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Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung 2011 „Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“ Disku

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Benediktbeurer Gesprächeder Allianz Umweltstiftung 2011

„Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“

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I M P R E S S U M

Be n e Di ktBe U r e r G e S p r äch e De r All iAnz U mwe ltSti f tU nGBand 15

herausgeber

Allianz Umweltstiftung

Maria-Theresia-Straße 4a

81675 München

Telefon: 089/41 07 33 - 6

Telefax: 089/41 07 33 - 70

E-Mail: [email protected]

Internet: www.allianz-umweltstiftung.de

redaktion

Dr. Lutz Spandau

Susanne Luberstetter

fotos

iStockphoto

Rainer Lehmann

Mauritius

Horst Munzig

Pitopia

Gestaltung

Susanne Hampel

litho

Oestreicher + Wagner

Medientechnik GmbH

lektorat

Dr. Karl-Heinz Ludwig

Druck

Mediengruppe Universal

München 2011

r e f e r e nte n

Prof. Dipl.-Ing. Albert Speer

AS & P – Albert Speer & Partner GmbH

Hedderichstraße 108 - 110

60596 Frankfurt am Main

Dr. Dieter Salomon

Oberbürgermeister

Stadt Freiburg

Rathausplatz 2 - 4

79098 Freiburg

Prof. Dr. Harald Welzer

Kulturwissenschaftliches Institut

Goethestraße 31

45128 Essen

Peter Gaffert

Oberbürgermeister

Stadt Wernigerode

Marktplatz 1

38855 Wernigerode

mODe r AtiOn

Dr. Lutz Spandau

Vorstand

Allianz Umweltstiftung

Maria-Theresia-Straße 4a

81675 München

7 3

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Pater Karl Geißinger,

Rektor des Zentrums für Umwelt

und Kultur im Kloster Benediktbeuern,

Benediktbeuern

Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte,

Vorsitzender des Kuratoriums der

Allianz Umweltstiftung,

München

Dr. Lutz Spandau,

Vorstand der Allianz Umweltstiftung,

München

Prof. Albert Speer,

Architekt, Albert Speer & Partner,

Frankfurt

Dr. Dieter Salomon,

Oberbürgermeister der Stadt Freiburg

im Breisgau,

Freiburg

Prof. Dr. Harald Welzer,

Direktor des Center for Interdisciplinary

Memory Research am Kulturwissen-

schaftlichen Institut Essen

und Professor für Sozialpsychologie

an der Universität St. Gallen,

Essen

Diskussion des Tagungsthemas

Impressum

5

9

15

23

31

43

51

73

DI E BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E DE R ALL IANZ

U MWE LTSTI F TU NG

am 06. Mai 2011 hatten zum Thema: „Die Stadt von morgen

wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“

I N H A L T

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Die Benediktbeurer Gespräche.

Alljährlich treffen sich auf Einladung der

Allianz Umweltstiftung streitbare und neu-

gierige Geister im Kloster Benediktbeuern.

Die Benediktbeurer Gespräche sollen

den Blick weiten für die Fragestellungen

von morgen.

Leitmotiv der Benediktbeurer Gespräche ist,

die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu

fördern, starre Konfrontationen aufzulösen

und die umweltpolitischen Diskussionen zu

versachlichen.

Mit ihrer Streitkultur haben sich die Be ne-

diktbeurer Gespräche zu einem Forum des

kontinuierlichen Neu-, Anders- und Weiter-

denkens entwickelt. Damit tragen sie dazu

bei, den Boden für eine nachhaltige Zu kunft

zu bereiten, denn die kann „in Zeiten, in

denen es keine linearen Handlungsanweisun-

gen mehr gibt, nur im kontinu ierlichen

gesellschaftlichen Lernprozess entstehen“,

so Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz

Umweltstiftung.

„Die Stadt von morgen wird durch den gebaut,

der sie neu zu denken wagt.“ war das Thema

der fünfzehnten Benediktbeurer Gespräche

am 06. Mai 2011.

Die Referate und aus ihnen resultierende

Schlussfolgerungen werden mit diesem

Band der Schriftenreihe „Benediktbeurer

Gespräche der Allianz Umweltstiftung“

publiziert.

„Mitwirken an einem lebenswerten Dasein

in der Zukunft.“ Diese Maxime für Schutz,

Pflege und Entwicklung von Natur und

Umwelt hat die Allianz Umweltstiftung in

ihrer Satzung verankert. Anlässlich ihres

100-jährigen Jubiläums im Jahr 1990 über-

nahm die Allianz mit Gründung der Um welt-

stiftung in einem neuen Bereich gesell -

schaftliche Verantwortung.

Bei allen Projekten bindet die Allianz

Umweltstiftung den wirtschaftenden

Menschen ein. Dabei ist das wesentliche

Ziel aller Förderprojekte der Schutz des

Naturhaus haltes unter Berücksichtigung

der wirtschaftlichen Entwicklung.

Ökologisch und ökonomisch, sozial und

kulturell – jedes Projekt leistet auf seine Art

einen Beitrag zur praktischen Umsetzung

eines aktuellen Zukunftsthemas. Denn immer

geht es um die Idee des „Sustainable De -

vel opment“, die beispielhafte Realisierung

nachhaltigen Wirtschaftens – also um die

Förderung einer dauerhaft umweltgerechten

Entwicklung, die auch künftigen Generatio-

nen ein lebenswertes Dasein ermöglichen

soll.

Ausgehend von der Überzeugung, dass

grundlegende Umweltfragen nur im gesell-

schaftlichen Konsens zu lösen sind, hat die

Allianz Umweltstiftung ein unabhängiges

Diskussionsforum geschaffen.

D I E A L L I A N Z U M W E L T S T I F T U N G

DI E ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NG:

Aktiv für Mensch und Umwelt.

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Meine sehr verehrten Damen und Herren,

in meiner Eigenschaft als Leiter des Zent-

rums für Umwelt und Kultur danke ich Ihnen

allen, dass Sie heute hierher gekommen

sind, und heiße Sie ganz herzlich willkom-

men zu den traditionell von der Allianz

Umweltstiftung ausgerichteten Benediktbeurer

Gesprächen. Sie sind ein Zeichen unserer

engen Verbundenheit und Partnerschaft, die

sich im Laufe der letzten 15 Jahre bei vielen

gemeinsamen Aktivitäten bewährt hat.

„Die Stadt von morgen wird durch den

gebaut, der sie neu zu denken wagt“, lautet

das Motto der diesjährigen Tagung. Es weist

darauf hin, dass unsere moderne Welt

einem besonders raschen Wandel unterwor-

fen zu sein scheint. Zum ersten Mal in der

Geschichte der Menschheit leben mehr

Menschen in Städten als auf dem Land.

Dieser Trend wird sich fortsetzen – vor allem

in China, Indien und den Ländern Afrikas.

Ganz neue Metropolen und Megastädte

werden entstehen. So wird das Leben in der

Stadt immer stärker das Leben der Menschen

prägen.

Es ist nicht nur wichtig, sondern auch

ungemein spannend, sich vorzustellen und

darüber zu diskutieren, wie diese Städte

denn aussehen könnten, ja wie sie aussehen

sollten. Hier sind neue Ideen, kreative

Entwürfe und mutige Impulse gefragt,

denn es gibt gewaltige Probleme zu lösen.

Dabei geht es um Fragen der Infrastruktur,

der Wasser- und Energieversorgung, des

Verkehrs, der Sicherheit, des Katastrophen-

schutzes, der Versorgung der Menschen auch

in Krisensituationen, des Umweltschutzes

und vieles mehr. Ich meine, dass die Planer

solcher Megastädte gut daran täten, nicht

nur nach technischen Lösungen zu suchen,

sondern stets zugleich auch an die nicht

rein materiellen Bedürfnisse der Menschen

zu denken, also an das, was eine Stadt im

Grunde erst lebens- und liebenswert macht.

Das Leben von immer mehr Menschen

wird heute bestimmt von den Folgen der

Globalisierung, der zunehmenden Mobili-

tät, des Konsums und der sich rasant

entwickelnden Kommunikationsmittel.

Letztere führen dazu, dass wir uns zuneh-

mend in einer virtuellen Welt bewegen.

Wir sind ständig von Menschen umgeben

und begegnen einander doch nicht

wirklich.

B E G r ü S S U N G P A T E r K A r L G E I S S I N G E r

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Begrüßung durch Pater Karl Geißinger, Rektor des Zentrums

für Umwelt und Kultur im Kloster Benediktbeuern.

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wird? Wie lässt sich ein gesunder Orga-

nismus schaffen, der wachsen kann, ohne

zu wuchern und sich selbst zu zerstören?

Wie kann man neue Städte denken, wo

Menschen unterschiedlicher Kulturen und

Religionen willkommen sind und Arme und

Reiche miteinander leben können? Ist es

möglich, Gemeinwesen zu entwickeln, die

zur Heimat werden können auch für

entwurzelte Menschen, die offen sind für

Flüchtlinge, Vertriebene oder Gestrandete,

Orte, in denen Menschen nicht ausgegrenzt

werden und nicht in Gettos leben müssen,

Städte mit Herz also?

Müssen solche Städte Utopien bleiben? Ich

bin sehr gespannt, welche Entwürfe, welche

Impulse, welche Ideen und Fragen heute

im Laufe dieser Benediktbeurer Gespräche

vorgestellt und diskutiert werden.

Nochmals herzlichen Dank Ihnen, die Sie

hierher gekommen sind, und der Allianz

Umweltstiftung für die Wahl dieses Themas.

Ich wünsche Ihnen allen fruchtbare Diskus-

sionen und einen spannenden Tag.

Die menschlichen Grundbedürfnisse –

zum Beispiel nach einem Zuhause, nach

Geborgenheit, nach Heimat, nach Beziehun-

gen mit anderen Menschen, nach Gemein-

schaft, nach einem Lebensumfeld, das wir

selbst gestalten und mit bestimmen können –

all diese Bedürfnisse sind bei der Planung

der neuen Städte zu berücksichtigen.

Werfen wir einen Blick auf das, was die

Großstädte unserer Welt heute für viele

Menschen – für die, die in ihnen leben, und

für die, die sie als Touristen besuchen –

attraktiv macht. Viele dieser Großstädte,

sogar wenn sie nur allzu oft auch furchtbare

Elendsviertel haben oder von trostlosen

Trabantenstädten umgeben sind, vor allem

aber, wenn es sich um gewachsene, nicht

einfach auf dem Reißbrett entworfene

und aus dem Boden gestampfte Städte

handelt, haben ein Zentrum, eine Mitte, ein

Herz. Was sie so anziehend macht, können

prachtvolle Bauwerke sein – sei es ein

Schloss, eine Burg oder ein Dom – vielleicht

auch besondere Grünanlagen wie Gärten

oder Parks: In jedem Falle sind es Orte, die

Geschichte atmen, die einen besonderen

Charme, eine bezaubernde Ästhetik oder

eine Atmosphäre haben, die einen gefangen

nimmt. Solche Städte besitzen ihre eigene

Identität oder vermitteln die des Landes,

in dem sie liegen. Kurz, es sind Städte mit

einem Herz, die mehr bieten als bloß

Wohnungen, Arbeitsplätze und Einkaufs-

zentren.

Für die Planer der Megastädte der Zukunft

stellen daher gerade solche Fragen die

größte Herausforderung dar: Wo wird das

lebendige Herz der neuen Stadt sein? Wie

kann man diese so gestalten, dass sie zum

Biotop, zum Lebensraum für Menschen

B E G r ü S S U N G P A T E r K A r L G E I S S I N G E r

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Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zu den diesjährigen

Benediktbeurer Gesprächen der Allianz

Umweltstiftung. Sie erinnern sich vielleicht:

Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle den

20. Geburtstag der Allianz Umweltstiftung

gefeiert. Aber auch in diesem Jahr gibt es

ein Jubiläum: Die Benediktbeurer Gespräche

der Allianz Umweltstiftung finden nun

bereits zum 15. Mal statt!

Anlässlich ihres 20. Geburtstages hat die

Allianz Umweltstiftung eine Weiterentwick-

lung ihrer bisherigen Förderkonzeption

diskutiert. Ein Expertengremium erörterte in

diesem Zusammenhang vor allem die Mög-

lichkeit der Einbeziehung aktueller Probleme

und gesellschaftlich relevanter Fragen aus

dem Umweltbereich.

Ergebnis dieser Strategiegespräche war

sowohl die Aktualisierung bisheriger als auch

die Festlegung neuer Förderschwerpunkte der

Allianz Umweltstiftung in den Bereichen

Umwelt- und Klimaschutz,

Leben in der Stadt,

nachhaltige Regionalentwicklung,

Biodiversität und

Umweltkommunikation.

Mit diesen Schwerpunkten ihrer Förder-

tätigkeit sieht sich die Stiftung auf einem

guten Weg, auch in Zukunft wichtige Beiträge

zur Lösung gesellschaftlich relevanter Pro-

bleme leisten zu können. Schließlich fühlt

sie sich nach wie vor gleichermaßen verant-

wortlich für Natur und Umwelt in ihrer

Vielfalt wie für Mensch und Gesellschaft in

unserer zunehmend globalisierten Welt.

Ein zentrales Zukunftsthema ist die fort-

schreitende Verstädterung, die enorme

Zunahme sogenannter Megacities an Zahl

und Größe. Nicht zuletzt aus diesem Grund

wurde der Förderbereich „Leben in der

Stadt“ in das Programm der Stiftung aufge-

nommen. Die Wahl des Themas der dies-

jährigen Benediktbeurer Gespräche – „Die

Stadt von morgen wird durch den gebaut,

der sie neu zu denken wagt“ – ist Ausdruck

dieser neuen Konzeption.

B E G r ü S S U N G P r o F . D r . H . c . D I E T E r S T o L T E

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Begrüßung durch Prof. Dr. h. c. Dieter Stolte, Vorsitzender des

Kuratoriums der Allianz Umweltstiftung.

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Gebäude. Im Wüstensand vor den Toren

Abu Dhabis entsteht unter Federführung

des Büros des britischen Stararchitekten

Norman Foster die ökologische Musterstadt

Masdar, die ganz ohne die Verwendung

fossiler Brennstoffe auskommen soll. „Die

Stadt“, schreibt Hanno Reuterberg in seinem

bemerkenswerten Artikel „Die andere

Revolution“ in der ZEIT vom 24.02.2011,

„will die Welt nicht allein durch Forschung

und Technik retten, sie möchte den Men-

schen auch neue Gewohnheiten nahe-

bringen. […]

Während in Deutschland Moderne und

Tradition gern gegeneinander ausgespielt

werden, finden sie hier mit erstaunlicher

Selbstverständlichkeit zusammen. […]

Die Zukunft ist nicht futuristisch. Sie lernt

aus der Geschichte.“

Anders in Südkorea. In der Nähe von

Seoul wird mit einem Mammutprojekt die

„Stadt der Städte“ gebaut, ein modernes

Utopia auf dem Wattenmeer durch Auf-

schüttung von Erdreich abgerungenem Land:

New Songdo City. Aber auch in China setzt

man noch auf städtebauliche Gigantomanie,

wie die Millionenstadt Chongqing zeigt,

in der Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden

schießen und Zehntausende von Wander-

arbeitern ihr Glück suchen.

Es fällt allerdings schwer zu glauben,

dass die Zukunft der Menschheit von einem

Leben in Städten geprägt sein soll, die

komplett auf dem Reißbrett entstanden

sind.

B E G r ü S S U N G P r o F . D r . H . c . D I E T E r S T o L T E

Die Menschheit wächst und damit auch der

Hunger nach Bildungs- und Aufstiegschancen.

Immer mehr Menschen zieht es in die

Städte. Megacities wirken wie gesellschaft-

liche Magneten. Von ihnen erwarten die

Menschen Lösungen für ihre Probleme – oft

nicht ahnend, dass sie die alten nur gegen

neue eintauschen.

Seit 2007 leben auf unserem Globus mehr

Menschen in Städten als in ländlichen

Gebieten. UN-Prognosen zufolge wird sich

die Verstädterung fortsetzen. Gleichzeitig

verschieben sich die demographischen

Gewichte: Während die Bevölkerung in fast

allen Industriestaaten schrumpft, wächst sie

in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Dieser Trend bedeutet weltweit eine große

Herausforderung für Politiker und Städte-

planer. Kofi Annan, der ehemalige UN-Gene-

ralsekretär, hat sogar von einem „Jahrtausend

der Städte“ gesprochen. Zunehmend ent-

scheiden sich die Menschen gegen ein Leben

auf dem Land und für ein Leben in der Stadt:

Sie ziehen dorthin, wo sie sich Wohlstand

und eine bessere Zukunft erhoffen.

Unter welchen Voraussetzungen sind

diese Hoffnungen berechtigt? Wie müssen

die neuen Städte aussehen, damit sie sich

erfüllen?

Die Ballungszentren – schon heute gibt

es mehr als 130 Städte mit über drei

Millionen Einwohnern – verbrauchen etwa

80 Prozent der weltweit verfügbaren Ressour-

cen. Städte wie New York, London, Oslo,

Vancouver oder München arbeiten bereits

an Plänen zum Bau kombinierter Wohn- und

Arbeitsviertel, zur Reduzierung des Verkehrs

und zur Errichtung energieoptimierter

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Wie der chinesische Politiker Deng Xiaoping

einmal gesagt hat, kommt es stets darauf

an, die Wahrheit in den Tatsachen zu suchen.

Dies sollten auch wir tun bei der Beschäfti-

gung mit den Fragen, die sich uns stellen,

wenn wir über das Thema unserer heutigen

Veranstaltung diskutieren:

Wie werden wir in den „Städten der

Zukunft“ wohnen, leben und arbeiten?

Welche ökonomischen, ökologischen und

sozialen Gesichtspunkte werden bei der

Entwicklung und Gestaltung der Städte

eine Rolle spielen?

Wie lässt sich die zunehmende Verstädte-

rung steuern, damit die „Stadt der Zukunft“

gestaltbar bleibt?

Welche Folgen hat der demographische

Wandel für die Städte?

Wie kann man Städte vor Katastrophen

schützen?

Auf diese und viele andere essentielle

Fragen gilt es Antworten zu finden. Allerdings

wird wohl keine Antwort umfassend oder

gar endgültig sein können. Aber wir können –

gleichsam Mosaiksteine aneinanderfügend –

allmählich ein Bild von der Stadt der Zukunft

entstehen lassen. Und wenn uns das heute

noch nicht gelingt, dann vielleicht morgen …

oder übermorgen.

Ich freue mich, in unserem Kreis hervor-

ragende Fachleute begrüßen zu können, die

uns die vielfältigen Aspekte unseres neuen,

hochaktuellen Themas erläutern werden:

Was eine Stadt im eigentlichen Sinne

ausmacht, ist schließlich ihr ureigener,

mindestens über Jahrzehnte, meist sogar

über Jahrhunderte gewachsener Charakter

und ihre Geschichte, die nicht nur im

Stadtbild, sondern auch in der Vielfalt ihrer

Bewohner zum Ausdruck kommt.

Vielen Großstädten droht heute eine

soziale Spaltung. Und das gilt nicht nur für

die Megacities Afrikas, Asiens und Süd-

amerikas mit ihren unkontrolliert wuchern-

den Slums. Auch in Europa gilt es zu

verhindern, dass die Städte zunehmend in

ein lebendiges Zentrum und eine trostlose

Peripherie zerfallen. Es ist eine wichtige

Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich die

Infrastruktur einer Stadt entsprechend den

Bedürfnissen ihrer Bewohner entwickelt.

Dafür aber bedarf es neuer Mobilitäts-

konzepte, bei denen es nicht nur darum

gehen darf, möglichst viel Mobilität zu

ermöglichen, sondern auch um die Frage

gehen muss, wieviel Mobilität mit welchen

Verkehrsmitteln eine moderne Stadt über-

haupt braucht.

Städte verursachen massive Umwelt-

probleme: Sie breiten sich immer weiter aus,

verbrauchen enorme Mengen an Wasser und

Nahrungsmitteln, verpesten die Luft und

produzieren Unmengen Müll. Städte produ-

zieren einen sehr großen Teil der weltweiten

Gesamtemission von Treibhausgasen und

sind damit wesentlich mitverantwortlich für

den Klimawandel.

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diese stetig weiterentwickeln. In diesem

Sinne möchte ich den Salesianern Don

Boscos für die langjährige Zusammenarbeit

danken und gleichzeitig zusichern, dass

wir sie auch in Zukunft tatkräftig unterstüt-

zen werden.

Meine Damen und Herren, ich wünsche

uns allen ergiebige und interessante

Benediktbeurer Gespräche 2011 mit leben-

digen Diskussionen.

Ich darf jetzt den Vorstand unserer

Umweltstiftung, Herrn Dr. Spandau, bitten,

in seiner bewährten Art die Leitung

der Benediktbeurer Gespräche 2011 zu

übernehmen.

Herr Professor Albert Speer, international

renommierter Architekt und Stadtplaner

mit Projekten u.a. in Dschidda, Shanghai

und Moskau,

Herr Dr. Dieter Salomon, Oberbürger-

meister von Freiburg im Breisgau,

Bündnis 90/Die Grünen,

Prof. Dr. Harald Welzer vom Kulturwissen-

schaftlichen Institut Essen,

Herr Gerhard Matzig, im Feuilleton

der Süddeutschen Zeitung zuständig für

Architektur und Stadtplanung, hat gestern

aus gesundheitlichen Gründen leider

absagen müssen. Herr Dr. Spandau hat

jedoch buchstäblich in letzter Minute

eine interessante Lösung gefunden, die

er Ihnen später vorstellen wird.

Meine Damen und Herren, an einem Ort

wie diesem, wo manch einer wohl eher

erwarten würde, in sich gekehrten Mönchen

in dunklen Kutten zu begegnen, haben die

Salesianer Don Boscos mit dem Zentrum für

Umwelt und Kultur eine weltoffene Institution

geschaffen. Hier wird in der geistigen Aus-

einandersetzung mit Fragen der Regionalität,

Umweltbildung und Nachhaltigkeit sowie

Kunst und Kultur die Einsicht in die unauf-

lösliche Vernetzung des Menschen mit der

Schöpfung vermittelt – und dies nicht auf

belehrende Weise, sondern stets getreu dem

Motto des Klosters mit „Freude am Leben“.

Mit den 15. Benediktbeurer Gesprächen

zeigen die Allianz Umweltstiftung und das

Zentrum für Umwelt und Kultur, dass sie

kontinuierlich an ihren Zielen arbeiten und

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Meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Wir sollten uns alle Gedanken über die

Zukunft machen, weil wir den Rest unseres

Lebens in ihr werden verbringen müssen“,

hat der amerikanische Erfinder und Philosoph

Charles F. Kettering einmal gesagt.

Wer gäbe ihm nicht recht? Wer besäße

nicht gerne eine Kristallkugel, die schon

früh zeigt, was auf einen zukommt?

Zum Beispiel wie unsere Städte in 15 oder

20 Jahren aussehen. Schließlich werden

die meisten von uns einmal in ihnen leben

müssen.

Das Jahr 2007 war ein Wendepunkt in

der Geschichte der Menschheit: Einem

Bericht von UN-HABITAT, dem Programm

der Vereinten Nationen für menschliche

Siedlungen zufolge, lebten vor vier Jahren

zum ersten Mal mehr Menschen in Städten

als auf dem Land. In Zukunft, so die Prog-

nose, wird der größte Teil der Weltbevölke-

rung in riesigen Stadtgebieten wohnen,

die meisten davon zusammengepfercht und

übereinandergestapelt in Megastädten, die

zusammen mit ihren wild wuchernden

Vorstädten oft mehr als zehn Millionen Ein-

wohner zählen. Dies ist ein neues Phäno-

men. Noch vor 200 Jahren hat der durch-

schnittliche Erdenbürger im Laufe seines

Lebens vielleicht 200 bis 300 Leute

getroffen. Heute dagegen lebt und arbeitet

zum Beispiel jeder Bewohner von New

York City in einem Umkreis von weniger

als einem Kilometer mit 20.000 Menschen

zusammen. Wir haben uns zum Homo

urbanus entwickelt.

Inzwischen gibt es auf der Welt 400 Städte

mit mehr als einer Million Einwohnern und

20 Städte mit über zehn Millionen. Die

Zahl der Menschen, die in Städten leben, hat

sich seit 1950 vervierfacht. Im Jahr 2030

werden voraussichtlich mehr als 60 Prozent

der Erdbevölkerung in Städten leben. Bis

zum Jahr 2050 könnten es 75 Prozent sein.

Die Städte sind verantwortlich für 75 Prozent

des weltweiten Energieverbrauchs und für

80 Prozent der CO2-Emissionen.

Die am schnellsten wachsenden Städte

liegen in Indien, China und im südlichen

Afrika.

E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Einführung von Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz

Umweltstiftung, München.

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sowie Freizeit- und Einkaufszentren auf

der grünen Wiese wucherten die Städte an

ihren Rändern ins Umland. Die bereits 1933

verabschiedete „Charta von Athen“ des

einflussreichen schweizerisch-französischen

Architekten Le Corbusier, mit der dieser

die Schaffung lebenswerter Wohn- und

Arbeitsgebiete durch Trennung der verschie-

denen städtischen Funktionsbereiche pro-

pagierte, hatte diese Entwicklung begünstigt,

die in den 70er Jahren des vergangenen

Jahrhunderts mit dem Ideal der autogerech-

ten Stadt ihren Höhepunkt erreichte. Wohnen

im Grünen außerhalb der Stadt war so zum

Trend geworden.

Die Folgen dieser sogenannten Suburbani-

sierung sind unübersehbar: hoher Flächen-

verbrauch, ständig steigendes Verkehrs-

aufkommen, zunehmende Umweltbelastung

und sterbende Innenstädte. Heute versucht

man diesen Fehlentwicklungen mit den

neuen Leitbildern Ökologie und Nachhaltig-

keit zu begegnen, wie sie sich in den 80er

und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts heraus-

gebildet haben. Wieder sind die Städteplaner

gefordert.

Bislang ist von wirklichen Verbesserungen

nur wenig zu spüren. Noch immer sprechen

Experten von der aufgelösten Stadt und

vermelden ein zunehmendes Wachstum der

Städte. Längst ist sogar von Stadt- und

Metropolregionen die Rede.

Wird sich diese Entwicklung umkehren

lassen? Oder werden wir die Definition des

Begriffes Stadt neu überdenken müssen? Wie

sieht in Zeiten weiter wuchernder Städte

und zunehmender Ressourcenknappheit die

Stadt der Zukunft aus?

Schätzungsweise einer von drei Stadt-

bewohnern, insgesamt also rund eine Mil-

liarde Menschen, lebt in Slums aus schlecht

gebauten Hütten oder Häusern mit unzu-

reichender Trinkwasserversorgung und pre-

kärer Sicherheitslage.

Gleichzeitig herrscht in vielen Städten –

oder Stadtteilen – nie dagewesener Wohl-

stand mit scheinbar grenzenlosem Konsum

einer vom Individualismus geprägten

Gesellschaft. Niemand wird ernsthaft glau-

ben, dass sich der Trend zur Verstädterung

aufhalten oder gar umkehren ließe. Es

kann daher nur darum gehen, die Urbani-

sierung nachhaltig zu gestalten.

Es versteht sich von selbst, dass die Städte

der reichen, technologisch hochentwickelten

Regionen der Welt dabei eine Vorreiterrolle

übernehmen sollten. Wenn eine ökologisch

verträgliche, nachhaltige Urbanisierung über-

haupt möglich ist, dann sind sie es, die

zeigen könnten, wie es konkret funktionie-

ren kann. Die Städte Mitteleuropas mit ihren

komplexen, manchmal auch chaotischen

Strukturen müssten als eine Art „Labor“

dienen, um durch beispielhafte Architektur

und eine weitsichtige Verkehrspolitik ein-

schließlich neuer Mobilitätskonzepte auch

anderswo die Entwicklung der Städte positiv

zu beeinflussen.

Dabei scheint es mir wichtig, dass wir

uns vom traditionellen Bild der Stadt verab-

schieden. Die „richtige“ Stadt, wie wir

sie uns noch immer vorstellen, ist ein bau-

lich verdichteter Raum innerhalb eindeutiger

Grenzen. Einen solchen klar abgegrenzten

Raum, der einmal als eindeutiges Kriterium

für Urbanität gegolten hat, gibt es heute nur

noch selten, denn mit Gewerbegebieten

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In der Süddeutschen Zeitung vom 9. Dezem-

ber 2010 schrieb Gerhard Matzig unter der

Überschrift „Kathedralen für das Übermor-

genland“ über Prof. Speer: „Albert Speer und

seine Partner sind so etwas wie das grüne

Gewissen der Branche. Erst vor kurzem

haben sie ein Manifest für nachhaltige Stadt-

planung in Buchform veröffentlicht.“ Weiter

heißt es: „Der deutschen Ingenieurskunst,

der man hierzulande eher misstraut, bietet

man anderswo gerade dort Baugrund an, wo

es um anspruchvolle und zukunftsweisende

Architektur geht. Wenn sich die Konzepte

von Albert Speer und Partner z.B. in Katar als

tragfähig erweisen sollten, wird man dies

vielleicht sogar in Stuttgart zur Kenntnis

nehmen.“

Für Professor Speer rührt ein Hauptproblem

der europäischen Städte – besonders der

im zweiten Weltkrieg stark zerstörten – von

den von Le Corbusier geprägten Planungs-

prinzipien der „funktionalen Stadt“. Sie

hatten dazu geführt, dass in den 50er und

60er Jahren an den Stadträndern und somit

weit entfernt von den Innenstädten, wo die

Menschen arbeiteten und einkauften,

Hoch- und Reihenhaussiedlungen errichtet

wurden. Das Entstehen solcher Schlafstädte

in den Außenbezirken war eng verbunden

mit damaligen gesellschaftlichen Idealen, die

längst ihre Gültigkeit verloren haben, da

inzwischen auch auf dem Gebiet der Städte-

planung ein Paradigmenwechsel stattgefunden

hat. Wie sich nämlich zeigte, hat das Pendeln

zwischen Wohnstätte und Arbeitsplatz öko-

nomisch wie ökologisch erhebliche negative

Folgen. So kostet die individuelle Mobilität

jeden Haushalt im Durchschnitt mehr als

zwölf Prozent seines Nettoeinkommens – von

den Umweltschäden infolge des hohen

Spritverbrauchs und des damit verbundenen

CO2-Ausstoßes ganz zu schweigen.

In einer sich ständig verändernden Welt

ist es notwendig, das „Modell Stadt“

fortzuentwickeln. Dabei gilt es, die Balance

zu finden zwischen Wirtschaftswachstum

und Nachhaltigkeit, zwischen baulicher

Expansion und Bewahrung des historischen

Erbes, zwischen einem sprunghaften

Anstieg des Flächenverbrauchs und neuen

Formen des Zusammenlebens, zwischen

gestiegenen Ansprüchen in Bezug auf die

individuelle Mobilität und den Kapazitäts-

grenzen der Verkehrswege, zwischen den

Generationen und zwischen den sich immer

stärker spaltenden sozialen Gruppen.

Die Zukunft der Stadt wird also vor allem

davon abhängen, ob es gelingt, zu einem

tragfähigen Ausgleich zu kommen zwischen

diesen und vielen anderen unterschiedlichen

ökonomischen und ökologischen Interessen

und Bedürfnissen immer komplexer werden-

der Gesellschaften.

Ob und – wenn ja – wie dies gehen kann,

wollen wir mit unseren Experten disku-

tieren.

Wir begrüßen Herrn Prof. Albert Speer,

ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Stadt-

und Regionalplanung in Kaiserslautern und

Gastprofessor an der ETH Zürich.

Das Büro Albert Speer & Partner in Frank-

furt am Main beschäftigt mehr als 120

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an

Projekten in Ägypten, Aserbaidschan, China,

Katar, Russland, der Türkei und auch in

Deutschland arbeiten.

Prof. Speer hat zahlreiche internationale

Auszeichnungen erhalten und Preise

gewonnen.

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Stadtentwicklungspläne,

Leitpläne einschließlich Verkehrspläne,

Lärmminderungspläne, Pläne zur

Entwicklung der Wirtschaft und des

Wohnungsbaus, Jugendhilfepläne,

Kulturentwicklungspläne und Klima-

schutzprogramme,

Flächennutzungspläne,

Bebauungspläne, Projekt- und Erschlie-

ßungspläne sowie

städtebauliche Rahmenpläne,

um nur einige wenige zu nennen.

Herr Oberbürgermeister Dr. Salomon,

vermag eine Stadtverwaltung angesichts

einer solchen Flut von Regulierungs-

vorgaben den Bedürfnissen ihrer Bürger

überhaupt noch gerecht zu werden? Ist

es angesichts dieser Lage nicht unausweich-

lich, dass die Bürger selbst aktiv Leitvor-

stellungen für die Entwicklung ihrer Städte

diskutieren und entwerfen nach dem

Motto „Lebst du nur oder machst du schon

mit?“ Ist es vor diesem Hintergrund nicht

alles andere als ermutigend, dass „Wut-

bürger“ zum Wort des Jahres ernannt

wurde? Wie lässt sich eine Stadt unter

solchen Bedingungen in und mit unserer

heutigen Gesellschaft noch entwickeln?

Kurz: Haben unsere Städte überhaupt

noch eine Zukunft? Wir freuen uns,

von Ihnen mehr über diese Probleme zu

hören – und hoffentlich auch von den

Möglichkeiten, sie zu lösen – und begrüßen

Sie herzlich hier in Benediktbeuern.

Heute, so Prof. Speer, soll die Stadt der

Zukunft dem Wunsch der Menschen gerecht

werden, am selben Ort zu wohnen und

zu arbeiten. Ihrem Bedürfnis, mit dem Nach-

barn auf dem Markt einen Schwatz halten

zu können, anstatt auf mehrspurigen Straßen

aneinander vorbeizurauschen, soll wieder

stärker entsprochen werden.

Wir wollen die vier K’s – Kultur, Konsum,

Kita und Kontakte – wieder mitten in der

Stadt.

Lieber Herr Prof. Speer, ist die Stadt der

Zukunft ein Dorf? Wir freuen uns über Ihre

Teilnahme an den Benediktbeurer Gesprä-

chen und begrüßen Sie herzlich.

Machen wir uns nun auf den Weg in die

wundersame Öko-Stadt Freiburg im Breisgau:

Hier regieren die Grünen, Häuser drehen

sich schon seit Jahren zur Sonne und die

Menschen sind volkstümlich grün. In Freiburg

erreichten die Grünen bei der Landtagswahl

am 27. März dieses Jahres 43 Prozent. Regiert

wird die Stadt seit 2002 von dem grünen

Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon.

Vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister

war Dr. Salomon Abgeordneter im Landtag

von Baden-Württemberg und Vorsitzender

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Salomon ist Pragmatiker. Manche sehen

in ihm gar einen grünen Technokraten.

Vielleicht muss man Technokrat sein,

um überhaupt noch den Überblick behalten

zu können über die zahlreichen, bei der

Entwicklung unserer Städte zu berücksich-

tigenden behördlichen Vorgaben und ver-

waltungstechnischen Instrumente als

da sind:

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Er fordert ein Ende der aus seiner Sicht

unsäglichen Kombination aus Expertokratie

und Politik. Expertokratie bedeutet für

ihn, dass technokratische Planer festlegen,

was notwendig ist, dies dann an die Politiker

weitergeben, welche es nun ihrerseits auf

gesetzgeberischem Wege durchdrücken und

dann staunen, dass die Leute nicht wollen,

was ihnen da vor die Nase gesetzt wird.

Dies provoziert natürlich die Frage, wie

heute überhaupt noch Projekte realisierbar

sein sollen. Können Bürgerinnen und Bürger

wirklich die Experten ersetzen? Lässt sich

unter solchen Bedingungen die Stadt von

morgen überhaupt entwickeln? Wie könnte

die Planung und Entwicklung unserer Städte

durch ein Zusammenspiel von Experten,

Verwaltung und Bürgern gelingen?

Wir freuen uns, mit Ihnen darüber diskutieren

zu können und begrüßen Sie, Herr Prof.

Welzer, herzlich hier bei den Benediktbeurer

Gesprächen.

Wie Herr Prof. Stolte bereits erwähnte,

hat Herr Matzig seine Teilnahme an unserer

Veranstaltung kurzfristig abgesagt: Einer

Kehlkopfentzündung wegen kann er heute

leider nicht kommen. Ich habe also die

Aufgabe, Ihnen – nach dem Vorbild Hannibals,

der bei der Überquerung der Alpen gesagt

haben soll: „Entweder wir finden einen Weg

oder wir bauen einen“ – spätestens bis zum

Beginn der Diskussion eine Lösung zu

präsentieren. Und ich verspreche Ihnen: Ich

werde eine finden.

Sinngemäß vertritt Herr Matzig in verschie-

denen Beiträgen in der Süddeutschen Zeitung

folgende Thesen: „Wenn wir heute über

die Stadt von morgen diskutieren, geht es

Unsere Volksvertreter seien überfordert

und zu sehr mit ihrem Kampf ums politische

Überleben beschäftigt. Da die Kaste der

Politiker für Idealisten und Visionäre keinen

Platz mehr habe, müsse der Anstoß von

außen kommen, von einer neuen außerparla-

mentarischen Opposition – einer Art netz-

unterstützten APO 2.0, meinte der Soziologe

und Sozialpsychologe Prof. Dr. Harald

Welzer auf der Utopia-Konferenz im Sep-

tember 2010.

Prof. Welzer lehrt Sozialpsychologie an

der Universität Witten/Herdecke und leitet

am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen

das Zentrum für interdisziplinäre Gedächtnis-

forschung. Prof. Welzer forscht, um Fragen

zu beantworten – brisante und aktuelle

Fragen. Letztendlich, sagt er, betreibe er ein

Laboratorium der Gegenwart und der

Zukunft.

Prof. Welzer sieht, dass die Bürger unserer

Republik in verschiedenen Bereichen

dagegen zu protestieren beginnen, dass ihnen

Entscheidungen aufoktroyiert werden, die

mitzutragen sie nicht bereit ist. Zu der bei

Planungsprozessen üblichen Moderation, die

oft zum Ziel hat „den Bürger mitzunehmen“,

bemerkte er in einem Interview über die

Auseinandersetzung um das Projekt „Stutt-

gart 21“ in der taz vom 23. Oktober 2010

kritisch: „Ich zum Beispiel will von niemanden

mitgenommen werden. Bürger wollen Dinge

beurteilen und Folgen von Entscheidungen

für ihre eigene Gegenwart und Zukunft

abschätzen, das ist mehr als legitim. Die

Schlussfolgerung daraus ist, dass man sie von

Anfang an partizipieren lassen muss.“

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nicht nur um München, Garmisch und

Olympia, es geht nicht nur um den Stuttgarter

Bahnhof, den Wiederaufbau des Berliner

Stadtschlosses, die Hamburger Elbphilhar-

monie oder die Dresdener Waldschlösschen-

Brücke, und es geht auch nicht nur um

Hochhäuser und Windkraftanlagen.

Es geht um weit mehr: Es geht um Revolte,

Bürgerbegehren und die Renaissance des

Außerparlamentarischen – und damit um

einen allmählich fast gespenstisch anmutenden

modernen Widerspruchsgeist, der einer

neuen Verdrossenheit entspringt.

Was hat sich geändert? Warum stoßen

Innovationen und Visionen heute auf soviel

Ablehnung? Warum misstraut man dem

Machbaren, dem Wandel, dem Neuen?

Es ist kaum zu bezweifeln, dass Fragen

der Nachhaltigkeit inzwischen nahezu alle

anderen Themen verdrängen. Wenn wir

wegen dieser grundsätzlichen Bedenken aber

jeglicher Euphorie für andere Dinge verlustig

gehen, werden wir kaum in der Lage sein,

Lösungen für die Probleme der Zukunft zu

finden – nicht einmal für die, die wir selbst

im Glauben an die Zukunft verursacht

haben.“

Ich denke, wir dürfen uns auf ebenso

spannende wie kontroverse Diskussions-

beiträge freuen. Lassen Sie uns keine

Zeit verlieren, lassen Sie uns einsteigen in

die Benediktbeurer Gespräche der Allianz

Umweltstiftung zum Thema „Die Stadt

von morgen wird durch den gebaut, der

sie neu zu denken wagt“.

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2 3V o r T r A G P r o F . A L B E r T S P E E r

nologien abgelesen werden kann, ist

ein wesentliches Thema. Eben zu diesen

Umbrüchen gehört auch das Thema des

heutigen Tages: neu denken. Genauso gehört

aber auch die Geschichte, die Vergangenheit

dazu, also das, was die Menschen früher

gedacht haben. Eine der großen Herausforde-

rungen der heutigen Epoche ist, dass man

diese beiden Teile, Vergangenheit und sich

rasant wandelnde Gegenwart, zusammen

„denken“ muss.

Beginnen möchte ich mit einem Zitat aus

einem Aufsatz des bekannten deutschen

Hirnforschers Prof. Dr. Wolf Singer mit dem

Titel „Die Architektur des Gehirns als Modell

für komplexe Stadtstrukturen?“ Ich habe

mich des Öfteren mit Prof. Singer, der in

Frankfurt forscht, über dieses Thema unter-

halten. Er sagt, dass beide Systeme, das

Gehirn und die Stadt, aus einer Vielzahl eng

miteinander verknüpfter Komponenten

bestehen, die in hoch dynamischer Weise

miteinander interagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich herzlich für die

heutige Einladung bedanken. Ich bedanke

mich bei Pater Geißinger, der in seiner

Begrüßungsansprache bereits ganz Wesent-

liches zum Thema gesagt hat, bei meinem

Freund und Weggenossen Dieter Stolte und

bei Herrn Dr. Spandau, der das Thema

weit geöffnet hat, so dass es für mich nicht

leicht werden wird, diese Bandbreite von

Aspekten in den mir zur Verfügung stehen-

den 20 Minuten aufzugreifen. Es kann mir

nicht umfassend gelingen, weil „die Stadt“

als Thema einfach zu groß und zu vielschich-

tig ist. Wie Sie bereits wissen, sind mein

Büro und ich in vielen Ländern dieser Erde

tätig und wir konnten dabei viele unter-

schiedliche Erfahrungen sammeln. Wegen

der begrenzten Vortragszeit kann ich leider

nur einzelne Stücke dieses über Jahrzehnte

angehäuften Schatzes erörtern und nicht

über die vielfältigen Entwicklungen reden,

die aktuell in der ganzen Welt stattfinden.

Ich werde mich daher auf einige wenige,

wesentliche Bereiche konzentrieren.

Bei dem bisher Gesagten wurde eines

bereits ganz klar: Die Menschheit befindet

sich in einer Phase rasanten Umbruchs.

Die Geschwindigkeit selber, mit der sich

die Welt heute verändert und die beispiels-

weise an der rasanten Entwicklung der

Kommunikations- und Informationstech-

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Vortrag von Prof. Albert Speer, Architekt, Albert Speer & Partner,

Frankfurt.

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Ich habe einmal den Begriff der „intel-

ligenten Stadt“ geprägt. Damit meine ich,

dass wir in unseren Siedlungen mit allen

zur Verfügung stehenden Ressourcen intelli-

gent und den sich verändernden Situationen

angepasst, also flexibel umgehen. Dabei

müssen wir sowohl Chancen und Möglich-

keiten als auch die Probleme, die in den

nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen,

wegen der langen Reaktionszeiten bei der

Veränderung gebauter Strukturen früh-

zeitig erkennen. Ich denke, dass wir dies

bislang bei weitem nicht intelligent genug

tun. Dies gilt für die Städte überall auf

der Welt.

Ich bin der Überzeugung, dass wir alle

beim Umgang mit den Themen „Klimawandel“

und „nachhaltiges Wirtschaften“ nicht konse-

quent genug sind, und das nicht, weil wir

es nicht könnten, sondern weil unsere

Organisationsstrukturen es nicht hinreichend

fordern oder womöglich gar nicht zulassen.

Die Veränderung unserer Lebensbedingungen,

die Anpassung unserer Lebensweise an die

Rahmenbedingungen der heutigen Welt durch

effizientere Nutzung von Energiereserven

und Ressourcen beginnt mit der Städtepla-

nung und wirkt sich von dort ausgehend auf

alle anderen Bereiche aus. Hier könnte sehr

viel mehr getan werden, als wir heute tun.

Dafür, dass dies nicht geschieht, gibt es viele

Gründe.

Um mehr tun zu können, brauchen wir

ein neues Denken in Gesellschafts- und Wirt-

schaftspolitik. Die Entwicklungsdynamik in

Wirtschaft und Wissenschaft dank weltweiter

Kooperation, ermöglicht durch den Einsatz

immer schnellerer, den ganzen Globus

umspannender Kommunikationsmittel, eröff-

net ungeheure Chancen. Wenn ich mich

Beide Systeme seien das Ergebnis eines

Entwicklungsprozesses, der im Wesentlichen

auf Prinzipien der Selbstorganisation beruht.

Weder Stadt noch Gehirn entstünden nach

einem bis in die Einzelheiten ausgearbeiteten

Plan. Beide Systeme wachsen und ihr Wachs-

tum werde im Wesentlichen von lokalen

Interaktionen koordiniert. Es scheine, als ob

sich komplexe Systeme – wenn ihre konstitu-

ierenden Elemente eine kritische Zahl

überschreiten – nach immer gleichen Prinzi-

pien selbst organisierten und damit Stabilität

erlangten.

Dieses Doppelbild liefert auf die Stadt

bezogen eine wunderschöne und treffende

Zusammenfassung unserer Problematik:

Die Stadt ist ein lebendiger, sich ständig ver-

ändernder Organismus, der nicht bis in alle

Einzelheiten planbar ist. Die Rolle der

Stadtplaner ist daher auch nur ein Faktor

unter vielen anderen. Ich habe schon immer

behauptet, dass die Bedeutung von Planung

und Architektur in unserer Gesellschaft

und in den Medien im Vergleich zu ihrem

tatsächlichen Einfluss auf die Entwicklung

unserer Lebensumstände maßlos über-

schätzt wird.

Planung und Architektur haben – wenn

man sie in der Gesamtheit der Faktoren ein-

ordnet, die im Entwicklungsprozess der

Stadt eine Rolle spielen – vielleicht einen

Anteil von fünf Prozent. Planung ist

eben nur die Beratung zu Prozessen und

Entscheidungen, die dann unter dem Einfluss

von Wirtschaft, Politik und anderen gesell-

schaftlichen Kräften umgesetzt werden.

Insofern sind Planer als Dienstleister aber

durchaus auch wichtig, und das nicht

nur für die bauliche Zukunft unserer Städte.

Sie beeinflussen im Erfolgsfall auch die

Lebensweise der Bewohner.

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keit und Flexibilität er mit Hilfe dieses

Werkzeugs ein Problem lösen kann. Das hat

große Vorteile, aber eben auch einen unge-

heueren Nachteil: Die hohe Geschwindigkeit

und die Beliebigkeit der Planänderungen

zwingen nicht mehr zum fundierten Nach-

denken. Alles wird austauschbar. Es funktio-

niert sehr einfach, aber die Resultate

erscheinen oft viel weniger durchdacht. Mehr

Technik bedeutet bei allen Möglichkeiten

also nicht in jedem Fall „neues Denken“.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der

erhofften Energie- und Ressourceneinsparung

durch neue Technik: Die oft als Lösung der

Umweltprobleme angeführte Entkoppelung

von Verbrauch und Produktion durch

technologischen Fortschritt findet tatsächlich

statt. Die Einsparungen werden allerdings

durch steigenden Konsum aufgefressen und

oft sogar überkompensiert. Und selbst wenn

wir nur unsere liebgewonnenen Standards

halten, wird das Wohlstandsstreben von bald

neun Milliarden Erdbewohnern auch trotz

noch so großem technischen Fortschritt das

System an den Anschlag bringen. Wirklich

nachhaltig kann deshalb nur ein Lebensstil

ohne Konsumzuwachs sein, bei dem das Wohl-

ergehen des Einzelnen auf anderen als

materiellen Werten fußt.

Zu den modernen Fehlentwicklungen

gehört auch, dass wir viel zu schnell – und

das kennzeichnet zu einem Gutteil die Archi-

tekturgeschichte der Neuzeit – der Meinung

waren, wir müssten uns um die Historie

und den Charakter einer Stadt überhaupt

keine Gedanken mehr machen. Die Architek-

tur präge einen neuen Menschen und der

neue Mensch lebe in einer anderen, technik-

orientierten Welt ohne Geschichte.

beispielsweise mit unseren Kollegen in China

über eine wichtige Detailfrage im Zusam-

menhang mit einem Projekt in Shanghai aus-

tausche, ist dies in Sekundenschnelle getan.

Die Technologien, die dies ermöglichen, sind

also gewiss ein großer Segen – aber sie

haben auch einen entscheidenden Nachteil:

Sie lassen uns nicht mehr genügend Zeit, um

über die wesentlichen Dinge nachzudenken.

Eigentlich geht alles zu einfach. Wir werden

nicht schnell, sondern hastig.

Ich selbst kann mit diesen Techniken

kaum umgehen. Ich habe nicht einmal ein

Handy – und komme so hervorragend

zurecht. Allerdings nur deshalb, weil es

hinter mir genug Menschen gibt, die

mit diesen Medien umgehen können. Mir

aber schafft die Abstinenz eine gewisse

Freiheit.

Vor vielen Jahren, als es noch keine

Computer gab, hatte ich mir angewöhnt,

an den Wochenenden durch das Büro zu

gehen und zu einzelnen Projekten für deren

jeweilige Bearbeiter schriftliche Anmer-

kungen zu hinterlassen. Diese wurden von

meinen Mitarbeitern „Liebesbriefe“ genannt.

Wer am Montag auf seinem Schreibtisch

keine Notiz vorfand war traurig, weil ich

mich offenbar um sein Projekt nicht geküm-

mert hatte. Auf diese Weise entstand eine

Zusammenarbeit, die auch optisch nachvoll-

ziehbar war.

Heute gehe ich am Wochenende nicht

mehr ins Büro, denn ich finde dort die Arbeits-

stände nicht mehr physisch vor. Die Schreib-

tische sind leer, die gesamte Arbeit versteckt

sich im Computer. Wenn ich heute zu

einem Mitarbeiter gehe und mit ihm am Bild-

schirm ein Thema diskutiere, bin ich immer

wieder erstaunt, mit welcher Geschwindig-

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Kühlung mittels Durchlüftung der Straßen

und Beschattung von Gebäuden wieder-

zubeleben, um deren Aufheizen unter der

Wüstensonne zu verhindern. Diese Prinzipien

haben wir vor 35 Jahren in unserer Diplo-

matenstadt von Riad in Saudi Arabien auch

schon erfolgreich angewandt, obgleich schon

damals und noch bis heute aufwändig klima-

tisierte Glaspaläste in die Wüste gebaut

wurden.

Ich möchte betonen, dass „neues Denken“

auch beinhalten muss, dass wir die Bevölke-

rung an der Entwicklung unserer Städte

beteiligen. Wir müssen die Dinge mit den

Menschen gemeinsam erarbeiten und sie

nicht erst nachträglich über Entscheidungen

informieren, die über ihre Köpfe hinweg

getroffenen wurden. Bei zwei unserer Pro-

jekte in Köln und in München haben wir mit

ernst genommener Partizipation viel erreicht.

Das Projekt „Stuttgart 21“ hingegen ist aus

meiner Sicht das erschreckendste Misslingen

einer Planung in den letzten Jahren. Es

darf einfach nicht sein, dass man trotz

Einhaltung aller vorgeschriebener formeller

Beteiligungsverfahren erst nach 15 Jahren

Planung anfängt, ernsthaft mit der Bevölke-

rung über Sinn und Nutzen eines solchen

Vorhabens ins Gespräch zu kommen.

Ich habe einmal den – zugegeben – wohl

etwas utopischen und rein rechtlich leider

kaum praktikablen Vorschlag gemacht,

dass man in Deutschland bei großen städte-

baulich relevanten Maßnahmen die Suche

nach einem Konsens über ein Projekt

gesetzlich auf höchstens fünf Jahre begren-

zen sollte. Reicht dieser Zeitraum nicht aus,

ist das Projekt abzubrechen. Alles andere

ist den Menschen nicht zumutbar.

Heute haben wir gelernt, dass in einer

Welt, in der die Anforderungen an die Archi-

tektur immer ähnlicher werden – eine Küche

in China hat die gleiche Größenordnung

und Ausstattung wie eine Küche in Europa

oder den USA – Charakter und Flair einer

Stadt für das urbane Leben künftig eine

viel größere Rolle spielen werden als die

Architektur. Ich versuche bei unseren Pro-

jekten stets, die Besonderheit und Einmalig-

keit einer Stadt, die sich aus Kultur, Land-

schaft und Klima sowie den unterschiedlichen

gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaft-

lichen Faktoren ergibt, in den Mittelpunkt

unserer Planungen zu stellen.

Wir sind in China nicht zuletzt deshalb

erfolgreich, weil wir als eines der ersten aus-

ländischen Architekturbüros die chinesische

Stadtgeschichte studiert haben. Dabei

entdeckten wir Prinzipien, die so modern

und nachhaltig sind, dass wir sie zur Grund-

lage neuer Entwürfe machten. Auch die

für ihre enorme Lernfähigkeit bekannten

Chinesen berücksichtigen sie bei ihren

eigenen Arbeiten heute wieder viel stärker

als dies noch vor wenigen Jahren der Fall

war. Ich bin fest davon überzeugt, dass

wir unsere Denkfaulheit und unser blindes

Vertrauen in die modernen Technologien

überwinden und zum Nachdenken zurück-

kehren sollten.

In unser neues Nachdenken müssen

auch die aus dem Studium der Geschichte

gewonnenen Erfahrungen einfließen.

Von Prof. Stolte wurde bereits die Modell-

stadt Masdar in Abu Dhabi erwähnt. Dort

wird nicht nur versucht, eine hypermoderne,

mustergültige neue Stadt ohne CO2-Emis-

sionen zu bauen. Es wird auch versucht,

uralte arabische Methoden der natürlichen

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Stadt München und den Münchner Vereinen

FC Bayern und TSV 1860 ein auf ein Drei-

vierteljahr angesetztes Verfahren entwickelt

und dabei 28 Standorte untersucht. Am

Ende blieben zunächst zwei Standorte übrig

und wir erreichten einen fast einstimmigen

Beschluss des Stadtrates für Freimann, wo

das Stadion dann auch gebaut wurde. Wir

haben der Stadt München geraten, nicht zu

warten, bis kritische Bürgerinitiativen –

die es bei jedem Großvorhaben gibt – einen

Bürgerentscheid fordern, sondern selber eine

Abstimmung durchzuführen. Dazu gehörte

selbstverständlich auch eine Art Wahlkampf,

an dessen Organisation wir beteiligt waren.

Zum allgemeinen Erstaunen waren dabei

über 65 Prozent aller abgegebenen Stimmen

für den Standort – bei einer Rekord-Wahl-

beteiligung von fast 40 Prozent. Damit war

die Diskussion beendet.

Wie dieses Beispiel zeigt, muss der Bau

eines Stadions – und dabei geht es ja nicht

allein um die Arena, sondern auch um neue

Autobahn- und U-Bahn-Anschlüsse, die

Verlegung von Industriearealen und vieles

andere mehr – nach allen demokratischen

Regeln der administrativen Kunst gesteuert

werden, um alle Verfahrens-Hürden zu

nehmen. Und das ist uns bei der Allianz

Arena innerhalb von nur zwei Jahren gelun-

gen – unter Einhaltung sämtlicher juristischer

und gesellschaftlicher Regeln. Nach gerade

einmal vier Jahren Bauzeit war das Stadion

fertig. Warum ist das gelungen? Weil Deutsch-

land im Jahr darauf die Fußball-Weltmeister-

schaft ausgerichtet hat. Dies beweist,

dass es sehr wohl möglich ist, ein derart

großes Projekt unter Einbeziehung aller

relevanten Gruppen in so kurzer Zeit zu rea-

lisieren. An den notwendigen Fähigkeiten

dafür fehlt es nicht. Wir setzen sie nur meist

nicht ein.

In diesem Zusammenhang hört man –

auch von Politikern – immer wieder, dass

die Bürger daran schuld seien, dass Pro-

jekte lange verschleppt werden. Ich bin da

vollkommen anderer Meinung: Schuld

sind unsere komplexen, die Bevölkerung

nur minimal einbeziehenden Beteiligungs-

verfahren. Man müsste sie ganz anders

aufziehen. Bürgerentscheide aber – das

vorweg – sind dabei alleine auch nicht aus-

reichend, obwohl uns das einige gesell-

schaftliche Kräfte glauben machen wollen.

Stadtentwicklung ist in der Regel zu kom-

plex, um auf eine Ja/Nein-Entscheidung

reduziert zu werden.

Bei unserem Masterplan für Köln haben

wir das Prinzip der Partizipation beispiel-

haft und sehr ernsthaft angewendet. Bei der

Planung für die gesamte Innenstadt wurden

sämtliche relevanten gesellschaftlichen

Gruppen über ein Jahr in den Arbeitsprozess

eingebunden. Am Ende hatten wir einen

stabilen Konsens für unsere Vision zur

„Kölner Innenstadt“ für die nächsten 20 bis

30 Jahre erreicht, die nun allmählich umge-

setzt wird. Die Länge unserer Genehmigungs-

verfahren liegt also nicht an der Beteili-

gung der Bürger, sondern an der mangelnden

Effizienz unserer Verwaltungen und politi-

schen Strukturen begründet. Wenn die

Verfahren von Anfang an besser organisiert

und strukturiert werden, funktioniert

es auch.

Ein weiteres positives Beispiel ist die

Allianz Arena in München. Der Bau eines

neuen Fußballstadions für München war

zunächst heiß umstritten. Der Oberbürger-

meister und die Stadtverwaltung waren

überzeugt, außer dem Olympiastadion gäbe

es überhaupt keinen geeigneten Standort.

Wir haben dann für die Suche nach alter-

nativen Möglichkeiten gemeinsam mit der

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3 1V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N

Unsere Demokratie ist im Vergleich mit

dem chinesischen System sicherlich sehr

langsam. Wenn wir unseren bisherigen

Umgang mit der Atomkraft jetzt im gesell-

schaftlichen Konsens korrigieren, ist

unser System sogar ein – ich sage das mit

aller Vorsicht – fehlerfreundliches System.

Zumindest wird demokratisch entschie-

den, in welche Richtung es gehen soll.

Zurück zu Freiburg. Die Stadt hat

220.000 Einwohner. Shanghai hingegen

hat so viele Einwohner wie ganz Nord-

rhein-Westfalen. Es drängt sich die Frage

auf, was die beiden Städte eigentlich

miteinander gemein haben. Kann man sie

überhaupt miteinander vergleichen?

Dennoch gibt es etwas, das alle Städte

der Welt gemeinsam haben: den hohen

CO2-Ausstoß. Zusammen produzieren

sie 80 Prozent aller CO2-Emissionen.

Will man für dieses Problem eine Lösung

finden, dann muss sie aus den Städten

kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, dass ich Ihnen heute eini-

ges über die Stadt Freiburg erzählen und dies

dann in den Kontext des Tagungsthemas

stellen kann. Vor einigen Wochen habe ich

Herrn Dr. Spandau gefragt, worüber ich

denn in Benediktbeuern referieren solle.

Dr. Spandau meinte daraufhin, ich solle ein-

fach erzählen, wie ich mir das Freiburg der

Zukunft vorstelle.

Und jetzt spricht Dr. Spandau hier von

Megacities in Asien und Afrika, von globalen

Entwicklungen im Städtebau. Was hat das

alles mit dem kleinen Freiburg zu tun?

Prof. Speer habe ich im letzten Herbst in

Shanghai getroffen, wo wir mit chinesischen

Städteplanern über deren Vorstellung von

den Städten der Zukunft diskutieren durften.

Der Unterschied zwischen China und

Freiburg – oder Deutschland – ist groß.

Dort gibt es vielleicht auch Wutbürger,

aber diese dürfen sich nicht artikulieren.

Dort gibt es keine Zivilgesellschaft.

Bürgerbeteiligung sieht dort – überspitzt

formuliert – folgendermaßen aus: Morgens

klopft jemand an die Tür und teilt mit,

dass man bis zum Abend ausziehen muss,

weil ein neues Stadtviertel errichtet

wird.

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Vortrag von Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt

Freiburg im Breisgau.

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3 2

Nicht nur unsere Staatsform, die Demo-

kratie – ich erinnere an die griechische Polis

der Antike – hat sich in Städten entwickelt.

Später, im Mittelalter, waren vor allem die

weitgehend unabhängigen Städte fortschritt-

lich und wohlhabend. Sie kennen den

Spruch: Stadtluft macht frei – und zwar

innerhalb der Stadtmauern und nicht außer-

halb. Oder denken Sie an die oberitalieni-

schen Städte der Renaissance und an die

der Hanse im Norden, die von Landesherren

unabhängig Handel trieben. Schon früher

waren Probleme, die in Städten entstanden,

immer nur durch Anstrengungen der Städte

selbst lösbar.

Städte sind sehr unterschiedlich. Auch

wenn bei Ihren Einführungsworten, lieber

Herr Dr. Spandau, ein leicht ironischer

Unterton nicht zu überhören war: Freiburg

ist nicht das kleine gallische Dorf. Dass

bei der letzten Landtagswahl 43 Prozent

Grün gewählt haben, heißt ja nicht, dass die

Stadt deshalb anders ist als andere. Wir sind

eine kleine Großstadt. Wir stehen an der

34. Stelle der Liste der größten Städte

Deutschlands. Als ich 2002 gewählt wurde,

standen wir an der 40. Stelle. Wir sind also

gewachsen, während andere geschrumpft

sind. In Westeuropa stehen wir grundsätz-

lich vor dem Problem, dass die meisten

Städte schrumpfen. Im Rest der Welt hin-

gegen wachsen sie.

Die Bevölkerung Europas schrumpft.

Die europäischen Städte werden also nicht

maßlos wachsen. Die Städte werden wohl

auch in der Zukunft ähnlich aussehen

wie heute. Aber sie müssen sich verändern.

Wir müssen innerhalb des Bestehenden

umbauen. Um dies bewerkstelligen zu

können, brauchen wir Visionen.

Ich hatte die Gelegenheit, beim Klima-

Gipfel in Kopenhagen dabeizusein, denn

im Rahmen der Veranstaltung gab es

auch ein Treffen von Bürgermeistern. Auf

einer Podiumsveranstaltung habe ich Arnold

Schwarzenegger erlebt, den ehemaligen

Gouverneur von Kalifornien. Er sagte –

noch bevor der Gipfel gescheitert war –,

er könne sich nicht vorstellen, dass sich

194 Nationen auf einen gemeinsamen Plan

würden einigen können. Darauf könne

man lange warten. Aber auch wenn es nicht

ginge, müsse man es zumindest versuchen.

Dazu müsse man allerdings von unten

beginnen, in den Städten, in den Regionen.

Darauf gab es heftigen Beifall – kein Wunder,

schließlich saßen viele Bürgermeister im

Publikum.

Ich bin in verschiedenen Gremien tätig,

darunter auch in weltweiten Städtenetzen

für Nachhaltigkeit. Unter anderem bin

ich im Vorstand von ICLEI (International

Council for Local Environmental Initiatives),

dem Internationalen Rat für kommunale

Umweltinitiativen. Wir alle haben schon in

der Schule die Regel gelernt: Du darfst nicht

abschreiben. Wer es dennoch tut, wird

bestraft. Bei der Stadtentwicklung gilt sie

nicht. Hier darf man sich hemmungslos bei

dem bedienen, was andere besser machen

als man selbst. Man muss nur darauf achten,

dass das, was andere vorgedacht und viel-

leicht sogar schon umgesetzt haben, auch

auf die eigenen Probleme übertragbar ist. Das

ist der Wettbewerb um die besten Lösungen.

Deshalb müssen die Lösungen aus den

Städten heraus kommen – auch wenn sie

im einzelnen sehr unterschiedlich sein

können. Städte waren immer schon Keim-

zellen für Fortschritt und Umgestaltung.

V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N

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3 5V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N

Verwaltungsbereiche Energie, Verkehr,

Bauen und Soziales zusammenführt.

Wie in vielen anderen Städten ist auch in

Freiburg eine Tendenz zur Reurbanisierung

zu beobachten. Immer mehr Menschen,

die in den 60er und 70er Jahren in die

Vororte – in die sogenannten Speckgürtel –

gezogen sind, kehren im fortgeschrittenen

Alter in die Innenstädte zurück, also

dorthin, wo es eine urbane Infrastruktur

mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Theatern,

Kinos, Ärzten, Krankenhäusern, Volkshoch-

schulen usw. gibt.

Freiburg ist eine Stadt, die in den letzten

Jahren ständig gewachsen ist. Zuerst hat sich

der Osten der Bundesrepublik stark entvöl-

kert, dann teilweise der Norden. Aber auch

wir im Süden und Südwesten werden nur

noch wenige Jahre wachsen. Der demogra-

phische Wandel wird für uns die nächste

Herausforderung sein. Wie werden Lösungen

finden müssen für die Probleme, die sich

daraus ergeben, dass die Menschen immer

älter und der Anteil der Alten an der Bevöl-

kerung immer größer wird. Zugleich werden

wir einen Umbau unserer Städte bewerk-

stelligen müssen.

Freiburg ist – auch wenn es 2010 von

der Deutschen Umwelthilfe zur „Bundes-

hauptstadt des Klimaschutzes“ gewählt

wurde – kein Öko-Disneyland. Vielleicht

sind wir durch unsere ökologische Ausrich-

tung in einer etwas besseren Lage als

andere Städte, aber auch wir befinden uns

in einem Umgestaltungsprozess, der noch

viele Jahre in Anspruch nehmen wird.

Wir haben den großen Vorteil – und das

mag mit den 43 Prozent für die Grünen

zusammenhängen –, dass unserer Bürger

bereit sind, diesen Wandel mitzugehen.

Was aber ist eine Vision? Helmut Schmidt

hat einmal gesagt: Wer Visionen hat, soll

zum Arzt gehen. Das würde ich so nicht

unterschreiben. Gewiss, viele Ideen haben

mit der Wirklichkeit nichts zu tun und

lassen sich auch nicht verwirklichen. Aber

es gibt nicht nur negative, sondern auch

positive Visionen.

Alexander Mitscherlich, der große Frank-

furter Soziologe, hat in den 60er Jahren des

vorigen Jahrhunderts ein Buch geschrieben

über „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“.

Darin ging er davon aus, dass die Architektur

die Menschen prägt, und dass die Städte die

Menschen krank machen – eine Horrorvision.

Dem stelle ich eine positive Vision gegen-

über wie die von Prof. Speer, die auch jeder

Oberbürgermeister haben sollte, der seine

Stadt voranbringen möchte. Sie geht aus von

der Erkenntnis, dass es der Mensch selbst

ist, der die Städte gestaltet und prägt.

Ausgangspunkt kann also nicht die Architek-

tur sein. Sie darf nicht zum Selbstzweck

werden, sondern muss dem Ziel dienen, den

Menschen ein Stadtleben – Wohnen, Arbeiten,

Einkaufen und Freizeitgestaltung – zu ermög-

lichen, das sie eben nicht krank macht.

Eine – wenn nicht die – Hauptforderung

für die Entwicklung aller Städte heißt: Sie

müssen nachhaltig werden. Während der

letzten drei Tage fand in Stuttgart die Haupt-

versammlung des Deutschen Städtetages

statt, in deren Rahmen ich ein Forum mit

dem Titel „Die Zukunft der Stadt ist nach-

haltig“ leiten durfte.

Dabei ging es um das Thema integrierte

Stadtentwicklung, also darum, dass es allein

schon aus Gründen des Klimaschutzes einer

Politik bedarf, welche die unterschiedlichen

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3 6

ohne ständig in die Fläche zu wachsen.

Darüber wurde mit großer Bürgerbeteiligung

diskutiert. Als ich ins Amt kam, wurde eine

Arbeitsgruppe gebildet, die diese Diskussion

so lange moderiert hat, bis von 200 hoch-

umstrittenen Flächen nur noch drei oder vier

strittig waren. Alle anderen wurden ein-

stimmig akzeptiert. Seither gibt es über diesen

Flächennutzungsplan keinen Streit mehr,

denn alle Beteiligten haben von Anfang an

mitgesprochen.

Ein solches Vorgehen ist also möglich,

aber es ist sehr aufwendig. Andererseits ist

es ein gangbarer Weg, um aus Wutbürgern

Mutbürger zu machen.

Man muss den Bürgern die Möglichkeit

geben, Dinge in die eigene Hand zu nehmen,

wobei die Verwaltung diesen Prozess

natürlich steuern muss. Christian Ude, der

alte und neue Präsident des Deutschen

Städtetages, hat gesagt: Man muss die Bürger

ernst nehmen und ihnen Gelegenheit geben,

sich zu äußern und sich einzubringen.

Aber man darf auch in unserer repräsenta-

tiven Demokratie das Kind nicht mit dem

Bade ausschütten und den demokratisch

gewählten ehrenamtlichen Gemeinderäten,

die sich jahrelang intensiv mit bestimmten

Problembereichen beschäftigt haben, die

Verantwortung nehmen.

Man muss ihnen sagen: Ihr müsst am

Ende den Bürgern gegenüber verantworten,

was Ihr beschließt. Dafür seid Ihr gewählt

und dafür müsst Ihr geradestehen.

Vor 20 Jahren, auf der ersten Umwelt-

konferenz in Rio, wurden die Themen

Klimaschutz und Nachhaltigkeit entdeckt.

Der Begriff Nachhaltigkeit – englisch:

In einer demokratischen Gesellschaft ist

Bürgerbeteiligung schließlich Voraussetzung

für gesellschaftlichen Wandel. Unser Image

als „Green City“ und die jährlich 25.000

Besucher aus aller Welt, welche die beiden

neuen, integriert gebauten Stadtteile besich-

tigen, bestätigen uns jedenfalls in unserer

Politik.

In den 60er Jahren herrschte in Freiburg

Wohnungsnot. In der Folge wurden neue

Stadtviertel aus Hochhäusern auf die grüne

Wiese gebaut – ohne jegliche Infrastruktur,

Verkehrsanbindung oder öffentlichen

Nahverkehr. Es gab keine Kindergärten,

keine Schulen, keine Kirchen, keine Ein-

kaufsmöglichkeiten. Da durften wir uns

nicht wundern, dass wir zehn Jahre später

die größten sozialen Probleme hatten.

30 bis 40 Jahre danach haben wir ver-

sucht, es besser zu machen, indem wir von

Anfang an die Infrastruktur mit aufgebaut

haben.

Was das Thema Bürgerbeteiligung und

Stadtteilentwicklungsplan angeht, so wer-

den wir uns, Herr Prof. Speer, demnächst

den Masterplan von Köln ansehen. Dazu

wird unser Baubürgermeister mit dem

Bauausschuss nach Köln fahren. Verwal-

tungsfachleute aus verschiedenen Ämtern

werden in Workshops gemeinsam mit

der Bürgerschaft diskutieren, wie sich der

betreffende Stadtteil in den nächsten

10 bis 15 Jahren entwickeln soll. Bürger-

beteiligung bedeutet, die Menschen

mitzunehmen. Die zentrale Frage unseres

Flächennutzungsplans als Drehbuch für

die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte ist,

wie wir unsere Stadt entwickeln können,

V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N

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weltwirtschaft, sah sich irgendwann

zu dem Einwurf veranlasst: „Ich muss hier

festhalten: Freiburg ist nicht Deutschland.“

Worauf ich erwidert habe: „Sie haben völlig

recht, Frau Müller. Aber ich würde auch

nie behaupten, dass am Freiburger Wesen die

Welt genesen soll.“

Es kommt nicht auf Freiburg an. Son-

dern es kommt darauf an, dass wir uns

alle gemeinsam über die Zukunft der

Städte unterhalten müssen, denn wir haben

Probleme zu lösen, die allen gemeinsam

sind. So unterschiedlich die Städte und so

verschieden die Wege zu ihrer Lösung daher

auch sein mögen: Am Ende werden die

Lösungen wohl doch ganz ähnlich aussehen

müssen.

sustainability – stammt ursprünglich aus

der Forstwirtschaft. Er besagt, dass man im

Prinzip nicht mehr verbrauchen darf als

nachwächst. Jede Generation sollte so

handeln, dass ihre Kinder und Enkel über

ihre Lebensbedingungen selbst entscheiden

können. Ein solches Verhalten hat nicht

nur eine große ökologische, sondern auch

eine ökonomische, finanzpolitische und

soziale Komponente. Auch Städte funktionie-

ren nur, wenn der soziale Zusammenhalt

gewährleistet ist. Wenn eine Stadt sozial

auseinander bricht oder in sogenannte

„gated communities“ – eine Art Gettos der

Reichen – zerfällt, wie es in vielen Städten

Südamerikas der Fall ist, dann funktioniert

sie nicht.

Das soziale Miteinander in westeuro-

päischen Städten kann ich mir nur mit den

„drei T“ vorstellen, den drei Schlüsselbe-

griffen Technologie, Talent and Toleranz, die

dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaft-

ler und Stadtsoziologen Richard Florida

zufolge die Zukunftschancen eines jeden

städtischen Gemeinwesens kennzeichnen.

„Technologie“ steht dabei für die für zukunfts-

trächtige Berufe zur Verfügung stehende

Technik, „Talent“ für eine möglichst große

Zahl kreativer Menschen, und „Toleranz“ für

ein hohes Maß an ethnischer, kultureller und

sozialer Vielfalt und einer offenen und freien

Atmosphäre.

Vorige Woche war ich zu einer Sitzung

der von Klaus Töpfer geleiteten Ethik-

kommission eingeladen. Bei dieser Gelegen-

heit habe ich von Freiburg und Südbaden

erzählt und von den Menschen, die dort

manchmal etwas anders denken als anders-

wo. Hildegard Müller, die Vorsitzende des

Bundesverbandes der Energie- und Um-

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DI E BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E

DE R ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NG 2011

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„DI E STADT VON MORG E N WI R D

DU RCH DE N G E BAUT, DE R S I E N E U

ZU DE N KE N WAGT.“

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DI E BE N E DI KTBE U R E R G E S P R ÄCH E

DE R ALL IANZ U MWE LTSTI F TU NG 2011

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„DI E STADT VON MORG E N WI R D

DU RCH DE N G E BAUT, DE R S I E N E U

ZU DE N KE N WAGT.“

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4 3

Ich hatte das Welzersche Theorem ent-

deckt: Das Gute schrumpft proportional zur

Ausdehnung der Arbeitszeit. Eine Katastrophe:

Jeder dieser Leute arbeitet jetzt nicht mehr

acht Stunden am Falschen, sondern 16 Stun-

den oder noch mehr. Nicht mehr fünf Tage

die Woche, sondern sieben. Diese Kostüm-

frauen und Laptopmänner, die Sparpotentiale

aufspüren, Optimierungsstrategien entwickeln,

Kommunikation verbessern, haben dafür

die doppelte Zeit zur Verfügung! Und die,

die für die Bearbeitung der dabei entstehen-

den Kollateralkatastrophen zuständig sind,

auch! Da die Menge derjenigen, die mit aller

Anstrengung immer alles in die falsche

Richtung optimieren, ohnehin um ein viel-

faches größer ist als die derjenigen, die gern

zwischendurch mal innehalten, um nach-

zudenken, wird der Überhang an Zeit, die

für Unsinn aufgewendet wird, immer größer,

während der Sinn immer kleiner wird:

man denkt ja nicht mehr, wenn man länger

denkt. Dies hängt zusammen mit dem Pro-

blem des Nicht-Innehaltenkönnens.

Meine verehrten Damen und Herren,

ich kann unmittelbar anknüpfen an das,

was Herr Dr. Salomon und Herr Prof. Speer

gesagt haben. Herr Prof. Speer sprach von

der Problematik der Schnelligkeit. Dazu eine

kleine Anekdote, an der mir diese besonders

deutlich geworden ist:

Bei einem Flug von München nach Düs-

seldorf stieg ich spätabends ins Flugzeug, zu

einer Zeit, zu der man normalerweise ein

Buch liest oder Fernsehnachrichten schaut.

Die Kabine war wie üblich voll mit Laptop-

männern, und die klappten, sobald die

Anschnallzeichen erloschen waren, eben ihre

Bildschirme hoch und fingen an, Excel-

Tabellen auszufüllen, E-Mails zu beantworten,

Angebote zu schreiben, Berechnungen vor-

zunehmen, Vermerke zu verfassen, Formulare

zu entwerfen, also alles das zu tun, was

sie auch dann machen, wenn sie woanders

sind als im Flugzeug: im Büro, in Warte-

lounges, in Cafes, in Meetings und so weiter.

Dieselbe Sorte Leute hat früher ohne Laptops,

Smart Phones, Meetings usw. bis 17 oder

18 Uhr in ihren hässlichen Büros gesessen und

dann Feierabend gemacht. Damals, so wurde

mir mit einem Mal klar, hatten sie einfach

viel weniger Zeit, die falschen Dinge zu tun.

V o r T r A G P r o F . D r . H A r A L D W E L Z E r

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Vortrag von Prof. Dr. Harald Welzer, Direktor des Center for

Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen

Institut Essen und Professor für Sozialpsychologie an der

Universität St. Gallen.

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Weder bei den Informationen, die wir

über die Medien bekommen, noch bei unserer

eigenen Beschäftigung mit Zukunftsproblemen

gibt es noch einen Moment der Reflexion.

Wir werden ständig mit Informationen über-

flutet, ohne dass wir uns die Gelegenheit

gäben, sie zu verarbeiten.

Damit kommen wir zum Kern der Pro-

blematik, die sich – zumindest aus meiner

Sicht – aus der Entwicklung der Städte und

– sogar noch weiter gefasst – der modernen

Gesellschaften insgesamt ergibt. Beides

ist ja eng miteinander verknüpft. Fukushima

zeigt uns – abgesehen von den erwähnten

die Medien betreffenden Aspekten – noch

etwas, was mich sehr nachdenklich gemacht

hat. Diese Katastrophe hat sich in der dritt-

größten Wirtschaftsmacht der Erde ereignet,

in einem Land, das kaum über eigene

Bodenschätze verfügt. Das zeigt uns, dass

wir ein System entwickelt haben, in dem es

möglich ist, zur drittgrößten Wirtschafts-

macht aufzusteigen, ohne die dafür notwen-

digen natürlichen Ressourcen zu besitzen.

In Fukushima wurde der Traum der Moderne

zerstört, der Traum, dass sich die Menschen

vollständig von der Natur und ihren Ressour-

cen unabhängig machen können.

Man hat gesehen, dass die Emanzipation

von den natürlichen Gegebenheiten nicht

gelingt. Auch Menschen sind biologische

Wesen und befinden sich als solche in

ständigen Austauschprozessen mit der sie

umgebenden Natur. Unser gesamtes Wirt-

schafts-, Gesellschafts- und Lebensmodell

trägt dem immer weniger Rechnung und

stößt daher zunehmend an Grenzen.

Das gilt nicht nur für das Thema Energie,

sondern auch für alle anderen Ressourcen

In unserer Kultur der Dauerkommunika-

tion und des Dauerarbeitens gibt es keine

Momente der Reflexion. Es merkt doch jeder

an sich selbst, wie sich die eigene Arbeits-

weise verändert. Ich ertappe mich manchmal

dabei, dass ich telefoniere und parallel dazu

E-Mails lese. Ein fürchterliches soziales

Verhalten, absolut unkonzentriert, aber es

ist das, was diese Technologien und Schnitt-

stellen zwischen Mensch und Maschine bei

uns bewirken. Hier beginnt einiges aus

dem Ruder zu laufen.

Wenn man über Lösungen von Problemen

nachdenkt, vor denen die Städte stehen, ist

ein Moment des Innehaltens absolut not-

wendig, um erkennen zu können, dass man

für viele Probleme noch überhaupt keine

Lösung hat. Wir reagieren gleichsam wie die

Pawlowschen Hunde: Wir sehen ein Problem

und meinen, sofort eine Lösung finden zu

müssen – ohne zuvor auch nur vernünftig

nachgedacht und das Problem verstanden

zu haben.

Noch ein bedrückender Aspekt des Pro-

blems der Schnelligkeit: Fukushima ist die

größte technische Katastrophe, die es je

gegeben hat. Wir wissen nicht, welche

Prozesse dort momentan ablaufen und wie

es weitergehen wird. In einem modernen

Hochtechnologieland passiert eine derartige

Katastrophe – und die mediale wie die

persönliche Aufmerksamkeit hält gerade

mal eine Woche an! Bereits nach einer

Woche rangierten die Nachrichten darüber

an dritter oder vierter Stelle. Nach nur einer

Woche erlahmt unser Interesse an diesem

Thema! Journalisten sagen dazu, sie können

die Spannung nicht aufrechterhalten.

V o r T r A G P r o F . D r . H A r A L D W E L Z E r

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globalen Maßstab funktionieren. Damit

aber stößt es an seine Grenzen, denn

wir können die Ressourcen, die wir brau-

chen, um die Zivilisationsmaschine am

Laufen zu halten, nicht von außen, zum

Beispiel aus dem Weltraum beziehen.

Wenn wir glauben, so weitermachen zu

können wie bisher, irren wir. Wenn

wir trotzdem so weitermachen, kann

das nicht gutgehen.

Der Konstanzer Literaturwissenschaftler

Albrecht Koschorke hat dazu einmal in

einem Aufsatz in der Süddeutschen Zeitung

gesagt, dass sich mit fortschreitender

Globalisierung und sich beschleunigender

Ressourcenübernutzung der Raubbau vom

Raum in die Zeit verlagert: da wir nicht

mehr wie zu Zeiten des Kolonialismus alles,

was wir für den Betrieb unserer Zivilisations-

maschine brauchen, „von außen“ holen

können – denn die globalisierte Welt hat

kein Außen – beuten wir die Zukunft

derjenigen aus, die nach uns kommen. Hans

Joachim Schellnhuber hat das in einem

Spiegel-Interview ganz ähnlich formuliert:

„Wir plündern zugleich die Vergangenheit

und die Zukunft für den Überfluss der Gegen-

wart – das ist die Diktatur des Jetzt.“

Unsere Gesellschaften entwickeln

sich noch immer in die falsche Richtung.

Sie sind nicht zukunftsfähig. Wir müssen

daher zuerst einmal innehalten und

darüber nachdenken, wie wir überhaupt

zukunftsfähig werden könnten. Dafür aber

brauchen wir freie Denkräume. Derzeit

haben wir nur einen Plan A, aber keinen

Plan B.

wie Böden oder Wasser. Dabei nimmt

der Ressourcenverbrauch ständig weiter zu

mit der Folge, dass wir Jahr für Jahr mehr

Müll und Treibhausgase produzieren.

Der sogenannte „Earth Overshoot Day“ –

der Tag, an dem die Menschheit die ihr bei

nachhaltigem Wirtschaften für ein Jahr

rechnerisch zu Verfügung stehenden Res-

sourcen aufgebraucht hat – liegt jedes Jahr

früher. Noch in den 70er Jahren lag dieser

Tag im Dezember, im Jahr 2010 war es

bereits der 21. August. Wir haben also in nur

acht Monaten das uns im Weltmaßstab zur

Verfügung stehende ökologische Budget

ausgeschöpft. Das bedeutet nichts anderes,

als dass wir im Rest des Jahres die Ressourcen

der nach uns kommenden Generationen

verbrauchen.

Unsere Gesellschafts- und Wirtschafts-

form ist – was Wohlstand, Sicherheit, Bil-

dung, Gesundheit, Lebenserwartung usw.

angeht – die erfolgreichste, die es je gegeben

hat. Sie funktioniert aber nur, wenn die

ihr zugrunde liegende Zivilisationsmaschine

ständig von außen mit natürlichen Ressourcen

als Treibstoff versorgt wird. Wir treiben

diese Zivilisationsmaschine also an, indem

wir unseren gesamten Planeten als Ressource

für unsere zivilisatorischen Errungenschaften

benutzen.

Nun gibt es aber seit einiger Zeit etwas,

was man als Globalisierung bezeichnet.

Genau genommen ist damit die Übernahme

unseres ressourcenübernutzenden Lebens-

und Wirtschaftsmodells durch die ganze Welt

gemeint. Dieses Modell, das, solange es

auf einen kleinen Teil der Welt beschränkt

blieb, erfolgreich war, soll nun also im

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Das merkt man an vielen Dingen, etwa

an dem Aufschrei, der durchs Land ging,

als Winfried Kretschmann sagte, dass

wir in Zukunft weniger und nicht mehr

Autos brauchen.

Natürlich steht es völlig außer Frage,

dass wir weniger Autos, weniger Individual-

verkehr brauchen. Die Umweltkosten dieser

Form von Mobilität sind einfach zu hoch.

Nach dem Schema von Plan A fragt man

sofort, was dann mit den Arbeitsplätzen ist.

Die gehen verloren, wie in allen Industrien,

die den Übergang in ein neues Zeitalter

verpasst haben und unzeitig geworden sind.

Solcher segmentärer Niedergang zieht sich

durch die ganze Geschichte der Industriali-

sierung. Trotzdem darf man so etwas

anscheinend nicht sagen, ebensowenig, dass

man kein Wachstum braucht. Sagt man es

trotzdem, zucken alle zusammen, obwohl es

stimmt. Oder eher: weil es stimmt?

Es gibt keinen Plan B, noch weniger einen

Plan C. Wir haben keine Lösungen für die uns

auf den Nägeln brennenden Probleme, keine

Alternativen für unser Wirtschafts- und

Sozialmodell, also machen wir in der falschen

Richtung weiter. Wir investieren unheimlich

viel Energie in Gestalt unserer geistigen

und materiellen Ressourcen in die Verbesse-

rung von Plan A, obwohl wir eigentlich

einen Plan B brauchen.

Gewiss stellen Sie sich die Frage, warum

ausgerechnet ich, der ich weder Architekt

bin noch etwas mit Städteplanung zu

tun habe, etwas über die Zukunft der Städte

sagen soll. Lassen Sie mich daher versuchen,

anhand von ein paar Beispielen deutlich

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gehören auch Vorstellungen von Schnel-

ligkeit, Geschwindigkeit, Mobilität oder der

Nutzung von Energie. Wir haben sie auf

eine Weise verinnerlicht, dass wir uns bei-

spielsweise fast nicht mehr vorstellen

können, dass in einer Stadt keine Autos

fahren. Alle denken, es sei normal, dass alles

mit solch merkwürdigen Blechobjekten

zugeparkt ist und die gesamte Verkehrsinfra-

struktur darauf auslegt ist, sie herumfahren

zu lassen.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Sobald

unsere Kinder die Fähigkeit zur Selbststeue-

rung erlangt haben, bringen wir ihnen aus

gutem Grund bei, nicht einfach auf die Straße

zu laufen, und denken, das sei normal. Das

ist es aber nicht: Noch bis vor wenigen

Jahrzehnten war die Gefahr, überfahren zu

werden, viel geringer. Bis in die 1960er

Jahre hinein gab es in Deutschland Straßen-

kindheiten. Die Kinder aus der Nachbar-

schaft trafen sich unverabredet auf der

Straße, heute ganz undenkbar, da werden

sie nach Spiel- und Sport-Terminplan durch

die Gegend geshuttelt. Auch daran zeigt

sich, wie stark wir von unseren äußeren

Lebensumständen geprägt sind und unsere

Erfahrungen durch Erziehungsprozesse

an unsere Kinder weitergeben im Glauben,

das sei normal. Das ist es aber nicht und

es wird auch in 10 bis 20 Jahren nicht mehr

normal sein, weil der Druck auf Gesell-

schaften wie der unseren, sich radikal zu

verändern, immer größer wird.

Damit stellt sich die Frage, wie wir uns

aus den mentalen Infrastrukturen befreien

können, in denen wir gefangen sind. Das

wird allerdings nicht durch Reden möglich

sein, sondern nur durch Handeln, also durch

eine Veränderung unserer Lebenspraxis.

zu machen, welche unge planten und

dennoch zukunftsfähigen Veränderungs-

prozesse sich schon heute in den Städten

beobachten lassen.

Ich bin Wissenschaftler und habe als solcher

in den letzten Jahren die bedrückende Fest-

stellung machen müssen, dass wir keinen

Mangel an Informationen haben. Es fehlt uns

auch nicht an Wissen, um erkennen zu

können, dass unsere Gesellschaften gegen-

wärtig nicht zukunftsfähig sind, und darüber

nachzudenken, wie sie wieder zukunfts-

fähig werden könnten. Probleme wie Res-

sourcenübernutzung, Umweltverschmutzung

oder der Klimawandel sind nicht neu,

sondern zum Teil seit über vier Jahrzehnten

bekannt. Auch hat man in dieser Zeit – in

manchen Bereichen sogar sehr erfolgreich –

Aufklärung betrieben. Und trotzdem läuft

der Prozess der Ressourcenverschwendung

seit 40 Jahren unvermindert weiter. Was

wir haben, ist also kein Informations- oder

Aufklärungs-, sondern ein extremes Praxis-

problem. Wir haben ein Riesenproblem

damit, von Plan A zu Plan B zu wechseln.

Das ist kein abstraktes, rein theoretisches

Problem, sondern eines der kulturellen Pra-

xis und der Lebensstile.

Heute war schon viel von Infrastrukturen

die Rede. Gewöhnlich denkt man dabei an

Materielles wie Straßen und Versorgungs-

einrichtungen oder an öffentliche Institutionen

wie Ämter und Schulen. Es gibt aber auch

mentale Infrastrukturen. Die äußeren

Verhältnisse, in denen wir leben, übersetzen

sich in unseren Köpfen in Binnenverhältnisse.

Menschen sind Wesen, bei denen sich die

kulturellen und zivilisatorischen Strukturen,

in denen sie leben, in die Verschaltungarchi-

tektur des Gehirns übertragen. Hierzu

V o r T r A G P r o F . D r . H A r A L D W E L Z E r

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in diesen Nachbarschaftsgärten kommen

Menschen zusammen, die ihre eigene Lebens-

welt aktiv verändern und den städtischen

Raum für sich selbst nutzen. Sie schaffen

Realitäten, die hinsichtlich künftiger

Stadtentwicklung geradezu vorbildhaften

Charakter haben dürften. Die Nutzung von

Grünflächen in der Stadt wird in Zukunft

immer wichtiger werden.

Geht es dabei momentan noch immer

lediglich um reine Freizeitnutzung, wird es

in Zukunft darum gehen, urbane Flächen

auch landwirtschaftlich zu nutzen. Diese von

unten kommenden Prozesse eröffnen der

Entwicklung ganz neue Möglichkeiten.

Nun das dritte Beispiel: In Berlin wird

im Sommer ein Festival stattfinden mit dem

schönen Namen ÜBER LEBENSKUNST. Die

Idee war, eine Veranstaltung zu veränderten

Lebensstilen und kulturellen Praktiken

vor dem Hintergrund der Zukunftsprobleme

zu organisieren. Man wollte von dem üblichen

negativen Ansatz wegkommen und stattdes-

sen über Lebenskunst nachdenken, also über

Möglichkeiten neuer Lebensstile im Sinne

eines Planes B.

Bei derartigen Großveranstaltungen

müssen die Teilnehmer natürlich auch mit

Getränken und Nahrungsmitteln versorgt

werden. Üblicherweise werden diese

von weither herangeschafft. Die Organisa-

toren haben sich jedoch gefragt, ob das

wirklich notwendig ist, und haben für das

Catering ein tolles Konzept entwickelt. In

Berlin, dachten sie, gibt es doch 70.000

Schrebergärten. Könnte man die Kleingärtner

nicht gewinnen, ausreichende Mengen

ihrer Produkte wie Obst und Gemüse, aber

auch Säfte und Eingemachtes an die Vor-

ratskammer des Festivals zu liefern?

Selbst in unserer Gesellschaft gibt es

bereits heute sowohl im kommunalen wie

im privaten Bereich Menschen, die ihr

Verhalten plötzlich ändern. In Bezug auf

Städte gibt es dafür drei Beispiele, die mich

persönlich stark beeindruckten:

Als ich bei meinem letzten Aufenthalt in

New York meinen obligaten Spaziergang den

Broadway hinunter zum Union Square

machte, stellte ich zu meiner Überraschung

fest, dass der Broadway zur Fußgänger-

zone geworden war. Die Hauptverkehrsader

dieser Megacity ist jetzt eine Fußgängerzone!

Man hatte es ganz einfach, mit äußerst

geringem Planungsaufwand gemacht. Doch

die wirtschaftliche und verkehrstechnische

Infrastruktur hat sich damit vollkommen

verändert. An jeder Ecke gab es plötzlich einen

Fahrradverleih. Wie dieses Beispiel zeigt,

kann man selbst eine vorhandene Struktur

anders nutzen und trotzdem die Lebenswelt

der Anwohner grundlegend verändern.

Man fragt sich, warum man das nicht auch

anderswo macht.

Ein anderes Beispiel ist die von unten

kommende Bewegung des „Urban Garde-

ning“, die Brachflächen für die Anlage von

Gärten nutzt oder Kästen mit Blumen und

Gräsern aufstellt, die weitertransportiert

werden können, wenn die ursprüngliche

Fläche nicht mehr zur Verfügung steht. Das

beweist, dass es eine Veränderung städti-

scher Lebensräume nicht nur durch Planung

von oben geben muss. Die Prinzessinnen-

gärten in Berlin sind der mittlerweile

bekannteste Fall.

Diese Art der Begrünung von Städten

hat nicht nur eine ökologische Komponente,

sondern vor allem auch eine soziale, denn

V o r T r A G P r o F . D r . H A r A L D W E L Z E r

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Entpolitisierung der Zivilgesellschaft muss

aufhören; ein Hebel dafür ist, endlich wieder

über Zukunft zu sprechen, darüber, wie man

leben will.

Mit Strategien wie der zur Ausrichtung

des Festivals ÜBER LEBENSKUNST lassen

sich für neue Formen des sozialen und

ökologischen Handelns und des politischen

Denkens Freiräume schaffen, die ein

Nachdenken darüber, wie es denn weiterge-

hen soll, überhaupt erst ermöglichen. Gerade

Städte könnten dabei eine wichtige Rolle

spielen als Labore für zukunftsfähige Lösun-

gen für Probleme, mit denen wir uns unaus-

weichlich konfrontiert sehen. Aus ihnen

könnten Vorschläge dafür kommen, wie es

anders gehen könnte als bisher, und zwar

praktikable Vorschläge und keine abstrakten

von der Art: „Man müsste, man könnte, man

sollte …“ Vor allem Konjunktive bilden

das Resultat von vier Jahrzehnten Aufklärung

über wachsende Umweltprobleme. Es wird

Zeit, mit den Konjunktiven aufzuhören und

Praxisfelder des Veränderns zu erproben.

Jedes Mitglied einer demokratischen Gesell-

schaft hat dafür einen Handlungsspielraum,

den es nutzen kann. Und die Verantwortung

für das Nutzen des eigenen Handlungsspiel-

raums kann man an niemanden delegieren.

Aber man kann einfach anfangen.

So könnte man die lokale Produktion

aus dem Stadtgebiet und die Berliner Infra -

struktur auf eine Weise nutzen, wie es vor-

her noch nie geschehen war.

Die Schrebergärtner waren zuerst voll-

kommen überrascht, als man mit diesem

Ansinnen an sie herantrat. Aber sie grif-

fen die Idee bald mit Begeisterung auf. Natür-

lich wollten sie eine gewisse Gegenleistung

für ihren Beitrag, wenn auch nicht unbe-

dingt materieller Art. Statt Geld bot man daher

den Kleingärtnern, die ihre Jahreshaupt-

versammlung immer schon einmal an einem

repräsentativen Ort abhalten wollten, das

Haus der Kulturen der Welt, in dem das

Festival stattfinden wird, als Tagungsort an.

So kommt es in Berlin zu einem vollkommen

neuen sozialen Austauschprozess.

Das Projekt ÜBER LEBENSKUNST ist ein

Paradebeispiel dafür, wie sich vorhandene

städtische Infrastrukturen intelligent auch

auf andere Art als bisher nutzen lassen ohne

neue schaffen zu müssen. Zudem erfordern

sowohl die Vorbereitung als auch die

Durchführung des Projekts einen äußerst

geringen Einsatz von Ressourcen. Es ist somit

ein vielversprechendes Konzept für Nut-

zungsinnovation. Allerdings funktioniert der-

gleichen nur, wenn alle Beteiligten vor Ort

kooperieren.

Solche neuen Strategien, an deren Umset-

zung auch die Bürger intensiv beteiligt

werden, führen auch zu einer Revitalisierung

der Demokratie. Dafür bedarf es keiner

Wutbürger und keiner Mutbürger, sondern

lediglich jenes aktiven Gemeinwesens, das

die Demokratie ohnehin voraussetzt.

Aber im Augenblick gibt es eine strikte

Arbeitsteilung: Politik machen Politiker und

alle anderen machen alles andere. Diese

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‘‘

’’Dr. Spandau

Meine Damen und Herren, Sie haben sich

sicherlich bereits gefragt, welche Lösung mir

eingefallen ist, nachdem einer unserer Refe-

renten so plötzlich abgesagt hat. Ich bin sehr

dankbar, dass Herr Gaffert sich bereit erklärt

hat, an der Podiumsdiskussion teilzunehmen.

Herr Gaffert ist Oberbürgermeister von

Wernigerode, einer wunderschönen Stadt im

Windschatten des Harzes. Sie hat aber mit

ganz anderen Problemen zu kämpfen als

Freiburg. Wie wir von Herrn Dr. Salomon

gehört haben, weist Freiburg noch wachsende

Bevölkerungszahlen auf. In Wernigerode ist

dies gewiss anders. Manchmal mag der eine

oder andere im Westen wohl schon deshalb

ein bisschen neidisch auf die Städte im Osten

geschaut haben, weil wir hier mit dem leben

müssen, was vorhanden ist. Echtes Entwick-

lungspotential aber gibt es vor allem dort,

wo Neues entsteht oder geschaffen werden

muss. Das heißt natürlich nicht, dass die

Städte im Westen und im Osten vollkommen

andere Probleme hätten. Für unsere Diskus-

sion ist es aber sicher bereichernd, wenn

Herr Gaffert an ihr teilnimmt und in Ergän-

zung dessen, was wir von Herrn Dr. Salomon

über Freiburg gehört haben, über Wernige-

rode erzählt.

Peter Gaffert

Ich bin seit fast drei Jahren Oberbürger-

meister von Wernigerode. Dazu bin ich etwa

so gekommen, wie hier auf diesen Stuhl:

reichlich unvorbereitet. Ursprünglich

komme ich aus dem Naturschutz. Damals

hatte mich mein Amtsvorgänger angerufen

und mich gefragt, ob ich mir vorstellen

könnte, Bürgermeister zu werden. Als

verbeamtetem Naturschützer und Förster

fällt es einem ja nicht gerade leicht, den

Wald gegen das Rathaus einzutauschen,

zumal man sich zuvor noch einer Wahl stel-

len muss. Aber auch das habe ich getan –

und so sitze ich nun hier.

Als man in Freiburg und vielen anderen

Städten der alten Bundesrepublik darüber

nachdachte, wie man mit den Problemen

einer Wohlstandsgesellschaft fertigwerden

sollte, waren wir erst mal damit beschäf-

tigt, neue Abwasserleitungen zu legen. Dies

vorab, um Ihnen eine Vorstellung davon zu

geben, wie und womit wir angefangen

haben, uns mit dem Thema Stadtentwick-

lung auseinanderzusetzen. In den folgenden

Jahren blieben die Aktivitäten auch im

wesentlichen darauf beschränkt.

D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

„DI E STADT VON MORG E N WI R D DU RCH DE N G E BAUT,

DE R S I E N E U ZU DE N KE N WAGT.“

Abschließende Diskussion der Referenten und Teilnehmer.

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

häuser, die sich in einem sehr guten

Zustand befinden. Die vielen Touristen kom-

men nicht zuletzt wegen dieses in Deutsch-

land nahezu einzigartigen Ensembles. Davon

profitieren wir natürlich. Allerdings kostet

sein Erhalt auch sehr viel.

Auf der anderen Seite wurden – wie über-

all in den 60er und 70er Jahren – auch im

Osten städtebauliche Fehler gemacht. Hierzu

zählt die Errichtung von Satellitenstädten

selbst in kleineren Orten – die berühmt-

berüchtigten Plattenbausiedlungen. Wie geht

man heute damit um? Wer möchte dort leben?

Braucht man diese Siedlungen überhaupt

noch? Wir alle wissen, wie ökologisch und

gesamtwirtschaftlich unsinnig es ist, große

Wohnviertel einfach abzureißen. Hier sind

intelligente Lösungen gefragt, vor allem mit

Blick auf die alternde Gesellschaft. Dafür

aber bedarf es hoher Investitionen, die nicht

auf die Mieten umgelegt werden können,

da der Durchschnittsbürger im Osten sie

dann nicht mehr bezahlen könnte. Dies gilt

gleichermaßen für Fachwerkhäuser wie

für Plattenbauten. Auch im Harz ist festzu-

stellen, dass immer mehr Menschen aus

ländlichen Regionen wieder in die kleineren

Städte ziehen.

Es ging einfach darum, eine neue Infra-

struktur zu schaffen und zugleich sicherzu-

stellen, dass die Menschen im Osten auch

dort blieben. Es galt – und darum geht es bis

heute – ihnen für ihr Leben eine Perspektive

zu geben.

Die Herausforderungen für eine vergleichs-

weise kleine Stadt wie die unsere sind viel-

fältig. Eine zentrale Aufgabe ist dabei

natürlich die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Für Wernigerode mit seinen jährlich rund

drei Millionen Tagestouristen spielt dies aber

glücklicherweise keine so große Rolle

mehr. In diesem Punkt sind wir vergleichs-

weise gut aufgestellt.

Das Kernproblem der ostdeutschen

Städte ist die demographische Entwicklung.

Die Stadt Wernigerode beispielsweise hatte

zu Zeiten des Mauerfalls knapp 40.000

Einwohner. Obwohl in den letzten 20 Jahren

fünf Dörfer eingemeindet wurden, hat sie

heute nur noch 35.000. Die Kernstadt hat

also rund 10.000 Einwohner oder ein

Viertel der Bevölkerung verloren. Das ist

enorm viel. Verantwortlich für diesen

Rückgang war – neben den geringen Gebur-

tenraten nach der Wende – vor allem die

Abwanderung vieler gutausgebildeter junger

Menschen. Die Folge ist, dass schon heute

24 Prozent der Bevölkerung Wernigerodes

über 60 Jahre alt sind. In zehn Jahren wird

es über ein Drittel sein. Damit fehlen uns

für die nächsten Jahrzehnte eineinhalb

Generationen.

Angesichts dieser demographischen Ent-

wicklung stellt sich die Frage, wie wir mit

dem vorhandenen Bestand an Wohnungen

umgehen. So stehen allein im Zentrum

von Wernigerode nahezu 3.000 Fachwerk-

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‘‘

Übernachtungen pro Jahr zu verzeichnen –

und das trotz des vergleichsweise niedrigen

Standards der Unterkünfte und der Gastrono-

mie. Das durch den Tagestourismus bedingte

enorme Fahrzeugaufkommen hat das Bild

des Dorfes allerdings völlig zerstört. Daher

planen wir jetzt durch die Entwicklung eines

integrierten Verkehrskonzeptes das Auto

aus dem Ort zu verbannen. Dabei haben wir

die Erfahrung gemacht, dass selbst gute Planer

und Architekten sich einen Ort ohne Auto

nicht vorstellen können. Zuallererst geht

es ihnen immer um Parkplätze und Verkehrs-

lenkung, bevor sie an die Schaffung einer

beschaulichen Kurortatmosphäre denken.

Dr. Spandau

Gestatten Sie eine Anmerkung, Herr Gaffert:

Naturschützer kann man nicht gewesen sein,

das bleibt man immer. Ich teile Ihre Mei-

nung, dass das „neue Denken“ dazu führen

muss, dass sich bestimmte Dinge umkehren.

Deshalb bin ich der Überzeugung, dass die

Entwicklung der Städte in Zukunft in erster

Linie den Bedürfnissen der Bürger dienen

muss und nicht der Optimierung des Auto-

verkehrs. Nun eine andere Frage: Gibt es in

Wernigerode ein bürgerschaftliches Engage-

ment in den Bereichen Stadtplanung und

Stadtentwicklung?

Peter Gaffert

Die Bürger von Wernigerode engagieren

sich in hohem Maße für die Belange ihrer

Stadt, mit der sie sich in einer Weise

identifizieren, wie ich es sonst kaum kenne.

Vor allem liegt ihnen die historische Altstadt

am Herzen. Bei der Entwicklung neuer

Konzepte sind sie aktiv dabei, wobei oft

auch individuelle Vorschläge gemacht

werden, die allerdings nicht immer prakti-

kabel sind.

Diesen Trend haben Wohnungsbauunter-

nehmen bereits vor Jahren erkannt und auf

Industriebrachen Siedlungen für alte Men-

schen errichtet – samt der dafür benötigten

Infrastruktur. Mittlerweile ziehen die

Menschen jedoch von dort wieder weg, weil

sie sich in einer speziell auf sie zugeschnit-

tenen Umgebung nicht wohlfühlen. Es muss

also darum gehen, intelligente städtebauliche

Lösungen für das Zusammenleben aller

Altersgruppen zu finden.

Als ein Beispiel dafür möchte ich die

Gemeinschaftsaktion „Höfe halten Hof“

nennen, bei der nicht nur Höfe von

Fachwerkhäusern durch schöne Bepflan-

zungen und die Einrichtung von Cafés

wieder zu Lebensmittelpunkten für Ange-

hörige aller Generationen geworden sind.

Wie bereits gesagt wurde, können sich

viele Menschen – einschließlich der „Gene-

ration Trabant“ – ein Leben ohne Auto gar

nicht mehr vorstellen. Wer schon einmal

auf der Insel Hiddensee war, weiß aber, dass

dies durchaus möglich ist. Dort hat nur der

Arzt ein Auto. Es ist beeindruckend und

wohltuend, wenn die Infrastruktur nicht auf

das Auto ausgerichtet ist, sondern auf

Fahrradfahrer und Fußgänger.

Vor zwei Jahren haben wir das wunder-

schön am Fuße des Brockens liegende Dorf

Schierke eingemeindet. Es war Anfang

des 20. Jahrhunderts touristisch aufgeblüht,

lag nach dem Zweiten Weltkrieg aber im

Grenzsperrgebiet der DDR, so dass es keine

Entwicklung der Infrastruktur gab. Die Zeit

schien hier stehengeblieben. Nach der

Wende gab es für den Ort nur eine Perspek-

tive: den Tourismus. Heute sind bereits

zwei Millionen Tagesbesucher und 250.000

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

sich selbst zu konservieren, von dem sie

glaubten, es zeige sie zu ihrer besten Zeit.

Wenn eine Gesellschaft, wie Sie schrieben,

aber tatsächlich nur noch Geschichten über

das erzählt, was sie in ihren besten Zeiten

einmal gewesen sein mag und nicht über

das, was sie einmal sein möchte, wie ist dann

eine nachhaltige Stadtentwicklung mit

bürgerschaftlichem Engagement überhaupt

möglich? Wie schaffen wir es, eine Brücke

zu bauen zwischen der Verantwortung

gegenüber dem, was wir an der Vergangen-

heit liebgewonnen haben, und dem, was

wir für die Zukunft brauchen?

Prof. Speer

Ich denke, das kann nur gelingen, wenn

diejenigen, die sich mit solchen Themen

beschäftigen, auch in der Lage sind, Bilder

von etwas zu entwickeln, an das man

vorher vielleicht nicht gedacht hat, das

aber einer ganz speziellen Situation in der

Zukunft entspricht.

Lassen Sie mich anhand des erwähnten

Beispiels aus New York deutlich machen,

was ich damit meine: Ich habe im vorigen

Jahr mit einer New Yorker Stadtplanerin

gesprochen, die mir sagte, dass es dort nicht

viel Partizipation seitens der Bevölkerung

gäbe. Gesetzliche Vorgaben gäbe es auch

keine. Das Stadtplanungsamt habe – mit Bil-

ligung durch die Politik – alleine beschlos-

sen, die Strasse in der Fußgängerzone

rot-grün zu streichen und ein paar Pflanzen-

kübel aufzustellen, damit niemand mehr

durchfahren kann. Das Ganze habe man

innerhalb eines halben Jahres realisiert und

alle seien stolz darauf.

Vor allem die jüngere Generation fordert,

in die Zukunft zu blicken und nicht nur zu

bewahren, was wir haben. Dabei hat es

Wernigerode – wie manche anderen alten

Städte – eigentlich ein bisschen leichter, was

die Verkehrsberuhigung betrifft, denn es wäre

ohnehin ausgesprochen schwierig, noch

mehr Fahrzeuge hereinzubringen. Allein der

ruhende Verkehr ist bereits eine Zumutung:

Es gibt einfach keinen Platz für Autos.

Richtig problematisch wird es jedoch, wenn

nicht genug Stellplätze für Wohnungen ver-

fügbar sind, denn dann springen Investoren

sofort wieder ab.

Dr. Spandau

Ich würde gerne noch einen Moment

bei der Frage des bürgerlichen Engagements

und bei dem mit der Verkehrsberuhigung

verbundenen Aspekt der Entschleunigung

bleiben sowie bei der Überlegung, welche

Freiräume wir brauchen, um bestimmte Pro-

bleme tiefer zu durchdenken. Mir ist nämlich

noch nicht so ganz klar, wie das funktio-

nieren soll.

Herr Prof. Welzer, Sie haben mit der

Umwandlung des New Yorker Broadway

in eine Fußgängerzone ein konkretes

Beispiel dafür genannt, wie es funktionieren

kann. Ich glaube aber nicht, dass diese

Lösung einfach plötzlich da war, sondern

dass ihr eine Menge Planungsprozesse und

Diskussionen vorangegangen sind.

Herr Prof. Welzer, im vergangenen Jahr

haben Sie in einem Beitrag für das Magazin

der Süddeutschen Zeitung daran erinnert,

dass der Soziologe Norbert Elias einmal den

bemerkenswerten Gedanken geäußert hat,

Gesellschaften neigten dazu, jenes Bild von

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‘‘

erfolgreiches Wirtschaftsmodell, das uns ein

extrem hohes Wohlstandsniveau gebracht

und bis in die 80er Jahre hinein gut funktio-

niert hat. Seither zerbröselt es allmählich.

Das führte zunächst aber nicht etwa zur

Suche nach neuen Möglichkeiten, sondern

weckte erst einmal reflexartig den Wunsch

nach Rückkehr zum altbewährten Modell.

Das zeigt sich beispielsweise an der Kreation

eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes,

von dem man sich eine geradezu magische

Wirkung erhofft. Man sucht offenbar das

Heil dort, wo man glaubt, es schon einmal

gefunden zu haben. Das ist allerdings hinder-

lich bei der Suche nach neuen Wirtschafts-

modellen und Sozialstrukturen. Natürlich

spielt dabei das steigende Durchschnittsalter

unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle,

denn in einer Gesellschaft, in der die Mehr-

heit der Menschen ihre Zukunft bereits

hinter sich hat, hängen die meisten an dem,

wovon sie selbst einmal ein Teil waren und

was damals, als sie jung waren, funktioniert

hatte. Vor diesem Hintergrund wird das

bisher kaum diskutiert. So gesehen scheint

China besser für die Zukunft gerüstet als

unsere westlichen Gesellschaften.

In Deutschland wäre dergleichen unmög-

lich. Wir hätten zehn Jahre diskutiert. Wir

haben einen Wust an Gesetzen und Regeln

und es gibt immer Menschen, die dagegen

sind. Am Ende passiert gar nichts. Die

Gefahr, dass wir versuchen, das, was uns

aus der Vergangenheit gefällt, auf die

Zukunft zu übertragen, besteht natürlich

immer. Unsere Aufgabe ist es daher, gemein-

sam für Unruhe zu sorgen und manchmal

sogar Chaos in Kauf zu nehmen, um die

Diskussion anzuregen. Jedenfalls wünschte

ich mir auch bei uns eine so spontane

Herangehensweise an städteplanerische

Probleme wie in New York.

Prof. Welzer

Ich finde den Gedanken von Norbert Elias

in der Tat sehr gut. Es lohnt sich, länger

darüber nachzudenken. Schließlich ist es mit

nationalen Selbstbildern ähnlich wie mit

Selbstbildern, die einzelne Menschen von

sich haben.

Das Selbstbild der Bundesrepublik Deutsch-

land ist sehr stark an den wirtschaftlichen

Aufstieg in den ersten Jahren der Nachkriegs-

zeit gekoppelt. Wir hatten damals ein sehr

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bestehen, immer neue Konstellationen,

auf die wir reagieren oder auf die wir aktiv

einwirken. Und ich möchte hinzufügen:

Wir müssen zumal als Städteplaner ständig

Konstellationen entwickeln, die über die

normale Vorstellungskraft hinausgehen.

Genaugenommen ergibt sich daraus erst der

Anreiz, sich mit bestimmten Themen inten-

siv auseinanderzusetzen.

In Bürgerversammlungen haben wir das

schon vor vielen Jahren so gehandhabt.

Anfangs waren diese Versammlungen kaum

besucht, bis ich zuerst mit den Lokalredak-

teuren über die zu behandelnden Themen

gesprochen habe. Diese haben dann, um ein

Beispiel zu nennen, einige Tage vorher

geschrieben, dass über einen Vorschlag für

eine autofreie Innenstadt diskutiert werden

soll. Auf einmal war der Saal voll. Ein

solches Vorgehen ist legitim, denn es gilt die

Phantasie anzuregen und zu Diskussionen

herauszufordern, auch wenn am Ende oft

über etwas ganz anderes gesprochen wird.

Dabei müssen wir einerseits die Bürger

provozieren, andererseits ihnen aber auch

die Ängste nehmen. Angst vor Veränderung

steckt schließlich in jedem von uns.

Nun zu Ihrer Bemerkung, Herr Dr. Spandau,

dass eine Gesellschaft Geschichten braucht,

die auf die Zukunft gerichtet sind. Danach

werden die Fragen der Nachhaltigkeit und

des Klimawandels nicht zuletzt deshalb

schlecht vermittelt, weil keine Geschichten

darüber erzählt werden, was anders werden

muss. Wir reden immer nur darüber, dass

wir etwas reformieren müssen, damit alles so

bleibt wie es ist. Eigentlich geht es uns ja

gut, es brennt uns doch nichts auf den

Nägeln. Warum sollten wir also etwas ver-

ändern? Um die Menschen dazu zu bringen,

eine zukunftsorientierte Haltung einzuneh-

men, brauchen wir Geschichten darüber, was

anders funktionieren könnte als jetzt. Wenn

wir über dezentrale Energieversorgung

sprechen, brauchen wir Geschichten gegen

die Großmänner und Ackermänner dieser

Welt. Diese kann man natürlich nur dann

erzählen, wenn man anhand von nachprüf-

baren Beispielen belegen kann, dass es

bereits jemand vorgemacht hat, dass es auch

anders geht. Was wir brauchen, sind also bei-

spielhafte, identitätsstiftende Geschichten.

Dr. Spandau

Herrschen nicht auch enorme Ängste vor

einem Strukturwandel? Schließlich gibt

es dabei immer auch Verlierer. Angst aber

ist kein guter Ratgeber. Wie könnten,

Herr Prof. Speer, als notwendig erkannte

Veränderungen daher sozialverträglich her-

beigeführt werden?

Prof. Speer

Ganz zu Beginn meines Vortrages habe

ich Wolf Singer zitiert, der die Funktions-

weisen unseres Gehirns und komplexer

Stadtstrukturen miteinander verglichen hat.

Bei beiden Systemen bilden sich aus der

Fülle der Komponenten, aus denen sie

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werden Sie mit diesem Problem konfrontiert,

Herr Dr. Salomon?

Dr. Salomon

Ständig. Man muss tatsächlich Geschichten

erzählen. Aber dazu muss man erstmal eine

haben. Manche Menschen glauben, Freiburg

sei eine Art Öko-Disneyland. Das ist es

natürlich nicht. Aber wir haben manches

vorzuzeigen.

Herr Dr. Spandau, Sie sagten in Ihrer

Einführung, in Freiburg gäbe es Häuser, die

sich nach der Sonne drehten. Tatsächlich

gibt es in Freiburg den Solararchitekten Disch,

der vor 20 Jahren ein solches Haus gebaut

hat. Bis heute gibt es davon genau zwei

Exemplare. Das faszinierende Konzept ist

also zwei Jahrzehnte alt, aber die Häuser

werden nicht gebaut: Sie sind zu teuer und

zu unpraktisch.

Wir haben einen Kongress zum Thema

erneuerbare Energien in Kommunen veran-

staltet und die Teilnehmer im Rahmen von

Exkursionen über Beispiele informiert,

die wir in Freiburg gebaut haben. Bei der

Abschlussdiskussion stand ein Teilnehmer

aus Italien auf und sagte ganz bewundernd,

dass es sicherlich sehr angenehm sein

müsse, in einer Stadt wie Freiburg Ober-

bürgermeister zu sein, denn hier gäbe es

ja gar nichts mehr zu tun. Erst habe ich

überhaupt nicht verstanden, was er damit

sagen wollte. Wie sich herausstellte, glaubte

er tatsächlich, dass es das, wovon wir

einzelne Beispiele gezeigt hatten, überall in

der Stadt gäbe. Wir hatten zwar zu allem

Prototypen, die wir zeigen konnten, insge-

samt sieht es in der Stadt aber aus, wie in

allen anderen Städten auch: 95 Prozent

der Häuser sind nicht energetisch saniert.

Prof. Welzer

Gestatten Sie mir noch eine kurze Frage

zum Problem der Sozialverträglichkeit: Wie

sozialverträglich ist eigentlich die gegen-

wärtige Situation? Worüber sehr wenig ge-

sprochen wird, ist die Tatsache, dass soziale

Ungleichheit immer mit Ungleichheit der

Lebensbedingungen einhergeht. Menschen

mit geringem Einkommen wohnen meist in

Stadtvierteln, die in vieler Hinsicht wenig

gesundheitsfördernd sind. Mir fällt auf, dass

bei fast allen Vorträgen und Diskussionen,

bei denen es um Veränderungsprozesse geht,

Hartz IV-Empfänger zur Sprache kommen.

Sonst ist fast nie von ihnen die Rede.

Ähnliches gilt für die Chinesen, auch sie

werden sonst eher selten erwähnt, wenn es

aber um das Thema Veränderungen geht,

tauchen sie auf. Oft muss man einfach nur

den Blickwinkel ändern. So ergeben sich,

wenn man beispielsweise soziale Probleme

mit ökologischen Fragen zusammenbringt,

auf einmal Szenarien und Modelle, nach

denen es den Menschen tatsächlich besser

gehen könnte.

Dr. Spandau

Fragen wir den Pragmatiker: Herr Dr.

Salomon, was haben Sie zu sagen zum Thema

Strukturwandel und Ängste? Christian Ude

meinte nach seiner Wahl zum neuen

Präsidenten des Städtetages, in den Städten

müssten nur die Energie- und die Mobilitäts-

frage geklärt werden, dann habe man alles

im Griff. Das klingt doch reichlich simpel. Es

gehört viel mehr dazu, um alles in den Griff

zu bekommen. Dazu bedarf es vor allem

eines Strukturwandels. Und der wird kommen.

Beispielsweise werden als Folge der Energie-

wende unsere Städte von Energieverbrauchern

zu Energieproduzenten werden müssen, also

zu dezentralen Energieerzeugern. Wie

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’’D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

des Atomstroms lag noch bei 60 Prozent.

Mittlerweile ist das Stadtkraftwerk zu

96 Prozent atomstromfrei und über die rest-

lichen 4 Prozent gibt eine skurrile Debatte.

In Freiburg wird über alles diskutiert,

auch über den Besuch des Papstes im Sep-

tember 2011. Der Erzbischof von Freiburg,

der seit 2008 Vorsitzender der Deutschen

Bischofskonferenz ist, hat ihn eingeladen.

Daraufhin wurde ich von einer Lokalzeitung

gefragt, ob man denn nicht mit antikleri-

kalen Demonstrationen rechnen müsse. Ich

antwortete, wenn man in Freiburg einen

Zebrastreifen einrichten wolle, gäbe es erstens

eine Demo und zweitens eine Bürgerinitiative.

Im übrigen ginge ich davon aus, dass die

katholische Kirche in der Lage sei, mit

solchen Protesten souverän umzugehen. Dies

stand dann in der Zeitung und es gab bitter-

böse Leserbriefe: Wie ich den Papstbesuch

mit einem Zebrastreifen vergleichen könne

und nur so arrogant und blasiert sein könne!

Auch mit so etwas muss man lernen,

gelassen umzugehen.

Wenn man Geschichten erzählt, darf man

nicht vergessen, auch darüber zu berichten,

wie etwas funktioniert. Herr Reimann-

Dubbers, der hier ebenfalls anwesend ist,

engagiert sich mit seiner Stiftung seit einigen

Jahren in Freiburg für die energetische Sanie-

rung von Häusern. Heute morgen hat er mir

zu einem Modellprojekt gratuliert, das wir in

einem sogenannten sozialen Brennpunkt-

Stadtteil durchgeführt haben. Dort gab es ein

Hochhaus aus den 60er Jahren, das nach

Meinung von Fachleuten aus Kostengründen

eigentlich gar nicht mehr sanierbar war. Es

gehört der städtischen Wohnungsbaugesell-

schaft und damit zum Programm „Soziale

Stadt“. Normalerweise können solche

In der Verkehrspolitik stehen wir etwas

besser da: In Freiburg werden nur etwa 30

Prozent aller Wege mit dem Auto zurück-

gelegt. Für uns ist das selbstverständlich, ja

wir halten sogar das noch für zuviel. Wenn

Besucher aus anderen Ländern kommen –

Chinesen, Koreaner, Amerikaner und

viele andere – fragen sie oft: „Why are you

so advanced?“ Darauf entgegne ich immer:

„Because we started earlier.“

Diese folgende Geschichte begann Mitte

der 70er Jahre in Wyhl am Kaiserstuhl, als

dort ein Atomkraftwerk gebaut werden

sollte. Bald darauf war der Bauplatz besetzt.

Der damalige Ministerpräsident Filbinger

sagte daraufhin, wenn das AKW nicht gebaut

würde, gingen in Baden-Württemberg die

Lichter aus. Die Lichter sind immer noch an.

Damals hatten sich konservative Bauern und

Winzer zusammen mit der Freiburger Stadt-

bevölkerung, mit Lehrern und Studenten

verbündet und den Bauplatz besetzt. Es war

wie die Geschichte von David und Goliath

oder dem kleinen gallischen Dorf, das anders

sein wollte.

Nach der Reaktorkatastrophe von Tscher-

nobyl vor 25 Jahren hat der Freiburger

Gemeinderat – damals waren die Grünen

dort noch nicht so stark wie heute – dann

ein kommunales Energiekonzept verab-

schiedet, das auf drei Säulen ruhte: Energie-

sparen, effizientere Nutzung von Energie

und Förderung erneuerbarer Energien – und

das bei gleichzeitigem Ausstieg aus der

Atomkraft und der Reduzierung des Einsat-

zes fossiler Energieträger. Damals gab es

kritische Stimmen, die nicht verstanden,

wie eine Stadt wie Freiburg aus der Atom-

kraft aussteigen könnte, denn der Anteil

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lebte, da die Kinder inzwischen längst

ausgezogen und die Eltern alt geworden

waren, inzwischen aber oft nur noch

eine Person. Natürlich konnte man diese

Menschen nicht einfach versetzen,

schließlich wohnten viele von ihnen schon

40 Jahre dort. Das Haus war ihre Heimat.

Daher kam ein findiger Architekt auf die

Idee, die Wohnungen zu teilen. Heute

gibt es in dem Haus 140 Wohnungen. Viele

der ursprünglichen Bewohner, denen wir

zugesagt hatten, dass sie nach der Sanierung

würden zurückkehren können, wollten das

allerdings gar nicht mehr, weil wir ihnen

zwischenzeitlich gute Alternativen zur Ver-

fügung gestellt hatten. Die Leute haben also

für eine alte Wohnung eine neue bekommen

und zugleich konnten die Mieten dank der

niedrigen Nebenkosten fast auf dem gleichen

Niveau gehalten werden. Auf diese Weise

haben wir die Sanierung des Hauses sozial-

verträglich hinbekommen. Ob dies zu einer

Standardlösung werden könnte, weiß ich

nicht, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, wie

man beim Städtebau weiterkommen kann,

wenn man neu zu denken wagt.

Dr. Spandau

Sie alle haben schon die Medien erwähnt.

Welche Rolle spielen sie? Sind sie die vierte

Macht im Staat oder gar die erste?

Dr. Salomon

Ich bin dankbar dafür, dass wir eine

freie Presse haben. Im Kampf für Meinungs-

freiheit und eine freie Presse ist schon viel

erreicht worden. Ich brauche auch täglich

meine Zeitung. Ich denke allerdings, dass der

Journalismus in den letzten Jahren keine

ganz unbedenkliche Entwicklung durchge-

macht hat.

Häuser mit Mitteln der Stadt, des Landes

und des Bundes saniert werden, ohne dass

die Kosten dafür die Mieten explodieren

lassen. Die Menschen, die dort leben,

könnten solche Mieten nicht zahlen. Nun

werden aber die Fördermittel des Bundes

für den Städtebau derzeit stark gekürzt. Eine

Lösung des Problems kam daher fast der

Quadratur des Kreises gleich.

In dieser Situation kam dann auch noch

ein Prokurist der Stadtbaugesellschaft mit

dem Vorschlag daher, aus dem Hochhaus

gleich ein Passivhaus zu machen. Ich

entgegnete, dass dann erst recht niemand

mehr die Mieten würde bezahlen können.

Er meinte jedoch, dass sich dafür eventuell

noch Zuschüsse des Bundesforschungs-

ministeriums locker machen ließen, und

außerdem wäre es dann das erste Hochhaus

weltweit mit Passivhaus-Standard.

Am Ende haben wir das Vorhaben dank

einer pfiffigen Idee aber doch noch umsetzen

können. Das Hochhaus hatte nämlich 16

Stockwerke und 90 Wohnungen, in die in

den 60er Jahren kinderreiche deutsche

Familien eingezogen waren. In den teils 90

bis 100 Quadratmeter großen Wohnungen

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uns noch leisten können und was eigent-

lich nicht mehr, steht da eigentlich immer im

Raum. Der Bund und die Länder übertragen

uns eine Vielzahl von Aufgaben und Pflichten,

mit denen Standards gesetzt werden, die

wir erfüllen müssen.

Die Pflege von Grünflächen hingegen ist

eine freiwillige Leistung. Wenn das Geld knapp

ist, könnte man das – rein theoretisch – also

einfach bleibenlassen. Die Diskussionen über

Einsparungen im Stadtrat sind oft recht

aufschlussreich: Erst sind die Stadträte ganz

damit einverstanden, nicht so häufig zu

mähen, der OB kommt schließlich aus dem

Naturschutz. Abends, in ihrem Verein, hören

sie dann die Kommentare ihrer Kollegen –

und am nächsten Morgen schlägt sich das

dann wieder im Stadtrat nieder. Bei solchen

Dingen ist es eben sehr schwierig, das rechte

Maß zu finden.

Dennoch denke ich, dass wir uns generell

über die Standards Gedanken machen

müssen, denn bei immer knapperen Kassen

kommen wir um die Frage, was wir uns

noch leisten können, nicht herum: Wie weit

sollen wir beispielsweise die Brandschutz-

maßnahmen in öffentlichen Gebäuden

treiben? In Wernigerode gibt es, wie ich

sagte, viele Fachwerkhäuser, aber diese waren

eher von Leuten errichtet worden, die nicht

viel Geld hatten. Steinhäuser waren viel

weniger feuergefährdet – Wernigerode ist

seit 1136 sechsmal abgebrannt – und

daher beliebter. Mitte des 19. Jahrhunderts

entstanden dann die ersten größeren öffent-

lichen Bildungseinrichtungen. Sie wurden –

mit den entsprechenden Brandschutzmaß-

nahmen – für die Nachwelt gebaut.

Es gibt noch Qualitäts-Journalismus,

aber viel zuviel Journalismus ist schlecht.

Dies hängt mit der Ausbildung und den

Arbeitsbedingungen der Journalisten

zusammen. Allzuoft geht es nur noch um

die Schlagzeile. In anderen Ländern ist

das vielfach noch stärker ausgeprägt. Im

Vergleich dazu geht es uns in Deutschland

noch gut. Sie werden aber keinen Bürger-

meister oder Politiker finden, der nicht

unter der Presse leidet.

Dr. Spandau

Manchmal kommt es auf die vermeintlich

kleinen Dinge an, wenn man will, dass etwas

akzeptiert wird. Was geschähe, wenn man bei-

spielsweise in Wernigerode beschließen

würde, Grünflächen, Straßenbegleitflächen

und Verkehrsinseln nicht mehr zu mähen,

sondern das Gras einfach wachsen zu lassen?

Sähen die Menschen darin einen Schritt von

der Ordnung hin zur Unordnung?

Peter Gaffert

Hier wären wir gleich bei der Presse. Es

hieße sofort, der Oberbürgermeister lässt die

schöne Stadt verlottern. Die Kommunen haben

alle relativ wenig Geld. Die Frage, was wir

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hin überlegt man sich die Sache schon

noch einmal. Die gegenwärtigen Brandschutz-

standards verdanken wir dem Brand im

Düsseldorfer Flughafen. Durch diesen Vorfall

wurde das Thema Brandschutz in Deutsch-

land hochaktuell. Es wird uns Milliarden

kosten.

Das nächste Ereignis war der Einsturz

der Eissporthalle in Bad Reichenhall. Danach

wurden sämtliche Hallendächer Deutschlands

auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft. Nicht

wenige mussten daraufhin erneuert werden.

Das verschlang wieder Milliarden. Als

Bürgermeister können sie solche Maßnahmen

nicht in Frage stellen, denn wenn etwas

passiert, sind sie dran.

Dr. Spandau

Sie sehen die Stahlseile hier im Saal?

Die Allianz Umweltstiftung haben sie viel

Geld gekostet. Das Gebäude steht seit

Jahrhunderten und es ist nie etwas passiert.

Rein statistisch hätte aber etwas geschehen

können. Also musste der Saal saniert

werden.

Prof. Speer

Dieses Thema lässt sich weiterspin-

nen. Wir leisten uns in Deutschland in

vielen Bereichen mit Vorschriften einen

Luxus, der weltweit einmalig ist. Es

gibt dabei sicherlich sinnvolle Regelungen,

die große Menge aber müsste vor dem

Hintergrund heutiger Rahmenbedingungen

auf den Prüfstand. Entsprechendes gilt

für das gesamte Denken von Verwaltung

und Politik. Natürlich kann ein Bürger-

meister nicht sagen, dass er sich nicht an

die gesetzlichen Auflagen hält.

Kürzlich sollte eine der Grundschulen saniert

werden. Ein Verantwortlicher des Landkreises

hat in diesem Zusammenhang Brandschutz-

maßnahmen gefordert, die Hunderttausende

Euro gekostet hätten. Da kommen einem –

zumal wenn es pragmatischere und günstigere

Lösungen gibt – schon Zweifel, ob es sinnvoll

ist, die geringen vorhandenen Mittel für

Dinge wie Feuertreppen einzusetzen. Momen-

tan werden an fast allen öffentlichen Gebäu-

den in Wernigerode solche Fluchttreppen aus

Stahl angebaut. So wie das Bild einer Stadt

in früheren Epochen durch die jeweils gerade

gängigen Baustile geprägt wurde, wird

das Wernigerode von heute als die Stadt der

Stahltreppen in die Geschichte eingehen.

Da würde man sich manchmal schon etwas

mehr Nachdenken über die behördlichen

Auflagen und Standards wünschen. Entspre-

chendes gilt für den Straßenausbau, die Breite

von Autobahnen, Traglasten von Brücken

und vieles andere mehr. Zahlreiche Vor-

schriften sind für kleine wie große Kommu-

nen einfach eine Zumutung.

Dr. Salomon

Damit sind wir beim Thema Deutschland

und seinen rechtlichen Standards. Brand-

schutz spielt in allen Kommunen die gleiche

Rolle. Wir hatten in Freiburg vor sechs

Jahren eine Finanzkrise. In dieser Situation

forderte das Hochbauamt sieben Millionen

Euro für Brandschutzmaßnahmen an Schulen.

Als ich daraufhin erklärte, dass ich das nicht

mittrage, kam die Leiterin des Rechtsamtes

und sagte mir, ich solle vorsichtig sein,

denn wenn man Kenntnis von Mängeln habe

aber nichts dagegen unternehme und dann

etwas passiere, wandere der Verantwortliche

direkt in den Knast. Auf eine solche Warnung

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viele Dinge vielleicht einfach einmal anders

gemacht werden sollten als üblich. Wir nei-

gen dazu, in vorgegebenen Schemata zu

denken und uns entsprechend zu verhalten,

sind dann aber unzufrieden. Das gilt auch

für die Universität, wo über 50 Prozent der

Beschäftigten in der Verwaltung arbeiten.

Und die haben ja alle etwas zu tun. Wer

unter diesen Bedingungen dennoch etwas

bewegen will, muss sich einen Bereich

gleichsam im Windschatten suchen, wo er

die gegebene Situation anders nutzen kann.

Jeder sollte einfach einmal beiseite treten

und über Alternativen nachdenken. Manch-

mal kommen auf diese Weise gute Ent-

wicklungen in Gang wie etwa bei dem Dorf

Schierke, über das Herr Gaffert vorhin

berichtet hat.

Man muss sich im klaren darüber sein,

dass es sich hier um kulturelle Fragen

handelt. Jede Institution, jedes Unterneh-

men, jede Schule, jede Universität hat

ihre eigene Kultur, von der es abhängt, wie

jeder Einzelne denkt und was er tut. Diese

Kulturen kann man verändern. Die Schulen

in der Bundesrepublik zum Beispiel sind

heute großenteils in einem erbärmlichen

Zustand – vollkommen unterfinanziert,

baulich verwahrlost und voller sozialer Pro-

bleme. In ihnen herrscht eine Kultur, die

den Schülern von vornherein signalisiert:

Eigentlich wollen wir Euch gar nicht.

Gleiches gilt für die Universitäten. Dabei

ließe sich ganz leicht eine andere Kultur

schaffen. An amerikanischen Universitäten

beispielsweise wird den Studenten gesagt,

dass man froh sei, dass sie hier studieren.

Wer die Entwicklung einer Stadt in eine

andere Richtung lenken möchte, muss

zuerst begreifen, dass es sich auch hier

Aber der Gesetzgeber müsste die ganze

Flut von Vorgaben nach unsinnigen und über-

holten Vorschriften durchforsten, um die

Gesellschaft insgesamt zu entlasten. Damit

würden viele Gel der frei – beispielsweise für

eine sinnvolle energetische Sanierung von

Altbauten.

Dr. Spandau

Herr Prof. Welzer, was die beiden Ober-

bürgermeister gerade gesagt haben, hat viel

mit Verantwortung zu tun – nicht nur der

Politiker, sondern auch jedes einzelnen

Bürgers. Dr. Salomon sagte zum Beispiel, dass

es neben der energetischen Sanierung von

Gebäuden auch dringend einer höheren

Effizienz bei der Nutzung der Energieträger

bedarf. Da ist jeder in der Pflicht. Wie aber

können wir erreichen, dass die Bürger nicht

nur engagiert und kenntnisreich mitdisku-

tieren, sondern auch selbst verantwortlich

handeln. Ist das zuviel verlangt?

Prof. Welzer

Ich glaube nicht, dass das zuviel verlangt

ist. Verantwortung zu tragen, könnte sogar

Spaß machen. Sich einzubringen und

Verantwortung zu tragen, kann sehr befrie-

digend sein. Damit hängt zusammen, was

Psychologen als Selbstwirksamkeit bezeich-

nen. Vor allem durch die gesetzliche

Reglementierung sämtlicher Lebensbereiche

wird diese Erfahrung systematisch beschnit-

ten. Hat der für alles sorgende Staat doch

meist schon alles bedacht, bevor man selbst

zu denken anfängt? Wenn man dann aber

etwas anders tun möchte, fehlt meist die

Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Ich finde

unser heutiges Gespräch und die Themen,

die dabei zur Sprache kommen, auch des-

halb so wichtig, weil wir dadurch angeregt

werden, darüber nachzudenken, dass

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einfach mit der heutigen vergleichbar.

Damals hatte man entschieden, sich dieser

neuen technischen Mittel nicht zum Bösen,

sondern zum Guten zu bedienen.

Wenn man negative Folgen der friedlichen

Nutzung von Kernenergie in Zukunft vermei-

den will, ist die Intelligenz des Menschen

für die Entwicklung eines Planes B gefordert.

Beschränkt man sich auf Plan A, ist dies

gleichbedeutend mit Alternativlosigkeit.

Damit arbeitet die Politik ständig. Sei es in

der internationalen Finanzwirtschaft oder

in der Verkehrs- und Gesundheitspolitik:

Stets hört man, die Entscheidungen unserer

Regierung seien alternativlos. Ein solcher

Verzicht auf einen Plan B oder sogar C

bedeutet eine Beschneidung menschlicher

Phantasie und Intelligenz.

Wenn aber angesichts der weiteren

Zunahme der Weltbevölkerung Wachstum

weiterhin notwendig ist, müssen wir Wege

finden, nicht mehr ausreichend vorhandene

natürliche Ressourcen durch andere zu

ersetzen. Im Bereich der Energie gibt es

bereits Pläne zur Errichtung von Solarkraft-

anlagen in nordafrikanischen Wüsten-

gebieten.

um ein kulturelles Problem handelt. Es

geht nicht bloß um Pläne und Strukturen,

sondern auch um Kultur und damit um

ein Wir-Gefühl. In diesem Sinne hat Freiburg

eine ganz andere Kultur als z.B. eine Stadt

im Ruhrgebiet.

Dr. Spandau

Dass wir das auch so sehen, können Sie

daran erkennen, dass wir Sie eingeladen

haben, hier mitzudiskutieren.

Prof. Stolte

Ich möchte ein ganz anderes Thema auf-

greifen, das sich auf eine Äußerung von Prof.

Welzer bezieht. Sie haben sich mit Hinblick

auf Fukushima äußerst erstaunt darüber

gezeigt, dass Japan als die drittgrößte Indus-

trienation der Welt seine Wirtschaft wesent-

lich auf der Basis von Kernenergie hat

aufbauen können. Sie empfinden dies irgend-

wie als widersinnig. Welche Möglichkeiten

hätte Japan denn sonst gehabt? Japan hat –

nach der traumatischen Erfahrung des

Abwurfs der Atombomben über Hiroshima

und Nagasaki – angesichts des Mangels an

eigenen natürlichen Ressourcen einfach

die Chance ergriffen, Atomenergie friedlich

zu nutzen. Die damalige Situation ist nicht

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zum Ausdruck bringen wollte: Ich denke,

dass sich an Japan und Fukushima exempla-

risch zeigen lässt, auf welcher Utopie das

Fortschrittsmodell der westlichen Welt

beruht. Diese Utopie besteht in dem Glau-

ben, der Mensch könne sich vollständig

von der Natur emanzipieren. Dieser Glaube

lag all unseren grandiosen technischen

Errungenschaften zugrunde.

Sie haben bisher im allgemeinen ja auch

großartig funktioniert und unser Leben in

vielerlei Hinsicht verbessert und sicherer

gemacht. Aber dieses Fortschrittsmodell –

und das ist der springende Punkt meiner

Argumentation – ist in einer kleinen,

begrenzten Welt entstanden, die aufgrund

bestimmter historischer Gegebenheiten

in der vorteilhaften Lage war, den Rest der

Welt für ihre Zwecke nutzen zu können.

Fukushima symbolisiert den Zusammen-

bruch dieses Modells. Es funktioniert einfach

nicht – unabhängig von Naturkatastrophen

wie Erdbeben.

Auf Ihre Frage, ob sich vielleicht nicht

doch noch andere Ressourcen finden oder

generieren ließen, kann ich nur sagen:

systematisch nicht, denn erstens wächst die

Weltbevölkerung weiter und zweitens

kopieren immer mehr Länder den Entwick-

lungsweg des Westens. Beides führt zu einer

exponentiell steigenden Übernutzung der

Ressourcen. Insofern bleibt uns nichts

anderes übrig, als – statt nach immer neuen

Energiequellen und Ressourcen zu suchen

– darüber nachzudenken, ob wir all dessen,

was wir gegenwärtig zu brauchen glauben,

wirklich in diesem Maße bedürfen. Vieles

benötigen wir tatsächlich nicht, und über-

dies schafft manches auch noch unglaubliche

Zwänge. Wir verschwenden schlicht viel

Hieraus wiederum ergibt sich das Problem,

wie der dort gewonnene Strom nach Europa

geleitet werden kann. Auch wird längst

darüber nachgedacht, die Ozeane als Ener-

giequellen zu nutzen.

Ich glaube, was in Japan passiert ist, darf

trotz aller Tragik nicht dazu führen, dass wir

ausschließen, dass sich der Mensch ganz

neue Energiequellen erschließen kann.

Wenn wir von vornherein davon ausgingen,

dass es auf der Welt keine anderen als die

bisher bekannten Ressourcen gibt, käme dies

einer Beschränkung auf Plan A gleich. Ich

hoffe, Sie können nachvollziehen, dass mir

bei diesem Gedanken nicht ganz wohl ist.

Aber möglicherweise habe ich Sie ja missver-

standen. Vielleicht können Sie daher noch

einmal auf diese Frage eingehen. Sollten Sie

jedoch bei Ihrer Auffassung bleiben – und

damit womöglich auch noch recht behalten –

befänden wir uns in einer gigantischen

Kalamität.

Prof. Welzer

Ich fürchte, ich habe recht, Herr Prof. Stolte:

Wir befinden uns tatsächlich in einer äußerst

misslichen Lage. Lassen Sie mich daher prä-

zisieren, was ich mit dem Beispiel Fukushima

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nördlich ein zweites Atomkraftwerk

derselben Generation gibt, das man aber auf

einen 20 Meter hohen Sandsockel gesetzt

hat, weil man seit Jahrhunderten über Tsuna-

mis und Erdbeben Bescheid weiß. Diesem

Kraftwerk ist angeblich nichts passiert.

Das beantwortet nicht die Frage nach der

Verantwortbarkeit dieser Technologie für die

Zukunft, aber es zeigt, dass zumindest der

Optimismus in Bezug auf die Beherrschung

dieser Technik zu groß ist und es daher zu

Katastrophen wie der jetzigen kommen

kann.

Noch ein Wort zu einem weiteren Thema,

das Prof. Stolte erwähnt hat: das Thema der

Ressourcen und ihrer Endlichkeit. Es gibt

weltweit Wissenschaftler, die sagen, dass wir

eigentlich kein Ressourcenproblem haben für

die Versorgung der prognostizierten Milliarden

Menschen auf der Erde. Was wir haben, ist

erstens ein Verteilungsproblem und zweitens

eine Wasserverschwendung ungeheuren

Ausmaßes. 40 Prozent der Wasservorräte auf

der Welt versickern irgendwo, weil die Leitun-

gen kaputt sind und das Wasser deshalb gar

nicht dort ankommt, wo es gebraucht wird.

zuviel Energie und Material für absolut

sinnlose Dinge, die uns überdies meist nur

belasten.

Prof. Stolte

Das mag vielleicht für Europa gelten. Für

die Entwicklungs- und Schwellenländer kann

ich mir das nicht vorstellen. Wir werden

schon genug Probleme damit haben, den

Weg, den wir in Deutschland zu beschreiten

versuchen, auch auf europäischer Ebene poli-

tisch durchzusetzen. Es ist erkennbar, dass

es die Länder in Asien, Afrika und Südamerika

nicht schaffen werden. Wir werden an den

gleichen Fragen scheitern, an denen wir

schon in Kyoto oder Kopenhagen gescheitert

sind, denn diese Länder werden sagen: Jetzt,

da wir auf dem Weg sind, ebenfalls zu einem

Wohlstand zu kommen, wie Ihr ihn schon

seit Jahrzehnten genießt, wollt Ihr uns vor-

schreiben, die CO2-Emissionen zu begrenzen?

Wenn Ihr uns dafür bezahlt, ist das in Ord-

nung, wenn nicht, dann ist mit uns darüber

nicht zu reden.

Das ist das Problem, vor dem wir stehen,

und deshalb müssen wir über einen Plan B

nachdenken. Diesen haben Sie für Deutsch-

land beschrieben, aber ich kann mir nicht

vorstellen, wie er das Problem für die ganze

Welt lösen könnte.

Prof. Speer

Eigentlich möchte ich die Diskussion über

Atomenergie nicht fortführen, sonst kommen

wir heute nicht weiter. Zu den Ereignissen

in Japan möchte ich nur eines ergänzend

anmerken: Es gibt auch internationale Stim-

men, die sagen, dass die Japaner mit dieser

Technologie vor allem am Standort Fukushima

relativ fahrlässig umgegangen sind. Ich habe

gelesen, dass es 100 Kilometer weiter

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Dr. Spandau

Einen Bereich würde ich gerne noch einmal

ansprechen: Großereignisse wie Olympische

Spiele und Fußballweltmeisterschaften,

die mittlerweile gerne als Mega-Events abge-

tan werden. Herr Prof. Speer, Sie haben

heute über die Allianz Arena und die Chancen

gesprochen, die solche Großereignisse eröff-

nen. Planung, Standortwahl, Bürgerbegehren,

Bau, Eröffnung – in nur fünf Jahren. Ist Stadt-

entwicklung in Deutschland heute wirklich

nur noch in Zusammenhang mit solchen

Großereignissen möglich?

Prof. Speer

Das ist ein interessantes Thema, mit

dem ich mich sehr gerne beschäftige. Schon

als die Mauer noch stand, hatten wir mit

ersten Voruntersuchungen hinsichtlich einer

möglichen Bewerbung von Frankfurt um

Olympische Spiele begonnen. Ich bin ein

großer Freund politischer Diskussionen über

solche Großereignisse, weil ich das Gefühl

habe, dass allein schon die Bewerbung darum

in den Köpfen etwas bewirkt. Frankfurt

hat zwei Häfen und liegt an einem schönen

Fluss. Der Main war im Bewusstsein der

Frankfurter so gut wie nicht mehr vorhanden.

Entsprechendes gilt für die Energie, weil

der Ressourcenverbrauch auf der ganzen Welt

subventioniert wird, wenn auch in unter-

schiedlichem Maße.

Warum wurde in China beispielsweise noch

keine Ökostadt gebaut, obwohl es wunder-

schöne Pläne dafür gibt? Die Antwort lautet:

Weil die Energiekosten so niedrig sind. Es

geht nicht nur um die Frage der Erfindung

von neuen Technologien, sondern es geht

ganz wesentlich um die Frage der effizienten

Nutzung der Ressourcen und des Sparens.

Dabei geht es um eine Größenordnung von

gut 40 Prozent. Dass wir beides nicht aus-

reichend tun, ist weniger eine Frage der

Technologien als unseres Handelns, und das

wird ganz wesentlich von den Kosten und

damit vom Geld bestimmt.

Dr. Spandau

Also brauchen wir doch mehr Mut, damit

das Neue in die Welt kommt und wir bereit

sind, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Dr. Reimann-Dubbers

Vor wenigen Jahren hat Dr. Harry Lehmann,

heute Fachbereichsleiter beim Umweltbundes-

amt, eine Studie vorgelegt, der zufolge Japan

zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien

versorgt werden kann. Wir haben gewaltige

Möglichkeiten bei der Nutzung erneuerbarer

Energien. Es ist uns überhaupt nicht

bewusst, welche Chancen für die Schaffung

von Arbeitsplätzen allein bei der energe-

tischen Sanierung von Altbauten zur Ein-

sparung von Energie bestehen. Gegenwärtig

kratzen wir da bestenfalls an der Oberfläche

eines gewaltigen Potentials, das wir konse-

quent nutzen können und müssen.

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für Olympische Winterspiele täte auch

Bayern etwas für seine eigene Weiterent-

wicklung.

Dr. Spandau

Vielleicht bekommen wir durch die

Olympischen Winterspiele in München

sogar die Wiedervereinigung des Eng-

lischen Gartens hin.

Jochen Sandner

Herr Prof. Speer, das war eine Steil-

vorlage, besten Dank. Wir haben seit 1951

mit den Bundesgartenschauen alle zwei

Jahre dort ein Instrument für die Stadtent-

wicklung, wo tatsächlich die Bündelung

von privaten und öffentlichen Investitionen

im Rahmen eines Maßnahmenkatalogs auf

einen bestimmten Termin hin erfolgt.

Herr Gaffert, Sie wissen aus der Erfahrung

mit der Landesgartenschau, der kleineren

Schwester der Bundesgartenschau, wie

groß der Erfolg sein kann, denn mit diesem

Instrument können mit überschaubaren

Risiken Prozesse der Stadtentwicklung in

Gang gesetzt werden. In Köln prüfen wir

gerade, ob wir auf der Basis Ihres Master-

planes, Herr Prof. Speer, im Rahmen einer

Bundesgartenschau 2023 oder 2025

die Lücke im Grüngürtel würden schließen

können. Bis 2019 stehen die Städte für

Gartenschauen bereits fest, momentan wird

über 2021 verhandelt. Die Städte nutzen

dieses Instrument und wenn sie dabei

vernünftig vorgehen, kommen sie mit dem

Budget gut zurecht und rücken darüber

hinaus dank der Medienwirksamkeit des

Ereignisses nicht nur ins öffentliche Bewusst-

sein, sondern steigern auch noch ihr

eigenes Selbstbewusstsein.

Nur mit dem Gedanken „Frankfurt könnte

vielleicht mal …“ haben wir es geschafft, eine

Diskussion über die Häfen anzuzetteln,

und das nicht nur in der Stadt selbst, son-

dern im ganzen Umfeld.

Es stellte sich heraus, dass jede mittelgroße

Stadt der Region längst damit begonnen hatte,

einen Containerhafen zu bauen, den niemand

benötigte. Mittlerweile ist der Frankfurter

Westhafen ein wunderschön gemischt bebau-

ter Bereich mit allem, was dazugehört.

Inzwischen bin ich der Meinung, dass demo-

kratische Länder solche Großereignisse als

Vehikel brauchen, weil damit ein Enddatum

feststeht, an dem ein Projekt fertig sein

muss.

Andernfalls neigen unsere Städte dazu,

alles in die Zukunft zu verschieben. So macht

sich Mannheim seit zwei Jahren Gedanken

über eine Bewerbung um den Titel „Euro-

päische Kulturhauptstadt“ – obwohl man noch

gar nicht weiß, wann man sich bewerben

würde. Ob jemals etwas daraus wird, ist im

Prinzip egal, aber wenigstens eine Diskussion

darüber ist in Gang gesetzt worden.

Ganz im Hintergrund waren wir auch an

der Bewerbung Münchens um die Olym-

pischen Winterspiele beteiligt. Am Sonntag

wird es dazu in Garmisch einen Bürger-

entscheid geben. Und gestern stand in der

Zeitung, dass es in München ohne die Olym-

pischen Spiele wohl keine zweite U-Bahn-

Stammstrecke geben werde, die seit 20

Jahren in Planung ist. Bewerbungen für

Großereignisse wirken sich also nicht

nur positiv aus auf die Diskussion über die

Entwicklung einer Stadt, sondern auch auf

die eines Landes aus, denn als Gastgeber

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Doch zurück zu Ihrer Frage: Ich glaube

trotzdem, dass es auch ohne Großereignisse

funktioniert. Im vorigen Jahr haben wir

uns beim Wettbewerb der Deutschen Umwelt-

hilfe um die Auszeichnung „Bundeshaupt-

stadt des Klimaschutzes“ beworben und sind

als Sieger daraus hervorgegangen. Bei diesem

Wettbewerb gab es sechs Kategorien mit

jeweils sechs bis sieben Unterpunkten. Es

waren also etwa 50 Fragen zu beantworten.

Das Ergebnis für Freiburg war interessant,

denn wir waren in keiner einzigen Kategorie

die besten. Es gab also Städte, die in allen

klimaschutzrelevanten Bereichen besser

abgeschnitten haben.

Wir waren aber auch in keinem Bereich

schlechter als auf Platz sechs. Das bedeutet,

dass wir zwar einerseits sehr breit aufge-

stellt sind, andererseits aber noch viel von

anderen lernen können. Das Besondere ist,

dass wir alles machen, aber nichts auf

Weltniveau. Im Rahmen integrierter Stadt-

planung geht es also nicht unbedingt um

Leuchtturmprojekte, sondern um den

Gesamtansatz, das heißt um einen Wettbe-

werb um die besseren Ideen bei der Beant-

wortung der Fragen, wie sich möglichst

viele Häuser in möglichst kurzer Zeit klima-

gerecht sanieren lassen, welche Kosten

dabei entstehen, wie die Refinanzierung

aussieht und wieviel Energie dadurch

eingespart werden kann.

Wenn wir von heute auf morgen auf

erneuerbare Energien umschalten, kostet

das eine Menge Geld, aber wir zahlen

dann auch keine Ölrechnungen mehr.

Außerdem bedeutet es Investitionen

in das Handwerk, in lokale und regionale

Dr. Spandau

Herr Dr. Salomon, wie sähe Ihre Stadt

aus, wenn Sie eine solche Großveranstaltung

durchführen würden? Könnten Sie damit

Prozesse anschieben, die momentan so lange

diskutiert werden, bis es keiner mehr hören

kann?

Dr. Salomon

Wir hatten vor 25 Jahren in Freiburg eine

Landesgartenschau. Damals galt es, den Wes-

ten der Stadt zu entwickeln, und wir profi-

tieren noch heute davon. Seither besitzt

ein Wohnviertel ein richtiges Naherholungs-

gebiet – eine deutliche Aufwertung.

Es gibt in Freiburg inzwischen auch Über-

legungen, ob wir uns nicht für 2020 um den

Titel „Europäische Kulturhauptstadt“

bewerben sollten. Dabei wissen wir noch

nicht einmal, ob Deutschland 2020 überhaupt

zum Zuge kommt. Aber der Weg ist das

Ziel, selbst wenn wir es nicht erreichen

sollten. Allein die Bewerbung muss für jede

Kommune Vorteile mit sich bringen.

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Prof. Speer

Ich möchte das kurz ergänzen. Wir arbei-

ten seit vielen Jahren mit Siemens zusam-

men, einem Weltkonzern, der in der

Vergangenheit absolut sektoral und mono-

funktional aufgestellt war und dessen

unterschiedliche Bereiche U-Bahnen oder

Küchen, Medizingeräte oder Handys gebaut

haben. Zwischen diesen Sektoren gab es

kaum Vernetzungen. Nun haben wir heute

davon gesprochen, wie notwendig es ist,

Vernetzungen und Kreisläufe herzustellen

und gemeinsam Entwicklungen voranzu-

treiben. Siemens geht genau in diese Nische,

indem der Konzern alles bündelt, was mit

Städten zu tun hat.

Dr. Spandau

Meine Damen und Herren, wir müssen

pünktlich fertig werden. Ich habe es ver-

sprochen. Als Resümee unserer spannenden

Diskussion ziehe ich den Schluss, dass

sich die Stadt der Zukunft gar nicht so sehr

von unseren heutigen Städten unterscheiden

dürfte.

Jedenfalls wird an der Stadt der Zukunft

schon heute gebaut. Konzepte für energe-

tische Altbausanierung oder energieoptimier-

tes Bauen sind dafür ebenso notwendig wie

die Änderung gewohnter Verhaltensweisen.

Nur so kann sie sich bis zur Mitte des

21. Jahrhunderts zu einer Hightech-Öko-

Stadt mit verdichteten, fast dörflichen

Wohnstrukturen bei großer architektonischer

und sozialer Vielfalt entwickeln. Allein

Städte, die sich ökonomisch wie ökologisch

auf die Anforderungen von morgen einstel-

len, haben Zukunft.

Arbeitsplätze und die Wirtschaft im

allgemeinen. Prof. Welzer hat recht: Man

muss Erfolgsgeschichten erzählen und

dabei die positiven Aspekte deutlich heraus-

stellen, damit die Menschen Anreize bekom-

men, selbst Teil dieser Geschichte zu

werden.

Sebastian Knauer

Das Thema unserer Tagung ist die Stadt

von morgen. Der Siemens-Konzern hat daraus

ein eigenes Geschäftsfeld gemacht. Ist das

Programm „Green City“ daher nicht vielleicht

doch eher ein „green washing“? Ist die Ent-

wicklung der Städte wirklich ein ernstzuneh-

mender Ansatz, die Welt umzubauen?

Prof. Welzer

Ich kann nicht beurteilen, welche Absichten

Siemens damit wirklich verfolgt. Grundsätz-

lich halte ich es aber für einen ernstzuneh-

menden Ansatz. Die Perspektive des Umbaus

unserer Städte ist mit Sicherheit für viele

Firmen lukrativ. Das sieht man an zahlrei-

chen Unternehmen, die bereits vor 20 Jahren

über Nachhaltigkeit nachgedacht haben und

heute sehr gut dastehen. Sie haben beispiels-

weise in Bezug auf Technologien und der

Veränderung der Wertschöpfungsketten heute

sehr viel mehr Erfahrung als viele andere,

die das nicht getan haben und die es daher

zum Teil nicht einmal mehr gibt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass es für die

Mitarbeiter dieser Betriebe interessant ist,

in ihnen zu arbeiten. Mittelfristig beweist

der Markterfolg, dass es sehr intelligent

ist, neu zu denken. Das kann man auch als

Wettbewerbsvorteil bezeichnen.

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D I S K U S S I o N D E S T A G U N G S T H E M A S

für uns alle darstellt und die Lösung der

Probleme, vor der unsere Städte stehen,

einer intensiven, eng vernetzten Kommuni-

kation zwischen allen Beteiligten und

Betroffenen bedarf.

In diesem Sinne danke ich allen Referen-

ten für ihre so lehr- wie kenntnisreichen

Beiträge. Sie haben uns viele Anregungen

gegeben und wir werden vieles davon

mitnehmen und in praktisches Handeln

umsetzen.

Ich danke Ihnen allen für Ihre Teilnahme.

Wir waren gerne Ihre Gastgeber und würden

uns freuen, wenn Sie sich wohlgefühlt

haben. Gerne begrüßen wir Sie am 3. und 4.

Mai 2012 zu den dann 16. Benediktbeurer

Gesprächen der Allianz Umweltstiftung

wieder hier im Zentrum für Umwelt und

Kultur.

Die Stadt der Zukunft ist kompakt. In

ihr werden die vielfältigen Formen und

Funktionen des urbanen Lebens zusammen-

geführt: Sie ist gekennzeichnet durch

kurze Wege von der Wohnung zum Arbeits-

platz wie in die Stadtteilzentren.

Nur dann wird die Stadt der Zukunft mit

den Herausforderungen durch die demogra-

phische Entwicklung, den Trend zur Indi-

vidualisierung und den damit verbundenen

Wandel der traditionellen Familienstruktur

fertigwerden können, wenn sie von allen

Menschen gemacht wird und nicht nur von

Ingenieuren, Technikern, Politikern und

Zukunftsforschern.

Die Stadt der Zukunft wird global ver-

netzt sein und aktiv an der Lösung globaler

Probleme mitwirken.

Meine Damen und Herren, wir sind am

Ende unserer Diskussion, aber damit ist die

Diskussion über die Stadt der Zukunft

natürlich noch längst nicht beendet. Ich

denke, das hat auch keiner von Ihnen erwar-

tet. Was wir jedoch von unseren heutigen

Gesprächen mitnehmen können, ist, dass

die Thematik eine riesige Herausforderung

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Benediktbeurer Gesprächeder Allianz Umweltstiftung 2011

„Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“

Disk

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