die zukunft des web 2.0

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Page 1: Die Zukunft Des Web 2.0

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Soziale Netzwerke

Nutzer im Web führt zu einem verstärk-ten Aufkommen von sozialen Web-Plattformen, welche eine große Menge an Daten über und von ihren Nutzern sammeln.

Auf sozialen Web-Plattformen werden die Daten in Selbstorganisation und freiwillig durch die Nutzer bereitgestellt. Was jedoch Extraktion, Wiederver-wendung oder Verknüpfung dieser Daten zwischen unterschiedlichen Platt-formen angeht, stoßen die Anwender schnell an die Grenzen des derzeitigen Web 2.0. So fühlen sich Nutzer frus-triert und äußern eine soziale Netz-werkmüdigkeit (social network[ing] fa-tigue), weil sie dieselben Schritte, wie Registrierung, Login, Hochladen von Inhalten, Erstellung des Nutzerprofils, Verlinken von Freunden oder die Er-stellung und zeitintensive Pflege ihres virtuellen sozialen Netzwerks, immer wieder von Neuem durchführen müs-sen. So hat der A-Blogger Robert Scoble auf seinem Weblog berichtet, wie er nach dem Versuch, sein virtuelles Freun-desnetzwerk über ein kleines Programm zu exportieren, von Facebook aufgrund eines Verstoßes gegen die AGB gesperrt wurde. [2] Sein diesbezüglicher Blog-Eintrag sorgte für großes Aufsehen so-wie Widerhall im Web und betonte den Wunsch der Nutzer nach mehr Inter-operabilität – also der Möglichkeit, zwi-schen unterschiedlichen Plattformen Informationen auszutauschen.

Von Insellösungen zur Interoperabilität

Die derzeit noch fehlende Interoperabilität zwischen Web-Plattformen ist nicht un-

im Web stetig zu. Ein neuer Nutzertyp, der Produser tritt verstärkt an die Stelle von institutionalisierten Content-Pro-duzenten, wie der klassischen Medien-industrie. Diese Entwicklung kann als eine natürliche Evolution des Webs an-gesehen werden. Eine Vereinfachung in der Benutzerführung, durch fortschrei-tende technische Entwicklung ermög-licht, bringt immer mehr User dazu, im Web zu interagieren und elektroni-sche Spuren zu hinterlassen. Moderne Web-2.0-Anwendungen á la Facebook, Mindmeister, Youtube oder Wikipedia zeigen, wie Wissen im Web freiwillig und weitgehend selbst organisiert durch die Know-how-Träger bereitgestellt wird, und eröffnen neue, bisher nicht erwartete Möglichkeiten der Wissens-teilung. Die Extraktion dieser Muster und Strukturen aus dem Web 2.0 könn-te eine Revolution für das Wissens-management darstellen.

Vom Social Web zur sozialen Netzwerkmüdigkeit

Im Grunde genommen sind Web-2.0-Anwendungen sozio-technische Syste-me. Die soziale Komponente definiert sich über das veränderte Verhalten der Anwender, d.h. ihre Fähigkeit, sich im Web zu sozialisieren, Knoten in virtuel-len sozialen Netzwerken darzustellen und sich mit Gleichgesinnten zu Online-Communities zu formieren. Die tech- nische Komponente besteht in den Anwendungen und Technologien selbst. Die fortschreitende Sozialisierung der

Durch Web 2.0 verlagert sich der Schwerpunkt im Web auf nutzerge-nerierte Inhalte. Diese entstehen zum Großteil in den immer be- liebter werdenden sozialen Web-Plattformen. Sind Nutzer gleich auf mehreren solcher Plattformen aktiv, müssen sie bestimmte Vorgänge andauernd wiederholen. In der Überwindung einer daraus entste-henden „Sozialen Netzwerkmüdig-keit“ und dem Erreichen von Inter-operabilität durch Verknüpfung von Daten zwischen Plattformen liegt die Zukunft des Webs. Wäh-rend diesbezügliche Initiativen wie OpenSocialWeb eher Bottom-up durch die Community getrieben sind, pushen Projekte wie Linked-OpenData unter der Patronanz des W3C, Top-down gesteuert, semanti-sche Technologien.

Vom Consumer zum Produser

Als der Begriff Web 2.0 im Jahre 2004 von Tim O’Reilly und Tim Dougherty geprägt wurde, war noch nicht abseh-bar, welch enormes Ausmaß an Auf-merksamkeit er in den Folgejahren in der Web-Community erreichen würde. Durch das Studium des Webs stellte O’Reilly einen Wandel fest, den er mit Hilfe von Prinzipien und Entwurfsmustern für Web 2.0 Anwendungen in seinem Essay [1] beschrieb.

Kurz gesagt nimmt die Menge an durch Nutzer selbst erstellten Inhalten

Alexander Stocker, Anita Wutte, Klaus Tochtermann

Die Zukunft des Web 2.0?Das Web der Zukunft baut auf •Cross-Plattform-Aspekten.Interoperabilität und Verknüp-•fung von Daten zwischen Web-Plattformen rücken in den Vor-dergrund.Werden Semantic-Web-Projekte •wie „LinkedOpendData“ im Inter-operabilitätsstreit die Oberhand gewinnen?

Kurz gefasst:

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Bottom-up durch die Community ge-startete Initiativen versuchen die soziale Entwicklung der Web-schwächenden Hindernisse zu beseitigen. Zu diesen zählen etwa DataPortability [3], Open-SocialWeb [4] oder das verstärkt von Google-Mitarbeitern getriebene Open-Social: [5]

DataPortability ist ein 2007 gestarte-•tes Projekt, welches sich dem Aus-tausch von Daten zwischen Platt-formen widmet. Dabei herrscht in der Projektgruppe die Philosophie, dass Nutzer die Kontrolle über ihre Daten behalten sollen, indem sie bestimmen können, wie und wofür ihre Daten genutzt werden. OpenSocialWeb ist ein 2007 verfass-•tes Manifest, welches den Nutzern von sozialen Plattformen im Web bestimmte fundamentale Rechte zu-sichern will. Dazu gehört das Besitz-recht der persönlichen Informa-tionen sowie die Kontrolle, ob und wie diese geteilt werden dürfen. Außerdem soll der Nutzer den Zu-griff anderer Plattformen auf seine

Web-Services entstehen) und APIs (Programmierschnittstellen für Web-Anwendungen). Ebenfalls zählt die Auswirkung von Interoperabilität zwischen Plattformen auf die beste-henden Geschäftsmodelle der Plattf-ormbetreiber zu den betreiberbezo-genen Aspekten. Datenbezogene Aspekte sind bei-•spielsweise DataPortability (Portabi-lität von Daten zwischen Plattfor-men), Synchronisation von Informa-tionen zwischen Plattformen, Social Network Portability (Abgleich von sozialen Graphen zwischen Platt-formen) und die Diffusion (ungeziel-te Verbreitung) von Informationen über Plattformen hinweg.

Was das Finden von Lösungen für Cross-Plattform-Aspekte betrifft, treffen nun Web-2.0-typische, von engagierten Ver-tretern aus der Industrie getriebene, Bottum-up-Initiativen auf Top-down-Strategien der Semantic Web Community und des W3C, dem Gremium zur Stan-dardisierung der im Web verwendeten Technologien.

begründet. Plattformbetreiber und Nut-zer müssen sich einer Vielzahl an unter-schiedlichen technischen und sozialen Herausforderungen stellen, welche sich unter dem Begriff Cross-Plattform-Aspekte subsumieren lassen:

Nutzerbezogene Aspekte beziehen •sich beispielsweise auf das persönli-che Identitätsmanagement, Privacy (Datenschutz) oder Cross Platform Trust. Cross Platform Trust würde z.B. einem eBay-Nutzer ermögli-chen, sein bisher erhaltenes Level an Vertrauen durch die Bewertung von Transaktionen auf anderen Platt-formen zu berücksichtigen.Betreiberbezogene Aspekte behan-•deln Themen wie Application Port-ability (also die Bereitstellung von Web-Anwendungen über Plattfor-men hinweg), Web Services (Soft-ware Anwendungen, welche durch eine URI – Uniform Resource Iden-tifier – eindeutig identifizierbar und lokalisierbar sind), Mashups (Infor-mationsprodukte, welche durch die Verknüpfung unterschiedlicher

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Soziale Netzwerke

Konferenz, welche, vom Know-Center und der Semantic Web Company veran-staltet, von 3. bis 5. September im Messecongress | Graz stattfindet.

Literatur:

[1] Tim O'Reilly (2005). What Is Web 2.0. Design

Patterns and Business Models for the Next

Generation of Software. http://www.oreillynet.

com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-

web-20.html

[2] http://scobleizer.com/2008/01/03/ive-been-

kicked-off-of-facebook

[3] http://www.dataportability.org

[4] http://opensocialweb.org

[5] http://code.google.com/apis/opensocial

[6] http://esw.w3.org/topic/SweoIG/TaskForces/

CommunityProjects/LinkingOpenData

[7] http://triplify.org/Challenge

[8] http://triple-i.tugraz.at

dern auch Privacy- und Security-Aspekte beachtet werden. Ethische Fragestel-lungen, wie die Verhinderung eines gläsernen Nutzers, wirken wie ein Damoklesschwert. Trotz aller Bedenken wird die weitere Evolution des Internets die noch effektivere Nutzung des Webs als Informationsmedium und Platz zur Sozialisierung ermöglichen. Zusätzlich werden Maschinen die Daten auf Websites automatisch verarbeiten kön-nen. Semantische Web Services nehmen dem Nutzer in Zukunft zeitraubende manuelle Tätigkeiten ab und unterstüt-zen ihn bei der Durchführung komple-xer Vorgänge, wie etwa der Planung einer individuellen Reise über das Web oder dem Anmelden eines Gewerbes im E-Government.

Cross-Plattform-Aspekte sind auch ein Schwerpunkt der diesjährigen TRIPLE-I-

kritischen Daten freigeben und je-derzeit auch verweigern dürfen.OpenSocial wurde 2007 von Google-•Mitarbeitern initiiert und definiert eine einheitliche Menge an Pro-grammierschnittstellen (APIs), wel-che für unterschiedliche soziale Web-Plattformen bereitgestellt wer-den. Portale, welche diese APIs ver-wenden, zeichnen sich untereinan-der durch mehr Interoperabilität aus und können dadurch besser zusam-menarbeiten.

Neben diesen eher pragmatischen Bottom-up Ansätzen existieren zahlrei-che Projekte, welche die (Weiter-)Entwicklung von Standards für das Semantic Web zum Ziel haben. Das Semantic Web ist aus der Sicht von Tim Berners Lee ein Web, in welchem Informationen in einer Art und Weise aufbereitet sind, dass Maschinen ihre Bedeutung (Semantik) interpretieren können.

Ein prominenter Top-down-Lösungsan-satz für Interoperabilität zwischen Platt-formen aus der Semantic-Web-Ecke ist das einflussreiche, unter der Patronanz von Tim Berners Lee stehende Projekt LinkingOpenData. [6] Ein Kernziel dieses Projekts besteht darin, ein Web von of-fenen, frei zugänglichen Daten zu er-schaffen, welche miteinander verknüpft werden können. Die mangelnde Ver-fügbarkeit eben dieser semantischen Daten, so genannter Triples – bestehend aus Subjekt, Prädikat und Objekt, ist ei-ne der größten Barrieren für ein Seman-tic Web. In Triplification Challenges [7] sollen aus relationalen Datenbanken möglichst viele Triples extrahiert wer-den, um das Web mit mehr Semantik anzureichern und so dem Semantic Web wieder einen Schritt näher zu kommen.

Fazit:

In der Zukunft des Webs wird es um die Interoperabilität zwischen Plattformen sowie um die verstärkte Vernetzung auf Datenebene gehen. Um das Web 2.0 auf die nächste Stufe emporzuheben, müssen nicht nur technische Heraus-forderungen gemeistert und kommerzi-elle Rahmenbedingungen erfüllt, son-

Die Autoren:

Mag. Alexander Stocker ist Betriebswirt und seit 2004 am Know-Center tätig. Er forscht im Rahmen seiner Dissertation, wie sich der Wandel durch Web 2.0 auf die Wissensarbeit(er) in und um Unternehmen auswirkt.

[email protected]

Mag. Anita Wutte ist Betriebswirtin und seit 2007 als Assistentin von Prof. Dr. Klaus Tochtermann am Know-Center tätig. Sie untersucht, welches Potenzial Web-2.0-Anwen-dungen und Technologien für die Unterstützung des Wis-senstransfers zwischen Organisationen besitzen.

[email protected]

Prof. Dr. Klaus Tochtermann arbeitet seit mehr als neun Jahren an verschiedenen anwendungsorientierten Forschungs-einrichtungen in Deutschland, Österreich und den USA zum Thema Wissensmanagement. Er ist Geschäftsführer und wis-senschaftlicher Leiter des Know-Center Graz, Österreichs Kompetenzzentrum für Wissensmanagement. Zudem hat Prof. Tochtermann einen Lehrstuhl für Wissensmanagement an der TU Graz und leitet das Institut für Vernetzte Medien bei JOANNEUM RESEARCH in Graz.

[email protected]