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Direkte iterative Rekonstruktion von computertomographischen Trajektorien (DIRECTT) Axel LANGE, Manfred P. HENTSCHEL, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin Kurzfassung. Der neuartige computertomographische Rekonstruktions- Algorithmus DIRECTT verwendet eine iterative Prozedur, bei der über die projizierte Trajektorien ausgewählter Volumenelementen gemittelt wird. Durch die Vermeidung der Filterung tritt die damit verbundene Unschärfe der Rekonstruktion (Abtast-Theorem) nicht auf. Allerdings ist eine erheblich höherer Rechenzeit erforderlich. Die vorerst 2-dimensionalen Rekonstruktionen haben zumindest die Ortsauflösung des Detektors. Die Projektionswinkel können beliebig gewählt werden. Auch die begrenzte Objektrotation führt zu guter Detailrekonstruktion. Projektionen von Teilbereichen des Objektes können ohne zusätzliche Artefakte rekonstruiert werden. Die Qualität der Rekonstruktion kann bei jedem Iterationsschritt überwacht und den Erfordernissen entsprechend vorgewählt werden. Die Eigenschaften des neuen Algorithmus werden anhand von Modellrechnungen dargestellt. 1. Einführung In der medizinischen Diagnostik und Materialforschung werden durch Computerto- mographie Querschnittsbilder der inneren Struktur aus radiografischen Projektionen erzeugt. Im klassischen Verfahren wird dazu die gefilterte Rückprojektion der Pro- jektionsdaten berechnet [1]. Dies erfordert die Bestrahlung des Objektes unter vielen Winkeln einer vollen Rotation oder wenigstens 180° im Fall der Parallelstrahl-Projektion. Die gefilterte Rückprojektion, auch dreidimensional (Feldkamp [2]), ist seit einigen Jahrzehnten Stand der Technik. Im Falle starker Vergrößerung ist meist eine volle Rotation unter vielen Winkeln notwendig. Die Tomographien sind etwas unscharf wegen der unvermeidbaren Mittelung im Ortsraum, bzw. Frequenzfilterung im Fourier-Raum (Nyquist-Theorem [3]) Die korrekte Abbildung von Teilbereichen erfordert die Bestrahlung (und Rekonstruktion) des ganzen Objektes. Um diese Nachteile zu vermeiden, wurde ein neuer Algorithmus ohne Fourier-Filterung entwickelt. Er basiert auf der iterativen Analyse der Projektionsdaten als Sinogramme [4]. Der neue iterative Algorithmus erzeugt eine tomographische Rekonstruktion mit Detektorauflösung oder besser. 2. Rekonstruktionsprinzip Bei der Parallelstrahl-Projektion (als Vereinfachung) werden die dominanten sinusartigen Projektionen der Trajektorien- von Probenelementen ausgewählt, entweder aufgrund Ihres Mittelwertes oder ihres Kontrastes (Abb.1). Jede Sinusbahn korrespondiert zu exakt einem DGZfP-Jahrestagung 2007 - Vortrag 88 1

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Direkte iterative Rekonstruktion von computertomographischen Trajektorien

(DIRECTT)

Axel LANGE, Manfred P. HENTSCHEL, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin

Kurzfassung. Der neuartige computertomographische Rekonstruktions-Algorithmus DIRECTT verwendet eine iterative Prozedur, bei der über die projizierte Trajektorien ausgewählter Volumenelementen gemittelt wird. Durch die Vermeidung der Filterung tritt die damit verbundene Unschärfe der Rekonstruktion (Abtast-Theorem) nicht auf. Allerdings ist eine erheblich höherer Rechenzeit erforderlich. Die vorerst 2-dimensionalen Rekonstruktionen haben zumindest die Ortsauflösung des Detektors. Die Projektionswinkel können beliebig gewählt werden. Auch die begrenzte Objektrotation führt zu guter Detailrekonstruktion. Projektionen von Teilbereichen des Objektes können ohne zusätzliche Artefakte rekonstruiert werden. Die Qualität der Rekonstruktion kann bei jedem Iterationsschritt überwacht und den Erfordernissen entsprechend vorgewählt werden. Die Eigenschaften des neuen Algorithmus werden anhand von Modellrechnungen dargestellt.

1. Einführung

In der medizinischen Diagnostik und Materialforschung werden durch Computerto-mographie Querschnittsbilder der inneren Struktur aus radiografischen Projektionen erzeugt. Im klassischen Verfahren wird dazu die gefilterte Rückprojektion der Pro-jektionsdaten berechnet [1]. Dies erfordert die Bestrahlung des Objektes unter vielen Winkeln einer vollen Rotation oder wenigstens 180° im Fall der Parallelstrahl-Projektion. Die gefilterte Rückprojektion, auch dreidimensional (Feldkamp [2]), ist seit einigen Jahrzehnten Stand der Technik. Im Falle starker Vergrößerung ist meist eine volle Rotation unter vielen Winkeln notwendig. Die Tomographien sind etwas unscharf wegen der unvermeidbaren Mittelung im Ortsraum, bzw. Frequenzfilterung im Fourier-Raum (Nyquist-Theorem [3]) Die korrekte Abbildung von Teilbereichen erfordert die Bestrahlung (und Rekonstruktion) des ganzen Objektes. Um diese Nachteile zu vermeiden, wurde ein neuer Algorithmus ohne Fourier-Filterung entwickelt. Er basiert auf der iterativen Analyse der Projektionsdaten als Sinogramme [4]. Der neue iterative Algorithmus erzeugt eine tomographische Rekonstruktion mit Detektorauflösung oder besser.

2. Rekonstruktionsprinzip

Bei der Parallelstrahl-Projektion (als Vereinfachung) werden die dominanten sinusartigen Projektionen der Trajektorien- von Probenelementen ausgewählt, entweder aufgrund Ihres Mittelwertes oder ihres Kontrastes (Abb.1). Jede Sinusbahn korrespondiert zu exakt einem

DGZfP-Jahrestagung 2007 - Vortrag 88

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Element der Rekonstruktionsmatrix (Bildpixel). Teile des Mittelwertes oder Kontrastes werden in der Rekonstruktionsmatrix addiert. Diese vorläufige Rekonstruktion wird in ein Sinogramm projiziert und von der Originalmessung subtrahiert. Das so erhaltene Rest-Sinogramm wird nun iterative behandelt wie der ursprüngliche Datensatz. Sobald das Gewicht des Restsinogramms nach genügend Iterationen klein genug ist, enthält die Rekonstruktion nahezu die gesamte Probeninformation. Integral und Varianz des Rest-Sinogramms sind somit Qualitätsindikatoren. Der Hauptvorteil des neuen Algorithmus liegt in der scharfen Abbildung mit der Auflösung der Detektorelement-Größe.

Abb. 1. Prinzip der iterativen Rekonstruktion in Einzelschritten

3. Modellierung vollständiger Datensätze

Zu Testzwecken wird mit einem C-Programm auf einem Standard-PC eine Modell-Struktur, mit verschiedenen Dichten und Mustern (Abb. 2, links) rekonstruiert. Dazu werden Sinogramme der Absorptionskoeffizienten (weiterhin als „Dichte“ bezeichnet) aus Parallelstrahl-Projektionen erzeugt, die als simulierte Messung dienen. Die konventionelle Fourier-gefilterte Rückprojektion wird als Referenz-Bild erzeugt (Abb. 2, Mitte). Nach 200 Iterationen sind Rekonstruktion und Originalmodell visuell identisch (Abb. 2, rechts).

Modell mit 128 x 128 Pixeln

Dichten: 2,0; 1,3 und 0,7

Fourier-gefilterte Rückprojektion

Rechenzeit ~3 sec

DIRECTT-Rekonstruktion,

200 Iterationen Rechenzeit ~3 min

Abb.2. Modell, Fourier-gefilterte Rückprojektion und DIRECTT-Rekonstruktion

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Die DIRECTT-Rekonstruktion zeigt exakt die Auflösung der simulierten Detektor-Pixelgröße (Abstand). Der Vergleich zeigt, dass die lineare Auflösung der konventionellen Rekonstruktion etwa 2-mal geringer ist und die Grauwerte um einige Prozente falsch. Die Qualität der DIRECTT-Rekonstruktion steigt mit der Anzahl der Iterationen, wie in Abb. 3 dargestellt. Nach 125 Iterationen (unten links) ist die visuelle Qualität bereits besser als die der konventionellen Rekonstruktion.

Abb. 3. Verlauf der DIRECTT Rekonstruktion in Stufen von 25 Iterationen

Die Information über die Qualität der Rekonstruktion ist im Rest-Sinogramm enthalten, das nach jedem Iterationsschritt entsteht. Die einfachsten dafür geeigneten Parameter sind Mittelwert (Gewicht) und Varianz. Der verbleibende Mittelwert gibt die Restmasse an und die Varianz die verbleibende Feinstruktur. Der Verlauf beider Parameter wird während der Iteration aufgezeichnet (Abb. 4) und damit die Rekonstruktionsqualität überwacht und gegebenenfalls eingestellt.

Abb.4. Protokoll der Rekonstruktionsqualität (von Abb.3); Mittelwert und Varianz des Rest-Sinogramms über der Anzahl der Iterationszyklen.

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Wenn alle Gewichte in einem Iterationszyklus rekonstruiert werden, entsteht ein stark verschmiertes Bild, das der ungefilterten Rückprojektion entspricht (Abb. 5, links). Werden ausschließlich alle Kontraste in einem Zyklus abgelegt, entsteht jedoch ein hochkontrastiertes Kantenabbild des Objektes, das masselos ist (Abb. 5 rechts).

Abb 5. DIRECTT –Rekonstruktionen in einem Iterationschritt (ohne Auswahl der Spuren); links: alle Gewichte; rechts: alle Kontraste

4. Modellierung unvollständiger Datensätze

Ein weiterer Vorteil von DIRECTT nutzt die Möglichkeit, Projektionen unter beliebigen Winkeln vorteilhaft zu rekonstruieren. Abb.6 zeigt die Rekonstruktion aus einer reduzierten Anzahl von Projektionen (15 Projektionen mit 12°- Intervallen, 30 x 6° und 60 x 3°, jeweils konventionell (oben) und mit DIRECTT (unten). Die typischen Streifen-Artefakte entstehen nicht und die Details sind schärfer abgebildet.

Abb. 6: Rekonstruktion aus 15, 30 und 60 Projektionen; oben: konventionell; unten DIRECTT

Ein anderer Fall unvollständiger Projektionen betrifft einen begrenzter Winkelbereich. Dies ist relevant für Anwendungen mit behinderter Probenrotation. Abb. 7 zeigt eine solche Rekonstruktionsserie im Vergleich von konventioneller Rekonstruktion (oben) mit DIRECTT (unten). Der Winkelsektor wurde variiert von 60° bis 170°. Der DIRECTT-

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Algorithmus reduziert Artefakte und zeigt gute Detailrekonstruktion ab einem Bereich von 90°. Die Dichtewerte in homogenen Bereichen passen besser zum Original.

. Sektor: 60° 90° 120° 150° 170°

Abb. 7: Rekonstruktionen aus Projektionen beschränkter Sektoren; oben: konventionell, unten: DIRECTT

Eine weitere vorteilhafte Eigenschaft von DIRECTT besteht darin, selektiv nur einen Teilbereich der Probe (ROI) ohne die bekannten Nachteile der Fourier-gefilterten Rückprojektion zu rekonstruieren. Dies ist interessant für die vergrößernde Abbildung von Objekt-Details oder auch, um in medizinischen Anwendungen die Strahlendosis durch Beschränkung auf ein Teilobjekt insgesamt niedrig zu halten. Abb. 8 demonstriert die Fähigkeit von DIRECTT, die Dichte und strukturelle Details im gewählten Teilbereich präzise zu rekonstruieren, ohne das gesamte Probenvolumen zu bestrahlen.

Abb. 8: Rekonstruktion aus Teilbestrahlung; links: Modell und selektierter Bereich, rechts: Rekonstruktionen

des Teilbereichs mit DIRECTT und konventionell

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5. Sub-Detektor-Auflösung

Aufgrund seines präzisen Rekonstruktionsansatzes bietet DIRECTT eine höhere Ortsauflösung als die des virtuellen Detektors in der Drehachse, falls dieser überwiegend die Auflösung der Projektionen bestimmt (wie bei Parallelstrahl oder bei geringer Vergrößerung). Dies wird mit einem Rekonstruktionsprogramm für die Fächerstrahlgeometrie demonstriert, das auf ein Modell mit homogenen Bereichen und Strukturen mit einem Dichtegradienten angewandt wurde (Abb. 9, links). Nach einer 2-Pixel-Detektor-Zusammenfassung (Binning, Abb. 9, Mitte) wurde die Rekonstruktion mit der Feldkamp- und DIRECTT-Methode durchgeführt (Abb. 9, Mitte rechts, rechts). Die Feinstruktur-Rekonstruktion der Pixelmatrix hat eine 4-fach höhere Ortsauflösung im Vergleich zur Feldkamp-Rekonstruktion.

Abb. 9. Sub-Detektor Auflösung; Modell mit 2 x 3 Gitter, Sinogram nach 2-fach-Binning, Ausschnitte aus Feldkamp-Rekonstruktion und DIRECTT-Algorithmus (v.l.n.r)

Dies wird mit einem einfacheren 5-Punkte-Modell (Abb. 10, oben links) und einer im Vergleich dazu 4-fach gröberen Detektorauflösung fortgesetzt. Während die Fourier-gefilterte Rückprojektion eine wolkige Rekonstruktion an der richtigen mittleren Position erzeugt, kann die DIRECTT –Methode deutlich die Einzelelement auflösen (Abb. 10, oben rechts).

Zusätzlich wurde eine Brennfleckverschmierung (Profil in Abb. 10, unten links) durchgeführt. Die Teil-Sinogramme der Originalprojektion, der Projektion mit 4-fach Binning und mit zusätzlicher Brennfleckverschmierung sind in Abb. 10, unten rechts dargestellt.

Wenn die Brennfleckverschmierung durch Messung bekannt ist, kann diese berücksichtigt werden, um damit bessere Ergebnisse zu erhalten. Die DIRECTT-Rekonstruktion (Abb. 10, unten) zeigt nur geringfügige Qualitätsverluste. Die erhaltene Ortsauflösung ist hier bis zu 64 mal besser als die der Fourier-gefilterten Rückprojektion.Der Detektor wurde hier als Ideal angesehen. Die dazu notwendigen 80 Iterationen werden durch das hervorragende Ergebnis gerechtfertigt.

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Abb. 10. Simulation der 4-fachen Detektor-Pixel-Auflösung (oben) und

der zusätzlichen Entschmierung von der Brennfleckverbreiterung (unten)

6. Binäre Rekonstruktion für „Limited View“ -Projektionen In Abb. 11 ist eine binäre Rekonstruktion eines Dreieckmodells aus einem begrenzten Projektionsdatensatzes von nur 90 Grad dargestellt. Sowohl mit der gefilterten Rückprojektion als auch mit nur einer Iteration (DIRECTT) ist die Rekonstruktion der nicht parallel bestrahlte Kante gewöhnlich nicht möglich (Abb. 11, oben rechts, unten links). Dies gelingt jedoch iterativ bei Verwendung einer vorab geschätzten diskreten Dichte (Abb. 11, unten rechts).

Abb. 11. Binäre Rekonstruktion für „Limited View“ -Projektionen

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7. Zusammenfassung

Die gezeigten Modell-Rekonstruktionen wurden alle mit einer kontrollierten Kombination aus Dichte- und Kontrastauswahl und wiederholter Artefaktreduktion (hier nicht beschrieben) durchgeführt. In allen Fällen ist der Qualitätsgewinn gegenüber der konventionellen Rekonstruktion offensichtlich. Die Ortsauflösung der Detektorpixel wurde unter allen Testbedingungen erreicht oder wesentlich übertroffen. Zusätzliche Vorteile sind bei der Korrektur mit realen Detektoreigenschaften zu erwarten, ebenso bei spezieller Behandlung von anisotropen Probeneigenschaften (hier nicht vorgestellt), da bei dem Iterationsprozess alle Phasenwinkel des Sinogramms individuell adressierbar sind. Die Wahl einer geeigneten Startlösung ist ebenfalls möglich. Damit kann eine Bildverbesserung von konventionellen Ergebnissen erzielt werden. Für 3-D-Datensätze ist der DIRECTT-Algorithmus nicht auf eine schichtweise Rekonstruktion begrenzt, da auch die elliptischen Projektionen der Trajektorien von Massenpunkten außerhalb der Zentralebene simultan rekonstruiert werden können. Die DIRECTT kann auf Messdaten von beliebigen Probenbewegungen angewandt werden, wenn diese Translation und Rotation enthalten.

Referenzen

[1] A.C. Kak, M. Slaney, Principles of computerized tomographic imaging, IEEE Press (1988) ISBN 0-87942-198-3

[2] L. A. Feldkamp, L.C. Davis, J.W. Kress, Practical cone-beam algorithm, J. Opt. Soc. Am., A, 1 (1984) 6, p. 612

[3] H. Nyquist, Certain topics in telegraph transmission theory, Trans. AIEE, 47 (1928) pp. 617- 644 [4] Patentanmeldungen DE 103 07 331.0 (2003) and PCT/EP2004/00135

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