf den Beruf vorbereitet“ (Evelyn) worden zu sein. Weder wurde ihnen
beigebracht, wie man sich selbst am besten vermarktet (Edoardo), noch wie man auf dem
Übersetzungsmarkt besteht. Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten in der
Übersetzungsausbildung viel verändert hat, fühlen sich BerufsanfängerInnen heute immer
noch nicht genügend vorbereitet. Ava bemängelt die unrealistischen Preisempfehlungen
und die fehlende Vorbereitung auf die Arbeit mit Übersetzungsbüros. Angelika kritisiert die
späte Vermittlung der schlechten Verdienstmöglichkeiten und auch Alessandra ist der
Meinung, dass es „sicher Dinge [gibt], die man im Studium anders machen könnte oder
zusätzlich“.
Die Ausbildung kann demnach das Selbstvertrauen stärken, ist jedoch immer noch
ausbaufähig. Damit ÜbersetzerInnen künftig den Herausforderungen der Arbeit im
Produktionsnetzwerk besser gewachsen sind, wäre demnach die Einführung eines
Universitätskurses nach Abdallahs Modell „Translators' and Interpreters' Professional
Business Skills“ (2011b) sinnvoll.
Wahl der Büros
Die Wahl der Übersetzungsbüros stellt einen wesentlichen Faktor für die Zufriedenheit bei
der Arbeit dar. Die Analyse hat gezeigt, dass die Qualität der Zusammenarbeit und somit
die Arbeitszufriedenheit entscheidend von der Kompetenz und den Prioritäten der Büros
abhängt. Demnach profitieren ÜbersetzerInnen von der Zusammenarbeit mit kompe-
tenten, professionellen Büros längerfristig mehr als von der Kooperation mit „unseriösen“
Agenturen.
Werben Büros beispielsweise damit, besonders billig zu sein, werden auch vermehrt
EndkundInnen angezogen, die mehr Wert auf niedrige Preise legen als auf qualitativ
hochwertige Arbeit. Dieser Umstand bestimmt wiederum die Arbeitsbedingungen der
ÜbersetzerInnen. Erhalten Büros jedoch Aufträge aufgrund ihrer verlässlichen, seriösen
und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen, sind deren GeschäftspartnerInnen auch an
diesen Qualitäten interessiert und bereit, einen angemessenen Preis dafür zu zahlen.
Dann profitieren ÜbersetzerInnen sowohl von einem höheren Preis als auch von
EndkundInnen und AuftraggeberInnen, die ihre Arbeit schätzen. Die Arbeitsbedingungen
von ÜbersetzerInnen werden demnach maßgeblich von der Einstellung und
Vorgehensweise des Übersetzungsbüros bestimmt.
155
Die Untersuchung zeigte in diesem Zusammenhang, dass die Zusammenarbeit mit
Übersetzungsagenturen von Land zu Land verschieden ist. Demnach genießen
ÜbersetzerInnen insbesondere in nordamerikanischen und englischen Ländern ein
höheres Ansehen, da in diesen Kulturkreisen eine andere Arbeitsmoral und
Übersetzungskultur herrscht. ÜbersetzerInnen kann daher nur geraten werden, die
niedrigen Preise für Englischübersetzungen abzulehnen und bevorzugt mit
angloamerikanischen Agenturen zusammenzuarbeiten. Denn die Wahl des Büros hat
einen signifikanten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit von ÜbersetzerInnen.
156
6 Allgemeine Schlussfolgerungen und Ausblick
Die empirische Untersuchung vorliegender Arbeit belegt Abdallahs (2010, 2012)
Erkenntnis, dass die Arbeitsumgebung Produktionsnetzwerk ÜbersetzerInnen vor
Herausforderungen stellt. Die Übersetzungsarbeit im Produktionsnetzwerk wird sowohl
von BerufsanfängerInnen als auch von erfahrenen ÜbersetzerInnen als unbefriedigend
oder unzufriedenstellend beurteilt und führt in gewissen Bereichen zu Anspruchsniveau-
senkungen. Beide Gruppen kämpfen bei der Zusammenarbeit mit Übersetzungs-
agenturen mit denselben Schwierigkeiten: Die Bezahlung ist zu niedrig, sie erhalten keine
Anerkennung, ihr Mitspracherecht ist oftmals gering, der Konkurrenzkampf ist groß und
der asymmetrische Informationsfluss behindert ihre Arbeit und führt zu Moral Hazard.
Die Untersuchung zeigte jedoch, dass sowohl BerufsanfängerInnen als auch erfahrene
ÜbersetzerInnen auf das große Auftragsvolumen, das sie von Übersetzungsagenturen
vermittelt bekommen, angewiesen sind, um von diesem Beruf ansatzweise leben zu
können. Aus diesem Grund sind neben den oben erläuterten einflussreichen Faktoren wie
Selbstbewusstsein, finanzielle Unabhängigkeit, Spezialisierung und Übersetzungs-
ausbildung gute Strategien, eine professionelle Einstellung zur Arbeit sowie ein gewisser
Geschäftssinn essentiell, um sich auf dem gegenwärtigen Übersetzungsmarkt behaupten
zu können.
Im Gegensatz zu den BerufsanfängerInnen gelingt es den erfahrenen ÜbersetzerInnen
jedoch besser, diese Voraussetzungen zu erfüllen und sich den Schwierigkeiten im
Produktionsnetzwerk zu stellen. Ältere ÜbersetzerInnen sehen die Situation zwar
realistisch und „don’t believe in dreams anymore“ (Edoardo), sie sind jedoch nicht gewillt,
die schlechten Bedingungen resignierend hinzunehmen. Stattdessen haben sie sich den
Gegebenheiten angepasst, denn „[i]f you don’t adapt (…) it’s extinction“ (ibid.). Bei
BerufsanfängerInnen nehmen hingegen oftmals Unsicherheiten und Ängste überhand,
was dazu führt, dass sie die Branche verlassen möchten (Ava, Angelika) oder dies bereits
getan haben (Ariane).
Damit der Übersetzungsbranche fähige und engagierte ÜbersetzerInnen nicht aufgrund
der schlechten Arbeitsbedingungen verloren gehen, sind grundlegende Veränderungen
vonnöten. Da die Verbessung äußerer Umstände im Inneren beginnen muss, liegt es an
den ÜbersetzerInnen selbst, tätig zu werden, um zunächst ihre eigene und schließlich die
Gesamtsituation zu verändern. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Qualität der
Arbeitsbedingungen von ÜbersetzerInnen in translatorischen Produktionsnetzwerken
maßgeblich davon abhängt, wie erfolgreich Strategien ausgewählt und wie konsequent
157
diese umgesetzt werden. Zufriedene ÜbersetzerInnen zeigen vor, welcher Vorgehens-
weisen und Einstellungen es auf dem derzeitigen Übersetzungsmarkt bedarf, um sich
gegen unzufriedenstellende Bedingungen, unethische Anforderungen und die große
Konkurrenz durchzusetzen.
Dabei gilt es in erster Linie, sich den unrealistischen und unethischen Vorgaben der
Übersetzungsunternehmen zu widersetzen und schlechte Kooperationen zu vermeiden.
Zufriedene ÜbersetzerInnen setzen auf gute Kooperationen mit professionellen Büros, in
denen ihre Arbeit respektiert, in ihrem Interesse gehandelt und ihre Agency nicht
eingeschränkt wird. Die Phase des „Aussiebens“ unprofessioneller Übersetzungs-
agenturen ist mitunter eine langwierige, bleibt jedoch keinem/r BerufsansfängerIn erspart,
will er oder sie langfristig zufrieden bei der Arbeit sein. In dieser Phase sind
Selbstbewusstsein, professionelles Auftreten und ethisches Verhalten unerlässlich, um
die eigene Situation und die Arbeitsbedingungen auf dem Übersetzungsmarkt nicht
negativ zu beeinflussen.
Es hat sich außerdem erwiesen, dass ÜbersetzerInnen von Anfang an in gewissen
Aspekten (z.B. Bezahlung und Mitspracherecht) keine Kompromisse eingehen dürfen,
wollen sie langfristig erfolgreich sein und sich eine berufliche Zukunft im Produktions-
netzwerk aufbauen. Besonders BerufsanfängerInnen sollten sich der Tatsache bewusst
sein, dass der Einstieg in das freiberufliche Arbeitsleben langsam vonstatten geht und
nicht auf Kosten der Marktsituation verschnellert werden darf: Akzeptieren sie niedrige
Preise, schaden sie nicht nur ihrer eigenen beruflichen Zukunft, sondern drücken auch
den allgemeinen Marktpreis. Darüber hinaus tragen sie so dazu bei, dass EndkundInnen
auf „niedrige Preise konditioniert“ (Anja) werden und dann nicht mehr einsehen, mehr zu
zahlen (Alessandra). Qualität darf nicht zu jedem Preis erhältlich sein.
Es ist von größter Wichtigkeit, ÜbersetzerInnen die eben erläuterten Tatsachen zu
vermitteln. Es liegt in der Verantwortung der ÜbersetzungswissenschaftlerInnen, der
Lehrenden und Übersetzungsvereine, sie über die Problemsituationen aufzuklären und
ihnen empirisch erhobene Lösungsstrategien (Kapitel 5.6) anzubieten. Damit
ÜbersetzerInnen zufrieden im Produktionsnetzwerk tätig sein, Herausforderungen besser
meistern und ihren Einfluss im Netzwerk vergrößern können, muss ihr Bewusstsein für die
tatsächlichen Bedingungen auf dem Übersetzungsmarkt einerseits und für die
verschiedenen Verbesserungsmöglichkeiten andererseits geschärft werden.
Berufsverbände sind angehalten, „woanders anzusetzen“ (Anja), um die Heraus-
forderungen der Arbeitswelt mit realistischen Lösungen zu beseitigen. Auch können
Universitäten einen Beitrag leisten, indem sie die Vorbereitung auf das reale Arbeitsleben
158
optimieren und intensivieren. Dabei gilt es insbesondere, ÜbersetzerInnen Mut zu
machen, dass sie den Einstieg ins Berufsleben erfolgreich meistern und die allgemeinen
Bedingungen im Produktionsnetzwerk positiv beeinflussen und nachhaltig verbessern
können. Denn für Verbesserungen dieser Größenordnung bedarf es eines strategischen,
organisierten Vorgehens im Rahmen der Ausbildung und Berufsbegleitung.
Darüber hinaus sollten professionelle ÜbersetzerInnen im Produktionsnetzwerk die
horizontalen Verbindungen untereinander verstärken und definierte, gemeinsame Ziele
verfolgen. So würde aus den vielen peripheren EinzelkämpferInnen ein mächtiger Hub
werden, dessen Forderungen schneller Gehör finden und dessen Konkurrenzfähigkeit auf
dem Übersetzungsmarkt gestärkt wäre. Solange professionelle, ausgebildete Übersetzer-
Innen alleine gegen ein Meer aus „Sprachkundigen“ (Angelika) durchsetzen müssen, sind
die Wellen des Widerstands zu hoch, um das ersehnte Ufer zu erreichen. Das Loyalitäts-
gefühl unter den ÜbersetzerInnen müsste gestärkt, der geschützte Arbeitsbereich ausge-
weitet und die öffentliche Aufklärung über den Translationsprozess vorangetrieben
werden.
Soll verhindert werden, dass weiterhin „75 Prozent der [Übersetzungs-]AbsolventInnen“
(Angelika) nach dem Studium die Branche wechseln oder gar nicht erst in diese eintreten,
sind Veränderungen im Produktionsnetzwerk vonnöten – Veränderungen, die von
ÜbersetzerInnen selbst initiiert werden müssen.
159
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Ziemkendorf, Mario (2007) Actor-Network-Theory. Norderstedt: Grin.
163
8 Anhang – Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis: Abb. 1: (a) Zufallsnetzwerke, (b) skalenfreie Netzwerke 13
Abb. 2: dyadische Beziehung zwischen ÜbersetzerIn und KundIn (Abdallah/Koskinen
2007:677) 15
Abb. 3: translatorische Produktionsnetzwerke (Abdallah/Koskinen 2007:677) 15
Abb. 4: Abdallahs Modell der vier Principal-Agent-Dyaden in translatorischen
Produktionsnetzwerken (Abdallah 2010:16) 20
Abb. 5: Formen der AZ nach Bruggemann et al. (1975:134f.) 52
Abb. 6: Kybernetisches Modell der Arbeitszufriedenheit von Jiménez (2006:169) 55
Abb. 7: Die situativen Aspekte nach Roedenbecks KMA (Roedenbeck 2008:5) 62
Abb. 8: Der Interaktionsprozess nach Roedenbeck (2008:6) 63
Abb. 9: Entstehung globaler AZ durch Einzelaspekt-Bewertung 67
Abb. 10: Analytischer Orientierungsrahmen der Determinanten für AZ in translatorischen
PNW (nach Roedenbeck, Ergänzungen von S.K.) 69
Abb. 11: Grafische Darstellung der Hypothesen vorliegender Arbeit 71
Abb. 13: Netzwerktopologie BA2 90
Abb. 14: Netzwerktopologie BA3 96
Abb. 15: Netzwerktopologie BA4 102
Abb. 16: Netzwerktopologie BA5 107
Abb. 19: Netzwerktopologie BE2 127
Abb. 21: Netzwerktopologie BE4 140
Abb. 22: Determinanten für AUZ bei ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken 149
Abb. 23: Determinanten für AZ bei ÜbersetzerInnen in Produktionsnetzwerken 150
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Theoretische Grundlagen aus der Translationswissenschaft und der
Netzwerkforschung 65
Tabelle 2: Theoretische Grundlagen aus der Psychologie 66
Tabelle 3: Interviewleitfaden für die vorliegende empirische Studie 77
Tabelle 4: Statistische Daten der BerufsanfängerInnen 82
Tabelle 5: Statistische Daten der erfahrenen Übersetzerinnen 83
164
9 Anhang – Transkripte
BA1 – ARIANE I: Also du hast gesagt, du hast schon für Büros übersetzt?
BA1: Ja. Es war eigentlich – Also ich hab gemeinsam mit einem Freund zusammengearbeitet. Der ist Programmierer und der hat immer wieder so Aufträge für Homepagegestaltungen erhalten. Also er hat immer wieder irgendwelche Webseiten gestaltet und ziemlich aufwändig programmiert und hat am Anfang relativ lange alleine gearbeitet und irgendwann hat er gesagt, okay, eigentlich wär’s cool, wenn er das Gesamtpaket anbieten kann. Also auch die Befüllung von der Webseite und ist halt dann auf mich gekommen. Und hat mich dann auch gleich gefragt, ob mich das interessieren würde und ich habe gesagt: Ja, das wäre eigentlich fein, weil es ist so als Nebenjob ganz nett. Und dadurch dass ich jetzt dann doch Übersetzen studiere hat er dann gesagt: Okay, es wäre super, wenn du auch die Übersetzungen anfertigen kannst zufällig. Und so sind wir dann eigentlich auf das gekommen. Und es waren dann halt immer wieder mehrere Aufträge und mehrere Sachen, oft auch von den gleichen, die dann halt immer wieder die Homepage aktualisiert haben oder irgendetwas umgebaut haben oder jemanden gekannt haben, der irgendwas braucht. Und so ist das dann eigentlich entstanden.
I: Wie würdest du jetzt die perfekten Arbeitsbedingungen beschreiben?
BA1: Also was mir total wichtig war, ist dass der Auftraggeber erreichbar ist. Also dass du weißt, okay, du kannst ihm die Texte schicken zum Beispiel und er schaut drüber und sagt okay, das is eigentlich das was er jetzt möchte. Und dass im Vorhinein auch schon von beiden Seiten vereinbart wird, was bezahlt wird und warum welche Summe jetzt entsteht. Weil das ist manchmal auch ein bisschen (…) ja (…) hybrid (lacht).
I: Was waren deine Bedingungen, wenn du so einen Auftrag angenommen hast?
BA1: Also ich hab dann meisten schon im Vorhinein erklärt, wie ich verrechne. Bei den meisten hab ich jetzt nicht nach Zeile gemacht, sondern eher nach Stunden weil das halt auf der Website ein bisschen schwierig ist nach Zeilen, weil es halt doch andere Texte sind als Printtexte. Und (räuspert sich) da hab ich dann nach Stunden verrechnet und hab ihm halt ungefähr vorgerechnet, auf was ich wahrscheinlich kommen werde. Und er hat dann gesagt: Ja, das wird passen. Manchmal war es auch mehr. Ich habe dann zum Schluss die Rechnung gestellt und das hat auch gepasst. Also die verstehen das dann schon. Wenn halt dann ein Fünfziger dazukommen, dann kommt er halt dazu. Die meisten können sich das dann eh leisten. Man muss da ein bisschen (…) Man darf da nicht so (…)
I: Und hast du das Gefühl, dass sie deine Arbeit schätzen?
BA1: Ja schon. Also er hat mir das dann auch gesagt. Also er hat gesagt, es (Also der Programmierer?) (…) Der Programmierer auch ja. Aber eben der Auftraggeber selber hat auch oft gesagt, also wenn er russische Gäste hätte, dann würde er mir auch die russischen Sachen zum Übersetzen geben. Aber die hat er halt nicht gehabt, jetzt war es halt nur Englisch. Aber das schon.
I: Also du machst Englisch, Russisch?
BA1: Mhm.
I: [Identitätshinweise] Und hauptsächlich ins Englische oder ins Deutsche?
BA1: Beides eigentlich. (Schon?) Mhm. Also wirklich beide Varianten.
I: Weil man hört oft, dass mehr in die Fremdsprache ist.
BA1: Ja, eigentlich schon ja. Das ist auch total schräg. Aber es war wirklich in beide Richtungen meistens.
I: Und hast du auch mit Übersetzungsbüros gearbeitet? Hast du da Jobs kriegt?
BA1: Ja. Ich war in dem Translator’s Café, in dem Übersetzernetzwerk. Und das ist ganz lässig, weil du kriegst halt wirklich immer die Aufträge für deine Sprachkombinationen zugeschickt, also per Mail einfach so als Push Notification. Und da hab ich Russisch – Englisch, Deutsch – Englisch (…) und halt also all die Varianten, die meinen Sprachen entsprechen, zugeschickt bekommen.
165
Und da kannst du dir dann auch relativ gut einen Kundenstamm aufbauen. Also wenn du dann halt immer wieder mit einem Übersetzungsbüro zusammenarbeitest und deine Arbeit auch passt, melden die sich dann von alleine. Also jetzt nicht mehr über das Netzwerk, sondern auch anders. (Verstehe, ja.) Und ich habe da zwei (…)
I: Das ist eigentlich das Netzwerk, das ich meine, das über das Übersetzungsbüro. Das ist das, worum es mir eigentlich geht bei den Fragen. (Mhm. Genau, ja.) Und das ist total interessant, wie das so abläuft.
BA1: Das waren halt ganz unterschiedliche. Also es waren zwei aus Amerika, ein Übersetzungsbüro aus Russland und eines komischerweise aus Indien. Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert hat, aber das hat sich halt irgendwie ergeben.
I: Das ergibt sich aus der Arbeit mit dem Translator’s Café zum Beispiel? Wirst du noch vermittelt an andere Übersetzungsbüros oder wie?
BA1: Mhm. Es ist so, da sind lauter freiberufliche Übersetzer drinnen in diesem Netzwerk. Also du kannst quasi ein Profil anlegen. Und es sind auch viele Übersetzunsagenturen drinnen. Und die Übersetzungsagenturen stellen dann Aufträge in so eine Art Forum und wenn da jetzt zufällig deine Sprachkombination drinnen ist, bekommst du das Trigger-Mail, und kriegst halt den Auftrag zugeschickt. Und ja – Du kannst dich dann melden und sie schauen dann, ob es passen würde und du musst, glaube ich, meistens Preisvorschläge mitschicken. (Aha.) Ja. Und dann wirst entweder halt genommen oder nicht genommen. Und es ist oft so, dass es halt relativ spontan ist. Also es hat jetzt funktioniert, wenn du jetzt nicht wirklich einen Vollzeitjob hast oder so. Dann kannst du nämlich sagen, okay, dann arbeite ich heute halt mal bis Mitternacht oder bis eins. Aber wenn du halt arbeitest, dann tust du das auch nicht mehr.
I: Und das hat dich nicht gestört, so lange arbeiten und so spontan?
BA1: Es is eigentlich dann gut gegangen weil ich jetzt von der Uni her nicht wirklich viel zum erledigen gehabt hab mehr und so hab ich halt – so hab ich mir das relativ gut einteilen können. Schon.
I: Und würdest du sagen, dass man davon leben kann?
BA1: Ich glaub’ nicht. (Ja?) Also für mich war’s ein nettes Taschengeld. Aber so wirklich allein als freiberuflicher Übersetzer, der jetzt nicht selber eine Agentur hat (…) glaub ich nicht. Also könnte ich mir jetzt nicht vorstellen.
I: Und wie ist der Kontakt da abgelaufen? Also über welche Medien ist das gelaufen?
BA1: Also meistens ist es halt durch dieses Netzwerk ausgelöst worden, also das war dann schon mal online. (…) Und dann am Anfang viel über E-mail weil ja doch meine irgendwo Übersee waren oder keine Ahnung wo (…) Aber auch dann über Skype. Also irgendwann im Laufe der Zeit wenn man merkt, okay, man arbeitet jetzt öfter mit dem zusammen, bieten sie dir auch dann an, okay du, nimm meinen Skype-Kontakt, ist glaub ich leichter, wenn wir uns da hin und wieder mal zusammenreden. Wobei es da mit der Zeitverschiebung auch nicht immer so einfach is. Aber (…)
I: Also man telefoniert dann über Skype?
BA1: Ja meistens geschrieben aber hin und wieder auch telefoniert. Also wenn halt schnell eine Frage beantwortet werden muss, dann is halt fein, wenn du sie einfach nur eingibst und du hast innerhalb von drei Sekunden eine Antwort.
I: Okay, das heißt, du kriegst dann auch schnell ein Feedback oder eine Antwort?
BA1: Mhm, genau. Normalerweise schon. Normalerweise schon. Also ich glaub, das ist auch in ihrem Interesse, dass sie einfach gleich antworten weil sie brauchen die Übersetzung ja auch. Das ist das nächste.
I: Und kommt es auch vor, dass du nicht zu Informationen kommst, die du brauchst?
BA1: Ja, also ich hab eigentlich selten erfahren, für wen das jetzt wirklich ist. Weil das Übersetzungsbüro hat ja trotzdem nur meine Auftraggeber gehabt und ich hab eigentlich nur immer ungefähr gewusst, was der macht. Also sie haben halt gesagt, ja das ist für irgendein Wandsticker-Herstellungs-Unternehmen (lacht) und das war’s. Und mehr hab ich dann nicht erfahren. Zum Beispiel sowas. Oder irgendeine (…), ja eine ganz eine große Computerfirma, haben sie einmal gesagt.
166
I: Okay und ist das ein Problem?
BA1: Ich hab’s halt deshalb ein bisschen störend gefunden weil die ja oft das Corporate Wording haben und das hätt ich dann halt gebraucht. Das ist das einzige. Also du fertigst dann halt eine Übersetzung an und tappst halt trotzdem im Dunkeln weil du nicht weißt, welche Wörter du verwenden darfst, sollst, musst.
I: Ja und hast du dann das Gefühl, dass du (…) also, dass die Übersetzung dann vielleicht nicht passt für das Unternehmen, wenn die eine andere Sprache zum Beispiel benutzen oder so?
BA1: Ja, also wissen kannst du’s dann eigentlich nie. Es is dann schon so, dass das Übersetzungsbüro das nochmal zum Auftraggeber sendet und du kriegst dann schon nochmal was zurück mit Rückmeldungen aber (..) es is halt dann (..) du erfahrst es eigentlich erst nachdem du alles gemacht hast, ob das jetzt passt oder ob noch was zu überarbeiten ist und das is halt mühsam. Also ich fänd’s halt feiner, wenn du dann gleich eine Datei mitkriegst und da steht drinnen: He du, das nennen wir übrigens so und das so. Und das war halt selten.
I: Kostet dich das auch Zeit dann oder wie ist das?
BA1: Ja, du musst es dann halt noch einmal alles durchackern. Wenn’s halt ein langer Auftrag is, is halt mühsam. Aber (…). Also ich hab’s ein paar Mal erlebt, dass sie’s schon mitgeschickt haben, dass sie mir eine Tabelle mitgegeben haben und gesagt haben: He du, da sind die Wörter drinnen. Bitte die verwenden. Also genau die verwenden. Aber das war halt (..) ganz selten. Also (…) nicht wirklich oft.
I: Und hast du das Gefühl, dass dir das Studium was gebracht hat, dass es dich vorbereitet hat auf die Bedingungen?
BA1: Also ich glaub schon. Also ersten weißt du, wie du vorgehen musst, wenn du einen Auftrag kriegst. Und ich glaub, es stärkt ein bisschen das Selbstbewusstsein weil du traust dich dann auch einen Preis verlangen für das. Also das schon. Das hab ich schon auch gemerkt.
I: Du hast vorher gesagt, dass du teilweise den Preis vorgeschlagen hast. Also hast du quasi deine Bedingungen durchbringen können?
BA1: Nein, ich hab sie eigentlich immer durchgesetzt. Also es war meistens so, dass so – ja gut, bei den internationalen ist es so, dass du halt doch eher die Preisvorgabe kriegst – aber jetzt so in einem anderen Netzwerk, wie zum Beispiel mit dem Programmierer, für den ich dann auch immer wieder Aufträge gemacht hab, da hab ich dann den Preis vorgegeben. (…) Aber du kannst viel verhandeln. Vor allem wenn sie den Auftrag unbedingt brauchen, kannst du sagen, ja du machst es nur zu den Bedingungen und du möchtest eine Anzahlung oder so. Das geht auch.
I: Also hast du nicht das Gefühl, da ist eine große Konkurrenz oder so? Also wenn du zu teuer bist, dann gehen sie zu jemand anderen?
BA1: Es geht. Ich glaub, die Übersetzungsbüros haben nicht immer die Freiheit. Weil es ist, wie gesagt, oft mal ein ziemlich ein dringender Auftrag (…) Also manchmal war’s so, dass (..) ja, dass am nächsten Tag der Auftrag fertig sein hat müssen und dann haben sie nicht wirklich viel Auswahl.
I: Okay, verstehe. Das ist interessant. Also war die Bezahlung für dich angemessen?
BA1: Mhm.
I: Und was hast du da so verlangt?
BA1: Ich hab zum Beispiel, wenn ich nach Stunden verrechnet hab, hab ich oft so zwischen 20 und 25 Euro pro Stunde – und das war halt für Leute, die jetzt vielleicht ein bisschen besser gekannt hab. Und dann war’s aber so – zum Beispiel das indische Unternehmen, das hat mir ganz wenig gezahlt. Die haben halt dann, ich glaub, 0,05 pro Wort. Und da hab ich dann, am Anfang hab ich öfter mit ihnen zusammengearbeitet und später gar nicht mehr weil ich gesagt hab’, das ist mir zu wenig. Also es variiert schon stark. Aber lustigerweise stimmt das scheinbar mit den Zeilen im internationalen Gehabe gar nicht mehr. Es ist eher pro Wort, also ein paar Cent pro Wort – also 0,03 bis 0,08 Cent pro Wort.
I: Pro Wort?
BA1: Mhm. Also pro Wörter im Zieltext. Das schon.
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I: Und du hast gesagt, mit Amerika hast auch zusammengearbeitet?
BA1: Ja.
I: Und waren da Unterschiede zu Europa zu erkennen?
BA1: Sie haben um einiges mehr bezahlt. Also das schon. Scheinbar war ihnen das irgendwo wichtiger. Und vom Themenbereich her waren sie – ich glaub, das war jetzt zufällig in meinem Fall so, dass es eher wissenschaftliche Texte waren und (…) in Russland zum Beispiel waren’s viel Computer-Texte, keine Ahnung, irgendwelche IT-Texte und so. Aber das war glaub ich eher halt wegen dem Übersetzungsbüro und nicht aufgrund lokaler Unterschiede oder so.
I: Okay. Und (…) was hat dich am meisten motiviert, gut zu arbeiten, schnell zu arbeiten? Generell, was hat dein Engagement gesteigert?
BA1: Also meistens waren’s die Texte, weil die waren manchmal ganz lustig. Und es war auch ganz interessant, wenn du mal recherchieren musst und wirklich in Bereichen recherchieren musst, die du eigentlich gar nicht kennst. Oft war’s auch das Geld (lacht). Das muss ich offen und ehrlich sagen. Wenn du weißt, he, du kannst jetzt über’s Wochenende 800 Euro verdienen und (…) dann tust halt (…) schnell. Sagen wir mal so. Und das war halt dann (..) eigentlich wahrscheinlich mein Hauptmotivator als Student.
I: Und was hat dich demotiviert?
BA1: Mich hat’s manchmal genervt – eben vor allem zum Beispiel bei dem indischen, dass die Bezahlung so dermaßen schlecht war, dass ich dann von mir aus gesagt hab’, ich lass’ es.
I: Ja. Wie fühlst du dich dabei, wenn (…).
BA1: Ja, es ist schon unangenehm. Vor allem wenn du weißt, he, du hast studiert und eigentlich kannst du das gut, was du machst und dann (..) ja (…) kriegst nichts für das.
I: Und was hast du dir von dem Beruf erwartet? Und wurde das irgendwie erfüllt oder ist es ganz anders gekommen?
BA1: Eigentlich schon. Weil ich hab mir irgendwie erwartet, dass ich Erfahrungen sammeln kann einige und halt wirklich in das Leben hineinschnuppern kann und das ist eigentlich genau so gewesen. Also meine Erwartungen sind da erfüllt worden. Du kriegst wirklich was mit davon, wie’s läuft und eben so Sachen wie mit der Bezahlung und so, das hab ich auch erst durch das erfahren, das mit dem Cent pro Wort. Du lernst es halt ein bisschen kennen und (…) wahrscheinlich hätte ich es dann länger machen müssen, damit ich dann auch wirklich herausfinde, ob man dann mit’m Preis auch weiter rauf gehen kann oder keine Ahnung. Aber ich war halt doch nur ein junger Übersetzer ganz am Anfang.
I: Ja. (..) Und was waren die größten Schwierigkeiten? Du hast gesagt es wurde teilweise wenig bezahlt (...) Hat es sonst noch irgendetwas gegeben, wo du dir gedacht hast, damit kann ich gar nicht?
BA1: Ja manchmal hab ich einen Text angenommen, also einen Auftrag angenommen, und bin dann mittendrin draufgekommen, dass ich nicht wirklich kapier‘, um was es geht (lacht) und hab’s dann halt trotzdem irgendwie fertig gemacht mit, keine Ahnung, massenweise Recherche. Manchmal hat mir mein Freund geholfen (lacht), weil der sich da halt zufällig auskennt mit IT-Sachen und so. (…) Das war halt manchmal ein bisschen schräg. Weil da denkst du zuerst, nein das geht schon, das kapier ich schon, und dann (…) ja (lacht) dann halt doch nicht. Da steckst mittendrinnen und checkst gar nichts. Das is‘ manchmal blöd.
I: Das denk ich mir. Vor allem unter dem Zeitdruck, oder?
BA1: Ja, ich mein, du solltest es eigentlich fertig machen weil der sich halt doch auch auf dich verlässt und ich kann das dann nicht, dass ich um drei in der Früh zu ihm sag: Du, na. Such dir bitte wen anderen. Ich kann doch nicht, blöd gelaufen. (…) Ja. Aber das passiert, glaub ich.
I: Das heißt, man will ja auch immer professionell dastehen, oder? Und sein Gesicht nicht verlieren.
BA1: Genau. Das schon auch.
I: Ja. (…) Hast du das Gefühl, dass man sich in dem Beruf entfalten kann?
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BA1: Ich glaub, dass die Kreativität schon stark eingeschränkt ist. (Ja?) Ja. Ich glaub schon. Weil du kriegst ja den Ausgangstext und du kannst zwar sicher mit kulturspezifischen Ausdrücken ein bisschen spielen aber (..) das ist glaub ich sehr eingeschränkt.
I: Mhm. Und würdest du das hauptberuflich machen? Was wären da deine größten Sorgen oder Ängste?
BA1: Also, ich glaub‘, mittlerweile würd‘ ich’s nicht mehr hauptberuflich machen (…). Am Anfang hab‘ ich mir schon immer dacht, also sicher, das mach‘ ich, das ist perfekt. Aber (…) es ist ein totaler Stress und im Normalfall in einem großen Unternehmen kriegst du halt 10 Texte pro Tag und die musst du alle übersetzen und die musst du total schnell übersetzen und wenn der das am Nachmittag braucht, dann muss das am Nachmittag fertig sein. Und das ist eine pure Stresserei und hat nichts mehr mit Sprachspiel oder sonst irgendwas zu tun. Das ist einfach nur mehr Massenproduktion. Und du musst dir ziemlich viel gefallen lassen. Also…
I: Was meinst du mit gefallen lassen?
BA1: Du musst dir wirklich viel gefallen lassen. (Was zum Beispiel?) Bei uns is‘ es auch so weil wir jetzt eben auch die Übersetzungen koordinieren. Wir schicken – und wir sind nur eine Abteilung von vielen – keine Ahnung, sicher fünf Textfiles und dann heißt’s halt, ja also das brauchen wir bis (…) Freitag spätestens und wenn da halt noch nichts fertig is‘ dann wird angerufen und Terror gemacht. Und (..) ja.
I: Terror gemacht? Inwiefern?
BA1: Mhm. Bis das Dokument dann da ist wird ständig im 5-Minuten-Takt angerufen. Und ich glaub’, das ist für den Übersetzer auch nicht so nett. Aber es nutzt nichts, weil wir brauchen das dann halt auch. Und die haben schon viel zu tun. Also die arbeiten sehr viel.
I: Mhm. Und kriegen die gut bezahlt? Weißt du das?
BA1: Das weiß ich gar nicht. Keine Ahnung.
I: Das wär interessant, wie die sich fühlen.
BA1: Das weiß ich leider gar nicht. Also (…) ich trau’ mich sie jetzt auch nicht fragen.
I: Ja klar. Ist ja auch eine indiskrete Frage normal.
BA1: Ja, mhm.
I: (…) Aber (..) Ich mein’, du hast dich dagegen entschieden, das hauptberuflich zu machen. (Mhm.) Aber du wirkst jetzt nicht sehr unzufrieden?
BA1: Nein, das nicht, das nicht. Also es ist wirklich eine kostbare Erfahrung. Das auf jeden Fall. Also, ich würde es auch sicher wieder tun, wenn ich jetzt Student wär‘ und jetzt wirklich sag‘, okay ich brauch‘ was nebenbei oder ich brauch’ irgendeinen Nebenberuf. Ich hab‘ auch vor, dass ich’s später vielleicht einmal mach‘, wenn ich Kinder hab‘ oder so und ich in Karenz bin, dass ich da was dazu verdien‘. Also das auf jeden Fall. Ich würde es nur nicht hauptberuflich machen. Also nebenberuflich sicher, auf jeden Fall.
I: Okay. Und um nochmal auf den Kontakt mit dem Büro zurückzukommen oder mit den Leuten im Büro. Hast du da immer mit denselben Leuten Kontakt gehabt?
BA1: Ja. Also meistens mit denselben. Hin und wieder waren’s zwei. Aber es waren nie mehr als zwei Personen. Also es war wirklich immer dieselbe – also ja – immer die gleichen zwei oder einer.
I: Wie ist die Beziehung zu denen?
BA1: Es entsteht dann später schon eher eine engere Beziehung. Also am Anfang bist du halt quasi ja der, der das übersetzt und später sprechen’s dich dann auch wirklich so an und fragen dann so quasi: He, wie geht’s dir? Du ich hätt da jetzt einen Text. Hast du Zeit? Und bla bla. Also es wird dann schon enger.
I: Okay, das ist auch interessant. Also es hat nichts gegeben, was deine Arbeitsmoral wirklich ins tiefste Tief gestürzt hätte?
BA1: Nein, gar nichts.
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I: Okay. (…) Und wie, jetzt generell gesehen, wie wird der Beruf von deinen Mitmenschen beurteilt?
BA1: Ich glaub’ eher schlecht. Ich glaub’, dass viele gar nicht wissen, was ein Übersetzer macht oder dass er studieren muss (lacht). Und (…) dass man da auch mehr verlangen kann also mehr Bezahlung verlangen kann, das wissen viele nicht. Also die meisten denken halt, ja du hast a Fremdsprache gelernt, passt, du kannst das eigentlich übersetzen. (..) Ja. Also ich glaub eher weniger gut (..) denk’ ich. Ich hab jetzt nie direkt gefragt, aber (..) ich glaub’ nicht so toll.
I: Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen. Und was waren deine positiven Gefühle, wenn du einen Arbeitsauftrag fertiggestellt hast?
BA1: Ja. Meistens war’s so, dass ja doch relativ viel war. Und dann hab ich mir schon gedacht, ma cool, super, jetzt hast du das eigentlich in total kurzer Zeit gemacht und (..) es scheint auch zu passen weil sich keiner drüber aufregt (..). Also glaub’ ich, kannst zufrieden sein. Das ist dann schon nett. Wenn du wirklich was abgeschlossen hast.
I: Mhm. Das denk ich mir. Also ist man dann auch so als Übersetzer – erfährt man da sowas wie Befriedigung (Schon ja.), dass man quasi sein Bestes getan hat?
BA1: Das schon. Ja. Das auf jeden Fall. Also das (..) merkt man schon. Man kriegt auch dann meistens positive Rückmeldungen. Also so eigentlich ein „Danke, dass du’s gemacht hast“ und „Passt gut, perfekt“.
I: Und wenn du unter Zeitdruck arbeiten musst, dann leidet ja oft auch wahrscheinlich die Qualität, stell’ ich mir vor, als wenn man lange Zeit hat und überlegen kann? Wie geht’s dir dabei?
BA1: Das musst du irgendwo ausschalten. Weil du kannst einfach nicht alles schaffen und du musst halt denken, okay das ist jetzt nicht (..) ein Uni-Arbeitsauftrag für den du halt übertrieben lange Zeit hast. Das is ja eigentlich lange für das, für die – weil meistens sind’s ja mindestens eine Woche und dann besprichst du’s noch einmal. Also wahrscheinlich insgesamt drei Wochen Zeit für eine DIN-A4 Seite (lacht) und das muss dir dann halt wurscht sein irgendwo. Und du musst dir dann denken, okay, da gibt’s jetzt ein Zeitlimit und es is so und dir kann nicht alles einfallen gleich am Anfang.
I: Also du wirkst, als hättest du da genügend Abstand dazu auch irgendwo, oder?
BA1: Ja, das schon. Also du musst da halt einfach nüchtern das Ganze betrachten und dir denken, okay du musst es jetzt da und da fertig haben und musst halt jetzt ein bisschen weiter tun. Und sicher bemühst du dich, dass das dann passt. Du willst es ja auch bestmöglich fertigstellen. Aber es ist einfach so, dass in einer kurzen Zeit nicht das Gleiche rauskommt wie in einer längeren Zeit.
I: Und kannst du dir vorstellen, dass Menschen, die das jetzt wirklich als Hauptberuf machen, dass die anders sehen? Also die jetzt, sagen wir, das schon seit 40 Jahren machen und das ist ihre Erfüllung, also das ist ihr täglich Brot, das was sie täglich machen?
BA1: Ich glaub’, es kommt drauf an, welche Texte du übersetzt. Wennst jetzt literarischer Übers- etzer bist, der halt ein Buch nimmt und da halt auch länger daran arbeitet, hast du, glaub’ ich, eine andere Bindung zu dem Ganzen als ein Übersetzer, der am Tag ein paar Texte rein kriegt – alle unterschiedlich, keine Ahnung (..) Business-Texte, Marketing-Texte, usw. (..) Das ist dann eher die Massenproduktion. Aber jemand, der halt wirklich die Zeit hat und da ein bisschen drüber nachdenken kann, der denkt dann sicher anders drüber. Also das glaub‘ ich schon.
I: Also jetzt noch zusammenfassend, was war dem Auftraggeber wichtig und was war dir wichtig? Hat es da große Differenzen gegeben?
BA1: (…) Eigentlich nicht. Also ihm war vor natürlich auch allem wichtig, dass es schnell geht, also dass die Deadline eingehalten wird. (…) Er hat aber schon auch immer g‘schaut, dass es auf Textebene passt. Also dass die Ausdrücke schon auch halbwegs passen, dass die Qualität stimmt (..) das schon. Ich mein, soweit’s halt geht in der Zeit. Aber ich glaub die Interessen waren schon ungefähr die gleichen.
I: Das heißt, die konnten dann ja auch beide Sprachen, oder? Weil wie sollen sie das sonst kontrollieren, was du machst?
BA1: Die haben glaub ich – also sie selber glaub ich nicht – aber sie haben im Unternehmen immer wieder wen gehabt, der der Sprache mächtig ist und so haben sie’s glaub ich kontrollieren können.
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I: Das heißt, sie haben schon die Qualität auch überprüft?
BA1: Mhm. Da war schon Qualitätsmanagement auch dabei. Also da bin ich mir sicher. Ich hab schon das Gefühl gehabt, da ist noch wer vor Ort, der da schaut, ob das jetzt passt. Also zumindest der ungefähr die Sprache versteht, der da schauen kann, ob ich nicht irgendeinen Blödsinn übersetzt hab. Ich könnt‘ ihnen ja irgendwas verkaufen (lacht). Also das glaub’ ich schon.
I: Und wenn du übersetzt, denkst du da auch wirklich an den Leser der Übersetzung?
BA1: Eigentlich schon. Also ich probier’s schon, ja. Also ich möchte ja doch eine gute Übersetzung zusammenbringen weil sonst is es ja schade, wennst dich jetzt hinsetzt und einfach Wort für Wort runter übersetzt. Du möchtest schon (..) eine qualitativ hochwertige Übersetzung anfertigen. Aber wie gesagt, da spielt halt leider immer die Zeit eine wesentliche Rolle. Das ist halt der Nachteil dann oft.
I: Und hast du einmal so einen richtig schlechten Ausgangstext bekommen?
BA1: Ja, ich hab einmal einen Ausgangstext kriegt – wart’ amal wie war das – (...) also vom Englischen ins Deutsche und sie haben mir quasi eine Google-Übersetzung vom Italienischen ins Englische gegeben und haben mir das dann geschickt, haben gesagt: He bitte ins Deutsche übersetzen. Und dann hat es aber geheißen: Ah übrigens, in der englischen (..) also im englischen „Ausgangstext“ (Gestik für unter Anführungszeichen), der ja eigentlich gar kein Ausgangstext war, sind ein paar fehlende Stellen drinnen (lacht) und sie schicken mir jetzt das italienische Exemplar mit und ich soll bitte probieren und aus dem Italienischen ins Deutsche weiter übersetzen. Also irgendwie (lacht). Komplett zusammengestoppelt.
I: Und was hast du dann gemacht?
BA1: Ja ich hab aus der Schule noch ein bisschen Italienisch können, also ganz ein bisschen und hab mir das halt irgendwie zusammengereimt, wo jetzt was fehlt und was das jetzt bedeutet und ja. Es war halt voll mühsam. Also ich war dann ein bisschen überrascht weil ich hab den Text eigentlich schon fertig gehabt und dann hat’s geheißen: So, ich schick dir jetzt noch das italienische Dokument mit, weil es fehlt da ein bisschen was, suchst du’s dir halt. Und das war halt ein bisschen viel.
I: Da wird schon viel verlangt von einem, ge?
BA1: Mhm. Das ist dann schon komisch, aber – ja.
I: Also du hast dann beschlossen, das kann ich nicht hauptberuflich machen?
BA1: Nein. Also das wär’ mir zu stressig und – ich weiß nicht, die Massenproduktion, das (..) das passt mir dann einfach nicht. Und du kannst wirklich nicht so kreativ sein, dass ich sag: Okay, aber kann ich mich ja trotzdem austoben auch wenn’s viel zu tun is. Aber das is leider nicht gegeben.
I: Das heißt, dir ist es auch wichtig, dass du kreativ sein kannst?
BA1: Ja schon.
I: Ich glaub’, das geht vielen Übersetzern so. Klar. Aber es ist interessant, dass du sagst, es wurde wenigstens honoriert, was du machst, weil viele sind ja deswegen auch unzufrieden weil sie das Gefühl haben, da kommt nichts zurück, man wird einfach als Maschine gesehen, die das halt runtermacht und fertig.
BA1: Das schon. Also da is‘ mir schon vorgekommen, man kriegt schon wirklich was für seine Arbeit. Also das is‘ schon gegeben.
I: Also blickst du da positiver in die Zukunft?
BA1: Ja. Also es war halt die eine Ausnahme bei diesem indischen Übersetzungsbüro, dass das wirklich schwierig war mit’m Geld. Da hat man halt nicht – da halt halt nicht wirklich was rausg’schaut, sagen wir mal so. Aber sonst (..) Ich glaub’, man könnte auch noch mehr verhandeln. Das hab’ ich mich halt damals nicht wirklich getraut, sagen wir mal so. Es wär sicher möglich. Und ich glaub’ (..) je älter man wird und je mehr Erfahrung man hat, desto besser geht’s dann auch. Also da kann man dann schon noch einiges rausholen. Würd ich jetzt einmal sagen.
I: Wie hast du jetzt am Ende pro Zeile – oder wie hast du das jetzt verrechnet? Weil du hast gesagt mit Internet ist es schwierig.
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BA1: Ja genau. Also mit den internationalen Büros hab’ ich eben pro Wort das dann ausgemacht, weil das scheinbar wirklich so gang und gebe ist. (...) Ich hab eigentlich nie irgendwo was gesehen, dass wer was nach Zeilen verrechnet hätt’. Also eigentlich wirklich immer pro Wort und dann eben einen Cent-Betrag. Und eben mit dem (..) Wo ich mit dem Programmierer zusammengearbeitet habe, da hab’ ich dann eigentlich pro Stunde verrechnet. Das war dann so Website-Gestaltung und da hab’ ich mir halt wirklich mehr dazu überlegen müssen weil da hab ich die Ausgangstexte ja eigentlich auch geschrieben. Das war dann wieder ein bisschen anders. Aber da war die Situation einfach eine andere.
I: Hast du irgendwen kennengelernt in diesem ganzen Umfeld, dem es anders geht als dir?
BA1: Eigentlich, nein, eigentlich nicht. Also eigentlich wirklich, nein. Es is eigentlich vielen, die ich so kennengelernt hab, die eigentlich auf gleiche Weise übersetzen und so halt Geld verdienen, sagen eigentlich das gleiche. Es arbeiten auch viele über dieses Translator’s Café, das machen einige, das ist, glaub’ ich, ein heißer Tipp. Und haben eigentlich alle die gleichen Erfahrungen gehabt.
I: Und was schätzt du so an dem Beruf? Was ist das Beste an dem Beruf der Übersetzer?
BA1: Ich glaub’, das Nette ist der Kulturtransfer irgendwo. Dass du halt ein bisschen in eine andere Welt schnuppern kannst. Also du liest einen Text, der in einer anderen Kultur verfasst worden ist und man merkt sofort, dass der in einer anderen Kultur verfasst worden is, also das spürt man, find’ ich. Und das ist vielleicht auch das Aufregende daran, weil du das ja wieder dann in eine andere Kultur bringen musst. Das schätz’ ich daran. Also nicht unbedingt die Sprache selber, sondern eher das Drumherum.
I: Und von den Arbeitsbedingungen? Was würdest du sagen, was da das Beste dran ist?
BA1: Ja dass du auf einer internationalen Bühne arbeitest. Also das ist schon lässig. Du weißt, du sitzt jetzt nicht irgendwo in einem Dorf in Österreich im Büro und arbeitest mit deinen Dorfkollegen, sondern du arbeitest halt irgendwie mit – ja, irgendwem aus Russland oder mit einem Amerikaner und so weiter und so fort und das aber alles zur gleichen Zeit. Das ist schon cool. (Ja, das denk ich mir.) Ja. Das war eigentlich das Beste daran.
I: Ja. Und wie findest du es, daheim alleine zu übersetzen?.
BA1: Das ist auch lästig, das stimmt. Mir is’ zum Schluss auch so gegangen, dass ich gesagt hab, ich muss mir jetzt glaub’ ich irgendwo ein Büro mieten, wo andere Leute sitzen weil sonst dreh ich durch. Ich setz’ mich jetzt einfach in irgendeine Firma rein, auch wenn ich da nichts zu suchen hab’. Aber (..) du bist schon einsam. Du sitzt daheim, du stehst halt irgendwann auf, weil’s eigentlich wurscht is’, wann du aufstehst. Dann sitzt den ganzen Tag im Pyjama vorm PC (heitere Stimme) und das ist dann dein Arbeitstag. Du redest eigentlich den ganzen Tag mit niemandem, außer wenn irgendwer zufällig anruft – Mama, Oma, Freund. Das is irgendwie auch – das war’s. Das stimmt, ja. Du tust ein bisschen vereinsamen.
I: Also wenn man das ewig macht, stell ich mir das schwierig vor.
BA1: Man sagt ja immer, dass Übersetzer skurrile Persönlichkeiten sind. Und ich glaub’, das kommt nicht von irgendwo her.
I: Man braucht sicher einen Ausgleich.
BA1: Ich glaub’ auch. Ich glaub’, perfekt ist es, wenn du (..) nebenberuflich übersetzt und vielleicht irgendeinen Teilzeitjob hast. Dann kannst du beides machen. Wenn du sagst: Okay, du arbeitest jetzt von 7 bis (..) 13 Uhr in irgendeinem Unternehmen im Büro oder keine Ahnung, was einem halt gefällt. Und dann kannst noch Aufträge annehmen.
I: Und das geht sich aus, glaubst du, zeitlich?
BA1: Ich glaub’ schon. Ich glaub’, du musst es dir dann halt einteilen mit deinen Aufträgen. Also du musst halt dann sagen, okay, du nimmst kleinere Sachen oder längere Deadlines oder so.
I: Ja und wenn man jetzt, sagen wir, öfter etwas ablehnt, glaubst nicht, dass man dann nicht vielleicht weniger Aufträge bekommt?
BA1: Mhm. Glaub’ ich schon. Ich hab’ viel angenommen. Eben aus Panik, dass ich dann nichts mehr krieg’.
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I: Ah schon, okay. Ja, das ist interessant. Es ist auch schwierig, sich da einen Namen zu machen, glaub ich. Da muss man schon viel arbeiten.
BA1: Ich glaub’ auch. Ja.
BA2 – AVA I: Okay, also du hast schon übersetzt für Büros?
BA2: Mhm, genau.
I: Und zwar in den Sprachen, du hast gesagt, Bulgarisch und Englisch?
BA2: Genau, also vom Deutschen ins Bulgarische und auch vom Englischen ins Deutsche.
I: Also beide Kombinationen, hin und zurück?
BA2: Nein, zurück nicht. Also ich hab nichts vom Bulgarischen ins Deutsche gemacht und beim anderen war’s auch nur vom Englischen ins Deutsche und nicht umgekehrt.
I: Und wie is das so abgelaufen? Also wie hast du die Aufträge gekriegt?
BA2: Also jetzt speziell beim Bulgarischen Teil, war’s eigentlich über eine Bekannte weil sie für das Übersetzungsbüro schon einmal gearbeitet hat. Das war ursprünglich eine Sprachschule, wo sie in mehreren Sprachen unterrichtet hat und das hat sie dann umgebaut zu einem Übersetzungsbüro weil so viele Übersetzungsstudierende wie wir angestellt waren. Und da war eine Bekannte von mir, die dann gehört hat, dass jemand wen fürs Bulgarische sucht und so bin ich reingerutscht.
I: Und wenn du so einen Auftrag kriegst, was für Bedingungen stellst du da? Beziehungsweise kannst du Bedingungen stellen?
BA2: Nein, bei dem hatt’ ich jetzt nicht das Gefühl, das ich etwas wirklich sagen könnt, weil weißt eh als Studentin, wenn man eh schon was kriegt, is man dankbar. Und da hatt’ ich jetzt wirklich nicht das Gefühl, dass ich da großartig irgendwas machen kann, vor allem wenn’s übersetzen war, dann war’s echt in vielen Sprachen, das sind dann so sechs, sieben, acht Sprachen, und da war halt Bulgarisch mitunter dabei und da konnte ich jetzt nicht rausstechen und sagen na ja, aber ich möchte jetzt das und das haben.
I: Okay, also das hättest du dich nicht getraut oder was? Da zu sagen –
BA2: Nein.
I: Also wie viel haben die leicht bezahlt? War das deiner Meinung nach angemessen?
BA2: Nein, das war zu wenig. Also sie hat’s auch nicht so bezahlt, wie man’s da gelehrt bekommt – Normzeile –, sondern einen Fixpreis für den Gesamtauftrag. Und da war dann auch nicht sehr viel Spielraum.
I: Spielraum inwiefern?
BA2: Dass man sagt, ja, aber eigentlich is das zu wenig und theoretisch sollt’s besser bezahlt sein (lacht).
I: Okay, das heißt, die geben dir den Auftrag und sagen, entweder Sie machen das zu dem Preis oder wir suchen uns wen anderen oder wie?
BA2: Sie hat es nie so explizit ausgesprochen, aber – Es war auch weil sie von Vornherein gesagt hat, ja, alle bekommen den und den Gehalt für den gleichen Auftrag. Is so. Punkt (lacht).
I: Ja, wie fühlt man sich da?
BA2: Ja eh ein bisschen so zwiespältig. Weil wie gesagt, einerseits is man froh, dass man was hat, weil’s eh schon schwierig is, da langsam hinein zu finden. Aber andererseits denkt man sich, vor allem als Studierende glaub ich braucht man viel länger für die Aufträge, weil man’s extrem genau macht und es muss wirklich jedes Tüpfelchen auf’m –i passen und da denkt man sich schon, okay für so viel Zeitaufwand im Verhältnis so wenig Geld is eher (..) ja, nicht ärgerlich (..) aber ich täte schon ein bisschen mehr Geld wollen.
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I: Ja, das kann ich natürlich verstehen. (..) Das zeigt ja auch irgendwie eine Geringschätzung, oder? Denk ich mir.
BA2: Absolut. Ich hab da schon oft das Gefühl und vor allem sie hat auch (..) also ich will ihr jetzt nichts unterstellen, aber ich glaub schon, dass sie bewusst eher Studierende genommen hat weil sie irgendwann auch im Gespräch einfließen hat lassen, ja, für Studenten is es angemessen das Gehalt weil’s natürlich schon unterschieden wird, ob du jetzt als Studierende übersetzt oder als Ausgebildeter und schon fertig Studierter.
I: Auch wenn du ein halbes Jahr vorm Fertigwerden bist?
BA2: Ja, damals waren’s eineinhalb Jahre deswegen war schon eher, ja bist halt noch jung. Da spielt ja noch -
I: Das heißt, sie wollte das wissen, wie lang du noch studierst, oder wie? Weil wie kann sie das beurteilen?
BA2: Ja, na ja es war auch eh schon auf freundschaftlicher Basis aufgebaut, das heißt, man hat sich schon getroffen, vor allem wenn dann eben 6, 7 Leute waren dann haben wir halt zuerst geredet eine Stunde lang, wer was, wo macht, ob’s einem gefällt. Halt eher auf freundschaftlicher Basis und dann war so ein kleiner Schritt und dann ging’s dann ums Berufliche.
I: Glaubst, das machen sie absichtlich?
BA2: Das weiß ich nicht. Ich kann’s gar nicht so genau sagen. Es hat sich nicht so angefühlt in dem Moment, weil’s wirklich sehr nett war einfach mit der Gesprächsatmosphäre. Aber wenn man dann eben die Gesprächsinhalte sich dann rauspickt und sagt, naja aber nebenbei man kriegt ja nicht mal Geld, da hat man so im Nachhinein schon ein bisschen das Gefühl, vielleicht is nicht nur Nettigkeit dahinter.
I: Klar. Und wie sehen jetzt für dich ideale Arbeitsbedingungen aus?
BA2: Wenn ich jetzt irgendwo fix angestellt wär’?
I: Nein, oder einfach so in der Arbeit mit Übersetzungsbüros oder wenn du wo angestellt wärst?
BA2: Also grundsätzlich, dass ich auf jeden Fall immer mit dem – also nicht mit dem Auftraggeber, sondern mit dem, für den die Übersetzung bestimmt ist, direkt kommunizieren kann. Und dass man auch (..) ich weiß nicht, offen ist mit der Gehaltsverhandlung, weil man, ich weiß nicht, man kann schon durchaus argumentieren mit dieser Normzeile oder vor allem wenn’s ausgefallenere Sprachen sind, dass es, weiß nicht, auch aufwändiger zu recherchieren ist. Oder dass man auch immer Personen hat, die man ansprechen kann, wenn Probleme oder Fragen sind.
I: Klar ja. Und, is es möglich, den Auftraggeber direkt zu kontaktieren? Also würde das Übersetzungsbüro da helfen einen Kontakt herstellen oder so, damit die Übersetzer noch schneller sind?
BA2: Nein, da wo ich war, war’s nicht so. Weil auch öfters gefragt hab, ob ich ihn persönlich ansprechen kann, weil’s also speziell im Bulgarischen schon sehr viele Unterschiede gibt zwischen Bulgarisch und Deutsch und auch mit den anderen Sprachen. Und da wollt ich dann schon immer rückfragen, ob das passt, wenn ich’s extrem verändere oder große Teile auslasse oder hinzufüge weil’s einfach nicht verständlich is ohne Hilfe. Und da hat sie mir gesagt, nein das möchte sie nicht, also ich soll ihr die Fragen stellen und sie gibt sie dann weiter.
I: Also sie wollte unbedingt vermitteln?
BA2: Genau. Also ein direkter Kontakt war überhaupt nicht möglich.
I: Warum glaubst du, is es ihr so wichtig, dass es über sie läuft?
BA2: Ich weiß jetzt nicht, ob’s der Grund is, aber sie hat mal erwähnt, dass wenn jetzt jeder so viele Fragen hat, dass dann der Auftraggeber überfordert wär mit so vielen Anfragen und dass sie’s dann einfach nur gestaffelt weitergeben möchte.
I: Okay, is aber auch verständlich.
BA2: Allerdings man kann’s ja auch trotzdem gestaffelt an ihn weiterleiten, sie muss ja jetzt da nicht anfangen aussieben oder selektieren, was jetzt gefragt wird und was nicht. Ich hatte auch nicht immer zu 100 Prozent das Gefühl, das die Antworten auf meine Fragen vom Auftraggeber
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kommen, sondern eher von ihr. Deswegen (..) ich weiß nicht, wieso sie das irgendwie geblockt hat aber –
I: Okay, das heißt, wie war der Informationsfluss? Hast du alles erhalten, was du brauchst zum Übersetzen?
BA2: Zum übersetzen schon, also die Unterlagen schon. Allerdings eben jetzt speziell auf meine konkreten Fragen hin, kam schon öfters die Antwort, ja also ich so quasi als Experte unter Anführungszeichen kenn mich da besser aus und wenn ich der Meinung bin, dass man das erklären versuchen müsste, um zu verstehen, soll ich’s machen und das passt schon.
I: Also das haben die dir so gesagt?
BA2: Sie, sie ja. Deswegen hatt’ ich eben auch oft das Gefühl, dass meine Frage gar nicht an die Auftragsperson ging, sondern dass sie von ihr beantwortet wurde.
I: Und hat dir das gereicht?
BA2: Es war schon unangenehm, weil ich mir denk, wenn am Schluss dann der Auftraggeber mit meiner Übersetzung unzufrieden is, dann fällt’s auf mich zurück und nicht auf sie. Weil ich glaub auch nicht, dass sie dann gesagt hätt’, na ja ursprünglich hat sie eh gefragt, wie sie das machen soll.
I: Ja aber der Auftraggeber weiß ja gar nicht, wer das übersetzt hat, oder?
BA2: Wahrscheinlich nicht, nein (lacht).
I: Aber du fühlst dich trotzdem dafür verantwortlich.
BA2: Natürlich, is ja auch meine Arbeit. Und ich will auch – also speziell für mich – will ich ja damit zufrieden sein. Und wenn ich irgendwie das Gefühl hab, vielleicht passt das nicht, dann ist das für mich auch unangenehm.
I: Und ich mein, du übersetzt Bulgarisch, das is ja eine (..) sicher (..) also da gibt’s sicher nicht so viel Konkurrenz, stell’ ich mir vor, oder? Also die können nicht sagen, na ja dann nehmen wir halt einen anderen, der Bulgarisch übersetzt, weil da findet man sicher nicht so leicht wen, stell’ ich mir vor, oder?
BA2: Naja, sie hatte da vor mir eine andere. Das hab ich aber auch erst im Nachhinein erfahren, weil sie mir einmal eine bulgarische Übersetzung zu korrigieren gegeben hat und dann sind mir ein paar Fehler aufgefallen. Also ich hab jetzt nicht sofort gedacht, dass eine andere Bulgarin das übersetzt hätte, oder – ich dachte, das is jetzt vielleicht erst mal ein Text und den muss ich überarbeiten. Und dann hab ich gesagt, nein passt eh, es sind halt ein paar kleine (..) kleinere Fehler jetzt korrigiert. Und irgendwann im Laufe der Zusammenarbeit hat sie dann gesagt, ja eben, die ursprüngliche Übersetzerin für Bulgarisch mit der war sie dann nicht mehr zufrieden, weil sie eben schlampig war oder keine Ahnung oder sich nicht so damit auseinandergesetzt hat. Und deswegen war sie dann auf der Suche nach einer neuen.
I: Und hast du auch für andere Übersetzungsbüros gearbeitet oder jetzt nur für das eine speziell?
BA2: Nein nur für das eine speziell. Das andere das mit’m Englischen war kein Übersetzungsbüro.
I: Das war, wie hast du gesagt?
BA2: Das war von [Kinderfilmproduzent], ja. Da haben sie einfach von der Filiale (..) ich weiß nicht, vom Mutterschiff (lacht) aus England, die in Deutschland ansässigen [Kinderfilmproduzent]-Menschen angeschrieben, das war eben eine Zusammenarbeit, und also eben wenn Sachen zu übersetzen waren, wurden sie damit beauftragt, sich freiberufliche Übersetzer zu finden.
I: Okay. Und da hast du dich dann gemeldet oder wie? Oder haben sie dich angeschrieben?
BA2: Das war, sie haben mich angeschrieben, weil da eine Freundin von mir gearbeitet hat, also auch das war einfach nur Glück (lacht).
I: Ja und wie war’s dort? Wie waren die Arbeitsbedingungen da?
BA2: (...) Jetzt vielleicht – das kann ich gar nicht so genau sagen. Also irgendwie im Prinzip das Gleiche weil ich auch nie mit dem Auftraggeber Kontakt hatte. Und auch da hatte ich natürlich auch öfters Fragen. Aber dadurch dass die Freundin dafür zuständig war, die das übermittelt hat, hab ich die Fragen immer an sie weiter gestellt und sie hat sie mir dann beantwortet.
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I: Also dann hat sie das Büro kontaktiert, oder wie? Oder weißt du gar nicht, wo sie die Antworten her hatte?
BA2: Nein, das weiß ich nicht.
I: Okay verstehe. Und mit der Bezahlung? Wie hat das funktioniert?
BA2: (..) Da musste ich einen Vorschlag bringen, eine Honorarnote erstellen. Also je nachdem was man dann verlangt hat, haben sie dann (..) bewilligt oder nicht (lacht).
I: Aha, das heißt, sie entscheiden dann, ob zu viel oder zu wenig – also zu viel oder passt (lacht)?
BA2: Ja. Aber das war insofern besser, weil ich dann nämlich mit der Normzeile argumentieren konnte und auch sagen konnte, auch wenn jetzt da Bilder sind, textmäßig ändert sich jetzt nicht wirklich viel. Da konnt’ ich einfach meinen Preis angeben, das alles ausrechnen, wie viel das im Endeffekt ausmacht und dann schicken.
I: Und hast du das Gefühl, dass generell unter Übersetzern viel Konkurrenz is, dass da ein Druck is?
BA2: Speziell mit Englisch ja.
I: Und inwiefern spürt man diesen Konkurrenzkampf?
BA2: Dass man sicherlich nicht die gelehrten 1,20 für die Normzeile für Englisch verlangen kann. Es gibt soo viele (..) das Angebot, das Überangebot an Übersetzern, dass wenn man sich jetzt die Frechheit herausnimmt, 1 Euro 20 die Normzeile zu verlangen, dann heißt’s so gut, danke tschüss. Der Nächste bitte. Weil es gibt genug, die’s für 70 Cent machen.
I: Ja und wie glaubst schaut’s da mit der Qualität aus?
BA2: (..) Also ich hoff mal, dass es dann viel schlechter ist (lacht), weil wir dann besser da stehen. Aber ich bin mir um ehrlich zu sein gar nicht sicher, ob man das auch als Auftraggeber so wirklich mitkriegt, dass die Qualität schlechter is.
I: Aber was is einem Auftraggeber wichtig und was is dir wichtig als Übersetzerin?
BA2: Mir is wichtig, dass es richtig is. Keine Ahnung, dass ich genau abschätzen kann, dass das, was jetzt im Original steht jetzt unter Anführungszeichen nur Wort für Wort wiedergeben sein sollte oder ob man hinzufügen sollte, ob man etwas ändern müsste, damit’s verständlich wird, dass man’s einfach ans Zielpublikum anpasst. Und wenn’s jetzt da jemand macht, der nicht ausgebildet is und 70 Cent verlangt, is halt, glaub ich, nicht ganz so geschult drauf. Aber wie gesagt, ich bin mir da nicht sicher, dass es dem Auftraggeber sofort ins Aug’ stechen würd’.
I: Ja und was will der Auftraggeber? Was is dem wichtig?
BA2: Ich glaub’, dass es schnell und billig ist. Hab ich so das Gefühl gehabt (lacht).
I: Und du hast gesagt, wenn jetzt jemand keine Ausbildung hat und das vielleicht schlechter macht, glaubst du, dass die Ausbildung einen großen Unterschied macht?
BA2: Ja schon. Wobei aber nicht nur positiv. Also ich bin auch draufkommen, so in den letzten Jahren, dass es nicht nur (..) von Vorteil war, die Ausbildung zu genießen. Weil man schon das Gefühl bekommt, weil man sich so quasi so gut auskennt, dann traut man sich aber auch viel weniger zu und denkt, ah okay, aber nein, das is dann doch sehr schwierig und so ein ganz extremes Fachgebiet übernimm ich gar nicht weil die Kompetenz fehlt mir oder das Hintergrundwissen kann ich mir nicht aneignen und was weiß ich. Aber ein Laie, der nie die Ausbildung gemacht hat, der würd gar nicht so weit denken. Der sagt, ja passt Englisch Deutsch, super, kann ich, mach ich. Die haben von Grund auf mehr Selbstbewusstsein. Und die nehmen dann die Aufträge auch an. Und wir sagen halt, naa, doch nicht.
I: Ja. Und findest du, dass dich die Ausbildung darauf vorbereitet hat auf den Arbeitsmarkt, auf dieses Arbeiten mit Büros?
BA2: (...) Ich weiß nicht, da wär’ ich mir (..). Theoretisch schon. Also indem sie sagen, wie viel man verlangen sollte, dass man sich nicht unterm Wert verkaufen sollte, keine Ahnung. Aber wenn man dann mal wirklich draußen is, dann kommt man nicht so weit. So aber ich möchte so viel, weil so hat’s geheißen, also -
I: Ja, denk ich mir, dass das schwierig ist.
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BA2: Wie man mit den Übersetzungsbüros an sich arbeiten kann, soll, muss, hat man glaub ich, nicht gesagt bekommen im Studium. Is mir jetzt nicht konkret in Erinnerung.
I: Ja. Und dir is wichtig, hast du gesagt, dass du richtig übersetzt für den Leser im Endeffekt?
BA2: Ja.
I: Und is dir das immer möglich? Erfährst du da Befriedigung bei der Arbeit?
BA2: Überhaupt nicht (lacht). Ich hab jetzt weder bei den Sachen ins Bulgarische noch ins Deutsche (..) jemals erfahren, he das hast voll super gemacht und keine Ahnung, toll, weiter so (lacht)
I: Noch nie irgend so ein Feedback bekommen?
BA2: Nein. Also ich hab, Gott sei Dank, auch keine negative Antwort erhalten, aber gelobt, neein (lacht).
I: Ja und wie fühlst du dich dabei?
BA2: Weiß nicht, schon ein bisschen bedeutungslos (lacht). Aber was mir aufgefallen is, wenn ich’s für Freunde mach ohne Bezahlung – weil ich jetzt neulich einen Lebenslauf ins Englische (..) nicht musste, aber ich wurde gebeten, einen zu übersetzen – weil’s für einen Freund war, hat man’s halt nicht wirklich verrechnet, natürlich nicht, und der war dann schon: Ah, wie toll und das hört sich alles so super an.
I: (lacht) Also eine ganz andere Reaktion. Wie sehen dich Freunde oder Bekannte generell? Diesen Beruf, wie sehen sie diesen Beruf? Wie ist dein Status, was würdest du sagen?
BA2: Ernsthaft jetzt (lacht)? (..) Man kriegt schon die Frage öfters zu hören: Aha, also studiert übersetzen? Echt jetzt? Kann man das studieren? Muss man das studieren? Ja aber ich kenn viele, die das nur so nebenbei machen. Aha, okay.
I: Nur so nebenbei, ja. Und hast du das Gefühl, dass du dich in dem Beruf entfalten kannst?
BA2: (...) Also ich hoff mal schwer später. Momentan eher weniger. Aber wahrscheinlich hängt’s auch damit zusammen, was man zu übersetzen bekommt. Ich denk mal, wenn ich mal irgendwann eine literarische Übersetzung bekommen sollte, kann ich mich glaub ich schon entfalten. Weil man da auch viel mehr Spielraum hat, denk ich mir. Also man muss auch sehr einfallsreich sein, was man dann schreibt und man kann mit den Worten glaub ich viel mehr spielen als wenn man jetzt Computer-Fach-Sachen übersetzen muss.
I: Mhm. Also kann man da kreativ sein?
BA2: Naja, da war’s abhängig. Bei diesen ins Bulgarische war ich auf keinen Fall kreativ, was eben – einmal ging’s um Computer-Fachtexte, eigentlich um Computerbegriffe, da gab es nicht viel Spielraum mehr, und das andere mal um Ikea-Wohnmöbel, die man zusammen – also eine Anweisung. Und vom Englischen ins Deutsche zum Beispiel da dann war so eine Kindersendung und da konnte man schon sich ausleben, weil man auch viel verändern konnte, um es an die deutschen und österreichischen Kinder anzupassen. Da hat man dann ein bisschen mehr Spielraum.
I: Und was is dir noch wichtig, um dich entfalten zu können, um das zu deinem Beruf zu machen, der dich befriedigt irgendwie? Weil man macht’s ja nicht nur für’s Geld. Man will ja auch irgendwie –
BA2: Dass ich mir dann auch die Texte aussuchen kann, die ich übersetzen kann. Weil man sich dann wahrscheinlich dann nur die Texte aussucht, die einem liegen und mit denen man gerne seine Zeit verbringt. Aber das is am Anfang glaub ich nicht möglich. Da muss man nehmen, was man kriegt oder eben sehr viele absagen (lacht), was man auch tut.
I: Ja, und dann kann man nicht davon lebe,n ge?
BA2: Ja, so is es.
I: Und würdest du sagen, dass man generell davon leben kann?
BA2: (..) Ich noch nicht (lacht). Wie’s die anderen machen, weiß ich nicht.
I: Also was wären deine größten Ängste oder Sorgen, in diesem Beruf zu arbeiten?
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BA2: Dass ich mal keinen Beruf krieg, der in diese Richtung geht, also nur übersetzen. Dass man wirklich nur übersetzt und dass man davon auch leben kann, das findet man glaub ich nicht. Und es sind auch so viele Stellenangebote, in denen es heißt, neben übersetzen muss man auch das und das und das und das machen. Und übersetzen ist eigentlich nur ein kleiner Teil des Ganzen. Und dann so eben, dass man nicht genau das macht, was man gelehrt bekommen hat. Und dass man vielleicht (..) ich möchte um ehrlich zu sein nicht in einem Übersetzungsbüro tätig sein, wenn man acht Stunden am Tag jeden Tag drinnen sitzt und eben seine Texte nicht frei aussuchen kann. Das stell ich mir sehr unangenehm vor.
I: Ja. Und was frustriert und demotiviert dich am meisten? Was würdest du sagen?
BA2: Dass es überhaupt nicht wertgeschätzt wird, weil’s eben jeder macht und weil man auch zu hören bekommt, na ja jeder macht’s. Und dass man aber auch vom Arbeitgeber an sich nicht wirklich wahrgenommen wird und dass das gar nicht als eigenständiges Arbeitsprofil angesehen wird, weil eben immer gefragt is, ja übersetzen und viele Sachen dazu und dass dann schon irgendwie, ja (..) weiß nicht, ja frustrierend.
I: Ja und wer fragt das: Übersetzen und? Fragen die, was machst du noch?
BA2: Na die Arbeitgeber, die dann Stellenangebote erstellen.
I: Und wie gehst du damit um? Also du hast gesagt, du bist frustriert? Aber wie is generell – wie gehst du damit um, dass die Situation so is?
BA2: Das kann ich dir nicht so wirklich ganz beantworten, weil ich bin jetzt nicht drauf angewiesen, dass ich jetzt nur übersetz’ und dass ich nur dafür eine Arbeit suche. Deswegen hab ich im Prinzip das Gefühl ein bisschen, dass ich mich da noch ein bisschen verstecken kann und da noch andere Sachen machen kann. Aber ich glaub, wenn ich’s jetzt wirklich konkret nur als Übersetzerin versuchen müsste, (...) dann würd’s viel Streiterei geben in meinem Bekanntenkreis (lacht), wo man die Wut rauslassen kann.
I: Also du würdest, wie soll ich sagen, im Moment nimmst du’s einfach hin und nimmst es so als Taschengeld mehr oder weniger?
BA2: Genau.
I: Okay ja, versteh ich auch. Und was steigert dein Engagement so richtig? Hat’s das schon mal gegeben?
BA2: Ja das mit [Kinderfilmproduzent]. Das war wirklich sehr angenehm. (Weil?) Weil’s also erstens für Kinder war und erstmals die Geschichte sehr nett war und vor allem weil man wusste, von einem war’s eine Serie, die kommt dann ins Fernsehen, das heißt man wusste, oh deine Übersetzung wird dann auch wirklich mal (..) zu hören sein (lacht). Und beim anderen war’s ein – also jetzt nicht Computerspiel aber auf Computer ausgelegte Texte waren, wo dann auch viele Kinder damit spielen. Und das is dann irgendwie auch nett zu wissen, dass die Kinderchen – ja abgesehen davon, dass es Computer sind – aber dass die Kinderchen wirklich mit deinen Texten dann arbeiten und dass du ihnen hilfst zu verstehen, wie das Spiel geht und was sie machen müssen. Das is schon nett.
I: Das heißt, so hast du irgendwie einen Beitrag geleistet? Also das Gefühl stell ich mir gut vor.
BA2: Ja.
I: Ja, das ist gut. Ausbildung haben wir schon gesagt. (..) Nur eine Frage noch: Wie glaubst du wird sich das entwickeln in Zukunft? Wird das so bleiben, wird’s schlechter werden?
BA2: Ich glaube, also jetzt speziell für Englisch und für Sprachen, die von vielen gesprochen werden, wird’s noch schlechter werden, weil man eben sagt, dass eh jeder Englisch kann und die ganzen gängigen Sprachen. Das heißt, es wird nicht mehr reichen, dass man nur die paar Sprachen beherrscht und wenn, dann wird man sowieso nur ganz extrem schwierige Fachtexte bekommen, wovon’s jetzt wahrscheinlich auch nicht jeden Tag hunderte gibt. Das heißt, ich glaub, dass es insofern schlimmer werden wird, dass man viel mehr zusätzliche Qualifikationen brauchen wird.
I: Und man muss sich spezialisieren dann wahrscheinlich.
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BA2: Wahrscheinlich. Aber auch wenn man sich jetzt nur in eine Nische hineinbewegt, weiß nicht, dass es da tagtäglich jahrelang so viele Fachtexte gibt und so wenig andere Konkurrenten, dass man davon leben könnte, das kann ich mir nicht vorstellen. Speziell im Übersetzen.
I: Mhm. Ich mir auch nicht.
BA2: Außer man lernt jetzt ganz ausgefallene Sprachen. Dann geht’s bestimmt besser.
I: Also würdest du dich als zufrieden oder unzufrieden bezeichnen?
BA2: Unzufrieden (lacht). Ja deprimiert. Irgendwie denkt man sich, warum hat man das soo lange Zeit studiert und im Prinzip, ich will jetzt nicht sagen Zeit verplempert aber (..) ja (lacht) so viel Mühe investiert und jetzt steht man da, jeder andere is im Prin – ja nicht besser aber jeder andere wird genau so gesehen wie du, kriegt die Arbeit und ja gut. Dann stehst da mit deiner Ausbildung. (lacht)
I: Stimmt ja. Es wird nicht wertgeschätzt, ge?
BA2: Mhm. So gar nicht. (lacht)
I: Das is sehr deprimierend, ja. Okay, danke vielmals.
BA3 – ANGELIKA I: Direktkunden hast du auch welche gehabt?
BA3: Ein paar ja. Wenig, aber doch.
I: Hat sich wahrscheinlich so ergeben dann mit der Zeit?
BA3: Ja, eigentlich hab ich damit angefangen. Also die ganz die erste war eine Direktkundin, da hab ich fürs [Firmenname] übersetzt und danach hauptsächlich über dieses Portal da dieses Translator’s Café, da kriegst hauptsächlich Anfragen von Übersetzungsbüros, die wiederum ihre Kunden haben.
I: Voll klass. Und wie ist das gelaufen? Also wie hast du einen Auftrag erhalten?
BA3: Im Prinzip teilweise sind eben diese Ausschreibungen, wo ich mich drauf beworben hab‘ dann und dann weniger eigentlich die Zuschläge kriegt hab, und dann irgendwann hat’s dann aber angefangen, weil ich diese Master-Mitgliedschaft irgendwann gezahlt hab‘. Weil so teuer ist es dann nicht. Und da wirst dann auch nach oben gereiht und das hat’s dann schon gebracht, dass sie mich eigentlich direkt angeschrieben haben und um ein Angebot gefragt haben, so was würd’ ich verlangen für das – für den und den Text. Und irgendwann hab‘ ich dann halt gesagt, ja schickt mir mal einen Text oder zumindest einen Auszug, damit ich auch ein Angebot stellen kann und dann sind eigentlich relativ viel Aufträge gekommen aus den verschiedensten Bereichen. Also von beiden Sprachen auch Englisch und Kroatisch.
I: Das heißt, du hast die Bedingungen stellen können?
BA3: Ja.
I: Und die sind auch immer durchgegangen?
BA3: Ja, doch schon. Also wenn ich gesagt hab‘, ich brauch‘ den Text, sonst kriegen’s kein Angebot, hab ich sofort den Text geschickt kriegt. Und auch wenn ich gesagt hab, ja es reicht ein Auszug oder auch zumindest ein repräsentativer Auszug, ich hab eigentlich immer den ganzen Text geschickt kriegt. Also da, teilweise hab ich mich doch gewundert, weil einmal war’s ein Buch, oder a Buch (..) so eine 50-Seiten-Broschüre und da hab‘ ich mir dann gedacht so, ja der kennt mich überhaupt nicht und mit’m Copyright und was auch immer ich mit dem Text dann mach‘, auch wenn ich den Zuschlag dann quasi nicht krieg. Also ich weiß nicht, ob ich das alles so freizügig hergeben tät’ und wegschicken tät,’ weil der war, das war ein Amerikaner, und das einfach einmal so quasi um die halbe Welt schicken? Weil ich kann damit ja machen, was ich will und er kommt möglicherweise gar nicht drauf. Von dem her – Aber das is ganz spannend. (lacht)
I: Das heißt, du hast dann nicht irgendwie so einen Vertrag unterschrieben, von wegen ich werd’ da nichts preisgeben oder weiterleiten?
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BA3: Gar nichts. Gar nichts. Eine einzige Übersetzungsagentur in England, da hab‘ ich sowas ausgefüllt und die sind aber wirklich, die sind echt auf Zack weil die posten das alles in so ein Online-Portal, wo du dich registrieren musst, und dann kriegst ein Email: A new job was posted. Und dann kannst eben den annehmen oder net und dann sind die Preise, die sind dort vorgegeben, da hast nichts zu verhandeln und gar nix. Und du übersetzt auch quasi in diesem Portal. Also die haben das so weit etabliert, dass du zwar mit Trados arbeitest, aber das nicht selber am Computer haben musst, sondern das quasi über dieses Portal, dies Online-Portal geht. Du meldest dich dort nur an und du arbeitest dann halt in einem Online-Editor, wie im Trados, und reichst es dann dort auch ein. Und du kannst aber – es is dann auch eine Zeit vorgegeben, dassd nachher sagst, ja das geht sich in der Zeit nicht aus. Dann hast eine Kontaktperson, derst sagst, ja ich brauch’ das und das noch oder ich brauch’ die und die Info (..) Aber du reichst es dann dort ein, du kannst es immer wieder bearbeiten halt in dem Zeitraum, der dir gegeben worden ist für die Übersetzung und das ist wirklich fein. Also das hab ich nur das eine Mal gesehen.
I: Okay und da wirst wahrscheinlich auch schnell an Informationen kommen sein, oder? Wennst eine Frage gehabt hast?
BA3: Ja.
I: Und du hast gesagt, die Preise waren vorgegeben? Waren die okay, akzeptabel?
BA3: Doch schon. Also es ist nicht vergleichbar mit dem, was sie an der Uni eben sagen, dass man verlangen dürfen. Diese 1,50 pro Zeile sind einfach unrealsitisch aber zwischen 80 Cent und einen Euro pro Zeile kriegst du schon.
I: Von denen jetzt oder generell?
BA3: Von denen jetzt. Generell ist es meistens weniger, wo du dann wirklich verhandeln musst und dann quasi auf deine Ausbildung pochen musst und teilweise sehen sie’s dann ein und teilweise heißt’s dann, ja ein anderer macht’s billiger und macht’s aber auch. Nur nachdem ich jetzt nicht 100 Prozent darauf angewiesen bin, sondern das mehr mach‘, dass ich mir quasi meine Ausbildung erhalte und doch nebenbei ein bisschen in Übung bleib‘, denk‘ ich mir dann, ja bitte, dann lass es von wem machen, der’s nicht kann (lacht). Also (..)
I: Genau ja, also man fühlt sich schon ein bisschen angegriffen, oder?
BA3: Ja, total. Ich mag das überhaupt nicht, wenn irgendwer sagt: Ja mei, das hab‘ ich mal schnell übersetzt. Da krieg ich (..) na (lacht).
I: Das is irgendwie, wie soll ich sagen, dass man nicht weiß, was dahinter steckt. Oder wie hast du das Gefühl wird das von den Auftraggebern gesehen zum Beispiel der Beruf?
BA3: Wennst direkte Auftraggeber hast, dann sind teilweise schon relativ unrealistische Anfragen dabei. Also da war einer zum Beispiel, der hätt’ gern gehabt, er schickt mir das heut’ Nachmittag und bis morgen Mittag hätt’ er gern einen 10-Seiten-Vertrag oder eigentlich besser gesagt die AGBs zum Vertrag dazu Englisch-Deutsch. Denk ich mir (seufzt), wie unrealistisch (lacht)! Teilweise haben sie da einfach überhaupt kein Gefühl dafür. Und dann merkst aber auch wieder die, die wirklich oft was damit zu tun haben, so wie beispielsweise die vom [Firmenname], das war so ein EU-Projekt und die hat das koordiniert für 6 oder 7 Sprachen die Übersetzungen und die hat halt wirklich eine Ahnung gehabt. Also die war ein Direktkunde, aber die hat wirklich oft damit zu tun und die is dann auch realistischer. Und die sagt dann aber auch, ja das und das kann ich zahlen, das und das Budget hab ich und mehr geht nicht. Und (..) dann is es halt auch so. Und die hat halt aber auch so viel Kontakte und so viel Erfahrung, dass sie sagt, sie is jetzt net unbedingt auf den einen Übersetzer angewiesen.
I: Und das akzeptiert man dann auch eher, wenn sie sagt, sie hat nicht mehr Budget, sie hat nicht mehr Geld.
BA3: Ja, und wenn sie’s auch argumentieren kann und nicht einfach nur, ja du kriegst jetzt drei Cent pro Wort (..) friss oder stirb, weil (lacht) einfach so, weil mehr ist es mir nicht wert. Ja, dann tut’s mir leid, aber meine Ausbildung ist mir mehr wert und deswegen such’ dir wen anderen.
I: Gute Einstellung ja. Und also 3 Cent pro Wort kriegt man auch, oder wie?
BA3: Ja, das is so das low level. Aber so 5 bis 10 Cent pro Wort is eigentlich schon relativ oft, dass du sagst (blässt Luft aus), das sind schon Mindestpreise. Also da das – ich mein, wenn’s ein ganz easy Text ist, wo ich jetzt sag’, ich sitz‘ bei einer ganzen Seite vielleicht eine Viertelstunde, 20
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Minuten weil’s wirklich nur ohne große Recherche wirklich ganz ganz basic ist, dann its es in Ordnung. Aber sobald ich irgendwas recherchieren muss oder mir Gedanken über den Text machen muss, dann seh’ ich’s nicht ein.
I: Und wird dann mehr verlangt als nur übersetzen? Also keine Ahnung layoutieren oder Arbeit mit Bilder oder so?
BA3: Nein, üblicherweise nicht. Nein, ich hab einmal hab ich gehabt also eine Broschüre, das war eine Werbebroschüre für ein kroatisches Hotel und die haben aber explizit gesagt, ich soll die Bilder ignorieren, ich soll irgendwo kennzeichnen, was der Bildtext zu welchem Bild is und sie machen’s dann selber.
I: Okay, das is ja gut.
BA3: Ja, das war irgendwie, ich mein, das wär’ jetzt nicht so der Auftrag gewesen weil das war irgendwie die Bilder in Word eingefügt und quasi eine Word-Datei. Also das hätt’ ich grad noch hingekriegt aber es is mir echt, wenn ich’s nicht machen muss (lacht).
I : Eh klar, weil’s Zeit is wieder. (Ja.) Hast du auch für den Preis gearbeitet, 3 Cent pro Wort?
BA3: Nein, also ich – um das Geld arbeit’ ich nicht.
I: Aber es gibt Leute, die das machen?
BA3: Definitiv. Weil sonst würden sie’s nicht so oft (..) quasi (..) verlangen.
I: Und is die Konkurrenz da sehr groß unter den Übersetzern?
BA3: Das auf jeden Fall. Also ich würd jetzt nicht sagen unter den Übersetzern, sondern mehr unter den Sprachkundigen allgemein. Weil einfach wirklich die Leute sagen, (..) mir kommt manchmal vor, das sind so die, ja die gelangweilt zuhause sitzen und halt grad meinen, sie sind zweisprachig aufgewachsen oder haben in der Schule eine Sprache gehabt. Ja, was tun wir nebenbei? Tun wir ein bisschen übersetzen. Wir sind grad auf das Portal gestoßen und das funktioniert klass. Und das is halt (lacht) (..) also da (..) wird schon viel manipuliert sag ich jetzt auch einmal. Weil im Prinzip auch auf dem Portal und eigentlich auch bei ProZ.com, was das zweite is, (..) du musst nicht unbedingt nachweisen, dass du eine Ausbildung hast, obwohl ich dann, eben nachdem ich diese Master-Membership genommen hab, hab ich dann teilweise auch Anfragen kriegt, ja die haben sich wirklich die Datei aufgemacht, die eigentlich hinten dran hängt am Profil, nämlich mein CV, und haben das dann durchgelesen und dann hab ich Email kriegt, sowas wie: „I was so impressed by your CV, I want you to work for me.“ und solche Sachen. Also da kriegst dann nachher schon die besseren Anfragen. Weil so bist gleich einmal angemeldet. Nur dann bist halt einer unter vielen. Und grad bei Kroatisch is es so, dass da relativ wenige offensichtlich gibt, also da sind – ich hab dann irgendwann einmal einfach selber auch gesucht Übersetzer Kroatisch-Deutsch und eben in die Richtung – in die Fremdsprache übersetz ich nicht mehr – aber in die Richtung gibt’s Master-Member auf dem Portal 3 oder hat’s zu dem Zeitpunkt gegeben. Und da war ich eine von den dreien. Also sind meine Chancen ziemlich gut, dass ich da was krieg.
I: Okay, das heißt, so mit Ausbildung und gutem Lebenslauf hebt man sich schon ab.
BA3: Ja auf jeden Fall. Du musst es halt dann auch entsprechend im Profil in den Vordergrund stellen und dann halt auch wirklich deinen Titel hinschreiben. Auch wennst sonst sagst, ja Titel hab ich halt aber preis’ ich jetzt nicht überall an aber da bringt’s schon was.
I: Und das wird dann auch besser honoriert, oder wie?
BA3: Ja. Doch schon. Also der eine, der dann halt wirklich geschrieben hat, ja er war so begeistert von meinem Lebenslauf hat dann gesagt: Ja na und das muss honoriert werden und da is er auch bereit mehr zu zahlen, weil da kann er sich drauf verlassen, dass die Qualität passt. Und da war ich dann selber fast ein bisschen verunsichert (lacht) weil ich mir gedacht hab, oh Gott, was erwartet der jetzt? Also der hat wirklich extrem in den Himmel gelobt, sag ich jetzt.
I: Ge, is schon so irgendwie, dass man dann verunsichert wird, so okay, lassen wir mal die Kirche im Dorf. (lacht)
BA3: (lacht) Es is halt doch – die Erfahrung fehlt einem ja trotzdem. Also ich glaub, man wird mit der Zeit schon routinierter, wenn du’s lang machst, aber grad am Anfang (..) ja, man kann sich wirklich nur auf die Ausbildung berufen.
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I: Und gibt’s so Hinweise drauf, dass es schlechte Qualität gibt oder schlechte Übersetzungen? Oder dass es Leute eben, die’s billig machen, schlechter machen? Kriegt man das irgendwie mit?
BA3: Ich im Prinzip nicht, nein. Also ich hab da irgendwie überhaupt keine Rückmeldungen kriegt, auch zu meinen Übersetzungen keine Rückmeldungen kriegt. Waren die jetzt gut oder nicht? Oder passt’s jetzt? Also ein einziges Mal da hab ich mit einer Übersetzungsagentur zu tun gehabt, wo ich zuerst einen Kontakt gehabt hab und dann hat sie irgendwann geschrieben – das war eine relativ große Sache, das waren 3 oder 4 Wochen, wo ich daran gearbeitet hab – und da hat sie dann irgendwann geschrieben, ja sie geht jetzt Urlaub und die Kollegin is dafür verantwortlich. Und das war halt dann grad zur Abgabe die letzte Woche war dann die andere Kollegin da. Und dann hab ich ihr das alles geschickt. Und dann is ein paar Tage später zurückgekommen, aber der und der Teil fehlt ja. Sag ich, ja aber die andere Dame hat gesagt, ich brauch das nicht übersetzen, weil das brauchen sie nicht. Aso, aha. Ja, sie muss da Rücksprache halten. Und irgendwie nach’m Urlaub hat sich dann die andere gemeldet und dann hat sie sich entschuldigt, ja, dass das ein Irrtum war und sie’s wirklich nicht brauchen und das war aber ungefähr die einzige Rückmeldung, die ich jemals auf eine Übersetzung kriegt hab (lacht).
I: Nein? Dass was fehlt, was gar nicht fehlt (lacht). Also auch nie positives Feedback?
BA3: M-mh, nein.
I: Auch nicht eben schlechtes?
BA3: Gar nichts.
I: Wie fühlt man sich da? Is das so: einen Auftrag nach dem erledigen?
BA3: Es wär manchmal schon interessant zu wissen, was passt hat, ob’s passt hat. Also irgendwann hab ich dann nur mehr kriegt, ich mein, kriegt – man merkt halt, wenn dann wieder mal ein Auftrag von der gleichen Agentur kommt, dann wird’s wohl passt haben, sonst würden’s ihn nicht schicken. Aber (..) ein einziges Mal ist dann gekommen, ja dass sie eben begeistert sind, dass ich pünktlich liefer’ und solche Sachen. Das dürft auch nicht unbedingt selbstverständlich sein, so Auftragszeiten einhalten, wobei ich mir denk’, dann fass ich’s lieber ein bisschen weiter und das is eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass ich’s pünktlich liefer. Und wenn es sich nicht ausgeht, dann meld ich mich früh genug. Aber einfach nichts schicken und irgendwie zu spät dran sein, das weiß ich nicht, das mag ich nicht.
I: Klar ja. Und hast du das Gefühl, die handeln in deinem Interesse? Weil die handeln ja die Preise aus, nehm ich an, mit den Endkunden, den Auftraggebern den ursprünglichen und handeln da ja auch deinen Preis aus eigentlich.
BA3: Das stimmt.
I: Und handeln sie da glaubst in deinem Interesse oder in ihrem Interesse? Also das spürst ja vielleicht irgendwie in der Bezahlung, oder wie sie – wie der Kontakt einfach is mit ihnen, die Beziehung zu ihnen?
BA3: Das, glaub ich, is sogar ein bissi sprachenbedingt. Also ich glaub im englischsprachigen Raum, was mit Englisch, Deutsch zu tun hat, is es eher der Fall, dass du als Übersetzer mehr wert bist als es im B/K/S-Raum der Fall is. Weil ich glaub‘ im B/K/S-Raum ist es so, dass sie eher schauen, dass die Sachen billig sind und dass man schnell einmal eine Übersetzung ins Deutsche hat weil halt einfach B/K/S so eine Minderheitensprache ist und Deutsch aber jetzt was Großes, Tolles. Und wenn man dann aber am Markt sich als Übersetzungsagentur präsentieren kann und sagt, ja wir schaffen’s trotzdem zu günstigen Preisen, dann glaub ich, wird da weniger wert auf den Übersetzer gelegt und halt was dann noch als Gewinn rausschaut halt wirklich für die Übersetzungsagentur selber überbleibt und der Übersetzer halt im Endeffekt allein dasteht. Aber ich glaub im englischsprachigen Raum is’ das eher etabliert, dass da der Übersetzer auch (..) was wert is.
I: Okay. Aber glaubst nicht, dass die Konkurrenz voll groß is im englischsprachigen Raum, also –
BA3: Das auf jeden Fall, das auf jeden Fall. Also durch das, das merkst ja auch, wennst da wirklich jetzt in dem Portal unterwegs bist, dass du siehst, ja es sind irrsinnig viel Englisch-Deutsch-Aufträge und die sind dann halt wirklich mit diesen Mini-Preisen angeschrieben. Also das is halt wieder die andere Seite. Es gibt halt irrsinnig viele Leute, die behaupten, sie können Englisch und die behaupten, sie können Deutsch. Es sind große Sprachen, das is einfach so. Und da is dann halt schon so, ja (..) aber ich weiß nicht. Mir kommt vor bei den Übersetzungsagenturen is es mehr
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so, dass da die besseren Preise sind. Das sind dann eher die Endkunden, die sagen – die irgendwie kein Verständnis dafür haben, ich brauch meinen Text jetzt in der anderen Sprache aber kosten darf’s nichts. Das (..) also da hab ich eher die Erfahrung gemacht, dass die Mindestpreise mehr von Endkunden kommen, die jetzt sagen, ja ich brauch jetzt da für meine Webseite die Übersetzung, ich brauch jetzt da eben irgendein Buch übersetzt oder keine Ahnung irgendwelche Einladungen. Teilweise sind dann auch so, ja ich brauch jetzt da meine Geburtsurkunde und meinen Staatsbürgerschaftsnachweis und weiß der Geier was alles übersetzt aber ich zahl auch nur 3 Cent. Braucht aber beglaubigte Übersetzungen. Und dann kriegst eh teilweise so mit, wo die Leute dann zurückschreiben, ja du weißt schon, was du da willst, oder? Und ja, aber er hat sich eh umgehört und das is eh so teuer, wenn man das bei einem beglaubigten Übersetzer macht und er hat sich gedacht im Portal, wenn man das weltweit macht, is das billiger. (lacht) So total unrealistisch. Also so dieses ganz extrem Knausrige eigentlich.
I: Voll unrealistisch. Was glauben die, wer das dann macht? Das kostet ja Zeit, ich mein, wer macht dir schon irgendeine Dienstleistung heutzutage ohne -
BA3: Ja vor allem beglaubigte Übersetzungen. Diese Beglaubigung kostet ja auch noch mal Geld und Arbeit und die Prüfung musst du machen und das immer wieder und (..) nein.
I: Ja wie fühlt man sich dabei?
BA3: Das macht mich krank, da werde ich ganz narrisch bei sowas weil ein so ein (..) teilweise auch in meinem Bekanntenkreis, wo ich mir dann anhören kann: Und, studierst noch immer deine Sprachen? Wo ich mir denk, du hast überhaupt keine Ahnung (lacht). Das ist einfach total diese Ignoranz immer noch. Aber das wird sich glaub ich auch nicht so schnell ändern – leider.
I: Glaub ich auch nicht. Ja und was hast noch so – ja weil?
BA3: Weil Google Übersetzer ist ja gut genug. (lacht)
I: Dass das noch keiner überrissen hat, dass das nicht funktioniert. Aber mir hat einer gesagt, dass er glaubt, die meisten Übersetzer haben davor Angst, dass Maschinenübersetzung mal überhand nehmen wird.
BA3: Was?
I: Ja, er hat gemeint ja, er ist fix überzeugt davon.
BA3: Ich glaub, das geht nicht. Eine Maschine kann immer nur Zeichen von einem Ding ins andere übersetzen. Aber (..) allein so simple Sachen wie Ironie oder Sarkasmus oder sowas, das würde eine Maschine nie überzuckern. Das funktioniert nicht. Ich mein, sicher, klar, wenn du jetzt sagst, du hast irgendwelche technischen Anleitungen, so wie ich sie jetzt schreibe, das lass ich mir eher einreden, wo wirklich so handfeste Sachen sind und du hast eine Terminologiedatenbank im Hintergrund stehen (..) Ich mein, Google Übersetzer funktioniert nicht, da sind wir uns alle einig (lacht) aber da kann ich mir schon eher vorstellen, dass da irgendwie eine Software entwickelt werden kann, wo du jetzt sagst, ja solche Dinge, die wirklich standardisiert sind, das lässt sich übersetzen. Aber alles andere? Angefangen bei Werbetexten, wenn du auch nur über Literatur nachdenkst, nein das kann nicht hinhaun. Also die Angst? Nein, das hab ich zum ersten Mal gehört (lacht).
I: Was hast du sonst noch für Ängste oder Sorgen – also hättest du, wenn du das hauptberuflich machen würdest?
BA3: (..) Ich hätte trotzdem eine Existenzangst. Einfach weil – die Auftragslage ist zwar okaay – aber nur für nebenbei. Also dass du jetzt wirklich hauptberuflich voll als Übersetzer arbeiten kannst und du sagst, dir bleibt dann noch was über und du machst das – du willst wirklich was daran verdienen und nicht nur mehr so aus ideellen Gründen (..) ist glaube ich sehr schwierig. Vor allem wenn du wirklich alleine bist. Also wenn du jetzt sagst, du machst irgendwie, du bildest so eine Gruppe und du bietest dann mehr Sprachen an und du machst dir das untereinander so aus, dann lass‘ ich mir das eher noch einreden, dass das vielleicht funktioniert. Aber wirklich allein, jetzt da so: Hallo, da bin ich und nehmt mich quasi als Übersetzer! Das kann ich mir fast nicht vorstellen, dass das funktioniert. Also Hut ab vor allen denen, die das probieren. Aber es wäre mir zu riskant.
I: Ja. Also in welcher Hinsicht haben sich deine Erwartungen erfüllt den Beruf betreffend beziehungsweise nicht erfüllt?
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BA3: Wie ich angefangen habe zu studieren, habe ich mir gedacht, das ist prestigeträchtiger. Wobei ich da noch davon ausgegangen bin, ich werde irgendwann Simultandolmetscher. Aber dolmetschen ist halt einfach das prestigeträchtigere immer noch. Ich habe immer gesagt, ja übersetzen ist so langweilig und da sitzt du alleine in deinem Kammerl und so. Irrsinn im Prinzip, aber gar nicht so arg. Ich mein, klar, du bist – du hast die Möglichkeit, dass du von daheim aus arbeitest und es geht viel übers Internet und generell Globalisierung ist halt da ein großes Thema auch. Aber es ist halt weit weniger populär, als ich mir gedacht habe und es ist weit weniger (..) gewinnbringend, sag’ ich jetzt einmal. Auch wenn du dir so Jobangebote anschaust, wenn du jetzt sagst, du wirst irgendwo angestellt als Übersetzer, was da kollektiv gezahlt wird, ist ja (..) ein Witz. Also (..) nach 5 Jahren Studium möchte ich mehr verdienen als das, was da kollektiv gezahlt wird. Das war mitunter auch ein Grund, wo ich gesagt habe, das ist – das bin ich mir zu schade. Und ich mein, irgendwer hat einmal gesagt, 75 Prozent oder so der [...] Absolventen arbeiten nie oder nur kurz als Übersetzer. Versteh’ ich total. Wir haben, ich mein, das Studium ist super. Aber wir haben einfach irrsinnig viel Möglichkeiten danach. Wir müssen uns nicht aufs Übersetzen beschränken, weil Sprachen werden immer gebraucht und wenn du dann auch noch ein bisschen irgendwo ein Praktikum gemacht oder so dort einmal reinschnupperst und da, dann hast ein bisschen ein Wissen rundherum auch und dann findest du eh was, was dir daugt. Nur wirklich als Übersetzer arbeiten (..) nein, das möchte ich nicht. Und das ist aber auch was, was an der [Universität] nicht unbedingt kommuniziert wird. Also diese (..) Kollektivvertragssache, dass du da wirklich so wenig bezahlt kriegst, dass sagen sie dir frühestens im letzten Jahr vorm Master, wenn du dann eh schon fertig bist und eh nicht mehr weggehst. Aber am Anfang vom Bachelor so in den Einführungsveranstaltungen, dass sie dir sagen, dass sie dich quasi zurück auf den Boden holen, das tut keiner. (..) Das ist, weiß ich nicht, nicht besonders fair eigentlich.
I: Naja, aber dann würde es gar keiner mehr studieren wahrscheinlich. (lacht)
BA3: Ja wobei, ich mein, bei den großen Sprachen haben sie eh fast viel zu viel Leute. [Identitätshinweise].
I: Und du hast gesagt, das ist prestigeträchtiger. Wie wirst du wahrgenommen? Oder wie wird der Beruf wahrgenommen unter deinen Mitmenschen? Wie spürst du das?
BA3: Als eine Selbstverständlichkeit, irgendwie nicht als was Besonderes und dass du jetzt was kannst oder so. Also ich weiß nicht, mein Freund ist Installateur, der hat jetzt den Master als Installateur gemacht und der wird mehr angesehen als ich, die den Master hat als Übersetzer. Weil ja, du kannst halt zwei Sprachen aber er kennt sich halt aus bei Heizungen und bei weiß nicht was allem. Und das ist halt viel viel besser, wo ich mir dann denke, meine Ausbildung dauert länger und das wird irgendwie total (..) weiß ich nicht, runter geschraubt, wo ich mir dann denke, ja – ich habe auch schon gehört: Hättest halt was Gescheitest studiert. (..)
I: Das trifft einen hart.
BA3: Ja. Oder wenn ich dann jemandem erzähle, dass ich jetzt da eben nicht als Übersetzer arbeite, sondern als Technische Redakteurin, dann heißt es: Ja, und wofür hast du das dann studiert? (..) Einfach so total ignorante Ansagen. Oder, weiß ich nicht, wir haben eine Mindeststudienzeit von fünf Jahren und nach vier Jahren kann ich mir anhören: Und, studierst du immer noch? So einfach (..) erstens einmal generell gegenüber dem Akademikerdasein und gegenüber dem Studium ist teilweise höre ich so: Ja die Akademiker, wer braucht denn die, die können eh nichts. Und dann halt noch speziell gegenüber Geisteswissenschaften, gar nicht jetzt so glaub ich aufs Übersetzerstudium an sich aber auch alles was irgendwie Geisteswissenschaften angeht, Sprachen – Es ist einfach, ja braucht eh keiner, ist eh selbstverständlich, habe ich in der Schule gehabt (lacht). Das ist –
I: Hast recht, die werden total schlecht angesehen. Und man weiß einfach zu wenig darüber, was man da jetzt genau vermittelt kriegt, glaube ich. Damit kann niemand was anfangen weil, wie du sagst, beim Installateur da weiß man genau, was der kann und das was man selber nicht so gut kann, das bewundert man und die braucht man immer wieder. Aber so beim Übersetzen, damit hast du ja nie Kontakt. Oder überhaupt in den ganzen Geisteswissenschaften.
BA3: Wer braucht, wer braucht quasi in der Allgemeinheit einen Übersetzer?
I: Genau, so ist es. Und auch übers Bezahlen: Na bitte, der braucht ja nur ein Dokument, da zahlt er ja nicht 30 Euro dafür. Wo kommen wir da hin. Aber dass das eine ganz normale Dienstleistung ist, wie jede andere, das ist nicht da im Bewusstsein, ge?
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BA3: Ja, ich bin es einfach leid, dass ich mich ständig verteidige, weil ich denk’ mir dann: Ja, dann redest halt. Weil wenn ich’s ihm jetzt erkläre, das nächste Mal kann ich mir den gleichen blöden Spruch wieder anhören und vielleicht einfach nur deswegen, weil einer daneben steht, der genauso ignorant ist und weil, weiß ich nicht, weil es einfach grade lustig ist, wo ich mir denk: Ja, ich bin’s so leid. (lacht)
I: Ja. (..) Wie sehen für dich ideale Arbeitsbedingungen aus in diesem Netzwerk?
BA3: Hmm (..) als freiberuflicher oder innerhalb einer Firma?
I: Das ist egal.
BA3: Im Prinzip brauchst du einmal ein funktionierendes und ein wirklich schnelles Internet und alles was irgendwie Elektronik angeht, also das muss vorhanden sein. Weil wenn du da jetzt mit einem super langsamen Internet herum tust, da wirst du nie fertig und im Endeffekt, diese Zeit kriegst du dann nicht bezahlt. Also wenn wir davon ausgehen, dass du das wirklich hauptberuflich machst, ist es sicher super, wenn du Trados hast. Weil es verlangen so viele Auftraggeber Trados und wenn du dann sagst, ja, du hast Trados nicht: Ja wieso nicht? Und das hat doch jeder und das ist doch Standard. Ja aber wenn du dann aber schaust, was das kostet und du machst es nur nebenbei, das kann sich nicht rentieren. Da arbeite ich, weiß ich nicht, ewig dafür, dass ich die Software herinnen hab. Und wofür? Für nichts im Endeffekt. Und ich meine, es gibt schon so Freeware, aber die ist halt dann von der Qualität her jetzt nicht besonders und ich gehe auch nicht davon aus, dass die mit Trados kompatibel ist, dass, wenn du jetzt sagst, wenn du vom Auftraggeber eine Trados-Datei geschickt kriegst, dass das dann mit deiner Freeware funktioniert. Das kann ich mir nicht vorstellen. Und das wäre halt schon fein, wenn du das hättest. Und halt auch entsprechende Kontakte. Also es ist schon berechtigt, dass du da auf den Portalen oft findest: Ja, spezialisiert in dem und dem und dem Bereich, weil der hat dann auch seine Experten im Hintergrund, und sagt, ja weiß ich nicht, ich übersetze jetzt nur (..) molekularbiologische Sachen oder so irgendwas, irgendwas ganz Spezielles. Dann hast du sicher auch irgendwen, den du da fragen kannst, wenn du dich nicht auskennst. Oder du hast selber irgendwie mit dem Bereich zu tun oder bist damit in Berührung gekommen. Sonst bist du ziemlich aufgeschmissen, glaube ich. Weil du stoßt, irgendwann stoßt du auf irgendwas, wo du dich nicht auskennst. Und dann hilft das Internet auch nicht mehr weiter weil (..) Wikipedia ist jetzt nicht so die vertrauenswürdige Quelle. Ich meine, wenn du jetzt so allgemeinsprachliche Texte übersetzt, dann kommst du gleich einmal weiter aber alles was irgendwie ein bisschen ins Spezielle geht, da ist schon klass, wenn du wen hast.
I: Vor allem auch schneller.
BA3: Auf jeden Fall ja. Weil sonst suchst du ewig herum und der kann dir das vielleicht sofort sagen. Und halt auch ein Netzwerk unter den Übersetzern. Dass du jetzt sagst, ja ich bin mir nicht sicher, kann ich das so und so übersetzen, dass du ein bissl wen hast, mit dem du dich beraten kannst oder dass du einfach nur, weiß ich nicht, einen zweiten Kollegen hast, wo du sagst, ja die Texte, wo ich mir nicht sicher bin, die kriegst du von mir zum lektorieren und umgekehrt. Dass du das vielleicht gar nicht gegenseitig verrechnest und dementsprechend dem Kunden das gar nicht auffällt. Aber du dir gegenseitig den Gefallen tust, dass du sagst, ja ich lese deine Texte und du liest meine Texte. Und einfach so auch die Qualität quasi garantierst.
I: Ja. Zum Thema Qualität: Hast du das Gefühl, dass Qualität für dich das gleiche ist wie für den Auftraggeber? Oder gibt es da eine andere Definition?
BA3: Nein, also das glaub’ ich ist aber auch ein bisschen ein persönliches Ding. Also ich bin in der Hinsicht sehr perfektionistisch und wenn ich dann irgendetwas finde, dann ärgere ich mich total darüber, wo vielleicht der Auftraggeber sagt, okay das ist jetzt ein kleiner Tippfehler oder da fehlt ein Beistrich oder so irgendwas. Oder das hätte man so und so vielleicht noch besser sagen könne, wo er aber sagt, ja sie wird ihre Gründe gehabt haben und das wird so passen, wenn du jetzt eine Formulierung verwendet hast. Wo ich mir dann im Nachhinein denk, wenn ich vielleicht das abgeschickt habe und dann doch noch einmal drüber lese, denk ich mir: Ah, das hätte ich jetzt aber noch so und so machen können. Also ich glaube, dass da der persönliche Anspruch dann noch ein bisschen höher einfach, weil ich mir denke, es gibt so viele schlechte Übersetzer oder Übersetzer kannst eigentlich gar nicht sagen, Sprachkundige. Wo du dich quasi dann als Ausgebildete halt wirklich hervorheben willst. Und wenn dann halt sowas passiert, also ich zumindest, wenn mir sowas passiert, ich ärgere mich dann halt besonders darüber. Vielleicht mit der Zeit, dass sowas dann auch wieder schwächer wird. Wo dann quasi die Gleichgültigkeit
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kommt, wo du sagst, ja auch wenn es jetzt nicht 100 Pro ist, ist es immer noch besser als von einem, der es nicht gelernt hat. Aber (..) im Moment ist es halt auf jeden Fall so, dass ich sage, es muss alles passen (lacht). Auch wenn es wahrscheinlich nie so sein wird. Du wirst immer auf irgendwas kommen, was nicht passt.
I: Ja ich glaub’ auch, grade wenn man so perfektionistisch veranlagt ist.
BA3: Auf jeden Fall.
I: Das macht einen irgendwo ja auch zum Experten. (Ja.) Das ist halt unser Beruf. Und hast du das Gefühl oder ist es so, dass du immer Zeit hast so qualitativ hochwertig zu arbeiten? Irgendwelche Texte zu produzieren, die dir genügen, sag ich mal? Oder was steht dem im Weg, wenn nicht?
BA3: Also wenn ich jetzt wirklich ein Angebot stelle, dann schau ich schon so, dass ich die Angebote dann so stelle, dass ich sag, ja es passt mir von der Zeit, ich kann mir das einteilen, das geht sich aus. Wenn ich weiß, wenn ich mit dem schon einmal zusammengearbeitet habe und weiß, der ist eher kurz angebunden und braucht das eher kurzfristig, dann schau ich eben, dass ich’s mir entweder so einteile oder dass ich die Übersetzung auch vielleicht weitergeben kann. Ich mein, das war bis jetzt noch nie wirklich der Fall aber (...). Zum Beispiel wir, also [Kollegin], [Kollege] und ich, haben eigentlich gesagt, dass wir quasi gegenseitig füreinander einspringen. Wir haben alle drei einen Gewerbeschein, ich glaub, die [Kollegin] hat jetzt ihren zwar ruhig gestellt, werde ich auch in nächster Zeit machen, aber trotzdem, dass wir jetzt sagen, ja ich habe jetzt keine Zeit oder das ist zu viel, dass der andere dann mithilft und einspringt oder so. Dadurch, dass wir das ganze Master-Studium immer als Team in allen Lehrveranstaltungen zusammengearbeitet haben, wissen wir, wie die anderen beiden arbeiten und wir können uns darauf verlassen. Es war auch so, wenn irgendeiner, mei, weiß ich nicht, an der Uni viel Stress gehabt hat oder es war privat irgendwas, dann haben die anderen zwei die eine Hausübung geschrieben und du hast nicht darüber schauen müssen, du hast gewusst, das passt. Und sowas ist halt schon fein, wenn du so jemanden hast, auf den du dich da verlassen kannst. Weil da brauchst du dann nicht noch einmal drüber lesen. Außer halt wirklich zum Lektorieren oder so. Aber nicht jetzt, dass du schauen musst, dass die Qualität passt.
I: Und was ist dem Arbeitgeber wichtig?
BA3: (...) Dem Auftraggeber? Dass es passt und dass es schnell geht, glaub‘ ich. Also sie sind doch sehr bedacht, dass es so kurz wie möglich dauert. Also, dass du jetzt sagst, ja ich hätte jetzt gerne noch einen Extratag zum Lektorieren, dann kommt eher einmal, glaub‘ ich, die Rückmeldung, ja passt schon, Sie sind ja Experte, das wird schon passen.
I: Also sie vertrauen da auf dein Urteil quasi.
BA3: Ich denk’ schon.
I: Und wie ist so die Beziehung zu dem Büro? Also über welche Medien läuft das? Hat man da immer mit derselben Person Kontakt?
BA3: Bei mir war es prinzipiell schon so, dass ich immer die gleiche Person gehabt habe. Wobei ich aber nicht weiß, wie groß die Übersetzungsbüros waren, ob das jetzt wirklich so kleine Büros waren mit zwei, drei Leuten, die das organisieren, wo halt jeder quasi seinen Sprachraum hat oder so. Das kann ich nicht sagen. Wobei das Portal da in England, die wirklich dieses Online-Portal haben, wo du online übersetzt, die, glaub ich, sind schon relativ groß. Also da waren es dann auch zwei oder drei, die dann immer wieder als unterschiedliche Kontakte bei den einzelnen Aufträgen gestanden sind. Also die sind einfach beeindruckend! Es hilft nichts. Und (..) ja.
I: Also hat man da so eine Art Vertrauensbeziehung oder irgendwas in dieser Art oder gar nicht?
BA3: Ja doch schon. Also eben mit einer kroatischen Agentur arbeite ich relativ viel zusammen und da sind eigentlich zwei, die da die Hauptansprechpersonen sind, wobei die eine nur für die andere einspringt, wenn sie nicht da ist, wenn sie nicht verfügbar ist. Und da hab ich eigentlich hauptsächlich mit einer zu tun und wenn ich sage, ja, die schreibt mich dann halt an, ja wir hätten nächste Woche das und das zu übersetzen, ob ich Zeit habe. Wenn ich dann sage, ja, kommt drauf an, wie lang? Dann sagt ich halt, wie lang ich ungefähr dafür brauchen würd oder wann oder eher Anfang der Woche oder eher Ende der Woche. Und dann ist das halt meistens so ein hin und her Geschreibsel, wie’s dann ungefähr passen würde. Also das ist schon sehr fein. Weil die kann das dann auch abschätzen, dass sie’s relativ weit im Voraus weiß, nicht weit, ein paar Tage halt.
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Aber das ist halt besser als: Ich brauch’s jetzt sofort und ich hätte es gerne morgen in der Früh. Und das ist dann schon ganz fein.
I: Klar. Also würdest du dein Mitsprache- und Entscheidungsrecht also recht hoch einstufen, oder?
BA3: In dem Fall ja. Also es war einmal der Fall, dass ich meine Rechnung mitgeschickt habe mit der Übersetzung gleich und die dürfte dann aber untergegangen sein. Also da war’s relativ stressig zum Schluss hin und die dürften die Übersetzung aus der Email genommen haben und die Rechnung vergessen haben. Ich habe mich dann aber nach einem Monat oder was einmal gemeldet, ja wie’s denn ausschaut, die Rechnung ist bitte zu zahlen. Und da hat sie sich drei oder viermal entschuldigt, es tut ihr so leid, sie hat das übersehen. Dann, das Geld war, glaub ich, am übernächsten Tag auf meinem Konto also die haben dann echt eine Eilbezahlung oder was auch immer gemacht. Das war ihr dann sehr peinlich.
I: Mhm. Und sonst ist dein Mitsprache- und Entscheidungsrecht nicht so gut oder wie?
BA3: Meistens sind es halt so einmalige Sachen. Ich glaube, wenn du länger mit den gleichen zu tun hast, dann baut sich halt auch so eine Vertrauensbasis auf. Weil grade beim ersten Mal (..), ja ich mein, du kannst schon sagen, ja für das und das bräuchte ich aber vielleicht ein bisschen länger Zeit, ob es ginge, einen Tag mehr oder weniger, das lässt sich dann schon ausreden. Aber großartige Entscheidungen kannst du, glaub ich, kannst du da nicht treffen. Ist aber auch irgendwo verständlich, weil sonst hast du nur, also jetzt von der Seite des Übersetzungsbüros gesehen, hast sonst nur Übersetzer, die dir irgendwie auf der Nase herumtanzen und machen, was sie wollen.
I: Was frustriert oder demotiviert dich am meisten?
BA3: (...) Fehlende Anerkennung. Eben genau das: Ja, machst halt schnell, ist eh einfach. Und Inkompetenz. Also (lacht) wenn ich jetzt irgendwie einen Übersetzungsauftrag oder eine Anfrage krieg, und ich schreibe dann zurück oder frage halt irgendwas nach, und dann krieg ich entweder gar keine Antwort oder keine vernünftige Antwort oder irgendetwas total Dämliches zurück, dann denke ich mir: Ja, okay. Du hast keine Ahnung, was ich will, aber du willst eigentlich was von mir. Also (..) ja. Das ist irgendwie schwierig. Und (..) der absolute Höhepunkt, den ich irgendwann einmal gekriegt hab, war: Ja, er bräuchte eine Übersetzung für den und den Text. Schreib ich ihm zurück, ja, wie’s denn ausschaut, was er denn jetzt genau braucht, wofür das is also hab halt so quasi die Standardfragen gestellt, ja wofür ist der Text und wie er sich das vorstellt, halt so ein bissl. Weil es ist nur gestanden: I want to have this text translated. Okay, bis wann er das denn gern hätte, was er sich eben so preislich vorstellt, was quasi meine Preise sind und dann ist irgendwie so zurückgekommen. Mhm (..) das hat er sich jetzt nicht so gedacht, dass ich so viele Fragen habe. Er will nur eine Übersetzung. (..) Aha, denk ich mir, ja ja, du kannst deine Übersetzung schon haben aber ich brauche irgendwie eine Info und ich brauch irgendwie einen Abgabetermin und wir müssen uns auf einen Preis einigen. Also der hat vorher sicher noch nie irgendwas Derartiges gemacht. Und im Endeffekt hat er dann so gemeint: Aha, er hat jetzt gerade gesehen, dass ich in Österreich bin. Wo ist denn das? Da hab ich gemeint, ja dann hab ich’s ihm ungefähr erklärt. Und dann sagt er: Macht das einen Unterschied zum deutschen Deutsch. Sag ich, ja schon. Aha, ja was ist denn da jetzt das Populärere? Und also so ganz komisch. Der hat überhaupt keinen Plan gehabt.
I: Ja irgendeine Privatperson, oder?
BA3: Ja total. Keine Ahnung, es war irgendwer, der hätte (..) was wollt der denn überhaupt haben (..) irgendeinen Werbetext, er macht sich jetzt selbstständig, er hat irgendwas patentiert und das ist irgendein Werbetext gewesen für irgendwas total Schwachsinniges. So eine, weiß ich nicht, das war irgend so eine komische Haarbürste in der Art, die aber nur so (..) oval war, die halt nur so in der Hand liegt, ohne irgendwie einen gescheiten Griff. Es hat so ausschaut als hätte er irgendwie von hinten Nägel durchgeschlagen nach vorne. Aber die soll dann nicht irgendwie hängen bleiben, das sollte nicht so rupfen bei den Haaren und das war die totale Innovation und das ist irgendwie so Ionentechnologie. Ja keine Ahnung. Irgend ein kompletter Schwachsinn war’s halt. Und da war er aber total begeistert und hat gesagt: Ja er will das am deutschsprachigen Markt vermarkten und was da jetzt populärer ist und ob er das jetzt von einem Deutsch-Deutsch Übersetzer oder einem Österreichisch-Deutsch Übersetzer (..) Ja ich mein, wenn er mich fragt und es geht darum, ob ich Geld verdiene, was wird er sich denn erwarten für eine Antwort? Ich mein, ich hab ihm dann schon zurückgeschrieben, weil da braucht er wirklich nur auf Wikipedia schauen, wie viel Einwohner Deutschland hat, das heißt, wie groß der Deutsch-deutschsprachige Raum ist und dann wie viel Einwohner Österreich hat, einfach nur einmal einen subtilen Vergleich. Und dann ist
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zurückgekommen: Oh, ja dann sucht er sich einen anderen Übersetzer. Denk ich mir, Gott sei Dank. Ich will den Text gar nicht haben weil da hast nur Scherereien dann im Endeffekt. Weil wahrscheinlich wenn du ihm dann deinen Preis nennst und wenn du dich dann auf was einigst, dann passt es im Endeffekt eh nicht. Dann kann es dir passieren, dass du nichts bezahlt bekommst. (Ja, so ist es.) Also das war dann echt so der Extremfall, wo ich mir gedacht hab, du hast überhaupt keine Ahnung, was du da tust. Der war, glaube ich, ein wenig überfordert mit meiner Kompetenz (lacht).
I: Wahrscheinlich ja (lacht), das hört sich so an. Ja und wenn du Schwierigkeiten mit Agenturen hast, wie reagierst du dann darauf?
BA3: Das ist bis jetzt noch nie vorgekommen. Also da ist eigentlich immer alles glatt gelaufen.
I: Okay, ja. Und die wissen ja auch, worum’s geht.
BA3: Ja.
I: Aber wenn du jetzt das Gefühl gehabt hast, die haben mir da einfach zu wenig bezahlt oder so?
BA3: Ich hab einmal eine Agentur gehabt, wo ich irgendwie gesagt habe, ja okay, ich mach die Übersetzung, weil’s relativ kurzfristig war und ich hab dann für das Kurzfristige gar nicht soo schlecht bezahlt kriegt. Aber es war relativ niedrig vom Preis und dann hintennach hab ich mir dann gedacht, eigentlich hätte ich mir das jetzt nicht antun müssen. Weil das war nach der Arbeit am Abend, schnell heim, das übersetzen, bis 11 Uhr in der Nacht, am nächsten Tag noch einmal drüber schauen. Das war irgendwie alles stressig und dann haben sie gesagt: Ja nein das war sowieso eine Ausnahme und normal können sie den Preis nicht halten und haben dann herumjammern angefangen und wollten dann im Endeffekt weniger zahlen, als was zuerst ausgemacht war. Sie haben es mir dann gezahlt, was ausgemacht war, nur hab ich mir dann gedacht, ja das ist mir zu riskant, darauf bin ich nicht angewiesen und hab dann im Prinzip nicht mehr wirklich darauf reagiert. Also ich hab dann die ersten zwei-, dreimal gesagt, ich hab keine Zeit, einfach nur, damit sie mich in Ruhe lassen und dann gesagt, ja und dann einfach gar nicht mehr reagiert.
I: Also wolltest du mit denen gar nicht mehr arbeiten?
BA3: Nein, weil’s mir einfach zu riskant war.
I: Klar, kann ich verstehen.
BA3: Einmal habe ich auch eine Privatperson gehabt, die wollte mir wirklich nichts zahlen, also da sind glaube ich 30 oder 40 Emails hin und her gegangen, bis ich dann irgendwann gesagt hab, so und jetzt reicht’s dann bald einmal. Und ich mein, im Prinzip mit einem Anwalt drohen brauchst du nicht weil der sitzt irgendwo. In dem Fall war es die Dominikanische Republik. Da brauchst du nichts anfangen. Aber da ist es halt ewig hin und her gegangen und ich hab sie halt die ganze Zeit genervt und hab, weiß ich nicht, tausende Emails geschrieben. Und irgendwann ist sie dann aber resignierend eingeknickt und hat es mir dann doch gezahlt. Für so jemanden übersetze ich halt auch nie mehr. Weil wenn ich da jedes Mal das Theater mit’m Zahlen hab. Weil zuerst hat es geheißen, ja, ich krieg eine Banküberweisung, dann hat sie gesagt: Ja nein, sie hat nicht gewusst, dass das so teuer ist. Aha. (..) Irgendwie 23 Euro, weil es aus (..) Amerika da her ist.
I: Aber wird das nicht immer vorher ausgemacht normal?
BA3: Eigentlich schon. Eigentlich schon. Das war eigentlich fixiert. Es war fixiert. Und dann hat sie gemeint: Ja nein, sie wollte das jetzt überweisen, da ist sie draufgekommen, dass das so teuer ist. Sie kann’s mir schon überweisen, aber nur den Differenzbetrag. Hab ich gesagt, ob sie nicht ganz frisch ist. Ich zahl ihr nicht die 23 Euro für die Überweisung. Wie komm ich denn dazu? Aha. Ja ob wir das dann nicht irgendwie über PayPal machen können? Hab ich gesagt: Ich habe kein PayPal-Konto und es war eigentlich anders ausgemacht. Dann hab ich mir das so ein bisschen angeschaut, ich hab eigentlich vorher nie mit PayPal beschäftigt, und hab mich dann bei PayPal und bei Moneybookers so ein bisschen umgehört. Und bei PayPal ist es so, dass du im Prinzip du als Empfänger für diese Gebühren zahlst. Und bei Moneybookers ist es genau umgekehrt. Da zahlt der Sender. Und dann habe ich mir gedacht: So, jetzt schreibst du ihr einmal: Aaber ich habe ein Moneybookers-Konto, ob sie darauf einsteigt. Es sind eh nicht viel, es sind 0,75 Prozent vom Wert oder so oder was und es waren, es ist gegangen um 150 Euro, so irgendwas. Also jetzt keine Unsummen. Weniger als 23 Euro in jedem Fall. Und nein, das kann sie nicht machen und da hat sie kein Konto und ewig hin und her und irgendwann hab ich dann halt gesagt, ja okay, ich habe
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ein PayPal-Konto. Aso, mhm. Ja, sie hat das mit was anderem verwechselt und sie hat das jetzt doch nicht. Wo ich nur noch dacht hab: Jetzt zipft’s mich aber bald einmal an (lacht). Und dann hab ich ihr noch einmal geschrieben, ja sie soll das doch jetzt bitte zahlen und, ich mein, es war so ausgemacht, darauf kann ich mich berufen und sonst werde ich sie melden, zumindest bei dem Portal, weil da kannst du so Feedback geben und (..) dann hat sie aber gesagt, ja okay, ja sie zahlt es. Und das hat dann im Endeffekt gewirkt. Wobei es im Prinzip das ist auch keine Drohung weil du kannst bei dem Portal, du löscht dein Profil, legst dir ein neues unter einem neuem Namen an und es findet dich keiner mehr.
I: Okay. Aber es ist eine Strategie, um an sein Geld zu kommen?
BA3: Auf jeden Fall. Ich mein, es war einfach ein letzter Schuss vor den Bug quasi, weil wie gesagt, da brauchst du nicht mit einem Anwalt kommen weil da passiert nichts. Also das ist – es ist dann nicht so ungefährlich, wenn du so Kunden von irgendwo her hast. Wenn du jetzt sagst, du bleibst innerhalb von Europa, ist das vielleicht eher noch greifbar. Aber (...) ich mein, mir schreiben auch oft genug irgendwelche indischen Agenturen oder sowas an, die dann aber in ganz ganz brüchigem Englisch schreiben, wo ich mir dann nicht sicher bin: Was wollen die jetzt? Krieg ich da was? Verstehen mich die, wenn ich da jetzt antworte? Also solche Sachen mach’ ich auch nicht. Da bin ich einfach vorsichtig und eben weil ich nicht darauf angewiesen bin.
I: Aber stimmt. Ich mein, da hast ja dann nichts in der Hand im Prinzip. Du hast ja dann nur Scherereien? Wäre da nicht ein Vertrag oder irgendwas das bindet eine Hilfe?
BA3: Aber ich glaub, da verlierst du sie auch schon wieder. Das glaube ich, machen sie einfach nicht. Es sind teilweise eher die Übersetzungsagenturen, die dann schon sagen zur Absicherung. Ich mein, mir ist es bis jetzt nur einmal passiert, eben zur Absicherung von beiden Seiten, dass ich die Sachen nicht rausgeben darf, nicht an Dritte geben darf, dass ich die Materialien, die ich von ihnen bekomme, nicht für andere Übersetzungsaufträge verwenden darf, solche Sachen. Aber, ich mein, es ist – meistens sind es halt so Kleinigkeiten. Es sind – dass ein Betrag über 100 Euro ist, das ist eigentlich eh selten. Meistens sind es halt Miniaufträge, die hast in einem Tag oder zwei erledigt und das ist halt dann ganz wenig. Und da zahlt es sich dann halt auch fast nicht aus vorher so viel hin und her zu schreiben. Und das sind die dann auch meistens gar nicht bereit weil dann kommt die Anfrage, ich schick das Angebot und dann kommt entweder die Zusage oder die Absage und damit ist es dann meistens erledigt. Und wenn du jetzt da fünf, sechs Emails hin und her schreibst, du brauchst aber nur eine Seite übersetzt (..) weiß ich nicht.
I: Ja vielleicht könnte man es aber auch kürzer - dass du gleich einen Vertrag mitschickst mit deinem Angebot und die unterschreiben es.
BA3: Das wäre eine Möglichkeit.
I: Dann ist es auch kurz.
BA3: Wobei du halt auch wieder sagst: Was machst du mit dem Vertrag, wenn der jetzt in Indien sitzt? Wie tust du denn da? Wie findest du den? Gehst du wegen 70 Euro irgendwie da auf Weltreise, oder?
I: Nein eh, bestimmt. Du hast immer ein Risiko zu tragen, ge?
BA3: Ja auf jeden Fall.
I: Ja und was steigert dein Engagement?
BA3: In wiefern?
I: Welche Umstände oder welche –
BA3: Ich finde es schon mal nett, wenn man mich nett anschreibt. Weil oft einmal ist es so: Dear translator. Dann denk ich mir: Toll, das war ein Massen-Email. Eigentlich interessiert es mich gar nicht. Also wenn da schon mal mein Name steht, find ich das schon mal super (lacht).
I: Das ist ja interessant.
BA3: Und ja, da steht einfach, vor kurzem habe ich erst bekommen: Dear friend. (lacht)
I: (lacht) Dear friend ist auch gut.
BA3: Und da denk ich mir so: Ja okay, dass hast du jetzt hinein kopiert. Irgendwann ist mir mal passiert, da hat die gleiche Übersetzungsagentur am gleichen Tag mir zwei Emails geschrieben.
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Zwei unterschiedliche Personen, da ist zwar oben gestanden: Dear [Name der Befragten], nur ist dann eins zu eins der gleiche Text gekommen. Aber komplett der gleiche. Das war halt oben nett den Namen eingefügt und dann den gleichen Text. Ich hätte mich – beim ersten Email habe ich mich darüber gefreut. Aber wie dann das zweite gekommen ist, hab ich mir gedacht: Toll! (Interessanter Punkt.) Also das ist halt dann auch zum aufpassen. Und ich hab dann, da hab ich ihr dann zurückgeschrieben – es waren ein Mann und eine Frau, die mir geschrieben haben – ihr habe ich zurückgeschrieben, weil es die erste Email war, dass ich eben keine Zeit habe, aber in Zukunft doch gerne einmal was machen möchte und sie soll das ihrem Kollegen ausrichten. Und hab mir gedacht: So, das ist quasi so der Hieb von der Seite, dass sie das vielleicht nicht mehr machen sollen. Dann habe ich mir gedacht, ihm schreibe ich jetzt nicht auch noch zurück. Das dürfen die sich dann in der Firma ausmachen. (lacht) Lustige Sachen. Aber sonst, wenn wer schnell verfügbar ist oder wenn ich wirklich alle meine Infos gleich krieg, klar bin ich da motivierter als wenn ich mir denk, ja ich muss dem jetzt nachlaufen und eigentlich will der was von mir und ich muss aber meine Informationen mühsam zusammenkratzen. Oder einfach wenn der Text total deppert ist, dann zipft’s mich auch irgendwie an. Vor allem wenn ich mir dann denk’: Ja okay, da hätte ich jetzt wieder mehr verlangen können. Weil das ist dann mehr, dass ich mich über mich selber ärger.
I: Und hast du so richtig schlechte Ausgangstexte auch?
BA3: Ich hab einmal einen Text bekommen – das darfst du eigentlich gar nicht erzählen – da hab ich bekommen einen Text, den hätte ich nur zum Verbessern bekommen eigentlich. Das war eigentlich so ein Lektorier-Auftrag, da bin ich dann aber draufgekommen, der hat den englischen Text tatsächlich wirklich in Google-Übersetzer oder so eingegeben und hat mir den dann geschickt und hat gemeint, ich soll den doch bitte ans österreichische Deutsch anpassen weil das ist Deutsch-Deutsch. Dann habe ich zurückgeschrieben, dass das keine geraden Sätze sind und dass ich zwischenzeitlich nicht einmal weiß, was gemeint ist. Aha (lacht) dann ist das ewig lang hin und her gegangen und dann hat er irgendwann einmal geschrieben, was ich denn für eine Übersetzung ausm Englischen verlangen würde. Dann ist mir schon ein Licht aufgegangen, warum der Text so schlecht ist. Und im Endeffekt habe ich dann doch den englischen Ausgangstext bekommen und mir dann gesagt, das kann’s jetzt nicht sein. Also das ist eine komische Art, Geld zu sparen. Da passieren dir die lustigsten Sachen. Teilweise klingt’s echt so, als hätte ich’s mir ausgedacht. Aber es ist zu lustig. Ich weiß nicht, ich habe meinen Gewerbeschein jetzt seit (..) im Februar sind es zwei Jahre aber (..) das glaubst du nicht. Das ist zu lustig. Also (lacht) worauf die Leute nämlich kommen.
I: Nein, es ist echt schon kreativ fast von ihm.
BA3: Ja total, das ist eine lustige Art, Geld zu sparen. Das ist wirklich einer, der nicht gewusst hat, dass du mit Google-Übersetzer nicht weit kommst.
I: Da merkt man wieder, wie wenig Ahnung man vom Übersetzen hat, ge?
BA3: Ja, aber der scheint auch wirklich keine andere Sprache irgendwie zu kennen oder zu können weil sonst probierst du’s doch selber einmal aus. Weil offensichtlich, wenn du wirklich nur einsprachig bist, ja – ich mein, selbst dann kannst du übersetzen und dann wieder rückübersetzen lassen vom Google-Übersetzer und dann verstehst du deinen Text nicht mehr.
I: Eine letzte Frage habe ich noch und zwar was das Beste an dem Beruf ist oder was ist das, was einen stolz macht, was einem Befriedigung gibt?
BA3: Wenn du den Text dann wo findest, irgendwo publiziert, das ist schon cool. Auch wenn du nicht draufstehst – trotzdem – du weißt es zumindest, wobei ich grad eben für’s [Firmenname], das EU-Projekt, das hat auch eine Webseite und dort die Englische Übersetzung, da steht auch mein Name dabei. Das ist schon ziemlich cool. Weil dann stehst halt auch ein bissl doch in der Öffentlichkeit. (...) Und das was mir einfach daugt beim Übersetzen ist, du hast immer wieder neue Sachen. Also du kriegst die unterschiedlichsten Texte, du weißt vorher nicht, was du kriegst und du kriegst halt einen Einblick in irrsinnig viele verschiedene Themen. Wenn du jetzt sagst, gerade wenn du dich jetzt nicht so spezialisierst oder zumindest einmal die allgemeinsprachlichen Texte, da kriegst du halt da einmal irgendwo einen Werbetext oder du kriegst da irgendwo eine Beschreibung oder die unterschiedlichsten Sachen und du kommst aber auf verschiedenste Sachen dann auch drauf. Und wenn du einfach nur dir die Sachen schicken lässt für ein Angebot, du liest es ja dann durch und du siehst einfach so viele verschiedene Dinge, das siehst du sonst
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nicht. Weil auf die Sachen kommst du sonst nicht. Das ist schon fein. Ich mein, soo (..) jetzt seh’ ich halt jeden Tag meine Software und meine Anleitungen. So spannend ist es in dem Sinn nicht. (...) Das ist dann halt schon richtig cool. Und dann siehst du auch gleich einmal, was daugt mir, was daugt mir nicht. Und dann kannst du dich immer noch spezialisieren. Also das ist auch gerade das klasse am Anfang, wo du jetzt sagst, ja ich hab jetzt nichts, wo ich mich spezialisiere, also muss ich quasi eh alles erst einmal schauen und dann hast du aber auch die Möglichkeit, dass du viele verschiedene Sachen siehst.
I: Voll ja. Nein, es gibt schon schöne Seiten auch. So is net.
BA3: Ja, doch. Also ich würde das gleiche wieder studieren, das auf jeden Fall. Auch jetzt hinten nach.
I: Ja, das ist schön.
BA4 – ARMIN I: Mich interessiert es sowieso, wie du zu dem Job gekommen bist?
BA4: Jetzt zu dem Übersetzerjob? (..) Wir sind anfangs zu dritt und dann zu viert immer nach Madrid raus und es hat sich zur gleichen Zeit dann ein Freund noch, der mit raus gefahren ist, umgesehen nach einem Übersetzerjob. Und dann hat er gemeint, er hat was gefunden und die suchen noch mehr Leute und da sind wir dann gleich alle rein gekommen dadurch. Das war Sommer 2011. Und das war ein größeres Projekt, soll heißen, dass jeder so um die 200.000 Wörter gehabt hat. Das hat dann quasi den ganzen Sommer gedauert.
I: Jeder von euch?
BA4: Jeder von uns, genau. Das waren ein paar Millionen insgesamt zu übersetzen. Weil ich weiß nicht, wie viel Leute insgesamt dabei waren, aber waren einmal mindestens zu viert plus noch andere aus Deutschland und so weiter.
I: Und das war wahrscheinlich vom Englischen ins Deutsche?
BA4: Genau ja.
I: Und das war für welche Firma noch mal?
BA4: Das war [Firmenname] heißen die. Die sind in [belgische Stadt] (...) ja, ja. Europa auf jeden Fall (lacht). Und (..) also die sind eben der Mittelsmann sozusagen und übergeben an uns die Aufträge. Das kommt dann wieder zurück, dann wird es noch – dann gibt es noch ein Proofreading, dann gibt es noch eine eigene Quality Assurance in der Firma und dann geht’s an den Kunden zurück. Also als Übersetzer, so wie wir es sind, als freiberuflicher verdienst du zwischen 3 bis 5 Cent pro Wort, wenn es sozusagen ein neues Wort ist. Also ich mein, theoretischerweise Artikel und so die immer vorkommen zählen dann trotzdem auch, solange der Satz nicht ident ist in der nächsten Zeile, ist es egal. Das zählt dann noch.
I: Da wird ein Unterschied zwischen den Wörtern gemacht?
BA4: Ja genau.
I: Das ist ja interessant.
BA4: Und wenn du zum Beispiel 80 Prozent Deckungsgleichheit hast, dann wird halt nur ein Teil davon – dann kriegen wir einen Teil davon mit einem geringeren Satz bezahlt und so weiter und so fort.
I: Wahnsinn, also noch weniger als 3 bis 5 Cent?
BA4: Ja genau. Und das musst du halt überlegen, was die Firma theoretischerweise zahlen muss, also der Endkunde, wenn er über einen Mittelsmann rennt, weil die wollen ja auch was mitschneiden natürlich. Also wenn bei uns – für uns ist dann 5 Cent zum Beispiel schon viel. Da ist dann quasi eine kleine Feier immer dahinter, wenn wir wissen, okay für das nächste Projekt bekommen wir 5 Cent. Und dann möchte ich nicht wissen, was die quasi wirklich verlangen.
I: Und das sind Projekte für Computerspiele?
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BA4: Genau, es ist immer ein Computerspiel zu übersetzen gewesen. Zwischendurch waren wir bei einer anderen Firma, wo mir jetzt der Name nicht einfällt, die waren in Deutschland. Die haben geworben mit Kinderbüchern zum übersetzen. Und das – da musst du kein Spezialist sein sozusagen, hauptsache du hast eine Kindheit gehabt in die Richtung und dann funktioniert das. Und wir haben aber die ganze Zeit dann technische Texte übersetzt wie für Homepages oder irgendeine Anleitung für irgendwas zum zusammenbauen und so weiter und Finanztexte. Und das haben wir immer wieder angenommen schnell so Kleinigkeiten, damit wir halt uns im Endeffekt zu den Büchern kommen, aber die Person, sagen wir so, hat selbst nach ein zwei Monaten noch nicht einmal die Verläge angeschrieben, ob da irgendwas sein könnte. Also es war quasi nur -
I: Welche Person?
BA4: Die Chefin von der Firma, wo wir gearbeitet haben. Und dann haben wir gesagt, ja solche (..) was weiß ich, 2.000 Wörter-Aufsätze, die nehmen viel mehr Zeit weg im Endeffekt, weil’s immer wieder eine Kleinigkeit ist, dann musst du dich wieder reinlesen ins Finanzielle oder sonst irgendwas und dann macht das keinen Sinn mehr.
I: Also seid ihr nach –
BA4: Das haben wir dann aufgehört. Also bei der Firma haben wir aufgehört und bei der in [belgische Stadt] sind wir noch und da bekommen wir immer wieder Spiele-Aufträge rein.
I: Und das sind halt größere Projekte?
BA4: Das sind auch größere Projekte, genau ja. Und wir sind zu viert mittlerweile also wir waren fünf vom Sommer weg, dann hat einer zu arbeiten angefangen überhaupt, deswegen hat er aufgehört mit dem Übersetzen und jetzt sind wir zu viert und wenn halt, keine Ahnung, sagen wir 10.000 Wörter rein kommen, (..) dann versuchst du halt eher, dass vielleicht nur zwei Leute das machen, damit halt irgendwas übrig bleibt. Ich mein, im Prinzip ist es egal weil wenn immer vier arbeiten oder einmal die zwei und dann wieder die zwei, macht dann das Kraut nicht fett sozusagen. Aber jetzt kriegen wir so zwischen 60 und 100.000 immer wieder rein und es ist ganz angenehm. Der einzige Nachteil ist, die Bezahlung hinkt immer hinterher. Aber das hängt mit dem Endkunden zusammen, hast du jetzt da mittlerweile so rausgefunden.
I: Das heißt, wie lange dauert das dann?
BA4: Es ist so, du hast da einen Vertrag unterschrieben, wo gestanden ist „innerhalb von 60 Tagen“ wo wir die Rechnung hinschicken müssen sie’s zahlen. Also es steht: Within 60 days und das ist für mich innerhalb von 60 Tagen. Bis jetzt war’s meistens ab dem oder nach dem 60. Tag wird bezahlt. Aber (..) es ist, glaube ich, endkundenabhängig, weil einer von uns hat auch andere Projekte angenommen, die von einem anderen Endkunden stammen und da war das Geld wirklich innerhalb von den 60 Tagen da, ohne dass man nachfragen musste, wo bleibt’s? Wie schaut’s aus?
I: Aber ihr seid noch nie nicht bezahl worden oder habt irgendwie danach fragen müssen die ganze Zeit?
BA4: Richtig ja, also wir haben immer – also das längste war jetzt der vorletzte Auftrag mit 90 Tagen. Nur weißt eh, wir machen das Geld, das wir verdienen beim Übersetzen, nicht abhängig von irgendwas. Also keine Miete oder gar nichts. Das sind quasi nur so ein Bonus nebenbei. Weil du kannst nicht (..) 60 Tage (..) dann kriegst deine Miete nicht, kannst nicht zahlen, dann kannst du ausziehen oder irgendwas.
I: Ja, ganz klar. Und von diesen vier Leuten, studiert da irgendwer Übersetzen oder hat da irgendwer -?
BA4: Nein, keiner von uns. Also ich bin der einzige, der Englisch studiert. Alle anderen machen (..) einer hat mittlerweile aufgehört, der möchte Privattrainer werden für Fitness, (..) der nächste macht Softwareentwicklung und Wirtschaft auf der [Universität] und der Letzte, weiß ich gar nicht, was der studiert. Aber er ist auf der [Universität], das weiß ich.
I: Okay. Das ist auch interessant. Also die haben sich ihre Sprachkenntnisse wahrscheinlich einfach so angeeignet durch Auslandsaufenthalte?
BA4: Ich schätze einmal Schule, Internet und Fernsehserien und so weiter (..) Musik.
I: Also self-coaching?
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BA4: Ja. Alles dabei.
I: Okay, das ist auch interessant. Ja und wie gehst du das Übersetzen dann an? Das interessiert mich jetzt. Also wie, würdest du sagen, übersetzt du? (..) Kann man das irgendwie beschreiben?
BA4: (..) Angenommen sagen wir mal, wir kriegen ein neues Projekt rein, sagen wir, es ist ein neues Spiel. Dann geht’s natürlich generell darum, dass du irgendwie eine gewisse Konsistenz hast, weil es hilft nichts, wenn jetzt da Gegenstand A bei dem so heißt und bei dem so, dann kommt der Spieler nicht mehr zusammen. Das heißt, entweder gibt es bereits vom Mittelsmann sozusagen einen Glossar, an das du dich halten musst.
I: Und das kriegt ihr immer mitgeschickt?
BA4: Ja, kommt darauf an. Manchmal – beim allerersten Projekt zum Beispiel – da waren die einfach komplett verwirrt noch, weil da kam kein Glossar, kein gar nichts daher und wir haben halt einfach mal los übersetzt. Da haben wir dann selber gesagt, machen wir bitte selber intern was, weil sonst kennt sich kein Mensch mehr aus nachher. Weil jeder übersetzt ein bisschen anders. Du hast natürlich gewisse Sachen, wie, was weiß ich, die ganz normalen Verben mit ‚gehen‘ und so weiter, klar. Da wird jetzt keiner irgendwie verrückt werden und irgendwas anderes nehmen. Und dann geht es darum, wie soll der Spieler angesprochen werden. Weil im Englischen steht immer nur ‚you‘. Da hast keine Unterscheidung im Deutschen und das heißt, sagst du ‚Sie‘, sagst ‚du‘, sagst ‚ihr‘ oder was, was sagt man? Die Regel musst du beachten. Dann – kommt auch darauf an, wollen die oder will dann der Endkunde, wenn es jetzt heißt ‚the XXX‘ ‚ der rote Affe, und es ist einfach ein Eigenname mehr oder weniger, ist dann ‚rot‘ groß oder klein? Keine Ahnung weil wir, bei uns ist es immer klein. Und je nachdem. Ist es ein Eigenname, schreibst du es groß und solche Geschichten. Oder Quest-Texte zum Beispiel, Überschriften oder irgendwas, schreibst du alles groß oder schreibst du alles klein? Ist es eine Überschrift? Oder keine Ahnung. Das erarbeitest du dir langsam und dann schaust du einfach mal die Sätze durch. Du hast ein Übersetzungsprogramm quasi wie eine Tabelle aufgebaut. Du hast die linke Spalte mit, was weiß ich, Hausnummer 500 Zeilen Englisch und dann rechts Deutsch. Das heißt, du liest einmal eine Zeile durch, übersetzt es. Liest eine Zeile durch und übersetzt es und machst so weiter. (..) Wenn man Glück hat, dann sind zum Beispiel längere Texte, die über ein paar Zeilen gehen, trotzdem nur pro Zeileneintrag in der Spalte, ja genau in der Spalte eine Tabelle runter. Dann hast du immer nur einen Satz, einen Satz, einen Satz. Sie hängen zwar zusammen aber du schaust nicht hin und hast so einen richtigen Absatz vor dir, sondern du hast dann wirklich nur einzelne Sätze. Das ist für die Psyche schon einmal wichtig irgendwie. (..) Dann ist immer ein Online-Übersetzer offen, also ein Online-Wörterbuch, zum Beispiel dict oder LEO oder keine Ahnung, weil selbst wenn ich die Wörter kenne, manchmal schau‘ ich einfach nach. Irgendein Wort auf Englisch kann drei Bedeutungen im Deutschen haben und was passt dann am besten dazu.
I: Eine gute Inspiration auch.
BA4: Richtig ja. Erstens einmal willst du dir sicher sein, dass du sicher das richtige Vokabel hast und zweitens einmal hast du Versionen, wo du dich verbessern kannst und so weiter. Es gab ein paar Leute, die (…) es gab das Wort, das hieß ‚dreadnot‘, okay? Und theoretischerweise, wenn du es einzeln übersetzt, wäre ‚dread‘ fürchten und ‚not‘ ‚nichts‘. Wenn man dieses Wort in irgendeinem Wörterbuch eingegeben hätte online, dann hätte man herausgefunden, dass es sich um ein Kampfschiff handelt. Die Person, die das übersetzt hat, hat „Fürchtenichts“ geschrieben, also als ein Wort, als Hauptwort.
I: Welche Person?
BA4: Das war einer von unserem Team, einer oder eine, keine Ahnung mehr. Also irgendwer vom Team damals im Sommer. (..) Deswegen immer nachschauen sozusagen. Weil du weißt nie, ist irgendwas ein Spezialausdruck oder sonst irgendwas. Und dann übersetzt du einfach mal durch runter. (..) Je nachdem wie fließend der Text ist, ob technische Sachen dabei sind, ob du viel nachschauen musst, man sollte so um die 500 Wörter in einer halben Stunde zusammenbringen, wenn es gut rennt.
I: Weil wie sind eure Deadlines so?
BA4: (…) Jetzt geh’ ich vom letzten Projekt aus zum Beispiel, da hat sie so gesagt, wir haben 12 Arbeitstage Zeit. Das sollten jeden Tag 2 Dateien, jeweils 2.500 Wörter hergeben. Wir waren zu viert, sprich wir haben uns immer abgewechselt. 1, 2, 3, 4 durchgezählt. So hat jeder immer einen Tag Pause gehabt zum Abgeben her. Und das (..) 2.500 Wörter schaffst du an einem Tag
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nebenbei. Wenn du’s hauptberuflich machst, musst natürlich mehr tun. Aber so ist das die Grenze, wo man nicht irgendwie (…) also es ist nicht wirklich ein Burnout aber wo man nicht zu erschöpft wird oder sowas. Weil du studierst noch nebenbei, musst noch lernen nebenbei.
I: Und glaubst du, kann man das hauptberuflich machen?
BA4: Oh ja. Oh ja. Es ist nämlich so weil – Ich mein, es kommt auch drauf an. Du musst halt dann eine Firma starten mehr oder weniger, dann hast du ja wieder andere Abgaben und dann hast Steuern dahinter und so weiter, weil wenn du als Student unter die 11.000 oder was es sind bleibst, dann musst du ja nichts davon hergeben. Und dann auf jeden Fall, selbst wenn ich – angenommen ich bekomm‘ 5 Cent pro Wort (…) was machen wir (…) – so jetzt muss ich schauen, dass ich nicht hängen bleibe – 1.000 Wörter, sind 50 Euro. Ja. Gut. Wenn du dann 2000 Wörter pro Tag hast, hast 100 Euro. Pro Tag! Hast aber einen Aufwand von, sagen wir, fünf Stunden von mir aus, naja vier Stunden.
I: Aber da musst du ja regelmäßig was reinkriegen?
BA4: Eben, das ist ja das größte Problem. Wenn du wirklich regelmäßig Montag bis Freitag jeden Tag 100 Euro verdienen willst oder mehr noch, weil du, sagen wir mal, wenn du’s wirklich hauptberuflich machst, hast du ja acht Stunden Zeit. Sagen wir 200 Euro pro Tag, hast einen Tausender in der Woche.
I: Das ist interessant, weil das ist wieder anders als bei anderen freiberuflichen Übersetzern, die jetzt Texte aus allen möglichen Textrichtungen oder Textsorten rein kriegen. Einmal haben sie einen Computer-Text, dann haben sie wieder einen über irgendwas Ärztliches oder so, wo sie extrem viel Zeit ins Recherchieren investieren müssen.
BA4: Genau ja.
I: Da geht das mit der Zeitrechnung dann nicht mehr auf.
BA4: Nein, das ist richtig. Deswegen sind wir eben von dieser deutschen Firma weggegangen weil erstens einmal werden die Finanztexte, da sind einfach Sätze, die über ein paar Zeilen gehen. Und im Englischen kannst du Sachen leichter verbinden mit, mit was weiß ich, doing while bla und irgendwas dabei und da musst du im Deutschen wieder, manchmal musst du einen komplett neuen Satz anfangen, manchmal musst du irgendwie aus’m Verb ein Hauptwort draus machen und lauter solche Geschichten. Und bei – es ist zwar, es kommt halt bei den Spielen natürlich auch vor aber nicht in dem Ausmaß und nicht mit dem Spezialvokabular und sowas. Und wenn du vorher ein bissl gespielt hast, dich ein bisschen interessiert hast, dann weißt du zum Beispiel, dass das ein Magier ist und dass das ein Zauberer ist und dass das das ist und du – also –
I: Aber es sind immer unterschiedliche Spiele?
BA4: (..) Mittlerweile ist es so, dass wir bei einem Spiel immer die Updates bekommen. Weil es macht es dann auch leichter, weil dann wissen die, okay, wir haben an dem Spiel schon gearbeitet, jetzt geben wir denen wieder was, weil die kennen sich aus in der Welt und worum es geht und so weiter. Es ist nämlich eine gewisse Geschichte dahinter bei den (…) Kennst du World of Warcraft? (Ja.) Okay. Solche Spiele. Da ist immer viel im Hintergrund und Updates und überhaupt die ganze Geschichte, die dann entsteht. Und da musst dann natürlich halt dabei bleiben und dann wenn du halt irgendwen neuen hinein bringst, der weiß dann zum Beispiel nicht, dass das jetzt irgendein Astralschiff ist oder was weiß ich. (Ja, genau. Verstehe.) Und das ist unser Vorteil. Und das ist bei Spielen eben einfach viel angenehmer. Weil man spielt selber viel, dann liest du viel über diese Dinge und dann kennst du dich aus.
I: Ja, das ist klar. Und war das einfach für euch, diese Jobs zu kriegen? Weil ich denke mir, gibt es da nicht andere Deutschsprechende, die das hätten machen können? Oder ist da die Konkurrenz nicht groß?
BA4: Ich weiß nicht. Es war einfach voll viel Glück dabei, glaube ich. Es war einfach, die haben im Sommer haben sie für diese paar Millionen Wörter viele Leute gesucht. Und bei mir war es so, es hat geheißen, ja schick dem und dem eine Email mit deinem Lebenslauf, dann bekommst du einen Test. Ich habe eine Email hingeschickt über deren Online-System und ich hab‘ halt keine Antwort bekommen. Schreib ich halt nochmal direkt hin und so ja, ob es da noch jetzt einen Platz gibt und so weiter weil halt Freunde von mir und so sind da dabei. Und da hat die dann gemeint, es gibt noch Plätze und hat halt gemeint, ja sicher okay. Mach halt den Test. Dann hast du halt den kurzen Aufnahmetest gehabt von, was weiß ich, 200 Wörtern oder so. Und dann haben sie halt bewertet.
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I: Und das kontrolliert dann wahrscheinlich ein Deutsch-Englisch-Spezialist oder was?
BA4: Ja ja. Also schon. Einer von dem Team selber vom Mittelsmann sozusagen, die haben selber einen (..) einen Deutsch-Absolventen gehabt sogar, mit dem haben wir eh ein paar Mal Probleme gehabt, wegen dem österreichischen Deutsch und deutschen Deutsch. Da hast du dann, nicht oft, aber doch ein paar Mal Unterschiede. Einmal zum Beispiel haben wir der deutschen Firma, die haben zurückgeschrieben, ja es war gut übersetzt aber ihr habt zwei Fehler gehabt, die die Kundin – es waren wirklich zwei Wörter falsch – und die Kundin hätte die selber ausbessern können. Wäre eine Arbeit von 5 Sekunden gewesen. Es ging darum, mit Januar und Jänner. (…) Da müsst ihr aufpassen. Sagen wir, ja, okay, entschuldigung. Ich mein wir, ich sage immer frech irgendwie, wir haben einen größeren Wortschatz (lacht) weil wir drücken’s halt auf unsere Art aus und auf die deutsche Art aus also van daher (lacht).
I: Stimmt, ja (lacht).
BA4: Is komisch. Nein mit den Spielen, also wenn du wirklich regelmäßig Spiele rein bekommen würdest und bei 5 Cent bist und mit 2.000 Wörter pro Tag oder mehr, lasst es sich fein leben.
I: Also hast du nicht das Gefühl, dass da so eine große Konkurrenz ist oder so? Also du musst den Auftrag schnell annehmen, damit es nicht wer anderer macht?
BA4: Nein ich weiß nicht also - Nein, nein, nein. Das ist bei der Gott sei Dank nicht. Es gibt dann, wie du sagst, es gibt dann Online-Plattformen, da kommen dann Aufträge rein, da muss man dann eine Mitgliedschaft zahlen zum Beispiel und dann steht zum Beispiel: Geburtsurkunde übersetzen oder irgendwas anderes: Ich möchte meine Arbeit über das und das von der Uni übersetzen lassen. Und da hast du einen Konkurrenzdruck einen großen weil dann: Wer bietet die beste Rate an für ein Wort? Wer kann am schnellsten? Wer hat eine Mitgliedschaft, wer nicht? Wir können zwar die ganzen Angebote einsehen, aber natürlich wollen wir kein Geld ausgeben für eine Mitgliedschaft. Und dann schauen wir, dass du so vielleicht Glück hast und es stehen genau genug Kontaktinformationen dort, dass du den so privat anschreiben kannst und sagen kannst: Ja he, wir sind vier Leute aus Graz bla bla bla, mach’s doch mit uns.
I: Vor allem im Team stell‘ ich mir das gut vor.
BA4: Ja genau. Es war eben deswegen auch der, wie soll ich sagen, also wir haben gesagt, ja wir sind jetzt zu viert in Graz oder zu fünft und wir können da eine höhere Konsistenz bieten weil wir ein eigenes Büro haben bla bla bla wir sagen’s jetzt, obwohl wir es nicht haben, kommt halt gut rüber. Ich mein, wir wollten wirklich. Wir haben gesucht und geschaut. Nur es rentiert sich dann im Endeffekt nicht, wenn du irgendwas mieten musst. Weil im Endeffekt Internet, du bist verbunden, du hast Skype und die ganzen Geschichten also –
I: Absolut, ja. Und habt ihr irgendwann auch mal ein Feedback zurückbekommen? Positives, negatives? Irgendwas?
BA4: Sowohl als auch, ja. Also bei dem Sommerprojekt damals 2011 das war eher so gemischt so meistens gut, ein paarmal schlecht aber die haben uns nie Prozente abgezogen oder so. Dann dieses Jahr haben wir ein neues Spiel dazu bekommen. Das erste Projekt war super, haben sie gemeint, toll gerne wieder. Dann war das zweite Projekt (..) nicht so gut. Ich weiß nicht, was ich gehabt habe, ich hab‘ zum Beispiel das Post gesagt. Und lauter so – es waren ein paar Fehler drinnen, wo du dir an den Kopf greifst und denkst, das kann eigentlich nicht sein. Was war da in der Zeit los? Weiß ich nicht aber auf jeden Fall
I: Weil wenn man recht viel übersetzt, dann wird’s -
BA4: Ja wahrscheinlich, keine Ahnung. Und du willst wahrscheinlich fertig werden mitten in der Nacht und du machst schnell durch. Und da war es dann zum Beispiel so, dass die gemeint haben, ja das geht so nicht und ich würde vorschlagen, 50 Prozent vom gesamten Projekt wird abgezogen. Und das haben wir halt hinnehmen müssen.
I: Aso, das heißt, nicht vom Gehalt oder so hab ich gedacht 50 Prozent. Also vom Projekt ziehen die was ab?
BA4: Vom Projekt. Nein, nein, es gibt kein Gehalt für uns sozusagen. Das ist immer nur auftragsbezogen.
I: Also das, was ihr gemacht habt, haben sie schon bezahlt.
BA4: Genau ja.
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I: Okay, ob ihr noch was kriegst dann von dem Projekt?
BA4: Genau ja genau. Zum Beispiel ob nachher noch was kommt und es wird halt sagen wir (..) wir haben irgendwas bezahlt bekommen, 1.000 Euro, da sagen sie: Nein, da ziehen sie 10 Prozent ab, weil das und das schlecht war. Sagst du, ja okay gut, tut uns leid, wir schauen, was da passiert. Und ich weiß nicht, ob die einfach – keiner kennt die Firma und ob die dann keine Leute bekommen weil theoretischerweise wenn du einmal schlecht bist und so wie das im Endeffekt auch gut bezahlt ist, müsste man sich denken, okay, jetzt sind wir draußen, jetzt kommt ein neues Team und die kriegen die ganzen Aufträge aber sie fallen immer wieder auf uns zurück.
I: Wahrscheinlich sind solche Teams nicht so häufig, stell‘ ich mir vor.
BA4: Das kann sein.
I: Wahrscheinlich arbeiten viele alleine.
BA4: Das kann sein. Ja, ja. Und dadurch bekommen wir die Aufträge weiter. Es war, einmal war’s wirklich schlecht. Da waren ein paar Schnitzer drinnen eben allein was nur deutsche Grammatik betrifft und so weiter und sonst hat’s eigentlich immer gepasst. Also wenn wir meistens nichts hören, dann passt’s. Wir fragen aber immer sicherheitshalber nach, damit wir quasi beruhigt schlafen können, blöd gesagt. Und dann –
I: Und wann kann man nicht beruhigt schlafen?
BA4: Weiß ich nicht, wenn man (..) ich mein’, es ist so, angenommen du warst unter Zeitstress, weil du irgendwas vernachlässigt hast oder so und gibst es ab und du weißt, okay, du hast jetzt keine Zeit mehr gehabt zum Durchlesen noch einmal oder sonst irgendwas. Dann macht man sich kurze Zeit Sorgen, aber ich mein’, im Endeffekt, du hast es abgegeben, es ist vorbei, es hilft nichts mehr, egal wie viel Sorgen du dir machst, egal wie viel du dir den Kopf zerbrichst, es ist schon passiert. Also insofern ist es nicht so stark vertreten aber (..) manchmal denkt man sich so, wenn man das erste Feedback zurückbekommt, einmal zum Beispiel: Ja, das war nicht so gut – ich mein, das ist immer sehr vage, was dann da zurückkommt. Ich mein, es war nur nicht so gut. Nur weil dann, was? Hat die Flüssigkeit nicht gepasst? Waren ein paar Wörter – haben wir uns nicht an das Glossar gehalten? Irgendwas.
I: Also das präzisieren sie nicht?
BA4: Nein, das musst du dann noch einmal genauer nachfragen und dann bekommst du vom Proofreader das Feedback dann zurückgeschickt.
I: Aber es ist cool, dass ihr so Qualitätsmanagement dort auch schon habt mit Proofreadern und so.
BA4: Ja genau. Ja sicher. Was wir meist, immer machen ist auch zuerst übersetzen, fertig machen. Dann gehst du einmal ein bissl weg und dann liest du es selber noch einmal durch. Man sieht dann immer beim Übersetzen selbst, du bist so in der englischen Satzstruktur drinnen, dass du das im Deutschen genauso hinschreibst. Es funktioniert im Deutschen, weil es sehr variabel ist, aber es hört sich natürlich in der normalen Satzbildung besser an. Und dann merkst du dann, okay, da gehört das Wort da her, das Wort war so und so hinschreiben und so weiter und so fort.
I: Jetzt fällt mir gerade was dazu ein. Computerspiele übersetzen, was übersetzt man da eigentlich genau? Irgendwie die Beschreibungen oder diese Titel im Bild, diese Untertitel?
BA4: Alles. Also je nachdem, was du kriegst. Alles was du kriegst.
I: Weil da wirst du ja auch sehr vom Platz, da wirst du vielleicht auch eingeschränkt?
BA4: Nein, das ist der einzige Vorteil. Dadurch dass es sich um ganze Quest-Texte handelt und Erzählungen wie der ist dort hin gegangen und hat den geschlagen, der ist gestorben, hinterhalten, hast du sowieso mehr Platz. Weil da sind dann hoffentlich die Entwickler so klug, dass sie einen scrollenden Text einbauen und so weiter, weil die deutsche Sprache hat nun mal längere Wörter und so Geschichten. Das funktioniert dann Gott sei Dank. Manchmal, ich hab da jetzt zum Beispiel ein eigenes Projekt gehabt auch, das war vom gleichen Spiel und das war eben für iphone und so weiter, die ganzen Handy-Geschichten und da ist dann bei manchen Streams dabeigestanden: Achtung 16 characters Platz, Achtung 8 characters Platz, bitte schauen. Es hat dann meistens damit geendet, dass du st.b. irgendwelche Abkürzungen hast mit Punkten halt. Du hoffst halt, okay, hoffentlich verstehen die Leute das. Das ist der einzige Nachteil im Deutschen. Das heißt, du hast längere Wörter.
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I: Ja genau, aber du denkst, wenn du übersetzt, denkst du schon an den Leser, oder? Oder denkst du dann, ich will den Auftrag erfüllen jetzt, um an mein Geld zu kommen oder so (lacht)?
BA3: Nein, ich versuch’ schon, dass es die Leute, die es dann spielen und so weiter, dass es eventuell einen Spaß macht, wenn das funktioniert, weil ich mein Humor ist sowieso schwer zu übersetzen. Da musst du dann halt mit ganzen Sprichwörtern oder so weiter zurecht kommen sowohl im Deutschen als auch im Englischen. Aber sie sind meistens relativ humorlos (lacht) also nachdem es immer meistens um irgendeinen Krieg oder sonst was geht, ist da nicht viel zu lachen dabei (lacht). Aber (…) es ist zuerst einmal eine gewisse Motivation da, weil du weißt, du verdienst Geld. Dann übersetzt du voll schnell, hörst Musik dabei, schreibst das halt schnell runter, runter. Zum Ende hin immer wieder (..) wird’s ein bisschen anstrengend. Aber da du zuhause arbeitest ist es komplett egal, wenn du mal aufstehst, einmal eine halbe Stunde nichts machst oder irgendwas anderes machst und so weiter. Das könnte ich mir in einer Firma anstrengender vorstellen (..) weil nach, ich sag‘ einmal, (..) nach 2 Stunden – du hast wirklich durch übersetzt, sagen wir mit kleinen so ein, zwei Minuten Pause oder so, trinken und so weiter – das geht sehr auf die Konsistenz. Also da (..) da musst dann einfach eine Pause machen. Du wirst einfach müde, du schaust die ganze Zeit auf den Computerbildschirm, du musst überlegen, wie schreibst du das, so oder so.
I: Du konzentrierst dich ja ohne Pause.
BA4: Ja ja, genau, ja. Und ich mein’, wir sind ein bissl trainierter, weil wir mehr PC spielen (lacht). Aber generell, das ist dann halt einfach eine andere Art.
I: Dieses Übertragen von einer Sprache in die andere, das ist schon extrem ermüdend.
BA4: Ja genau.
I: Aber was ist noch motivierend?
BA4: Dadurch dass du bei einem Spiel dabei bleibst, wird’s halt einfacher. Und du weißt, du hast nicht so eine große Hürde vor dir irgendwie. Wenn ich wüsste: Hey, du bekommst da 10 Cent pro Wort, es sind aber 5.000 Wörter für einen Finanztext (..) Es ist zwar viel Geld im Endeffekt, aber das überleg‘ ich mir zweimal, weil du weißt nie, wirst du fertig, hast du genug Zeit. Es kommt immer darauf an, wie viel Zeit du hast. Wenn ich es mir so einteilen könnte, dass ich jeden Tag eine Stunde daran sitz‘, dann hab‘ ich kein Problem damit. Wenn sie aber sagen, nein, das muss in 3 Tagen fertig sein, dann (..) ja.
I: Also motiviert dich die Textsorte Computerspiel einfach?
BA4: Auf jeden Fall eher.
I: Das heißt, das ist quasi deine Motivation?
BA4: Richtig ja. Und weil es eben einfacher ist. Ich mein, ich weiß nicht, wenn ich irgendein Spezialgebiet machen würde, dann klar, würde ich mich darauf stürzen auf Finanztexte. Du musst halt das Vokabular nebenher aufbauen. Bei Computerspielen, abgesehen dass irgendein blauer Affe oder irgendwas herumrennt, ist es (..)
I: Ja und was machst du da, wenn du solche Fragen hast? Stellst du die dann ans Büro? Wie läuft das ab?
BA4: Aja genau, okay. Es gibt dann eine Excel-File sozusagen, dort schreibst du hin: In der Datei in dieser Zeile steht das und das drinnen, ich würde es so oder so übersetzen. Oder: Was heißt das überhaupt? Oder, ich weiß nicht: Wie wollt ihr’s im Deutschen haben? Wollt ihr da Großbuchstaben sonst irgendwas? Das wird dann gesammelt und wird dann an den Kunden geschickt, an den Endkunden und dann kommt das Feedback nach ein paar Tagen zurück zum Beispiel.
I: Und das reicht von der Zeit her?
BA4: Es reicht meistens aus. (..) Beim letzten Projekt haben wir’s so gemacht, nachdem der Proofreader ja immer hinten nach ist, weil er muss ja warten bis die Dateien ankommen, (..) haben wir einfach abgewartet, hat der Mittelsmann einfach abgewartet, bis der Proofreader alles zusammengefasst hat für irgendwas und dann haben sie’s hingeschickt. Weil er hat die Dateien ein bisserl länger und dann kommen die Antworten bei ihm zurück und er schaut dann, dass er alles auf gleich bringt. Bei uns war’s einfach nur so, wenn wir Fragen gehabt haben, entweder dem Proofreader übermitteln oder sonst einfach nur, du kannst auch im Programm kannst du einen
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Kommentar irgendwo hinschreiben: Achtung, hier steht im Englischen das, ich hab aber das genommen weil das besser zusammenpasst oder irgendwas.
I: Aber das klingt als hättet ihr eine gute Zusammenarbeit oder als wären die sehr kompetent von dem Büro, sag ich mal.
BA4: Es ist nur, sie lassen uns nicht direkt mit dem Kunden reden, was eh irgendwie verständlich ist, weil du (..) sonst schreibst du alle paar Minuten ein Email und das nervt die auch, die müssen auch weiterarbeiten am Spiel. Die müssen mehr machen als nur Texte lesen und so weiter. Es ist (..) ich glaub, es funktioniert nicht anders, weil die werden wahrscheinlich beim Endkunden nicht eine Person extra dafür bezahlen, dass er sich das Ganze durchliest und das Feedback zurückschreibt. Sondern da wird einfach jeder immer irgendwas machen, schätze ich einmal. Ich weiß es nicht genau. Aber es ist wahrscheinlich mehr das Problem, dass es eben so kompliziert gestaltet ist, sag ich jetzt einmal, als dass es an der Inkompetenz liegt (…) ja.
I: Und was dämpft dein Engagement oder deine Motivation?
BA4: (…) Es muss, wenn ein Projekt vorbei ist, muss eine gewisse Pause da sein, weil es dann irgendwie zu nerven beginnt oder einem auf den Geist geht oder so, dass man wieder übersetzen muss. Wenn man mal ein bisschen eine Pause gehabt hat, dann kribbelt es einen schon wieder, dann denkt man sich, jetzt würd ich gerne wieder was übersetzen, jetzt unabhängig vom Geld aber ich möchte einfach wieder ein bissl was weitermachen. Weil im Endeffekt auch wenn’s irgendwelche Fantasy-Texte oder sonst was sind, es hilft mir ja auch ein bissl. Das heißt für’s Englisch-Studium hilft’s mir ein bissl weil Satzstrukturen und keine Ahnung, wie übersetz‘ ich das, wie soll ich das übersetzen, Grammatik und solche Geschichten. (..) Ein Dämpfer ist nur, naja es gibt eigentlich keinen Dämpfer. Wir gehen immer davon aus, dass wir 3 Cent bekommen und einmal war eine angenehme Überraschung, dann kommt die Rechnung daher und es war einfach so um 1.000 Euro mehr oder so. Wo du denkst: Okay, cool, die haben das und das und das alles berechnet extra. Andererseits es war lustig zu beobachten, dass wenn wir wissen, dass wir 3 Cent bekommen, ist irgendwie das Engagement nicht so stark dahinter und die Motivation als wenn wir 5 Cent bekommen. Da hauen wir uns viel mehr rein, weil irgendwie du willst dann wieder 5-Cent-Aufträge bekommen und wieder und wieder. Und deswegen (..) und das hat dann wirklich funktioniert auch. Weil da haben wir dann alle gesagt: Ge wurscht, komm, jetzt reißen wir uns zusammen und machen das gescheit und funktioniert, gutes Feedback und so weiter und neuen Auftrag bekommen.
I: Aber du hast gesagt, du brauchst so eine Pause. Wie lang ist das circa? Eine Woche? Ein Tag?
BA4: Nein nein, mindestens eine Woche einmal. Mindestens eine Woche, dass man komplett abschaltet von dem, was halt zu machen war. Aber es sind eh immer mindestens, mindestens 2, 3 Wochen Pause locker.
I: Boah, jetzt stell dir vor, du machst das hauptberuflich.
BA4: Genau, das ist die Frage. Wie viel musst du dann am Tag machen, dass du (.. ) ich glaub’, wenn du Montag bis Freitag das durchmachst und du machst es hauptberuflich, sprich du hast keine Uni nebenbei, du musst dich nicht um Prüfungen kümmern und schauen, dass du durchkommst und schauen, dass du einen Platz kriegst, das fällt dann alles weg mehr oder weniger.
I: Du brauchst ja die Pause aufgrund deiner Gesamtbelastung.
BA4: Genau. Es kommt halt natürlich dazu, dass du dann wahrscheinlich, du hast eine eigene Wohnung, du musst halt schauen, dass du so über Wasser bleibst mit dem. Also wenn du dich dann einmal dafür entscheidest dann gibt’s halt wenig Zurück mehr oder fast kein Zurück mehr. So nebenbei geht’s.
I: Okay ja. Und was, du hast jetzt gesagt was dein Engagement irgendwie dämpft, aber was ist frustrierend? Gibt es sowas, wo du sagst: Das ist frustrierend? Oder hast du dir noch nie gedacht, nein ich könnte diesen Job nicht machen?
BA4: Das einzige ist wirklich, wenn wir jetzt zurückkommen auf den Sommer 2011, dass das Geld nicht rechtzeitig gekommen ist damals. Weil da fängst du dir an zu denken, okay, warum sollte ich pünktlich arbeiten, wenn ich mein Geld nicht bekomme? Obwohl es im Sommer war und wir waren eh in Madrid arbeiten generell und so weiter. Aber trotzdem. Und wenn (..) wenn manchmal im Team quasi ein bisschen eine lässigere Stimmung herrscht, was die Deadlines betrifft. Beim
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letzten Projekt haben wir zum Beispiel durchnummeriert. Der macht das dann, dann ist dann die Abgabe. Du bist am 11. dran, dann wieder am 13., dann wieder am 16. und so weiter. Und Deadline ist immer 17 Uhr an dem Tag weil die sperren um 18 Uhr ihr Büro zu, das heißt die möchten die Datei bekommen, damit sie’s dann zum Proofreader schicken kann. Und da ist dann meistens, oder sagen wir eher die Hälfte der Zeit, knapp hingearbeitet worden. Ich hab zum Beispiel dann angefangen, nein, ich mach einfach so, dass ich immer einen Tag früher fertig bin, damit ich immer einen Puffer hab ein bissl und dann geht das weiter. Weil es ist ja im Prinzip egal, ich mein, im Prinzip ist es nicht egal. Wenn du es um 17 Uhr hast, okay. Wenn du es früher machst, hast halt früher mehr Arbeit und bist eigentlich später fertig. Also der Aufwand bleibt halt der gleiche. Es kommt nur darauf an, wie viel Zeit du hast, wie motiviert du bist und so weiter. Und das einzig frustrierende ist eben ein bissl so eine Lockerheit dahinter und ja ja passt schon, machen wir schon, schicken wir schon ab, tun wir schon. Das ist das einzige, was nicht so cool ist. Aber es ist immer nur, wie soll ich sagen, sehr gering einfach. Also sagen wir zu 90 Prozent rennt’s einfach gut bis perfekt. Und das passt, ja.
I: Und das daugt dir. Ja, den Eindruck hab ich auch. Und hast du so das Gefühl, dass du ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht hast, wenn ihr so einen Auftrag annehmt? Generell im Beruf?
BA4: Also generell ist es so bei der Firma, wo wir sind da in [belgische Stadt], es wird alles angenommen, so gut es geht. Und auch kleinere Sachen, die reinkommen –
I: Was von euch oder von ihnen?
BA4: Nein, wenn die zum Beispiel fragen: He, habt ihr Zeit für das und das? Dann sprechen wir uns kurz ab, aber generell ist eh jeder dahinter, weil er das Geld sieht. Also (..) außer es steht 1 Cent, dann sagen wir, weiß ich nicht, was ist mit Geld passiert (lacht) zum Beispiel, aber sonst. (..) Nein, da versuchen wir so viel wie möglich zu machen.
I: Super, dass ihr so zufrieden seid (lacht).
BA4: Und jetzt haben wir zum Beispiel eine Anfrage rein bekommen: Ja, wir hätten drei neue Spiele. Und da haben wir so lesen angefangen. Steht so: 10.000 das erste, wo ich mir denk’, okay, machen dann nur zwei Leute. Dann war (..) aah jetzt möchte’ ich dich nicht anlügen aber ich glaube 100.000 oder so das zweite Spiel und dann 800.000 das dritte. Wo ich mir so gedacht habe, die muss sich verschrieben haben. Da ist vielleicht eine Null zu viel oder irgendwas (lacht). Und du musst jetzt überlegen, angenommen – ich mein natürlich haben wir dann alle zu träumen angefangen – also angenommen diese 800.000 sind 5 Cent wert, dann sind das 40.000 Euro. Das heißt 10.000 pro Kopf. Das ist natürlich verdammt viel. Aber jetzt – nur angenommen du bekommst es im Sommer und arbeitest drei Monate (..) für 10.000 Zuhause, musst nicht in die Uni fahren. Das wäre perfekt.
I: Wow, schon eine Motivation, oder? Ja und was -?
BA4: Wir wissen noch nichts dazu. Wir haben schon zurückgeschrieben, wie viel Cent, wie schaut’s aus, wann, wo, wann? Ja sie hat noch gar keine Ahnung. Sie weiß nur, dass es drei Projekte gibt.
I: Würdet ihr das jetzt auch für einen Cent machen?
BA4: Nein.
I: Also es wären schon die 5 Cent? Da würdet ihr jetzt nicht runter gehen?
BA4: Also 3 Cent Minimum weil mittlerweile haben wir ein bisschen Erfahrung. Am Anfang nimmst du einfach die Sachen an, wo du weißt nicht, wie stellst du dich an. Ich mein, nur weil ich Englisch reden kann heißt es noch lange nicht, dass ich vom Englischen ins Deutsche übersetzen kann oder Deutsch-Englisch und solche Geschichten.
I: Also das hast du durch deine Erfahrungen schon gelernt?
BA4: Ja genau. Und dadurch, unter 3 Cent wird’s wahrscheinlich nichts werden. Und es ist ja so, 3 Cent ist wirklich in der Branche eher ein Hungerlohn. Und was ich so gehört habe 10 Cent und noch mehr, aber die sind halt alle – haben das studiert, sind es hauptberuflich.
I: Oder es sind halt andere Textsorten.
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BA4: Genau andere Textsorten haben ein gewisses Prestige schon erreicht und mehr soll man angeblich noch bekommen, wenn man von Deutsch auf Englisch übersetzte. Aber das weiß ich nicht, ich habe noch nie so einen Auftrag gehabt.
I: Das habe ich noch nie gehört.
BA4: Aber angeblich ist es für einen deutschen Muttersprachler dann schwierig.
I: Na ja es ist generell schwieriger in die Fremdsprache. Aber die meisten Freiberuflichen machen halt beides. Ins Englische und ins Deutsche. Da wird gar nicht gefragt, da nimmst du halt alles an. Und die Preise sind aber dieselben, was ich weiß. Das wird nicht mehr honoriert.
BA4: Aha, okay. Aso. Okay, okay. Also wir machen nur Englisch-Deutsch.
I: Und hast du das Gefühl, es wird honoriert, was ihr da macht oder so?
BA4: Nein, nein, nein, es passt schon. Weil jetzt zum Beispiel ist wieder ein neuer Auftrag reingekommen vom gleichen Spiel und da haben wir gefragt ja wie sieht’s aus mit’m vorigen Projekt, hat das gepasst und so weiter? Da hat sie gemeint, ja der Proofreader hat gemeint, das ist eine gute Qualität und (..) dann hat sie sogar noch geschrieben, unser Koordination irgendwas mit „let’s dazzle them with“ was weiß ich „your best work“ oder was auch immer. Und das war schon cool, wenn ein bissl was, weil sonst sind’s immer nur so ganz trockene: Hi, dann und dann die File. Ciao. Okay danke, ciao.
I: Sind das immer dieselben Leute, mit denen ihr da kommuniziert?
BA4: Wir sprechen immer mit derselben Person, ja.
I: Okay, und ist da noch nicht irgendwie so ein bisschen persönlicher geworden? Oder wie ist der Kontakt? So trocken wie du gerade beschrieben hast immer?
BA4: (..) Es ist schon eher trocken.
I: Die hat wahrscheinlich mehrere Leute.
BA4: Ja, das sowieso. Ich mein, ich weiß nicht, du wirst dich halt an gewisse Formen halten. Dann schreibst du halt: Dear so und so. Oder manchmal, wenn ich jetzt schnell abschicke, schreibe ich nur: Hi Frau so und so, da angehängt diese Dateien. Schönes Wochenende, sonst irgendwas. So in die Richtung geht es auch.
I: Floskeln? (Ja genau ja.) Und wann empfindest du Stolz? Ich mein, du hast schon gesagt, es ist cool, wenn man was fertig gemacht hat, ein großes Projekt, man kriegt ein Feedback zurück.
BA4: Das Problem ist (...) das Spiel, das wir im Sommer 2011 gehabt haben, das hat es einfach schon so ewig gegeben, da ist weil es ist vom Südkoreanischen ins Englische übersetzt worden und dann vom Englischen ins Deutsche. Und in Südkorea hat es das Spiel aber schon 4, 5 Jahre gegeben. Wenn es angenommen ein komplett neues Spiel wäre, das jetzt für sagen wir die USA, für den japanischen Markt oder was oder den südkoreanischen Markt und dann für den deutschen Markt gleichzeitig rauskommt, das wäre dann was anderes. Weil so wenn wir ein Spiel einmal mit übersetzen, das eine ist jetzt (..) in Russland eher beliebt und damit haben wir halt nichts am Hut. Ich mein, es ist ja generell vom Russischen ins Englische und vom Englischen ins Deutsche. Und ich hab von dem Spiel am Anfang noch nie gehört gehabt. Ich mein, ich spiele ja nicht so viele so WOW mäßige Spiele aber man bekommt halt generell was mit, was jetzt so rauskommt und so. Und das ist eben so ein Spiel, wo du nichts zahlst grundsätzlich. Willst du aber besser werden, musst du immer so kleine Beträge einfließen lassen. Sagen wir, du kriegst dann bessere guns oder was weiß ich, so was in die Richtung. Und von uns hat das keiner gespielt. Also, da wissen wir –
I: Also die waren alle neu?
BA4: Ja genau. Und wenn es halt von irgendeiner berühmteren Firma wäre, dann freust du dich schon. He, das hab ich übersetzt und so weiter und so fort.
I: Das denk ich mir. Das wird ja dann auch wirklich verwendet, also ich mein das ist ja richtig cool.
BA4: Ja genau.
I: Weil die meisten Übersetzungen von Übersetzern die verschwinden ins Nirgendwo, keine Ahnung. Da hast du halt überhaupt nicht so dieses, kannst halt nicht so stolz sein darauf und das stelle ich mir bei euch halt ganz anders vor.
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BA4: Ja nein, wir haben mit den Spielen – wir spielen sie auch nicht. Wir wissen zwar worum es geht, was die Spielmechanik ist also was das sein sollte aber wir spielen die einfach selber nicht.
I: Wäre das hilfreich manchmal? Kennt man sich trotzdem aus?
BA4: Nein man kennt sich trotzdem aus, weil zum Beispiel der russische Kunde hat dann auch Bilder mitgeschickt: Achtung, das ist so ein Umhang, der so ausschaut. Achtung, das ist eine Robe. Das ist was zum Aufsetzen, das ist ein Schmuckstück und sonst irgendwas. Da war dann am Anfang viel dabei. Und das Sommerprojekt 2011 das war ein bekannteres Spiel deswegen haben wir da schon gewusst okay, das ist jetzt ein Foliant und das ist das und sowas (..) weißt du dann schon.
I: Ja, verstehe. Und wie wird der Beruf von anderen wahrgenommen? Wenn du sagst, du übersetzt was, was sind da so die Reaktionen darauf?
BA4: Es ist, es ist wahrscheinlich eher ein höfliches Cool. Meistens wahrscheinlich Gleichgültigkeit einfach. Wenn du jetzt sagst, ja okay, wir kriegen 5 Cent pro Wort und ich krieg für eine halbe Stunde, was weiß ich, 20, 30 Euro, das ist dann schon wieder was anderes. Dann hören sie einmal hin. Aber so nur wenn du sagst generell, ja ich übersetz das wieder, dann ja okay.
I: Oft wissen die Leute nicht, was man als Übersetzer genau tut.
BA4: Ja natürlich, natürlich ja. Es ist eh – Bei vielen Berufen denkst du dir, aha der is das, ja cool okay, hab ich gehört, weiß was es ist und dann –
I: Okay, also nicht irgendwie schlecht oder gut?
BA4: Nein weder noch. Weil die meisten sagen eh also sie finden das cool, dass man da Spiele übersetzt und so. Oder wie wir zum Beispiel in Madrid waren bei der Firma, wo wir – da haben wir zum Beispiel überprüft, ob die deutschen Übersetzungen passen und ob sie auf den Bildschirm passen und ob sie es abschicken werden. Aber sonst (..) Das war halt cool, weil da war eine coole Firma dahinter. Und ja bei der Firma weißt, cool, die ganzen Spiele neu und so. Aber sonst übersetzen ist einfach nur – ich erzähle es auch nicht großartig. Ich denke mir nur, ich habe ein paar, ich hab in meinen Freundeskreis sozusagen ein paar Leute, wo ich sag’: Hey, ich hab wieder ein neues Projekt rein bekommen. Nur manchmal muss man halt ein bisschen aufpassen weil ein paar Leute, die – also sie haben, ich möchte nicht sagen, sie haben Geldprobleme, aber wenn du dann zu irgendjemandem sagst: Ja he, ich hab jetzt da 1.000 Euro für ein paar Tage bekommen. (..) Es geht so in Richtung angeben, obwohl du es eigentlich nicht machen willst. Du freust dich einfach nur, dass du viel Geld hast. Du willst es irgend jemandem mitteilen. Nur das kann halt manchmal wahrscheinlich auch schief gehen oder so oder falsch aufgefasst werden. Deswegen ist eher so, ja ich mach’ das einfach und das war’s.
I: Also du machst es hauptsächlich für Computerspielfirmen und das daugt dir?
BA4: Genau ja.
I: Und für die anderen hast eh nicht mehr gearbeitet hast du gesagt dann, ge?
BA4: Nein, da sind wir weg. Es dauert einfach viel zu lang, da hast du – ich mein, viel zu lang – du hast dennoch 10 Euro pro Stunde, sag’ ich mal.
I: Aber es ist aufwändiger und einfach zacher?
BA4: Es ist aufwändiger und zach ja genau.
I: Und dann macht’s dir nicht mehr so viel Spaß, wie du sagst. Also solange man Spaß hat daran, ist es sicher ein schöner Beruf.
BA5 – ALESSANDRA I: Also du hast ja ein eigenes Büro hast du gesagt, ge? Und übersetzt aber nebenbei immer noch für Büros und so?
BA5: Ja genau, also ich hab’ ein eigenes Büro, Ein-Mann-Büro, und das hab ich vor, also im Jänner waren’s drei Jahre aufgemacht und hab Übersetzungen, die ich für andere Agenturen mache, weil man da halt mehr Aufträge teilweise bekommt. Und halt ich habe auch Direktkunden,
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also für die ich übersetze. Und ich mache auch relativ viel Sprachtraining auch, auch über eine Agentur und mittlerweile nicht mehr und jetzt nur mehr privat sozusagen an andere Unternehmen.
I: Okay, nicht schlecht. Da gibt’s viel zu tun.
BA5: Ja, von allem ein bissl was (lacht).
I: Ja und was macht dir am meisten Spaß?
BA5: Das Übersetzen schon. Also das habe ich studiert und das macht mir voll Spaß und –
I: Was für Sprachen?
BA5: Englisch und Französisch.
I: Oh, wie ich.
BA5: Ja, (lacht). Genau.
I: Okay. Und wo kommen da mehr Aufträge rein?
BA5: Englisch. Also ich mache 90 Prozent Englisch-Aufträge. Und auch das meiste ins Englische, von dem her. Weil man hört zwar auf der Uni immer, man darf nur in die Muttersprache und so weiter. Aber man passt sich dann schon an den Markt an und ich arbeite immer mit Korrekturlesern, also Native Speakern und da denke ich mir, kann man trotzdem eine gute Qualität liefern. Und man hat halt den Vorteil, dass man das Deutsche auf jeden Fall versteht und du weißt, in was für eine Richtung es gehen soll und ja.
I: Und wie definierst du Qualität? Oder sagen wir so, was ist für dich eine gute Arbeit und was ist dem Arbeitgeber zum Beispiel wichtig? Und ich meine jetzt die Büros im Besonderen.
BA5: Also es sollten, also was mir sehr wichtig ist, es dürfen auf jeden Fall keine Tippfehler oder Grammatikfehler oder sonst irgendwas drinnen sein, weil das ärgert mich im Deutschen schon (lacht) und ich bekomme auch teilweise so auf Deutsch Dokumente, die einfach fehlerhaft sind, und dann frage ich schon auch den Auftraggeber, ob es wünschenswert ist, die einmal zu überarbeiten und dann erst zu übersetzen. Das ist einmal wichtig. Das ist so der Grundstandard von Qualität. Dann ist mir wichtig, dass auch die Zielsprache stimmt. Also dass ich (..) dass es dem Text angemessene Sprache ist, sag’ ich jetzt. Und was der Kunde möchte, das ist irgendwie schwer zu sagen (lacht). (..) Wenn das jetzt, also ich kann ein Beispiel geben, also wenn es zum Beispiel Sicherheitsunterweisungen sind, die haben einfach eine gewisse Art von Sprache und eher was Abgehacktes und das sollte natürlich in der Fremdsprache genauso sein. Oder man sollte sich halt dann anschauen, wie wird das in der Zielsprache geschrieben. Und das ist mir wichtig.
I: Und weißt du oft, wer der Endkunde ist? Also für wen das übersetzt wird, wenn du das über ein Büro kriegst?
BA5: Wenn ich es über ein Büro krieg’, nicht immer. Also ich weiß – meistens sind das so Broschüren, die dann weiter vergeben werden und da steht natürlich der Name darauf. Oder ein bestimmtes Produkt und da weiß ich schon wer das – also und da krieg’ ich auch für das Büro in England, für das ich arbeite, immer genug Hintergrundinformation hätte ich gesagt. Also das ist schon ganz, ganz okay.
I: Und sonst wenn du Fragen hast oder so, wie lauft das über das Büro? Also kriegst du da schnell Antworten oder ist das mühsam oder?
BA5: Nein, also das Büro in England ist sehr bemüht, muss ich sagen. Die sind (..) ja, die haben halt ihren Prozess und man muss – zuerst kriegt man ein Email, dann muss man quasi sagen, ob man überhaupt Zeit hat, dann kriegt man auch noch über das System eine Einladung und (..) also sie wollen schon, das haben sie auch erst seit Kurzem (lacht) also. Aber wenn ich Fragen habe, kann ich sie schon erreichen. Also ich schreibe dann halt immer ein Email und warte auf die Antwort.
I: Also das ist hauptsächlich über Email?
BA5: Nur über Email-Kontakt. Ich habe noch nie telefoniert mit denen, ja.
I: Und hat man da immer zu denselben Leuten Kontakt oder zu anderen?
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BA5: Nein, das hängt von den Projekten ab. Also ich habe für das [englische Büro] Anfragen im medizinischen Bereich, da muss ich noch dazu sagen, für die Agentur arbeite ich nur vom Englischen ins Deutsche, weil die sitzen in London und schicken mir alles, was ins Deutsche kommt. Und da habe ich den medizinischen Teil angefangen und da war halt jemand für Endkunden zuständig und jetzt zur Zeit ist es mehr Hundefutter (lacht). Aber weiß ich nicht, schon medizinisch, wie der Hund fit wird. Aber ich frage mich gerade manchmal (lacht), was das mit Medizinisch zu tun hat (lacht). Ja, aber da also da sind sie schon so, dass man rückfragen kann und wenn was zu klären ist, dann klären sie das mit dem Kunden oder sie wissen schon so viel, dass sie sowieso die Antwort geben können.
I: Okay. Und wie würdest du dein Entscheidungsrecht oder Mitspracherecht in diesem Netzwerk beurteilen?
BA5: Meinst du, wie ich übersetzen kann?
I: Ja genau, kann ich meine Vorstellungen da durchsetzen?
BA5: Doch schon. Dadurch dass sie so (..) bei manchen Kampagnen sogar unterschiedliche Übersetzungen oder angepasste Versionen für Österreich und für Deutschland haben. Sie sagen, es ist halt nicht immer dasselbe und ich bekomm’ dann immer wieder auch Emails, wenn so Fragen sind, ist der Spot auch okay, wenn er in Österreich läuft, obwohl er nicht extra irgendwie angepasst ist und dann kann ich da meinen Senf dazu geben sozusagen. Also das schon.
I: Und so bei Bezahlungsverhandlungen kannst du da irgendwie Forderungen stellen?
BA5: Ja schon (lacht) aber limitiert, sag ich jetzt einmal. Also ich habe an die, wo ich mich bei der Agentur beworben habe, habe ich gesagt, was ich gerne haben möchte und sie haben das eingetragen ins System und egal was für eine Übersetzung oder Korrekturlesen oder was ich dann bekomme, da ist halt der gewisse Betrag – also ich verhandel’ das dann nicht bei jedem Projekt neu, sondern die haben meine Raten und weil das wäre einfach, die haben ganz, ganz viele Übersetzer, ganz viele Projekte und das wäre glaube ich zuuu mühsam, da jedes Mal dann noch mit denen zu verhandeln.
I: Also hast du nicht das Gefühl, die Konkurrenz ist da total groß?
BA5: Also ich habe im ersten Jahr relativ viel kriegt von ihnen, dann war ein Jahr einmal eher Flaute, wobei ja ich habe dann ein-, zweimal was abgelehnt und deshalb habe ich mir gedacht, ist man vielleicht dann in der Reihung wieder weiter unten (lacht). Weil die, die halt sofort reagieren und sofort Zeit haben, die sind auch dann eher wieder am Zug. Und jetzt in letzter Zeit da wird es wieder ein bissl mehr. Es sind oft kürzere Sachen, aber – jetzt habe ich so jede Woche nur für ein paar tausend Wörter aber zumindest schon wieder eher das, wo ich mir sag’, ich bin vielleicht wieder nach oben gereiht (lacht) aus welchen Gründen auch immer.
I: Und warum hast du diese Aufträge abgelehnt?
BA5: Weil ich sonst viele andere Sachen gehabt habe also weil es sich einfach überhaupt nicht ausgegangen wäre.
I: Also nicht aufgrund des Textes, oder –
BA5: Nein, das war es nicht, nein.
I: Und was ist jetzt dir besonders wichtig bei dieser Arbeit? Und was ist dem Arbeitgeber wichtig? Also gibt es da große Differenzen?
BA5: (...) Also dem Arbeitgeber ist sicher wichtig, dass man eben (..) also ich habe – da ich als Österreicherin viel zum Korrekturlesen bekomme und zum Anpassen, ist es ihm glaube ich wichtig, dass er die Infos von mir bekommt, wie es in Österreich gang und gebe ist sozusagen, was sind – welche Normen und Standards da eingehalten werden, ob das eine Sprache ist, die man in Österreich gut versteht und solche Dinge. (..) Und also auch natürlich Kohärenz beim Korrekturlesen oder auch beim Übersetzen, dass wenn sie jetzt – die arbeiten mit dem Trados, mit dem Übersetzungsprogramm und eben Translation Memory – und da ist es ihnen wichtig, dass man die Begriffe auch, die schon drinnen sind und die schon vom Kunden abgesegnet wurden, dass die dann auch wirklich verwendet werden. Und das sollte man halt auch machen, was mir auch wichtig ist (lacht). Weil es soll nicht jeder Begriff fünf mal anders übersetzt werden, das geht nicht.
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I: (..) Und glaubst du, kann man das hauptberuflich machen also nur übersetzen beziehungsweise nur für solche Büros arbeiten zum Beispiel ohne Direktkunden?
BA5: Ich glaube schon. Also ich glaube schon. Nur der Nachteil bei den Übersetzungsbüros ist, dass eben die Workload gleich groß ist im Prinzip wie mit Direktkunden oder fast gleich groß, ich meine, man muss die Direktkunden schon ein bissl mehr (..) pflegen (lacht) als die Büros aber dass die Bezahlung natürlich schon um einiges schlechter ist als wenn ich jetzt meinem Kunden direkt den Preis sage. Also da kann ich natürlich nicht meinen normalen Preis sagen bei dem Büro, weil die müssen ja noch was draufschlagen. Aber ich mein’, man verdient sowieso nur – aber die würden den Preis, den ich sonst bei meinen direkten Kunden habe nie zahlen.
I: Und berechnest du pro Zeile oder pro Wort?
BA5: Das sagen die Büros, wie du’s angeben musst. Also da hat man wenig Spielraum. Weil normalerweise berechne ich pro Zeile, pro Normzeile und die meisten Übersetzungsbüros machen’s pro Wort, weil es einfach für sie ist zu zählen ist irgendwie.
I: Und gibt es irgendwie ein Gehalt oder eine Zahl, wo du sagst, das mache ich sicher nicht? Oder hast du solche Angebote schon bekommen?
BA5: Ja ja, genügend. Das lehne ich ab. Also es gibt ein Übersetzungsbüro, wo ich mich auch beworben habe, auch für medizinische Sachen, die wollten da 60 Cent die Zeile zahlen und das ist etwas wo ich sage, nein, das hat nichts mit Qualität zu tun, da kriegen sie nur Übersetzer, die eigentlich das weder gelernt haben noch die Sprache gescheit können oder sowas. Weil 60 Cent die Zeile für einen medizinischen Fachtext – nein.
I: Also da sagst du gleich, das interessiert mich gar nicht?
BA5: Nein, das schaue ich mir gar nicht an, ja. Also das ist (..) Nein, weil das finde ich einfach nicht professionell. Und das sagt dann auch schon einiges über das Übersetzungsbüro aus (lacht). (..) Und ich finde halt, also ich finde die Preiswahl immer schwierig, weil gerade am Anfang denkt man sich, na ja 60 Cent besser wie nichts. Aber es ist viel schwerer dann den Preis wieder zu heben. (..) Und man ärgert sich dann den ganzen Auftrag lang eigentlich, weil (..) wenn man’s schon studiert hat, so wie wir (lacht), dann sollte man zumindest auch sagen, dass gewisse Qualität vorgestellt wird, man muss es nicht übertreiben, aber man darf sich ja auch nicht unterm Wert verkaufen, weil sonst ist das Studium nachher nichts wert. Weil wenn man jetzt doch Qualität um den Preis kriegt, dann sieht auch keiner mehr ein, warum er mehr zahlen sollte. Also ich habe schon einiges abgelehnt deswegen, hab’ auch schon Angebote gestellt und habe dann so die Frage zurückgekriegt, ob ich einen Knall habe. Das darf man dann nicht persönlich nehmen (lacht). Und ich hab’ keine, also ich habe keine horrenden Preise, das muss ich dazu sagen (lacht).
I: Echt? Wie fühlt man sich da, wenn man so etwas zurückkriegt?
BA5: Ja zuerst fragt man sich schon so, war das jetzt wirklich über’s Tor hinausgeschossen und dann rechne ich noch einmal nach. Also ich habe am Anfang schon dann angefangen so irgendwie nachzurechnen und zu überlegen (lacht), aber ja (lacht).
I: Aber demotiviert das einen?
BA5: Es kommt darauf an, in welcher Situation das kommt. Wenn ich eh viel Arbeit habe, dann denke ich mir, ja egal. Und wenn es zu einer Zeit war, wo ich eigentlich eh froh gewesen wäre, dann überlegt man natürlich mehr herum. Aber auf der anderen Seite denke ich mir, man kann dann mehr Zeit investieren, um sich umzuhören und das vielleicht sinnvoller nutzen, als wirklich auch den Preis des Marktes kaputt zu machen, weil das macht man ja im Prinzip auch damit. Und das ist mir auch wichtig (lacht).
I: Also das ist schon deine Berufsethik quasi, dass du den Markt nicht zerstören willst?
BA5: Ja weil nur wenn ich eher selbstständig bin, dann schneidet man sich ja gegenseitig irgendwie ins Fleisch damit, wenn man sowas annimmt.
I: Und wenn du jetzt einen Auftrag hast, was motiviert sich da generell? Wann bist du voller Engagement dabei, wann bist du voll motiviert?
BA5: Ja wenn ich eigentlich einen größeren, also wenn ich jetzt nur für ein Übersetzungsbüro zum Beispiel, jetzt nur so ganz kleine Teile mache, dann ist die Motivation natürlich weniger groß, weil ich mir denke, das ist nur – ich weiß dann gar nicht so genau, wie das erscheint, wo und wie überhaupt und man kann dann eigentlich gar nicht sagen, das habe ich jetzt
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gemacht. Was mich wirklich motiviert ist dann, wenn man sagt, man hat eine große Broschüre, 50 Seiten, das wird gedruckt, in ganz Österreich aufgelegt, wo ich mir denke, ma. Das ist dann cool. Also da bemühe man sich, also ich bemüh mich immer (lacht) aber das motiviert dann halt noch einmal zusätzlich.
I: Und steht da dann dein Name dabei?
BA5: Nein, steht nicht dabei.
I: Also ist das nur für dich, dass du weißt –
BA5: Genau, habe ich mir danach schon bestellt also (lacht).
I: Aber ist ja gemein, dass das nicht dabei steht.
BA5: Ja eh.
I: Wenn es heißt, aus dem Englischen von –
BA5: Ja, könnten wir ja einmal anregen vielleicht (lacht).
I: Also wäre dir das gar nicht so wichtig, dass es dabei steht?
BA5: Nein. Ich mein, wenn sie es anbieten oder wenn man vielleicht einmal nachfragt – ich habe mir das auch noch nie überlegt, weil es für mich nicht die Priorität hat, dass da überall mein Name dabei stehen muss. Was ich schon mache, ist, dass ich von meinen Kunden, meinen direkten Kunden beziehungsweise auch von dem Übersetzungsbüro habe ich auf meiner Homepage die Logos – von meinen Kunden sozusagen – und die verlinke ich mit der Homepage, so dass wenn man jetzt meinen Namen sieht, dass man dann schon sieht, mit welchen Kunden ich schon zusammengearbeitet habe. Weil dass man halt schon irgendwie auch -
I: Referenzen hat.
BA5: Genau. Ja. Also das motiviert mich schon. Was natürlich eigentlich gut ist bei den Agenturen, wenn man jetzt nicht nur – also ich mache die Übersetzung, dann geht es zu einem anderen Korrekturleser oder ich bekomme die Übersetzung von einem Übersetzer und ich lese sie Korrektur. Das heißt, ich habe im letzten Schritt nicht die volle Verantwortung für das, was ich mache. Also es wird immer noch einmal gelesen, revidiert oder sonst irgendwas, was dann für mich auch rechtfertigt, dass ich ein bissl weniger verlang’, weil ich ja nicht die Übersetzung mach’, das Korrekturlesen und so weiter. Also
I: Es hat durchaus auch Positives.
BA5: Genau ja. Und was schon auch gut ist, ist, dass sie zum Beispiel jetzt bei dem, die geben eine Broschüre in Übersetzungsauftrag, dann wird sie übersetzt, dann wird sie Korrektur gelesen von jemand anderem, dann wird sie gesetzt, sprich jetzt im PDF oder was und dann bekommt man das PDF noch einmal und macht dann sozusagen text control und schaut, ob das auch wirklich passt und ob das eingefügt wird und für das wird man auch bezahlt. Also von dem her denke ich mir, ist es halt, man hat die ganzen Zwischenschritte nicht aber (..) ja. Es ist fair zumindest bei denen, ja.
I: Und wann empfindest du noch Stolz? Du hast gesagt, wenn du ein größeres Projekt erledigt hast?
BA5: Ja weil das irgendwie schon toll ist, wenn man dann sagt, okay, das hat man jetzt geschafft, und man hat ja auch den Auftrag gekriegt und das Angebot hat gepasst und es ist alles erledigt und es ist Korrektur gelesen, es liegt irgendwo auf und das lesen dann keine Ahnung wie viele Leute, dann denke ich mir, es muss jetzt eben nicht mein Name dabei stehen aber für mich selber denke ich mir, es ist irgendwie schon jedes größere Projekt ist ja irgendwie auch wieder ein Schritt mehr in die Richtung, Richtung nur übersetzen. Obwohl ich jetzt auch nicht will, dass ich nur übersetzen will irgendwann, nachdem ich die Abwechslung gerne hab, übersetzen, Korrektur lesen, dolmetschen, Sprachtraining und so. (lacht)
I: Ja das denke ich mir, dass das wichtig ist. Weil sonst sitzt man ja auch nur vorm Computer und steht irgendwann auf.
BA5: Richtig. Aber ich tu’s trotzdem gern. Auch wenn ich große Projekte hab’, die – also die halten sich jetzt in Grenzen – aber so bis jetzt waren’s, weiß ich nicht, fünf, wenn man dann so ein Monat oder eineinhalb Monate, fast zwei Monate, an etwas übersetzt, so fast 40 Stunden am Tag – ah,
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am Tag, in der Woche (lacht) und dann ist es dann fertig, das ist auch so mit dem Druck, klick auf Senden drücken schon so eine Erleichterung, wenn das dann alles fertig ist.
I: Und was dämpft dein Engagement oder deine Einsatzbereitschaft?
BA5: Allgemein oder mit den Übersetzungsbüros?
I: Mit den Büros?
BA5: (...) Wenn sie, also weil die schicken ja immer eine Anfrage aus, ob man Zeit hat in einem bestimmten Zeitrahmen so und so viele Wörter Korrektur zu lesen, so und so viele Wörter zu übersetzen. Und wenn man da, also das ist mir zumindest auch schon öfter passiert, wenn man da nicht innerhalb von relativ kurzer Zeit antwortet, haben sie den Auftrag an wen anderen vergeben. Und das ist dann oft ein bissl frustrierend weil ich les’ zwar die Email, kann aber nicht sofort antworten oder – ich mein’, ich schau mir das Dokument, das sie anhängen, dann schon gerne an und sag’ nicht nur ja (lacht). Und wenn man dann antwortet und sich ja schon irgendwie Gedanken macht und dann heißt es, nein, wurde anders vergeben. Das ist sicher demotivierend, muss ich sagen. Aber ja, ist halt so.
I: Also kriegt man die Antwort, dass es schon vergeben wurde erst, wenn man darauf geantwortet hat, oder? Also nicht gleich die Mail: Dieser Auftrag ist bereits vergeben, sodass du dich gar nicht erst damit auseinandersetzt?
BA5: Nein. Also sie schicken’s vermutlich an zwei, drei Übersetzer oder an die, die halt in Frage kommen und (..) ja (..) wenn man dann halt zu spät antwortet, dann kommt die Meldung zurück: Ist schon anderweitig vergeben worden. Das ist jetzt aber meistens nur dann passiert, wenn es wirklich sehr kurzfristig sein hat müssen. Was ich dann ja auch versteh’, dass sie das nicht nur an eine Übersetzer schicken können, warten bis der reagiert und dann an den nächsten weil (lacht) das dauert viel zu lange.
I: Und wie ist das mit den Deadlines? Also stehst du oft unter Zeitdruck oder kriegst du auch mal ein paar Tage Aufschub?
BA5: Das habe ich noch nie gehabt, weil das traue ich mich nicht. Also was heißt, das trau’ ich mich nicht, das will ich auch nicht. Weil ich finde, das Deadlines total wichtig sind und dass das auch zur Professionalität beiträgt. Weil wenn ich sage, ich schaffe das in dem Zeitrahmen, dann habe ich alles daranzusetzen, dass ich es schaffe. Und wenn ich eine Nacht durcharbeite, weil ich zu langsam bin, das ist mein Problem. Dann lerne ich vielleicht, dass ich das nächste Mal sage, okay in der Zeit geht sich das nicht aus, ich bräuchte einen Tag länger. Ich habe schon auch verhandelt mit ihnen und sage von vornherein, wäre gut, wenn ich vielleicht ein, zwei Arbeitstage länger hätte, aber das im Nachhinein zu sagen, ich schaffe es jetzt nicht, das (..) habe ich dann noch nie machen müssen Gott sei Dank (lacht).
I: Ja und hast du oft großen Zeitdruck?
BA5: Ja das schon. Gerade so die komischerweise die kurzen Sachen, die so zu korrigieren sind, da hat man eh meistens einen ganzen Tag Zeit, für das man nur eine Stunde braucht. Aber die großen Sachen, wo viel zu übersetzen ist, da hat man dann nur, weiß ich nicht, vier Arbeitstage, fünf Arbeitstage und das ist dann schon, also da muss man sich schon ran halten. Aber ja.
I: Und macht man da dann Überstunden wirklich in die Nacht hinein?
BA5: Überstunden gibt es nicht als Selbstständige (lacht). Ja man übersetzt halt bis man fertig ist sozusagen. Also es gibt schon so ein gewisses Pensum, wo ich merke, es geht dann nichts mehr. Wenn ich jetzt acht Stunden übersetzt habe, dann merkt man, dass es irgendwann die Konzentration auch nachlässt, aber ja. Wenn es gehen muss, merkt man auch, dass dann schon mehr geht als wenn’s jetzt so manchmal XXX (lacht). Ja.
I: Und wie hast du dir das vorgestellt nach dem Studium, den Beruf? Also wurde das erfüllt, wie du’s dir vorgestellt hast oder ist es anders gekommen? Deine Erwartungen, wurden die erfüllt?
BA5: Ja also ich habe mir vielleicht schon erwartet, dass ich noch mehr übersetze. Erwartet ja (..) obwohl ich jetzt sagen muss, dass ich 50 Prozent Übersetzung und 50 Prozent Sprachtraining für meinen Umsatz mache, was nach drei Jahren Selbstständigkeit sicher nicht so schlecht ist. Und damit kann ich ganz gut leben zur Zeit und es passt auch.
I: Du machst das seit drei Jahren, ge?
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BA5: Mhm, genau. Und ja, was habe ich mir noch erwartet? Wenig (lacht) muss ich ganz ehrlich sagen. Ich bin da mehr so rein gerutscht weil ja.
I: Okay und hat dir das Studium, hat dich das vorbereitet drauf auf das freiberuflich sein?
BA5: Nein nicht wirklich, muss ich jetzt ganz ehrlich sagen. Es gibt sicher Dinge, die man im Studium anders machen könnte oder zusätzlich. [Identitätshinweise] Ich habe mir da auch mehrere Gedanken gemacht. Was könnte man im Studium anders machen, was bräuchte man, damit’s einem, wenn man dann selbstständig ist, leichter fällt. Und so Dinge wie [Berufskunde] im ersten Semester zu unterrichten, finde ich schon mal blöd, weil das interessiert mich nicht zu dem Zeitpunkt, weil ich einfach noch nicht genau weiß, wie was. Sondern das wäre irgendwie sinnvoll am Schluss zu machen. Oder weil man dann vielleicht konkrete Fragen hat. [Identitätshinweise] Aber das sind halt so Stunden, wo man sagt, die sollten vielleicht verpflichtend erst im letzten Jahr oder so sein. Und ahm, also bei mir ist es zumindest nicht so oft vorgekommen, dass man die Studierenden auch darauf hinweist, dass es wichtig ist, dass sie sich schon Gedanken machen über (..) also dass sie während dem Studium sich schon Aufträge besorgen. Weil ich kann nicht fertig sein und dann erwarten, dass die Leute sich alle auf mich stürzen. Das geht nicht. Und das hat mir so während dem Studium schon ein bissl gefehlt. So der Hinweis, Leute macht etwas, weil wenn ich dann ein paar konkrete Beispiele habe, dann leuchtet das auch vielleicht mehr ein so. Ja.
I: Und man fühlt sich dann auch bereiter dafür, sobald man fertig bist, wenn man schon ein bisschen Erfahrung hat und reingeschnuppert hat.
BA5: Und die einzigen Infos, die man so zum Selbstständig sein bekommt als Übersetzer sind im Prinzip von Universitas, so was man für Preise verlangen soll. Nur finde ich manchmal die Preise, ja (...) also ich find’s gut, dass sie hoch ansetzen, aber für gewisse Texte finde ich’s einfach übertrieben. Weil man das wirklich nicht kriegt am Markt. Also weiß ich nicht, Tourismustexte für 1,50 (..) da habe ich genau einen Kunden, der das zahlt (lacht).
I: Schon? Okay. Aber das heißt, du hast es schon probiert?
BA5: Ja eh, aber das habe nicht ich ausgehandelt, das war ein Freund von mir (lacht). Ja aber sonst sind halt so Dinge, die (..) Es ist vieles schon auch Fingerspitzengefühl, wie weit kann ich gehen, dass ich es kriege, dass ich noch zufrieden bin. Es soll auch nicht zu billig sein, damit es noch was wert ist und ja. Das finde ich so das Schwierigste. Wo ich mir auch überlege, wie kann man sowas jemandem beibringen.
I: Ja klar. Also würdest du dich manchmal gar nicht trauen, sag’ ich mal, diese 1,50 zu verlangen, weil du dir denkst, das wäre zu viel? Oder das zahlen sie mir sowieso nicht?
BA5: Nein, trauen schon. Es gibt schon Texte, wo ich 1,50 oder mehr verlange, aber jetzt nicht im Tourismus. Das kommt dann schon sehr auf den Kunden drauf an. Das war jetzt nur ein Beispiel weil (lacht)
I: Okay. Und wie fixierst du das? Hast du da irgendwie einen Vertrag oder gibt es da irgendwas Schriftliches, wo du festlegst, was du kriegst und so?
BA5: Oh ja. Also das Angebot ist immer schriftlich und wenn es mit den Agenturen ist, dann gibt es eben, wenn man sich bei der Agentur bewirbt oder bei einem Übersetzungsbüro bewirbt, dass man halt eben, die haben meistens irgendwelche Excel-Programme, Sheets, wo man eben die ganzen pro Wort (..) pro Seite, pro Stunde für’s Korrekturlesen und so einfach alles einmal angibt. Und meistens auch mit den Translation Memory Programmen quasi von den Matches, wenn echt etwas 50 Prozent Match ist, dann kriegt man ja weniger oder sonst mehr als wenn’s 100 Prozent Match ist. Und man kriegt aber trotzdem was, und da muss man halt so eine Abstufung eingeben.
I: Das ist bei Trados, ge?
BA5: Genau ja.
I: Arbeitest du viel mit Trados?
BA5: Nein. Ja (..) eben für die eine Agentur und sehr ungern aber ich hab’s mittlerweile halbwegs durchschaut, dass ich’s zumindest – ich kann’s anwenden, aber wenn was Eigenes kommt, dann –
I: Hast du dir das selber bezahlt?
BA5: Ja. Ja das ist ein bissl blöd, weil ich mit Apple arbeite und Trados ist ein Windows-Programm.
I: Also nicht kompatibel oder wie?
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BA5: Nein, ist nicht kompatibel.
I: Mein blöd, wie machst du das?
BA5: Ja es gibt schon – habe ich eine Möglichkeit, das trotzdem auf Apple laufen zu lassen aber es ist immer ein bissl kompliziert. (lacht)
I: Also ideale Arbeitsbedingungen sind für dich jetzt, dass du wahrscheinlich genügend Zeit hast, oder?
BA5: Mhm.
I: Angemessene Bezahlung? Oder wie würdest du ideale Arbeitsbedingungen beschreiben?
BA5: Ja genau. (..) Dass man die Info bekommt jetzt von dem Übersetzungsbüro, um was es geht, wann das abzuliefern ist. Dass man Hintergrundinformationen hat. Dass sie eben zur Verfügung stehen, wenn man Fragen hat, für Rückfragen und so. Und dass das Ausgemachte dann auch gezahlt wird. Also dass ich da nicht ewig dann meinem Geld hinten nachlaufen muss, das gehört für mich irgendwie auch dazu. Das ist zwar jetzt nicht direkt mit der Arbeitssituation, mit der Übersetzung beschäftigt, aber das kostet sonst extrem viel Zeit und Nerven, wenn dann nach jedem Auftrag noch irgendwas nachher ist.
I: Das kommt vor oder wie?
BA5: Ja (lacht).
I: Gut. Also das waren jetzt die idealen Arbeitsbedingungen und tatsächlich ist es eben so, dass man manchmal schon Geld hinterherläuft?
BA5: Bei den Agenturen ist mir das jetzt noch nie passiert, muss ich jetzt auch sagen. Also die haben dann ihre, also man kann dann zwar reinschreiben: Ich hätte gerne meine Rechnung in 14 Tagen bezahlt. Das ist denen dann ziemlich egal, weil die haben ihr 30-Tage-Zahlungsziel und das geben sie in ihren Computer ein. Aber solange ich – ob ich das jetzt nach 14 Tage oder nach 30 Tagen krieg, ist mir dann ziemlich egal. Hauptsache ich kriege es.
I: Das ist gut, ja. Und hast du irgendeine Textsorte oder so, die dich voll motiviert? Ist das zum Beispiel auch textsortenabhängig? Weil das habe ich jetzt schon öfter gehört, deswegen interessiert es mich, ob das vielleicht bei dir auch so ist. Manche sagen: Ja! Die versuchen, dass sie die und die Textsorte kriegen, was weiß ich, medizinische Texte oder so, so eine Art Spezialgebiet, das sich entwickelt hat, das voll motivierend ist.
BA5: Doch schon. Wenn das jetzt etwas ist, wo ich schon mehr gemacht habe, dann ist das schon auch motivierend weil man einfach auch weniger recherchieren muss und man wird schneller. Oder man hat halt noch mehr Wissen in dem Bereich dann. Aber ich find’s trotzdem auch motivierend, wenn man wieder was Neues kriegt, weil ich das deshalb auch spannend finde das Übersetzen, weil man voll viel Neues dazu lernt. Ich recherchiere auch gern und deshalb, ja. (..) Es kommt halt immer auf die Länge des Projektes an. Wenn das was ganz was Kleines ist, wo man viel Neues recherchieren muss, ist das ein bissl demotivierend, weil sich das dann nicht mehr so rechnet. Aber wenn es jetzt was Großes ist, wo man sagt (..) das passt. Sonst mache ich gerne medizinische Sachen und Tourismus, weil ich eigentlich aus Tirol bin und Tourismus da immer ganz groß ist (lacht) und technische Sachen.
I: Technische Sachen?
BA5: Mhm. Ja, das mache ich auch gerne. So Bedienungsanleitungen, Sicherheitsanweisungen und so in die Richtung.
I: Und kannst du dich da entfalten in dem Beruf? Werden alle wichtigen Aspekte erfüllt für dich?
BA5: Beim Übersetzen?
I: Ja.
BA5: Ja. Ja (lacht).
I: Schön.
BA5: Weil freie Zeiteinteilung mir auch total wichtig ist. Frei ist immer relativ als Selbstständiger, man sagt zwar, ja du kannst dir alles selber einteilen (lacht), aber wenn der Kunde sagt, das soll fertig sein, dann muss es fertig sein. Aber das stört mich überhaupt nicht, muss ich sagen. Also
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fürs Übersetzen, wenn ich einen großen Auftrag habe, habe ich auch kein Problem am Wochenende zu arbeiten oder einmal länger zu arbeiten. (..) Es gibt zwar schon Dinge, die mich nicht so freuen, aber ja. Das hat man in jedem Beruf (lacht).
I: Ja. Und hast du das Gefühl, du machst jetzt irgendwas nicht mehr, was du am Anfang aber gemacht hast? Hast du irgendwie aufgrund deiner Erfahrungen andere Entscheidungen getroffen?
BA5: Beim Übersetzen selber?
I: Mhm. Ich weiß nicht, vielleicht fällt dir da noch was ein?
BA5: (...) Also was ich schon gelernt habe, auch wenn man jetzt mit den – egal ob jetzt mit dem Kunden direkt oder mit den Übersetzungsbüros, dass es mir nicht zu blöd ist irgendwie nachzufragen. Weil ich mir denke, das beeinflusst dann das Endprodukt schon und lieber frage ich einmal nach und sie haben dann das Gefühl, die versteht was davon oder die ist sich jetzt nicht ganz sicher. Und meistens war es dann so, dass sie halt froh waren und sich dann herausgestellt hat, entweder das Wort passt eh nicht im Deutschen oder im Englischen oder das kann man ganz rausstreichen oder so. Also das habe ich noch dazugelernt, auf jeden Fall.
I: Also das hättest du am Anfang nicht so gemacht, oder was?
BA5: Da habe ich mir eher gedacht, ja wenn ich jetzt nachfrage, dann ist es so, dann wirke ich nicht kompetent, weil ich irgendwas nicht weiß. Und das ist – irgendwie hat sich rausgestellt, dass das auf jeden Fall nicht so ist. Weil wenn ich gezielte Fragen stelle und vielleicht schon ein, zwei Lösungsvorschläge habe: Soll das das, das oder das heißen? Dann sind die Leute eher froh, dass man da (..) dann haben sie das Gefühl, man setzt sich wirklich mit dem Text auseinander.
I: Okay, eine Frage hätte ich noch und zwar: Hast du irgendwelche Sorgen oder Ängste? Oder Befürchtungen in Bezug auf den Beruf?
BA5: (lacht) Ich mein, die Selbstständigkeit hat immer ein bestimmtes Risiko, sag’ ich jetzt einmal. Aber durch das, dass ich es irgendwie auch kombiniert mit anderen Sachen und private Kunden und Übersetzungsbüros und so weiter, habe ich jetzt eigentlich nicht die Angst, dass ich nichts zu tun hätte. Und ja (..) sonst eigentlich nicht.
I: Und wie wird der Beruf von deinen Mitmenschen beurteilt?
BA5: Ganz unterschiedlich (lacht). Also ich habe schon viel Erklärungsarbeit geleistet, wie wichtig das ist. Weil es gibt natürlich Leute in meinem Umfeld, die sagen, ja kannst auch ein Wörterbuch aufschlagen und das (..) ja. Auch jetzt im Bereich Dolmetschen und Übersetzen, was der Unterschied ist und so. Da finde ich das einfach wichtig, dass das (..) es sind zwei verschiedene Berufe. Ich schließ’ jetzt dann hoffentlich bald den Dolmetscher auch ab. Und deshalb ist es mir umso wichtiger, dass man auch in der Bevölkerung das Bewusstsein schärft, was der Unterschied ist und dass hinterm Übersetzen und hinterm Dolmetschen mehr steckt, als nur ein Wörterbuch aufschlagen. Und das verteidige ich auch ganz vehement. Da werde ich auch ganz wahnsinnig, wenn sogar Dozenten an der Uni Übersetzen und Dolmetschen nicht richtig verwenden und da denke ich mir, wenn man selber es schon nicht richtig verwendet, wie sollen es dann die anderen verstehen (lacht).
I: Ja, stimmt. Das wird immer noch in einen Topf gehauen, ja.
BA5: Und was auch ist, dass wenn man sagt Übersetzer: Ja okay. Aber Dolmetscher: Wow, cool. Also das ist so das, was man so als Feedback kriegt. Wobei es halt natürlich ist es faszinierend, zu dolmetschen, weil das die Leute – weil man da schwerer dran kommt vielleicht oder weil sich das die Leute schwer vorstellen. Aber das Übersetzen hat trotzdem so seine Tücken und es sind halt andere Dinge, auf die man da schauen muss. Aber
I: Und wie fühlt man sich da als Übersetzerin, wenn man hört Dolmetschen ist cool und ja, ich mache aber Übersetzen? Ist einem das wurscht, steht man da drüber?
BA5: Ja (..) Naja am Anfang habe ich mir gedacht – hat mich das sehr genervt, muss ich sagen. Weil man hat trotzdem ja seine 5 Jahre studiert und man hat sich da rein gehängt und man weiß, dass es schon ein Aufwand ist und dass es auch nicht jeder einfach so kann. Mittlerweile regt es mich überhaupt nicht auf, weil ich mir denke, ja – man hat auch nicht alle, weiß ich nicht, man kann einfach nicht zwei verschiedene Berufe in einen Topf werfen und deshalb – ja. Es sind wir auch angehalten, da ein bissl Erklärungsarbeit zu leisten (lacht).
I: Aber du wirkst sehr zufrieden.
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BA5: Danke (lacht). Ich mache das auch gerne (lacht).
BA6 – ANJA I: Also du arbeitest für Übersetzungsbüros als Übersetzerin?
BA6: Genau.
I: Okay, und wie bist du dazu gekommen? Oder (..) wolltest du das von Anfang an machen nach dem Studium oder - ?
BA6: Naja, also ich wollte auf alle Fälle als Übersetzerin arbeiten und nicht irgendwie in einem verwandten Beruf oder irgendwas Ähnliches. Und dann habe ich mir überlegt, also so Übersetzer, die bei Firmen angestellt sind, gibt es ja nicht wirklich viel und wenn, dann hast du halt ein sehr eingeschränktes Tätigkeitsfeld. Also [Firmenname] zum Beispiel hat dann nur Betriebanleitungen mehr oder weniger oder halt die ganze Dokumentation zu den Dingen, was jetzt ein Bereich ist, was mich nicht irrsinnig interessiert. Und dann habe ich mir gedacht, na wenn es nicht sein muss, versuche ich es einmal anders. Und dann habe ich mich in [Stadt] noch während dem Studium bei einem Übersetzungsbüro beworben, die haben mich da auch gleich genommen als freiberufliche Mitarbeiterin und dann habe ich da in [Land] bei einem Übersetzungsbüro drei Monate Praktikum gemacht und die haben mich dann auch nachher übernommen. Also die hätten mir auch eine Teilzeitstelle angeboten weil sie gemeint haben Vollzeit können sie mich nicht brauchen weil die Sprachenkombination nicht passt. Aber der ausschlaggebende Grund warum ich dann eigentlich gesagt habe, ich mache es freiberuflich und also eben nicht angestellt, war dass angestellt sich praktisch nicht mit den Arbeitszeiten von meinem Mann kombinieren lässt. Der arbeitet [Identitätshinweis] von 10 bis 13 Uhr [Identitätshinweis] und dann ist er um 18 Uhr wieder weg zum Art und Dienst. Und wenn ich normale Bürozeiten arbeite, dann gehe ich um halb 8 aus dem Haus, da schläft er noch. Und dann komme ich um 17 Uhr heim und er geht um 18 Uhr zum Dienst. Und das kannst vergessen (lacht) also das ist zu gar nichts (lacht). Das habe ich in den drei Monaten Praktikum eben auch gesehen. Ich habe vorher schon überlegt, ob das wohl geht, aber in den drei Monaten, da habe ich 40 Stunden gearbeitet, und da habe ich wirklich gesehen, das geht nicht. Also ist nicht (..) gescheit zumindest.
I: Ja, klar. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum du freiberuflich arbeitest, ge? Weil du dann flexibler bist.
BA6: Genau. Weil so kann ich mir jetzt die Arbeitszeiten so einteilen und wenn er halt von 19 bis 22 Uhr Dienst hat, dann übersetze ich halt da und mittlerweile wissen das die Übersetzungsbüros auch schon, das ist ganz komisch. Das eine schickt also ruft dann vor allem an, wenn es irgendwie um 17 Uhr was reinkriegt, was bis nächsten Tag ist, weil sie wissen, dass ich oft am Abend arbeite und weil sie sonst nicht mehr leicht wen kriegen für die Zeit.
I: Aber kriegst du das irgendwie anders bezahlt oder so?
BA6: Nein.
I: Aber Wochenendzuschlag oder so, kriegst du sowas?
BA6: Nein, wobei ich an und für sich, also ich arbeite am Wochenende, weil ich es mir so einteile, vor allem eben weil mein Mann auch arbeitet. Aber an und für sich werden 200 Zeilen am Werktag berechnet. Das heißt, ich kriege die Arbeitsaufträge eigentlich so, dass ich am Wochenende nicht arbeiten muss. Deswegen krieg’ ich auch keinen Wochenendzuschlag.
I: Ah, das verstehe ich jetzt nicht. 220 Zeilen pro Werktag, ist das irgendwie ein Pauschalpreis oder wie?
BA6: Nein 200 Zeilen. Nein die rechnen das so, also wenn sie einen Auftrag rein kriegen mit, was weiß ich, 5.000 Zeilen, ist halt ein langer, dann müssen sie ja für den Kunden berechnen, wie schnell das übersetzt werden kann.
I: Aaah, so meinst du.
BA6: Und dafür berechnen sie 200 Zeilen pro Werktag und das heißt, ich kriege den Auftrag dann auch so, dass ich 200 Zeilen pro Werktag übersetzen muss, was an und für sich eh nicht viel ist –
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also außer der Text ist sehr schwer. Aber an und für sich sind 200 Zeilen nicht viel. Und ich arbeite dann manchmal am Wochenende, weil ich es eben auf die Arbeitszeiten mit meinem Mann auch abstimme. Wenn der am Donnerstag, keine Ahnung, frei hat, dann mache ich am Donnerstag auch nichts oder nur ein bissl was und arbeite dafür dann halt am Samstag. Aber das wäre nicht notwendig von der Zeit her und deswegen kriege ich auch nicht fürs Wochenende bezahlt.
I: Okay, so war das gemeint. Und was würdest du jetzt sagen ist das Schönste an dem Beruf? Oder was macht dir am meisten Freude, was macht dich stolz?
BA6: Also am meisten Freude macht mir eigentlich, wenn ich (lacht) so ewig lange gesessen bin, also vor allem bei guten Ausgangstexten ist das oft, dass ich mir denke, okay, das kann man im Englischen oder im Türkischen so wunderbar sagen, aber wenn ich das ins Deutsche bringe, ist das fürchterlich. Und dann sitze ich wirklich lange da, vor allem auch mit einsprachigen Wörterbüchern und versuch den Sinn irgendwie raus zu kriegen. Und wenn ich dann im Deutschen irgendwie eine Formulierung finde, wo das wirklich gut und Deutsch klingt und so rüber kommt, das ist dann, so das macht richtig Spaß! (lacht)
I: Ja das denke ich mir. Das ist irgendwie befriedigend, ge?
BA6: Ja. Also das ist schön.
I: Okay und was würdest du sagen noch?
BA6: Ja und weiß nicht also mir macht es auch Spaß jetzt wirklich, wenn ich einen Text habe, der mich interessiert, also da Hintergrundinformationen zu suchen oder auch zu überlegen, wer ist jetzt das Zielpublikum, was mache ich da jetzt, also wie stimme ich den Text jetzt idealerweise auf die ab oder so. Einfach dass man eben nicht Wort für Wort übersetzt, sondern versucht, ein bissl was von dem, was man idealerweise im Studium (..) zumindest gelernt haben, irgendwie rein zu bringen.
I: Und was frustriert dich am meisten?
BA6: Am meisten frustriert mich (lacht), wenn ich englische Ausgangstexte krieg, die ganz fürchterlich klingen, wie wenn sie überhaupt mal schnell übersetzt worden wären – wobei ich mir manchmal nicht sicher bin, ob das nicht wirklich der Fall ist – vor allem bei Bedienungsanleitungen, wo man dann da sitzt, einen grammatikalisch komplett falschen Satz hat, keine Ahnung, was das heißt und genau weiß, es bringt auch nichts, wenn ich jetzt im Übersetzungsbüro anrufe und sage, ich versteh’ das nicht, weil der wird sagen: Ist nicht Englisch, verstehe ich auch nicht. Das ist frustrierend (lacht). Also so richtig irgendwie schlechte Texte und dann noch vielleicht nicht gut bezahlt, das ist irgendwie keine gute Mischung. Also. Und komischerweise passiert mir das im Englischen sehr viel öfter als im Türkischen. Also im Türkischen habe ich kaum, also vielleicht auch manchmal nicht ganz so gute Texte, aber man hat immer das Gefühl, das ist von einem Muttersprachler geschrieben worden. Und im Englischen habe ich manchmal wirklich das Gefühl, es denkt sich jeder Mensch, er kann Englisch (lacht) und produziert dann irgendwas, was wir dann übersetzen müssen (lacht).
I: Mhm ja, ja klar. Das ist frustrierend. Und was noch jetzt in Bezug auf die Büros vielleicht, auf die Zusammenarbeit?
BA6: Naja, also am Anfang, das stört mich jetzt nicht mehr so, am Anfang hat es mich irrsinnig frustriert, dass man eine Übersetzung abschickt und dann eigentlich kein Feedback bekommt. Also so auf die Art: Kein Feedback ist ein gutes Feedback. Also wenn sie sich dann melden und schreiben: Zu Auftrag keine Ahnung was, dann haben sie entweder brauchen sie noch etwas dazu, was weiß ich, ein Glossar oder einen Schaltplan oder sonst was. Oder es wird etwas reklamiert, was mir Gott sei Dank nie passiert ist. Aber wenn alles okay ist, dann meldet sich kein Mensch mehr. Dann kriegst du nicht einmal eine Mail, wo irgendwie drin steht: Danke erhalten, sondern es ist einfach Sendepause. Und das ist, jetzt habe ich mich schon daran gewöhnt, aber ich habe mich vor zwei Wochen wieder irrsinnig geärgert weil da war ein Auftrag vereinbart für 26. November. Das wäre sich – also ich hatte ja vorher eine Prüfung – und das wäre sich nachher noch sehr gut ausgegangen. Also ich habe mir das alles so eingeteilt, dass ich nachher das noch machen kann. Und dann hat mich der vom Übersetzungsbüro am 20. angerufen, dass sie die Deadline verwechselt haben und dass der Kunde das zum 16. wollte. Und ich soll doch bitte schauen, dass ich’s bis zum 23. hin krieg. Und ich habe ihm da schon gesagt, ich habe noch nichts gemacht, weil ich habe mir das so eingeteilt, dass es sich nachher ausgeht, was sich auch locker ausgegangen wäre. Dann hat er gesagt, ja sollen – das waren zwei Texte – sollen wir einen der beiden Texte
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übernehmen? Ich meine, natürlich hätte ich sagen können: Ja. Nur erstens hat er gemeint, er übernimmt den Kürzeren, der im Grunde genau die gleiche Terminologie gehabt hat, wie der Längere. Das heißt, ich hätte jetzt sozusagen einen Teil der Bezahlung abgegeben, aber nicht wirklich viel Arbeit. Weil wenn man den Längeren mal gemacht hat, dann ist der Kürzere gleich geschehen. Also (lacht). Und dann habe ich mich da wirklich bemüht und habe auch einiges noch also Privattermine verlegt und (..) bin ziemlich lange in die Nacht hinein gesessen und dann schickst du es ab und dann kommt nicht einmal: Muh! zurück. Und das hat mich dann schon geärgert (lacht). Also bei solchen Fällen – bei normalen Aufträgen habe ich mich daran gewöhnt, aber so, wo sie wissen, ich bin ihnen ja jetzt entgegen gekommen und wo ich ihnen auch gesagt habe, dass das nicht einfach ist, da hätte ich mir schon erwartet, dass zumindest zurückkommt: Okay, danke erhalten. Oder irgendwas. Wobei ich sagen muss, das variiert von Büro zu Büro. Also ich habe da auch andere Erfahrungen gemacht. Also bei dem war es halt jetzt so.
I: Mhm. Und kannst du in Worte fassen, wie man sich dabei fühlt, wenn da nichts zurückkommt? Kein danke, kein muh, nichts.
BA6: Ja es ist einfach so, dass ich mir irgendwie gedacht habe, so gut zahlen sie jetzt auch nicht, dass ich mir das jetzt hätte antun müssen, dafür dass ich nachher nicht einmal ein Danke krieg. Also man ist, man denkt sich einfach, also ich habe dann wirklich mit dem Gedanken gespielt, den nächsten Auftrag von dem Büro abzulehnen. Einfach nur, weil ich sauer war (lacht).
I: Ja klar, kann ich voll verstehen.
BA6: Was natürlich ein XXX ist, weil das wieder mir schadet. Aber ja.
I: Ja, ja. Aber wie du sagst, es gibt auch andere Beispiele. Es gibt auch andere Büros?
BA6: Ja. Also ich habe auch hier in [Land] ein anderes, wo ich eigentlich wegen Türkisch angefangen habe. Das wird von einem Türken geleitet und ich habe sonst mit Türkisch relativ wenig Aufträge. Und da habe ich eben, das ist auf Recht und Wirtschaft spezialisiert und macht, also damals waren es überhaupt nur drei Sprachen: Türkisch, Russisch und Ukrainisch. Und jetzt haben sie Englisch dazu genommen. Und jetzt habe ich eben mit Englisch dort auch Aufträge, weil eigentlich habe ich wegen Türkisch angefangen. Und da ist es wirklich ganz anders. Also erstens zahlt der doppelt so viel pro Zeile, was irrsinnig ist. Und dann, da kriegst du nicht, also bei dem anderen Büro, von dem ich vorher gesprochen habe, kriegst du eine Anfrage, die an fünf verschiedene Leute geht, beziehungsweise mittlerweile schicken sie es nur mehr an mich aber das liegt daran, dass ich eigentlich alles nehme, was sie mir schicken, wo irgendwie drin steht: Text bis dort hin, also bis da und da zu übersetzen, melden Sie sich innerhalb kürzester Zeit, ob sie das machen oder nicht. Und wenn also wenn man nicht so wie ich wirklich schon so weit ist, dass man es nur alleine kriegt, sondern wenn das an fünf Leute geht und du das eine halbe Stunde in der Mailbox lässt, dann ist der Auftrag weg. Und bei dem also bei dem von diesem Türken geleiteten Büro ist es einfach anders. Der ruft an und sagt, ich hab’ was rein kriegt, hast du Zeit? Bis wann brauchst du? Dann schickt er die Email mit dem Text. Dann sind die Deadlines länger, es ist besser bezahlt und er dann schreibt er auch zurück: Ja, war gut, hat gepasst. So und so viel Zeilen, damit wir uns einig sind zum Verrechnen. Also das ist schon ganz etwas anderes.
I: Mhm. Woran glaubst du liegt das, dass der mehr zahlen kann?
BA6: Naja, es liegt sicher erstens an, also er ist ja spezialisiert auf Recht und Wirtschaft und hat hauptsächlich offizielle Kunden, also Behörden oder Gerichte oder so, die natürlich Standardpreis zahlen müssen. Und auch die Privatkunden, die er hat, zahlen glaube ich besser, als bei dem anderen Büro, weil sie einfach wissen, das sind ermächtigte Übersetzer, das wird Korrektur gelesen. Der lektoriert jeden einzelnen Text. Und er macht halt nicht alles. Dieses andere Büro, die treten mit dem Grundsatz an, wir machen alle Sprachen, alle Bereiche (..) mhm. Und es wird aber auch nicht lektoriert. Ich meine, das weiß der Kunde wahrscheinlich nicht. Ich weiß das, weil ich dort Praktikum gemacht habe. Also ich lektoriere meine Übersetzungen selbst gründlich, weil ich weiß, dass sie es nachher nicht mehr machen. Aber es geht immer was durch, weil erstens gibt es Übersetzer, die ihre Sachen nicht lektorieren und es kann jedem einmal ein Fehler passieren. Und ich denk, dass er deshalb mehr verlangen kann, weil er erstens hauptsächlich also offizielle Kunden hat und zweitens einfach eine Qualität liefert, die es den Kunden wert ist, dass sie eben mehr zahlen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass bei dem anderen Büro, dass die Kunden vielleicht auch ein bisschen mehr zahlen würden, wenn sie merken, da gibt es Qualität und das ist gut. Wenn sie darauf bestehen würden. Aber der wirbt damit, dass er sehr günstig ist (..) und ich meine, wobei ich weiß nicht, ob es viel günstiger für den Kunden ist. Ich glaube, es ist einfach die
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Marge, die ihm übrig bleibt höher. Weil ich weiß, dass die einen Euro die Zeile den Kunden verrechnen und ich kriege 40 Cent. Und dann kann man sich eh ausrechnen, was überbleibt (lacht).
I: Du kriegst 40 Cent pro Zeile quasi?
BA6: Ja genau, also bei dem anderen kriege ich 75 Cent die Zeile. Also fast doppelt so viel.
I: Und ja, würdest du sagen, das sind ideale Arbeitsbedingungen bei diesem türkischen Büro oder bei dem Büro mit dem –
BA6: Eigentlich schon ja. Weil das also der macht auch so betriebs - also ich mache da jetzt eine betriebsinterne Ausbildung für Übersetzen bei Gericht. Also da macht er einmal, weil er ist selbst ermächtigter Übersetzer und allgemein beeidigter Dolmetscher heißt das, also in Deutschland sind das zwei unterschiedliche Sachen. Und der macht so eine Einführungsveranstaltung einen ganzen Vormittag lang, wo er dir vorher Material zuschickt, also Übersetzungen, die vorzubereiten sind. Dann Einführung in Deutsches Recht und dann geht er das mit einem durch und sagt halt, was zu beachten ist bei Urkundenübersetzungen und so. Dann muss man 15 Gerichtsverhandlungen, die gedolmetscht sind, besuchen mit Aktenzeichen und Notizen und alles und dann gibt es eine Abschlussprüfung und dann kriegt man ein betriebsinternes Zertifikat. Und bis jetzt ist noch keiner, der bei ihm die Ausbildung gemacht hat, irgendwo für eine Ermächtigung abgelehnt worden. Also das ist schon – und er bietet eigentlich den freiberuflichen Mitarbeitern irrsinnig viel an.
I: Mhm. Und warum arbeitest du dann noch für andere Büros, die da schlechtere Bedingungen vorlegen?
BA6: Ja weil ich nicht genug Aufträge krieg sonst (lacht). Das ist, so viel hat er nicht. Also das ist (..) die machen sehr viel Dolmetschungen und dann haben sie eben auch viel Ukrainisch und Russisch, was ich ja nicht mache. Und ja, also es kommt einfach nicht genug zusammen.
I: Und die meisten Büros sind die in Deutschland und Österreich ansässig, für die du arbeitest oder hast du da auch welche im Ausland?
BA6: Ja, alle. Alle, ja.
I: Und du hast vorher gesagt, du hast am Anfang das und das gemacht und jetzt machst du das nicht mehr. Was gibt es da noch für Beispiele, Sachen die du am Anfang gemacht hast, wo du quasi daraus gelernt hast und das jetzt anders machst?
BA6: (..) Naja also, ich habe zum Beispiel am Anfang eigentlich jeden Auftrag angenommen aus dem Englischen weil ich im Englischen einfach sehr sicher bin und weil ich gedacht habe, am Anfang kann man es sich auch nicht leisten, dass man sich da all zu viel aussucht. Wobei ich sagen muss, es war nie was dabei, was ich jetzt irgendwie aus ethischen Gründen nicht vertreten hätte könne. Also keine Ahnung, für Parteien oder so habe ich nie etwas übersetzt. Aber ich habe eben jeden Ausgangstext akzeptiert. Und jetzt ist es schon so, wenn die mich anrufen oder mir eine Mail schicken und sagen den und den Text, dann lies ich mir den genau durch und wenn er wirklich, wenn ich von vornherein sehe, der ist so schlecht, dass ich ihn nicht verstehe, dann lehne ich es auch mal ab. Das habe ich am Anfang nicht gemacht. Also das ist zum Beispiel – oder auch keine Ahnung, dass ich nicht, also wenn er jetzt sagt, er will das für dann und dann haben und ich weiß genau, das sind nicht 200 Zeilen am Tag sondern 400 wie er das gerechnet hat, dann sage ich ihm das auch. Und dann können wir, meistens geht er dann mit der Deadline eh noch raus oder ansonsten kann man immer noch über den Preis verhandeln. Weil ich mein, normalerweise wenn der Text nicht allzu schwer ist, schaffe ich auch 400 am Tag. Aber ich sehe nicht ein, warum das dann auf einmal Standard werden soll.
I: Klar ja. Und der Preis wird immer ausverhandelt?
BA6: Nein also üblicherweise habe ich bei beiden Büros einen fixen Preis pro Zeile. Nur wenn eben wenn die Deadline verschoben wird, dann kann man es sich einmal also ausnahmsweise ausmachen oder beziehungsweise bei dem Übersetzungsbüro, das von dem Türken geleitet wird, ist es unterschiedlich, ob es eben ein offizieller Kunde oder ein Privatkunde ist. Weil er bei Privatkunden selber nicht so viel verlangt und dann auch seine freiberuflichen Mitarbeiter bittet, mit dem Preis runter zu gehen. Wobei er aber immer noch über den anderen Büros ist. Also insofern habe ich damit kein Problem, vor allem auch weil die Deadlines wirklich so gut liegen, dass man zur Not auch noch einen zweiten Auftrag neben her machen kann.
I: Mhm, klar. Das klingt gut, ja. Und findest du deine Bezahlung generell angemessen?
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BA6: (..) Also bei dem Büro, das 40 Cent zahlt, eigentlich nicht. Also ich bin – ich spiele auch schwer mit dem Gedanken, da nächstes Jahr rauf zu gehen, obwohl ich genau weiß, was dann passiert. Weil die ordnen die Übersetzer in der Kartei nach Preisen. Und dann krieg‘ ich (lacht) wahrscheinlich halb so viele Aufträge, insofern überlege ich da noch. Aber ich habe jetzt gesehen im Oktober oder so, also in einem der letzten Monate, weil ich muss das ja immer mit schreiben, wie viel ich verdiene, auch für die Steuer uns so. Und da habe ich wirklich viel gearbeitet, also sicher 40 Stunden die Woche. Und war (..) ja, bisschen über 1.000 Euro. Und da denke ich mir halt, das geht sich bei mir aus, weil wir die Miete uns teilen und weil ich momentan noch steuerfrei bin, weil Ehepaare in Deutschland gemeinsam zur Steuer veranlagt werden und dafür verdiene ich zu wenig. Aber eigentlich kann man davon nicht leben. Und dann denke ich mir, das ist nicht okay, dass man für einen Preis, also dass man fünf Jahre studiert hat und dann für einen Preis arbeitet, wo ich genau weiß, wenn ich 40 Stunden die Woche arbeite, kann ich nicht davon leben. Das kann eigentlich nicht sein. Also (lacht)
I: Genau so ist es. Das heißt, welchen Preis oder welche Bezahlung würdest du für angemessen halten? Was müsste da passieren, dass man es hauptberuflich machen kann und davon leben kann?
BA6: Ja ich denke, das ist schon auch unterschiedlich. Also ich hab‘, ich kriege auch in [Stadt] also bei den österreichischen Übersetzungsbüros mehr bezahlt, was ich aber auch angemessen finde weil die Lebenserhaltungskosten in Österreich höher sind. Also so muss man es, glaube ich, schon in Relation sehen. Also ich denke, ein angemessener Preis ist in Österreich etwas anderes als in Deutschland. Aber ich würde sagen ein angemessener Preis ist, wenn man, wenn man voll arbeitet, davon leben kann. Und zwar nicht all zu schlecht. Also so würde ich es mal messen. Und vor allem weil das bei mir ja, dadurch dass ich verheiratet bin, was für die Steuer Konsequenzen hat, und auch mein Mann verdient, was wieder für die Lebenserhaltungskosten Konsequenzen hat, bin ich ja eigentlich ein Ausnahmefall. Und also wenn ich jetzt alleine wäre, würde ich auch davon leben können wollen. Also (lacht) das ist –
I: Wahnsinn ja. Und ich mein, wo liegt da generell der Grund begraben, denke ich mir, dass man so wenig bezahlt bekommt, dass man nicht davon leben kann? Was steckt da dahinter? Warum geht es Übersetzern meistens so?
BA6: Mmmh, ich denke, das hat mit dem Ansehen unseres Berufes im weiteren Sinn und mit der großen Konkurrenz im engeren Sinn zu tun (lacht). Weil es einfach also grad bei Englisch, in Türkisch erlebe ich es nicht so, aber es kann auch sein, dass ich die Erfahrung einfach auch noch nicht gemacht habe, aber gerade bei Englisch gibt es irrsinnig viele Leute, die aus irgendeinem Grund Englisch können oder irgendwann gekonnt haben und sich jetzt einbilden, sie können übersetzen und das dann für, was weiß ich, 30 Cent die Zeile oder noch weniger vielleicht anbieten, weil sie es eh nur zum Spaß nebenher neben einer anderen Arbeit machen. Und natürlich nehmen die Büros dann zuerst mal die Leute. Und erst wenn sie dann irgendwie draufkommen: Okay, der kann nichts. Dann hauen sie sie vielleicht wieder raus aber ich denke, mit der Zeit werden sie irgendwie auf diese Preise auch konditioniert. Und ich glaube, dass es wirklich ein Problem ist, dass es – auch ausgebildete Übersetzer aber hauptsächlich nicht ausgebildete – irrsinnig viele gibt, die das einfach nur so nebenher machen. Und wenn ich nicht davon leben muss, dann kann ich auch für 30 Cent die Zeile einfach aus Spaß an der Freude übersetzen (lacht). Also das ist ein Unterschied.
I: Aber ich meine, die würden es ja auch gerne für mehr machen wahrscheinlich. Nur werden sie sich denken, –
BA6: Wahrscheinlich. Aber sie bieten es eben für weniger an. Und das ist das Problem. Und das, also meiner Erfahrung nach, ist es sehr unterschiedlich von Büro zu Büro, ob die wirklich auf die Qualität schauen oder ob die einfach zuerst einmal auf den Preis schauen. Und erst wenn ihnen dann wirklich auffällt, das geht gar nicht oder wenn dann ein Kunde reklamiert, dann (..) heißt es, okay, den tun wir doch wieder raus aus der Kartei. Aber es wird prinzipiell einmal auf den Preis geschaut und wenn der stimmt, dann nehmen sie wen auf. Wenn ich mich mit 70 Cent die Zeile bewerbe, werde ich überhaupt nicht zum Bewerbungsgespräch oder zu einer Probeübersetzung eingeladen. Dann heißt es gleich: Danke, ist uns zu teuer. Da kann ich noch so gut qualifiziert sein.
I: Wahnsinn, ja. Also ist die Definition von Qualität eine andere zwischen dir oder deiner Definition und der Definition des Arbeitgebers?
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BA6: Ja, also zumindest in einigen Fällen. Also es differiert wie gesagt von Übersetzungsbüro zu Übersetzungsbüro. Also bei diesem, also dieser eine Türke da, dieses Übersetzungsbüro, der hat mir von Anfang an gesagt, er nimmt nur Leute, die das studiert haben und erwartet eine gute Qualität und wenn er aber beim Lektorieren sieht, das ist nichts, dann war es das. Aber dafür zahlt er halt auch besser. Und die also bei dem anderen Übersetzungsbüro ist es häufig so, dass ich wirklich noch einmal rückfrage, keine Ahnung, weil ich die Zielgruppe nicht weiß oder weil ich einfach fragen will, ob es irgendeinen Glossar vom Kunden, oder keine Ahnung was, gibt, und dann immer vom Büro heißt es: Ja jetzt mach’ dir nicht so viel Sorgen, übersetz’ das doch einfach (lacht).
I: (lacht) Der Klassiker.
BA6: Ja also, also da bei diesem Büro würde ich schon sagen, dass meine Definition von Qualität eine andere ist. Das habe ich auch beim Praktikum gesehen. Ich habe dort viel gelernt, muss ich ehrlich sagen. Also der Leiter ist selber Übersetzer und kann an und für sich viel. Aber ich glaube, es ist ihm einfach das Geschäftliche wichtiger. Also weil ich habe das gemerkt, ganz am Anfang, wie ich die ersten paar Übersetzungen gemacht habe, hat er mir wirklich zum Teil gute Tipps gegeben, die irgendwie logisch sind, aber auf die ich nicht gekommen wäre. Also ich habe zum Beispiel einen Vertragstext übersetzt und habe mich dann da irgendwie verheddert ins Deutsche bei irgend so einem rechtlichen Fachbegriff, ich weiß nicht mehr, was es war, aber ich hatte jedenfalls drei deutsche Rechtsbegriffe, die irgendwie alle nicht ganz gepasst haben und war mir halt nicht sicher, was ich nehmen soll. Und dann sagt er zu mir: Was machst du, wenn du nicht weißt, ob einer dieser jetzt wirklich passt? Und dann sage ich: Weiß ich nicht, ich stehe an. Und dann sagt er: Ja dann lass’ das semantische Feld möglichst weit offen und nimmst einen Überbegriff. Ist eigentlich logisch, aber wäre ich nicht drauf gekommen. Also so hat er mir schon wirklich auch übersetzerisch gute Tipps gegeben. Aber ich habe immer das Gefühl, wenn ein Kunde einen Auftrag schickt, dann sieht er einfach nur mehr die Euros (lacht).
I: (lacht) Ja na klar. Geschäftsmann dazwischen.
BA6: Ja. Also ich mein, es fällt ihm dann auch auf. Ich habe ihn ein paar Mal erlebt, wo er zum Beispiel Französisch-Deutsch-Übersetzerinnen – also er hat Französisch und Deutsch, und das kann er natürlich auch lektorieren, bei Englisch ist es, also hat er gelernt, aber übersetzt er nicht, so gut kann er’s nicht. Und da hat er dann wirklich Übersetzungen zurück geschickt, weil die das, also gerade so idiomatische Sachen, einfach falsch verstanden haben. Also er weiß es prinzipiell schon. Aber es ist irgendwie wohl der Geschäftsmann stärker, als der Übersetzer.
I: Mhm. Verstehe ja. Deswegen sitzt er wahrscheinlich auch dort und macht das.
BA6: Ja genau (lacht).
I: Und was ist dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin jetzt generell wichtig? Wie würdest du das, könntest du das zusammenfassend irgendwie darstellen?
BA6: Also ich würde sagen, auf alle Fälle, dass das pünktlich geliefert wird (lacht), dann dass der Preis stimmt, aber das ist bei mir nicht so relevant, weil der eben an und für sich von Anfang an festgelegt ist. Also das ist nur in Ausnahmefällen so, dass es noch einmal verhandelt wird. (..) Ja und also dann differiert es. Bei dem einen ist es wirklich die Qualität und beim anderen ist es einfach, dass er eine Übersetzung hat, die der Kunde nicht reklamiert. Würde ich mal so ausdrücken. Also wo’s dann wirklich auch heißt, wenn du einen wirklich ur falschen Ausgangstext hast, für irgendeine Betriebsanleitung und ich sage dann: Ich verstehe nicht, was das heißt. Das kann man nicht übersetzen. Ihr müsst das dem Kunden irgendwie mitteilen, weil das kann man nicht richtig übersetzen. Das ist im Englischen komplett falsch. Dass er dann irgendwie sagt: Ja, das ist eine Betriebsanleitung für die und die Firma, die liest eh keiner mehr. Also mmmh ja, nur dann, für was übersetze ich’s dann, also.
I: Genau. Also findet da schon viel Kommunikation statt zwischen dir und dem Büro, immer wieder Rückfragen und so?
BA6: Eigentlich schon, ja. Doch. Muss ich auch sagen, also mir ist eigentlich nie passiert, dass ich wirklich keine Antwort bekommen habe. Es kommt schon vor, dass sie so wirklich eben sagen: Mach’ dir keine Gedanken, das ist für den Kunden nicht relevant, übersetze es einfach. Also was jetzt für mich auch keine befriedigende Antwort ist. Aber dass ich jetzt wirklich keine bekomme, ist mir eigentlich nie passiert.
I: Okay. Also du kriegst alle Informationen, die du brauchst im Prinzip?
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BA6: Ja. Also normalerweise schon. Ich meine, manchmal hätte ich eben gerne mehr weil ich eben qualitativ eine andere Vorstellung von einer guten Übersetzung habe. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich das Gefühl habe, ich renne gegen eine Wand und da ist niemand oder so.
I: Okay. Und wie würdest du dein Mitsprache- und Entscheidungsrecht beurteilen?
BA6: (..) In Bezug auf was? Wie übersetzt wird, oder?
I: In Bezug auf die Bezahlung, die Konditionen. Genau, auf die Übersetzung, Bezahlung, auf alles, was dir wichtig ist irgendwie.
BA6: Ja gut in Bezug auf die Bezahlung würde ich sagen ist das Mitspracherecht der Übersetzer sehr eingeschränkt (lacht) weil eben das Problem ist, wenn ich jetzt wirklich sage: Ich will mehr, dann sagen sie: Okay, es gibt hundert andere. Such’ dir ein neues Büro. Also insofern finde ich es auch immer schwierig, was da in Bezug mit den Berufsverbänden immer aufkommt, wo dann, also ich bin ja auch bei der Universitas Mitglied, und wo dann irgendwie in diesen Statuten drin steht, man verpflichtet sich, nicht unter Preis zu arbeiten, was prinzipiell nicht schlecht ist, weil das ja eben grad das Preisdumping verursacht. Nur es hilft mir nichts, wenn ich 1 Euro die Zeile verlange und dann keinen Auftrag krieg, davon kann ich auch nicht leben. Und das ist halt immer schwierig. Also das ist eine Sache von Angebot und Nachfrage. Also insofern beim Preis würde ich sagen, ist das Mitspracherecht der Übersetzer sehr eingeschränkt. Ich glaube oder ich habe das Gefühl, das wird ein bisschen besser, je länger man mit einem Büro zusammenarbeitet oder auch je mehr Kunden man schon vorweisen kann. Aber prinzipiell würde ich es als sehr schlecht beurteilen. Und was die Übersetzung betrifft, muss ich sagen, also fühle ich mich eigentlich recht verstanden und wahrgenommen. Also bei dem einen, wo ich Praktikum gemacht habe, ist es sogar oft so, wenn ich dann irgendwie, also die gendern zum Beispiel irrsinnig ungern, weil sie das halt noch nicht gelernt haben, das sind doch schon zwei etwas in die Jahre gekommene Herren und weil sie das furchtbar unleserlich und grausig finden. Und wenn wir dann irgendwie einen Text haben, wo ich durch mein Studium und durch meine Vorbildung einfach sagen würde, der gehört gegendert oder zumindest müsste man den Kunden fragen, ob er das will. Dann sagen sie auch mal: Ja, wenn du das so gelernt hast, dann wird das so passen. Also da habe ich wirklich das Gefühl, dass ich mit meiner Kompetenz jetzt irgendwie wahrgenommen werde. Und wenn er mich fragt: Warum hast du das so übersetzt? Und ich sage: Ja da, deswegen und deswegen, dann kann es zwar sein, dass er noch sagt: Ja, finde ich aber nicht. Aber es ist jetzt nicht so, dass es irgendwie heißt: Ich finde das so und aus. (lacht)
I: Mhm. Das ist interessant ja. Das ist natürlich, das gibt einem auch ein gutes Gefühl, oder?
BA6: Ja, also das ist – also fachlich habe ich eigentlich nicht das Gefühl, dass ich nicht wahrgenommen werde, eher im Gegenteil. Also –
I: Und in wiefern fühlst du dich nicht wahrgenommen?
BA6: Ja es ist halt, also man fühlt sich ein bisschen ohnmächtig was eben so Sachen wie Preis und zum Teil auch was Deadlines betrifft. Wenn dann wirklich einmal ein enger Auftrag kommt und dann, wenn das dann vielleicht auch noch ein relativ großer ist, wo, keine Ahnung, 300 bis 500 Euro rausschauen, wenn du es machst und sie dann sagen, wir brauchen das aber in der Zeit. Ja toll. Jetzt kann ich entweder jeden Tag bis Mitternacht dran sitzen oder ich kann eben 300 Euro weniger verdienen diesen Monat. Das ist irgendwie blöd. Also da fühlt man sich schon ein bisschen so (..) machtlos, weil es hilft mir auch nichts, wenn ich dann sage: Ja, ich mach’s dir einen Tag später. Dann sagt er: Ja, der Kunde will es aber da, ich suche mir einen anderen Übersetzer.
I: Okay klar, das heißt, man muss es nehmen einfach, wenn man irgendwie überleben will?
BA6: Ja. Also wenn man wirklich davon leben will, dann muss man einfach manche Sachen akzeptieren. Und das finde ich eigentlich wirklich bei diesen Diskussionen um die Berufsvertret- ungen manchmal einfach blauäugig, muss ich ehrlich sagen. Vor allem was Berufseinsteiger betrifft. Weil wenn du als Berufsanfänger hergehst und sagst, ich mache das nur zu dem Preis und ich mache das nur in der Deadline, dann wirst du keine Aufträge kriegen. (..) Geht einfach nicht. Also vielleicht geht es in Österreich, wenn man Gerichtsdolmetscher ist, was ich aber auch nicht glaube, weil ich kenne mehrere und die haben alle nicht so viele Aufträge, dass sie alleine davon leben können. Aber kommt vielleicht auch auf die Sprachkombination an. Aber sonst als Freiberufler kann ich mir nicht vorstellen, dass das von Anfang an so funktioniert. Da brauche ich irgendeinen anderen Job. Ja. Dann gibt es Leute, die 20 Stunden unterrichten gehen oder in irgendeinem Büro arbeiten oder so, okay, dann geht es. Aber das kann ja nicht der Sinn der Sache
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sein, dass ich als Übersetzer dann was anderes machen muss, damit ich mir meinen Lebensunterhalt finanzieren kann. (lacht)
I: Absolut. Ja klar.
BA6: Wobei ich muss immer sagen, also mich haben auch schon ein paar Leute gefragt, also jetzt vor Kurzem (lacht) wie ich bei meiner Familie war, hat mir meine Tante eine Frage gestellt, wo ich mir zuerst gedacht habe, die ist ja ur blöd. Und dann habe ich mir gedacht, na ja so blöd ist sie jetzt gar nicht, also objektiv betrachtet. Und die hat mich gefragt, was ich bezahlt bekomme. Und ich habe ihr dann erklärt, dass das eben mit Zeilen abgerechnet wird und dass ich bei einem durchschnittlichen Text circa 10 bis 15 Euro die Stunde verdiene, wenn man eben Recherche und Lektorieren, also wenn man das aufrechnet. Und dann sagt sie (lacht): Und warum machst du das dann? Ich zahle der Frau, die mir die Wäsche bügelt 10 Euro die Stunde. (..) Nur ich habe ihr dann eh gesagt: Okay, aber ich will nicht mein Leben lang Wäsche bügeln, da werde ich deppert. Tschuldigung, aber das ist (lacht). Und da denke ich mir, wenn man was wirklich gerne macht und wenn man auch weiß, dass man es einigermaßen gut macht oder versucht, es so gut wie möglich zu machen, dann nehme ich auch mal Bedingungen in Kauf, die vielleicht nicht ideal sind. Also ich denke mir, das ist das. Ich würde jetzt nicht irgendwas machen, nur weil es besser bezahlt ist. (..) Ich mach’s einfach gern. Und ich denke mir, gerade in der heutigen Zeit, wo wir wahrscheinlich bis keine Ahnung 70 (lacht) arbeiten müssen mindestens, weil die Rente eh schon sonst wo ist, ist es irgendwie wichtig, dass man das, was man arbeitet auch gerne macht. Und insofern, erstens gibt es also, wenn man es realistisch betrachtet, gibt es nicht mehr wirklich viel wirklich gut bezahlte Berufe und dann muss ich sagen, das sind alles solche, die ich nicht haben möchte. (lacht)
I: Okay, deine Hauptmotivation ist also einfach, dass es dir Spaß macht, dass du gerne übersetzt? Aber was noch?
BA6: Genau ja. Also ich meine, ich mache es schon zu meinem – also damit ich was verdiene, also irgendwie als Lebensunterhalt. Aber ich denke mir, es ist einfach sehr wichtig, dass man daran, also an dem was man macht, auch wirklich Spaß hat, weil sonst halte ich das keine 40 Jahre durch. (..) Das ist (..) Und ich möchte auch nicht jeden Tag – also ich habe während meinem Studium zum Beispiel Jahre als Kellnerin gearbeitet. Das hat damals super gepasst, weil es einfach praktisch ist, weil man geht nach Hause und ist fertig. Und dann kann ich zu Hause lernen und muss nicht irgendwie ewig vorbereiten für den nächsten Tag oder keine Ahnung. Aber ich habe mir – das waren knappe 2 Jahre, glaube ich – aber ich habe mir dann wirklich gedacht, um Gottes Willen, ich könnte das nie mein Leben lang machen. Ich würde wirklich jeden Tag in der Früh aufstehen und mir denken: Wuaaah, schon wieder zur Arbeit gehen.
I: Ja und was liebst du noch an dem Beruf (..) als freiberufliche Übersetzerin tätig zu sein? Was bringt das noch so mit sich?
BA6: Naja also ich finde es einfach auch super, dass man, also was bei Freiberuflichen speziell halt ist, ist dass man sich die Arbeitszeiten wirklich so einteilen kann. Also was ich zum Beispiel auch super finde, ist, dass ich keine Ahnung, zu Mittag einkaufen gehen kann, wenn sonst keiner einkaufen geht (lacht). Oder was weiß ich, am Dienstag einmal in die Therme fahren und dafür halt am Sonntag arbeiten. Vor allem mit Smartphone, ohne geht’s schwierig, habe ich schon festgestellt, weil wenn man mal keinen Auftrag hat, den ganzen Tag am Laptop sitzen und warten, ob vielleicht eine Anfrage kommt, ist sehr lästig. (lacht)
I: Das heißt, du wirst da gleich verständigt übers Smartphone, wenn du ein Mail kriegst?
BA6: Genau ja, also ich kriege meine Mails wie SMS. Also das wird alle 5 Minuten abgerufen und dann habe ich den gleichen Klingelton. Und das ist natürlich super weil dann kann ich keine Ahnung, wenn ich keinen Auftrag habe auch spazieren gehen oder was lesen oder sonst was Schönes machen.
I: Total, weil ich denke mir, wenn man kein Smartphone hat, da kann man ja gar nicht mehr (..) da ist man ja gar nicht mehr präsent am Markt. Da kann man ja gar nicht mehr mithalten, oder?
BA6: Ja. Also ich habe mich am Anfang irrsinnig gewehrt, weil ich mir immer gedacht habe, das brauche ich nicht und sowas Unnötiges und üagh. Aber nach dem Praktikum war es dann wirklich voll blöd. Jetzt geht es eh schon besser, weil ich eigentlich praktisch, also jetzt habe ich gerade keinen, heute Morgen habe ich geliefert, aber sonst habe ich eigentlich ständig Aufträge. Und von dem her bin ich dann eh immer mehr oder weniger am also zumindest relativ viel am Computer den ganzen Tag. Am Anfang hatte ich eben nur zwei Übersetzungsbüros und die haben auch noch
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nicht so viel geschickt. Und wenn du dann wirklich die fünfte oder sechste Stunde am Tag am Laptop sitzt und dir denkst: Mist, was mache ich jetzt noch, damit ich da sitzen bleiben kann (lacht), das ist echt blöd. Naja und insofern Segnungen der Technik, Smartphone ist doch gut.
I: Genau, schenkt einem halt doch mehr Freiheit. Musst nicht mehr vorm PC sitzen.
BA6: Also in der Hinsicht auf alle Fälle. Und außerdem ist das ja ein Superding, weil da habe ich jetzt beide Sim-Karten drin, die österreichische und die deutsche.
I: Ooh super. Dass das geht, wusste ich gar nicht.
BA6: (lacht) Ja, das ist weil, wir sind also mein Mann und ich sind früher immer mit zwei Telefonen rumgerannt und das ist ur lästig.
I: Ja, das ist natürlich suboptimal (lacht). Hast du das Gefühl, dass du dich in dem Beruf voll entfalten kannst? Dass du alles umsetzen kannst, was dir wichtig ist?
BA6: (..) Sagen wir mal generell schon. Also jetzt nicht unbedingt bei jedem Auftrag und bei jedem Text. Aber so generell würde ich schon sagen.
I: Okay. Und was sind deine größten Ängste und Sorgen oder Befürchtungen jetzt in Bezug auf diese Arbeit?
BA6: Naja gut also es ist immer irgendwie die Sorge da, dass man keine Aufträge kriegt. Die habe ich jetzt momentan nicht so weil ich momentan ist es wieder ziemlich stark. Aber das kommt immer so in Wellen irgendwie. Also ich habe wirklich auch schon Monate gehabt, wo bis zum 15. kein einziger Auftrag da war. Dann fragst du dich irgendwie schon: So, und wie bestreite ich jetzt das nächste Monat? (lacht) Weil jetzt wird’s langsam eng. Also das ist schon irgendwie (..) Ansonsten ja hin und wieder also bei konkreten Aufträgen einfach, dass man es dann doch nicht zur Deadline so hinkriegt, wie man es gerne hätte. Also gerade wenn es irgendwie knapp ist und man dann einen Tag vorher drauf kommt, man braucht eigentlich noch 20 Seiten und das kann sich unmöglich ausgehen. Ich mein, ich muss ehrlich sagen, bei mir ist es sich bis jetzt Gott sei Dank immer noch ausgegangen, wobei ich dann oft auch irgendwie die halbe Nacht entweder von vorne oder von hinten irgendwie opfere. Aber (..) ja, also das wäre dann irgendwie noch eine Sorge so Torschlusspanik im weitesten Sinne. Aber -
I: Was wäre deine Lösung, dass du mehr Aufträge kriegen würdest? Also hättest du eine Lösung?
BA6: Ja ich denke, ich müsste mich einfach noch bei ein, zwei Büros bewerben. Ich habe nur damit erstens jetzt gewartet, bis [Identitätshinweise]. Und ich habe auch ein bisschen abgewartet weil das letzte Büro habe ich jetzt erst seit (..) Oktober dabei und das kann man am Anfang immer schwer abschätzen, wie viel mal wirklich kriegt. Und ich will eigentlich nicht dann reihenweise Aufträge ablehnen müssen, weil ich bei wem anderen gerade einen angenommen habe. Vor allem irgendwie wenn ich mich jetzt bei einem neuen Büro bewerbe, dann muss ich die ersten paar nehmen, sonst werden sie mich nicht mehr fragen. Aber wenn sich das dann aber irgendwie überschneidet und die wirklich viel haben, dann muss ich die anderen ablehnen. Und insofern wollte ich einmal warten, wie es jetzt ist. Aber ich denke, ich werde mich noch bei einem, bei einem zumindest, bewerben und dann mal schauen. Also ich denke, gerade mit der Sprachenkombination kann man eigentlich schon genug Aufträge bekommen. Also ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass ich irgendwie, also ich habe jetzt nicht wirklich Angst, dass es gar nicht geht. Es ist nur manchmal so, dass man sich wirklich denkt, jetzt ist ein Loch, wo irgendwie 10 Tage gar nichts ist und dann kriegst du in 2 Wochen Anfragen für 4 Wochen. Also es ist einfach irrsinnig – also und insofern bin ich auch froh und verstehe ich die Leute, die auch zum Beispiel auch auf der Uni, hatten wir ja auch immer wieder so Absolventen zu Gast, die irgendwie erzählen haben, was sie jetzt machen. Und da hat eine einmal gesagt, sie arbeitet freiberuflich, aber sie würde das nur empfehlen, wenn man entweder einen Partner hat, der auch verdient oder irgendeine Erbschaft gemacht hat (lacht). Und ich muss ehrlich sagen, so schlimm sehe ich es nicht. Man muss halt auch ein bisschen voraus planen und wenn man mal wirklich was über hat, das auch auf die Seite legen und nicht ausgeben, weil es sein kann, dass dann irgendwie nichts kommt. Aber gerade wenn so 10, 12 Tage Flaute ist, dann bin ich schon froh, dass mein Mann angestellt ist und regelmäßig verdient. Also das ist wirklich einfach so ein bisschen na ja schwierig. Ich meine, meistens komischerweise kommt dann meistens am Monatsende das gleiche raus. Aber es ist trotzdem ein ungutes Gefühl, wenn man irgendwie 10 Tage nichts verdient und schon weiß, das wird sich wahrscheinlich für das nächste Monat nicht ausgehen (lacht).
I: Okay, also da ist schon ein bisschen ein Unsicherheitsgefühl dabei, oder?
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BA6: Ja, eben. Und das, da bin ich mir eben auch nicht sicher, ob ich diese Schwankungen wirklich weg kriege, wenn ich noch ein Büro habe. Weil ich habe dann sicher mehr Aufträge, aber das heißt nicht, dass sie dann regelmäßiger kommen. (..) Und vor allem, wenn alle gleichzeitig kommen, kann man sie auch nicht machen.
I: Genau ja. Und wieso arbeitest du generell noch mit Büros oder wieso willst du dich noch bei einem Büro bewerben? Warum die Arbeit mit den Büros im Speziellen?
BA6: (..) Ah, du meinst und nicht direkt mit dem Kunden?
I: Ja oder auch auf eine andere Art?
BA6: Ja also ich habe, ich habe (..) sagen wir einmal ein, zwei Privatkunden, die allerdings hauptsächlich Studenten sind, die irgendwie über fünf Ecken an mich verwiesen wurden und es ist auch hauptsächlich Lektorieren und nicht Übersetzen, also ich mache auch ziemlich viel Lektorat. Ja, weiß ich nicht. Also mit Büros zusammenarbeiten hat einige Vorteile, finde ich, gerade für Berufseinsteiger. Erstens einmal ist die Haftung beschränkt. Also das Schlimmste was mir zumindest bei den zwei also bei den Büros, mit denen ich jetzt hauptsächlich zusammenarbeite, passieren kann, ist, wenn sie wirklich einen groben Fehler in einer Übersetzung finden, dass sie mir nichts bezahlen für die Übersetzung. Das heißt, ich habe aber keine Schadensersatzklage am Hals, die hat das Büro. Was also, ich glaube, wenn man direkt gerade mit Firmenkunden oder so zusammenarbeiten würde, müsste man zumindest eine Haftpflichtversicherung abschließen. Also ich habe das gesehen, auch bei den Büros, mit denen ich zusammenarbeite, das eine hat da eine Klage von, ich glaube, 10.000 Euro Schadensersatz, weil sie eine Arabisch-Übersetzung geliefert haben per Mail, blöderweise als Word und nicht als PDF. Der hat das am anderen Ende aufgemacht, das hat sich irgendwie alles verschoben und war nicht mehr von rechts nach links sondern von links nach rechts. Die haben das so gedruckt in, ich weiß nicht in was für einer Auflage, 20.000 Stück glaube ich. Das ging raus und es hat natürlich nichts geheißen, weil es komplett falsch war. Und die haben das Übersetzungsbüro auf 10.000 Euro Schadensersatz verklagt. Und das sind dann so Sachen, die brauche ich echt nicht. Also da ist mir ehrlicherweise auch wert, dass das Büro ein bisschen dran verdient und ich – weil ich natürlich, wenn ich direkt mit Kunden zusammenarbeite, könnte ich mehr verlangen. Logisch. Weil die Marge vom Übersetzungsbüro wegfällt. Aber dann habe ich zum Beispiel solche Sachen wie Schadensersatzklagen. Dann ist es, man muss auch mal Kunden finden. Das Problem habe ich so nicht. Weil ich habe meine Büros und ich habe mich derweil muss ich ehrlich sagen auch noch bei keinem beworben, die mich nicht genommen haben. Und die schicken mir dann die Aufträge. Und Firmen würden ja nicht jetzt keine Ahnung fünf Aufträge im Monat schicken. Da brauchst du viel mehr Kunden, die musst du mal kriegen. Also es ist einfach hauptsächlich die Verwaltungsarbeit, die man sich erspart, wenn man mit einem Büro zusammenarbeitet. Also diese Versicherungssachen, die Kundenakquise, im Grund auch das Preis verhandeln, weil der Preis steht für mich eh fest, also ja. Also ich kann mir auch leicht vorstellen, dass irgendwie wenn man 10, 20 Jahre in dem Beruf gearbeitet hat schon ein bisschen einen Ruf hat und vielleicht auch ein paar Privatkunden sich nach der Reihe angesammelt haben, dass man das anders sieht. Aber momentan ist es mir einfach zu gefährlich.
I: Ja, versteh ich voll. Und deine Erwartungen nach dem Studium, wurden die erfüllt?
BA6: In Bezug auf die Arbeit jetzt oder?
I: Genau, auf die Arbeit genau. Hast du es dir so vorgestellt, wie es jetzt ist?
BA6: Also an und für sich schon. Also wie gesagt, das mit der Bezahlung ist ein bisschen so eine Geschichte. Also mich hat das schon erschüttert, wie ich dann irgendwie in dem einen Monat draufgekommen bin, dass ich eigentlich nicht davon leben könnte, wenn ich jetzt allein wäre. Das war so ein bisschen, wie soll man sagen, da bin ich auf dem harten Boden der Realität gelandet. Aber ansonsten muss ich sagen, also gerade was die Art der Arbeit betrifft und auch eigentlich generell gesehen, was die Art der Aufträge betrifft, hat es sich eigentlich schon erfüllt, ja. Wobei ich sagen muss, da kommt vielleicht auch dazu, dass einfach uns im Studium, finde ich auch, gerade in Berufskunde oder so relativ viel auch vermittelt wurde von der Problematik des Berufs. Also es war jetzt nicht so: Es ist alles draußen toll und schön, wenn ihr nur einmal abgeschlossen habt. Sondern also auf bestimmte Problemfelder wurde schon mal hingewiesen und ich denke, da geht man auch mit einer anderen Erwartung raus.
I: Und was bringt einem das Studium noch im Gegensatz zu Übersetzern, die jetzt kein Studium haben zum Beispiel?
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BA6: Also ich würde auf alle Fälle sagen Sicherheit, weil ich einfach manche Sachen über die Jahre im Studium in den verschiedenen Übersetzungskursen bei verschiedenen Lehrern einfach gelernt hab’. Und wenn da einer sagt: Das ist falsch. Dann sage ich auch: Nein, das glaube ich nicht. Und deswegen und deswegen glaube ich das nicht. Und ich lasse mich einfach nicht so leicht – also ich meine, es kann ja auch sein, dass der andere einmal recht hat, aber dann kann er es ja irgendwie erklären. Also man kann seine Meinung, denke ich, irgendwie besser vertreten und also ich weiß nicht, das hängt vielleicht jetzt auch mit meiner Persönlichkeit zusammen aber ich persönlich würde auch sagen, dass mir das Studium einfach irgendwie eine entspanntere Berufsausübung ermöglicht, weil ich das Gefühl habe, ich kann das oder ich habe das gut gelernt. Auch wenn man natürlich gerade am Berufsanfang immer noch irrsinnig viel dazu lernen muss. Aber ich habe jetzt zum Beispiel keine Angst, mich bei einem Praktikum oder bei einem Büro zu bewerben, weil ich mir denke, ich habe das eigentlich gelernt. Und sicher muss ich noch einiges lernen, aber das können die mir dann ja sagen. Also ich sage denen ja auch nicht, ich habe schon zehn Jahre Berufserfahrung, sondern ich sage denen, ich komme eigentlich mehr oder weniger frisch von der Uni und (..) das wird schon so passen. Also ich würde mich nicht trauen, Übersetzungsaufträge anzunehmen, wenn ich das Übersetzen jetzt in der Hinsicht überhaupt nicht gelernt hätte. Weil ich einfach keinen Auftrag annehmen kann, wenn ich nicht einmal weiß, ob ich den richtig erfüllen kann. (..) Also das ist – und ansonsten gibt es ja nicht wirklich viel Möglichkeiten, übersetzen zu lernen, außer dem Studium. Also es gibt ja jetzt nicht irgendwie, keine Ahnung, Abendkurse oder sowas.
I: Ja stimmt. Und gibt es etwas, was du dir zu Anfang irgendwie gewünscht hast an Arbeitsbedingungen oder so, was du dann aber aufgegeben hast, weil du gemerkt hast, das spielt es einfach nicht in der Realität?
BA6: (...) Muss ich kurz überlegen. (..) Ja also wieder abgesehen von der Sache mit der Bezahlung (..) nein, glaube ich eigentlich nicht. Nein also muss eigentlich sagen, bin eigentlich recht zufrieden. (lacht)
I: Ja sehr schön. Und was dämpft deine Bereitschaft für Engagement noch?
BA6: Naja, das ist eigentlich so der Fall, wenn ich so wirklich schlechte Texte habe, die dann noch vielleicht irgendwie in relativ kurzer Zeit gemacht werden sollen. Also das ist dann so irrsinnig schlechte Ausgangstexte sind wirklich Sachen, die ich eigentlich nur mache, weil ich eben das Geld brauche oder weil ich in dem Monat noch nicht wirklich viel Aufträge gehabt habe. Also das ist jetzt nicht wirklich interessant oder so vor allem weil gerade das, was ich dir vorher gesagt habe, das mir besonders viel Spaß macht, dass man jetzt wirklich eine gute Übersetzung findet, ist dann nicht wirklich möglich. Also der Idealfall ist, dass man rausfindet, was der meint und dass man das grammatikalisch richtig in der Zielsprache rüber bringt, aber mehr ist da nicht drin bei solchen Texten. Und insofern ist das natürlich nicht sehr motivierend. Also da muss ich sagen, dass ich es eigentlich wegen dem Geld mache oder ja, eigentlich nur wegen dem Geld. Weil man kann auch nicht sagen, dass man dadurch irgendwie in Übung bleibt, weil von schlechten englischen Ausgangstexten wird mein Englisch auch nicht besser.
I: Voll ja. Und es dauert wahrscheinlich auch länger, weil du oft wahrscheinlich überlegen musst.
BA6: Ja, vor allem, es ist eben irgendwie unbefriedigend, weil selbst wenn ich mir dann beim Lektorieren dann irgendwie manchmal denke: Okay, das habe ich eigentlich, für den Text der da steht, eh ganz gut hinkriegt. Aber es liest sich dann im Deutschen trotzdem nicht irgendwie toll. Also (..) ist halt nicht. Vor allem weil das eben oft in Kombination damit auftritt, dass es dem Kunden nichts Wert ist. Eh klar, weil sonst hätte er nicht so einen Ausgangstext irgendwo her bekommen und dass du dann auch nicht wirklich nachfragen, Fragen stellen kannst, die beantwortet werden. Also das meiste bei solchen Texten ist wirklich eigentlich das höchste der Gefühle, dass ich das rot markiere, dem Übersetzungsbüro sage: Das heißt nichts. Sag’ das dem Kunden so weiter. Und die leiten das weiter. Aber das ist jetzt nicht wirklich ein befriedigendes Ergebnis. Ansonsten muss ich sagen, bei Texten also speziell, wenn sie sich ein bisschen abwechseln und wenn sie wirklich also in der Ausgangssprache auch gut geschrieben sind, dann habe ich eigentlich wirklich auch Spaß beim Übersetzen. Also da vergesse ich auch zeitweise mal, dass ich das mache, weil es meine Arbeit ist. Also ich mache das eigentlich echt gern.
I: Ja schön. Und wirst du manchmal ungerecht behandelt? Hast du das Gefühl, das ist nicht ganz fair, was da jetzt passiert?
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BA6: (..) Naja, in Bezug manchmal, also was ich eh schon gesagt habe, darauf, dass ich halt irgendwie, dass sie noch mal anrufen: He, das muss doch schneller sein. Und ich bemüh’ mich dann wie narrisch und dann schreiben sie nicht einmal zurück. Also das finde ich schon unfair. Und im Allgemeinen finde ich es mit der Bezahlung ein bisschen unfair. Nur da muss ich ehrlich sagen ist halt auch meine Sache. Also ich könnte jetzt auch sagen, ich gehe rauf. Nur das Problem ist halt, ich krieg’ dann weniger Aufträge. Man muss es irgendwie austarieren. Aber sagen wir mal so, da finde ich eher, dass Übersetzer allgemein ungerecht behandelt werden, weil sie eben so schlecht bezahlt werden. Das ist ja nicht bei mir persönlich irgendwie.
I: Genau ja. Das heißt, man muss sein Ansprüche runter schrauben, oder? Sonst kann man in dem Beruf nicht arbeiten.
BA6: Naja, also zumindest nicht als Hauptberuf. Also wie vorher schon gesagt, wenn du irgendwie einen zweiten oder einen Teilzeitjob hast, wo du ein fixes Gehalt hast, von dem du mehr oder weniger leben kannst, dann kannst du natürlich auch 80 Cent oder 1,20 Euro die Zeile verlangen und halt nur das nehmen, was du dann noch kriegst. Aber wenn du wirklich von dem allein leben willst, dann geht das nicht.
I: Das ist so schade. Und so viele machen es nach dem Studium nicht diesen Beruf. Eben genau aus diesen Gründen.
BA6: Ja. Wobei da muss ich immer sagen, das finde ich (..) ja, es muss jeder für sich entscheiden. Aber wie gesagt, es gibt nicht, also wirklich viel gut bezahlte Berufe und ich weiß nicht, wo die dann hin kommen. Aber wenn sie dann irgendwo in einem Büro 40 Stunden die Woche sitzen bei irgendeinem unguten Chef und dafür halt dann mehr bezahlt bekommen, dann muss ich ehrlich sagen, ist mir meines trotzdem lieber. (lacht)
I: Ja, das verstehe ich voll. Das ist ein gutes Argument, klar.
BA6: Ich meine, solange man wirklich davon leben kann. Wenn man gar nicht mehr davon leben kann, ist es was anderes.
I: Ja, wie glaubst du wird sich das entwickeln in Zukunft?
BA6: (bläst Luft aus) Ich weiß nicht. Ich glaube, das hängt auch irgendwie mit dem Verhalten der Übersetzer zusammen. Also ich denke, wenn es mehr Übersetzer gibt, die das wirklich als alleinigen Beruf machen und sich auch als Übersetzer im Hauptberuf sehen, das dementsprechend vertreten, dann denke ich, wird es besser. Aber solange es wirklich so viele Leute gibt, die das irgendwie so nebenher als Hobby machen, wird sich da nicht viel ändern, glaube ich. Vor allem weil es ja irgendwie so in der gesamtwirtschaftlichen Situation gesehen momentan nicht gerade besser wird. Also warum sollten dann gerade bei uns die Gehälter mehr werden (lacht). Das ist ein bisschen unlogisch.
I: Ja absolut. Ja mir hat einer erzählt, dass die größte Angst von ihm ist, dass die Maschinen diese Arbeit einmal übernehmen werden. Der hat gemeint, das wird ganz sicher passieren. Aber irgendwie wundert mich diese Aussage.
BA6: (lacht) Das ist interessant ja, weil ich [Identitätshinweise] auch irrsinnig viel gelesen irgendwie zu dem Thema und ich muss ehrlich sagen, ich glaube es nicht. Also ich muss ehrlich, also es kann schon sein, dass das das Preis-Problem nicht besser macht. Das glaube ich schon. Gerade weil das mit Trados oder so also sehr viele Büros schreiben mittlerweile Trados vor und schreiben dann auch vor, dass ihre Platzierungen, also dass, wenn bei Trados Wiederholungen auftreten, dass man dementsprechend weniger verlangen darf. Das ist mir Gott sei Dank noch nicht passiert. Also keines der Büros, mit denen ich zusammenarbeite schreibt Trados vor und dementsprechend werden Wiederholungen auch ganz normal bezahlt und nicht abgezogen. Aber das gibt es sehr häufig. Also insofern was den Preis betrifft, glaube ich schon, dass diese Translationstechnologien auch Nachteile haben können oder die Situation nicht verbessern. Aber ich glaube nicht, dass sie uns die Arbeit wegnehmen, weil wenn man sich das anschaut, was diese vollautomatischen Übersetzungssysteme ausspucken, das ist wirklich unter jeder Kritik. Also das ist ohne nachträgliche Bearbeitung ist das nicht verwendbar. Es ist, es kommt vor und das steht ja auch in irrsinnig viel wissenschaftlichen Artikeln drin, zum Beispiel irgendwelche Gemeinden oder Staaten setzen das ein, um Bewohnern Informationen zugänglich zu machen, die die Sprache gar nicht beherrschen. Nur das ist keine Konkurrenz in dem Sinn für uns Übersetzer weil die würden sich keinen Übersetzer leisten. Und stellen sie halt dort so eine maschinelle Übersetzung hin, damit irgendwas da ist. Das finde ich gar nicht so schlecht, weil manchen Leuten hilft es vielleicht
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wirklich. Aber das nimmt mir jetzt nicht die Arbeit weg, weil die würden sicher keinen echten, also humanen Übersetzer dafür bezahlen.
I: Absolut ja. Ich glaub, ich kann’s mir auch überhaupt nicht vorstellen. Allein wie jemand anderer erwähnt hat also Humor und Ironie und sowas, wie willst du das irgendwie in eine Maschine rein programmieren?
BA6: Ja. Und es ist einfach auch irrsinnig viel Kultur- und Weltwissen drin. Bei Bedienungs- anleitungen oder so kann ich mir vorstellen, dass es irgendwann geht. Weil das einfach relativ kontrollierte Sprache ist, weil die also nicht viel Grammatik drin ist, die Terminologie ist mehr oder weniger immer die gleiche und nur dann muss ich ehrlich sagen, um die wäre es mir nicht leid (lacht). Also die kann auch gern wer anderer übersetzen. Aber ansonsten glaubt man gar nicht wie viel Kultur und so in so einem ganz normalen Text steckt. Also ich habe jetzt vor Kurzem ein Testament übersetzt aus dem Englischen, also aus dem Kanadischen eigentlich, und das war einfach sehr gut geschrieben weil es ein Notar verfasst hat. Aber da habe ich mir auch gedacht eben noch irgendwie mit diesen Translationstechnologien da im Hinterkopf: Das kriegst du in keine Maschine rein. Also einfach diese kulturellen Unterschiede in den Konzepten schon und dann irgendwie gibt’s verschiedene Möglichkeiten oder auch keine Ahnung schreiben die Engländer schreiben immer ‚shall’ und das wird im Deutschen eigentlich gar nicht oder wenn dann nur sehr subtil übersetzt. Solche Sachen kriegst du nicht rein. Also das ist – und von dem her glaube ich nicht, dass da eine Gefahr ausgeht. Also die Texte, die die vielleicht mal übersetzen können, die können sie von mir aus gerne haben (lacht).
I: Ja (lacht). Ja vor allem die ganzen Fixanstellungen basieren doch gerade auf solchen Textsorten, oder? Also wenn man in einem Unternehmen, was weiß ich, in einem Technologie-Unternehmen angestellt ist, dann arbeiten die hauptsächlich mit dieser Textsorte. Also Fixanstellungen würden da wahrscheinlich schon wegfallen.
BA6: Ja. Das kann sein. Wobei ich habe mir darüber auch Gedanken gemacht, [Identitätshinweise] und es ist ganz seltsam weil zum Beispiel [Firmenname], die ja irrsinnig viel auch mit maschinellen Übersetzungssystemen machen, haben auch ziemlich viele Übersetzer beziehungsweise Terminologiespezialisten oder so angestellt. Oder auch die EU macht ja relativ viel mit Systran, gerade in bestimmten Sprachkombinationen und die haben auch einen riesigen Pool an Übersetzern. Also ich weiß nicht, ob man es wirklich ganz weg kriegt. Also derweil zumindest noch nicht. Vielleicht wird es irgendwann aber derweil brauchst du Menschen, die das programmieren, die die Terminologie einspeisen, die das nachbearbeiten. Also es sind sicher andere Arbeitsfelder und ich möchte das auch nicht machen so einen verwortakelten, tschuldigung (lacht), maschinenübersetzten Text da korrigieren. Aber das ist eigentlich kein Arbeitsplatzverlust, das ist nur irgendwie eine Verschiebung, denke ich.
I: Ja, stimmt ja. Also der Markt, da wird sich sowieso viel verschieben, wie du sagst, generell.
BA6: Ja und es ist auch also, ich denke, dass man als Übersetzer, wenn man jetzt wirklich nur übersetzen will, dass sich das erstens aufhören wird, dass man sich auf ein Gebiet spezialisiert, weil dann muss man schon sehr viel Glück haben, die richtige Sprachenkombination und sehr gut sein, dass man da wirklich genug Texte bekommt. Und ich denke auch, dass es, wenn man wirklich nur als Übersetzer arbeiten will, kannst du fast nur freiberuflich sein. Weil selbst in den Übersetzungsbüros, also zumindest bei denen, wo ich jetzt irgendwie eine Anstellung hätte kriegen können oder wo ich Praktikum gemacht habe, ist es so, dass du dann auf alle Fälle irgendwie Büroarbeit drin hast. Da musst du dann auch, keine Ahnung, Rechnungen schreiben oder Kundenkontakt machen oder irgendwas, weil sie einfach auch nicht genug Übersetzungen haben, dass sie Übersetzer wirklich nur zu übersetzen anstellen können. Das ist auch einer der Gründe, warum ich es gut finde, wenn ich freiberuflich bin. Weil okay, ich muss das bisschen Verwaltung machen, was ich halt für die Steuer und so brauche, aber das ist jetzt – erstens bringt es mir was und dann finde ich es jetzt auch nicht so tragisch.
I: Also du wirkst sehr zufrieden in deinem Beruf?
BA6: Ja, bin ich eigentlich schon, ja (lacht).
I: Und warst du zu Beginn irgendwie unzufriedener oder warst du immer konstant zufrieden?
BA6: Unsicherer vielleicht. Also sagen wir mal so, ich war mir grade kurz nach dem Studium, also nach dem Studium meine ich jetzt, nicht nach der Abschlussprüfung und nach der Diplomarbeit, weil das dauert ja irgendwie (lacht) alles so lange, sondern nach den Lehrveranstaltungen, also wie
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ich angefangen habe zu arbeiten, war ich irgendwie schon unsicher, ob ich wirklich also davon also ob ich so arbeiten kann, wie ich das gerne hätte und dann auch davon leben kann. Also da war ich mir nicht sicher, ob ich da nicht irgendwo doch einmal mich bei einem Unternehmen als Übersetzer bewirb, obwohl ich das eben eigentlich nicht will, weil das meistens ziemlich eintönig ist oder ich es mir zumindest so vorstelle oder auch von Kolleginnen so gehört habe. Aber da habe ich mir dann einfach gedacht: Was machst du dann, wenn du keine Aufträge kriegst und das ist dann auch ur dumm also ich finde das immer so blöd, dann haben irgendwie irrsinnig viele von meinen Verwandten und zum Teil auch von meinen Freunden gesagt: Warum? Dein Mann verdient eh genug. Ein so ein blödes Argument! Ich werde sicher den ganzen Tag zuhause sitzen und warten, dass er das Geld heim bringt – urgh! (lacht) Ich kann das dann auch überhaupt nicht –
I: Und jedes Mal, wenn du was kaufen willst, ihn fragen und um Geld bitten.
BA6: Nein genau. Und die haben das dann überhaupt nicht verstanden, wenn ich gesagt habe, ich habe Angst, wenn ich zu wenig Aufträge habe. Warum? Du wirst schon nicht verhungern. Ja toll, aber.
I: Nein absolut, verstehe ich absolut.
BA6: Das ist – also von dem her war es eigentlich mehr so Angst. Unzufrieden kann man jetzt eigentlich nicht sagen. Unzufrieden war ich ein bisschen während dem Praktikum. Das kann man schon sagen, ja. Also das war auch einer der, also auch ein Grund, warum es mir gar nichts macht, dass sich das dann nicht vereinbaren hat lassen mit den Arbeitszeiten von meinem Mann. Also ich glaube, da wäre ich nicht wirklich glücklich geworden.
I: Warum warst du da unzufrieden?
BA6: (..) Ja ersten ist irgendwie (..) Ja, es war also schon mal diese starren Arbeitszeiten, wo du dann dort sitzen musst, auch wenn du eigentlich nichts zu tun hast. Also ich bin immer, ich mache eigentlich das was ich mache meistens sehr gerne und versuche es möglichst gut zu machen und auch irgendwie möglichst schnell. Und wenn du dann in der Früh ins Büro gehst und schon weißt, jetzt sind drei Rechnungen zu schreiben, zwei Aufträge zu erteilen, eine Übersetzung zu machen, dann ist es eins und du hast bis fünf Dienst (..) das ist irgendwie frustrierend. Also (lacht) ich habe das dann mit meinem Kollegen besprochen, der hat gemeint: Warum? Du kannst das und das Computerspiel spielen, Zeitung lesen, keine Ahnung. Und mir ist dann immer nur eingefallen, was zu Hause alles Sinnvolles auf mich wartet (lacht), was ich noch tun könnte. Also das war gar nicht toll. Und ich weiß nicht, also ich habe auch Probleme gehabt, aber das würde sich sicher verhindern lassen, wenn man länger dort arbeitet, mit den Arbeitsmitteln. Also ich bin einfach meine Arbeitsumgebung gewohnt, bestimmte Wörterbücher und keine Ahnung, dass ich dann irgendwie auch eine Kanne Tee oder irgendwas Großes zum Trinken daneben stehen habe, das ging auch nicht, weil der Chef immer furchtbar Angst hatte, dass das auf meine Tastatur drauf geht, wenn ich meinen Tee verschütte. Und das sind halt so Sachen. Also das sind eigentlich Kleinigkeiten. Aber ich denke mir, wenn ich jetzt wirklich 10 oder 20 Jahre da arbeiten würde, dann wäre das schon lästig. Und eben, ich kann eben gar nicht mit dem da sitzen und nichts zu tun haben und genau wissen, ich muss jetzt aber noch vier Stunden da sitzen und nichts zu tun haben.
I: Ja. Aber daheim hast du ja auch keine Kollegen. Stört dich das nicht? Also der soziale Aspekt.
BA6: Das ist eine gute Frage. Also das stimmt. Also das hat mich am Anfang eigentlich schon gestört. Ich habe nur das Glück, ich habe ein Hobby bei dem man irrsinnig viel mit (..) Leuten zusammen kommt. Also ich spiele Oboe weil ich Musik-Gymnasium gegangen bin und nie aufgehört habe, weil es mir halt Spaß macht. Und jetzt spiele ich in drei verschiedenen Laien-Orchestern. Also das eine ist sogar semi-professionell aber gut. Und da lernt man halt einfach irrsinnig viele Leute kennen. Also sagen wir einmal so, ich versuche mir das bewusst auszu- gleichen durch viele private Kontakte. Also ich denke schon, dass das ein großes Problem sein kann. Das war bei mir speziell auch, also wie wir umgezogen sind nach Deutschland und ich eigentlich noch niemanden gekannt habe und dann eben auch nicht die Arbeit hatte, wo du jeden Tag hingehst und Leute kennen lernst, war das schon problematisch. Aber ich versuche es jetzt eben privat auszugleichen und ich muss sagen, es hat auch Vorteile. Weil wenn ich mich jetzt mit irgendwelchen Leuten treffe, dann mache ich das, weil ich Freude daran habe und weil ich Zeit dafür habe. Und das ist jetzt, glaube ich, auch für die Qualität der sozialen Kontakte zumindest nicht schlechter, wie wenn man nur hingeht, weil man eben zur Arbeit geht.
I: Das ist ein gutes Argument, ja.
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BA6: Aber es ist schon, also es kann, glaube ich, schon gefährlich werden, speziell wenn man einfach wirklich viel Arbeit hat oder aus irgendeinem Grund mehrere Sachen zusammen kommen und man dann eben nicht mehr die Energie hat, dass man am Abend sagt, ich treffe mich jetzt mit wem. Das wird schon irgendwie gefährlich. Also da kann man sich sicher irgendwie auch wirklich isolieren. Aber da kommt mir dann irgendwie zugute, dass ich einfach gern unter Leuten bin und ja, dann halt schau, dass ich das irgendwo anders her krieg’ (lacht).
I: Ja. Und hast du mit anderen Übersetzern viel Kontakt? Auch aus beruflichen Gründen?
BA6: Eigentlich habe ich, also aus beruflichen Gründen habe ich eigentlich nur mit dem Übersetzungsbüro jetzt Kontakt, wobei der eine ist auch selber hauptberuflich Übersetzer, also der eine Türke und der andere macht es zumindest auch nebenbei, also kann man schon sagen, dass man – ja und mit dem Mitarbeiter von dem anderen Büro. Also so habe ich schon mit Übersetzern Kontakt. Ansonsten hin und wieder mit Leuten, wenn ich keine Ahnung irgendwas abstimmen will oder wen zum Lektorieren brauche. Aber das sind dann meistens Leute, die ich schon vom Studium kenne oder schon von früher.
I: Das sind dann schon wertvolle Beziehungen, ge? Die von der Uni.
BA6: Ja. Ja vor allem weil man auch weiß, also gerade bei Englisch, hat man ja dann doch auch irgendwie Projektarbeiten gemacht und weiß, wie der andere arbeitet und das ist ganz was anderes, wenn ich irgendwie das hin schicken kann und genau weiß, die macht das ordentlich, wie wenn ich da jetzt irgendwie wen suchen müsste, dann muss ich mit dem den Preis verhandeln, dann weiß ich nicht, ob der das gescheit macht. Dann muss man es noch mal anschauen und uff. Also (lacht)
I: Ja absolut, genau. Und jetzt noch eine letzte Frage: Was würdest du dir wünschen? Einfach so für die Zukunft den Beruf betreffend, egal welchen Bereich?
BA6: (..) Ja also eigentlich würde ich mir wünschen, dass es vor allem von den Auftraggebern, aber vielleicht hat das auch mit der Öffentlichkeit zu tun, irgendwie mehr wahrgenommen wird, das Übersetzen eigentlich nicht jeder kann, der zwei Sprachen kann, sondern dass das auch irgendwie mit was lernen und mit Kompetenzen irgendwie verbunden ist und dass dementsprechend vielleicht auch die Bezahlung besser wird, weil ich glaube, dass das ziemlich eng gekoppelt ist.
I: Mhm, ja. Das glaube ich auch. Beziehungsweise ja, in vielen Fällen sicher.
BA6: Ja. Und vielleicht auch, dass die Berufsverbände einsehen, dass es eben nichts bringt, wenn man nur den Mitgliedern sagt, sie dürfen nicht unter dem und dem Preis arbeiten, sondern dass man da auch wo anders ansetzen muss.
BE1 – EDOARDO I: I really appreciate that you have time to talk with me. (Oh, no problem.) It’s so interesting. So you work in a network environment where you get your jobs not directly from your clients but also over agencies or other intermediaries?
BE1: Yeah.
I: Okay
BE1: So I would say that 80 percent, 85 percent of my translation jobs still come from agencies, 15 percent from direct clients. I translate from English into Italian, from French into Italian. So it’s much easier for me to work with agencies. (I see.) Networks. I use networks of translators to get new jobs from other colleagues or from other potential clients as you know ah they contact the network and then you can get a job. (Mhm. Mhm. Yeah. So that’s a real network.) Yeah. What do you mean by network? You mean network of translators, right? Or agencies?
I: Yeah. There are different networks. And networking among translators is also very important, I imagine
BE1: Absolutely.
I: Yeah. And you said that it’s easier to work over agencies. Why is that?
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BE1: It’s easier because generally end-clients want a package, like for example if they have a monthly language project like for example a website to be translated into 5 languages, they prefer to outsource to an agency. And then the agency outsources everything, all the different languages, to different translators. So the company or the end-client doesn’t want to deal with all the translators, generally speaking. So they just want to have one person or agent or agency that takes care of their project. This is why. So, since I can provide only translations in two language combinations – technically – it’s easier to work with agencies than end-clients. But – if you market yourself well – you can find end-clients, companies or individuals that are looking just for, for example, English into Italian translation or just for your language combination. But if you want to work for bigger clients, you need to work for an agency.
I: Okay. And what would you describe as the perfect working conditions?
BE1: For me?
I: Yeah, for you.
BE1: As a translator?
I: Yeah. What’s the perfect job?
BE1: The perfect job is a high rate job. A good rate, satisfactory (...) rate, which is really relative in a sense that it really depends on the market, it depends on the end-client, it depends on the country. There are many different parameters and (...) But okay, first thing is the rate, second thing obviously is the deadline, so it has to be, ideally, a flexible deadline or a long-term deadline. So we can work, like we can translate 1,100, 2,000 words per working day. Then, third condition for an ideal job would be the possibility to get reference material from the end-client. And this is very difficult because agencies do not want to share the contacts of the end-clients. So if you need to clear some doubts or you have some terminology doubts or if you want to get some extra information from the end-clients, you have to go through the agency. And the agent (...) So you send an e-mail to the agency, the agency sends an email to the client, the client goes back to the agency and the agency goes back to you, so it takes time. It can take more than 24 hours. So if you need to ask something about a specific term, a technical term, technical word, it’s a bit complicated. But the reference material is vital if you really want to have a good quality, a high quality translation. So these preconditions are the most important for me and it’s very hard to get all of them.
I: So you said that some countries rate better than others? You said depending on the countries, so I guess there are some countries that pay better than others?
BE1: Yes yes.
I: Which country pays very badly or which country has very low rates?
BE1: Basically, it depends on your language combination. It depends on the country itself. It depends on the translation culture of the country. For example, Canada I find is a very good market for translators because everything is translated into two languages – the official two languages – and it really invests in good quality translations, generally speaking. Like if you go to Second World countries or Third world countries, obviously the rates are very low. (...) In general, always in general. Because South America, for example, I don’t work with clients from South America. I don’t work with clients from Asia. I don’t work with clients from India. I don’t work with clients from Africa. And Europe (...) it also depends on the area. Southern Europe rates tend to be very low. Northern Europe rates tend to be high or like (...) not as high as North America but still acceptably high. A very good market is Australia. Australia is very (...) it’s a closed market – in a sense that it’s very hard to get there because the accreditation system is very complicated. So you have to get accredited by Australian bodies and (...) But you know it’s a very good market as well. So yeah, so it all depends on your ability to get clients, to market yourself as a translator and get clients.
I: Yeah I see. Wow, you have a lot of experience. How many years have you been working in these networks?
BE1: I’ve been working full-time as a translator for (...) 8 years.
I: 8 years?
BE1: 8 years full-time. But, you know, when I was at university, I used to do some jobs. So I (...) It’s about 11 years.
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I: 11 years, okay. Wow. And, so you studied translation as well?
BE1: I have a degree in conference interpreting. It’s a 4-year-degree. So I am a conference interpreter, that is my background. And I also did some translations and this, you know, allows me to (...) I mean, I learned how to use CAT tools, how to use data bases, terminology data bases, you know, so I’m a graduate of conference interpreting but also trained myself to be a translator.
I: Okay, wow. So talking about payment, what payment would you consider as reasonable or as (...)
BE1: What? Or what do you mean? The rate per word?
I: Yeah, the rate that works for you. The rate that you would say (...) okay, this is a fair rate.
BE1: XXX my rates. A good rate is I would say 10 Euro cents per word for English into Italian. And it’s very hard to get a better rate from an agency. So, a good rate from an agency that gives you regular work is 7 to 8 cent per word. But it has to be regular work, all the payments have to be monthly and they have to be timely. So, you know, those are conditions that are very important if you want to accept a lower rate. If you get end-clients you can also get more, like 12 cents per word.
I: Like if you have direct contact with the client, you mean? You get better rates if you have direct contact with the client? Is that what you just said?
BE1: It is like that because if you work for an agency the agency will get a cut, will get like a percentage of the final amount of money that will be charged to the client. (Okay sure.) So this can be 50 percent or 70 percent, it can even be 100 percent more. So it really depends on the client, it really depends on the job itself. You know, if it’s a really technical job you can ask for more money. So there are many parameters. It’s very hard to say what is your rate. So I never say my rates, in general. All the rates are negotiable according to the work conditions and, you know, even the payment methods, the payment conditions, you know.
I: Yeah. But you still decide to work with agencies because you probably get more jobs, I guess.
BE1: It’s easier (...) to get (…), I mean, now I am expanding and I’m going to become an agency as well. (...) It is XXX for end-clients. I mean… I don’t have a background in marketing and they didn’t teach me any marketing at school. So at the beginning you just send CVs to agencies and then it’s word-to-mouth, you do networking and you get end-clients as well. But it’s not easy to contact the company and say: Okay I’m an English-into-Italian-translator, if you have any translations in this language combination, please contact me. You know, they don’t deal with single translators, in general. It’s really hard to get direct contacts. I didn’t find the solution (laughs) and maybe there isn’t. If you find it tell me, ok?
I: Yeah, yeah. Does it ever happen that you don’t get information that would be essential for you to work?
BE1: What do you mean?
I: Like you said that sometimes it’s hard to get information but that it would be essential for you, material (…) it takes up to 24 hours. But does it also happen that you don’t get essential information that you would need to translate at all – like technical terms or corporate language?
BE1: Like for a conference for example when you work for a conference and they don’t give you the speeches in advance?
I: For example, yeah.
BE1: You have to improvise (laughs).
I: (laughs) So they ask a lot of you, don’t they, like (...)
BE1: Yes, but it’s possible, I mean you do some extra work and you just sometimes when it’s really difficult to find the right translation you do your best, you just do your best to translate it as good as possible but it happens like it’s not XXX of times you don’t get the reference material because there is no extra money, there is no availability from the end-client. So it’s normal. You just do your best.
I: Yeah, I see, sure. And where or in which situations would you act differently now than you did in the beginning according to the experiences that you have acquired so far?
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BE1: XXX which means you can do web marketing. You can do like (...) you know how to promote yourself, promote your website in a better way. You can work with some partners, specialize in marketing and you can, you know, it’s all about marketing I think. And networking is also important so you have to (...) really rely on your contacts from university if you XXX In fact, if I could go back like 10 years ago I would probably invest more time in spending time with my colleagues from university because those people they will give you jobs in the future. So you know you have to really become friends with them and (...) So this is networking. So marketing on one end and networking on the other end.
I: And how does that work in the network with the agency? What’s the contact like with them?
BE1: I wouldn’t say that XXX because they are not really related. And this is a big problem in the real market, I’m talking about the real market not an ideal market. They are not really related. You can talk about Italian agencies, you can talk about the Austrian agencies, you can talk about the English agencies maybe like they refer to some common practice according to the country but it’s not a network. I wouldn’t call it a network. (...) So the agencies are (...) they really I mean they have different policies, different approaches in translation now to deal with translators and clients. So in the end you really have to be flexible and understand what’s best for you.
I: What do you think is important to them and what is important to you? Where is the main difference there?
BE1: Money is important (laughs quietly).
I: (laughs) So they only care about money?
BE1: They care about money and hopefully they care about customer satisfaction.
I: But do you also feel like they care for you?
BE1: Most of them don’t. Some of them do. But no, it’s a minority, it’s not the majority of agencies. I could find also some patterns according to the countries and to the translation culture of these countries. You know for example in North America it’s much more about creating rapport with the professionals. So it’s about the money, of course, they want to make money. But they know that they have to invest in quality professionals. Like people who can provide quality products. So the rates tend to be higher in North America. In Europe, especially Southern Europe, they know that the end-client won’t really care about the quality, the final quality, so they are not prepared to pay as much as in other countries. So that’s the main problem. It’s the quality, it’s the investment they do in quality.
SK: Okay, and how does that make you feel? Agencies that don’t really care about you as a translator?
BE1: You feel frustrated. You learn that you can drop the agencies and say: Okay, I’m sorry but I’m not going to do work with you anymore, bye bye.
I: So you don’t really depend on these agencies, you just look for another one?
BE1: This is why you have to be good in marketing. Marketing is about selling yourself. You have to sell yourself to the best client, to the best customer.
I: And what conditions do you set before you take on a translation job?
BE1: First, the rate. Second, the deadline and third the relationship I have with the project manager and the agency itself. So you know it depends on the relationship I have. So sometimes they contact me and they ask for favors. And I do those favors. So it’s also about the relationship you have with the agency. Sometimes you can even accept a lower rate or a tight deadline if you want to keep that relationship, if you want to invest in that relationship.
I: I see. So usually you don’t insist on your conditions? You usually have to negotiate? Did I get that right?
BE1: I negotiate most of the time. The XXX combination is that there is a lot of competition with the English and Italian and French and Italian. So there’s a lot of competition. Which means, sometimes you get an offer and if you don’t get back to them by like 5 minutes, the job is gone. Or if they tell you: This is the budget, it’s 4 cents per word, you say: No, I can do it for 6 cents per word. They say: No, no, no, it’s 4 cents per word. So sometimes you negotiate. So, everything is considered individually and this is the real market. Unless, you know, I’m a professional that
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worked in the real market for a long time and I don’t believe in dreams any more (laughs) like to manage to work for 20 cents per word there’ll be work for XXX for 10 years.
I: So that’s what you imagined it in the beginning, to get 20 cents per word?
BE1: That’s what they told us at university, which was rubbish because most of my colleagues from university have never worked because they kept asking for XXX rates that were out of the market. They said, no no no, if you give me this rate I cannot do this job and so this is what the teachers told us to do. So in the end, they didn’t congeal [manage?] to work as translators because they were out of business, they were XXX and they couldn’t get enough money. For me, I was working in the beginning for lower rates, I got experiences, I got contacts and then I increased my rates. But in the beginning I had to work according to the real market rates. Some people call it grey market. It’s not a market where you get rates like from the European Union or the UN or these international organisations. It’s something more like unofficial but (…)
I: I couldn’t hear you. The connection is sometimes gone.
BE1: So you hear me?
I: Yes. I think so. Sometimes it’s a little difficult to understand. But it’s okay, go ahead. It’s so interesting.
BE1: Yeah, that’s the real market. But the real market is affected by the internet and nowadays it’s very easy to outsource to a low-rate translator somewhere in Thailand or in Argentina or wherever. So you know all these low-rate translators, their rates tend to be lower.
I: So they destroy the market?
BE1: They don’t destroy the market, they change the market. And you have to be aware of this, so you have to adapt. If you don’t adapt you (…) it’s extinction.
I: How do you adapt?
BE1: It means to be flexible.
I: Yeah, I understand. That’s interesting. Is there always a contract between you and the agency? Or how do you regulate and fix your conditions?
BE1: You mean, an agreement?
I: Yeah, do you have an agreement or a contract or anything that assures you to get paid and to work under certain conditions?
BE1: (…) Can you hear me?
I: Yeah I can, it’s a bit difficult sometimes but it works.
BE1: Okay. We expose an agreement. We usually sign with the agency before we start collaborating with them. There is also a non-disclosure agreement we usually sign with them about confidentiality and other conditions that are in this agreement. And then they just send you a purchase or the XXX job you get.
I: You were also talking about deadlines which are sometimes very tight and you have to work very quickly and simply under pressure –
BE1: Deadlines tend to be tight XXX before especially if you work with the agencies. And again you have to adapt. So that means that sometimes you work during the night, sometimes you work during the week-end, sometimes you have to go faster than usual and sometimes have to say okay I’m going to invest more resources on the speed of the translation like on the output than on the quality. Unfortunately it is like that sometimes. Because, you know, time is an important factor for the end-client and for the agency as well. So it depends XXX Maybe it’s not ethical but it’s real life.
I: And for you? What is ethical? What would you prefer to do?
BE1: What I would prefer to do? (Yeah.) I would like to get 20 cents per word, not to research every single word, spend only eight hours per day working and get regular jobs, get regular payments and get also some benefits, you know, that would be ideal. But it doesn’t happen. You know, sometimes I work 16 hours per day. (…) Hello? I didn’t get this last question.
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I: There was an internet connection problem, it said. But you’re there. You said that you work 16 hours per day sometimes?
BE1: Yes, sometimes you have to work 16 hours per day, it’s either that or nothing.
I: Wow, so you really have to adapt?
BE1: Yeah, you know in my mind this also depends on my language combinations. So there is a lot of competition, which means other people will do it if you don’t do it. (I see.) If you work in some exotic language combination like, I don’t know, Chinese into Farsi or Chinese into Russian, something like that, or maybe Chinese into Arabic. (Yeah.) But you know in my language combination there is a lot of competition. So one of the worst language combinations according to the market rates is English into Italian or English into Spanish. Yeah, maybe that is the worst one. (Oh really? Wow.) But it depends on different parameters and there are different conditions and different factors. So it’s always relative. But in general for the internet market that is the worst one. And English into Italian comes next after English into Spanish. Because you can outsource to Columbia, to Argentina, to Venezuela, to (…) you know…
I: I see the problem. But what makes you happy about the job? What satisfies you?
BE1: What makes me happy is flexibility, it gives me good money and I can live anywhere I want. I can scale if I want, which means I can invest in marketing, I can make more money if I want and this can happen over my computer and my interconnections. I need an infrastructure, I need materials, it’s just my mind and my computer.
I: Okay, wow. And what are your biggest fears, worries or concerns regarding the job?
BE1: You have to make more money because you don’t have a pension because taxes are generally very high for professionals. So you really have to work more. You have to make more money. Fears, there are many fears like everybody fears something in life. (That’s true.) But the biggest fear that I have, I mean, that most translators have, is machine translation, that one day machine translation will take over. XXX
I: Can you hear me?
BE1: Can you hear me?
I: Now I can. I’m sorry, I don’t know what’s happening there. You said that everyone has fears but what most translators fear is… and that one I didn’t get.
BE1: The most common fear among translators is machine translation and they fear that machine translation will take over, which means that there will not be any need for human translators, it will be just machines.
I: Okay, I got it now. Sure. But do you really think that’s a threat? Like if we look at Google translations, that’s not really good. It can’t compete with human translators, don’t you think?
BE1: Machine translation will take over, for sure. I mean, some people say no what will happen they would still need human translators but it’s just a question of years. I don’t know, also XXX In the end, there will still be a job for linguists, for translators, you will get a different jobs. You won’t translate, you will have to post-edit the machine translated text.
I: That’s a possibility. Another question: What do other people think about your job? What is your status among others? And now I’m only asking about being a translator and not about being an interpreter because I’m sure that’s different.
BE1: Okay, you are invisible. You are nobody. You do a job which is not common. (Yeah.) People generally don’t know. So you just have to accept the fact that your job doesn’t really exist in the main labor market. So you have a little bit of a strange profession but something’s still used to get money. This is what they (…) And I just gave up trying to explain what I do. Because people don’t get it. And this is in Italy especially and also all around the world. Translators are invisible. If you ask people about translation they would think it’s books, it’s novels, that it’s technical contracts, technical materials, technical translations in general. They don’t see where it comes from.
I: And how does that make you feel?
BE1: I don’t care. I just care about the money (laughs).
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I: (laughs) Okay, sure. What would you change about the market if you had the opportunity to do so?
BE1: Stefanie, I was just kidding, I’m not that greedy.
I: (laughs) Yeah, I mean, I don’t care. I understand of course (bit sarcastic).
BE1: I just used some irony because I’m Italian, so I will be ironic and sarcastic.
I: Sure, I’m ironic and sarcastic too (laughs). I like that. But what would you change?
BE1: What would I change in what?
I: In the whole market, what should agencies do differently or what should translators do differently?
BE1: Well, I would say that’s too generals as a question?
I: Okay, there are obviously some problems, like low rates or the competition among translators?
BE1: Like you mean, if I were a genius or if I were a magician and I could change what I want?
I: Yeah, for instance.
BE1: What would I change? I would change the rates of course because I want to only want to work eight hours per day. I do not want to work 16 hours per day.
I: But you work as a freelancer only, right?
BE1: If I would get more money, I would work less. You know, for example, my best clients are in Canada. Ideally, I would only like to work in Canada. But so far, it’s not possible. So I still have to deal with Italians. Italians are the worst. So if I had the magic wand and I could change the world or change something in the world, I would change the rates. The minimum rate would be 15 or 20 cents per word
I: That’s a good idea. One last question: What encourages or reduces your commitment to work? What makes you want to work, what makes you put a lot of effort into it? What makes you want to produce real good quality? And what frustrates you? What makes you put it all down and leave it?
BE1: Honestly, it’s the relationship that I have with the agencies. Sometimes they reward your efforts and they reward your efforts also by just thanking you for your job and this means a lot. You know, it’s not all about money, of course, I was kidding before. It’s also about your role, your role in making a better world, which means I mean you create communication among different cultures, you create communication among peoples. So you have a mission as a translator. And this is something that motivates me to keep working and to (…) So when I get some sort of positive feedback from the agencies, like if they say: Thank you, the client really appreciated your efforts and your translation will now help building a new hospital in Uganda for example. Then you feel fulfilled, you feel happy. So it’s about the relationship with the end-clients, it’s about the final products and yes.
I: Wow, that was a very good answer (laughs). I really understand what makes you do this job. It must be a great feeling to experience such appreciations. That’s great.
BE1: You know, it happens very rarely. And I like to work with clients that (…) You know the most frustrating clients are those that say: Just do a translation. Something that can be understood and you know, this is the rate and that’s it and I’ll pay you after three or four months or I’m not paying you because you are just a translator. You know, I’ve been dealing with these clients for a long time because in the beginning you have to make compromises. Now I have clients, especially from Northern Europe or Northern America, who really know how to treat professionals and give good rates. It’s also about the rapport they create. So for me, this is really something that I want right now. It’s not all about money, it’s about respect. Respect for my job and respect for my skills.
I: Sure. But why do you think people in Northern America, why do they know how to treat you? Is it the mentality or the culture? That’s so interesting. Why is it so different in Northern America?
BE1: It’s the culture, it's the business culture as well. They know how to make money because they know that trust is good for business, good manners are good for business as well. And you have to invest in quality, you have to invest in specific and specialized training. They generally tend to be nicer than Southern Europeans in the working world. It’s a different working environment. The
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working environment is more productive also because of the typical types of relationships among companies, among project managers and translators. So this is what I feel when I am in North America. People are generally nicer, even in a business environment. In Southern Europe it’s different. It’s just the culture, it’s less (…) It’s a bit more competitive, in a sense that they take advantage of you a bit more maybe (…) But it depends on your experiences. But this is only in general. In Northern America, they know how to do business better than in Europe, I think.
I: Mhm. That’s very interesting. And you are working with, you said, French and Italian?
BE1: Yes. French, English, Italian.
BE2 – ELKE I: Also Sie arbeiten als freiberufliche Übersetzerin?
BE2: Ja und Dolmetscherin.
I: Und Sie haben da auch Kontakt zu Übersetzungsbüros?
BE2: Jaja.
I: Okay. Um diese geht’s mir hauptsächlich, um Ihre Beziehung zu diesen Übersetzungsbüros. (Jaja, spannend.) Wie sehen denn für Sie perfekte Arbeitsbedingungen aus?
BE2: Perfekte Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Dolmetschbüros meinen Sie natürlich (Ja genau die Büros.), die also (..) als zwischengeschaltete Institution zwischen Kunden und mir irgendwie schon immer wieder oder – nicht immer wieder – hin und wieder problematisch sind, in dem Sinn, weil es manche Büros gibt, die (...) oder die meisten Büros bestrebt sind, einen direkten Kontakt zwischen Kunden und Übersetzerin dringend zu vermeiden. Und das ist hin und wieder nicht ganz einfach, weil wenn über so eine zwischengeschaltete Instanz ist natürlich immer wieder eine Zeitverzögerung, also dass man da direkt mit dem Kunden da ein Problem besprechen kann, man auch nicht so die Möglichkeit hat, direkt die Fragen darzulegen und erklären, die sich unter Umständen auch im Anschluss an eine Frage noch einmal zusätzlich ergeben. (...) Das ist nicht so einfach hin und wieder.
I: Okay. Und wenn man dann so Fragen hat, dann stellt man die eben an das Übersetzungsbüro (Jaja.) Und wie läuft dieser Kontakt ab? Über welche Medien läuft der?
BE2: Ja, ich mein, nachdem man sagen kann, dass ich also 98 Prozent meiner Aufträge per Email krieg, läuft auch dieser Kontakt per Email ab. Also ganz selten, dass da telefoniert wird. Kommt auch vor, aber eher selten.
I: Und hat man dann immer mit denselben Leuten Kontakt?
BE2: Nachdem ich jetzt, ich glaube, an die zwischen 35 und 40 Büros habe, für die ich österreichweit – manche sitzen auch in Deutschland, eins in der Schweiz – tätig bin, kann man sagen, dass der gleichbleibende Kontakt vielleicht bei einem Drittel der Büros is. Dass also die anderen Mitarbeiter durchaus aufgrund dessen, weil’s halt einfach mehrere Mitarbeiter gibt unter Umständen, die die einzelnen Aufträge bearbeiten, da unterschiedlich ist. Also es ist vielleicht nur in einem Drittel der Fälle, dass immer dieselbe Ansprechperson in den jeweiligen Büros da is.
I: Okay, das heißt, man kennt sich nicht so gut. Das heißt, Vertrauensbeziehungen aufzubauen wird schwierig sein, stell ich mir vor?
BE2: Ja, ich mein, (..) das ist glaub’ ich auch dann eine Zeitfrage. Im Laufe der Zeit, wenn man für Büros länger tätig ist, dann ist das schon eine andere Ebene, auf der man dann kommuniziert.
I: Okay. Und gibt’s da jetzt immer einen Vertrag, wenn Sie einen Auftrag annehmen? Gibt es da immer so etwas wie eine schriftliche Vereinbarung oder so, wo Sie Ihre Bedingungen festlegen?
BE2: Also einen definitiven Vertrag also meistens ist das so ein Formblatt, das manche Büros mitschicken, gibt’s eigentlich (..) vielleicht auch in einem Drittel der Büros. (..) Meist ist die einzige schriftliche Unterlage, die ich hab’ dann, mein Angebot, das ich auf die Frage – auf die Anfrage stell’ beziehungsweise dann per Email die konkrete Auftragserteilung dazu. Das kann man sagen ist in zwei Drittel der Fälle die einzige schriftliche Unterlage, die ich zum Auftrag hab’.
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I: Okay und haben Sie das Gefühl, dass das für Sie Nachteile mit sich bringt im Nachhinein – die Bezahlung betreffend?
BE2: Eigentlich nicht, weil es ist schriftlich fixiert und so hab’ ich das im Mail auch.
I: Und legen Sie die Bezahlung fest oder ist da die Konkurrenz groß unter den Übersetzern?
BE2: Es ist sicherlich eine gewisse Konkurrenz vorhanden. Und es ist sicherlich auch so, das merke ich, dass also immer mehr und mehr Kunden verschiedene Übersetzungsbüros oder ÜbersetzerInnen anschreiben und dann halt danach ihren Auftrag vergeben. Da spielt zum Teil der Zeitfaktor eine Rolle, dass man also wirklich schnell auf ein Angebot antwortet, (..) der Druck immer präsent zu sein und ständig online und zum Teil halt die Kostenfrage, die entscheidet.
I: Also wenn sie gut bezahlen oder wie? Oder inwiefern die Kostenfrage?
BE2: Der niedrigste Preis.
I: Und das ist die Konkurrenz, die ich meine.
BE2: Ja genau. Nein, das sicher. Nein, die ist sicher gegeben. Die ist sicher gegeben. Wobei man natürlich dann eben – und das Lustige ist ja, ich krieg ja sehr oft Anfragen von mehreren Büros zum gleichen Auftrag und man weiß ja dann als kleine Übersetzerin am Ende, dass die Büros ja draufschlagen als wie ihren Obolus dann noch und das ist immer dann lustig zu beobachten, welches Büro (lacht) da dann offenbar Höchstbieter war und den Auftrag nicht gekriegt hat.
I: Das heißt, die Kunden geben auch an verschiedene Büros ihre Aufträge aus?
BE2: Die Anfrage, die Anfrage einmal. Die Anfrage.
I: Und wer das dann am billigsten macht, der kriegt den Auftrag?
BE2: Bestimmt.
I: Wow, dann kriegt ja der Übersetzer am Ende am allerwenigsten.
BE2: Freilich. Natürlich. Natürlich.
I: Ja, wie fühlt man sich dabei? Also wenn man das so mitkriegt?
BE2: Ja manchmal schon fies, ne? Also fies behandelt. Durchaus. Und ich muss ehrlich sagen, das war auch der Grund – ich bin ja, wie Sie sehen, eine andere Generation – dass ich mich dann wirklich, nachdem meine Kinder schon so geschimpft haben mit mir, endlich entschlossen hab’, eine eigene Homepage zu machen – Endlich! Wo ich eh gewusst hab’, dass das ansteht. Aber das bringt dann schon viel oder ein wenig mehr, dass die Kunden einen direkt finden und diese Zwischenschaltung eines Büros wegfällt.
I: Das heißt, man versucht das schon zu umgehen? Weil die Arbeit mit den Büros wahrscheinlich nicht so optimal ist?
BE2: (..) Ja, genau aus dem Grund auch.
I: Klar, man kann dann wahrscheinlich sicher mehr (..) direkt aushandeln, man kommt schneller an Informationen. Die Bedingungen sind besser.
BE2: Ganz richtig.
I: Mhm, das versteh’ ich. Und lehnt man auch Aufträge ab? Kommen auch Aufträge, wo man sagt, das geht gar nicht?
BE2: Ja, natürlich, natürlich kommt das auch vor. Ja hauptsächlich ist es bei mir, wenn ich unter großem Zeitdruck bin, was also meist der Fall ist. Und Dinge die halt so gar nicht in meinem Fachbereich sind.
I: Und was ist Ihr Fachbereich?
BE2: Ja, ich hab’ eher mehr so also (..) nachdem ich gerichtlich beeidet bin eben Dinge die in diesen Bereich fallen, also für Gericht und Behörden Verträge, Dinge aus dem Wirtschaftsbereich eben wie gesagt (..) Rechtsbereich, fallen auch durchaus auch technische Dinge hinein. Aber nur in einem gewissen Fachbereich, was also eher mehr so auf Bauwesen, Maschinenbau geht, weil ich da meine Experten zur Hand hab’, die ich da fragen kann.
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I: Um auf die idealen Arbeitsbedingungen zurückzukommen (Ja?), wie würden die aussehen? Der ideale Auftrag? Oder die Bedingungen generell?
BE2: Ja, der ideale Auftrag wäre einmal genügend Zeit zu haben, um sich genügend mit dem Fachgebiet auseinandersetzen zu können. Und das spielt’s halt in der bösen Wirklichkeit kaum. Kunden wollen alles immer schon gestern haben.
I: (lacht). Ja. Und kriegen Sie auch irgendwie ein Feedback zurück manchmal?
BE2: Hin und wieder. Ja, das ist schon sehr erfreulich. Ja, hin und wieder. Aber meistens eben kaum.
I: Und wie fühlen Sie sich dabei? Wenn da nichts zurückkommt?
BE2: Ja (...) wär’ schon nett, wenn man mal ein bisschen eine Reaktion kriegen würde.
I: Das stell’ ich mir schon wichtig vor.
BE2: Aber das passiert halt auch eher, wenn man in direktem Kontakt mit den Kunden is. Wenn ein Büro zwischengeschalten is’ – manche Büros geben das schon dann weiter.
I: Das heißt, sie geben’s vom Kunden weiter, aber sie sagen nicht von sich aus, Sie haben, was weiß ich, (Selten.) also wir sind zufrieden weil die müssen sich ja ihre Übersetzer auch halten.
BE2: Ja, ja, ja, ja. Ja, vielleicht auch eher bei diesen Büros, wo man schon länger eben für die tätig is’, dass da schon ein Feedback kommt: Danke für den großen Einsatz, und Wochenendarbeit – was sehr oft als völlig normal vorausgesetzt wird. Und man ganz erstaunt ist, dass man einen Wochenendzuschlag unter Umständen verlangt.
I: Und wie lang sind Sie schon tätig als freiberufliche Übersetzerin für Büros?
BE2: Seit 88.
I: Und am Anfang, wie haben Sie sich den Beruf vorgestellt?
BE2: (..) Am Anfang war das so, dass ich mir gedacht hab’ – bei uns war ja das noch nicht so in dem Sinn geteilt zwischen Dolmetschen und Übersetzen. Übersetzen war mehr oder weniger der Bachelor und darauf hat man den Dolmetscher gesetzt. Und ich hab’ mir immer wieder gedacht, nein also dolmetschen möchte’ ich auf keinen Fall, weil das ist mir zu stressig. Und (..) daheim im Kämmerlein gemütlich zu sitzen und gemütlich am Ausdruck zu feilen und eine optimale Übersetzung zu liefern, das war das, was ich mir gewünscht hätte. (..) Dann hat sich aber gezeigt, dass ich einmal dolmetschen musste, sehr gebeten wurde halt zu dolmetschen, und halt da einmal ins kalte Wasser gesprungen bin. Ja, Ausbildung in Arabisch war zu diesen Zeiten noch (..) ja, sehr chaotisch. (..) Und ich hab aber dann gemerkt, dass ich durchaus auch sehr gern dolmetsch und vor allem auch deswegen weil man den direkten Kontakt hat und das direkte Feedback und weil man mehr das Gefühl hat, wirklich da jetzt dem Kunden geholfen zu haben. Meine Kinder sagen immer mein Helfersyndrom wird da mehr befriedigt.
I: Und welche Befriedigung erfährt man beim Übersetzen?
BE2: Mit den Direktkunden. Und das ist einfach so – ich hab durchaus auch eben mein Büro, wo Kunden direkt zu mir kommen (...) meist auch (..) sehr erfreut sind, was ich dann immer als eigentlich beschämend empfinde, wenn man einfach nur ganz normal höflich ist, und noch mehr erfreut sind, wenn man sich wirklich die Zeit nimmt und ihnen ein bisserl zuhört über ihre persönlichen Anliegen, auch oft der Hintergrund, warum sie jetzt diese Übersetzung brauchen (..) was wie gesagt oft wirklich beschämend is’, wie sehr man da Dankbarkeit erfährt.
I: Weil’s einfach nicht selbstverständlich ist, obwohl es das sein sollte.
BE2: Scheint so, scheint so. Ja.
I: Das heißt, über Büros erfahren Sie nicht so viel Befriedigung, wenn Sie da die Arbeit –
BE2: Nein, in keiner Weise. Da ist die Befriedigung eher eine finanzielle.
I: Okay ja, und das passt finanziell? Sind Sie da zufrieden?
BE2: Ja, nicht immer. Nicht immer. Weil halt die Büros den Preis schon sehr drücken.
I: Mhm. Und finden Sie Ihre Bezahlung als nicht angemessen?
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BE2: Ganz richtig. Ja.
I: Da fühlt man sich ja auch irgendwie nicht gewertschätzt?
BE2: Ganz richtig, ja.
I: Es wird nicht gewertschätzt, was man tut, könnte ja wer anderer machen, der macht’s billliger.
BE2: Ja, ja. Und es ist auch der Druck, den man immer gesagt kriegt. Und ich kann’s mir jetzt Gott sei Dank leisten, und das auf Ihre Frage am Beginn zurück, dass ich dann was ablehne. Also ich mach’ nicht mehr alles zu jedem Preis.
I: Hätten Sie das am Anfang schon gemacht oder haben Sie?
BE2: Natürlich. Natürlich.
I: Ja, klar. Muss man ja.
BE2: Ja, sonst kommt man ja nicht rein. Das ist ja die böse Wirklichkeit auch.
I: Ja. Also würden Sie jetzt sagen, dass Sie jetzt zufriedener sind im Beruf als vielleicht am Anfang als Sie zu anderen Konditionen arbeiten mussten.
BE2: Also ich muss sagen, ich hab’ das Glück, dass ich wirklich meinen Beruf wirklich sehr liebe von Anfang an. Und gerade freiberuflich tätig zu sein bringt halt den großen Vorteil, dass man’s halt schon dann hin und wieder chaotischerweise – es hat alles Vor- und Nachteile – mit der Familie in Einklang bringen kann.
I: Und was lieben Sie noch so an dem Beruf?
BE2: (…) Ich geh’ einfach gern mit Sprache um – einfach das kommunikative Element. Beim Arabischen kommt der kulturelle Aspekt dazu, der in sämtlichen Übersetzungen, wo man das gar nicht für möglich halten möchte – was beim Englischen lang nicht so der Fall ist – immer wieder auch durchkommt und gefragt is. Weil der kulturelle Hintergrund, der religiöse Hintergrund ganz eine wichtige Voraussetzung ist für eine dementsprechende Übersetzung für eine qualitative.
I: Haben Sie da vielleicht das Gefühl, da mehr als Experte wahrgenommen zu werden im Arabischen von Außenstehenden als jetzt in Englisch?
BE2: Ja, auf jeden Fall. Nein vielleicht auch (..) weil halt Arabisch auch nicht so eine gängige Sprache ist und für uns schon sehr – oder in unseren Breitengraden sehr exotisch klingt, wenn man das halt spricht.
I: Also ist da das Feedback schon anders?
BE2: Oh ja, durchaus.
I: Und Sie haben ja eine Ausbildung gemacht für beide Sprachen, oder?
BE2: Mhm.
I: Und sind Sie darauf vorbereitet worden, also darauf freiberuflich zu übersetzen?
BE2: Nein, in keiner Weise. In keiner Weise. (lacht)
I: Und was hätten Sie sich da gewünscht?
BE2: Ja, wenn ich so schau’, [Identitätshinweise] bin ich schon froh, dass sich sehr viel in dieser Richtung getan hat. Und ich glaub’, dass [Identitätshinweise] [man derzeit] optimal darauf hinarbeitet, wirklich auch auf die Gegebenheiten am Markt die Studierenden vorzubereiten. Und das seh’ ich sehr positiv. Ich weiß gar nicht, ob die Studierenden das so schätzen können (lacht leicht), weil’s so selbstverständlich is.
I: Sicher, das sieht man schon, klar. (..) Und wie wird Ihr Beruf generell von Mitmenschen beurteilt, wahrgenommen?
BE2: Also ich merk’ nur bei den Behörden wenn ich dolmetsch’ ist die Wertschätzung zum Teil – ich mein, ich hab’ mir jetzt schon langsam einen Namen erarbeitet – aber lässt die Wertschätzung schon sehr zu wünschen übrig. (...)
I: Mhm. Und woran könnte das liegen?
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BE2: (holt Luft) (...) Ja, ich weiß es nicht. (..) Das ist jetzt natürlich nur meine persönliche Meinung aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus, aber ich kann mir den Vorwurf an gewisse Kollegen nicht ersparen, dass die zum Teil auch da schuld sind. Und bei gewissen Behörden, sei’s die Asylbehörde, da nicht selbstbewusster auftreten (...) dass man da mehr als Experte wahrgenommen wird, selbst auf die Gefahr hin, wenn’s da auch zu einer Auseinandersetzung kommt (..) wie (lacht) ich da auch durchaus meine Erfahrungen gemacht hab.
I: Okay. Warum entstehen da Auseinandersetzungen?
BE2: (..) Weil ich das einfach – mir sehr schwer fällt so hinzunehmen, mit meinem Hintergrundwissen über den arabischen Raum, wenn über Asylwerbende so drübergefahren wird, sodass ich für mich beschlossen hab’, also für die Behörde arbeite ich nicht mehr. Das sind diese Konsequenzen, die ich dann daraus gezogen habe.
I: Und wie nehmen Freunde oder Ihr Bekanntenkreis den Beruf auf oder wie ist Ihr Status, sag’ ich mal, unter diesen Leuten?
BE2: Ja, durchaus positiv und gut.
I: Und war für Sie ein Ausstieg aus dieser Branche einmal eine Option?
BE2: Nein, in keiner Weise. In keiner Weise. Es hat sich nur irgendwann einmal die berufliche Option aufgetan, dass ich eben an einem Projekt in Ägypten mehr mitgearbeitet hab’ und da mehr so in Richtung Projektmanagement gegangen bin (..) aber natürlich auch in dem Zusammenhang immer gedolmetscht und übersetzt hab’ in dem Projekt. Aber das war schon ganz spannend, ja.
I: Und haben Sie das Gefühl, dass Sie sich in dem Beruf genügend entfalten können?
BE2: Ja, ja.
I: Kreativität, also bestimmte Dinge zu verwirklichen, die Ihnen wichtig sind?
BE2: (...) Ja, im Großen und Ganzen. Man muss immer seine Ziele höher stecken als die Realität grad läuft (lächelt).
I: (lacht) Stimmt, ja. Und was sind Ihre größten Ängste und Sorgen in diesem Beruf?
BE2: Ja, ich mein’, früher einmal war das so, dass die freiberufliche Tätigkeit natürlich schon eine gewisse finanzielle Unsicherheiten mit sich brachte. Obwohl ich jetzt schon an die 20 Jahre [einen Nebenjob habe] und das durchaus immer auch als mein zweites Standbein betrachtet hab’, hab’ ich eben erst seit kurzer Zeit eine Fixanstellung, wo also diese Absicherung da gegeben ist. Und auch mein Büro lauft ganz gut. Aber das waren schon immer wieder Sorgen (lächelt). Und das ist auch jeden Monat anders. Diese freiberufliche Tätigkeit bringt halt das mit sich. Könnte man durchaus als Nachteil sehen.
I: Und früher waren die Sorgen wahrscheinlich größer, nehme ich mal an?
BE2: Ja natürlich. Da war halt mehr die Familie im Vordergrund.
I: Ja, das stell’ ich mir schwierig vor.
BE2: Ja, is’ auch durchaus positiv. Man muss halt anderes zurückstecken.
I: Man kann auch daheim arbeiten.
BE2: Ja.
I: Und das im, wie Sie vorher gesagt haben, allein im Kämmerlein zu arbeiten, wär’ das für Sie eine Option, das hauptberuflich zu machen, also nur daheim zu arbeiten? Weil ich stell’ mir das irgendwie so isoliert vor. Das is eine Zeit lang vielleicht okay –
BE2: Wie Sie richtig sagen, es war eine Zeit lang durchaus okay.
(KURZE UNTERBRECHUNG WEGEN KLOPFENDER STUDENTIN)
BE2: Ja, also ich muss sagen am Beginn hab ich das durchaus als positiv empfunden oder zumindest nicht als negativ. (..) Dann mit meiner [nebenberuflichen] Tätigkeit [Identitätshinweise] beziehungsweise hab’ ich jetzt Gott sei Dank einen sehr lieben Kollegen gefunden, mit dem ich gut im Tandem arbeite, und da auch einen fachlichen Austausch hab’ über gewisse Übersetzungsprobleme. Das tut schon sehr gut. Das ist sehr positiv muss ich sagen.
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I: Und generell haben Sie viel Kontakt zu anderen ÜbersetzerInnen und so?
BE2: Ein wenig, ein wenig. Durchaus zu Studienkollegen halt. ().. Aber es ist halt alles ein Zeitproblem hin und wieder (lächelt).
I: (lacht) Kann ich mir gut vorstellen. Und was würden Sie sagen dämpft Ihr Engagement am meisten? Welches Vorkommis?
BE2: (..) Ja eben wie gesagt solche Ereignisse – unerfreuliche – bei den Behörden, wo ich mir dann sag’, das kostet mich einfach viel zu viel Nerven und da hab ich gar keine Lust, so einen Auftrag noch anzunehmen.
I: Und in Bezug auf die Übersetzungsbüros?
BE2: (..) Ja, der große Zeitdruck, das ist schon auch immer wieder ein Thema. Wo ich weiß, ich müsst’ mich eigentlich mehr durchsetzen versuchen. Was ich eh mehr und mehr tu’, weil ich sag’, Qualität, die ich liefern möchte, ist einfach unter diesem Zeitdruck dann auch nicht möglich. Und sieh’ da, dann geht’s plötzlich auch ein paar Tage später.
I: Aha. Ein bisschen Puffer haben sie dann doch?
BE2: Ja.
I: Den wollen sie aber nicht gleich geben?
BE2: Nein. Es hat also die Erfahrung gezeigt, dass man den wirklich einfordern muss, dass das also von Vornherein (..) also ein Termin gesetzt wird, wo ich mir denk, das ist also dermaßen utopisch. Aber plötzlich geht’s dann doch ein bissi.
I: Ich find’, das zeigt ja auch schon wie man diesen Beruf, ich weiß nicht, von außen betrachtet. So, machen’s das jetzt so in einem Tag. Wie stellen die sich das vor?
BE2: Ja, absolut. Ja, absolut (lacht)
I: Das versteh’ ich oft nicht. Das ist ja schon ein Problem, dass die vielleicht einfach zu wenig wissen über den Beruf generell.
BE2: Ja, ich kann mich erinnern (lächelt) und das ist wirklich so ein lustiges Beispiel, das is’ mir so im Hinterkopf geblieben, also dass einmal ein Kunde zu mir gesagt hat, weil ich gesagt hab: Sie, das ist unmöglich in dieser kurzen Zeit, da hat er gesagt: Sie brauchen das ja eh nur in Englisch umschreiben (lacht).
I: (lacht) Eine typische Aussage. Aber ist es generell so, dass der Auftraggeber jetzt was anderes unter Qualität versteht als man selber?
BE2: Ja durchaus. Durchaus. Ich mein’, mache Büros sind schon jetzt mittlerweile ISO qualifiziert und verlangen auch also haben in ihren Konditionen das Vier-Augen-Prinzip, also dass man von einem Kollegen beziehungsweise irgendeiner qualifizierten Person die Übersetzung Korrekturlesen lassen soll, bedenken aber viel zu wenig, dass auch das einen Zeitaufwand erfordert.
I: Den muss ja auch irgendwer bezahlen.
BE2: Das ist jeweils nur mein Problem. Und das ist auch irgendwie eine fiese Geschichte, weil ich mein, ganz richtig, Qualität hat ihren Preis. (..) Aber das müsste das Büro zahlen oder tragen diese Forderung. Weil es ist ja Name und Ruf des Büros dann.
I: So ist es, ja. Und wenn Sie so unter Zeitdruck arbeiten müssen, haben Sie da auch das Gefühl, dass Sie dem Leser irgendwie nicht gerecht werden oder den Ansprüchen des Lesers dann der Übersetzung, weil Sie so schnell übersetzen müssen? Müssen Sie da Abstriche machen?
BE2: Nein das nehm’ ich nicht in Kauf. Nein.
I: Haben Sie das am Anfang vielleicht gemacht?
BE2: Nein, nein. Nein, hab’ ich nie gemacht.
I: Das ist gut. Und wie beurteilen Sie generell Ihr Mitsprache- und Entscheidungsrecht in diesem Netzwerk?
BE2: Es ist letztendlich auch ein Erfahrungswert geworden. Also im Lauf der Zeit hab’ ich gemerkt, ich muss mich einfach durchsetzen und meine Ansprüche laut kundtun. Aber ich mein’, das
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Ausmaß, in dem ich das tue, denke ich mir oft im Nachhinein, lässt immer noch zu wünschen übrig (lacht). Also ich lass’ mich leider sehr oft trotz alledem immer noch zu sehr unter Druck setzen.
I: Ja, da wär’ ich glaub’ ich auch so.
BE2: Ja, einfach weil’s ein guter Kunde ist und wenn man halt so bekniet wird, dann freut man sich natürlich auch, dass man so gefragt ist und (..) ja.
I: Genau, was sind so die Momente, wo Sie Freude und Stolz empfinden?
BE2: Ja, ich mein, schon eher mehr bei Direktkunden. Aber – grad jetzt hab’ ich eben eine große Firma, die im Irak ein Projekt laufen hat, und die dann schon immer sehr nett ihr Feedback geben und sich bedanken und auch für Wochenendeinsatz und das nicht als selbstverständlich hinnehmen und durchaus bereit sind, das auch finanziell abzugelten.
I: Ja. (..) Und welchen Rat würden Sie Anfängerinnen geben, die die jetzt einsteigen heutzutage?
BE2: Auf jeden Fall [Identitätshinweise] sich von Anfang an einen Tandem-Partner, eine muttersprachliche Partnerin, suchen, zu der man Vertrauen hat und mit der man wirklich gut zusammenarbeiten kann. Das muss ich sagen, das hab’ ich wirklich immer wieder gesucht und erst jetzt glaub’ ich wirklich, läuft das absolut gut.
I: Kann ich mir vorstellen. Vor allem haben beide was davon.
BE2: Ja absolut.
I: Und Sie sagen, Sie erfahren Stolz und Freude hauptsächlich durch Direktkunden.
BE2: Mhm.
I: Warum arbeiten Sie dann trotzdem noch mit Büros?
BE2: (...) Ja (...) Es sind einfach leider immer noch zwei Drittel der Aufträge oder Anfragen, die halt über Büros kommen.
I: Mhm. Also schon ein Großteil. Das heißt man kriegt halt einfach –
BE2: Es ist halt einfach so, dass Kunden offenbar sich eher an große Übersetzungsbüros wenden, als vielleicht an Übersetzerinnen, Dolmetscherinnen mit zwei Sprachen, so wie ich.
I: Die brauchen das dann vielleicht auch in verschiedenen Sprachen und das sind große Projekte.
BE2: Mhm. Unter Umständen, unter Umständen.
I: Und haben Sie auch mal so richtig schlechte oder haben Sie’s oft mit schlechten Ausgangstexten zu tun oder eher selten? Das interessiert mich auch.
BE2: (..) Sagen wir ein Drittel der Texte sind wirklich schlechte Ausgangstexte und das ist relativ viel und relativ mühsam dann. Sei’s jetzt dass einfach die Druckqualität sehr schlecht ist (..), was im Arabischen oft der Fall ist, weil wenn das per Fax kommt und, Sie wissen eh, Arabisch mit den Punkten, wenn da ein Punkt nicht da ist oder nicht gleich gut lesbar ist, ist des schon ein Dilemma.
I: Und haben die dann Verständnis dafür, wenn Sie da reklamieren?
BE2: Ja auch. Aber manchmal gibt’s halt keinen anderen Text. Und man muss sich halt plagen und quälen. Im Englischen ist der Fall, dass sehr oft schlecht formulierte englische Texte vorgelegt werden, die nicht von Englisch-Muttersprachlern – sichtlich – formuliert sind. Und das ist auch sehr mühsam.
I: Also man verbessert dann quasi den Text, oder?
BE2: Ja, in gewisser Weise halt.
I: Ich stell’ mir vor, wenn man’s dann so, sag’ ich mal, gleich übersetzt und das dann abgibt und sagt, das war so – das macht man ja nicht, oder?
BE2: Nein, macht man nicht. Ja.
I: Das ist halt der Mehraufwand, den man hat, der vorausgesetzt wird und eigentlich wenig gewürdigt wird.
BE2: Ja, absolut. Ja, ja.
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I: Also ich stell’s mir schon sehr frustrierend vor manchmal aber auf der anderen Seite natürlich gibt einem der Job auch sehr viel. Grad wenn man gerne mit Sprachen und Kulturen arbeitet.
BE2: Ja, also ich könnt’ mir nichts anderes vorstellen (lächelt). Ich hab’ das Glück.
I: Ja, das ist schön. Und haben Sie von Anfang an gesagt, ich möchte das machen?
BE2: Ja, eigentlich. Eigentlich. Ich hab’ immer gesagt, ich möchte nie [Identitätshinweis] (lacht). Da hab ich meine Meinung revidiert weil ich muss sagen es macht mir auch wirklich Spaß [den Nebenberuf auszuüben]. [Identitätshinweise]
I: Na das ist ja kostbar.
BE2: Ja, ja.
I: Das ist spitze. Jetzt hab’ ich noch eine Frage: Wie Sie verrechnen, pro Wort oder pro Zeile? BE2: Ich verrechne an und für sich pro Zeile, pro Normzeile. Bin aber draufgekommen also dass immer mehr Anfragen oder es gibt jetzt immer mehr Anfragen die also auch Pro-Wort-Abrechnung verlange und da muss ich mich erst einmal dran machen, dass ich das auch so anbieten kann.
I: Is das dann pro Wort im Zieltext oder im Ausgangstext?
BE2: Na es muss im – ich geh immer vom Ausgangstext aus.
I: Aber das hab’ ich jetzt öfter gehört, dass es eher zu pro Wort tendiert.
BE2: Ja, ja. Das kommt aus’m angloamerikanischen Raum, ja.
I: Haben Sie eigentlich so Unterschiede gemerkt bei den Ländern bei den Bezahlungen und so oder die Wertschätzung generell?
BE2: Könnt ich jetzt nicht sagen, nein.
I: Aber generell würden Sie sich als sehr zufrieden einschätzen?
BE2: Ja, ja.
I: Ja, den Eindruck hab’ ich auch. Das is’ schön. Das freut mich sehr. Danke vielmals.
BE3 – ESTHER I: Also du arbeitest für die Firma [Firmenname] seit wann hast du gesagt, 2005?
BE3: Seit 2005, August 2005.
I: Das heißt 7 Jahre?
BE3: Genau 7 Jahre. Mhm.
I: Okay. Und wie bist du dazu gekommen?
BE3: Im Endeffekt habe ich mich einfach relativ blind auf die also auf die Stelle als Technische Übersetzerin beworben. Und ich dachte, ja schauen wir mal, ob es passt, gleich nach dem Studium und mit Pferd zu unterhalten, probiert man halt mal und da habe ich dann eine Zusage bekommen überraschend (lacht) für mich überraschenderweise.
I: Ja, warum? Warum überraschend, meine ich?
BE3: Weil ich keine Erfahrung als Übersetzerin beziehungsweise eigentlich hauptsächlich als Technische Übersetzerin nur wenig Übersetzungen gemacht hatte vorher als Anglistin. Rechnet man jetzt nicht unbedingt mit einer Übersetzerstelle.
I: Ja klar. Und warum hat dich das generell interessiert, Übersetzen zu machen?
BE3: Ich habe es immer als Option gehabt. Ich war lange Zeit in den USA, Englisch ist fast wie meine Muttersprache, also ich bin in den USA aufgewachsen und von daher war’s relativ – war es einfach eine Option. Ich habe mir gedacht, studieren brauche ich es nicht, mache ich was anderes (lacht). So weit ist die Sache ja auch nicht weg.
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I: Ja, klar. Und wie du dann dort angefangen hast, also wie hast du es dir vorgestellt und wie war es dann wirklich? Hast du dir irgendwie Vorstellungen dazu gemacht?
BE3: Ich hatte es mir (..) relativ trocken, sage ich jetzt einmal, vorgestellt aber man denkt sich, ja gut, man fängt halt mal an und dann schaut man weiter. Zumindest mal eine erste fixe Stelle, passt als Einstieg ins Berufsleben. Und es hat dann super gepasst. Es hat vom Team super gepasst. Mir hat die Arbeit riesig gefallen (..) ja. Es hat wirklich gut gepasst.
I: Also es war dir wichtig, eine Fixanstellung zu haben, oder? Oder hast du dir überlegt, auch freiberuflich zu übersetzen jemals?
BE3: Nein. Die Fixanstellung war mir wichtig. Also gerade für diese Zeit, damit man einfach mal endlich Geld verdient. Und mit dem Pferd hat man dann doch monatliche Kosten (lacht).
I: Klar, klar. Ja und Wohnung dann auch noch und essen muss man auch noch was.
BE3: (lacht) Genau. Und wie gesagt, das Pferd ist schon mal ein guter Brocken und das war irgendwie so der Haupthintergrund.
I: Verstehe. Ja und jetzt, wie läuft so ein Arbeitstag ab, so ein typischer, sage ich mal?
BE3: Ein typischer Arbeitstag – Ich muss dazu sagen, ich mache Übersetzungen und ich mache auch die Koordination von Marketingagenten für meinen Bereich im Customer Service. Also ich habe ein bisschen eine Mischung bedingt auch dadurch, dass ich ein halbes Jahr im Marketing war, wo es dann einfach nicht 100-prozentig so gepasst hat für mich. Und so kann ich die Erfahrung, die ich da gewonnen habe, reinbringen mit dem Hintergrund auch von der Sprache, weil wir doch ein internationales Unternehmen sind und sehr viel zumindest Deutsch-Englisch ist fast alles oder auch Italienisch, Spanisch, Französisch noch dazu. Also so jetzt nur mal vorab sozusagen als Info. Ein typischer Arbeitstag läuft ab (..) einfach mal schauen was – entweder man hat ohnehin noch eine längerfristige Arbeit, also die Systeme hochfahren und dergleichen. Wir arbeiten mit Trados. Dann einmal schauen, ist irgendwas Dringendes? Wobei da kriegt man ohnehin tendenziell den Anruf von der Chefin: Du-u – wenn es jetzt was von der, also Prio+ sage ich mal, Prio 1+ von der Geschäftsführung irgendwas Dringendes ist, bleibt natürlich alles andere stehen und liegen und wird das erledigt.
I: Und was sind da so die gängigen Deadlines?
BE3: Tendenziell am selben Tag und dann je nachdem also unter Umständen auch am Abend was bekommen und: Wir brauchen es nächsten Tag in der Früh.
I: Das nimmt man dann mit nach Hause? Oder wie macht man das?
BE3: Nein. Da bleibt man halt mal länger. Aber ich muss dazu sagen, es ist jetzt nicht extrem häufig. Aber ich hatte – was hatte ich denn vor einem halben Jahr, dann war ich halt bis um halb 8, dass es fertig war. Es wird aber auch gewertschätzt. Also die Sekretärin von der Geschäftsführung, die ist selbst Übersetzerin, die sagt – die weiß das dann. Und die kann auch mit den Rückfragen umgehen. Weil oft hat man eben das Thema, wenn man fragt: Was heißt das? Ja schreib‘ einfach wie’s da steht.
I: (lacht) Der Klassiker.
BE3: Ja. Von daher, so gut dann (..) Ja und sonst einfach an dem Teil weiter übersetzen, wo man gerade ist. Aber die schöne Planung, die man sich so bis zum Ende der Woche überlegt hat, die wird dann ohnehin meistens durcheinander geworfen, weil irgendwas dazwischen kommt, irgendwas Dringendes, irgendwas, was unbedingt zum Kunden rausgehen muss. Weil wir halt doch die letzten in der Schlange sind. (lacht)
I: Genau. Was hat das noch so für Auswirkungen, dass ihr die Letzten in der Schlange seid? Was würdest du sagen?
BE3: Was hat das für Auswirkungen?
I: Oder wie äußert sich das? Wie spürt man das?
BE3: Also einerseits – hängt auch immer von den Texten ab, muss ich dazu sagen. Jetzt Marketing-Texte sind einfach qualitativ, weil die sind konzipiert, um raus zu gehen, an die Kunden und auch mit meistens mit einer gewissen Vorplanung, ist halt meistens. Und dafür dann andere Sache, jetzt gerade Dinge, die mit Kundenaufträgen zusammenhängen oder mit größeren Projekten so Pflichtenhefte und so weiter, da sind, da ist meistens schon, dass die die es schreiben
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schon sehr unter Zeitdruck stehen. Da ist dann Qualität nicht immer hundertprozentig gegeben. Es ist dann oft teilweise, wo im Word mit 200-Seiten-Dokumenten gearbeitet wird, dafür ist Word ja grundsätzlich nicht konzipiert. Jetzt nicht immer, jetzt nur so als Hintergrund. (..) Und dadurch, dass eben Zeitdruck Copy-and-Paste, da rutschen eben Dinge rein, die vielleicht jetzt für den Kunden nicht 100-prozentig sind und man sich beim Durchlesen dann denkt, oder wo dann Worte fehlen (lacht), der falsche Kunde drin steht oder zwei Kunden drin stehen. Das sind wir eben sozusagen auch die letzte Aufsicht, bevor es raus geht.
I: Das heißt, das Qualitätsmanagement seid ihr selber oder wie? Oder gibt es da noch andere, die das überprüfen?
BE3: Es wird schon noch einmal vom jeweiligen Anforderer noch einmal kurz durch geschaut, ob wohl alles passt, ob vom System nicht alles durcheinander geworfen wurde. Kritischere Dinge werden Korrektur gelesen.
I: Mhm. Was sind kritischere Dinge?
BE3: Dinge, die direkt an den Kunden raus gehen. Dinge, die weltweit ausgesendet werden. (..) Dann werden Marketing-Texte nur fast von den Natives gemacht und wenn nicht nur von Natives, dann zumindest Korrektur gelesen von Natives. Was jetzt nicht bei gerade so Pflichtenheften jetzt nicht immer 100-prozentig gegeben sein kann einfach durch den Zeitdruck.
I: Was sind Pflichtenhefte?
BE3: Pflichtenhefte sind Texte, die darstellen, was – wir sind ein Lager-Logistik-Unternehmen oder Logistik- und Automations-Unternehmen, das heißt, was passiert an dieser Station, was passiert an jener Station. Wie läuft, wie sieht es aus mit dem Materialfluss, dem ganzen Warenfluss durch das Lager? Das wird dann abgebildet in diesem Dokument und wird dem Kunden vorgelegt zur Unterschrift und (Okay. Das ist also sehr wichtig.) ja. Und da ist halt immer ein gewisser Zeitdruck, weil wir die Letzten sind und auch die Vorigen schon tendenziell unter Zeitdruck litten (lacht).
I: Ja, ist klar ja. Das heißt, es wird auf euch übertragen, ja. Und die Qualität hast du ange- sprochen. Was ist, wenn da Fehler passieren? Wird das reklamiert oder ist das nicht so schlimm?
BE3: Hatten wir bisher kaum, dass reklamiert wurde. Es kann dann schon sein, dass der Kunde sagt: Okay, bei mir heißt das so. Meistens kriegen wir diese Info schon vorab, wo wir jetzt nicht unsere Standards haben, die wir gesetzt haben. Wir haben einfach auch, um eine gewisse Einheitlichkeit zu garantieren, haben wir Standards für die verschiedenen Begriffe gesetzt. Es kann aber auch sein, dass der Kunde sagt: Bei dem heißt das so. Dann müssen wir das halt auch berücksichtigen. Und (..) Ja, es wird auch viel untereinander bei uns hier wird auch viel kommuniziert auch in der Abteilung, was fein ist. Dadurch dass wir in der Firma zusammen sind, dass man nicht zuhause sitzt und sein Süppchen kocht und vor sich hin übersetzt, mit dringenden Texten auch unter Umständen alleine ist oder auf sein Netzwerk selber auch zurückgreifen muss. Wir haben das Netzwerk intern. Wir können da auch – genau, das ist auch der Vorteil mit der – was natürlich auch die Qualität unterstützt: Wir haben einerseits uns gegenseitig mit unterschiedlichen Erfahrungsstufen und auch, da wir im selben Unternehmen sind, wenn wir da anrufen und sagen: Du, was heißt das? Was meinst du damit? Da kriegen wir dann auch Skizzen und Erklärungen und dergleichen, die einfach wirklich unterstützen.
I: Also diese Informationen, an die kommt ihr schnell?
BE3: Ja.
I: Und ihr kriegt auch alles, was ihr braucht?
BE3: Normal schon.
I: Weil es vor allem intern her kommt, oder? Also aus der Firma selber?
BE3: Mhm. Und wenn man es jetzt vielleicht von dem Anforderer selber nicht bekommt, dann wird entweder nachgefragt oder: Du, das habe nicht ich geschrieben oder ich habe nur den Teil geschrieben. Frag’ den und den. Also dieser Informationsfluss läuft ziemlich gut (..) und hilft uns auch sehr. Man muss auch dazu sagen, wir sind ein relativ männerdominiertes Unternehmen. Das heißt – und wir sind nur Damen (lächelt). Das heißt, wenn wir anrufen (lacht), ist es auch einfach eine nette Abwechslung und die meisten freuen sich. Und es ist auch – ich bin jetzt wirklich kaum auf irgendwelche Unfreundlichkeiten gestoßen in der ganzen Zeit. Die Leute sind sehr bemüht und unterstützen sehr.
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I: Das hört sich gut an. Ja und wie sind die Texte so die Textsorten?
BE3: Sehr variable muss ich dazu sagen. Momentan zum Beispiel habe ich für ein sehr großes Programm die Menütexte zu machen. Also das schließt alles ein von: Ja, Nein, Bitte drücken Sie das, Bestätigen. All diese kleinen Buttons, die man sonst irgendwo sieht im Programm. All das, was sehr umfangreich ist und das ist dann auch mit der Zeit ein wenig langwierig. Dann gibt es wiederum kurze Texte, es gibt Korrespondenzen, Marketing-Texte, die einschließen Kundenbeschreibungen, Case Studies von ein bis vier Seiten, kurze Meldungen, so: Wir haben diesen und jenen Auftrag gewonnen. Wir haben diesen und jenen Preis gewonnen. Solche Sachen. Dann Handbücher natürlich, technische Handbücher, Benutzerhandbücher für Softwareprogramme, für verschiedenste Geräte und Maschinen, wo es dann auch sehr hilfreich ist, dass man – wir haben teilweise auch die Beispielaufbauten, wo dann wirklich derjenige, der das Handbuch erstellt hat, mit uns hingeht und sagt: Okay, das ist die Rolle. Das ist diese Stütze. Damit man eine Vorstellung davon hat.
I: Super. Total hilfreich.
BE3: Ja (lacht).
I: Wahnsinn. Ja das ist total super.
BE3: Was haben wir da noch? Eben diese Pflichtenhefte, die den Weg im Lager beschreiben, (..) Weihnachtskarten. Was gibt es denn noch? Dann gibt es noch steuerungsspezifisch also sozusagen so ein Pflichtenheft noch rein auf die Steuerung, sprich auf die Hauptsoftware sozusagen, die alles kontrolliert rundherum, wo was hin geht und so weiter. Was haben wir da noch? (..) Protokolle, Besprechungsprotokolle, also im Endeffekt alles, was so anfallen kann.
I: Okay, total interessant. Weil technische Übersetzung stellt man sich sehr trocken vor. Also ich habe mir gedacht so, weil es wird ja oft ausgeschrieben für Französisch, Englisch, was ich auch mache, und ich habe mir gedacht: Technische Übersetzung, neein! Eben weil das Vorurteil ist ganz anders. Also ich hätte mir nie gedacht, dass das so breit gefächert ist, was man da übersetzt. Das ist ja total gut.
BE3: Kommt auch also diese breite Fächerung kommt auch durch meinen Hintergrund. Also ich mache die Marketing-Texte, das liest keiner Korrektur. Weil ich laufe als Native. Und also auch mit der Kollegin, die Amerikanerin ist, maximal dass wir uns quasi Dinge, die jetzt an den Kunden direkt raus gehen, so Großaussendungen, die lesen wir uns dann gegenseitig quer: Du, schau da einmal drüber, fließt das wohl? Passt das? Einfach als Sicherheit.
I: Mhm. Und die anderen? Übersetzen die dann ins Deutsche oder wie ist das aufgeteilt?
BE3: Die übersetzen auch in die Fremdsprache. Also 90 Prozent der Zeit, sage ich jetzt einmal. Es hat natürlich alles Vor- und Nachteile. Dinge – es werden dann – genau Wartungs- und Reparaturhandbücher zum Beispiel ist auch eine Textsorte und da ist wirklich, wie tausche ich ein Teil aus: Montiere das ab. Montiere das drauf. Das kommt runter. Erst mach’ das dran. Und das ist halt so, das ist eben dieses, was man sich vorstellt unter technischen Dokumenten. Ist natürlich mäßig spannend. Da wird auch immer noch einmal Korrektur gelesen. Durch das Trados haben wir zum Glück nicht so, dass wir das ganz das Gleiche noch einmal täglich übersetzen, so täglich grüßt das Murmeltier. Also das nimmt doch viel Arbeit ab. Birgt halt auch gewisse Gefahren.
I: Mhm. Was zum Beispiel?
BE3: Dinge die jetzt vielleicht einmal schnell, schnell gehen müssen und dann schnell raus gehen unkorrigiert, sind halt drinnen.
I: Also die werden gespeichert oder wie?
BE3: Richtig. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Bei uns geht es einfach aufgrund des Zeitdrucks nicht anders. Es arbeiten alle gut. Manchmal passiert etwas und dann findet man es halt dann später und korrigiert es dann. Es ist jetzt kein Weltuntergang. Die deutschen Texte sind, merkt man auch manchmal, dass es dringend ist. Man muss einfach ein bisschen sich anschauen, wo hin geht es, an wen geht es, was ist es.
I: Ja klar. Und wie groß ist die Abteilung? Wieviele seid ihr da? Ungefähr…
BE3: (zählt leise) 16. Mhm.
I: Okay. Wie schaut das Büro aus da? Ist das so ein Großraumbüro? Oder gibt es mehrere kleine?
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BE3: Wir haben zwei Sechser-Büros, ein Vierer-Büro und die Chefin sitzt separat.
I: Okay. Und da kann man sich gut konzentrieren? Ich mein, telefonieren die viel oder wie kann man sich das vorstellen?
BE3: So viel wird nicht telefoniert. Tendenziell ist es sowieso relativ ruhig. Manche Leute halten es zum Beispiel auch nicht mit Radio oder so aus. Mir macht es nichts, wenn mehr los ist. Muss ich auch dazu sagen, tendenziell telefoniere ich mehr als andere durch meine andere – durch die zweiten Agenten sozusagen. Aber es ist jetzt nicht besonders laut. Und wenn alle wirklich konzentriert arbeiten, dann ist sowieso Stille. (lacht)
I: Stimmt ja, da fällt das weg (lacht). Und das heißt, telefoniert wird nicht viel?
BE3: Für Rückfragen ja, also es wird schon telefoniert natürlich. Ist jetzt nicht absolut mucksmäuschenstill den ganzen Tag – es passiert auch, dass Leute, die vielleicht ein Antwort-Email an den Kunden schreiben, ein Angebot schreiben, dass sie anrufen und sagen: Was ist unser Standard für das und das? Wie sagt man das? Kann ich dir kurz ein Email, drei Zeilen schicken? Es geht an den Kunden, ich bin mir nicht ganz sicher, kannst du mir drüber schauen? Eventuell auch wenn der Kunde was geschrieben hat und man es nicht versteht, dass man da rückfragen kann: Du, was heißt das? Kannst du dir das schnell anschauen?
I: Also habt ihr da eine Kommunikation unter den Übersetzern auch? Oder auch mit -
BE3: Nein. Intern im Unternehmen.
I: Das heißt, man findet immer wen, der sich da auskennt?
BE3: Also das waren die Fragen an und sozusagen, wo angerufen wird: Ich brauche jetzt schnell das oder wie heißt das, ich muss es an einen Kunden schicken.
I: Okay. Und wird einem da immer Verständnis entgegengebracht, wenn man Rückfragen hat?
BE3: Ja, also normalerweise schon Verständnis. Zwischendurch kommt eben so, wenn man da gar keinen Hintergrund hat: Es steht ja eh da! (lacht) Übersetz‘ die Worte! Aber wir haben da doch viel Aufklärungsarbeit geleistet. Normalerweise ist es freundlich (lacht).
I: Okay, das heißt, ihr habt Aufklärungsarbeit geleistet? Inwiefern? Oder wie habt ihr das geschafft?
BE3: (..) Wie soll ich sagen, dass man einfach den Leuten zeigt, wie wir arbeiten. Dass man auch sagt, ich brauche auch diesen Hintergrund weil. Und es spricht sich dann auch herum. Ich habe auch noch den Vorteil, mein Mann arbeitet auch im Unternehmen. Das heißt, ich habe – und er arbeitet schon sehr lange dabei und war in verschiedensten Abteilungen, hat sehr viele Connections. Das heißt (lacht), mir wird normalerweise freundlich begegnet. Und es ist noch eine Übersetzerin auch mit einem Kollegen zusammen und der ist gerade in dieser Abteilung, wo halt sehr viele von diesen Projektierungen und sehr viel von diesen Pflichtenheften zum Beispiel erstellt werden und die sind dann einfach nett zu uns. Die brauchen ja auch – man muss ja auch sagen, es wird ja von uns etwas gebraucht. Wir sind ja im Endeffekt eine Dienstleistung. Je schneller sie uns antworten und sinnvoller sie uns antworten, umso schneller kriegen sie auch das, was sie brauchen. Und das haben wir auch durchaus schon so kommuniziert. Die Abteilung gibt es ja auch schon sehr lange. Das heißt, es ist relativ gut integriert.
I: Mhm. Das ist gut ja. Aber generell ist es schon so, dass die Leute wenig wissen über die Arbeit eines Übersetzers, oder?
BE3: Ja. Ja, es war zum Beispiel, ein Kollege kam und er wollte nur ein paar Zeilen oder –und so ja: Setzen wir uns zusammen hin. Eine Präsentation. Setzen wir uns zusammen hin, sage ich: Ja, passt. Kommst her zu mir, weil dann habe ich zumindest mein – wir haben ein MultiTerm, wo unsere ganzen Begriffe, die wir erarbeitet haben mit Bildern und so dergleichen drin sind – Kommst du her, weil das wird so eine technische Datei sein, wo man technische Sachen braucht. Der kommt und setzt sich hin und sagt: Das ist ja richtig Arbeit, was du machst! Teilweise ist natürlich der Gedanke (..) man liest das, schreibt es runter wie eine bessere Sekretärin sozusagen. Aber Leute, mit denen man mehr zu tun hat und gerade eben auch solche Menschen, wo‘s dann wirklich klickt und: Ah! Okay, das ist nicht nur so trallala vor sich hin geschrieben. Das verstehen sie dann schon. Man hat dann doch immer wieder mit den gleichen Leuten zu tun. Das heißt, es wird dann verstanden.
I: Mhm. Das heißt, wie du gesagt hast, die Sekretärin, die selbst Übersetzerin ist, die weiß das wert zu schätzen. (Genau ja.) Und die anderen generell so, wie würdest du sagen?
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BE3: Doch. Es wird schon wertgeschätzt. Also teils, teils natürlich. Manche finden: Eigentlich sollten eh alle Englisch können, wozu brauchen wir die anderen Sprachen? (lacht) Also, aber es wird grundsätzlich schon wertgeschätzt und auch dass wir wirklich uns bemühen, dass wir die Deadlines halten. Auch wenn sie knapp sind. Natürlich dann auch mit dem: Okay, geht sich nicht aus bis da hin, aber ich kann dir das und das anbieten. Passt dir das? Geht das zumindest irgendwie? Ist das vom – damit der Kunde halt auch seine Sache rechtzeitig bekommen.
I: Das heißt, du hast da schon ein bisschen einen Handlungsspielraum, oder? Kannst du ein bisschen verhandeln?
BE3: Meistens schon. Meistens schon. Die meisten Leute wissen – wir werden auch mit eingerechnet – normalerweise – inzwischen.
I: Inzwischen.
BE3: (lacht) Ja ja. Es ist alles eine gewisse Arbeit.
I: Okay. Also wie hat sich das verändert würdest du sagen vom Anfang zu jetzt?
BE3: Unsere (..) ich habe natürlich keine Ahnung, wie es vor meiner vorigen Chefin war, weil die ist inzwischen gegangen. Aber die war eine sehr, sehr starke Persönlichkeit und hat dann auch mal klipp und klar den Leuten gesagt: „Das geht nicht! Illusorisch! Machen wir nicht!“ – „Ja aber wenn“ – „Ja dann rechnen Sie uns nächstes Mal mit ein, einschließlich den Zeiten ungefähr, wie viel man rechnen muss.“ Also wirklich sehr viel Informationsarbeit.
I: Also die hat sich für euch eingesetzt, oder wie?
BE3: Sehr stark eingesetzt. Schon sehr, ja.
I: Das heißt, da gibt es eine Chefin in dieser Abteilung? Oder wer ist jetzt genau deine Chefin?
BE3: Genau, wir haben unsere eigene Chefin, die selber Übersetzerin ist. Das war quasi die Nachfolgerin von, die Stellvertreterin von unserer Chefin davor, die sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet hat. Aber was uns sehr hilft ist natürlich, dass die Chefinnen selber aus der Übersetzungsabteilung kommen oder Übersetzerinnen sind, was wir – das war auch nicht immer so. Weil unsere vorherige – es war jetzt erst die Teamleiterin, wo dann der Chef quasi, der Abteilungsleiter keine Ahnung hat, was wir wirklich tun. Und so ist es für uns ein großer Gewinn, dass unsere jetzige Chefin, Abteilungsleiterin Übersetzerin ist.
I: Ja. Ja. Also ihr habt die Übersetzungsabteilung. Dann ist da die Chefin, sag‘ ich mal. Und du kriegst die Aufträge aber von einer anderen Abteilung oder von ihr?
BE3: Die Aufträge – sie routet sie uns zu, also verteilt sie unter uns. Sie weiß dann auch, wer frei ist, wer welche Kapazität hat auch Spezialgebiete unter Anführungszeichen. Und sie bekommt sie von den verschiedenen Abteilungen im Unternehmen.
I: Aha. Das zeichne ich mir gleich auf. Damit ich dann nachher – okay. Und das weißt, wenn ihr Fragen habt, fragt ihr dann sie oder gleich die Abteilungen?
BE3: M-mh. Gleich die Abteilungen. Wir haben ein – über das Routers-Notes-Endsystem, da werden Übersetzungsanforderungen gestellt mit Text, bis wann wir es brauchen, auch Prioritäten also von 1 bis 4, glaube ich, theoretisch. Praktisch sind es fast nur Einser und Zweier, vielleicht mal eine Dreier-Priorität, wo niemand weiß, okay, wir brauchen das, aber wir haben noch keine Deadline. Aber normalerweise sind alle Prio1 und 2.
I: Aber es ist nicht so, dass ihr mal voll gestresst werdet und dann liegt sie ewig herum die Übersetzung und wird nicht gleich publiziert oder so und dann fragt man sich auch: Warum?
BE3: Manchmal schon. Oder wenn dann die Antwort kommt (lacht): Alles. Wir brauchen das halt einfach. Das liest eh keiner (lacht). Schreib das einfach hin! Das liest ja eh niemand. Schön! (lacht)
I: Wie fühlt man sich da?
BE3: Da denkt man sich auch natürlich: Was soll das? Aber im Generellen wird es durchaus wertgeschätzt. Und ich zum Beispiel habe sehr viel mit dem Marketing zu tun. Das heißt, die wissen auch welche Fragen kommen. Ein Großteil von diesen Marketing-Texten ist auch so, dass sie auf Italienisch, Spanisch, Französisch und Englisch gebraucht werden. Die Fragen decken sich teilweise. Da versuchen wir auch diejenigen, die halt zuerst Fragen stellen, dass wir die
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Informationen verbreiten und weitergeben an die Kolleginnen, damit der gleiche Anforderer halt nicht fünfzehnmal die gleiche Frage beantworten muss.
I: Kommt das vor, dass Fragen öfter gestellt werden an dieselbe Person?
BE3: Zwischendurch schon. Aber es funktioniert relativ gut, dass wir uns da kurzschließen oder dass wir schauen: Ah, du hast das auch? Mir ist das nicht klar, verstehst du das? So dass man sich erst einmal untereinander berät: Kannst du damit was anfangen? Also (..)
I: Okay, ja. Klingt gut. Und was steigert dein Engagement so richtig bei einem Auftrag? Oder generell für die Arbeit? Wann bist du voll motiviert?
BE3: Wenn es mal so was ganz anderes ist. Marketing-Texte mag ich sehr gerne. Was meine Motivation insofern steigert ist, wenn ich – für meinen Bereich schreibe ich auch so kleine Texte und dergleichen, wo es dann als News produziert ist und das übersetze ich dann gleich ins Englische und spar‘ der Chefin quasi das Verteilen und das Herumrouten. Und auch wenn ich selber schreibe, weiß ich natürlich am besten, was ich meine (lacht). Also das motiviert dich dann: Ah, passt. Schreibe ich auf Deutsch. Und dann habe ich nebenher schon ein paar Ideen auf Englisch. Oder was zum Beispiel sehr sehr hilft ist, das Deutsche zu schreiben und das ins Englische zu übersetzen oder umgekehrt und dann kommt man drauf, dass im Ausgangstext das eine Wort vielleicht nicht so klar ist oder es doch ein besseres gibt. Bevor ich jetzt die Kolleginnen bitte, das zu machen, mache ich es dann auch irgendwie, bessere ich es dann im Deutschen auch entsprechend aus. Also dieses hin und zurück Switchen in die Sprache bringt irgendwie einen mehr zum Nachdenken und macht es dann auch besser, sage ich jetzt mal. Also und das motiviert mich zum Beispiel sehr. Das daugt mir total.
I: Denke ich mir. Und warum gerade Marketing-Texte?
BE3: Weil man da ein bisschen mit der Sprache spielen kann. Natürlich kann man – das 1:1 funktioniert eh nicht, aber man kann, okay dieses Gedankenbild ist da dazu und das mache ich jetzt draus. Also das schön Klingende, das Schwingende. Und es ist auch eine Kollegin im Marketing, die eine ehemalige Studienkollegin ist, das heißt, wenn ich die anrufe und sage: Du, wenn ich jetzt das und das schreibe, stimmt das? Weil man dichtet vielleicht manchmal ein bisschen dazu. Natürlich klärt man dann vorher ab, bevor man es jetzt so gedichtet lässt: Du stimmt das überhaupt? Kann ich das so schreiben? Sagt sie so: Ja, das ist gut. Genau. Das ist gut. Ich mache das im Deutschen auch so. Das motiviert dann sehr. (lacht)
I: (lacht) Das denke ich mir, dass das motiviert.
BE3: Also solche Sachen sind dann sehr motivierend. Oder wenn man dann liest: Mah, super! Dankeschön! Liest sich super!
I: Das heißt, man kriegt auch so richtig positives Feedback?
BE3: Bei manchen Sachen. Jetzt nicht immer. Oder wenn sich dann ein Kollege selber an der Sprache versucht oder zu schreiben für den Kunden oder irgendwas und das halt nicht so hinbringt und dann richtet man’s ihm und dann: Mah, super, klasse! Das ist dann schon fein.
I: Ja und warum genau ist das fein?
BE3: Einfach das Feedback einerseits und dann die Wertschätzung. Die Wertschätzung ist es, ja. Und was auch sehr lustig ist, ist mir auch schon länger nicht passiert, manchmal kriegt man auch Anrufe vom Kunden rein, wenn am Empfang die Dame verschiedenste Anrufe hat oder die Engländer vielleicht nicht versteht oder so und wenn man da dann versucht, dem zu helfen. Und ich habe dann einen Kollegen versucht zu erwischen, der jetzt gerade nicht da war, jedenfalls habe ich dann versucht, ihn an einen anderen Kollegen weiter zu reichen und dann ein paar Mal hin und her geswitched und immer noch nicht erreicht, weil es auch gerade Mittagszeit war und die meisten Leute in der Mittagspause waren. Und dann: Ja, es tut mir leid, es ist keiner da. Probieren Sie halt die und die Nummer später noch einmal. „Oh you are an angel! You are an absolute angel! Just listening to you sweet voice has put a smile on my face!“ (lacht) Ja, da fühlt man sich dann natürlich auch, denkt man sich: So! Das hat sich ausgezahlt. (lacht)
I: Ja, na klar. Schön. Ja und was demotiviert dich so richtig?
BE2: Demotivierend sind dann natürlich so Geschichten wie: Schreib‘ halt einfach so, wie’s da steht! Oder Themen wie: Ja, wieso braucht man das überhaupt in der und der Sprache? Oder (..) Ich meine, das ist jetzt natürlich weniger im Englischen. Irgendeine – und es kann ja eh jeder
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Englisch. (lacht) Ja und das Englische, das geht eh, kein Problem. Das ist dann schon demotivierend. Oder wenn man versucht, zum Beispiel einen Brief an den Kunden zu schreiben und man hält sich natürlich an das Deutsche. Dann haben die auch Niederlassungen in den USA, in England und dergleichen und die passen sich die Sachen manchmal an. Was ja in Ordnung ist. Es hat ja jeder eine andere Art zu schreiben und die wissen dann auch besser, was jetzt für den Kunden passt. Die haben ja dieses deutsche Schreiben als Vorlage. Und dann der Kollege, der das angefordert hat, kommt und sagt: Der Amerikaner, die haben das geändert! Ist das jetzt falsch (aufgeregte Stimme)? Nein (ruhige Stimmlage). Zeig’ es mir nochmal. Nein, das passt schon. Oder: Ich schicke das jetzt gleich raus. Bist du dir sicher, dass das so passt (aufgeregte Stimme)? Ja, ich bin mir sicher, dass das passt (ruhige Stimmlage). Also das ist ein bisschen demotivierend in dem Fall, wenn man dann vielleicht nicht – weil man einfach eine jüngere Kollegin ist und der halt auch schon noch weit länger im Unternehmen ist.
I: Das heißt, er traut dir nicht zu, dass es stimmt?
BE3: Ja genau. Das demotiviert einen dann schon. Aber -
I: Ja klar. So witzig. Wie kommt er da drauf?
BE3: (lacht) Ja genau. Ja weil ja eh jeder Englisch kann. Und dann hat er das vielleicht so nicht gelernt oder kommt ihm vielleicht von der Redewendung jetzt nicht so 100-prozentig vor. Klar natürlich hat jeder eine andere Art zu formulieren. Und wenn er das so in der Schule nicht gelernt hat, stimmt das dann überhaupt?
I: Dass die Leute überhaupt noch so viel aus der Schule wissen, wundert mich oft, oder glauben zu wissen.
BE3: Ja genau (lacht). Glauben zu wissen!
I: Das gibt es ja gar nicht.
[Kurze Zuwendung der Interviewpartnerin zu ihrem Hund, der daneben am Boden liegt und kurz aufgeblickt hat.]
I: Ja und gibt es so richtig schlechte Ausgangstexte? Habt ihr damit zu tun eigentlich?
BE3: Ja sie sind teilweise schon schlecht, gerade Emails, die dann schnell schnell raus gehen müssen und auch sehr sehr viele Texte, die sehr dringend raus gehen müssen. Manchmal ist es auch so, dass zum Beispiel Techniker auf der Baustelle irgendwelche Berichte schreiben, die dann vom Deutschen einfach nicht richtig sind. Manchmal sind es dann auch ausländische Kollegen, die auf Deutsch jetzt einen Bericht schreiben, die jetzt vielleicht, keine Ahnung, Polnisch als Muttersprache haben. Das fließt dann halt natürlich nicht so. Abgesehen davon, dass so Berichte dann: Motor ausgewechselt weil bla bla bla. Und da tut man sich natürlich schwer, zu raten, was es jetzt genau ist. Und das dann in die Fremdsprache zu bringen, wenn man das Deutsche schon schwer versteht. Also das ist schon ein Thema.
I: Was tut man dann?
BE3: Den Kollegen fragen, raten (lacht). Es ist dann oft schwierig, weil die dann – solche Kollegen sind dann tendenziell vielleicht schon auf der nächsten oder übernächsten Baustelle, jetzt nicht so leicht zu erreichen.
I: Das stelle ich mir schwierig vor.
BE3: Das ist dann schon schwierig. Dann hat man im Haus oft welche, die öfter solche Berichte geschrieben haben, dass man die fragt. Dann haben wir auch andere Kollegen die zum Beispiel (..) da sind wir gegenüber gesessen, das war recht praktisch, jetzt eh nicht mehr so von der Lage her, das waren second und third-level-Hotline, also die jetzt quasi nur als technische Unterstützung dabei waren, die hatten früher Erfahrung also zum Beispiel die hatten Anlagen aufgestellt und dergleichen. Das heißt, die haben schon viel gesehen, kennen sich gut aus mit den Anlagen und die hat man halt gefragt: Was heißt das (lacht)? Oder was könnte der meinen? Ja, ich glaube, das und das. Oder er sagt dann: Naja, vielleicht das. Da muss man sich halt an das Vielleicht halten, wenn man den gar nicht erreicht.
I: Ja und was hat man da dann für ein Gefühl, wenn man das so übersetzt, obwohl man nicht sicher war, was das ist?
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BE3: Ich denke, mit zunehmender Zeit wird man da auch relaxter. Also es ist – natürlich sind so ganz wichtige Dokumente, wie Handbücher mit diesen Warnung, Achtung und so weiter. Das muss natürlich hundertprozentig passen. Was passiert dann wirklich, wenn der Bericht, diese zwei Zeilen jetzt nicht hundertprozentig passen? Man muss also auch die Relation sehen. Natürlich können auch schwere Unfälle passieren. Wir recherchieren die Dinge auch grundlegend, aber man wird auch mit der Zeit relaxter. Also das zeigt dann die Erfahrung: Okay, da ist jetzt wirklich Achtung und aufpassen, das genau recherchieren. Wenn jetzt da vielleicht der Motor, ‚wenn der nicht rund läuft‘, und statt ‚rund läuft‘ wäre es halt etwas anderes gewesen, ja. Passiert jetzt niemandem wirklich was.
I: Das kann man dann schon einschätzen, verstehe.
BE3: Richtig, ja.
I: Verstehe. Und du hast vorher gesagt Marketing-Texte übersetzt du so gern, weil man mit der Sprache spielen kann. Und kannst du dich generell entfalten in dem Beruf? Also alles, was dir wichtig ist, umsetzen oder rein bringen?
BE3: (..) Wie soll ich sagen, jetzt rein das Übersetzen ist mir mit der Zeit langweilig geworden. Deswegen hatte ich auch einen Wechsel ins Marketing, wobei das war nach (..) 3,5 Jahren. Also bis dorthin bis dieser Punkt kam, wo ich wirklich alles dann quasi mehr oder minder schon relativ entspannt gemacht habe. Weil am Anfang: Uuh, zum ersten Mal ein Marketing-Text, welche Aufregung! Oder die ersten paar Dokumente, die an den Kunden gehen: Huu, habe ich das wohl richtig verstanden? Habe ich das richtig übersetzt? War es das? Habe ich das richtig gefunden im Internet? Also man wird dann einfach mit der Zeit relaxter und entspannter, weiß auch natürlich leichter, was gemeint ist. Wenn ich jetzt die 50 Pflichtenhefte theoretisch übersetzt habe und auch mit den gleichen Anforderern immer wieder rede und so weiter, dann fragt man die Sachen sicherheitshalber nach. Wenn die normalerweise stimmen, dann passt auch das, was man sich dazu denkt. Man hat ja einen gewissen Hintergrund auch. Jetzt dadurch dass man - diese wachsende Sicherheit ist natürlich fein. Und wenn dann keine neuen – ich hatte dann eben am Anfang meine Pflichtenhefte, dann so Handbücher, die dazu kamen. Jetzt mache ich kaum noch Handbücher. Jetzt mache ich die Marketing-Sachen, dringende Sachen von der Geschäftsführung. Menütexte finde ich jetzt halt auch mäßig spannend, muss natürlich auch sein. Man kann halt nicht, ist halt auch nicht immer ein Wunschkonzert. Aber die Kombination mit der Übersetzung – weil ich spiele mit der Sprache irrsinnig gern, das gefällt mir nach wie vor irrsinnig. Auch zum Beispiel mit dem Marketing zusammen Slogans entwickeln, Produktnamen, wobei es da auch immer spannend ist, wenn die Produktmanager dich anrufen und: Du, ich habe das und das, kann man das sagen? Der hat den ganzen Vormittag sich damit befasst, wie könnte ich und was und: Worum geht es eigentlich? Was soll das denn tun? Also das ist witzig (lacht) und vielleicht anstrengend aber man braucht dann ein bisschen Zeit und Infos, dass man wirklich sinnvoll Bescheid geben kann.
I: Ja. Aber du wirst da schon als Expertin gesehen, oder? Für Sprache und so?
BE3: Ja. Normalerweise, normalerweise schon. Ja, also so die obere Instanz. Wobei ich dann mich bei wirklich bei Produktnamen und Slogans und so weiter, machen wir mit der Kollegin ein Brainstorming. Das klappt recht gut, weil dann kommt man auch recht geschickte Sachen. (lacht)
I: Nicht schlecht. Also wie würdest du deinen Status in der Firma beschreiben?
BE3: Du ich war sozusagen (..) ich arbeite jetzt nur mehr 30 Stunden. Ich war da sicher die Haupt-Englisch-Übersetzerin, die Englisch-Meisterin sozusagen. Jetzt dadurch dass ich jetzt nur noch 30 Stunden arbeite, ist die Kollegin, die ist jetzt auch schon länger dabei, ist jetzt die so die letzte Instanz geworden. Kombiniert mit 30 Stunden auch mein, wie soll ich sagen (..) Sie ist einfach leichter erreichbar und mehr da natürlich. Und mit der Kombination, dass ich jetzt diese Marketing-Agenten koordiniere, dass ich selber schreibe und dergleichen bin ich jetzt vielleicht nicht mehr so die allerletzte Instanz, wo jetzt so viele Leute – ich werde natürlich immer noch gefragt auch von den Kolleginnen: Und du [Name], ich verstehe das nicht. Was könnte da gemeint sein? Oder meinst du passt das? Und so weiter. Aber diese allerletzte Englisch-Instanz bin ich jetzt nicht (..) mehr. Aber das finde ich auch durchaus in Ordnung. Die Kollegin ist jetzt die Queen of English. (lacht)
I: Ist das die Amerikanerin die andere?
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