die zukunft der energie

120
Die Zukunft der Energie Texte von Monika Psenner exklusiv für Messe Bozen

Upload: fiera-bolzano

Post on 08-Apr-2016

221 views

Category:

Documents


5 download

DESCRIPTION

Die in dieser Broschüre enthaltenen Artikel geben einen Überblick über die derzeitige globale Energiesituation sowie einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung. Dabei werden folgende Themen erörtert: die Rolle der fossilen Energieformen Erdöl, Gas und Kohle, die zunehmende Wichtigkeit der Erneuerbaren Energien im globalen Energiemix und deren zukünftige Entwicklung, die starke Zunahme der Produktion nicht-konventioneller fossiler Energieformen, wie Schiefergas und Schieferöl, sowie das deutsche Projekt „Energiewende“, dessen Ziel es ist, auf eine Wirtschaft umzustellen, die auf erneuerbarer, nicht-nuklearer Energie basiert und den den Abschluss der Artikelserie bildet.

TRANSCRIPT

Die Zukunft der Energie Texte von Monika Psennerexklusiv für Messe Bozen

2

la

rs

.it

Internationale Fachmesse für energieeffizientesSanieren und Bauen

KLIMAHOUSE

Internationale Fachmesse der erneuerbarenEnergien

KLIMAENERGY

Internationale Fachmesse für nachhaltige Mobilität

KLIMAMOBILITY

Internationale Fachmesse der Zulieferer der Fenster-,Türen- und Fassadenbauer

KLIMAINFISSO

BOZEN | FLORENZ | COMO

www.messebozen.it | [email protected] BOZEN AG Messeplatz, 1 I-39100 BozenTel. +39 0471 516 000 | Fax +39 0471 516 111

Unser Beitrag für ein gutes Klima

3

Die „grüne“ Wirtschaft ist weltweit und auch in Italien im Aufschwung und der ökologische Gedanke beginnt sich in den Köpfen der Menschen zu verankern. Südtirol ist die Vorreiter-Region Italiens im Bereich der energetischen Nach-haltigkeit und deckt derzeit als einzige Region Italiens über 50 Prozent des Ei-genbedarfs an Energie mit erneuerbaren Energieträgern. Im Jahr 2002 entstand „KlimaHaus“, ein Konzept zur energeti-schen Gebäudezertifizierung; laut Gesetz müssen ab Juni 2017 alle in Südtirol neu errichteten Gebäude mindestens dem KlimaHaus-Standard A entsprechen; das bedeutet, dass der effektive Heizener-gieverbrauch unter 30kWh/ m² pro Jahr liegen muss. Die nördlichste Provinz Italiens fun-giert auch als Drehscheibe im Handel zwischen Nord und Süd. Dabei spielt der Messestandort Bozen aufgrund der Zweisprachigkeit und der überschauba-ren Größe eine bedeutende Rolle. Er ist der ideale Standort für Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, um auf dem italienischen Markt Fuß zu fassen. Erklärtes Ziel von Messe Bozen ist es, Fachmessen zu Themen zu organisieren, in denen Südtirol bzw. die Region sicht-bare Kompetenzen aufweist, Angebot und Nachfrage in geballter Form zusam-menzuführen und Messen in gewinnbrin-gende Märkte zu exportieren. Messe Bozen hat sich seit dem Probelauf der Fachmesse für energieeffizientes und nachhaltiges Bauen „Klimahouse“ im Jahr 2005 dem Thema der energeti-schen Nachhaltigkeit verschrieben. Mit Klimahouse, die inzwischen zur Leit-messe für energieeffizientes Sanieren und Bauen in Italien avanciert ist und jährlich über 40.000 Besucher in die mit 460 Ausstellern völlig ausgebuchten Messehallen nach Bozen bringt, wurde der Grundstein für eine beachtliche und äußerst erfolgreiche Klimamessen-Familie gelegt. Der überwältigende Erfolg von Kli-mahouse hat die Bozner Messe dazu bewogen, Tochterveranstaltungen dieser

Messe in Süd-, Mittel- und Norditalien durchzuführen: zuerst in Rom, danach in Bastia (Umbrien), jetzt in Bari (Apulien), Florenz und Como. Das Ziel ist, die Kul-tur des energieeffizienten und umwelt-freundlichen Bauens und Sanierens in Italien weiter zu verbreiten, da bezüglich der energetischen Gebäudesanierung in Italien ein enormes Potential besteht.Außerdem wurde das Angebot mit drei weiteren wichtigen Projekten erwei-tert: 2008 reihte sich die Fachmesse für erneuerbare Energien, „Klimaenergy“, in den Kalender der Messe Bozen ein, die sich an Unternehmer aus energieinten-siven Wirtschaftszweigen wie Industrie, Hotellerie und Handwerk sowie an Ver-treter der öffentlichen Hand richtet. Um den Kreis zu schließen und alle Bereiche der erneuerbaren Energien abzudecken, wird Klimaenergy seit 2011 von der Fach-messe für nachhaltige Mobilität „Klima-mobility“ begleitet. Und schließlich fiel 2013 der Startschuss für Klimainfisso, die italienweit einzige Fachmesse, die ausschließlich den Zulieferunternehmen der Fenster-, Türen- und Fassadenbauer gewidmet ist. Mit den sieben Fachmessen im Ener-giebereich wurde eine 360°-Plattform geschaffen, um einerseits Wirtschaft, öffentliche Hand, Forschung und Fi-nanzdienstleister zusammenzuführen und andererseits die Sensibilisierung im Bereich der umweltfreundlichen Themen in Italien voranzutreiben.Es liegt deshalb auf der Hand, dass uns das Thema Energie in all seinen Facetten äußerst interessiert. Einen Einblick in diese vielfältige Materie ermöglicht die vorliegende Broschüre mit 17 Fachbei-trägen aus der Feder einer Spezialistin par excellence: Monika Psenner, die ihr Berufsleben bei der OPEC sozusagen ausschließlich in den Dienst dieses fas-zinierenden Themas gestellt hat und uns darüber jetzt kompakt aber umfassend informiert.

Florian Schmittner Pressebüro Messe Bozen

Unser Beitrag für ein gutes Klima

Verlag

Messe Bozen AG 39100 Bozen Messeplatz 1

tel. +39 0471 516000fax +39 0471 516111

Internet

www.messebozen.it

e-maIl

[email protected]

PresserechtlIch VerantwortlIcher Reinhold Marsoner

redaktIon

Monika Psenner Florian Schmittner

lItho und druck

Ferrari - Auer

grafIk

Michelangelo Graphic Art

impressum

5

INHALTSVERZEICHNISEinleitung .....................................................................................................9

Weltweiter Energiebedarf: Ist-Situation und Zukunftsperspektiven ........ 11

Weltweite fossile Energieressourcen .........................................................17

Wie tief fällt der Erdölpreis noch? ............................................................ 23

Die Rolle der Erneuerbaren Energien im weltweiten Energiebedarf ...... 27

Energie aus Erdgas: Beitrag zu einer „sauberen“ Energieversorgung? ............................................................... 35

Die Schiefergas Revolution .......................................................................43

Erdöl: wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft ...........................49

Wie sehr bestimmt der Einsatz von Produkten, die aus Erdöl hergestellt werden, unser tägliches Leben? ..................... 57

Die zunehmende Wichtigkeit nicht-konventioneller fossiler Energien ...................................................63

Steuern auf Benzin, Diesel und andere Produkte aus Erdöl: eine lukrative Einnahmequelle für den Staat? ..........................................71

Kohle im Aufwind ....................................................................................... 75

Der Energiegigant Russland ......................................................................81

China im Wettlauf um Energie-Ressourcen .............................................89

Ist Atomstrom verzichtbar? .......................................................................95

Welche Rolle spielen internationale Ölgesellschaften im Energiesektor? .................................................................................... 101

Der Europäische Gasmarkt im Umbruch ................................................107

Die Energiewende ..................................................................................... 113

Verlag

Messe Bozen AG 39100 Bozen Messeplatz 1

tel. +39 0471 516000fax +39 0471 516111

Internet

www.messebozen.it

e-maIl

[email protected]

PresserechtlIch VerantwortlIcher Reinhold Marsoner

redaktIon

Monika Psenner Florian Schmittner

lItho und druck

Ferrari - Auer

grafIk

Michelangelo Graphic Art

impressum

7

Monika Psenner Monika Psenner wurde in Tiers/

St. Zyprian geboren. Nach

Abschluss des Humanistischen

Gymnasiums in Bozen studierte sie

Wirtschaftswissenschaften in Wien

und Innsbruck.

Von 1977 bis 2010 arbeitete sie

bei der OPEC in Wien. Sie war in

der Forschungsabteilung tätig,

wo sie Energie- und makro-

ökonomische-Statistiken und

Energiebilanzen für Publikationen,

als Entscheidungsgrundlage für

das Management und als Input

für Energie-Modelle erstellte und

analysierte.

Außerdem war sie verantwortlich

für das Verfassen von

Forschungsberichten, Vorträgen

und Präsentationen im Erdöl- und

Energiebereich für technische

Meetings und Konferenzen.

Während ihrer langjährigen

Berufstätigkeit bei der OPEC eignete

sie sich ein fundiertes Wissen im

Energiesektor an.

Diese fundierte und leicht

verständliche Artikelserie zur

Zukunft der Energie schrieb sie

exklusiv für Messe Bozen.

Monika Psenner

8

la

rs

.it

KLIMAINFISSO 2015

5. - 7. März 2015 | Bozen, ItalienInternationale Fachmesse der Zulieferer der Fenster-,Türen- und Fassadenbauer

Do-Sa: 9.00-18.00

www.klimainfisso.it

EinzigerBranchen-Treffpunkt IN ITALIEN

InternationalerFachkongress

Modellregion Südtirol

MONTAGE-

Vorführungen

KlimainfissoTrend DIE BESTEN

FENSTERUND TÜREN

9

EinleitungDie in dieser Broschüre enthaltenen Artikel geben einen Über-

blick über die derzeitige globale Energiesituation sowie einen

Ausblick auf die zukünftige Entwicklung. Die Rolle der fossilen

Energieformen Erdöl, Gas und Kohle, sowie der besondere Stel-

lenwert des Erdöls in der modernen Wirtschaft werden erörtert.

Die zunehmende Wichtigkeit der Erneuerbaren Energien im

globalen Energiemix und deren zukünftige Entwicklung, auch im

Zusammenhang mit den klimapolitischen Zielsetzungen, wer-

den aufgezeigt. Des Weiteren wird auf die starke Zunahme der

Produktion nicht-konventioneller fossiler Energieformen, wie

Schiefergas und Schieferöl verwiesen, durch deren Nutzung die

Verfügbarkeit fossiler Energien um viele Jahrzehnte verlängert

wird und so der Umstieg auf eine Welt mit „sauberen“ erneu-

erbaren Energieformen deutlich verlangsamt wird. Schließlich

wird die besondere Rolle von Gas, die „sauberste“ fossile Ener-

gieform und deren Brückenfunktion in Richtung einer Zukunft

ohne umweltverschmutzende und gesundheitsgefährdende

Treibhausgasemissionen und anderer Schadstoffe, hervorge-

rufen durch die Verbrennung fossiler Energieträger, aufgezeigt.

Das deutsche Projekt „Energiewende“, dessen Ziel es ist, auf

eine Wirtschaft umzustellen, die auf erneuerbarer, nicht-nukle-

arer Energie basiert, bildet den Abschluss der Artikelserie.

10

11

Weltweiter Energiebedarf: Ist-Situation und Zukunftsperspektiven

Energie ist der Motor der modernen Wirtschaft und eine

Grundvoraussetzung von Wirtschafswachstum und Wohl-

stand. Die zentrale Bedeutung von Energie hat in der globa-

lisierten Welt noch zugenommen. Mit einem Anteil von über

80% am Gesamt-Energieverbrauch spielen vor allem fossile

Energieträger, Erdöl, Erdgas und Kohle eine zentrale Rolle,

allen voran Erdöl mit einem Anteil von 34%, gefolgt von Kohle

mit 26% und Erdgas mit 22%.

Im vergangenen Jahrzehnt ist es zu einer massiven Verteue-

rung des Erdöls von ca. 25 US$ pro Barrel auf über 100 US$ für

dieselbe Menge gekommen. Während es in der Vergangenheit

immer wieder starke Schwankungen des Ölpreises gab und es

diese auch in Zukunft geben wird, scheint der Ölpreis sich nun

auf einem viel höheren Niveau zu bewegen. Experten halten

es für unwahrscheinlich, dass die Preise auf einen niedrigen

Stand wie dem zu Beginn des Millenniums fallen werden.

Diese Entwicklung hat auf dem Energiemarkt zu beachtlichen

Veränderungen geführt. Energieträger, deren Förderung in

der Vergangenheit nicht gewinnbringend war, wurden durch

die gestiegenen Erdölpreise profitabel. Die großen Firmen im

Energiegeschäft begannen in neue Energieformen zu inves-

tieren. Nicht zuletzt als Folge des hohen Ölpreises haben

erneuerbare Energieformen wie Wind- und Solarenergie mit

zum Teil zweistelligen Wachstumsraten einen bedeutsamen

Aufschwung erfahren (Graph 1).

12

Eine weitere Folge des hohen Ölpreises ist der zunehmende

Ausbau nicht-konventioneller fossiler Energieträger wie Schie-

fergas und Schieferöl oder auch die Erschließung von Öl- und

Gasreserven in der Arktis. Diesbezüglich sei vor allem auf die

„Schiefergasrevolution“ in den USA hingewiesen: Ermöglicht

durch den Einsatz neuer Technologien hat diese Entwicklung in

den USA zu einem Öl- und Gas-Boom geführt, wie es ihn dort

seit 100 Jahren nicht mehr gegeben hat. Dies brachte funda-

mentale Konsequenzen für den größten Energieverbraucher

der Welt mit sich. Neuesten Prognosen zufolge wird die USA in

wenigen Jahren von einem bedeutenden Erdgas-Importeur zu

einem Erdgas-Exporteur aufsteigen. Auch die Erdölproduktion

wird stark ansteigen. Dies bewirkt eine grundlegende Verände-

rung des internationalen Energiegefüges, da sich die strategi-

schen Interessen der Wirtschaftsmacht USA verschieben. Der

Mittlere Osten als Energielieferant verliert, zumindest für die

USA, an Bedeutung. Welche Rolle Schiefergasförderung in Zu-

kunft in anderen Regionen spielen wird, bleibt abzuwarten. Die

Sorge, dass die Erdölförderung nicht mehr gesteigert werden

kann, scheint durch diese Entwicklung in weite Zukunft gerückt

zu sein. Die Frage der Energiesicherheit ist jedoch nach wie vor

von Bedeutung, da viele Länder, die Erdöl und Erdgas fördern,

und solche, die als Transportkorridore fungieren, in politisch

instabilen Regionen liegen (z.B. Mittlerer Osten, Afrika).

Graph 1

Ölpreis und Verbrauch an Erneuerbarer Energie, 2000-2012

Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013; toe = Tonnen Erdöläquivalent

(mill. toe) 250

200

150

100

50

0

(US$/b)120

100

80

60

40

20

0

Verbrauch Erneuerbare Energie Ölpreis

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

13

Trotz hoher Energiepreise steigt der weltweite Energiever-

brauch, vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern,

weiter an. Die zunehmende Abhängigkeit von fossilen Energie-

trägern vieler Länder einerseits und die Sorgen rund um die

Umweltverschmutzung durch fossile Energieträger anderer-

seits machen die Frage nach der Entwicklung des zukünftigen

Energiebedarfs sowie des globalen „Energiemix“ besonders

brisant.

Es stellt sich die Frage: Wie wird sich der weltweite Energie-

bedarf in den kommenden Jahrzehnten entwickeln? Wird es

genügend Angebot für die ständig steigende Nachfrage geben?

Wird es gelingen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern

wesentlich zu verringern und wird der Anteil der erneuerbaren

Energien erheblich zunehmen, um die durch fossile Energie-

träger verursachte Umweltverschmutzung zu reduzieren? Im

Folgenden eine kurze Zusammenfassung des gegenwärtigen

weltweiten Energiebedarfs sowie eine Vorschau auf die Ent-

wicklung in den kommenden Jahrzehnten, unter Berücksichti-

gung der neuesten Prognosen.

Die wichtigsten Faktoren, welche den Energieverbrauch be-

stimmen, sind das Bevölkerungswachstum einerseits und das

Wirtschaftswachstum sowie die zunehmende Industrialisierung

und Urbanisierung in den Schwellen- und Entwicklungsländern

andererseits. Zwischen 2010 und 2040 wird die Weltbevölke-

rung von 7 Milliarden auf 9 Milliarden anwachsen, wobei das

Bevölkerungswachstum ausschließlich in den Schwellen- und

Entwicklungsländern stattfinden wird. Die Wirtschaft wird im

selben Zeitraum in den Nicht-OECD-Ländern um 4,4% wachsen,

während sie in den OECD-Ländern um lediglich 2% zunehmen

wird. Der Nachholbedarf bezüglich Wirtschaftsentwicklung,

steigendem Lebensstandard und die daraus folgende Entwick-

lung hin zu einem gesteigerten Energieverbrauch in den Nicht-

OECD-Staaten ist enorm. Eine Kennzahl ist hier besonders

aussagekräftig: Während in den USA, in der Eurozone und in

Japan auf 1000 Einwohner zwischen 428 und 470 PKWs kom-

men, sind es in China lediglich 57 und in Indien nur 18 (Tabelle

1). Auch der Pro-Kopf-Energieverbrauch ist in den Nicht-OECD-

Ländern deutlich niedriger als in den OECD-Ländern. Während

ein US-Amerikaner im Jahr sieben Tonnen Energie verbraucht,

beträgt diese Kennzahl in Indien nur 0,6 Tonnen.

Tabelle 1

Einige Kennzahlen im Vergleich 2012Quellen: Weltbank. *Daten beziehen sich auf das Jahr 2010

Einwohner (Millionen)

Bruttosozialprodukt pro Kopf (US$)

Autos pro 1000 Einwohner*

Primärenergie-Verbrauch

pro Kopf (toe)

Urbanisierungsgrad in % der

Gesamtbevölkerung

USA 314 52340 428 7.0 83

Japan 128 47880 453 3.6 92

Euro Zone 334 37884 470 3.5 76

China 1350 5720 57 1.4 52

Indien 1237 1580 18 0.6 32

14

Neuesten Prognosen zufolge wird der weltweite Energiebe-

darf zwischen 2010 und 2040 um 35% wachsen. Als Folge des

Bevölkerungswachstums, des wirtschaftlichen Aufschwungs,

der zunehmenden Industrialisierung und Urbanisierung und

der damit verbundenen Steigerung des Wohlstandes wird das

Energiewachstum ausschließlich in den Schwellenländern,

vor allem in China und Indien, und in den Entwicklungsländern

stattfinden, während in den OECD Ländern bis 2040 ein leichter

Rückgang prognostiziert wird (Graph 2). Eine wichtige Voraus-

setzung für die Erreichung dieser Prognose ist eine Steigerung

der Energieeffizienz (beispielsweise durch die Produktion von

Autos mit sparsamen Kraftstoffverbrauch).

Bezüglich der Entwicklung der einzelnen Energieträger ergibt

sich folgendes Bild: Der Bedarf an fossilen Energieträgern –

Erdöl, Erdgas und Kohle – wird von 82% im Jahr 2010 auf 79%

im Jahr 2025 und auf 77% im Jahr 2040 sinken, letztere werden

jedoch immer noch mehr als drei Viertel des weltweiten

Energiebedarfs ausmachen. Während der Anteil von Erdgas

im Jahr 2010 22% betrug und im Jahr 2025 auf 24% und 2040

auf 27% steigen wird, wird jener von Kohle von 26% im Jahr

2010 auf 19% im Jahr 2040 sinken. Der Erdölanteil, der im Jahr

2010 34% im Jahr 2010 ausmachte, wird für die Jahre 2025 und

2040 jeweils auf 31% prognostiziert, jedoch wird Erdöl nach

wie vor der weltweite Energieträger Nr. 1 bleiben. Der Anstieg

von Erdgas einerseits und der Rückgang von Kohle anderer-

seits können als positive Entwicklung gesehen werden, da bei

Graph 2

Weltweiter Energiebedarf (mill. toe)Quelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014

OECD Nicht-OECD exkl. China & Indien China & Indien

2010 2025 2040

2000018000160001400012000100008000600040002000

0

Anteil in%

3100 24%

4200 32%

5750 44%

Anteil in%

4925 30%

5600 34%

5800 36

Anteil in%

5375 30%

6825 38%

5550 31%

(Daten beziehen sich auf den Primär-Energiebedarf)

Graph 3

Weltweiter EnergiemixQuelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014

(Daten beziehen sich auf den Primär-Energiebedarf)

2010 2025 2040

31% 31%34%

22%

26% 24%

24% 27%

6%6% 8%

8%9% 9%

19%

1% 4%2% 3% 3% 3%

Erdöl Gas Kohle Atomkraft Biomasse Wasserkraft Andere Erneuerbare Energien

15

der Verbrennung von Gas weniger Kohlendioxid und andere

Luftschadstoffe freigesetzt werden und es somit die sauberere

Alternative zu Kohle und Öl ist. Erneuerbare Energien (ohne

Wasserkraft und Biomasse) werden zwar stark zunehmen,

aber im weltweiten Energiemix im Jahr 2040 nur bescheidene

4% ausmachen.

Betrachtet man die einzelnen Wirtschaftssektoren, so ergibt

sich ein differenziertes Bild. Während im privaten- und gewerb-

lichen Sektor der Energieverbrauch im Zeitraum von 2010 bis

2040 um 28% und im Industrie-Sektor um 35% ansteigen wird,

wird der Transportsektor ein Wachstum von 42% im selben Zeit-

raum erleben. Erdöl wird im Transportsektor auch in Zukunft

die führende Rolle spielen. 2010 betrug der Anteil von Erdöl im

Transportsektor 95%, 2040 wird er immerhin noch 87% ausma-

chen. Der Anteil von Gas und Biokraftstoffen wird von lediglich

4% im Jahre 2010 auf 11% im Jahre 2040 erhöht werden.

Weitreichendere Veränderungen wird es in den kommenden

Jahrzehnten im Elektrizitätssektor geben. Diesbezüglich sei

erwähnt, dass weltweit nach wie vor 1,3 Milliarden Menschen

keinen Zugang zu Elektrizität haben. In diesem Sektor werden

die höchsten Wachstumsraten prognostiziert: 90% weltweit

zwischen 2010 bis 2040, 163% in den Nicht-OECD Ländern und

lediglich 23% in den OECD Ländern. Bei der Elektrizitätsge-

winnung werden erneuerbare Energieträger einen enormen

Zuwachs erfahren. Zwischen 2010 und 2040 wird die Strom-

gewinnung aus Windenergie mit 540% am stärksten wachsen,

andere erneuerbare Energien werden um 188% und Wasser-

kraft um 80% zunehmen. Bei den fossilen Energieträgern wird

Kohle bis 2025 noch weiter leicht ansteigen, sich dann aber

rückläufig entwickeln, während Gas mit einer Zuwachsrate

von 78% zwischen 2010 und 2040 stark ansteigen wird. Das zur

Elektrizitätsgewinnung ohnehin wenig verwendete Erdöl wird

in Zukunft weiterhin an Bedeutung verlieren. Ein Trend hin zu

„saubereren“ Energieträgern ist im Stromgewinnungssektor

eindeutig erkennbar. Atomstrom wird zwischen 2010 und 2040

um 109% ansteigen (Graph 4).

Durch die Erschließung unkonventioneller fossiler Energie-

formen, wie Schiefergas und Schieferöl scheint das Ende des

„fossilen Energie-Zeitalters“ in weitere Ferne gerückt zu sein.

Graph 4

Weltweite Elektrizitätsgewinnung nach Energieträger Quelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014

2040

2020

2010

0 500 1000 1500 2000 2500 3000

Andere Erneubare Energien

Wind

Wasserkraft

Atomkraft

Kohle

Gas

Erdöl

(mill. toe)

16

Die Angst, dass Erdöl in absehbarer Zeit ausgehen könnte, ist

daher vorerst gebannt. Da Investitionen im Energiebereich

sehr kapitalintensiv sind, befürchten manche Experten, dass zu

viel Kapital in unkonventionelle fossile Energieformen inves-

tiert wird, was sich auf Investitionen in erneuerbare Energie-

träger nachteilig auswirken könnte.

Da der zukünftige Energiebedarf nach wie vor zu einem gro-

ßen Teil durch fossile Energieträger gedeckt wird, werden

energieabhängige CO2-Emissionen bis 2025 weltweit weiter

ansteigen. In den OECD-Ländern wird es als Folge sinkenden

Energiebedarfs zu einer Verringerung kommen, während in

den Nicht-OECD-Ländern bis 2025 die CO2-Emissionen signifi-

kant ansteigen werden. Erst danach wird es weltweit zu einem

Rückgang kommen (Graph 5).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bis 2040 der

Energiebedarf weltweit um 35% ansteigen wird, dies unter der

Voraussetzung, dass es gelingt die Energieeffizienz stark zu er-

höhen. Fossile Energieträger werden auch im Jahr 2040 immer

noch mehr als drei Viertel des Primär-Energiebedarfs ausma-

chen, wobei ein erheblicher Anteil von nicht-konventionellen

fossilen Energieformen wie Schieferöl und Schiefergas gedeckt

werden wird. Eine weltweite Energieversorgung ohne fossile

Energie ist noch lange nicht in Sicht. Erdöl wird mit 31% am Ge-

samtenergiebedarf auch im Jahr 2040 weltweit der Energieträ-

ger Nr. 1 bleiben, vor allem aufgrund seiner Flexibilität. Erdgas,

der „sauberste“ fossile Energieträger wird den größten Zuwachs

verzeichnen und mit einem Anteil von 27% im Jahr 2040 die

Kohle mit einem Anteil von 19% auf Platz drei verweisen. Erneu-

erbare Energien werden sich zwischen 2010 und 2040 mehr als

verdreifachen, jedoch nur einen bescheidenen Anteil von 4% am

weltweiten Gesamtenergiebedarf ausmachen. Vor allem bei der

Stromproduktion wird der Anteil an erneuerbaren Energien an

Wichtigkeit gewinnen. Obwohl es in den kommenden Jahrzehn-

ten zu keiner bedeutenden Energiewende kommen wird, so wer-

den doch durch vermehrten Einsatz von Erdgas einerseits und

die Zunahme von erneuerbaren Energien andererseits die durch

Energienutzung bedingten CO2-Emissionen bis 2025 weltweit ge-

ringfügiger ansteigen als in den vergangenen Jahrzehnten und

bis 2040 sogar leicht sinken.

Graph 5

Energieabhängige CO2-EmissionenQuelle: ExxonMobil Energy Outlook 2014(Bill. Tonnen)

OECD Nicht-OECD

2010 2025 2040

40

35

30

25

20

15

10

5

0

Anteil in %

17,8 58%

12,8 42%

Anteil in %

25,0 68%

11,8 32%

Anteil in %

26,6 73%

9,7 27%

17

Der derzeitige weltweite Primär-Energiekonsum basiert

zu über 80% auf fossilen Energieträgern und auch in den

kommenden Jahrzehnten werden Erdöl, Erdgas und Kohle

über 75% der weltweiten Energieversorgung ausmachen.

Angesichts der überaus großen Wichtigkeit von fossilen

Brennstoffen für die moderne Wirtschaft einerseits und

ihrer begrenzten Lebensdauer andererseits ist die Frage der

zukünftigen Verfügbarkeit von immenser Bedeutung.

Fossile Energievorräte werden in Reserven und Ressourcen

unterteilt. Sowohl bei den Reserven, als auch den Ressourcen

handelt es sich um Schätzungen. Veröffentliche Daten bezüg-

lich Reserven und Ressourcen von verschiedenen Institutio-

nen/Organisationen sind deshalb nicht immer identisch und

werden aufgrund ständig verbesserter Schätzmethoden sowie

neuer Fördertechnologien häufig revidiert.

Energieressourcen sind die Mengen an Erdöl/Erdgas, die

geologisch nachgewiesen sind, deren Förderung aber derzeit

nicht wirtschaftlich ist oder auch technisch nicht möglich ist

und jene Mengen, die noch nicht nachgewiesen sind, aber aus

geologischer Sicht in dem betreffenden Gebiet erwartet wer-

den können.

Energiereserven beschreiben jene Mengen des Erdöls/Erd-

gases, welche bereits genau erfasst und bewertet wurden und

mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich

gewonnen werden können. Es handelt sich um Lagerstätten,

für die es meist bereits ein Projekt zur zukünftigen Förderung

der Vorräte gibt. Ob Energievorräte von Ressourcen in Reser-

ven übergehen, hängt einerseits vom technischen Fortschritt

und andererseits von den Energiepreisen ab. Ein Beispiel dafür

ist das Schiefergas, dessen Vorkommen schon lange bekannt

war, dessen Förderung jedoch erst durch den Einsatz neuer

Technologien möglich wurde und dessen Gewinnung als Folge

hoher Energiepreise profitabel wurde. Darüber hinaus kann in

bekannten Erdöl- und Erdgasfeldern durch verbesserte För-

dertechniken sowie durch verbesserte Kenntnisse des geologi-

schen Aufbaus ein Reservenzuwachs erzielt werden.

Abhängig davon, ob die Gewinnung mit den klassischen Ex-

plorations-, Förder- und Transporttechniken möglich ist, oder

ob dafür alternative, aufwendigere und kostspieligere Tech-

nologien angewandt werden, wird zwischen konventionellem

und nicht-konventionellem Erdöl/Erdgas unterschieden. Die

Abgrenzung von unkonventionellem zum konventionellen Erdöl

ist nicht immer eindeutig, bzw. ist der Übergang fließend, da

alternative, aufwendigere Technologien längerfristig gesehen

zur Norm werden.

Weltweite fossile Energieressourcen

18

Erdöl

Die weltweiten nachgewiesenen Erdölreserven beliefen sich

Ende 2012 auf annähernd 1700 Milliarden Barrel (einschließlich

extra-schwerem Erdöl in Venezuela und Ölsand in Kanada).

Zehn Länder, von denen fünf im Mittleren Osten liegen, machen

85% der weltweiten Erdölreserven aus. Vergleicht man den

gegenwärtigen Erdölbedarf mit den vorhandenen Reserven, so

ergibt sich ein starkes regionales Ungleichgewicht. Während

fast die Hälfte (48%) der Reserven im Mittleren Osten liegen,

werden 33% des Erdöls im Asiatischen Raum verbraucht,

gefolgt von Nordamerika mit einem Verbrauch von 26% und

Europa & den GUS Staaten mit 21%.

Laut Internationaler Energieagentur (IEA) inkludiert nicht-

konventionelles Erdöl folgende Kategorien: extra-schweres Öl

und Bitumen (auch Öl-Sand oder Teer-Sand genannt), Schiefer-

öl (Light Tight Oil/LTO) und Kerogen (Ölschiefer). Nach Schät-

zungen der IEA belaufen sich die weltweiten Ressourcen von

konventionellem und nicht-konventionellem Erdöl auf fast 6000

Milliarden Barrel. Inkludiert man synthetisches Erdöl, das aus

Gas und Kohle gewonnen werden kann, so würde die Zahl auf

fast 8000 Milliarden Barrel ansteigen.

Graph 1

10 Länder mit den größten ErdölreservenQuelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013

Milliarden Barrel Anteil in % Kumulativer Anteil in%Venezuela 1/ 298 17,8 17,8Saudi Arabien 266 15,9 33,8Kanada 2/ 174 10,4 44,2Iran 157 9,4 53,6Irak 150 9,0 62,6Kuwait 102 6,1 68,7UAE* 98 5,9 74,5Russland 87 5,2 79,7Lybien 48 2,9 82,6Nigeria 37 2,2 84,8Restliche Länder 253 15,2 100,0Welt 1669 100,0

1/ extra-schweres Erdöl ist inkludiert2/ Ölsand ist inkludiert* Vereinigte Arabische Emirate

Nordamerika Europa & GUS Staaten Afrika

Süd- und Mitteamerika Mittlerer Osten Asien und Pazifik

Weltweite Erdölreserven(Ende 2012)

Weltweiter Erdölverbrauch(2012)

9%8%

8%

48%

4%

33%

26%

7%

21%20%

13%

3%

19

Graph 2 zeigt auf, in welchem Kostenbereich sich die Erdöl-

förderkosten je nach Region, nach Erdölkategorie (konventio-

nell, nicht-konventionell) oder nach Fördertechnik bewegen.

Bei der Erdölförderung im Mittleren Osten und in Nordafrika

fallen die niedrigsten Förderkosten an, während die Kosten für

konventionelles Erdöl in der restlichen Welt bereits deutlich

höher liegen. Die Verwendung aufwendiger Technologien zur

Erreichung einer höheren Ausbeute der Lagerstätten (EOR-

enhanced oil recovery) oder die Erdölförderung in schwer

zugänglichen Regionen, wie in Ultra-Tiefwasser Lagerstätten

(z.B. in Brasilien) und die Erdölförderung in Arktischen Regi-

onen führen zu noch höheren Kosten. Sehr hohe Kosten fallen

auch bei der Förderung von Schieferöl, von extraschwerem

Erdöl und bei der Erdölgewinnung aus Ölsanden an. Auch die

Gewinnung von Erdöl aus Ölschiefer sowie die Verflüssigung

von Kohle (CTL) und Erdgas (GTL) zur Herstellung von synthe-

tischem Erdöl erfordern aufwendige Technologien und sind

daher sehr teuer.

Beim derzeitigen Stand (Januar 2015) des Erdölpreises von

ungefähr 50 Dollar pro Barrel könnte ein beachtlicher Teil der

in der Graphik angeführten Alternativen aus wirtschaftlicher

Sicht gefördert werden. Der Erdölpreis wird auch in Zukunft

Schwankungen unterworfen sein, man kann jedoch davon aus-

zugehen, dass das Preisniveau nicht mehr auf einen niedrigen

Stand, wie es der zu Beginn des Millenniums war, fallen wird,

da die Ressourcen mit niedrigen Produktionskosten immer

geringer werden.

120

100

80

60

40

20

(2012 US$/Barrel)

Bereits produziertes Erdöl Mittlerer Osten & Nordafrika Anderes konventionelles Erdöl CO2 EOR

nicht CO2 EOR Erdöl in Arktischen Regionen Extra-Schweröl & Bitumen LTO (Schieferöl)

Ultra Tiefwasser Kerogen (Ölschiefer) GTL (gas to liquids) CTL (coal to liquids)

1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000

Verbleibendes Potenzial der technisch förderbaren Erdöl-Ressourcen (Milliarden Barrel)

Graph 2

Erdöl: FörderkostenQuelle: IEA World Energy Outlook 2013

20

Erdgas

Die Schätzungen der weltweit ausgewiesenen Erdgasreserven

beliefen sich Ende 2012 auf 187 Billionen Kubikmeter. Ähnlich

wie bei Erdöl sind die Erdgasreserven regional sehr ungleich

verteilt. Iran gefolgt von Russland und Katar machen mit 48.9%

fast die Hälfte der weltweiten Erdgasreserven aus. Regional

betrachtet, liegen 43% der Erdgasreserven im Mittleren Osten,

an zweiter Stelle rangiert Europa und die GUS Staaten mit

31%, wobei Russland den größten Teil ausmacht. Europa und

die GUS Staaten sind mit 33% die Region mit dem höchsten

Gasverbrauch, gefolgt von Nordamerika mit 27% und Asien mit

19%.

Zum nicht-konventionellen Gas zählen laut IEA Schiefergas,

Tight Gas und Kohleflözgas (Coalbed Methan/CBM). Methan-

hydrate, welche weltweit in sehr großen Mengen vorkommen,

zählen auch zum unkonventionellen Gas. Sie werden jedoch

meist in den Schätzungen der nicht-konventionellen Gas Res-

sourcen nicht inkludiert, da ihre Förderung sowohl aus techno-

logischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht in absehbarer Zeit

nicht möglich sein wird. Laut IEA belaufen sich die weltweiten

Ressourcen von konventionellem und nicht-konventionellem

Gas auf ungefähr 800 Billionen Kubikmeter.

19%

8%

8%

6%4%

4%

5%

27%

33%

12%

43%

31%

Nordamerika Europa & GUS-Staaten Afrika

Süd- und Mittelamerika Mittlerer Osten Asien und Pazifik

Weltweite Erdgasreserven (Ende 2012)

Weltweiter Erdgasverbrauch (2012)

Graph 3

10 Länder mit den größten ErdgasreservenQuelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013

Billionen m3 Anteil in % Kumulativer Anteil in %Iran 33,6 18,0 18,0Russland 32,9 17,6 35,5Katar 25,1 13,4 48,9Turkmenistan 17,5 9,3 58,3USA 8,5 4,5 62,8Saudi Arabien 8,2 4,4 67,2UAE* 6,1 3,3 70,4Venezuela 5,6 3,0 73,4Nigeria 5,2 2,8 76,2Algerien 4,5 2,4 78,6Restliche Länder 40,1 21,4 100,0Welt 187,3 100,0

*Vereinigte Arabische Emirate

21

Kohle

Kohle ist der Energierohstoff mit der größten geologischen

Verfügbarkeit. Die USA verfügen mit einem Anteil von 27.6%

über die weltweit größten Kohlereserven. An zweiter Stelle

liegt Russland mit 18.2% gefolgt von China mit 13.3%, Austra-

lien mit 8.9 % und Indien mit 7%. Diese fünf Länder verfügen

zusammen über 75% der weltweiten Kohle Reserven. Kohle-

reserven sind nicht wie konventionelle Erdöl- und Erdgasre-

serven auf begrenzte Regionen konzentriert (Mittlerer Osten),

sondern es gibt sie auf allen Kontinenten. Regional gesehen ist

Asien mit 70% bei weitem der größte Kohlekonsument, wobei

China allein über 50% der weltweiten Kohle verbraucht.

Den höchsten Verbrauch bei den fossilen Energieträgern

verzeichnet derzeit Erdöl mit 38%, gefolgt von Kohle mit 34%

und Gas mit 28%. Vergleicht man die Reserven und Ressour-

cen, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Kohle hat verglichen

mit Erdöl und Erdgas nicht nur die meisten Reserven sondern

übertrifft auch bei den Ressourcen Erdöl und Erdgas bei

weitem. Der Kohleanteil an den weltweiten fossilen Reserven

beträgt 58%, während Erdöl und Erdgas einen Anteil von 23%

bzw. 19% aufweisen. Bei den Ressourcen beträgt der Anteil

der Kohle sogar 91%, gefolgt von Gas mit 6% und Erdöl mit 3%.

Bemerkenswert ist, dass Erdöl einerseits den größten Anteil

am Verbrauch hat und andererseits den geringsten Anteil an

den Ressourcen. (Graph 5).

Nordamerika Europa & GUS-Staaten Afrika

Süd- und Mittelamerika Mittlerer Osten Asien und Pazifik

Weltweite Kohlereserven (Ende 2012)

Weltweiter Kohlerverbrauch (2012)

31%

29%

14%

1%

1%

0,3%0,1% 3%4%

70%12%

35%

Graph 4

10 Länder mit größten KohlereservenQuelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013

Milliarden Tonnen Anteil in % Kumulativer Anteil in %USA 237,3 27,6 27,6Russland 157,0 18,2 45,8China 114,5 13,3 59,1Australien 76,4 8,9 68,0Indien 60,6 7,0 75,0Deutschland 40,7 4,7 79,7Ukraine 33,9 3,9 83,7Kazachstan 33,6 3,9 87,6Südafrika 30,2 3,5 91,1Kolumbien 6,7 0,8 91,9Restliche Länder 70,1 8,1 100,0Welt 860,9 100,0

22

Die IEA schätzt die Lebensdauer der Reserven, gemessen an

der gegenwärtigen Produktion für Erdöl auf 54 Jahre, für Erd-

gas auf 61 Jahre und für Kohle auf 142 Jahre. Bei den Ressour-

cen beläuft sich die geschätzte Lebensdauer für Erdöl auf 178

Jahre, für Erdgas auf 233 Jahre und für Kohle auf über 3000

Jahre. Während die Schätzungen für die Reserven und damit

auch die mögliche zukünftige Nutzung als sehr wahrscheinlich

angesehen werden können, sind die Zahlen für die Ressourcen

mit großer Unsicherheit behaftet, da es nicht absehbar ist, wie

viel von den geschätzten Ressourcen in Zukunft als Reserven

ausgewiesen und auch tatsächlich gefördert werden können.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nach derzei-

tigem Kenntnisstand aus geologischer Sicht weltweit noch sehr

große fossile Energievorräte gibt, wobei Kohle bei weitem das

größte Potenzial aufweist. Welcher Teil der Ressourcen in Zu-

kunft auch tatsächlich genutzt werden kann, hängt unter ande-

rem vom technischen Fortschritt und vom Energiepreis-Niveau

ab. Die Umweltverträglichkeit und die öffentliche Akzeptanz

wird im Zusammenhang mit bestimmten Fördertechnologien

für die zukünftige Gewinnung fossiler Brennstoffe auch eine

wichtige Rolle spielen. Erdöl ist der fossile Energierohstoff,

dessen Vorräte am weitesten erschöpft sind. Die Zeit des billi-

gen Erdöls scheint vorbei zu sein, da die Vorräte mit niedrigen

Produktionskosten nur mehr in begrenztem Umfang vorhanden

sind und bei ständig steigendem Erdölverbrauch in absehbarer

Zeit erschöpft sein werden.

Anmerkung: Milliarden (109) entsprechen den im angelsächsischen Raum ver-

wendeten Billionen und Billionen (1012) entsprechen den im angelsächsischen

Raum verwendeten Trillionen.

Graph 5

Fossile Brennstoffe: Verbrauch, Reserven und Ressourcen im Vergleich (% Anteil)Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe, Hannover (BGR)

Erdöl Gas Kohle

Verbrauch, 2012 Reserven, Ende 2012 Ressourcen, Ende 2012

38%

34% 91%6%

3%58%

23%

19%28%

Graph 6

Fossile Energiereserven und -ressourcen (geschätzte Lebensdauer in Jahren)Quelle: IEA World Energy Outlook 2013

178

233

54

61

142

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500

3050

Erdöl

Erdgas

Kohle

(Jahre)

(Daten für Erdöl und Erdgas beziehen sich auf das Jahr 2012, Daten für Kohle auf das Jahr 2011)

Ressourcen Reserven

23

Wie tief fällt der Erdölpreis noch?

Im Zeitraum Juni 2014 bis Anfang Jänner 2015 ist der Ölpreis

um über 50% gesunken. Mit Spannung wurde auf die Ent-

scheidung der Öl-Minister der OPEC-Länder am 27. Novem-

ber gewartet, ob und in welchem Umfang die Fördermenge

gekürzt werden würde, um einen weiteren Preisverfall zu

verhindern. Doch die Fördermenge wurde zum Erstaunen

vieler Analysten nicht gekürzt.

Schon im Vorfeld der Verhandlungen ließen Saudi Arabien und

andere OPEC-Golfstaaten durchklingen, dass sie keiner För-

derkürzung zustimmen würden. Andere OPEC-Mitgliedsländer,

wie Venezuela, Iran und Irak setzten sich dagegen für eine

Kürzung der Fördermenge ein, da der niedrige Ölpreis weitrei-

chende negative Folgen für ihre ohnehin schwache Wirtschaft

hat. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Interessen der

einzelnen OPEC-Länder unterschiedlich sind und dass Saudi

Arabien, das Land mit der höchsten Produktion innerhalb der

OPEC das Sagen hat. Saudi Arabien und die anderen Golfländer

verfügen über genügend Devisenreserven, um einen niedri-

gen Ölpreis auch über einen längeren Zeitraum verkraften zu

können, während sinkende Einnahmen aus dem Erdölgeschäft

andere OPEC-Länder, wie den Iran, den Irak oder Venezuela in

große Schwierigkeiten bringen würden, da sie ihre Haushalte

nicht mehr finanzieren könnten.

Was sind die Gründe für den fallenden Ölpreis und warum will

die OPEC nichts unternehmen, um den Ölpreis wieder auf ein

höheres Niveau zu bringen?

Der starke Preisverfall ist die Folge eines Überangebots an

Erdöl auf den Weltmärkten. Vor allem die USA haben ihre

Erdölproduktion als Folge der ständig steigenden Schieferöl-

förderung in den vergangen Jahren stark erhöhen können. Im

Zeitraum Jänner 2005 bis September 2014 stieg die Produktion

Graph 1

Entwicklung des Erdölpreises (Brent) Juni 2014 - Jänner 2015 (US$/Barrel)Quelle: US Energy Information Adminstration (US$/Barrel)

120

110

100

90

80

70

60

50

40

120

110

100

90

80

70

60

50

40

giu

02, 2

014

giu

09, 2

014

giu

16, 2

014

giu

23, 2

014

giu

30, 2

014

lug

07, 2

014

lug

14, 2

014

lug

21, 2

014

lug

28, 2

014

ago

04, 2

014

ago

11, 2

014

ago

18, 2

014

ago

25, 2

014

set 0

1, 2

014

set 0

8, 2

014

set 1

5, 2

014

set 2

2, 2

014

set 2

9, 2

014

ott 0

6, 2

014

ott 1

3, 2

014

ott 2

0, 2

014

ott 2

7, 2

014

nov

03, 2

014

nov

10, 2

014

nov

17, 2

014

nov

24, 2

014

dic

01, 2

014

dic

08, 2

014

dic

15, 2

014

dic

22, 2

014

dic

29, 2

014

gen

05, 2

015

24

von 5,4 Millionen auf 8,9 Millionen Barrels pro Tag, was einen

Zuwachs von über 3,4 Millionen Barrels täglich ausmacht.

Zählt man den Anstieg der NGL1-Produktion dazu, so kommen

noch 1,3 Millionen Barrel pro Tag dazu. Als Folge der inlän-

dischen Produktionssteigerung nahmen die amerikanischen

Erdölimporte stark ab. Laut diversen Prognosen wird diese

Entwicklung auch in den kommenden Jahren anhalten. Auch

andere Nicht-OPEC Länder wie Kanada und Brasilien produzie-

ren mehr Erdöl.

Auf der Nachfrageseite hat das schwache Wirtschaftswachs-

tum vor allem in der Eurozone, aber auch niedrigere Wachs-

tumsraten in den Schwellenländern wie China, eine geringere

Nachfrage nach Erdöl zur Folge. Wie die letzten Prognosen

des Internationalen Währungsfonds, der OECD oder anderer

namhafter Institutionen zeigen, wird sich die Weltwirtschaft

nur langsam erholen und ein Anstieg des Erdölkonsums ist

deshalb kurzfristig nicht zu erwarten.

Anders als in der Vergangenheit, ist die OPEC oder besser

gesagt Saudi Arabien nicht mehr bereit die Öl-Produktion zu

kürzen und somit Marktanteil zu verlieren, sondern scheint

darauf zu setzen, dass ein wesentlicher Teil der kleinen Schie-

ferölproduzenten in den USA als Folge des niedrigen Ölpreises

die Produktion einstellen müssen und so das Angebot sinken

wird und in Folge der Ölpreis wieder steigen wird. Der Saudi-

Arabische Ölminister sagte in einem Interview, dass er davon

ausgehe, dass der Markt sich selbst wieder stabilisieren würde

und es deshalb nicht notwendig sei die Förderquoten der OPEC

zu kürzen. Was er damit genau gemeint hat, blieb er den Jour-

nalisten schuldig. Analysten interpretieren diese Aussage da-

mit, dass Saudi Arabien davon ausgeht, dass ein wesentlicher

Teil der Schieferölproduktion in den USA wegen des niedrigen

Ölpreises bald eingestellt werden muss.

1 NGL (englisch: natural gas liquids) sind liquide Erdgaskondensate, die sowohl

bei der Erdgasgewinnung als auch bei der Erdölgewinnung anfallen. NGLs

sind leichte, hochwertige Produkte, die den verschiedenen Erdölprodukten

beigemischt werden oder auch direkt verwendet werden, zum Beispiel in der

in der petrochemischen Industrie.

Graph 2

USA: Erdölproduktion 2005-2014 (Millionen Barrels proTag)Quelle: US Energy Information Adminstration

9

8

7

6

5

4

3

Gen

-05

Mag

-05

Set-

05

Gen

-06

Mag

-06

Set-

06

Gen

-07

Mag

-07

Set-

07

Gen

-08

Mag

-08

Set-

08

Gen

-09

Mag

-09

Set-

09

Gen

-10

Mag

-10

Set-

10

Gen

-11

Mag

-11

Set-

11

Gen

-12

Mag

-12

Set-

12

Gen

-13

Mag

-13

Set-

13

Gen

-14

Mag

-14

Set-

14

25

Die Entscheidung der OPEC den Erdölpreis nicht durch eine

Förderkürzung zu stoppen, wird von manchen Analysten auch

in einen geopolitischen Kontext gebracht. So sind einige Ana-

lysten der Meinung, dass durch die niedrigen Preise Russland

getroffen werden sollte, dessen Wirtschaft sehr stark von

Erdöl und Gas abhängig ist. Eine andere, immer wieder kol-

portierte Theorie, geht davon aus, dass man den Iran mit den

niedrigen Preisen schwächen will.

Wenn die Erdölpreise weiter sinken, was anzunehmen ist,

da im ersten Quartal 2015 die Nachfrage nach Erdöl saison-

bedingt weiter fallen wird, werden vor allem die kleineren

Schieferölproduzenten in den USA ihre Aktivitäten einstellen

müssen. In den USA sind sehr viele kleine Erdölgesellschaften

in der Schiefergasproduktion tätig, die bei einem anhaltenden

niedrigen Preis wegen mangelnder Rentabilität nicht mehr

produzierten könnten, während die Ölmultis über genügend

finanzielle Ressourcen verfügen, um auch bei niedrigen Prei-

sen die Produktion fortführen zu können. Wie weit die Ölpreise

tatsächlich fallen können, um die Schieferölförderung unren-

tabel zu machen, ist nicht einfach zu beantworten. Manche

Studien gehen davon aus, dass selbst bei einem Preis von unter

60 US$ pro Barrel die Schieferölproduktion noch rentabel sei.

Wie hoch die Förderkosten von Schieferöl sind, hängt auch von

der geologischen Beschaffenheit der jeweiligen Lagerstätte

ab. Manche Analysten gehen davon aus, dass bei sinkenden

Ölpreisen, die Erdölindustrie alles daran setzen wird, um die

Kosten der Schieferölförderung zu verringern, um so auch bei

niedrigeren Ölpreisen profitabel produzieren zu können.

Es gibt viele offene Fragen und erst die kommenden Wochen

und Monate werden zeigen, in welche Richtung der Erdölpreis

sich entwickeln wird. Es bleibt abzuwarten, ob bei einem weite-

ren Preisverfall die OPEC in den kommenden Monaten nicht

doch noch die Fördermengen kürzen wird und möglicherwei-

se auch einige Nicht-OPEC Länder wie Mexiko und Russland

eine Produktionskürzung vornehmen werden, um den Ölpreis

wieder auf ein höheres Niveau zu bringen. Manche Analysten

gehen davon aus, dass sich der Ölpreis mittelfristig bei etwa

80 US$ pro Barrel stabilisieren wird. Auf welchem Preisniveau

letztlich eine Stabilisierung des Ölpreises stattfinden wird, ist

derzeit schwer zu sagen.

26

27

Die Rolle der Erneuerbaren Energien im weltweiten Energiebedarf

Die Nutzung erneuerbarer Energien bietet im Vergleich zu

fossilen Brennstoffen viele potenzielle Vorteile. Vor allem im

Hinblick auf den Klima- und Umweltschutz sind erneuerbare

Energieträger von großer Bedeutung, da sie zur Reduzierung

von Treibhausgasemissionen und anderen Luftschadstof-

fen beitragen. Die zunehmende Verwendung erneuerbarer

Energien führt zudem zu einer größeren Diversifizierung der

Energieversorgung und verringert so die Abhängigkeit von

fossilen Brennstoffen (Erdöl, Erdgas und Kohle). Wie hoch ist

derzeit der weltweite Anteil der erneuerbaren Energien am

Gesamtenergieverbrauch und welche Entwicklung wird für

die Zukunft prognostiziert?

solar-eNERGIE

WIND

geotHermIE

WASSERKRAFTbioENERGIE

28

Zu den erneuerbaren Energiequellen zählen Wasserkraft, So-

larenergie1, Windenergie, geothermische Energie, Energie aus

Biomasse2 und Energie aus Ozeanwellen.

Im Jahre 2011 betrug der Anteil der gesamten erneuerbaren

Energien am weltweiten Primär-Energiebedarf3 13%, davon

entfielen 10% auf Bioenergie, 2% auf Wasserkraft und ledig-

lich 1% auf andere erneuerbare Energien. Der hohe Anteil an

Bioenergie ist eine Folge des hohen Verbrauchs an traditio-

neller Biomasse in den Entwicklungsländern. Laut Prognose

der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der Anteil an

erneuerbarer Energie im Jahre 2035 auf 18% ansteigen. Das ist

zwar immer noch ein geringer Anteil am Gesamt-Energiebe-

darf, aber die Tendenz hin zu erneuerbarer, umweltschonender

Energie und weg von der fossilen Energie, ist evident (Graph 1).

Der Verbrauch erneuerbarer Energien ohne Wasserkraft und

Bioenergie, wird bis 2035 jährlich um durchschnittlich 7,4%

ansteigen, während für Erdöl und Kohle nur eine jährliche

Wachstumsrate von 0,5% bzw. 0,7 % prognostiziert wird.

In den industrialisierten Ländern (OECD) wird beinahe die

Hälfte der erneuerbaren Energie im Stromgewinnungssektor

genutzt, während weltweit 53% in privaten Haushalten, dem

gewerblichen und öffentlichen Sektor verbraucht werden. Der

Grund dafür ist eine weitverbreitete Nutzung von traditionel-

ler Biomasse in den Entwicklungsländern. Mit zunehmender

1 Photovoltaik, Solarzellen zur Warmwassergewinnung und thermische Solar-

kraftwerke (CSP-Concentrating Solar Power).

2 Unter Biomasse oder Bioenergie versteht man alle nicht-fossilen organi-

schen Stoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs, die als Energieträger

genutzt werden. Biomasse inkludiert Brennstoffe aus Holz, Energie aus

Abfall, Biodiesel (z.B. aus Raps) und Bioethanol (z.B. aus Zuckerrohr). Unter

traditioneller Biomasse versteht man Holz, Holzabfälle und Holzkohle und

landwirtschaftliche Rückstände wie z.B. Stroh zum Kochen und Heizen,

welche heutzutage hauptsächlich in Entwicklungsländern genutzt wird.

3 Als Primärenergie bezeichnet man die Energie, die mit den ursprünglich vor-

kommenden Energieformen oder Energiequellen zur Verfügung steht, etwa

als Brennstoff (z.B. Erdöl oder Erdgas), aber auch Energieträger wie Sonne,

Wind oder Kernbrennstoffe. Primärenergie kann durch einen (mit Verlusten

behafteten) Umwandlungsprozess in Sekundärenergie umgewandelt werden

(z.B. Produkte aus Erdöl). Die wichtigste Form der Sekundärenergie ist die

elektrische Energie.

Graph 1

Weltweiter Primär-Energiebedarf nach Energieträger: Anteil in %Quelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)

29 28 27 26 25

31 30 29 28 27

21 22 23 23 24

5 6 6 6 6

2 3 3 3 3

10 10 10 10 11

1 2 3 3 4

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

2011 2020 2025 2030 2035

Kohle

Erdöl

Erdgas

Atomenergie

Wasserkraft

Bioenergie

andere erneuerbare Energien

29

wirtschaftlicher Entwicklung in den Nicht-OECD Ländern ist

ein ähnliches Verbrauchmuster wie in den OECD-Ländern zu

erwarten.

In den vergangenen Jahren haben Investitionen in erneuerbare

Energien einen starken Aufschwung erlebt und im Zeitraum

2005 bis 2012 eine durchschnittliche Wachstumsrate von 28%

erzielt. Wie aus Graph 3 ersichtlich ist, gibt es eine starke Korre-

lation zwischen Investitionen in erneuerbare Energien und dem

Erdölpreis. Als Folge des hohen Erdölpreises wurde die Nutzung

erneuerbarer Energien rentabler und ihre Wettbewerbsfähigkeit

mit fossilen Brennstoffen nahm zu. Auch staatliche Fördermaß-

nahme haben zum Wachstum erneuerbarer Energien wesentlich

beigetragen. Zudem sind die Kosten der eingesetzten Technolo-

gien (z.B. die Herstellung von Photovoltaik-Modulen) stark ge-

sunken. Laut IEA beliefen sich die weltweiten Subventionen für

erneuerbare Energien im Jahre 2012 auf 101 Milliarden Dollar. Im

Vergleich dazu betrugen die Subventionen für fossile Energien

weltweit 544 Milliarden Dollar.

Graph 2

Erneuerbare Energie: Verbrauch nach Sektoren 2010 (%)Quelle: IEA Renewables Information 2012

Private Haushalte/gewerblicher & öffentlicher Sektor Kraft-Wärme Koppelungsanlagen & andere Heizanlagen Industrie Elektrizitätssektor Andere Verwendung Transport

Welt OECD

11%

26%53%

49%

8%

15%

10%

18%

2%

4%

4%0,2%

Graph 3

Weltweite Investitionen in Erneuerbare Energien Quellen: Investitionen in Erneuerbare Energien: - 2013 Renewables Global Status ReportErdölpreis - BP Statistical Review of the World Energy June 2013

0

50

100

150

200

250

300

0

20

40

60

80

100

120

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

(US$/Barrel)

Erdölpreis Investitionen in Erneuerbare Energien

(Milliarden US$)

30

Die stärksten Zuwachsraten konnten in den vergangen

Jahren Solar- und Windenergie verzeichnen. Im Zeitraum

2005 bis 2012 ist die weltweite Photovoltaik-Nutzung

jährlich durchschnittlich um 60% gestiegen während die

solarthermische Stromgewinnung im selben Zeitraum um 43%

gewachsen ist. An dritter Stelle steht die Stromgewinnung

aus Windenergie mit einem durchschnittlichen jährlichen

Anstieg von 25%. Auch die Nutzung von Solarkollektoren zur

Warmwassergewinnung und die Produktion von Biodiesel und

Ethanol konnten zweistellige Wachstumsraten verzeichnen

(Graph 4).

Im Stromgewinnungssektor spielen erneuerbare Energien

bereits jetzt eine bedeutende Rolle. Im Jahre 2012 betrug der

weltweite Anteil erneuerbarer Energien im Elektrizitätssektor

21%, wobei die Wasserkraft 16% ausmachte. Betrachtet man

die erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft so liegt die

Windenergie mit 52% an erster Stelle, gefolgt von Biomasse

mit 31%, Solarenergie mit 10% und Geothermie mit 7%.

Wellenkraftwerke nutzen die Energie der Meereswellen

zur Gewinnung elektrischen Stromes. Diese Art der

Stromgewinnung steht erst am Beginn der Entwicklung und

weist lediglich einen Anteil von 0,6% auf (Graph 5).

3,3%

4%

11%

15%

17%

25%

43%

60%Photovoltaic

Solartermische Stromgewinnen

Strom aus Windenergie

Biodiesel ProduktionSolarkollektoren/

Warmwassergewinnung

Ethanol Produktion

Strom aus Geothermie

Wasserkraft

-10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Graph 4

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von Erneuerbarer Energie und Produktion von Biokraftstoffen, 2007-2012Quelle: REN21 Renewables 2013 Global Status Report

Graph 5

Weltweite Stromproduktion 2012Quelle: EDF – Observatoire des energies renouvables: Worldwide electricity Produktion from renewable energy sources 2013

Kohle, Erdgas, Erdöl Atomstrom Wasserkraft Erneuerbare Energie ohne Wasserkraft

nach Energieträger aus erneuerbarer Energie aus erneuerbarer Energie(ohne Wasserkraft)

68%

11%

52%

31%11%

7%

7%10%

78%16%

5%2%

2%

Biomasse Sonnenenergie Wind Geothermie

31

Laut IEA nimmt die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer

Energien am Strommarkt weltweit ständig zu. Deshalb werden

auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte hohe Wachs-

tumsraten im Stromgewinnungssektor erwartet. Die stärks-

ten Zuwächse werden für Strom aus Solar- und Windenergie

prognostiziert (Graph 6).

Graph 6

Weltweite Stromgewinnung aus Erneuerbaren EnergienQuelle: IEA Renewable Energy Medium- Term Market Report 2013

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

2006 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

DurchschnittlicheWachstumsraten 2012-2018

WasserkraftBioenergieWindPhotovoltaik & CSPGeothermie & Energie aus Ozeanwellen 24.9%

5.2%

15.3%

7.0%

3.2%

TWh

Graph 7

Erneuerbare Energie: Weltweite Kapazitäten in der Stromerzeugung* 2012 (Gigawatt)Quelle: REN21 - Renewables 2013 Global Status Report

*ohne Wasserkraft

** BRICS: Brasilen, Russland, Indien, China und Südafrika

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

China

USA

Deutschland

Spanien

Italien

Indien 24

29

31

71

86

90

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500

Welt

EU

BRICS ** 128

480

210

32

Betrachtet man den Anteil der erneuerbaren Energien im

Elektrizitätssektor in den verschiedenen Wirtschaftsregionen

und Ländern, so ergibt sich folgendes Bild: weltweit betrug

die Kapazität an erneuerbarer Energie ohne Wasserkraft im

Jahre 2012 480 Gigawatt, wobei 210 Gigawatt oder 44% auf

die EU entfielen und 128 Gigawatt oder 27% auf die BRICS

Staaten. Vergleicht man die einzelnen Länder, so führt China

(19%), gefolgt von den USA (18%) und Deutschland (15%). Unter

den ersten 6 Ländern sind zwei Schwellenländer, ein Beweis

dafür, dass die Schwellenländer bei der Nutzung erneuerbarer

Energien einen wichtigen Platz einnehmen. China und andere

Schwellenländer setzten stark auf erneuerbare Energien und

stellen deshalb auch hohe Fördermaßnahmen zur Entwicklung

und Nutzung erneuerbarer Energien bereit.

Die Nutzung erneuerbarer Energien ist in verschiedenen

Ländern unterschiedlich verbreitet. Tabelle 1 zeigt die 5 Länder

mit der größten Kapazität für die einzelnen erneuerbaren

Energiequellen. Bemerkenswert ist, dass das wichtigste

Schwellenland China bei der Nutzung erneuerbarer Energien

einen Spitzenplatz einnimmt. So steht China bezüglich der

Gesamtkapazität erneuerbarer Energien sowohl einschließlich

als auch ausschließlich Wasserkraft an erster Stelle, während

beim Pro-Kopf-Verbrauch Deutschland führend ist. Bei Wind-

energie ist China die Nummer eins, während bei Photovoltaik

Deutschland Spitzenreiter ist. Neben den industrialisierten

Ländern sind vor allen die Schwellenländer China, Indien,

Brasilien und die Türkei bei der Nutzung erneuerbarer Ener-

gien führend. Auffallend ist, dass die Solarenergie nicht nur in

südlichen Ländern mit viel Sonneneinstrahlung stark genutzt

wird, sondern auch in Ländern mit weniger Sonne, wie z.B. in

Deutschland. China steht nicht nur bei der Nutzung erneuerba-

rer Energie an vorderster Linie, sondern chinesische Firmen

spielen auch bei der Herstellung von Photovoltaik-Modulen und

Solarzellen weltweit eine führende Rolle.

Tabelle 1

Erneuerbare Energien: Führende LänderKapazität (Ende 2012)Quelle: REN21- Renewables 2013 Global Status Report

Gesamte Erneuerbare Energie (inkl. Wasserkraft)

Gesamte Erneuerbare Energie ohne Wasserkraft

Gesamte Erneuerbare Energie ohne Wasserkraft pro Kopf

Bioenergie Geothermie (Elektrizität) Wasserkraft Thermische

Solarkraftwerke

1 China China Deutschland USA USA China Spanien

2 USA USA Schweden Brasilien Philippinen Brasilien USA

3 Brasilien Deutschland Spanien China Indonesien USA Algerien

4 Kanada Spanien Italien Deutschland Mexico Kanada Ägypten/Marokko

5 Deutschland Italien Kanada Schweden Italien Russland Australien

Photovoltaik Photovoltaik pro Kopf Windenergie Solarzellen

(Warmwaser)

Solarzellen-Warmwaser pro Kopf

Geothermie- Heizung

Geothermie Direkt-Heizung

1 Deutschland Deutschland China China Zypern USA China

2 Italien Italien USA Deutschland Israel China USA

3 USA Belgien Deutschland Turkei Osterreich Schweden Sweden

4 China Tschechien Spanien Brasilien Barbados Deutschland Türkei

5 Japan Griechenland Indien Indien Griechenland Japan Japan/Island

33

Manche Experten befürchten, dass durch die enormen Investi-

tionen in die Schiefergasindustrie und in andere nicht-konven-

tionelle fossile Energieformen weniger finanzielle Ressourcen

für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zur

Verfügung stehen und sich dadurch das Wachstum erneuer-

barer Energien verlangsamen könnte. Doch die zunehmende

Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den fossilen Energien

lässt hoffen, dass die erneuerbaren Energien weitere Markt-

anteile dazugewinnen werden. Laut einem 2013 veröffentlich-

ten Bericht der Internationalen Organisation für Erneuerbare

Energien (IRENA) ist schon jetzt ein Teil der erneuerbaren

Energien im Stromgewinnungssektor in bestimmten Regionen

mit fossilen Energien wettbewerbsfähig, wie zum Beispiel

Photovoltaik-Anlagen in Gegenden, welche nicht ans Stromnetz

angeschlossen sind und bis 2020 wird die Wettbewerbsfähig-

keit erneuerbarer Energieträger weiter ansteigen.

Obwohl erneuerbare Energien unbestritten umweltfreundli-

cher sind als fossile Brennstoffe, geben Umweltschützer zu

bedenken, dass z.B. durch die Errichtung von Staudämmen für

Wasserkraftwerke in bestimmten Gegenden das natürliche

Ökosystem zerstört wird. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich

auf die Produktion von Biokraftstoffen, wo es zur Verdrängung

großer Nutzflächen für Nahrungsmittel durch Energiepflanzen

kommt und als Folge die Preise für Getreide stark ansteigen.

Der Klimaschutz ist zu einem der Hauptargumente für den

Ausbau der erneuerbaren Energien geworden. Zudem wird

durch die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien ei-

nerseits die Energieversorgungssicherheit verbessert und

andererseits die Anhängigkeit von fossilen Energieträgern

verringert. Längerfristig gesehen ist der weitere Ausbau der

erneuerbaren Energien eine Notwendigkeit, da die Vorräte

fossiler Brennstoffe nicht unendlich zur Verfügung stehen. Wie

schnell der Anteil erneuerbarer Energien im Gesamtenergie-

mix wachsen wird, hängt zum einen von den politischen Rah-

menbedingungen ab, wobei es ausschlaggebend sein wird, ob

die Staaten die notwendigen Fördermaßnahmen anbieten. Die

klimapolitischen Zielsetzungen werden dabei eine maßgebliche

Rolle spielen. Andererseits werden wirtschaftliche Faktoren,

wie die Kostenentwicklung und der technologische Fortschritt

im Bereich der erneuerbaren Energien, das Preisniveau fossi-

ler Brennstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle) und die CO2-Kosten die

Entwicklung der erneuerbaren Energien bestimmen.

34

KLIMAENERGY 2015

26. - 28. März 2015 | Bozen, ItalienInternationale Fachmesse der erneuerbaren Energien

Do-Fr: 9.00-18.00 | Sa: 9.00-17.00

www.klima-energy.it

la

rs

.it

HolzvergasungDezentraleMini-KWKOptimierungvorhandenerAnlagenSpeicherung undEigenverbrauchInnovativeDienstleistungenZUSAMMEN MIT

KLIMAMOBILITY 2015

INTERNATIONALE FACHMESSEFÜR NACHHALTIGE MOBILITÄT

35

Erdgas ist mit einem Anteil von 21% am globalen Primärener-

gieverbrauch hinter Erdöl und Kohle der drittwichtigste Ener-

gieträger. Es gilt als umweltfreundlicher, "sauberer" fossiler

Brennstoff, da es verglichen mit Erdöl und Kohle die gerings-

ten Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2) aufweist und auch we-

niger andere Schadstoffe bei der Verbrennung freisetzt. Sieht

man sich die verschiedenen Prognosen an, so besteht Konsens

darüber, dass der Gasanteil am globalen Energiemix in den

nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter stark ansteigen wird.

Während Erdöl und Kohle weltweit im Zeitraum von 2011 bis

2035 nur ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,5%

bzw. 0,7% verzeichnen, wird für Erdgas ein Wachstum von 1,6%

prognostiziert. Laut Schätzungen der Internationalen Energie-

behörde (IEA) wird der Anteil von Gas am Primär-Energiebe-

darf von 21% im Jahre 2011 auf 24% im Jahre 2035 ansteigen.

Die Hauptursachen für das starke Wachstum sind einerseits

die Klimafreundlichkeit von Erdgas und andererseits die

weltweite Verfügbarkeit und die großen Reserven/Ressour-

cen von Erdgas. Im Vergleich zu Erdöl und Kohle gilt Erdgas

als emissionsärmster Brennstoff. Bei der Verbrennung von

Erdgas wird erheblich weniger Kohlendioxid (CO2) freigesetzt

als bei gleichem Energiegewinn mit Erdöl und Kohle. CO2 trägt

wesentlich zur Klimaerwärmung bei und eine Reduzierung

des CO2-Ausstoßes ist deshalb dringend erforderlich. Auch

andere Verunreinigungen, wie Schwefeldioxid, Ruß und andere

Partikel-Emissionen sind bei der Erdgasverbrennung wesent-

lich geringer als bei Kohle und Erdöl. Kohle verursachte im

Jahre 2011 mit 44% die größten CO2-Emissionen, gefolgt von

Erdöl mit 35% und Erdgas mit 20%. Verglichen mit Gas, setzt

Kohle fast doppelt so viele CO2-Emissionen frei (Graph 2). Zur

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten 2001-2035

Kohle 0,7

Erdöl 0,5

Gas 1,6

Atomenergie 2,1

Wasserkraft 2,2

Bioenergie 1,5

Andere Erneuerbare Energie 7,4

Gesamt Primärenergie- Verbrauch 1,2

info

Graph 1

Weltweiter Primär-Energiebedarf: Prozentuelle Anteile nach EnergieträgerQuelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)

Kohle Gas Wasserkraft Andere Erneuerbare Energie

Erdöl Atomenergie Bioenergie

2011 2035

6%

24%27%

25%

4%

11%3%5%

21%

29%

10%

32%

1%

Energie aus Erdgas: Beitrag zu einer „sauberen“ Energieversorgung?

36

Erreichung der klimapolitischen Zielsetzungen ist deshalb der

zunehmende Verbrauch von Erdgas bei gleichzeitiger Verringe-

rung von Kohle und Erdöl von großer Bedeutung.

20% 1%

32% 29% 21% 18%

35% 44%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Primär-Energie

Verbrauch

CO2Emissionen

ErdölKohle

ErdgasRestliche Energieträger

Graph 2

Weltweiter Primär-Energieverbrauch und CO2 Emissionen:Anteile nach Energieträger 2011Quelle: IEA CO2 Emissions from Fuel Combustion (2013 Edition)

Erdgas besteht zum größten Teil aus Methan. Gelangt Methan

bei der Erdgasförderung direkt in die Erdatmosphäre, wirkt es

dort als Treibhausgas und trägt somit sehr stark zur Klimaer-

wärmung bei. Das kommt vor allem dann vor, wenn Erdgas bei

der Erdölförderung als Begleitgas in die Atmosphäre entweicht

oder wenn es lediglich abgefackelt wird. Die Abfackelung (eng-

lisch: flaring) wird dort eingesetzt, wo eine andere Nutzung für

das Gas finanziell uninteressant ist, z.B. in entlegenen Gebie-

ten, in denen es keine Infrastruktur für den Export gibt. Obwohl

die Erdgas-Förderländer versuchen das Begleitgas soweit als

möglich zu nutzen, wurden im Jahre 2011 immer noch circa

3,6% des weltweiten Gasverbrauchs abgefackelt. Russland und

Nigeria gehören zu den Ländern mit den größten Mengen an

ungenutztem Gas, das in die Atmosphäre gelangt oder abgefa-

ckelt wird.

Gas "Flaring"

Anders als beim Erdöl wird die Verfügbarkeit von Erdgas zur

Energiegewinnung auch langfristig bei steigendem Bedarf

nicht durch die Vorratslage limitiert sein. Die Erfolge bei der

Erschließung nicht-konventioneller Erdgasvorkommen, wie

zum Beispiel Schiefergas, vor allem in den USA, haben die

weltweite Angebotssituation wesentlich verbessert. Erdgas-

vorräte gibt es auf allen Kontinenten und in sehr vielen Län-

dern, wenn auch in ungleichmäßiger Verteilung.

Mit fast 20% der weltweiten Erdgasproduktion stehen die

USA an erster Stelle, gefolgt von Russland, Katar, dem Iran

und Kanada. Auch beim Verbrauch sind die USA mit 20,9% die

Nummer 1, vor Russland, dem Iran, China und Japan. Die fünf

37

wichtigsten Exportländer sind Russland, Qatar, Norwegen, Ka-

nada und Algerien. Bei den Importen rangiert Japan mit 12% an

erster Stelle, vor Deutschland, den USA, Italien und Südkorea

(Tabelle 1). Die USA werden sich dank der steigenden Schie-

fergasproduktion noch vor 2020 von einem Nettoimporteur zu

einem Nettoexporteur entwickeln.

Der Gasverbrauch wird weltweit in allen Regionen ansteigen,

vor allem für die Nicht-OECD Länder werden hohe Wachs-

tumsraten prognostiziert. Ein starkes Wirtschaftswachstum,

die damit einhergehende Industrialisierung, der wachsende

Strombedarf und die Erschließung heimischer Ressourcen sind

dafür ausschlaggebend. Asien wird mit einem durchschnittli-

chen jährlichen Wachstum von 3,4% im Zeitraum 2012 bis 2035

die größte Steigerung verzeichnen, verursacht vor allem durch

den steigenden Energieverbrauch in China und Indien. In Indien

wird sich der Gasverbrauch bis 2035 fast verdreifachen und in

China sogar vervierfachen. Auch in Afrika mit 3,2%, im Mittle-

ren Osten mit 3% und Süd- und Mittelamerika mit 2,8% wird

der Erdgasverbrauch stark zunehmen. Als Folge von Effizi-

enzsteigerungen und einem niedrigen Bevölkerungswachstum

werden für Nordamerika und Europa inklusive der GUS-Staa-

ten nur moderate Wachstumsraten von durchschnittlich 0,8%

und 0,9% vorausgesagt.

Tabelle 1

Erdgas: Produktion, Verbrauch, Exporte und Importe 2012Quelle: Eni World Oil and Gas Review 2013

Produktion Milliar-den m3

An-teil in %

Verbrauch Milliar-den m3

An-teil in %

Export Milliar-den m3

An-teil in %

Import Milliar-den m3

An-teil in %

USA 665,9 19,6 USA 709,6 20,9 Russland 189,3 18,5 Japan 121,6 12,0Russland 642,9 19,0 Russland 461,5 13,6 Qatar 127,8 12,5 Deutschland 87,7 8,6Qatar 169,3 5,0 Iran 156,3 4,6 Norwegen 110,6 10,8 USA 86,7 8,5Iran 159,6 4,7 China 141,9 4,2 Kanada 87,3 8,5 Italien 66,2 6,5Kanada 154,8 4,6 Japan 125,5 3,7 Algerien 51,9 5,1 Südkorea 51,1 5,0Norwegen 116,8 3,4 Kanada 99,6 2,9 Niederlande 51,6 5,1 UK 50,6 5,0China 107,0 3,2 Saudi Arabien 92,7 2,7 USA 44,3 4,3 Frankreich 46,7 4,6Saudi Arabien 92,7 2,7 Deutschland 80,9 2,4 Indonesien 38,7 3,8 Türkei 45,1 4,4Algerien 81,6 2,4 UK 79,1 2,3 Turkmenistan 36,1 3,5 China 38,3 3,8Indonesien 79,8 2,4 Italien 73,2 2,2 Malaysien 28,9 2,8 Spanien 36,3 3,6Gesamt 2270,5 66,9 Gesamt 2020,1 59,4 Gesamt 766,5 75,0 Gesamt 630,3 62,0Rest 1122,0 33,1 Rest 1379,4 40,6 Rest 255,5 25,0 Rest 386,6 38,0Welt 3392,5 100,0 Welt 3399,5 100,0 Welt 1022,0 100,0 Welt 1016,8 100,0

38

Betrachtet man die einzelnen Sektoren, so ergibt sich ein

differenziertes Bild. Das stärkste Wachstum verzeichnet der

Transportsektor mit 6,8% im Zeitraum von 2012 bis 2035, aller-

dings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Derzeit gibt

es weltweit geschätzte 17,7 Millionen mit Gas betriebene Fahr-

zeuge, das ist lediglich ein Anteil von 1,7% an der gesamten

weltweiten Fahrzeugflotte, die weit über eine Milliarde beträgt.

Laut IEA könnte dieser Anteil bis 2035 auf 4,8% ansteigen. Zwei

Drittel der mit Gas betriebenen Fahrzeuge entfallen auf Nicht-

OECD Länder und werden hauptsächlich in Asien und Latein-

amerika genutzt. Innerhalb der OECD gibt es nur in Italien und

Südkorea eine nennenswerte Anzahl von mit Gas betriebenen

Fahrzeugen.

Es ist derzeit schon möglich aus Gas, Produkte wie Benzin,

Diesel und andere Erdölprodukte herzustellen, allerdings ist

das Verfahren sehr aufwendig und kostspielig. Amerikanische

Forscher arbeiten derzeit an einem kostengünstigeren Her-

stellungsverfahren. Anfang März 2014 hat der Energiekonzern

Shell ein neues Motoröl auf den Markt gebracht, das aus Gas

gewonnen wird. Solche Erfindungen tragen dazu bei, dass Erd-

öl in mehr Bereichen durch Gas ersetzt werden kann, als jetzt

der Fall ist. Positive Effekte dieser Entwicklungen sind weniger

CO2-Emissionen und eine Verringerung der Abhängigkeit vom

Erdöl.

Im Industrie- und Elektrizitätsgewinnungssektor betragen die

durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten im Zeitraum

2012-2035 1,9% und 1,8%. In der chemischen Industrie dient

Gas als Rohstoff zur Herstellung von Plastik, Ammoniak und

Stickstoffdünger u.v.a. Auch in der Eisen- und Stahlindustrie

spielt die Nutzung von Gas eine wichtige Rolle. Das bei der

Stromerzeugung eingesetzte Erdgas produziert nur halb so

viele CO2-Emissionen wie die herkömmliche Stromerzeugung

mit Kohle und fast gar keine Schwefelemissionen. Mittel- bis

langfristig wird Gas den Einsatz von Kohle bei der Stromer-

zeugung OECD-weit verdrängen. Gaskraftwerke zeichnen

sich durch einen sehr hohen Wirkungsgrad aus und haben

ein großes Potenzial, als Regelkraftwerke in Kombination mit

den fluktuierenden erneuerbaren Energien (z.B. Windenergie)

Graph 3

Weltweiter Erdgasverbrauch 2012-2035Quelle: BP World Energy Outlook 2014

*toe = Tonnen Erdöläquivalent

Nordamerika Süd- & Mittelamerika Europa & GUS Staaten

Mittlerer Osten Afrika Asien und Pazifik

2012 2015 2020 2025 2030 2035

500045004000350030002500200015001000500

0

3,4%

3,2%

3,0%

0,9%

2,8%

0,8%

(Mill. toe*)Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten: 2012-2035

39

eingesetzt zu werden. Vor allem die Gas-und-Dampf-Kombi-

kraftwerke (GuD Kraftwerke), in welchen die Prinzipien eines

Gasturbinenkraftwerkes und eines Dampfkraftwerkes kombi-

niert werden, erreichen einen sehr hohen Wirkungsgrad.

Graph 4

Weltweiter Gasverbrauch nach Sektoren 2012-2035Quelle: BP World Energy Outlook 2014 *toe = Tonnen Erdöläquivalent

Transport Elektrizitätsgewinnung Industrie Andere Sektoren

2012 2015 2020 2025 2030 2035

5000

4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0

1,5%

1,9%

1,8%

6,8%

(Mill. toe) Durchschnittliche jährliche Wachstums-rate: 2012-2035

Anders als bei Erdöl gibt es für Erdgas keinen Weltmarkt,

sondern es bestehen nur regionale Gasmärkte, die weitgehend

unabhängig voneinander funktionieren. Die drei wichtigsten

Märkte sind Nordamerika, Europa und Asien. Als Folge der

steigenden Schiefergas-Produktion kam es in den USA in den

vergangenen Jahren zu einem starken Preisverfall auf dem

Gasmarkt. Im Jahr 2013 waren die Gaspreise in Europa fast

dreimal so hoch wie in den USA und in Japan betrugen sie

sogar das Vierfache. Der amerikanische Markt ist weitgehend

liberalisiert und die Preise richten sich nach dem Spotmarkt.

In Europa und Asien ist ein erheblicher Teil der Gaspreise in

langfristigen Lieferverträgen festgelegt, wobei die Preise

teilweise an den Erdölpreis gekoppelt sind. Der zunehmende

Handel mit LNG (Liquified natural gas - verflüssigtes Erdgas)

trägt zu einer größeren Diversifizierung bei und es wird mittel-

bis langfristig zu einer Globalisierung des Gasmarktes kom-

men. Dadurch werden die Preisunterschiede in den einzelnen

Märkten zunehmend geringer werden.

40

Erdgas wird entweder über Pipelines transportiert oder als

LNG (verflüssigtes Erdgas) mit speziellen LNG-Tankschiffen

befördert. Beim Transport in Pipelines verbleibt das Gas in sei-

nem gasförmigen Zustand, wird jedoch stark komprimiert um

durch das verminderte Gasvolumen eine höhere Transportef-

fizienz zu erreichen. Beim Transport in Form von LNG wird das

Erdgas in einer Gasverflüssigungsanlage auf -164°C abgekühlt

und unter atmosphärischem Druck verflüssigt, so dass das

ursprüngliche Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel

reduziert werden kann. Das LNG wird dann in LNG-Tankern

transportiert. Im Importland wird das Gas in speziellen LNG-

Terminals wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückver-

setzt, bevor es in die Verteilerpipelines eingespeist wird. Der

größte LNG-Exporteur ist derzeit Katar, gefolgt von Australien

und Malaysia. Der globale Erdgashandel mit LNG- und Pipe-

line-Transportsystemen ist in Abbildung 1 dargestellt.

LNG Tankschiff

Abbildung 1

Wichtigste Erdgas-Transportrouten 2012 (Weltweite Handelsströme - Milliarden m3)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013

USA

Kanada

Mexiko

Süd- & Mittelamerika

Europa & GUS Staaten

Mittel Osten

Afrika

Asia und Pazifik Pipeline

LNG

41

Durch den Bau neuer Pipelines und durch den zunehmenden

Handel mit LNG werden die Gasimporte und Gasexporte in

allen Regionen der Welt in den kommenden Jahren und Jahr-

zehnten stark wachsen. Vor allem im Asiatischen Raum wird es

starke Zuwächse geben. So werden sich in China die Gasim-

porte bis 2035 verdreifachen. Gas-Exporte/-Importe werden

laut neuesten Prognosen weltweit um jährlich durchschnittlich

3,7% bis 2030 wachsen, der LNG-Handel wird um 4,3% anstei-

gen, während Gas, das in Pipelines transportiert wird, um 3%

zunehmen wird. Im Jahre 2001 betrug der Anteil von LNG an

den Gesamt-Erdgasexporten nur 26%, im Jahre 2012 stieg er

auf 32% an und im Jahre 2035 wird er voraussichtlich bereits

46% ausmachen.

Graph 5

Weltweite Gasexporte Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013 & BP Energy Outlook 2013(Milliarden m3)

Pipeline LNG

2001 2005 2012 2035

2500

2000

1500

1000

500

0

14326%

32%

46%

26%74% 74% 68%

54%

411 533

328

966

706

1134189

Erdgas wird in der globalen Energieversorgung in den kom-

menden Jahrzehnten an Wichtigkeit zunehmen. Dank der

weitverbreiteten Verfügbarkeit und der großen Erdgasvorräte

sowie der konkurrenzfähigen Kostenstruktur wird der Erdgas-

verbrauch wesentlich stärker wachsen als der Verbrauch von

Erdöl und Kohle. Der steigende Trend bei den LNG-Exporten

wird die Flexibilität des Gasmarktes weiter verbessern und

somit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Erdöl und Kohle

erhöhen. Durch den wachsenden LNG-Markt kann zudem die

Versorgungssicherheit besser gewährleistet werden, da die

Abhängigkeit von einigen wenigen Erdgaslieferanten, wie das

jetzt vor allem in Europa der Fall ist (Importe aus Russland),

abnehmen wird. Verglichen mit Erdöl und Kohle hat Erdgas

die geringsten CO2-Emissionen und auch andere Schadstoffe,

wie Schwefeldioxid und Ruß sind bei der Erdgasverbrennung

wesentlich geringer als bei Kohle und Erdöl. Deshalb spielt

Erdgas bei der Erreichung der klimapolitischen Ziele eine zen-

trale Rolle. Erdgas wird vielfach als „Brückenenergie“ hin zu

einer Energiewende mit erneuerbaren Energien und weg von

den fossilen Energieträgern gesehen.

42

KLIMAHOUSE 2016

la

rs.it

28. - 31. Januar 2016 | Bozen, ItalienInternationale Fachmesse für energieeffizientesSanieren und Bauen

Do-So: 9.00-18.00

www.klimahouse.it

C

M

Y

CM

MY

CY

CMY

K

KLI16-A4-de.pdf 1 25/02/2015 17:01:31

43

Die Förderung von Schiefergas hat in den USA zu einer weit-

reichenden Veränderung in der Energieindustrie geführt und

hat auch Auswirkungen auf den weltweiten Energiemarkt.

Die Prämisse von immer knapper werdenden fossilen Ener-

gieträgern scheint durch diese neue Entwicklung erschüttert

zu sein. Was waren die Voraussetzungen und Gründe dieser

Entwicklung und wird Schiefergas in Zukunft auch außerhalb

der USA die Energielandschaft verändern?

Schiefergas zählt zum unkonventionellen Erdgas und unter-

scheidet sich in seiner Bildung und Zusammensetzung nicht

vom konventionellen Erdgas. Die Art der Lagerstätten und die

dadurch erforderliche Technologie zur Förderung des Erdga-

ses weichen jedoch erheblich vom herkömmlichen Erdgas ab.

Schiefergas ist in undurchlässigen oder nur schwer durch-

lässigen Tonsteinen (Schiefer) gespeichert. Die Gewinnung ist

technisch viel schwieriger und aufwendiger und verursacht

dadurch höhere Kosten als die Förderung von konventionel-

lem Erdgas. In Anbetracht der schwindenden konventionellen

Erdgasreserven versuchten amerikanische Firmen seit einigen

Jahrzehnten neue Fördertechnologien zu entwickeln. Durch

die Kombination von „horizontal drilling“ (horizontale Bohr-

technik) und „hydraulic fracturing“ oder „hydraulic fracking“

(hydraulische Rissbildung) gelang ein technologischer Durch-

bruch, der es möglich machte Schiefergas zu fördern. Vorkom-

men von Schiefergas sind oft mit konventionellen Lagerstätten

verbunden.

Erst die hohen Erdöl- und Gaspreise seit Anfang des vergan-

genen Jahrzehnts machten die Schiefergasförderung auch

wirtschaftlich profitabel. Eine andere wichtige Voraussetzung

für den rasanten Anstieg der Schiefergasproduktion in den

USA war die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen

im Jahre 2005 durch den US Kongress, wodurch es den Öl- und

Gasfirmen erlaubt wurde, die aus umweltpolitischer Sicht um-

strittene Technologie des „hydraulic fracking“ anzuwenden.

Die Schiefergas Revolution

Bohren in 4 Schritten

1. Eine senkrechte Bohrung bis zur gasführenden Gesteinsschicht.

2. Eine waagerechte Bohrung durch die gashaltige Schicht.

3. Unter hohem Druck wird ein Gemisch aus 'Wasser (90 %), Sand (9.5 %) und anderen Chemikalien (Säuren. Chloride, Salze etc. 0,5 %) in das Erdreich gepresst. Dadurch entstehen Risse innerhalb der gasführenden Gesteinsschicht.

4. Sobald der Druck nachlässt steigt das 'Wasser wieder zur Oberfläche auf und Gas entweicht.

Quellen: Europäische Kommission 2012,World Energy Council 2010

info

4

1

3

2

44

Während im Jahre 2000 Schiefergas nur knappe 2% der ge-

samten Gasproduktion in den USA ausmachte, waren es im

Jahre 2012 bereits 38%. Durch die steigende Produktion des

Schiefergases ist die USA im Jahre 2009 zum größten Gaspro-

duzenten der Welt aufgestiegen und hat Russland auf Platz

zwei verwiesen. Dank der Schiefergasförderung werden die

USA in den nächsten Jahren ihren gesamten Erdgasbedarf aus

heimischen Quellen abdecken und zusätzlich Gas exportieren

können. Laut neuesten Prognosen des US-Energieministeri-

ums (EIA/DOE) wird die Schiefergasproduktion in den kom-

menden Jahrzehnten weiter ansteigen und im Jahre 2040 einen

Anteil von über 50% an der Gesamt-Gasproduktion erreichen,

während die Produktion von konventionellem Gas nur gering-

fügig zunehmen wird (Graph 2).

Als Folge der steigenden Gasproduktion sind die Gaspreise

in den USA von mehr als 10 $/mmbtu1 im Jahr 2008 auf unter

3 US$/mmbtu im Jahr 2012 gesunken und betrugen 3,7 US$/

mmbtu im Jahre 2013. Bemerkenswert ist auch, dass es in den

USA seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu einer Entkoppe-

lung der Gaspreise vom Erdölpreis gekommen ist.

1 Im angelsächsischen Raum werden Gaspreise meist in BTU‘s (british thermal

units) angegeben, mmbtu steht für Millionen btu

Graph 1

USA: Gasproduktion und GaspreisQuelle: EIA / US Department of Energy

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

30

25

20

15

10

5

0

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0

(Bill. Kubikfuß)

Schiefergas Konventionelles Gas Gaspreis

(US$/ mmbtu)

45

Der Gasmarkt ist in den USA liberalisiert und der Preis richtet

sich weitgehend nach dem Marktgegebenheiten. In Europa und

Japan sind die Gaspreise viel höher, weil sie zu einem erhebli-

chen Teil an die Erdölpreise gekoppelt sind und meist in lang-

fristigen Verträgen festgelegt sind. Gas kostete im Jahr 2013 in

Europa mehr als dreimal so viel und in Japan sogar mehr als

viermal so viel als in den USA (Graph 3). Neueste Prognosen

gehen davon aus, dass es als Folge vermehrter Gasproduktion

in den USA und den daraus resultierenden LNG-Exporten nach

Europa und Asien in den kommenden Jahren auch in Europa

und Japan zu spürbaren Gaspreis-Senkungen kommen wird,

während die Preise in den USA leicht ansteigen werden. Die

Preisunterschiede in den drei Wirtschaftsregionen werden so

längerfristig geringer werden.

Durch das gestiegene Angebot an Erdgas in den USA wird vor

allem bei der Stromgewinnung vermehrt Kohle durch Erdgas

ersetzt, was zu einer Verringerung von Kohlendioxid und ande-

rer Luftschadstoffe führt und somit eine positive Auswirkung

auf die Erreichung der Klimaziele hat.

Diverse Studien belegen, dass die Schiefergasindustrie

weitreichende positive Auswirkungen auf die Wirtschaft der

USA hat und dazu beitrug viele neue Arbeitsplätze zu schaf-

fen. Einerseits erlebten der Energiesektor und die damit

verbundenen Industriezweige zur Errichtung der notwendi-

gen Infrastruktur, wie z. B. die Stahlindustrie einen starken

Aufschwung. Andererseits profitierten vor allem die energiein-

tensiven Industriesektoren, wie die Chemie-, Stahl-, Alumi-

nium- und Kunststoffindustrie durch die niedrigen Gaspreise

und haben somit an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen

Ländern gewonnen. Da Erdgas ein wichtiger Rohstoff für die

Chemie- und Kunststoffindustrie ist (z.B. Herstellung von Plas-

tik, Textilien, Düngemittel etc.) erlebt dieser Industriesektor

durch das steigende Angebot an Gas und durch die niedrigen

Preise einen erheblichen Aufschwung. Die niedrigen Kosten für

Gas kommen auch den privaten Haushalten und dem gewerbli-

chen Bereich zugute.

Graph 2

USA: Erdgasproduktion 2011-2040Quelle: EIA/DOE Energy Outlook 2014

14,664,8%

7,935,2%

15,854,2%

13,345,8%

17,550,9%

16,949,1%

17,747,2%

19,852,8%

40

35

3

25

20

15

10

5

02011 2020 2030 2040

Konventionelles Gas Schiefergas

(Bill. Kubikfuß)

46

Nach neuesten Schätzungen des US-Energieministeriums

(Energy Information Administration-EIA) belaufen sich die

Schiefergasressourcen weltweit auf 7795 Billionen Kubik-

fuß (220 Billionen m3). Dabei handelt es sich um die mit den

derzeit zur Verfügung stehenden technischen Mitteln förder-

baren Vorkommen, unabhängig davon, ob die Förderung auch

wirtschaftlich sinnvoll ist. In diesen Schätzungen sind nicht

alle Schiefergasvorkommen erfasst, wie z.B. jene im Nahen

Osten, in weiten Teilen Afrikas und in der Kaspischen Region.

Schiefergaslagerstätten sind auf alle Kontinente und auf viele

Länder verteilt. Allerdings teilen sich sechs Länder weit mehr

als die Hälfte der Schiefergasvorkommen: USA, China, Argenti-

nien, Algerien, Kanada und Mexiko (Tabelle 1).

In welchem Ausmaß die Vorkommen in Ländern außerhalb

der USA wirtschaftlich sinnvoll genützt werden können, bleibt

abzuwarten. Das hängt zum einen von den geologischen Gege-

benheiten der jeweiligen Schiefergasvorkommen, der bereits

vorhandenen Infrastruktur und dem technischen Know-how

der Förderfirmen ab, andererseits spielen die Akzeptanz der

Bevölkerung bezüglich der Schiefergasförderung und die po-

litischen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. In den USA

befinden sich viele Schiefergasvorkommen in kaum besiedel-

ten Gebieten, während zum Beispiel in Europa Schiefergasre-

serven in dichtbesiedelten Regionen liegen.

Graph 3

Gaspreise und Ölpreis im VergleichQuellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, Worldbank-Commodity Prices

* Henry Hub( Louisiana) ist das wichtigste Verteilerzentrum für Gas-Pipelines in den USA

20

18

16

14

12

10

8

6

4

2

0 2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

Japan NLG cif

Deutschland: durchschnittliche Gas- Importpreise cif

USA Gas Preis - Henry Hub*

Erdölpreis: OECD Länder cif

(US$ / mill btu)

Tabelle 1

Weltweite Schiefergas Ressourcen 2013Quelle: US Energy Information Administration (EIA-DOE), Juni 2013

(Billionen m3) Anteil in % Kumulativer Anteil in %USA 32,9 14,9 14,9China 31,6 14,3 29,2Argentinien 22,7 10,3 39,5Algerien 20,0 9,1 48,6Kanada 16,2 7,4 55,9Mexico 15,4 7,0 62,9Australien 12,4 5,6 68,5Südafrika 11,0 5,0 73,5Russland 8,1 3,7 77,2Brasilien 6,9 3,1 80,3Andere Länder 43,5 19,7 100,0Gesamte Welt 220,7 100,0

47

Derzeit wird in den USA und in Kanada Schiefergas in wirt-

schaftlich relevanten Mengen gefördert. China und Austra-

lien produzieren bereits kleinere Mengen an Schiefergas. In

Argentinien befindet sich die Produktion noch in der Testphase,

und auch in einigen anderen Ländern werden Testbohrungen

durchgeführt (z.B. in Polen, Großbritannien und Indonesien).

China hat sich bezüglich der zukünftigen Schiefergasprodukti-

on ehrgeizige Ziele gesetzt, da einerseits die Energienachfrage

ständig wächst und andererseits durch vermehrten Einsatz

von „sauberem“ Gas, vor allem im Elektrizitätssektor, Kohle

ersetzt wird, um so der zunehmenden Umweltverschmutzung

entgegenzuwirken.

Auch viele europäische Länder verfügen über erhebliche

Schiefergasvorkommen, wobei nach jetzigem Wissensstand

Polen und Frankreich die größten Vorkommen haben. Wegen

der möglichen Umweltschäden, die bei der Schiefergasgewin-

nung entstehen können, ist man in Europa noch skeptisch und

in vielen Ländern ist der Einsatz des „Fracking“ bis auf wei-

teres verboten. Ende Jänner 2014 hat die EU Kommission den

Entwurf eines europäischen Energie- und Klimaschutzpakets

bis zum Jahr 2030 vorgestellt. Darin wird grundsätzlich die

Förderung von Schiefergas empfohlen, wenn bestimmte Aufla-

gen erfüllt werden. Die Kommission gibt "Mindestgrundsätze

vor, die die Mitgliedsstaaten befolgen sollten, um Umwelt- und

gesundheitliche Bedenken auszuräumen und Betreibern und

Investoren die Vorhersehbarkeit zu gewährleisten, die sie

benötigen". Von Umweltschutzorganisationen gab es harsche

Kritik zu dieser EU Empfehlung, da man anstatt mehr Geld in

erneuerbare Energien zu investieren vor der Schiefergaslobby

kapitulieren würde.

Weltweite Schiefergas-RessourcenQuellen: US Energyi Information Administration (EIA) - Advanced Resources International Inc. (ARI)

Bewertete Schiefergas-vorkommen inklusive Ressourcenschätzung

Bewertete Schiefer-gasvorkommen ohne Ressourcenschätzung

48

Risiken und Chancen der Schiefergasgewinnung

Welche Gefahren bringt die Förderung von Schiefergas für die

Umwelt? Umstritten ist vor allem die Methode, mit der Schie-

fergas gefördert wird. Beim „Fracking“ wird ein Gemisch aus

Wasser, Sand und giftigen Chemikalien unter hohem Druck tief

ins Erdreich gepresst. Kritiker sehen darin eine Gefahr für das

Grundwasser. Außerdem kommen beim „Fracking“ enorme

Wassermengen zum Einsatz, welche dann für andere Zwecke

nicht mehr zur Verfügung stehen. In vielen Regionen der Welt

gibt es bereits jetzt Wasserknappheit. Ein weiteres Risiko

besteht darin, dass durch den ungeheuren Pressdruck beim

Fracking Erdbeben entstehen können.

Befürworter der Schiefergasförderung führen an, dass durch

das enorme Potential in vielen Ländern auf viele Jahrzehnte

hinaus Erdgas zur Verfügung stünde. Erdgas gilt als sauberere

Alternative zu Kohle und Öl, da bei der Verbrennung weniger

Kohlendioxid und andere Luftschadstoffe freigesetzt werden.

Damit könnte die Zeit, bis der Energiebedarf vollständig aus

erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann, „klimafreund-

licher“ überbrückt werden. Für viele Länder, welche Gas

importieren, würde die Abhängigkeit von einigen wenigen

Erdgas-Exportländern reduziert und somit die Sicherheit der

Energieversorgung erhöht werden (Beispiel Russland). Mehr

Angebot an Erdgas würde auch außerhalb der USA zu einer

signifikanten Senkung der Gaspreise beitragen und so auf

diverse Wirtschaftssektoren, in welchen Gas entweder als

Energiequelle oder als Rohstoff genutzt wird, eine positive

Auswirkung haben.

Ob und wie schnell die Schiefergasförderung in Zukunft

weltweit Verbreitung finden wird, hängt von verschiedenen

Faktoren ab. Der technologische Fortschritt spielt dabei eine

wichtige Rolle. Wenn es gelingt die Fördertechnologien zu

verbessern, sodass die möglichen Umweltschäden minimiert

werden, so könnte das ein wichtiger Schritt zu mehr Akzep-

tanz auch in jenen Ländern führen, die sich bislang gegen das

„Fracking“ ausgesprochen haben. Bereits bestehende Infra-

strukturen, wie Pipelines, technisches Knowhow und Besiede-

lungsdichte spielen auch eine bedeutsame Rolle. Nicht zuletzt

werden die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen

eine wichtige Voraussetzung dafür sein, ob die Schiefergaspro-

duktion in Zukunft auch außerhalb der USA eine wichtige Rolle

im Energieangebot spielen wird. Die Ukraine-Krise und die

daraus resultierenden geopolitischen Veränderungen könnten

dazu beitragen, dass man auch in Europa die Schiefergas-

produktion vorantreibt, um die Gas-Importabhängigkeit von

Russland zu verringern.

49

Erdöl hält mit 31% im Jahre 2011 den größten Anteil am

weltweiten Energiemix und spielt aufgrund seiner vielseiti-

gen Verwendbarkeit eine dominante Rolle in der modernen

Wirtschaft. Wird das in Zukunft auch so bleiben oder zeichnet

sich bereits eine neue Entwicklung ab?

Der rasante Aufstieg des Erdöls begann nach dem 2. Weltkrieg.

Bis in die Nachkriegszeit war Kohle der alles beherrschende

Energieträger. Die Erfindung des Verbrennungsmotors und

die Entdeckung großer Erdölvorkommen im Mittleren Osten

schafften die Voraussetzung für die weltweite Nutzung des

Erdöls. Die geopolitische Bedeutung des Erdöls spielte schon

im 1. und im 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle und führte auch in

jüngerer Zeit immer wieder zu kriegerischen Auseinanderset-

zungen (z.B. Invasion in Kuwait 1990, Invasion im Irak 2003).

Der Erdölverbrauch wuchs von 10 Millionen Barrel am Tag im

Jahr 1950 auf über 30 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 1965.

Gründe für den rasanten Anstieg waren ein Überangebot und

vor allem der niedrige Preis des Erdöls. Seit Ende des zweiten

Weltkrieges war der Erdölpreis nominell unverändert geblie-

ben und inflationsbereinigt sogar gesunken. Von 1965 bis 2013

hat sich der weltweite Erdölverbrauch mehr als verdreifacht

und ist von 30 Millionen pro Tag auf über 91 Millionen Bar-

rels pro Tag gestiegen. Einen nennenswerten rückläufigen

Erdölverbrauch gab es nach 1974 und 1979 verursacht durch

Angebotskürzungen einerseits und starke Preiserhöhungen

andererseits und darauffolgender Rezession, sowie im Jahre

2008 und 2009 als Folge der Finanzkrise und der großen Re-

zession.

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

-

2013

2011

2009

2007

2005

2003

2001

1999

1997

1995

1993

1991

1989

1987

1985

1983

1981

1979

1977

1975

1973

1971

1969

1967

1965

OECD Nicht-OECD

1. Ölpreis Schock

2. Ölpreis Schock

2008-09 Finanzkrise Rezession

(Mill. Barrels/Tag)

Graph 1

Weltweiter Erdölverbrauch 1965-2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014

Erdöl: wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft

50

Bevölkerungs- und Einkommenswachstum sind die beiden

stärksten Faktoren, welche die Energienachfrage beein-

flussen, weshalb es zu divergierenden Entwicklungen in den

OECD- und Nicht-OECD-Ländern kommt. Der Erdölverbrauch

in den OECD-Ländern ist seit 2008 rückläufig. Der Anteil der

OECD am Gesamt-Erdölverbrauch ist von 75% im Jahre 1965

auf 49,9% im Jahre 2013 gesunken, während der Anteil der

Nicht-OECD-Länder im gleichen Zeitraum von 25% auf 50,1%

gestiegen ist. Im Jahre 2013 lag der Erdölverbrauch der Nicht-

OECD mit mehr als 50% am weltweiten Erdölverbrauch zum

ersten Mal über dem der OECD. Laut Daten der US Energy

Information Administration (EIA) hat China im September 2013

zum ersten Mal mehr Erdöl importiert als die USA.

Wegen der wichtigen Rolle, welche das Erdöl für die Wirtschaft

spielt, ist die Entwicklung des Erdölpreises von größter Bedeu-

tung. Ein erheblicher Teil des Erdöls wird in politisch instabilen

Regionen gefördert, weshalb der Erdölpreis neben marktbe-

stimmenden Faktoren auch stark von geopolitischen Ereignis-

sen beeinflusst wird. Bis 1973 war der Erdölpreis sehr niedrig

und wurde von den großen multinationalen Erdölgesellschaf-

ten bestimmt. Im Jahre 1973 kam es zu einem signifikanten An-

gebotsrückgang verursacht durch das Arabische Öl-Embargo.

Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), welche

1960 in Bagdad gegründet wurde, beschloss Ende 1973 den

Erdölpreis um das nahezu Vierfache zu erhöhen. Von diesem

Zeitpunkt an spielte die OPEC eine mehr oder weniger wichtige

Rolle für die Entwicklung des Erdölpreises.

Zu einer weiteren starken Preiserhöhung kam es 1979-1980

ausgelöst durch die Iranische Revolution und den darauf fol-

genden Iran-Irak-Krieg. Der hohe Preis hielt aber nicht lange

an. Als Folge der hohen Preise nach 1973 wurde die Erdöl-

förderung in verschiedenen Regionen, wie z. B. in der Nord-

Graph 2

Erdölpreis Entwicklung 1960-2013Quellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, US Energy Information Administration (EIA)

120

100

80

60

40

20

0

1960

1962

1964

1968

1970

1972

1974

1976

1978

1980

1982

1984

1986

1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

Arabisches Erdöl Embargo

Iranische RevolutionIran-Irak

Krieg

Finanzkrise- Rezession

Golfkrieg

Starke Nachfrage in ChinaIrak Krieg

Schwacher DollarNiedrige KapazitätsreservenOPEC Produktionskürzungen

Asien-Finanzkrise

11. Sept. 2001

(US$/Barrel)

51

see, wirtschaftlich profitabel. Es kam zu einem Überangebot

an Erdöl und in Folge zu einem Preisverfall. Im Jahre 1986

erreichte der Erdölpreis einen Tiefststand. Die OPEC-Länder

mussten empfindliche Rückgänge ihrer Produktion hinnehmen.

Um den sinkenden Erdölpreisen entgegenzuwirken, setzte die

OPEC Förderquoten für die Mitgliedsländer fest, die entspre-

chend den Marktgegebenheiten verringert oder erhöht werden,

um den Preis zu stabilisieren und ein bestimmtes Preisniveau

zu halten. Die Quotenregelung, die bis heute in Kraft ist, war

nicht immer erfolgreich, da sich nicht alle Länder an die ihnen

zugeteilten Quoten hielten.

Zu stärkeren Preiserhöhungen mit beschränkter Dauer kam es

während des Golfkrieges 1990 und nach den Ereignissen des

11. Septembers 2001. Auch während der Finanzkrise in Asien

1997-1998 fiel der Erdölpreis. Der rasante Anstieg der Erdöl-

preise nach 2003, der nur während der Finanzkrise und großen

Rezession 2008-2009 kurzfristig unterbrochen wurde, ist auf

eine Kombination verschiedener Faktoren zurückzuführen.

Zum einen ließ der starke Erdölverbrauchsanstieg in Asien,

vor allem in China, der Irak-Krieg und der schwache Dollar

die Preise in die Höhe schnellen, zum anderen trugen die

geringen freien Produktionskapazitäten in den OPEC-Ländern,

sowie Produktionskürzungen der OPEC zur Preissteigerung

bei. Viele Analysten sehen auch in den zunehmenden Speku-

Tabelle 1

Erdöl: Produktion, Verbrauch, Exporte und Importe 2012.Quelle: Eni World Oil and Gas Review 2013

Produktion*1000 Barrels pro Tag

Anteil in % Verbrauch

1000 Barrels pro Tag

Anteil in %

Exporte: Erdöl, Erdölprodukte & NGLs *2

1000 Barrels pro Tag

Anteil in %

Importe: Erdöl, Erdölprodukte & NGLs *2

1000 Barrels pro Tag

Anteil in %

Saudi Arabien 11584 13,3 USA 18907 21,1 Saudi Arabien 9136 13,4 USA 11179 16,3

Russland 10734 12,4 China 9600 10,7 Russland 7071 10,4 China 6441 9,4

USA 9149 10,5 Japan 4729 5,3 UAE *3 3024 4,4 Japan 4995 7,3

China 4175 4,8 Indien 3651 4,1 Kanada 3022 4,4 Indien 4157 6,1

Kanada 3770 4,3 Russland 3271 3,6 USA 2878 4,2 Südkorea 3500 5,1

Iran 3541 4,1 Brasilien 3016 3,4 Nigeria 2699 4,0 Niederlande 3114 4,5

UAE *3 3539 4,1 Saudi Arabien 3012 3,4 Kuwait 2680 3,9 Singapur 2504 3,6

Irak 3031 3,5 Deutschland 2338 2,6 Irak 2532 3,7 Deutschland 2502 3,6

Kuwait 2959 3,4 Kanada 2327 2,6 Venezuela 2205 3,2 Frankreich 2048 3,0

Mexiko 2920 3,4 Südkorea 2768 3,1 Niederlande 2149 3,2 Großbritannien 1806 2,6

Gesamt 55402 63,8 Gesamt 53619 59,7 Gesamt 37396 55,0 Gesamt 42246 61,5

Rest 31493 36,2 Rest 36180 40,3 Rest 30616 45,0 Rest 26395 38,5

OPEC *3 37527 43,2 OPEC 8591 9,6 OPEC 29988 44,1

Welt 86895 100,0 Welt 89799 100,0 Welt 68012 100,0 Welt 68641 100,0

* Inkludiert NGLs. NGLs (englisch: natural gas liquids) sind liquide Erdgaskondensate, die sowohl bei der Erdöl-, als auch bei der

Erdgasförderung anfallen können.

*2 Exporte bzw. Importe in den Niederlanden und in Singapur sind wegen der großen Raffineriezentren sehr hoch.

*3 Vereinigte Arabische Emirate

*4 Die Mitgliedsstaaten der OPEC sind: Algerien, Angola, Ecuador, Iran, Irak, Kuwait, Libyen, Nigeria, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte

Arabische Emirate und Venezuela

52

lationsgeschäften auf den Terminmärkten (futures markets)

einen wichtigen Grund für den hohen Erdölpreisanstieg und

die starken Preisschwankungen. Wenngleich der Einfluss der

verschiedenen Faktoren auf den Erdölpreis nicht quantifizier-

bar ist, so kann man doch sagen, dass der Erdölpreis nicht nur

durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.

Noch nie hat es im „Zeitalter des Erdöls“ einen so langen

Zeitraum mit hohen Preisen gegeben, wie das seit Mitte des

vergangenen Jahrzehnts der Fall ist. Obwohl der Ölpreis von

2012 auf 2013 leicht rückläufig war und auch für 2014 und 2015

ein weiterer leichter Rückgang prognostiziert wird, werden die

Vorhersagen, abhängig davon, wie sich die Lage im Mittleren

Osten entwickelt, möglicherweise nach oben revidiert werden

müssen. Mittel- bis langfristig kann man davon ausgehen,

dass der Erdölpreis nicht mehr auf ein niedriges Niveau, wie

das Anfang des 21. Jahrhunderts der Fall war, sinken wird.

Ein wichtiger Grund dafür ist die Verknappung jener Erdölre-

serven, die zu niedrigen Kosten gefördert werden können. Als

Folge der hohen Erdölpreise wurde die Förderung von nicht-

konventionellem Erdöl, wie Öl-Sand, Schieferöl oder Ultra-

Tiefsee-Öl vorangetrieben, deren Förderkosten zwischen 60

US$ und 100 US$ liegen. Der größte Teil der noch vorhandenen

Erdölreserven hat sehr hohe Förderkosten, weshalb niedrige

Preise nicht mehr kostendeckend wären.

Die Länder mit der höchsten Erdölproduktion sind Saudi

Arabien und Russland, gefolgt von den USA. Unter den größ-

ten zehn Erdölförderländern sind fünf OPEC Mitgliedsstaaten.

Insgesamt machte der Anteil der OPEC im Jahre 2012 43 % der

weltweiten Erdölproduktion aus, bei den Exporten von Erdöl

und Erdölprodukten betrug der Anteil 44%. Betrachtet man

nur die Erdölexporte ohne Erdölprodukte, so beläuft sich der

Anteil der OPEC auf 60%. Der größte Exporteur war 2012 Saudi

Arabien gefolgt von Russland und den Vereinigten Arabischen

Emiraten. Beim Verbrauch und bei den Importen rangieren die

USA an erster Stelle vor China und Japan.

Als Folge der Preissteigerungen in den 1970er Jahren kam es

zu einer Verringerung des Marktanteils von Erdöl am Gesamt-

Graph 3

Weltweiter Energiekonsum nach Energieträger: Anteil in %Quelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)

Kohle Erdöl Gas Atomenergie Wasserkraft & andere erneubare Energien

1990 2011 2025 2035

12,7 13,2 28,9 15,5

27,2

28,6

22,5

6,2

6,4

17,6 25,5

26,823,721,3

31,4

25,4

36,8

19,0

5,26,0

53

energiemix. Der Anteil verringerte sich von circa 45% im Jahre

1975 auf 36,8% im Jahre 1990. Im Jahre 2011 betrug der Anteil

nur noch 31,4%, machte aber immer noch den größten Anteil

am Gesamtenergiemix aus. Neben den steigenden Erdöl-

preisen hat das starke Wachstum von Erdgas und anderen

Energieträgern in den vergangenen Jahren zu einem weiteren

Verlust an Marktanteilen geführt. Laut Prognosen von renom-

mierten Institutionen besteht Konsens darüber, dass der Anteil

von Erdöl am Energiemix auch in Zukunft stetig abnehmen

wird, während Gas und erneuerbare Energien ihren Anteil

weiter ausbauen werden. Laut Internationaler Energiebehörde

wird der Anteil von Erdöl am weltweiten Energiekonsum im

Jahre 2035 auf 26,8% sinken.

Graph 4

Weltweiter Erdölverbrauch nach RegionenQuelle: BP World Energy Outlook 2013

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2015 2020 2025 2030 2035

Nordamerika

Mittlerer Osten

(Millionen Tonnen)

Süd- & Mittelamerika

Afrika

Europa und GUS Staaten

Asien und Pazifik

In den Nicht-OECD Ländern wird der Erdölverbrauch wei-

ter wachsen, China und Indien werden aufgrund ihrer hohen

Bevölkerungszahlen eine Schlüsselrolle spielen, während sich

in den OECD-Ländern der seit einigen Jahren fallende Trend

beim Erdölverbrauch weiter fortsetzen wird. Gründe dafür sind

einerseits die zunehmende Energieeffizienz bei der Nutzung,

die zunehmende Diversifizierung der Energieträger und die

steigende Nachfrage nach sauberer Energie wie Erdgas und

erneuerbare Energien, um die CO2-Emissionen zu verringern

und so die klimapolitischen Zielsetzungen zu erreichen. Ener-

giepolitische Entscheidungen zur Senkung der CO2-Emissionen

zeigen allmählich Wirkung. Das Verbrauchswachstum wird

insgesamt durch die steigenden Rohölpreise der vergange-

nen Jahre sowie durch die weitere, stufenweise Senkung von

Subventionen auf Erdölprodukte in den Nicht-OECD-Ländern

gebremst werden. Zudem wurden in den vergangenen Jahren

durch die Erschließung neuer Erdgasvorräte die Erdgasre-

serven stark vergrößert, was in Zukunft in vielen Sektoren zu

einer Verdrängung von Erdöl durch Erdgas führen wird.

54

In den OECD-Ländern wird die Nachfrage in allen Sekto-

ren zurückgehen. Während weltweit der Erdölverbrauch im

Transportbereich erhebliche Zuwächse verzeichnet, wachsen

die anderen Sektoren nur geringfügig oder nehmen sogar ab

und werden durch andere, billigere Energieträger substitu-

iert. Besonders stark fiel der Anteil im Elektrizitätsbereich.

Im Industriebereich werden moderate Steigerungen prog-

nostiziert, da vor allem im Petrochemie-Sektor und in ande-

ren Nicht-Energiebereichen derzeit eine Substitution durch

andere Energieträger nur in beschränktem Maße möglich ist.

Im Transportbereich ist Erdöl immer noch der dominierende

Energieträger. Als Folge der hohen Preise kam es jedoch zu

einer erheblichen Effizienzsteigerung bei den Fahrzeugen.

Der Transportsektor hat mit über 50% den größten Anteil am

Erdölverbrauch, gefolgt vom Industriesektor mit 30%. Auch in

Zukunft wird die wachsende Erdölnachfrage von diesen beiden

Sektoren getragen werden.

Die im Transportsektor eingesetzte Energie wird weiterhin

vom Erdöl dominiert, jedoch wird es aufgrund der Verdrängung

durch Biokraftstoffe sowie verbesserter Motoreneffizienz zu

einer Verlangsamung des Wachstums kommen. Längerfristig

wird der Einsatz von mit Gas betrieben Fahrzeugen, Elektro-

fahrzeugen und Plug-in-Hybriden, sowie von Schienenfahrzeu-

gen eine Verringerung des Erdölverbrauchs im Transportbe-

reich herbeiführen.

Graph 5

Weltweiter Erdölkonsum nach SektorenQuelle: BP World Energy Outlook 2003

(Millionen Tonnen)

Transport Elektrizitätssektor Industrie andere Sektoren

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2015 2020 2025 2030 2035

55

Die weltweite Fahrzeugflotte wird von circa 1,1 Milliarden im

Jahre 2012 auf circa 2,3 Milliarden im Jahre 2035 ansteigen,

wobei die Zuwächse überwiegend in den Nicht-OECD-Ländern

stattfinden werden. Besonders in den beiden bevölkerungs-

reichsten Ländern China und Indien wird der Motorisierungs-

grad stark zunehmen. Im Jahre 2013 kamen in China auf 1000

Einwohner gerade einmal 74 Fahrzeuge, während es in Indien

nur 34 waren. Laut Schätzungen der neuesten BP-Prognose

werden im Jahre 2035 in China auf 1000 Einwohner circa 370

und in Indien circa 110 Fahrzeuge kommen. In den OECD-

Ländern wird der Motorisierungsgrad im Bereich von 600 bis

800 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner stagnieren und aufgrund

der Verdrängung durch Biokraftstoffe sowie durch verbesserte

Motoreneffizienz wird es zu einer erheblichen Verringerung

des Verbrauchs kommen.

Erdöl wird auch in den kommenden Jahrzehnten der wichtigste

Energieträger sein und die Wirtschaft weiterhin stark prägen.

Der Anteil am Gesamtenergiemix wird jedoch kontinuierlich

abnehmen und nach 2035 wird Erdöl nicht mehr die Nummer 1

im globalen Energiemix sein. Im Elektrizitätssektor wird Erdöl

langfristig nur mehr eine untergeordnete Rolle spielen und im

Haushalts- und gewerblichen Sektor sowie im Industriesektor

Anteile an andere Energieträger verlieren. Nur im Transport-

sektor wird Erdöl auch langfristig seine dominierende Rolle

beibehalten, da eine Substitution durch andere Energieträ-

ger, wie Biotreibstoffe oder Gas nur langsam voranschreitet.

Da Vorräte von billigem Erdöl immer geringer werden, wird

unkonventionelles Erdöl, wie Schieferöl, Ultra-Tiefsee-Erdöl,

Extra-Schweröl und Teer-Sand einen immer größeren Anteil

an der weltweiten Erdölförderung ausmachen.

Graph 6

Weltweite Anzahl von FahrzeugenQuelle: BP Energy Outlook 2035 - January 2014

Fahrzeugflotte

Milliarden

Motorisierungsgrad

Fahrzeuge pro 1000 Einwohner

Konsum im Transportsektor

Milliarden Tonnen Erdöläquivalent2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,0

800

600

400

200

0

3

2

1

01965 2000 2035 1965 2000 2035 1965 2000 2035

USA

Deutschland

Japan

China

Indien

Nicht-OECD OECD

Nicht-OECD OECD

56

KLIMAHOUSE TOSCANA 2015

17. - 19. April 2015 | Florenz, Stazione LeopoldaEnergieeffizientes Sanieren und Bauen

Fr-Sa: 10.00-19.00 | So: 10.00-18.00

la

rs

.it

OnlineTicket -40%

REICHHALTIGES

Kongress-Programm

BESICHTIGUNGSFAHRTEN ZU

KlimaHäusern

Weiterbildung& Workshops

www.klimahouse-toscana.it

2. Auflage

57

Aus Erdöl wird nicht nur Benzin, Diesel, Heizöl und Asphalt,

hergestellt, sondern Erdöl ist auch der wichtigste Rohstoff

der petrochemischen und chemischen Industrie. In unserem

Alltag benutzen wir sehr viele verschiedene Produkte, die

aus Erdöl hergestellt werden, oft ohne uns dessen überhaupt

bewusst zu sein. Wodurch kann Erdöl als Energieträger er-

setzt werden und wie können auf Erdöl basierende Produkte

in der chemischen Industrie ersetzt werden?

Weit mehr als zwei Drittel des Erdöls wird als Energie genutzt,

für Heizungsanlagen oder als Brennstoff für Autos, Flugzeu-

ge oder Schiffe. Der restliche Teil wird als Rohstoff oder als

Zwischenprodukt in der petrochemischen Industrie weiterver-

arbeitet, wo chemische Grundstoffe hergestellt werden. Die

vielen Anwendungsmöglichkeiten haben Erdöl im 20. und auch

im 21. Jahrhundert einerseits zum bedeutendsten Energieträ-

ger und andererseits zum wichtigen Handelsgut gemacht. Laut

UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und

Entwicklung) betrug der Export von Erdöl und Erdölprodukten

im Jahr 2012 weltweit mehr als 15% der gesamten Exporte.

Weltweit gibt es viele verschiedene Erdölsorten mit unter-

schiedlicher Zusammensetzung, verschiedenen Eigenschaften

und Verwendungsmöglichkeiten. Im weltweiten Erdölhandel

gibt es einige Referenzsorten, sogenannte „Benchmarks“, die

je nach Qualität unterschiedliche Preise erzielen. Die Refe-

renzsorte Brent bezieht sich hauptsächlich auf den Euro-

päischen Markt, während WTI (West Texas Intermediate) im

amerikanischen Markt und Dubai im Persischen/Arabischen

Golf als Benchmark fungieren. Die Preise der restlichen

Rohölsorten werden durch Auf- oder Abschläge von diesen

„Benchmarks“ ermittelt. Leichte Erdölsorten, wie zum Beispiel

WTI und Brent sind teurer, weil sich aus ihnen hochwertigere

und deshalb teurere Produkte herstellen lassen, während

schwere Erdölsorten einen geringeren Preis erzielen.

Je nach Förderstätte unterscheidet sich die Zusammensetzung und Qualität des Rohöls und damit variiert auch seine Beschaffenheit und Farbe

Wie sehr bestimmt der Einsatz von Produkten, die aus Erdöl hergestellt werden, unser tägliches Leben?KLIMAHOUSE TOSCANA 20

15

17. - 19. April 2015 | Florenz, Stazione LeopoldaEnergieeffizientes Sanieren und Bauen

Fr-Sa: 10.00-19.00 | So: 10.00-18.00

la

rs

.it

OnlineTicket -40%

REICHHALTIGES

Kongress-Programm

BESICHTIGUNGSFAHRTEN ZU

KlimaHäusern

Weiterbildung& Workshops

www.klimahouse-toscana.it

2. Auflage

58

Rohöl lässt sich nicht direkt nutzen. Erst durch Destillation und

Raffination des Erdöls entsteht eine breite Palette wertvol-

ler Produkte. Damit aus Rohöl Endprodukte, wie LPG, Ben-

zin, Diesel, Heizöl entstehen, muss das Rohöl in Raffinerien

chemische und physikalische Prozesse durchlaufen, wobei

die Umwandlung in drei wichtigen Prozessen erfolgt: Destil-

lation, Konversion und Reformierung. Im ersten Prozess, der

Destillation, wird das Rohöl in verschiedene Fraktionen mit

unterschiedlicher Siedetemperatur aufgetrennt. So entstehen

Flüssiggas (LPG), Benzin und Dieselöl, Heizöle, Basis-Öle für

Schmierstoffe, Bitumen und eine Reihe von Nebenprodukten.

Abbildung 1 zeigt das Schema eines Destillationsprozesses.

Da die Produkte, welche beim Destillationsprozess entstehen,

nicht dem Marktbedarf entsprechen, bedarf es noch einer Rei-

he weiterer komplexer Raffinationsprozesse, wie „Conversion“

und „Reforming“, Entschwefelung etc.

Die Raffinerien müssen sich ständig den veränderten Markt-

gegebenheiten anpassen. Einerseits verändert sich die

Nachfrage nach Produkten und andererseits werden aus

umweltpolitischen Maßnahmen immer neue Auflagen und

Gesetzesvorschriften bezüglich der Zusammensetzung der

Erdölprodukte erlassen. In den vergangenen Jahrzehnten hat

sich eine Verlagerung von sogenannten „schweren“ Erdölpro-

dukten hin zu „leichteren“ Produkten ergeben. So sank der

Anteil von Schweröl im Jahre 1995 von 16% auf 10% im Jahre

2012, während vor allem LPG und Naphtha, Diesel und Heizöl

ihren Anteil erhöhen konnten.

Flüssiggas

Leichtbenzin / Naphtha

Schwerbenzin

Kerosin

Leichtgasöl

Schwergasöl

Ofen

athmosphärische Destillationskolonne

Rohöldestillationsanlage

Rohöl

atmosphärischer Rückstand (z.B. Bitumen)

Abbildung 1

Quelle: BP – Erdöl bewegt die Welt

59

Graph 1

Weltweiter Erdölverbrauch nach Produktgruppen (Anteil in %) Quelle: Eni World Oil and Gas Review 2013

LPG/Naphta Diesel/Heizöl Andere Produkte

Benzin Schweröl

1995 2012

35%

24%17%

10%14%

39%

10%

13%14%

24%

Die Petrochemie ist ein Zweig der Chemie, der sich mit der

Umwandlung von Erdöl und Erdgas in chemische Produkte und

Ausgangsverbindungen für die Herstellung chemischer Pro-

dukte beschäftigt. Rohstoff der Petrochemie ist in erster Linie

Rohbenzin, aber auch teilverarbeitete Produkte. Petrochemie-

Anlagen und Raffinerien arbeiten deshalb sehr eng zusammen.

Ungefähr zehn Prozent der aus Erdöl gewonnenen Produkte

gelangen als Ausgangsstoffe in die petrochemische Industrie.

Diese Produkte bilden den Grundstein der Petrochemie, die aus

ihnen eine große Palette verschiedenster Verbindungen fertigt.

Paraffine und Wachse werden zur Imprägnierung von Oberflä-

chen, zur Herstellung von Kerzen und in der chemischen und

pharmazeutischen Industrie verwendet. Weißöle dienen als

Grundstoffe in der pharmazeutischen Industrie. Aus Olefinen

entstehen Kunstfasern und Kunststoffe, während Aromaten

als Lösungsmittel und für vielfältige Prozesse in der chemi-

schen Industrie eingesetzt werden. Erdöl ist auch der Rohstoff

für Synthesefasern in der Textilindustrie, Kunststoffe, Folien,

Rohre, Kunststoffplatten, Synthetikkautschuk, Schaumstoffe

für Verpackung und Bauindustrie, Lacke, Farben, Düngemittel,

Pflanzenschutzmittel, Wasch- und Reinigungsmittel, Zwi-

schenprodukte für Pharmazeutika und Kosmetika (Haarspray,

Shampoo etc.). Auch der bei der Entschwefelung von Brenn-

und Treibstoffen gewonnene Schwefel findet in der chemischen

Industrie Verwendung.

Raffinerie PetrochemischeIndustrie

ChemischeIndustrie EndprodukteErdöl

Abbildung 2

60

Fast 90% der Chemieprodukte werden aus Erdöl und zu einem

geringeren Teil aus Gas gewonnen, allen voran Kunststoffe.

Sie sind im Vergleich zu natürlichen Materialen, wie Holz oder

Metall leichter und strapazierfähiger und aus dem Alltag nicht

mehr wegzudenken. Die vielen Anwendungsmöglichkeiten ha-

ben Erdöl nicht nur zum bedeutendsten Energieträger, sondern

auch zum wichtigsten Handelsgut in der modernen Industrie-

gesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts gemacht. Kein ande-

rer Rohstoff lässt sich so einfach und vielfältig verarbeiten.

Obwohl durch die Förderung von nicht-konventionellem Rohöl

die Erdöl-Reserven einen bedeutsamen Anstieg erfahren ha-

ben, bleibt Erdöl trotzdem ein begrenzter Rohstoff. Auf Grund

des vielseitigen Einsatzes von Produkten aus Erdöl in der

modernen Welt, kann eine Umstellung auf eine Welt ohne Erdöl

nur in einem langen Veränderungsprozess erfolgen. Viele Ex-

perten sind der Ansicht, dass Erdöl viel zu kostbar ist, um als

Heizmittel oder im Transportsektor „verbrannt“ zu werden und

verweisen darauf, dass Erdöl vor allem ein wertvoller Rohstoff

für die chemische Industrie ist.

Welche Alternativen gibt es für Erdöl? Im Energiesektor kann

Erdöl einerseits durch Gas und Kohle, deren Reserven eine

weit längere Reichweite aufweisen, und andererseits durch er-

neuerbare Energieträger ersetzt werden. So hat zum Beispiel

der multinationale Energiekonzern Shell ein Motoröl entwickelt

und Anfang 2014 auf den Markt gebracht, welches aus Gas her-

gestellt wird. Die begrenzte Reichweite fossiler Energien, so-

wie die zunehmende Klimaproblematik erfordern längerfristig

auch einen Umstieg auf alternative, nachwachsende Rohstoffe

aus Biomasse in der chemischen Industrie. Biomasse wird

Ein kleiner Querschnitt von Produkten aus Erdöl, die in der Petrochemischen und Plastik-industrie hergestellt werdenQuelle: BP - Erdöl bewegt die Welt

61

schon jetzt in der chemischen Industrie eingesetzt, wobei die

aus pflanzlicher Biomasse gewonnenen nachwachsenden Roh-

stoffe genutzt werden (siehe Graph 2). Immer mehr chemische

Zwischen- und Endprodukte werden aus Biomasse hergestellt.

Bio-basierte Herstellungsverfahren mit Raps, Mais oder Stroh

ermöglichen neue Produkte bei Kunststoffen, Hydraulikölen,

Farben und Lacken.

Graph 2

Ursprung der Rohstoffe in der chemischen Industrie in DeutschlandQuelle: Verband der Chemischen Industrie, Frankfurt am Main 2009

NachwachsendeRohstoffe

10%

Kohle2%

Erdgas8%

Erdöl80%

Wie schnell ein Umstieg von Erdöl auf Erdgas und Kohle

einerseits und eine generelle Abkehr von fossilen Energien

als Ausgangsmaterial für chemische Produkte andererseits

erfolgen kann, wird letztlich von der weltweiten Energiepolitik

entscheidend beeinflusst werden. Für die Grundlagen- und

angewandte Forschung zur chemischen Transformation von

nachwachsenden Rohstoffen zur Herstellung der gesamten

Produktpalette in der chemischen Industrie, die jetzt aus Erdöl

und zum Teil aus Erdgas hergestellt werden, müssen noch

viele technologische Herausforderungen gemeistert werden.

Aus heutiger Sicht kann eine weitreichende Veränderung weg

von fossilen Ausgangsmaterialen und hin zu nachwachsenden

Rohstoffen in der chemischen Industrie wohl nur über einen

sehr langfristigen Zeitraum erwartet werden.

62

KLIMAMOBILITY 2015

26. - 28. März 2015 | Bozen, ItalienInternationale Fachmesse für nachhaltige Mobilität

Do-Fr: 9.00-18.00 | Sa: 9.00-17.00

la

rs

.it

www.klimamobility.it

TeststreckeBIKES, CARS & SCOOTER

InternationalerFachkongressDIE MOBILITÄT DER ZUKUNFT

GEMEINSAM MIT

KLIMAENERGYINTERNATIONALE FACHMESSE DERERNEUERBAREN ENERGIEN

2015

Branchen-TreffpunktVERNETZUNG WICHTIGERAKTEURE

63

Nicht-konventionelle fossile Energieträger sind vor allem im

Zusammenhang mit der zunehmenden Schiefergasproduk-

tion in den USA in den vergangenen Jahren ins Zentrum der

Berichterstattung gerückt. Um welche Energieträger handelt

es sich und welche Rolle spielen sie bzw. werden sie in Zu-

kunft in der globalen Energieversorgung spielen?

Steigende Energiepreise, ständig zunehmender Energiever-

brauch und die Weiterentwicklung der Fördertechnologien ha-

ben unter anderem dazu beigetragen, dass in den vergangenen

Jahrzehnten immer mehr nicht-konventionelle fossile Energien

erschlossen wurden. Sie unterscheiden sich von den konventi-

onellen nicht in ihrer Zusammensetzung, sondern lediglich in

der Art der Lagerstätte und der Fördermethode. Während bei

konventionellen fossilen Energieträgern klassische Methoden

zur Erschließung und Förderung angewendet werden, braucht

es zur Erschließung nicht-konventioneller Vorkommen neue,

zum Teil sehr aufwendige und kostspielige Technologien. Es

gibt keine einheitliche Definition für unkonventionelles Erdöl

oder Erdgas. Eine weite Auslegung des Begriffes unkonventi-

oneller Erdöle umfasst alle Vorkommen, die nur mit besonde-

rem Aufwand gefördert werden können. So werden manchmal

auch Vorkommen unterhalb gewisser Wassertiefen (z.B. in

500m Tiefe) oder in bestimmten Regionen (z.B. Arktis) als

nicht-konventionell bezeichnet. Die Abgrenzung von konventi-

oneller fossiler Energie zu nicht-konventioneller fossiler Ener-

gie ist nicht immer eindeutig und kann sich im Laufe der Zeit

verändern, d.h. unkonventionelle Fördermethoden können sich

nach jahrelanger Anwendung zu konventionellen Methoden

etablieren. In diesem Artikel wird die Definition der Bundesan-

stalt für Geowissenschaften und Rohstoffe verwendet.

Tabelle 1

Übersicht: Nicht-konventionelle fossile Energieformen

Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Hannover

ERDÖL GAS

Schwerstöl ( extraheavy oil) Tight Gas (tight gas)

Teersand (bitumen) Schiefergas (shale gas)

Schieferöl/ Tight Öl (shale oil) Kohleflözgas (coalbed methane)

Ölschiefer (kerogen) Aquifergas (aquifer gas)

Gashydrat (gas hydrate)

Anmerkung: In Klammern wird der englische Begriff angegeben, da häufig auch in deutschen Berichten die

englischen Ausdrücke verwendet werden.

Die zunehmende Wichtigkeit nicht-konventioneller fossiler Energien

64

Während bei den Reserven1 der Anteil von konventionellem

Erdöl und Erdgas überwiegt, haben bei den Ressourcen2 die

nicht-konventionellen fossilen Energien mit 63 % einen weitaus

höheren Anteil. Man kann davon ausgehen, dass durch ver-

besserte Technologien in Zukunft Ressourcen zu Reserven

klassifiziert werden. Auch die zukünftige Entwicklung des

Öl- und Gaspreises wird dabei eine Rolle spielen, ob Ressour-

cen in Zukunft auch wirtschaftlich gefördert werden können.

Derzeit wird der größte Teil des nicht-konventionellem Erdöls

und Erdgas in Nord- und Südamerika gefördert: Teersand in

Kanada, Schwerstöl in Venezuela, Schieferöl und Schiefergas

sowie Tight Gas in den USA und in kleineren Mengen auch in

Kanada. Aber auch viele andere Länder verfügen zum Teil über

große Reserven und Ressourcen von nicht konventionellem

Erdöl und Gas.

Reserven

13%

87%

37%

63%

Ressourcen

Konventionelles Erdöl und Erdgas Nicht-Konventionelles Erdöl und Erdgas

Graph 1

Vergleich: Weltweite konventionelle und nicht-konventionelle fossile Erdöl und Erdgas Reserven und Ressourcen 2012Quelle: Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Energiestudie Dezember 2013

Ölsand

Ölsand oder Teersand ist ein Gemisch aus Bitumen, Wasser,

Sand und Ton, wobei der Gewichtsanteil des Bitumens am Sand

variiert und im Durchschnitt circa 12% beträgt. Die Sandkörner

sind von einem dünnen Wasserfilm umhüllt und dieser wiede-

rum von zähflüssigem Bitumen. In den Lagerstätten ist Ölsand

nicht fließfähig und somit nicht ohne weiteres förderbar. Zur

Gewinnung von Erdöl aus Teersand werden zwei verschiedene

Fördertechniken angewandt: Ölsandabbau kann im Tagebau

(ex-situ) oder durch Bohrungen (in-situ) bei tieferliegenden

Vorkommen abgebaut werden. Der größte Teil der Förderung

erfolgt durch Bohrungen. In einem aufwendigen Verfahren wird

der teerhaltige Sand mit heißem Wasser unter Hinzufügung von

chemischen Lösungsmitteln gewaschen, um so das Bitumen zu

trennen und schließlich daraus Erdöl zu gewinnen. In einem so-

genannten „Upgrader“ wird das Bitumen zu synthetischem Erdöl

verarbeitet. Im Durchschnitt benötigt man zwei Tonnen Ölsand

um ein Barrel (159 Liter) Rohöl zu gewinnen.

1 Reserven beschreiben jene Mengen des Erdöls/Erdgases, welche bereits

genau erfasst und bewertet wurden und mit den derzeitigen technischen

Möglichkeiten wirtschaftlich gewonnen werden können.

2 Ressourcen sind die Mengen an Erdöl/Erdgas, die geologisch nachgewiesen

sind, deren Förderung aber derzeit nicht wirtschaftlich ist oder auch tech-

nisch nicht möglich ist und jene Mengen, die noch nicht nachgewiesen sind,

aber aus geologischer Sicht in dem betreffenden Gebiet erwartet werden

können.

65

Abbau von Ölsand in Kanada

Die weltweit größten Vorkommen von Ölsand liegen im nörd-

lichen Teil der kanadischen Provinz Alberta, wobei das poten-

zielle Abbaugebiet etwa 140.000 Quadratkilometer umfasst,

was der doppelten Fläche von Irland entspricht. Die Gewin-

nung von Erdöl aus Ölsand findet derzeit nur in Kanada statt,

wo Ende der 1960iger Jahre die Förderung begonnen hat. Die

Erdölgewinnung aus Ölsand ist sehr umstritten, da die Um-

weltbelastung sehr hoch ist: einerseits kommt es infolge der

Energieintensität zu hohen klimaschädlichen CO2-Emissionen

und möglichen Methanemissionen und andererseits führt die

Förderung von Ölsand durch den enormen Flächenverbrauch

zur Verwüstung und Vergiftung großer Landstriche und zu

einem enormem Wasserverbrauch.

Schwerstöl (extraheavy oil)

Unter Schwerstöl versteht man Rohölsorten, die eine sehr

hohe Dichte von weniger als „10 API“ und eine hohe Viskosität

aufweisen. Schwerstöl ist dem Bitumen der Ölsande ähnlich,

jedoch fließfähiger und deshalb in der Förderung weniger

aufwendig und kostenintensiv und vor allem weniger umwelt-

schädlich.

Schwerstöl ist sehr zähflüssig und erfordert deshalb spezielle Förder-Technologien

Die weltweit größten Vorkommnisse von Schwerstöl befinden

sich in Venezuela im Orinoco-Gebiet. In den 1980iger Jahren

wurde dort mit der Förderung von Schwerstöl begonnen. Soge-

nannte „Upgrader“, wie sie auch zur Verarbeitung von Ölsand

verwendet werden, sind notwendig, um das Schwerstöl so zu

66

verarbeiten, dass es auch in einer Raffinerie raffiniert wer-

den kann. Häufig wird das Schwerstöl auch mit Naphtha oder

anderen leichten Produkten gemischt, um es fließfähiger zu

machen und es so in Raffinerien besser verarbeiten zu können.

Infolge der Erschließung der großen Reserven an Schwerstöl

ist Venezuela weltweit zum Land mit den größten Erdölreser-

ven geworden. Kleinere Mengen an Schwerstöl gibt es auch

in anderen Ländern wie zum Beispiel in China, Aserbeidschan

und Großbritannien.

Schieferöl/Tight Öl und Schiefergas

Die Förderung von Schiefergas und Schieferöl wurde durch die Kombination von „horizontal drilling“ und „fracking“ möglich.

Schieferöl/Tight Öl und Schiefergas ist im Vergleich zu kon-

ventionellem in dichtem, kaum oder nur wenig durchlässigem

Gestein eingelagert, wie zum Beispiel in Sandstein-, Karbonat-

oder Tonsteinreservoiren. Weltweit gibt es in vielen Ländern

zum Teil sehr große Mengen an Reserven und Ressourcen.

Durch die Kombination zweier existierender Technologien

– horizontales Bohren (engl. horizontal drilling) und die so

genannte hydraulische Behandlung (engl. hydraulic fracturing

oder fracking) – wurde die Förderung von Schiefergas und

Schieferöl gegen Ende des 20. Jahrhunderts möglich. Der-

zeit fördern die USA und Kanada Schieferöl und Schiefergas

in kommerziellen Mengen. In China, Australien, Argentinien,

Großbritannien und einigen anderen Ländern werden derzeit

Probebohrungen durchgeführt und in den kommenden Jahren

wird es voraussichtlich auch dort zu kommerzieller Förderung

kommen. Obwohl die Fördermethode des Hydraulic Fracking

wegen der möglichen Umweltrisiken (z.B. Grundwasserver-

seuchung) sehr umstritten ist, scheint es doch so, als ob auch

außerhalb von Nordamerika die Förderung von Schieferöl und

Schiefergas unaufhaltsam ist. Alle großen internationalen

Erdöl und Erdgasfirmen engagieren sich in der Schiefergas-

und Schieferölproduktion und immer mehr Länder vergeben

Förderkonzessionen an die Ölmultis. Es ist zu hoffen, dass die

67

Fördertechnologien dermaßen weiterentwickelt werden, dass

mögliche Umweltschäden ausgeschlossen oder zumindest

minimiert werden können.

Tight Gas

Tight Gas ist meist in Sandgestein oder Kalkgestein mit gerin-

ger Durchlässigkeit gespeichert. Es zählt zum nicht-konventi-

onellen Gas, da es bei der Förderung nicht ohne spezielle Maß-

nahmen zum Bohrloch strömt. Tight Gas wird schon seit vielen

Jahren mittels „Fracking“ gefördert. Tight-Gas-Lagerstätten

liegen in circa 4000 Metern Tiefe, also deutlich tiefer als Schie-

fergas und das Risiko der Grundwasser-Kontaminierung ist

deshalb nicht so groß wie bei der Schiefergasförderung.

Ölschiefer (Kerogen)

Ölschiefer-haltiges Gestein

Ölschiefer, nicht zu verwechseln mit Schieferöl, ist ein unreifes

Erdölmuttergestein, das noch nicht die geologische Entwick-

lung durchlaufen hat, um Erdöl zu bilden. Vorkommen von Öl-

schiefer gibt es in vielen Ländern, wobei circa 3/4 der weltweit

bekannten Ressourcen in den USA liegen. Aus Ölschiefer wird

durch thermische Behandlung sogenanntes Schieferöl gewon-

nen. Die Gewinnung ist extrem aufwendig und energieintensiv.

Ölschiefer wird seit mehr als 160 Jahren in einigen Ländern

in geringen Mengen abgebaut und verarbeitet. Heute wird nur

noch in Estland, im Leningrader Becken, in Südchina und Bra-

silien Ölschiefer gefördert. Experten gehen davon aus, dass

noch eine längere Entwicklungszeit notwendig ist, bis eine

kosten- und vor allem energieeffiziente Produktionsmethode

entwickelt wird.

Kohleflözgas (coalbed-methan)

Kohleflözgas ist der Oberbegriff für alle Gase, die in Verbin-

dung mit Kohle vorkommen. Obwohl Kohleflözgas bekannt ist,

seit es Kohle gibt, wurden erst seit einigen Jahrzehnten die

technologischen Möglichkeiten entwickelt, um Kohleflözgas

auch als Energie zu nützen. Die globale Kohleflözgas-Förde-

rung ist zwar gering, zeigt aber einen steigenden Trend. Mit

einem Förderanteil von knapp 80% dominieren die USA den

Markt, aber auch in anderen Ländern, wie in Kanada, Australi-

en, Deutschland, China etc. steigt die Förderung von Kohleflöz-

gas. Bei der Förderung werden große Mengen an Grundwasser

aus den Kohlelagerstätten herausgepumpt, um so durch den

abnehmenden Wasserdruck das Gas zum Herausströmen zu

68

bringen. Bei der Kohleflözgas-Förderung kommt es einerseits

zu einem enormen Wasserverbrauch und andererseits kann

das herausgepumpte Wasser giftige Stoffe enthalten, die gra-

vierende Schäden in der Umwelt anrichten können.

Aquifergas

Unter Aquifergas versteht man im Grundwasser gelöstes

Methangas. Die Löslichkeit von Methan in Wasser ist im All-

gemeinen sehr niedrig, erhöht sich jedoch mit zunehmender

Tiefe und somit mit steigendem Druck. Als potenziell förder-

bar gelten Aquifergas-Vorkommen in heißen Grundwässern,

die unter ungewöhnlich hohem Überdruck stehen. Obwohl es

weltweit sehr große Vorkommen von Aquifergas gibt, wird es

nicht kommerziell gefördert, da nach heutigem Wissensstand

eine Förderung unwirtschaftlich wäre. Verglichen mit anderen

nicht-konventionellen Erdgasvorkommen, weist Aquifergas das

geringste wirtschaftliche Potenzial auf.

Gas aus Hydraten

Gashydrate sind feste, eisförmige Verbindungen aus Methan

und Wasser, die sich unter niedrigen Temperatur- und hohen

Druckbedingungen bilden. In fast allen Ozeanen der Welt und

in den Land- und Schelfregionen der Permafrostgebiete hat

man in den letzten Jahren enorme Gashydratvorkommen

entdeckt. Bis jetzt gibt es jedoch noch keine Fördertechnik,

um aus Gashydraten Gas zu fördern. Seit Beginn der 1970er

Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler in den USA, Kanada,

Japan, China und anderen Ländern mit der Erforschung von

Gashydraten, da sie als mögliche Energiequelle der Zukunft

eine wichtige Rolle spielen könnten. Manche Wissenschaftler

gehen davon aus, dass mithilfe von Gashydraten über Jahrhun-

derte die globale Energienachfrage abgedeckt werden könnte,

wenn es gelänge, die Gashydrate-Vorkommen großflächig

auszubeuten. Ob und wann entsprechende Fördertechnologien

entwickelt werden und was die möglichen Konsequenzen für

die Umwelt sein werden, wie zum Beispiel die Beeinflussung

des Ökosystems am Meeresboden, bleibt abzuwarten.

Synthetische Erdöle

Sogenannte Synthetische Erdöle/Erdölprodukte werden

manchmal auch zur nicht-konventionellen fossilen Energie ge-

zählt. Dabei handelt es sich um liquide Kraftstoffe aus Gas (G-

69

t-L), aus Kohle (C-t-L) oder aus Biomasse. Zur Herstellung von

Synthetischen Erdöl aus Kohle oder Gas wird das sogenannte

Fischer-Tropsch-Verfahren angewandt, welches bereits 1925

in Deutschland erfunden und zur Kohleverflüssigung genutzt

wurde. Während des 2. Weltkrieges wurde der Kraftstoff für

die Kriegsmaschinerie aus Kohle hergestellt. Das billige Erdöl

aus dem Mittleren Osten machte dieses Herstellungsverfah-

ren jedoch unrentabel. Das Fischer-Tropsch-Verfahren wurde

von der Firma SASOL in Südafrika übernommen und weiter-

entwickelt, da es für Südafrika als Folge der Apartheidpolitik

schwierig war, genügend Erdöl zu kaufen. Im Jahre 1955 wurde

die erste Kohleverflüssigungsanlage in Betrieb genommen,

weitere Anlagen folgten, die bis heute in Betrieb sind. Der

Ölmulti Royal Dutch Shell verfügt über die Technologie aus Gas

flüssigen Kraftstoff herzustellen (G-t-L). In Katar und Malay-

sia, beides Länder mit großen Gasreserven, befinden sich sol-

che Anlagen. Die Herstellung von sogenannten synthetischen

Kraftstoffen ist einerseits sehr energieintensiv und deshalb

klimaschädlich und andererseits sehr kostspielig. Ob sich sol-

che Anlagen in anderen Ländern in Zukunft auch durchsetzen,

bleibt abzuwarten.

Kleine Anlagen, um aus Biomasse (z. B. Raps, Stroh etc.)

synthetische Kraftstoffe wie Diesel herzustellen, gibt es in

vielen Ländern. Experten glauben, dass solche Anlagen auch

in großem Stile wirtschaftlich und vor allem umweltfreundlich

produzieren könnten.

Die Förderung von nicht-konventionellem Erdöl und Gas steigt

weltweit stetig und nimmt im globalen Energiemix eine immer

bedeutendere Rolle ein. Die Erschließung der nicht konventi-

onellen fossilen Energien hat dazu geführt, dass die Reserven

und Ressourcen von Erdöl und Gas signifikant angestiegen

sind. Nicht-konventionellen Vorkommen von Erdöl und Gas

sind weltweit stärker gestreut, als konventionelle Vorkommen,

was zu einer Verminderung der Anhängigkeit von einigen weni-

gen Ländern und Regionen führt. Zusammen mit den konventi-

onellen fossilen Reserven und Ressourcen reicht das Potential

noch für lange Zeit zur weltweiten Energieversorgung. Wäh-

rend es für einen Teil der Vorkommen bereits die zur Förde-

rung notwendigen Technologien gibt, stehen für andere noch

keine entsprechenden Fördermethoden zur Verfügung. Die

Förderung der meisten nicht-konventionellen fossilen Energi-

en ist vielfach mit erheblichen Umweltschäden verbunden, da

die Produktion einerseits sehr energieintensiv ist und ande-

rerseits Methoden angewendet werden, welche die Umwelt

schwer belasten. Zudem befürchten Experten, dass durch die

massiven Investitionen der großen Öl- und Gasgesellschaften

in nicht-konventionelle fossile Energien zu wenige Ressourcen

in erneuerbare und umweltverträgliche Energieträger inves-

tiert werden und so die Klimaziele nicht erreicht werden kön-

nen. Es ist letztlich eine große Herausforderung für die Politik,

die Vorteile und Nachteile abzuwägen und die entsprechenden

Weichen für eine nachhaltige zukünftige Energieversorgung zu

stellen.

70

71

Die seit Mitte des letzten Jahrzehnts stark gestiegenen

Erdölpreise hatten zur Folge, dass die Benzin-, Diesel- und

Heizölpreise Rekordmarken erreicht haben. Wie setzen sich

diese Preise zusammen und in welchem Ausmaße wirken sich

Steigerungen der Rohölpreise auf die Endproduktpreise aus?

Wer verdient dabei am meisten?

Die auf Erdöl basierenden Endverbraucherpreise für Treib-

stoffe und Heizöl setzen sich aus drei großen Einzelposten

zusammen: dem Einkaufspreis für das Rohöl, den Steuern und

einem Restposten, welcher Kosten für Transport, Lagerung,

Raffineriekosten, Vertriebskosten, Betriebskosten der Tank-

stellen und Gewinne beinhaltet. Laut Branchen-Experten sind

die Betriebskosten einer Tankstelle gedeckt, sobald circa fünf

Cent je Liter übrig bleiben. In vielen Fällen wird dieser Wert

aber unterschritten, was zur Folge hat, dass viele Tankstellen

um das wirtschaftliche Überleben kämpfen.

Steuern auf Benzin, Diesel und andere Produkte aus Erdöl: eine lukrative Einnahmequelle für den Staat?

72

Graph 1 vergleicht die Preise und Steuern, welche die Endver-

braucher in den OECD-Ländern für bleifreies Superbenzin im

1. Quartal 2014 bezahlen mussten. Während die Preise ohne

Steuern von Land zu Land nur leicht variieren, zeigt sich für die

Steuern je nach Land ein zum Teil enormer Preisunterschied.

In circa zwei Drittel der Länder machen die Steuern über 50%

des Preises aus. Vor allem in den Europäischen Ländern ist

der Steueranteil sehr hoch. Während in den USA die Steuern

auf Benzin nur einen Anteil von weniger als 15 % ausmachen,

liegt der Steueranteil in Japan bei circa 40% und erreicht in

einigen Europäischen Ländern über 60%. Das Land mit den

höchsten Steuern auf Benzin ist die Türkei, gefolgt von Norwe-

gen, Italien und den Niederlanden. Der Steueranteil für Benzin

macht im EU-Durchschnitt 57% aus, während der Steueranteil

bei Diesel mit 51% etwas niedriger liegt. Zur Vergleichbarkeit

werden die Benzinpreise aller Länder in US Dollar angegeben.

Wechselkursschwankungen können daher auch einen Einfluss

auf die Endverbraucherpreise in den einzelnen Ländern haben.

Der Rohölpreis wird zumeist in US Dollar festgesetzt, deshalb

wird der Preis für Benzin in den Ländern, deren Währung dem

Dollar gegenüber auf- oder abwertet, positiv oder negativ

beeinflusst.

Graph 1

Benzinpreise und Steuern in den OECD-Ländern 2014Quelle: Internationale Energieagentur (IEA) – Energy Prices and Taxes 2nd Quarter 2014

Preise ohne Steuern Steuern

0,81

0,36

0,91

0,47

0,87

0,66

0,92

0,62

0,87

0,87

0,90

0,86

0,76

0,14

0,80

0,13

0,89

0,87

1,00

0,77

0,91

0,87

0,85

0,95

0,89

0,94

0,86

0,98

0,94

0,97

0,95

0,97

0,87

1,12

0,87

1,23

0,90

1,20

0,82

1,32

0,92

1,20

0,92

1,27

0,91

1,34

0,98

1,22

0,98

1,28

0,86

1,35

0,86

1,4

5

0,93

1,4

2

0,99

1,4

4

0,95

1,04

0,88

1,18

2,6

2,4

2,2

2,0

1,8

1,6

1,4

1,2

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0,0

USA

Mex

iko

Cana

da

Aus

tral

ien

Chile

Japa

n

Pol

en

Süd-

Kor

ea

Estl

and

Neu

seel

and

Luxe

mbu

rg

Tsch

echi

sche

Rep

.

Ung

arn

Öst

erre

ich

Span

ien

Schw

eiz

Slow

enie

n

Slow

akei

Fran

krei

ch

Deu

tsch

land

Irla

nd

Por

tuga

l

Gro

ßbri

tani

en

Schw

eden

Bel

gien

Finn

land

Gri

eche

nlan

d

Dän

emar

k

Nie

derl

ande

Ital

ien

Nor

vegi

en

Türk

ei

(US $ / Liter)

0,99

1,4

8

73

Graph 2 vergleicht die Komponenten der Benzinpreise in

verschiedenen Ländern. Während der Rohölpreis in Europa

(Beispiel Italien) und in Japan kaum divergiert, ist er in den

USA deutlich niedriger. Bezüglich des Steueranteils am Preis

zeigen sich drastische Unterschiede. Wenn also der Rohölpreis

steigt, profitieren nicht nur die Förderländer (OPEC und andere

Erdöl-Produzenten), sowie die multinationalen Ölgesellschaf-

ten (z.B. ExxonMobil, Chevron, Shell, BP etc.) sondern auch die

Verbraucherländer. Vor allem die Europäischen Länder können

satte Steuereinnahmen von den Erdölprodukten lukrieren,

aber auch Japan hat sehr hohe Steuereinnahmen. Die Steuern

auf Rohölprodukte sind auch in den EU-Ländern nicht ein-

heitlich, die einzelnen Länder erheben mehrere verschiedene

Steuern auf Benzin und andere Produkte. Dabei wird zwischen

variablen und fixen Steuern unterschieden. Variable Steuern

werden als Prozentsatz vom jeweiligen Preis erhoben (z.B. die

Mehrwertsteuer) während fixe Steuern unabhängig vom Preis

sind. Steigt der Rohölpreis, so erhöhen sich entsprechend die

Produktpreise und somit auch die variablen Steuern, was be-

deutet, dass auch die Steuereinnahmen der Verbraucherländer

steigen. Um die Endverbraucher zu entlasten, haben man-

che Verbraucherländer in der Vergangenheit die Steuern auf

Benzin gesenkt, aber nie in einem Ausmaß, welche die Preis-

steigerungen, die durch die steigenden Rohölpreise ausgelöst

wurden, ausgeglichen hätten.

Graph 2

Die Zusammensetzung der Benzinpreise im Vergleich, 2012Quelle: OPEC

1,26 $ (59%)

0,63 $ (41%)

0,14 $ (14%)

Italien

Japan

USA

0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5

Rohölpreis Transport- Raffinerie- Lager- Vertriebs- und Marketingkosten & Gewinn Steuern

Tabelle 1

EU: Anteil der Steuereinnahmen aus Erdölprodukten an den Gesamtsteuereinnahmen 2012Quelle: EUROPIA Annual Report 2012

% %Bulgarien 13,7 Irland 7,0Estland 12,3 Spanien 6,4Lettland 11,9 Großbritannien 6,3Litauen 10,8 Italien 5,9Rumänien 10,8 Malta 5,9Slowenien 10,2 Österreich 4,9Slowakei 9,7 Schweden 4,7Tschechische Republik 9,1 Deutschland 4,6Polen 9,0 Niederlande 4,5Ungarn 8,9 Finnland 4,4Griechenland 8,3 Belgien 4,1Luxemburg 8,3 Frankreich 3,6Zypern 7,3 Dänemark 3,1Portugal 7,1 EU Durchschnitt 7,0

74

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, sind die Steuereinnahmen

aus Erdölprodukten in den EU-Ländern beachtlich. Im EU-

Durchschnitt betragen sie 7% der Gesamtsteuereinnahmen.

Auffallend ist, dass vor allem die osteuropäischen Länder und

Balkanländer einen sehr hohen Anteil aufweisen und auch

Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen einen höheren

Anteil aufweisen, als reichere Länder.

Laut Berechnungen der OPEC profitieren die OECD-Länder

mehr vom steigenden Erdölpreis als die Produzentenländer

(Graph 3.) Während die OPEC-Länder im Zeitraum 2008 bis

2012 4888 Milliarden US $ aus ihren Erdölverkäufen einnah-

men, beliefen sich die Steuereinnahmen aus Erdölprodukten in

den OECD-Ländern im selben Zeitraum auf 5553 Milliarden US

$. Allein die G7 -Länder hoben im genannten Zeitraum Steuern

von 3772 Milliarden US $ ein. Wenn solche Berechnungen auch

auf groben Schätzungen basieren, so zeigen sie doch die Grö-

ßenordnung der Steuereinnahmen von Erdölprodukten, welche

die Verbraucherländer einnehmen.

Die Verbraucherstaaten hätten die Möglichkeit, den Benzin-,

Diesel- und Heizölpreis zu senken, indem sie die entspre-

chenden Steuern modifizieren. Die politischen Optionen der

einzelnen Staaten bezüglich Änderungen bei der Besteuerung

von Erdölprodukten bieten jedoch wenig Spielraum. Einerseits

will man im Sinne des Klimaschutzes und der Einhaltung der

Klimaziele die Steuern auf Erdölprodukte nicht senken, son-

dern eher erhöhen, um den Verbrauch zu drosseln und um eine

effizientere Produktnutzung zu fördern und andererseits ist es

- vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise - unwahrscheinlich,

dass die Steuereinnahmen gekürzt werden. Die Verbraucher

werden deshalb wohl auch in Zukunft mit hohen Benzin-, Die-

sel- und Heizölpreisen rechnen müssen.

Anmerkung: Milliarden (109)entsprechen den im angelsächsischen Raum ver-

wendeten Billionen.

Graph 3

Geschätzte Steuereinnahmen der OECD-Länder versus Einnahmen aus Erdölverkäufen der OPEC-Länder, 2008 bis 2012Quelle: OPEC

OECD OPEC

5553

4888

3772 (Länder G7)

1781(Rest OCSE)

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0

(Milliarden US $)

75

Bis in die Nachkriegszeit war Kohle weltweit der wichtigste

Energieträger, bevor das Erdöl die dominierende Rolle im

Energiesektor übernahm. Doch auch jetzt steht Kohle mit

knapp 30% Anteil im weltweiten Energieverbrauch nach Erdöl

an zweiter Stelle. Kohle hat verglichen mit Erdöl und Gas die

höchsten Schadstoffemissionen und ist laut Internationaler

Energiebehörde für rund 40% des weltweiten CO2-Ausstoßes

verantwortlich. Die Ursachen und Prognosen.

Während der weltweite Kohleverbrauch von 1965 bis zum Anfang

des Millenniums stagnierte oder nur geringe Wachstumsraten

erreichte, stieg der Kohleverbrauch in den vergangenen 10 Jah-

ren stark. Das starke Wachstum fand allerdings ausschließlich

in den Nicht-OECD-Ländern statt. Während der Kohleverbrauch

in den OECD-Ländern seit 2003 um 0,8 % sank, stieg er in den

Nicht-OECD-Ländern um durchschnittlich 6,6%. Länder mit

den höchsten Wachstumsraten beim Kohleverbrauch sind vor

allem China und Indien mit Wachstumsraten von 8,8% und 7,5%.

China kann mit Recht als der Motor für das Comeback der Kohle

angesehen werden. Einerseits brauchen die stark wachsenden

Schwellenländerländer immer mehr Energie um die Stahlwerke

und Fabriken mit billiger Energie zu versorgen, andererseits

verfügen sie über große Kohle-Reserven. Indien und China sind

zusammen für 90 Prozent des Verbrauchsanstiegs bei der Kohle

verantwortlich. Sie decken ihren Strombedarf überwiegend mit

Kohle. Erneuerbare Energien und Kernkraftwerke spielen noch

eine geringe Rolle.

Kohle im Aufwind

76

Im Wesentlichen gibt es drei Gründe, die für das starke Wachs-

tum der Kohle verantwortlich sind:

- Verglichen mit Gas ist Kohle zur Stromgewinnung wesent-

lich billiger. Die Brennstoffkosten von Kohle liegen in Euro-

pa laut Internationaler Energiebehörde zwischen 3 und 3,5

Cent je Kilowattstunde. Elektrizität aus Erdgas verursacht

zwar nur halb so viel CO2-Emissionen wie Kohle, kostet aber

doppelt so viel. In den USA verdrängt billiges Gas als Folge

der stark gestiegenen Schiefergasproduktion teils die Kohle

und die Regierung versucht Maßnahmen zur Verringerung

der Kohlenutzung zu setzen, um die CO2-Emissionen zu

drosseln. Das hat zur Folge, dass nun verstärkt amerikani-

sche Kohle nach Asien exportiert wird und so die Kohleprei-

se weiter nach unten getrieben werden. Zudem haben die

großen Kohleförderländer wie Australien, Indonesien, Russ-

land und Kolumbien ihre Kapazitäten stark ausgeweitet, so

dass trotz steigender Nachfrage aus China ein Überangebot

besteht, was den Preis noch weiter drückt.

- Anders als bei Erdöl und Erdgas, wo sich ein Großteil der

Reserven auf wenige Länder in zum Teil geopolitisch insta-

bilen Regionen konzentrieren, sind Kohlereserven weltweit

verteilt: Mehr als 70 Staaten haben beachtliche Kohlevor-

kommen und können in vielen Fällen ihren Eigenbedarf

decken.

- Kohlereserven sind verglichen mit Erdöl und auch mit Erd-

gas in weit größerem Ausmaß vorhanden: die wirtschaftlich

abbaubaren Reserven reichen nach jetzigem Stand noch für

mehrere hundert Jahre.

Graph 1

Weltweiter Kohleverbrauch 1965-2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0 2013

2011

2009

2007

2005

2003

2001

1999

1997

1995

1993

1991

1989

1987

1985

1983

1981

1979

1977

1975

1973

1971

1969

1967

1965

(Mill. Tonnen Erdöläquivalent)

OECD Nicht-OECD

77

Welch wichtige Rolle Kohle weltweit spielt, belegen die fol-

genden Fakten: Kohle macht weltweit fast 30% des globalen

Energiemix aus, liegt mit über 40% an der Elektrizitätsgewin-

nung an erster Stelle und die Stahlproduktion ist zu 70% von

Kohle abhängig. Kohle wird einerseits als Kraftwerkskohle zur

Elektrizitätsgewinnung und zu Heizzwecken verwendet, an-

dererseits wird Kokskohle1 in der Stahlproduktion eingesetzt.

Ungefähr 13% der weltweiten Kohleproduktion wird in der

Stahlerzeugung verwendet. Es ist deshalb nicht verwunder-

lich, dass vor allem die großen Stahlproduzenten der Welt wie

China, Japan, USA, Indien und Russland einen hohen Kohlever-

brauch haben.

Im sogenannten C-t-L-Verfahren (Kohleverflüssigungsver-

fahren) kann aus Kohle auch synthetisches Erdöl hergestellt

werden. Dieses Verfahren wurde bereits im Zweiten Weltkrieg

in Deutschland entwickelt. Da es aber sehr kostspielig ist,

wird es derzeit nur in einigen wenigen Ländern genützt, so

zum Beispiel in Südafrika und in China. Kohle wird in geringem

Ausmaße auch als Rohstoff für chemische Produkte genützt.

Vor allem China mit seinen riesigen Kohlereserven versucht

die sogenannten Veredelungsverfahren (Kohleverflüssigung

und Kohle als Rohstoff für die chemische Industrie) kosteneffi-

zienter zu machen und weiterzuentwickeln.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die weltweiten Kohlereser-

ven, die Produktion und den Konsum. Bei den Reserven stehen

die USA an erster Stelle, gefolgt von Russland und China. Diese

drei Länder verfügen zusammen über 57% der weltweiten

Kohlereserven. Nimmt man die Nummer 3, 4 und 5, nämlich

Australien, Indien und Deutschland dazu, so ergibt das mit 77%

bereits mehr als ¾ der weltweiten Kohlereserven. Unüberseh-

bar ist die dominante Rolle von China: Sowohl bei der Kohle-

produktion als auch beim -verbrauch nimmt China mit 47%

bzw. 50% den ersten Platz ein. Mit großem Abstand folgen die

1 Aus qualitativ hochwertigen Kohlesorten (Kokskohle) wird in Kokereien

durch Erhitzen Koks erzeugt. Koks wird im Hochofen zur Erzeugung von

Roheisen (Stahlgewinnung) benötigt.

Tabelle 1

Kohle: Reserven, Produktion und Verbrauch 2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014

Reserven Milliarden Tonnen

Anteil in %

Produktion MTOE* Anteil in %

Verbrauch MTOE* Anteil in %

USA 237.295 26,6 China 1840 47,4 China 1925,3 50,3Russland 157.010 17,6 USA 501 12,9 USA 455,7 11,9China 114.500 12,8 Australien 269 6,9 Indien 324,3 8,5Australien 76.400 8,6 Indonesien 259 6,7 Japan 128,6 3,4Indien 60.600 6,8 Indien 229 5,9 Russland 93,5 2,4Deutschland 40.548 4,5 Russland 165 4,3 Südafrika 88,2 2,3Ukraine 33.873 3,8 Südafrika 145 3,7 Südkorea 81,9 2,1Kazachstan 33.600 3,8 Kazachstan 58 1,5 Deutsch-

land81,3 2,1

Südafrika 30.156 3,4 Polen 58 1,5 Polen 56,1 1,5Indonesien 28.017 3,1 Kolumbien 56 1,4 Indonesien 54,4 1,4Gesamt 811.999 91,1 Gesamt 3579 92,2 Gesamt 3289,2 86,0Rest 79.532 8,9 Rest 303 7,8 Rest 537,5 14,0Welt 891531 100,0 Welt 3881 100,0 Welt 3827 100,0

* MTOE = Millionen Tonnen Erdölequivalent Anmerkung: Daten inkludieren Steinkohle und Weichbraunkohle

78

USA mit einem Anteil von 13% an der weltweiten Produktion

und 12% am weltweiten Verbrauch. Die schnell wachsende

chinesische Wirtschaft verbraucht einerseits große Mengen an

Energie, andererseits ist es naheliegend die eigenen großen

Kohlereserven als Energieträger erster Wahl zu nutzen. Im

Jahre 2013 betrug der Anteil von Kohle am Gesamtenergiever-

brauch Chinas 67%. Um der massiven Umweltverschmutzung

Herr zu werden, die durch den hohen Kohleverbrauch (mit)

verursacht wird, versucht China vermehrt auf andere Ener-

gieträger wie Erdgas und erneuerbare Energien umzusteigen

- bisher allerdings nur mit mäßigem Erfolg.

Parallel zum Anstieg des Kohleverbrauchs sind auch die

Kohleexporte und -importe in den vergangenen Jahren stark

gewachsen. Die wichtigsten Kohle-Exportländer sind der Grö-

ße nach Indonesien, Australien, Russland, die USA, Kolumbien,

Südafrika und Kanada. Bei den Importen liegt China an erster

Stelle, gefolgt von Japan, Indien, Südkorea, Taiwan, Deutsch-

land und Großbritannien. Die Exporte von Kraftwerkskohle

sind mehr als dreimal so hoch als jene von Kokskohle.

Wie verhalten sich die Kohlepreise? Im Unterschied zu Erdöl

werden 85% der Kohle in jenem Land verbraucht, in dem sie

gefördert werden. Es gibt verschiedene Arten von Kohle und

dementsprechend auch verschiedene Preise, die sich je nach

Qualität, geographischer Lage und vertraglichen Bedingungen

unterscheiden. Kohle wird einerseits für Kraftwerke und zu

Heizzwecken genutzt und andererseits bei der Stahl- und Ei-

senherstellung gebraucht. Üblicherweise ist Kohle, welche zur

Stahl- und Eisenherstellung verwendet wird, teurer als Kraft-

werkskohle, da qualitativ hochwertiger. Generell richtet sich der

Preis nach dem Heizwert der jeweiligen Kohlesorte. Vergleicht

man die Entwicklung des Erdölpreises mit dem Kohlepreis, so

ist der langfristige Trend ähnlich. Allerdings ist der Kohlepreis

seit 2011 im Vergleich zu Erdöl und Gas stark gefallen (siehe

Graph 2). Grund dafür ist ein Überangebot an Kohle.

Wie sehen die Zukunftsprognosen für den Kohleverbrauch

aus? Wird Kohle, trotz schlechtester Klimabilanz unter den

fossilen Energieträgern, ihren Platz im weltweiten Energiemix

halten können? Laut neuesten Prognosen wird Kohle auch in

den kommenden Jahren nach Erdöl auf Platz zwei im weltwei-

ten Energiemix rangieren, der Anteil wird sich allerdings von

fast 30% im Jahre 2011 auf 25,5% im Jahre 2035 verringern.

Der Kohlekonsum wird sich in den verschiedenen Regionen

Tabelle 2

Die größten Kohle-Exportländer und Kohle-Importländer 2012Quelle: World Coal Association

(Millionen Tonnen)

Exporte Importe

Indonesien 383 China 289

Australien 301 Japan 184

Russland 134 Indien 160

USA 114 Südkorea 125

Kolumbien 82 Taiwan 64

Südafrika 74 Deutschland 45

Kanada 35 Großbritannien 45

79

unterschiedlich entwickeln. Während für die OECD-Länder ein

weiterer Rückgang prognostiziert wird, werden die asiatischen

Länder, allen voran China und Indien, den Kohlekonsum weiter

steigern. China, bereits jetzt der weltweit größte Kohleprodu-

zent, -konsument und -importeur, wird auch in Zukunft die füh-

rende Rolle im Kohlesektor spielen. Als Folge der Veränderung

von einer industrieintensiven hin zu einer mehr serviceorien-

tierten Wirtschaft, sowie infolge verbesserter Effizienz, wird

sich das Kohlewachstum nach 2030 allerdings verlangsamen.

China versucht auch vermehrt Erdgas, erneuerbare Energi-

en und Atomstrom zu nutzen, um die zum Teil verheerenden

Folgen der Schadstoffemissionen einzudämmen. Weltweit

wird Kohle im Stromgewinnungssektor auch in Zukunft eine

dominante Rolle spielen, allerdings wird der hohe Anteil von

über 40% abnehmen, während Erdgas, erneuerbare Energien

und Kernenergie ihre Anteile in den kommenden Jahrzehnten

ausbauen werden.

Wie sich der Kohlekonsum weltweit in Zukunft entwickeln

wird, hängt nicht zuletzt von der Implementierung der klima-

politischen Zielsetzungen in den einzelnen Ländern ab. Um

die klimapolitischen Ziele zu erreichen, müsste der Kohlever-

brauch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten abnehmen.

In welchem Ausmaße das gelingen wird, bleibt abzuwarten.

Graph 2

Erdölpreis und KohlepreisQuelle: World Bank - commodity price data

Der Erdölpreis bezieht sich auf die Erdölsorte Brent (US$/Barrel), der Kohlepreis auf Australische Kohle (US$/Tonne)

120

100

80

60

40

20

0

140

120

100

80

60

40

20

02013201220112010200920082007200620052004200320022001200019991998199719961995199419931992199119901989198819871986198519841983198219811980

Erdöl Kohle

(US$/Barrel) (US$/mt)

Graph 3

Weltweiter Energiekonsum nach Energieträger: Anteil in %Quelle: IEA World Energy Outlook 2013 (New Policies Scenario)

1990 2011 2025 2035

25,4

36,8

19,0

6,0 12,7

28,9

31,4

21,3

5,2 13,227,2

28,6

22,5

6,2

15,525,5

26,823,7

6,4

17,6

Kohle Erdöl Gas Atomenergie Wasserkraft & andere erneuerbare Energien

80

81

Der Energiegigant RusslandRussland spielt auf den globalen Energiemärkten eine do-

minante Rolle. Vor allem für Europa ist Russland einer der

wichtigsten Gas- und Erdöllieferanten. Seit dem Ausbruch

der Ukraine-Krise ist Russlands Bedeutung als Energieliefe-

rant für Europa besonders präsent geworden. Wie wichtig ist

Russlands Gas und Erdöl für Europa und welchen Stellenwert

nimmt Russland im weltweiten Energieangebot ein? Gibt es

Alternativen für Europas Abhängigkeit von russischem Gas?

Russland, das flächenmäßig größte Land der Welt, verfügt

über riesige Erdöl-, Gas- und Kohlevorkommen. Die Erdöl- und

Gas-Vorkommen befinden sich in den verschiedenen Regionen

des riesigen Landes: im Ural/Wolga-Gebiet im Westen, im

Nordwesten, im Nord-Kaukasus, in Westsibirien, in Ostsibirien

und im Fernen Osten. Nicht zuletzt werden auch riesige Erdöl-

und Gasvorkommen in den Arktischen Regionen Russlands

vermutet, wobei die Exploration erst am Anfang steht. Derzeit

konzentriert sich die Erdöl- und Gasförderung hauptsächlich

auf Westsibirien und die Ural/Wolga-Region. Das rasante

Wachstum der Asiatischen Märkte und die damit verbundene

steigende Energienachfrage sowie die Anwendung neuer Tech-

nologien werden mittel- und längerfristig dazu führen, dass

die Erdöl-und Gasförderung in Ostsibirien, im Fernen Osten

Russlands sowie in den Arktischen Regionen stark ansteigen

wird. Russland verfügt auch über große Schiefergas- und

Schieferölvorkommen, deren Förderung noch gar nicht begon-

nen hat.

Energie-Museum in Moskau

82

Russland verfügt weltweit über die zweitgrößten Gas- und Koh-

levorkommen und rangiert bei Erdöl auf Platz 8. Wenn es gelingt

die Erdöl- und Erdgasressourcen in den Arktischen Regionen zu

erschließen, könnte das Russlands Reserven noch wesentlich

erhöhen. Zählt man Erdöl und Gas zusammen, so ist Russland

der weltweit größte Exporteur von fossiler Energie mit einem

jährlichen Exportvolumen von 7,5 Millionen Barrels Erdöl pro

Tag und 230 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr.

Russlands Wirtschaft ist stark von seinen Gas- und Erdölexpor-

ten abhängig. Einnahmen aus Gas und Erdöl machen mehr als

50% des Budgets und fast 70% der Exporteinnahmen aus. We-

gen der starken Energieexportabhängigkeit wirken sich Ände-

rungen der Energiepreise sehr stark auf Russlands Wirtschaft

aus.

West-Siberien

Ural-Wolga Region

Ost Siberien

Nord-Westen & Arktis

Ferner Osten

Nord-Kaukasus

7 6 5 4 3 2 1 0 0 5 10 15 20 25

Graph 1

Erdöl und Gasproduktion in Russland nach Region (2013)Quelle: US Energy Information Administration

Erdöl - Mill. Barrels pro Tag Gas - Bill. Kubikfuß

Tabelle 1

10 Länder mit den größten Reserven an fossiler Energie (Ende 2013)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

Erdöl Gas KohleMilliarden

BarrelAnteil in %

Billionen m3

Anteil in %

Milliarden Tonnen

Anteil in %

Venezuela *1 298,3 17,7 Iran 33,8 18,2 USA 237,3 26,6Saudi Arabien 265,9 15,8 Russland 31,3 16,8 Russland 157,0 17,6Kanada *2 174,3 10,3 Katar 24,7 13,3 China 114,5 12,8Iran 157,0 9,3 Turkmenistan 17,5 9,4 Australien 76,4 8,6Irak 150,0 8,9 USA 9,3 5,0 Indien 60,6 6,8Kuwait 101,5 6,0 Saudi Arabien 8,2 4,4 Deutschland 40,5 4,5UAE *3 97,8 5,8 UAE *3 6,1 3,3 Ukraine 33,9 3,8Russland 93,0 5,5 Venezuela 5,6 3,0 Kasachstan 33,6 3,8Libyen 48,5 2,9 Nigeria 5,1 2,7 Südafrika 30,2 3,4USA 44,2 2,6 Algerien 4,5 2,4 Indonesien 28,0 3,1Restliche Länder 257 15,2 Restliche

Länder 39,7 21,4 Restliche Länder 79,5 8,9

Welt 1688 100,0 Welt 185,7 100,0 Welt 891,5 100,0

*1 extra-schweres Erdöl ist inkludiert

*2 Ölsand von in Entwicklung befindlichen Projekten ist inkludiert

*3 Vereinigte Arabische Emirate

83

$ 174

$ 73

$ 109

68%

32%

$ 300

$ 200

$ 100

$ 0

21% Petroleum - Produkte

14% Gas

33% Erdöl

Milliarden US Dollar

Erdöl und Gas andere Produkte

$ 171

Graph 2

Russland: Exporteinnahmen 2013Im Jahr 2013 machten Einnahmen aus Erdöl und Gas 68% von Russlands Gesamt-Exporteinnahmen ausQuelle: US Energy Information Administration Juli 2014

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Erdöl-

und Gasindustrie privatisiert, in den darauffolgenden Jahren

wurde jedoch ein großer Teil wieder verstaatlicht. Die staatli-

che Firma Rosneft ist die größte Erdölgesellschaft Russlands.

Daneben gibt es auch private Ölfirmen wie zum Beispiel Lukoil

und Novatek. Die staatliche Firma GAZPROM dominiert die

Gasindustrie und produziert circa 75% vom russischen Gas. Sie

hat auch ein Monopol auf die Gasexporte. Die Regierung plant

den Gasmarkt schrittweise zu liberalisieren, vor allem was

den Export von LNG betrifft. Für ausländische Firmen gestal-

tet sich eine Zusammenarbeit mit russischen Firmen oft sehr

schwierig. Eine wichtige Kooperation besteht zwischen Rosneft

und ExxonMobil zur Erschließung der Öl- und Gasvorkommen

im Arktischen Bereich der Barentssee. Rosneft verfügt nicht

über die notwendigen Technologien, um Erdöl und Gas in der

Arktischen Region zu fördern und ist deshalb auf das Knowhow

ausländischer Firmen angewiesen.

Über die Hälfte von Russlands Energieverbrauch wird durch

Gas abgedeckt, 22% durch Erdöl, 13% durch Kohle und je

6% durch Wasserkraft und Atomenergie. Im Unterschied zu

anderen Regionen und Ländern der Welt machen erneuerbare

Energien mit 0,1% einen unbedeutenden Teil aus.

Graph 3

Russland: Verbrauch nach Energieträger 2013(% Anteil)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

Erdöl22%

Kohle13%

Gas53%

Atomenergie6%

Wasserkraft6%

Erneuerbare Energie0,1%

Wegen der billigen Energiepreise für Unternehmen und private

Konsumenten wurde in der Vergangenheit einerseits kein An-

reiz gegeben die Energieeffizienz zu steigern und andererseits

erneuerbare Energien als Alternative zu fossilen Energien zu

fördern. Die Energiepreise werden nach und nach angehoben,

weshalb es jetzt Bestrebungen bei den Konsumenten gibt, die

Energieeffizienz zu steigern und auch in erneuerbare Energien

zu investieren. Durch diese Einsparung stünde in Zukunft mehr

84

Erdöl und Gas für den Export zur Verfügung. Laut Angaben des

russischen Energieministeriums besteht bis 2020 ein enormes

Einsparungspotential im Umfang von ungefähr 40% bis 50%

des Primärenergieverbrauchs des Jahres 2010.

Graph 4

Russland: Anteil an der weltweiten Erdöl- und Gasproduktion 2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

Russland 13%

Erdöl Erdgas

Russland 18%

Russland produzierte im Jahre 2013 13% des weltweiten Erdöls

und war nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdölproduzent.

Mit einem Anteil von 18% an der weltweiten Gasproduktion ist

Russland nach den USA auch der zweitgrößte Gasproduzent.

Obwohl Russland auch über sehr große Kohlevorkommen

verfügt, produziert es nur geringe Mengen an Kohle, 4,3% der

weltweiten Kohleproduktion. Die Exportkapazitäten von Erdöl,

aber besonders von Gas machen Russland zu einem überaus

wichtigen „Player“ auf den Weltenergiemärkten.

Mit 225,5 Milliarden Kubik Meter oder einem Anteil von 22%

am weltweiten Gasexport im Jahre 2013 ist Russland bei

weitem der größte Gasexporteur der Welt. Der nächstgrößte

Gasexporteur ist Katar mit einem Anteil von 12%. Ungefähr

60% des russischen Gasexports wurden im Jahre 2013 über

Pipelines nach Ost- und Westeuropa geliefert, während 22% in

die Ukraine, nach Weißrussland und in andere CIS -Länder und

12% an die Türkei geliefert wurden. Lediglich 6% wurden als

LNG nach Japan, Südkorea und Taiwan geliefert, da Russland

nur über eine Gas–Verflüssigungsanlage auf der Insel Sacha-

17,7%11,6%

11,1%11,0%

8,0%5,4%

5,2%4,4%

4,3%3,6%

3,2%2,6%

2,5%2,4%2,3%

1,6%1,1%1,1%

0,9%0,04%Taiwan

NiederlandeGriechenland

SüdkoreaFinnland

ÖsterreichSlowakei

andere CIS LänderUngarn

Tschechische Rep.Frankreich

Polenandere Europ. Länder

JapanBelgien

WeissrusslandItalien

UkraineTürkei

Deutschland

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Taiwan 0.04

Ukraine 11%

Türkei12%

Europa 60%

Südkorea1%Japan

5%

Rest CIS Länder3%

Weissrussland 8%

Graph 5

Russland: Gasexporte nach Ländern (%)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

85

lin im Fernen Osten verfügt. Um in Zukunft den LNG-Handel

auszuweiten, sind weitere LNG-Anlagen geplant, zum Beispiel

auf der Jamal-Halbinsel in Westsibirien und in Wladiwostok im

Fernen Osten.

Bestehende und geplante Gas-Pipelines von Russland nach Europa

Gas Pipeline

Geplante Gas Pipeline

EU Länder

Russland

RussiaRussland

Aus der geographischen Gegebenheit heraus ist es naheliegend,

dass Ost- und Westeuropa und die CIS-Länder die natürlichen

Abnehmer von russischem Gas sind, da vor allem auch ein ent-

sprechendes Pipeline-Netzwerk, das über Jahre gewachsen ist,

zur Verfügung steht. Ein Großteil der russischen Gaslieferungen

nach Europa durchquert die Ukraine, welche somit ein wichtiges

Transitland für russisches Gas nach Europa ist. Für jene Länder,

die einen großen Teil ihrer Gasnachfrage von Russland beziehen,

kann diese starke Abhängigkeit riskant werden, wie sich bereits

in den Jahren 2005/2006 und 2007/2008 gezeigt hat, als es zwi-

schen der Ukraine und Russland zu Gaspreisstreitigkeiten kam.

Die gegenwärtige Ukraine-Krise hat zu einer weiteren Eskala-

tion geführt. Russland ist sehr daran interessiert die geplante

„South Stream“-Gaspipeline zu bauen, die durch das Schwarze

Meer und über den Balkan Gas nach Europa liefern und so

keinen Transit durch die Ukraine benötigen würde. Die EU hat

vorläufig das Projekt „South Stream“ auf Eis gelegt. Der Bau

dieser Pipeline ist allerdings schon sehr weit fortgeschritten

und es wäre wohl im Sinne der EU und Russlands das Projekt zu

Ende zu führen.

Tabelle 2 zeigt ein sehr unterschiedliches Bild bezüglich der

Abhängigkeit der europäischen Länder von den russischen

Gasimporten. Länder wie Finnland, die Slowakei und Ungarn

sind zu 100% von russischen Gasimporten abhängig, während

86

Irland, Spanien und Großbritannien kein Gas aus Russland im-

portieren. Polen, Griechenland und Österreich beziehen ¾ oder

mehr ihrer Gasimporte aus Russland. Im Durchschnitt bezog

Europa im Jahre 2013 36% der Gasimporte aus Russland.

Welche Alternativen zu russischem Gas gibt es für Europa,

sollte es im kommenden Winter als Folge der Ukraine-Krise

zu Lieferengpässen kommen? Auf den Weltmärkten gibt es

gegenwärtig ein genügend großes Gasangebot. Europa könnte

LNG (Flüssiggas) aus diversen Ländern beziehen, allerdings zu

einem wesentlich höheren Preis. Die Gasspeicher sind laut Be-

richten der Europäischen Länder gefüllt und würden so kurz-

fristige Lieferstopps auffangen. Da die russische Wirtschaft

extrem stark von den Energieexporten abhängig ist, scheint

es eher unwahrscheinlich, dass Russland die Gaslieferungen

nach Europa stoppt. Längerfristig gesehen wird die Ukraine-

Krise vermutlich dazu führen, dass Europa seine Gasimporte

stärker diversifiziert. Länder mit entsprechendem Export-

potential gäbe es genug, vorausgesetzt die entsprechenden

Infrastrukturprojekte werden errichtet: einerseits der Bau von

Pipelines und andererseits Gasverflüssigungsanlagen in den

Gasexportländern und die dazu erforderlichen LNG-Terminals

in den Importländern. Katar, Iran und Aserbaidschan verfügen

über enorme Gasreserven und wären in der Lage einen be-

deutenden Beitrag zu Europas Gasnachfrage zu leisten. Auch

Nigeria verfügt über große Gasreserven und seit die USA kaum

noch Gas importieren, sucht Nigeria nach neuen Abnehmern.

Während der Bau von Pipelines mehrere Jahre in Anspruch

Tabelle 2

Europa's Abhängigkeit von Russischen Gasimporten(Milliarden Kubikmeter)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

Gasimporte aus

Russland

Gesamt - Gasimporte

Abhängigkeit von russischen Gas-

importen in %Österreich 5,1 6,8 76Belgien 12,3 32,8 38Deutschland 39,8 95,8 42Finnland 3,5 3,5 100Frankreich 8,1 39,2 21Griechenland 2,4 3,0 79Großbritannien 0,0 51,2 0Irland 0,0 4,9 0Italien 24,9 57,1 44Niederlande 2,1 21,5 10Polen 9,6 11,4 84Slowakei 5,3 5,3 100Spanien 0,0 30,2 0Tschechische Republik 7,2 11,0 65

Türkei 26,2 44,3 59Ungarn 5,9 5,9 100Andere Europäische Länder

10,0 24,4 41

Europa Gesamt 162,5 448,4 36

Weißrussland 18,1 18,1 100

Ukraine 25,1 26,9 93Andere CIS Länder 5,6 11,4 49

87

nehmen würde, könnten LNG-Lieferungen kurzfristig per

Schiff erfolgen, vorausgesetzt die Gasverflüssigungsanlagen

und die entsprechend LNG Terminals in den Importländern

sind vorhanden.

Europa ist auch für russisches Erdöl der wichtigste Markt.

Deutschland ist der größte Importeur von russischem Erdöl,

gefolgt von den Niederlanden und China. Im Unterschied zu

Gas, gibt es bei den Erdölimporten eine viel stärkere Diversi-

fikation bezüglich der Importländer und deshalb keine starke

Abhängigkeit. Zudem ist es bei Erdöl wesentlich leichter auf

andere Exportländer auszuweichen, da der Erdölhandel viel

flexibler ist, zumal er nicht auf Pipelines oder spezielle LNG-

Tanker angewiesen ist.

Trotz geopolitischer Differenzen infolge der Ukraine-Krise wird

Russland auch in Zukunft für Europa ein wichtiger Erdöl- und

Gaslieferant bleiben. So begannen die russische staatliche

Erdölgesellschaft Rosneft und der amerikanische Ölmulti

ExxonMobil im August 2014 trotz Sanktionen gemeinsame Pro-

bebohrungen in der Karasee im Nordpolarmeer. Ob die neuen

verschärften Sanktionen dieses Projekt tatsächlich stoppen

werden, bleibt abzuwarten. Die Vorteile für Europa und Russ-

land, vor allem wegen der geographischen Nähe und der über

Jahrzehnte aufgebauten guten Beziehungen sind zu groß und

die Handelsbeziehungen zu eng verflochten, als dass sie von

geopolitischen Auseinandersetzungen dauerhaft geschädigt

werden können. Als eine logische Folge der Ukraine-Krise wird

aRussland versuchen neben Europa neue Märkte zu erschlie-

ßen, wie sich bereits gezeigt hat (kürzlich abgeschlossener

Gasliefervertrag mit China), und Europa wird sich bemühen,

seine Gasimport-Abhängigkeit von Russland zu verringern.

0 100 200 300 400 500 600 700 800

Ungarn

Bulgarien

Großbritannien

Spanien

Frankreich

Italien

Japan

Lituanien

Schweden

Finnland

Weissrussland

Polen

China

Niederlande

Deutschland

Graph 6

Russland: Erdölexporte - wichtigste Exportdestinationen 2012Quelle: Global Trade Atlas, US Energy Information Administration (EIA)

(1000 Barrels pro Tag)

88

Bohrinsel West Alpha" in der Karasee

89

China, mit nahezu 1,4 Milliarden Einwohnern, das bevöl-

kerungsreichste Land der Welt, ist dank seiner rasant

wachsenden Wirtschaft weltweit sowohl der größte Ener-

gieverbraucher als auch der größte Energieproduzent. Der

steigende Wohlstand erhöht den Energiekonsum fortwäh-

rend und hat China zu einem der einflussreichsten „Player“

auf den Welt-Energiemärkten gemacht. Welche Strategien

für die Zukunft hat China, um die ständig steigende Ener-

gienachfrage zu befriedigen und vor allem um die enormen

energieabhängigen CO2-Emissionen zu verringern?

In den vergangen Jahrzehnten hat die rasant wachsende chine-

sische Wirtschaft zu einem ständig steigenden Pro-Kopf-Ein-

kommen geführt. Zusammen mit der stark wachsenden Indus-

trialisierung hat sich Chinas Primär-Energieverbrauch1 in den

vergangenen 15 Jahren verdreifacht. Im Jahre 2010 hat China

die USA als größten Energiekonsumenten überholt. Während

im Jahre 2012 auf 1000 Einwohner gerade 80 Autos entfielen,

werden laut neuesten Prognosen im Jahre 2035 380 Autos auf

1000 Einwohner entfallen. Allein dieser Indikator zeigt, welches

potentielle Wachstum im Energiebereich in Zukunft erwartet

werden kann.

Die rasante Entwicklung Chinas im Energiesektor in den ver-

gangenen Jahrzehnten und der zukünftige Energieverbrauch

zeigt Graphik 1. Während Chinas Anteil am weltweiten Ener-

gieverbrauch im Jahre 1990 lediglich 8,2% betrug, stieg der

Anteil im Jahre 2010 auf fast 20% an. Laut Prognosen von BP

1 Der Primärenergieverbrauch ist der Verbrauch der direkt in der Natur vor-

kommenden Energieträger Erdöl, Kohle, Erdgas, Uran sowie der erneuer-

baren Energiequellen. Primärenergie wird durch verschiedene Verfahren

in nutzbare Energie, d.h. in Endenergie umgewandelt. Ein Beispiel ist die

Erzeugung von Strom und Wärme in aus dem Primärenergieträgern Holz,

Kohle oder Gas.

Graph 1

China: Pro-Kopf-Einkommen und -EnergieverbrauchQuelle: Internationaler Währungsfond, BP Statistical Review of the World Energy June 2014

(US $) (MTOE)

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0 2012

2010

2008

2006

2004

2002

2000

1998

1996

1994

1992

1990

1988

1986

1984

1982

1980

3000

2500

2000

1500

1000

500

0

BIP pro Kopf Primärenergieverbrauch

China im Wettlauf um Energie-Ressourcen

90

wird China im Jahre 2035 bereits über ein Viertel des weltwei-

ten Energieverbrauchs ausmachen. China wird dann mehr als

doppelt so viel Energie verbrauchen wie die USA und 80% des

gesamten Energieverbrauchs aller OECD-Länder ausmachen.

Mit einem Anteil von 22% am weltweiten Energieverbrauch

war China im Jahre 2013 die Nummer 1. China ist auch der

weltweit größte Konsument von Kohle und Wasserkraft. Beim

Verbrauch von Erdöl und Erneuerbaren Energien nimmt China

nach den USA Rang zwei ein, während es bei Gas auf Platz 4

liegt und bei der Elektrizitätsgewinnung aus Atomkraft Platz 5

einnimmt. (siehe Tabelle 1). Als Folge des ständig wachsenden

Erdölverbrauchs hat China 2014 zum ersten Mal die USA bei

den Netto-Erdölimporten auf Platz zwei verwiesen. China ist

weltweit der größte Kohleproduzent, -konsument und -impor-

teur. Ungefähr 50% des weltweiten Kohleverbrauchs entfällt

auf China, ein Grund dafür, dass China für die weltweit höchs-

ten CO2-Emissionen verantwortlich ist (siehe Graph 2). Als Fol-

ge der rapid steigenden Industrialisierung und Modernisierung

der Wirtschaft steht China auch bei der Elektrizitätsgewinnung

weltweit an erster Stelle. Zwischen 2000 und 2013 konnte China

seine Elektrizitätsgewinnung vervierfachen.

Mit 67% Anteil am Gesamtenergieverbrauch nimmt Kohle den

dominierenden Platz ein. Erdöl liegt mit einem Anteil von 18%

auf Platz 2, gefolgt von Wasserkraft mit 7%, Gas mit 5% und

erneuerbare Energie und Atomenergie mit 2% und 1%. Die-

ses Ungleichgewicht zugunsten von Kohle hat dramatische

Folgen bezüglich der CO2-Emissionen. China ist für die weltweit

höchsten energieabhängigen CO2-Emissionen verantwortlich.

Graph 2

Weltweiter Energieverbrauch nach RegionenQuelle: BP Energy Outlook 2035, January 2014(Millionen Tonnen Erdölequivalent)

2000018000100001400012000100008000600040002000

01990 2000 2010 2020 2025 2030 2035

OECD China Indien Restliche Länder

Tabelle 1

Energieverbrauch nach Energieträger: die 5 größten Verbraucherländer 2013 (Million Tonnen Erdöläquivalent)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

Erdöl Gas Kohle Atomenergie Wasserkraft Erneuerbare Energie

Gesamtenergie-verbrauch

USA 831 USA 671 China 1925 USA 188 China 206 USA 59 China 2852

China 507 Russland 372 USA 456 Frankreich 96 Kanada 89 China 43 USA 2266

Japan 209 Iran 146 Indien 324 Russland 39 Brasilien 87 Deutschland 30 Russland 699

Indien 175 China 145 Japan 129 Südkorea 31 USA 62 Spanien 17 Indien 595

Russland 153 Japan 105 Russland 94 China 25 Russland 41 Brasilien 13 Japan 474

Welt 4185 Welt 3020 Welt 3827 Welt 563 Welt 856 Welt 279 Welt 12730

China's Anteil am weltweiten Energieverbrauch in %

12,1 4,8 50,3 4,4 24,1 15,4 22,4

91

Die gesundheitlichen Folgen sind in manchen Industriegebie-

ten Chinas dramatisch. Deshalb versucht China in Zukunft den

Anteil der Kohle im Gesamtenergiemix und generell den Anteil

von fossilen Energieträgern zu verringern. Um diese Ziele

zu erreichen, werden enorme Investitionen in Erneuerbare

Energien getätigt und für die kommenden Jahre und Jahrzehn-

te sind viele neue Atomkraftwerke geplant. Da China enorme

Schiefergasreserven hat, wird auch der Gassektor mit Hilfe

der Technologien der internationalen Ölgesellschaften stark

ausgebaut. Gas hat verglichen mit Kohle und auch mit Erdöl

weit weniger CO2-Emissionen. Man kann davon ausgehen, dass

Kohle auch in Zukunft den größten Teil am Gesamtenergiever-

brauch Chinas ausmachen wird.

Graph 3

China: Verbrauch nach Energieträger 2013 (Anteile in %)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

Kohle67%

Atomenergie1%

Wasserkraft7%

Erneubare Enerigie2%

Erdöl18%

Gas5%

Graph 4

Weltweite energiebedingte CO2-EmissionenQuelle: US Energy Information Administration – International Energy Outlook 2013

50000

45000

40000

35000

30000

25000

20000

15000

10000

5000

02010 2015 2020 2025 2030 2035 2040

China USA Indien Rest Nicht-OECD Rest OECD

(Millionen Tonnen)

92

Obwohl China neben Kohle auch über bedeutsame Erdölvor-

räte verfügt, muss es pro Jahr über 4 Millionen Barrels/Tag

importieren, um die heimische Nachfrage zu decken. Die bei-

den größten nationalen chinesischen Öl/Gas-Gesellschaften,

die China National Petroleum Company (CNPC) und die China

Petroleum and Chemical Corporation (SINOPEC) können sich

inzwischen unter die 10 weltweit größten Erdölgesellschaften

einreihen. Sie sind sowohl für den „Upstream“-Sektor (Ex-

ploration und Förderung von Erdöl und Gas) als auch für den

„Downstream“-Sektor (Raffinerie, Marketing und Vertrieb

von Erdölprodukten und Gas) in China verantwortlich. Neben

diesen beiden Gesellschaften gibt es noch eine Reihe anderer

wichtiger Firmen, die im Energiesektor tätig sind. Für techno-

logisch besonders aufwendige Tätigkeiten wie zum Beispiel

Tiefsee-Exploration oder Schiefergasförderung haben auch

internationale Ölgesellschaften Zugang zum chinesischen

Energiesektor. Die großen chinesischen Erdölgesellschaf-

ten sind auch im Erdöl- und Gassektor in vielen Ländern an

Projekten beteiligt und sind strategische Partnerschaften

mit Internationalen Ölgesellschaften eingegangen, um das

technische Knowhow zu akquirieren. Dank der enormen Devi-

senreserven (Chinas Devisenreserven sind Mitte 2014 auf die

Rekordhöhe von 3,9 Billionen US-Dollar gestiegen) ist China

auch in der Lage sich großzügig an ausländischen Energiefir-

men zu beteiligen.

Graph 5

China: Erdölimporte nach Ländern 2011 (Anteile in %)Quelle: US Energy Information Administration, Country Analysis Briefs China Feb.2014

Irak5%

Oman7%

Russland8%

Iran - 11%

Angola - 12%

Kongo - 2%Brasilien - 3%

Kuwait - 4%

Kazachstan - 4%

Venezuela - 5%

Sudan - 5%

Vereinigte ArabischeEmirate - 3%

Saudi Arabien20%

Rest11%

Um die Nachfrage mit genügend Erdölimporten zu versorgen

und um geopolitische Risiken zu minimieren, war es für China

immer vorrangig die Importe möglichst stark zu diversifi-

zieren. Deswegen sind Chinas Erdölimporte stark gestreut

(siehe Graph 5). In vielen Ländern, aus welchen China Erdöl

importiert, haben Chinas nationale Ölgesellschaften CNPC und

SINOPEC auch Beteiligungen an der Erdölförderung.

93

China importiert Gas über Pipelines aus den zentralasiatischen

Ländern Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan, sowie LNG

aus verschiedenen asiatischen Ländern, dem Mittleren Osten,

Afrika, Europa und Südamerika. Als Folge der Ukraine-Krise

hat Russland im vergangenen Mai mit China einen Gaslieferver-

trag, der schon seit circa einem Jahrzehnt erfolglos verhandelt

wurde, abgeschlossen. Die nationale russische Gasgesellschaft

GAZPROM wird 38 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr über 30

Jahre lang von den Ost-Sibirischen Gasfeldern per Pipeline nach

China liefern. Die Pipeline „Power of Siberia“ wird eine Länge

von 4000 km haben und über eine Maximalkapazität von bis zu

60 Milliarden Kubikmetern pro Jahr verfügen. Nach offiziellen

Angaben werden die Gaslieferungen nach Fertigstellung der

Pipeline im Jahr 2019 beginnen. Dieser Vertrag ist der größte

Gasliefervertrag, den GAZPROM je abgeschlossen hat und wird

für China ein Meilenstein in der Gasversorgung des Landes sein.

Geplante Gas Pipeline „Power of Siberia“ von Russland nach China

Altai Pipeline 1/ Erdöl- und Gas Lagerstätten

Geplante Gas Pipelines

Erdöl- und Gas LagerstättenPower of Siberia Pipeline

1/ Geplante Pipeline von West-Sibirien nach Nord-West China. Anstatt dieser Pipeline wird nun die „Power of Siberia“ Pipeline gebaut.

Voraussichtliche Fertigstellung der Pipeline: 2019

Länge der Pipeline: 4000 km

CHINA

CHINA

Russland

Graph 6

China: LNG Importe nach Ländern 2011 (Anteile in %)Quelle: US Energy Information Administration, Country Analysis Briefs China Feb. 2014

Indonesien17%

Ägypten - 2%Russland - 2%

andere Länder - 2%

Trinidad - 2%

Malaysia13%

Jemen7%

Nigeria6%

Katar19%

Australien30%

94

Um die ständig steigende Nachfrage nach Erdölprodukten zu

decken, hat China seine Raffineriekapazität ausgebaut und die

bestehenden Raffineriezentren modernisiert, um den verän-

derten Markgegebenheiten Rechnung zu tragen. Im Jahre 2013

betrug Chinas Raffineriekapazität circa 12,5 Millionen Barrels/

Tag. Damit kann es nicht nur den Eigenbedarf decken, sondern

auch Erdölprodukte exportieren. Während in Europa in den

vergangenen Jahren viele Raffinerien wegen Überalterung,

sinkender Nachfrage oder mangelnder Profitabilität schließen

mussten, erlebt Chinas Raffineriesektor einen nie dagewese-

nen Aufschwung.

Laut Prognosen von anerkannten Institutionen wie Weltbank

oder Internationaler Währungsfond wird Chinas Wirtschaft

weiter stark wachsen, der Energieverbrauch weiter anstei-

gen und Chinas Rolle auf den Weltenergiemärkten weiter an

Bedeutung gewinnen. Eine Diversifizierung weg vom extrem

dominierenden Kohlekonsum in Chinas Energiemix hin zu

saubererer Energie wie Erdgas, erneuerbarer Energie und

Atomenergie sowie zu mehr Energieeffizienz ist oberste Priori-

tät von Chinas Energiepolitik, vor allem um die immer gravie-

render werdende Umweltverschmutzung zu verringern. Wie

schnell es gelingen wird diese Pläne zu verwirklichen und die

enormen CO2-Emissionen zu reduzieren, bleibt abzuwarten.

14

12

10

8

6

4

2

0 2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

1987

1986

1985

1984

1983

1982

1981

1980

(Millionen Barrels/Tag)

Graph 7

China: Entwicklung der Raffineriekapazität 1980-2013Quelle: BP Statistical Review of the World Energy June 2014

95

Die Atomkatastrophe von Fukushima in Japan im Jahre 2011

hat von neuem eine breite Diskussion über die Gefahren der

nuklearen Stromgewinnung hervorgerufen. Als Folge dieser

verheerenden Katastrophe haben einige Länder wie zum Bei-

spiel Deutschland beschlossen, ihre Pläne zum Ausbau ihres

Atomprogramms zu stoppen und stufenweise ihre Atom-

kraftwerke zu schließen. Wird der Anteil von Atomstrom am

Gesamt-Stromverbrauch, der derzeit weltweit circa 15 %

beträgt, in Zukunft sinken oder steigen?

Die zivile Nutzung der Atomenergie in Atomkraftwerken

begann um die Mitte der 1950er Jahre. Im Jahr 1957 wurde

zum Zwecke der friedlichen Nutzung der Kernenergie die

Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) gegründet. In

den folgenden Jahrzehnten wurden in vielen Industriestaaten

Atomkraftwerke gebaut und deren Leistung pro Reaktor wuchs

schnell an. Seit den 1970er Jahren kam es in vielen Ländern

zu Anti-Atomkraft-Bewegungen, da viele Bürger wegen der

großen Risiken die zivile Nutzung der Atomenergie ablehnten.

Die zwei Erdölschocks mit drastisch ansteigenden Erdölprei-

sen in den 1970er Jahren ließen die Atomenergie weiter stark

anwachsen, obwohl Erdöl sowohl damals als auch heute bei

der Elektrizitätsgewinnung eine untergeordnete Rolle spielt.

Gigwatt

400

350

300

250

200

150

100

50

0

Anzahl

500

450

400

350

300

250

200

150

100

50

0

1954

1956

1958

1960

1962

1964

1966

1968

1970

1972

1974

1976

1978

1980

1982

1984

1986

1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

Kapazität (GW)

Anzahl der aktiven Atomkraftwerke

Graph 1

Weltweite Entwicklung der Atomkraftwerke und Kapazitäten 1954-2013Quelle: Internationale Atomenergieagentur (IAEA)

Ist Atomstrom verzichtbar?

96

Der Atomunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island in den

USA 1979 sowie die Katastrophen von Tschernobyl 1986 und

Fukushima 2011 machten die Gefahren und Risiken von Kern-

kraftwerken für Bevölkerung und Natur deutlich. Seit Ende

der 1980er Jahre verlangsamte sich der Ausbau der Atomkraft

deutlich. Infolge der niedrigen Zuwachsraten sowie der Stillle-

gung von Reaktoren, insbesondere nach der Katastrophe von

Fukushima, betrug die Anzahl der Kernkraftwerke weltweit im

Jahr 2013 434 mit einer installierten Leistung von 372 GW1.

Mit circa 100 Kernkraftwerken stehen die USA an der Spitze,

gefolgt von Frankreich mit fast 60 Atomkraftwerken und Japan

mit knapp 50. Dann folgen Russland, Südkorea, China und

Indien. Obwohl an der Spitze drei OECD-Staaten liegen, so zeigt

sich doch, dass die wirtschaftlich aufstrebenden Schwellen-

länder Russland, China und Indien auch an vorderster Stelle

stehen. Auffallend ist auch, dass Länder mit einem großen

Potential an fossilen und erneuerbaren Energiereserven und

Ressourcen wie zum Beispiel Russland, Brasilien, Mexiko und

Iran, Atomenergie nutzen.

1 IAEA- International Atomic Energy Agency , Nuclear Power Reactors in the

World 2014 edition

0 20 40 60 80 100(Anzahl)

USAFrankreichJapanRusslandSüdkoreaChinaIndienKanadaGroßbritannienUkraineSchwedenDeutschlandBelgienSpanienTschechishe Rep.SchweizFinnlandUngarnSlowakeiArgentinienPakistanBrasilienBulgarienMexikoRumänienSüdafrikaArmenienIranNiederlandeSlowenien

Graph 2

Anzahl der weltweit im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke 2013: 434Quelle: Internationale Atomenergieagentur (IAEA)

97

2910

11111

22222

55

6

ChinaRussland

IndienUSA

SüdkoreaVereinigte Arabi-

sche EmirateUkraine

SlowakeiPakistan

JapanFrankreich

FinnlandBrasilien

WeißrusslandArgentinien

0 5 10 15 20 25 30 35

Graph 3

Anzahl der im Bau befindlichen Atomkraftwerke: 71Quelle: Internationale Atomenergieagentur (IAEA)

Derzeit befinden sich 71 Atomkraftwerke im Bau, wobei China

mit 27 Neuerrichtungen an erster Stelle liegt, gefolgt von

Russland, Südkorea, Indien und den USA. In den westeuropä-

ischen Ländern dagegen werden nur wenige neue Atomkraft-

werke gebaut. Nach dem Unfall von Fukushima hat in diversen

europäischen Ländern ein Umdenken begonnen. Weltweit ist

die Atomenergie jedoch im Wachsen begriffen. Zusätzlich zu

den 71 im Bau befindlichen Kernkraftwerken befinden sich

circa 100 Atomkraftwerke in der Planungs- und/oder Geneh-

migungsphase. Auch hier ist China an der Spitze, gefolgt von

Russland, den USA und Indien.

Graph 4

Anteil von Atomstrom an der weltweiten ElektrizitätgewinnungQuelle: ExxonMobil 2014 - The Outlook for Energy: A View to 2040

15%1 20%

26%28%

6%

7%10%

7%

7%

3%

2%

4%

6%

24%

45% 41%

33%

2010 2025 2040

16%

Erdöl Atomenergie

Gas Wasserkraft

Kohle andere erneuerbare Energien

Atomstrom hat im Jahre 2010 15% der weltweiten Stromerzeu-

gung ausgemacht. Laut Prognose von ExxonMobil wird der An-

teil im Jahre 2025 auf 16% steigen und 2040 20% ausmachen.

Prognosen anderer Firmen/Organisationen zeigen ein ähn-

liches Bild. Schaut man sich die OECD- und die Nicht-OECD-

Länder an, so ergibt sich ein differenzierteres Bild.

Tabelle 1

Anteil von Atomstrom an der Elektrizitätsgewinnung

2010 2025 2040

OECD 26% 28% 32%

Nicht-OECD 5% 8% 15%

98

Der Anteil ist und wird auch in Zukunft in den OECD-Ländern

wesentlich höher sein als in den Nicht-OECD-Ländern. Das

Wachstum in den Schwellenländern China, Russland und

Indien ist jedoch wesentlich stärker, der Anteil von 5% im Jahre

2010 wird im Jahre 2040 auf 15% steigen.

Wie stark sind die einzelnen Länder in der Elektrizitätsgewin-

nung von Atomstrom abhängig? Wie aus Graph 5 ersichtlich

ist, zeigt sich ein stark divergierendes Bild. Insgesamt gibt es

weltweit 31 Länder, die Atomenergie zur Elektrizitätsgewin-

nung nutzen. Der Anteil der Nutzung der Kernenergie zur Elek-

trizitätsgewinnung variiert je nach Land sehr stark. Frankreich

führt mit einem Anteil von über 70%, gefolgt von Belgien und

der Slowakei mit circa 50% und der Ukraine und Schweden mit

über 40%. Vor allem in den europäischen Ländern hat Atom-

strom einen hohen Anteil an der Stromgewinnung.

Uran ist der Rohstoff, der für die Atomenergieerzeugung be-

nötigt wird. Wie fossile Energieträger steht auch Uran nicht un-

endlich zur Verfügung. Die derzeitigen Uranreserven belaufen

sich laut BGR2 auf 2,16 Millionen Tonnen. 98% der Uranreser-

ven sind auf nur 11 Länder verteilt. Das Land mit den größten

Reserven ist Australien, gefolgt von Kanada, Kasachstan,

Brasilien und China. Diese 5 Länder machen bereits 84% der

gesamten Reserven aus. Nimmt man noch Russland, Südaf-

rika, Niger, die USA, Namibia und die Ukraine dazu, so kommt

man auf 98% der weltweiten Uranreserven. Die geschätzten

Uranressourcen (das sind die Vorräte, die derzeit entweder aus

wirtschaftlicher oder technologischer Sicht noch nicht geför-

dert werden können) belaufen sich auf 13 Millionen Tonnen.

In der folgenden Abbildung ist die weltweite Verteilung von

Uranreserven und Ressourcen aufgezeigt.

2 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover – Energie-

studie 2013

kumulierte Förderung

URAN

Ressourcen

Reserven in Mt

Ressourcen 13,0 MtReserven 2,6 MtFörderung 2012 0,06 Mt

Uran: Weltweite Reserven und RessourcenQuelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Hannover – Energiebericht 2013MT= MillionTonnen

99

Die Uranproduktion liegt in den Händen einiger weniger Kon-

zerne. 2012 wurden 82% der weltweiten Uranproduktion von

lediglich acht Großkonzernen gefördert. Auch auf der Ver-

braucherseite wird der größte Teil des Urans nur von einigen

wenigen Ländern verbraucht, wobei über die Hälfte auf nur

drei Länder entfällt: die USA, Frankreich und China. Uran

wird weltweit hauptsächlich über langfristige Lieferverträge

gehandelt.

Trotz der Reaktorkatastrophe von Fukushima und dem da-

rauffolgenden Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie

sowie dem Atomausbaustopp von Italien, der Schweiz und

Belgien ist die weltweite Uranproduktion in den vergangenen

Jahren weiter gestiegen. Die größten Uran-Produzenten sind

Kasachstan, Kanada und Australien mit einem Anteil von 63%

an der weltweiten Uranproduktion. In Kanada befindet sich

die weltweit größte Lagerstätte, der McArthur River, welche

Frankreich

Belgien

Slowakei

Ungarn

Ukraine

Schweden

Schweiz

Tschechische Rep.

Slowenien

Finnland

Bulgarien

Armenien

Südkorea

Rumänien

Spanien

USA

Taiwan

Großbritannien

Russland

Kanada

Deutschland

Südafrika

Mexiko

Pakistan

Argentinien

Indien

Niederlande

Brasilien

China

Japan

Iran

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

73,3%

52,1%

51,7%

50,7%

42,7%

36,4%

35,9%

33,6%

33,3%

30,7%

29,2%

27,6%

19,8%

19,7%

19,4%

19,1%

18,3%

17,5%

16,0%

15,4%

5,7%

4,6%

4,4%

4,4%

3,5%

2,8%

2,8%

2,1%

1,7%

1,5%

43,6%

Graph 5

Anteil des Atom-stroms in der Elektrizitätsge-winnung nach Ländern (Ende 2013)Quelle: Internationale Ato-menergieagentur (IAEA)

100

13% der globalen Uranproduktion abdeckt. Laut BGR ist aus

geologischer Sicht für die kommenden Jahrzehnte genügend

Uran vorhanden. Mittel- bis langfristig ist durch zunehmende

Explorationstätigkeit mit einer Ausweitung der Uranvorkom-

men zu rechnen.

Vor allem in Asien und im Mittleren Osten, aber auch in Nord-

und Südamerika wird weiter am Atomstrom festgehalten und

werden neue Kernkraftwerke geplant. Seit die Verringerung

der CO2-Emissionen auf der politischen Agenda steht, versu-

chen Vertreter der Atomlobby und Atomkraft-Befürworter

darauf hinzuweisen, dass Atomstrom billig sei und sich positiv

auf den Klimaschutz auswirke, da bei der Erzeugung keine

CO2-Emissionen anfallen. Zudem sei eine hohe Versorgungssi-

cherheit gegeben, da Uran noch reichlich vorhanden sei. Atom-

kraftgegner stehen solchen Vorschlägen negativ gegenüber,

indem sie anführen, dass Atomstrom weder billig noch sauber

sei. Das Argument vom billigen Atomstrom sei nicht haltbar, da

die Kosten des Rückbaus von Atomkraftwerken sowie die Kos-

ten von Störfällen nicht kalkulierbar seien. Ein Kostenvergleich

mit anderen Energieträgern sei gar nicht möglich, da die Frage

der Endlagerung nicht geklärt ist und somit ein wesentlicher

Teil der Kosten gar nicht erfasst werden könne. Massive Inves-

titionen in die Atomenergie würden die dringend notwendigen

Investitionen in Energieeffizienz und in erneuerbare Energien

verzögern. Die Liste der Standpunkte der Atomenergie-Befür-

worter und -Gegner ist lang.

Die Frage, ob Atomstrom unverzichtbar ist oder nicht, ist letzt-

lich eine politische bzw. eine wirtschaftliche Frage und muss

für jedes Land einzeln beantwortet werden. Wenn Länder,

wie Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie schaffen,

sollte es auch für andere Länder möglich sein, ohne Atom-

strom auszukommen. Diverse Studien haben ergeben, dass

der weltweite Stromverbrauch auch ohne Atomstrom abge-

deckt werden kann, wenn von der Politik die entsprechenden

Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie zum Beispiel

gesetzliche Richtlinien für die Steigerung der Energieeffizienz

und die Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien.

Je stärker die Abhängigkeit von Atomstrom in einem Land ist,

desto schwieriger gestaltet sich ein Ausstiegsszenario und ist

wohl nur über einen sehr langen Zeitraum zu bewerkstelligen.

Länder, die sehr stark vom Atomstrom abhängig sind, verfü-

gen oft über hochentwickelte Technologien zur Errichtung von

Kernkraftwerken, die sie nicht nur im eigenen Land nutzen,

sondern auch an andere Länder weiterverkaufen. Ein Ausstieg

aus der Kernenergie würde so große wirtschaftliche Nachteile

mit sich bringen, da wichtige, vor allem kapitalintensive In-

dustriezweige im Land aufgelassen werden müssten, Techno-

logietransfer und Exporte negativ davon betroffen wären und

Arbeitsplätze verlorengingen.

Ein Atomausstieg auf globaler Ebene wäre zwar langfristig

möglich, erscheint aber unwahrscheinlich. Aus heutiger Sicht

kann man davon ausgehen, dass der Anteil von Atomstrom an

der Stromerzeugung weltweit weiter zunehmen wird, wie die

diversen Prognosen aufzeigen.

101

Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts wurden die Erdöl-

märkte von einigen wenigen Erdölgesellschaften beherrscht,

die eine weitgehende Oligopol-Stellung innehatten. Erst mit

der Nationalisierung der Erdölindustrie und der Gründung

Nationaler Ölgesellschaften in den wichtigsten Produzenten-

ländern in den 1970er Jahren, sowie der Gründung der OPEC1

wurde die Oligopol-Stellung der Ölmultis im Erdölsektor

gebrochen. Auch der wirtschaftliche Aufschwung nationaler

Ölgesellschaften in einigen wichtigen Erdölkonsumenten-

ländern, wie zum Beispiel in Frankreich (CFP wurde später

privatisiert und in TOTAL SA umgewandelt) und Italien (Eni)

rüttelte an der Oligopol-Stellung der Ölmultis. Trotzdem

gehören sie auch heute noch zu den weltweit größten und

mächtigsten Konzernen. Welche Rolle spielen sie heute im

Energiesektor?

Als Ende des 19. Jahrhunderts in den USA und Anfang des 20.

Jahrhunderts im Mittleren Osten erstmals Erdöl in kommer-

ziellem Maße gefördert wurde, kam es zur Gründung interna-

tionaler Erdölgesellschaften (IOCs). Firmen, wie Exxon, Mobil,

Shell und BP waren bereits damals im Erdölsektor tätig, wenn

auch teilweise unter anderem Namen. Da Erdöl einer der wich-

tigsten und meistverwendeten Rohstoffe ist - einerseits als

Treibstoff im Transport und als Brennstoff in der Wärmeerzeu-

gung und andererseits als Rohstoff in der Chemieindustrie -,

gehört die Erdöl- und Gasindustrie zu den wichtigsten und vor

allem auch zu den kapitalintensivsten Wirtschaftszweigen. Seit

dem Beginn der kommerziellen Erdölförderung spielten einige

wenige Ölgesellschaften die dominierende Rolle in der Erdö-

lindustrie. Sie verfügten über die Reserven, waren zuständig

für die Exploration, die Förderung, die Lagerhaltung und den

Vertrieb; ihnen gehörten die Öltanker, welche das Erdöl in alle

Welt brachten, sie verkauften die Produkte aus Erdöl (Benzin,

Diesel, Heizöl etc.) und nicht zuletzt bestimmten sie den Preis.

Die Länder, in denen die Erdölvorkommen waren, bekamen le-

diglich einen bestimmten Anteil an Steuern für das geförderte

Erdöl, welcher von den IOCs einseitig bestimmt wurde. Im Jahr

1928 trafen sich die Chefs der sieben führenden Erdölkonzer-

ne, genannt die „Seven Sisters“2 und teilten im Abkommen von

1 Die OPEC (Organisation Erdöl-exportierender Länder) wurde 1960 in Bagdad

gegründet mit dem Ziel den Produzentenländern mehr Recht über ihre Res-

sourcen zu erlangen

2 Die Gruppe inkludierte folgende sieben Erdölkonzerne: die Anglo-Persian Oil

Company (jetzt BP); Gulf Oil, Standard Oil of California (SoCal), Texaco (jetzt

Chevron); Royal Dutch Shell; Standard Oil of New Jersey (Esso) and Standard

Oil Company of New York (Socony) (jetzt ExxonMobil).

Welche Rolle spielen internationale Ölgesellschaften im Energiesektor?

102

Achnacarry die Einflusssphären und Produktionsgebiete unter-

einander auf, ohne die Regierungen oder gar die Völker der

betroffenen Regionen im Mittleren Osten mit einzubeziehen.

Fortan beherrschten diese Ölkonzerne den Erdölmarkt bis in

die Mitte der 1970er. Der Begriff „Seven Sisters“ soll auf den

italienischen Eni-Manager Enrico Mattei3 zurückgehen. Von den

damals sieben führenden Ölkonzernen existieren heute noch

vier – ExxonMobil, Chevron, Royal Dutch Shell und BP - und

sie zählen auch heute noch zu den größten und mächtigsten

Erdölkonzernen und rangieren auch unter den 20 weltgrößten

Konzernen (siehe Tabelle 4).

Die Ölkonzerne ExxonMobil, Chevron, Shell, BP hat es schon

vor 1900 gegeben, wenn auch zum Teil unter anderem Namen.

Diese vier Konzerne zusammen mit Total und ConocoPhillips

werden oft als die Super Majors im Erdölgeschäft bezeich-

net. Neben diesen Ölgesellschaften gibt es noch viele andere

internationale oder nationale Erdölgesellschaften, wie Aramco

aus Saudi Arabien, CNPC und SINOPEC aus China, Gazprom

(Russland), Eni (Italien) und viele mehr, die im Erdöl- und Gas-

geschäft eine wichtige Rolle spielen.

1960 wurde in Bagdad die OPEC4 gegründet mit dem Ziel, dass

die Mitgliedsländer die volle Souveränität über Ihre Erdölvor-

kommen erlangen. Im ersten Jahrzehnt ihres Bestands wurde

die OPEC kaum beachtet, erst in den 1970er Jahren erlangte sie

internationalen Einfluss, als die Mitgliedsländer die Petro-

leumindustrie verstaatlichten und als sie im Jahre 1973 zum

ersten Mal bei der Erdölpreisgestaltung mitwirkten. In den

1970er Jahren kam es zu einer Welle von Nationalisierungen

und Enteignungen im Erdölsektor in den ölreichen Ländern des

Mittleren Ostens und in anderen ölreichen Regionen. Parallel

dazu wurden nationale Ölgesellschaften gegründet, die zum

Teil die Aufgabenbereiche der Internationalen Ölkonzerne

(IOCs) übernahmen. Es kam zu einer grundlegenden Verände-

rung im internationalen Erdölsektor. Die internationalen Öl-

multis konnten fortan nicht mehr einseitig den Ölpreis bestim-

men und konnten auch nicht mehr über die Reserven verfügen,

da diese nun von den Ländern, in denen das Erdöl vorkam, als

ihr Eigentum verwaltet wurde. Es gab verschiedene Gründe,

3 Enrico Mattei reorganisierte und vergrößerte nach dem 2. Weltkrieg die Ita-

lienische Erdölgesellschaft Eni. Es gelang ihm wichtige Erdölkonzessionen

im Mittleren Osten auszuhandeln und ein wichtiges Handelsabkommen mit

der Sowjetunion abzuschließen, was auch dazu beitrug, die Oligopolstellung

der „Seven Sisters“ zu schwächen. Er war es auch, der sehr zum Unmut der

„Seven Sisters“. den Produzentenländern einen höheren Profitanteil an der

Erdölförderung zukommen ließ.

4 Die Gründerländer der OPEC waren Saudi Arabien, Iran, Irak, Kuwait und

Venezuela. Inzwischen hat die OPEC noch weitere sieben Mitgliedsländer:

Algerien, Angola, Nigeria, Libyen, Katar, Vereinigten Arabische Emirate und

Ecuador.

103

weshalb die Erdölländer die bis dahin geltenden Verträge

(„concession agreements“) mit den IOCs einseitig veränderten.

Ein Hauptgrund war, dass sie über die Rohstoffvorkommen in

ihren Ländern selbst bestimmen wollten. Zudem kam es in den

1970er und 1980er Jahren zu stark steigenden Erdölpreisen,

wobei die Länder auch ihren gerechten Anteil einforderten.

Anstelle der „concession agreements“, bei denen die Verhand-

lungsmacht einseitig zugunsten der Investoren, nämlich der

IOCs verteilt war, entwickelten sich neue Vertragsformen, bei

denen die IOCs in Kooperation mit den Nationalen Ölgesell-

schaften (NOCs) die diversen Tätigkeiten im Erdölsektor durch-

führten und wo vor allem die NOCs und die IOCs gleichwertige

Partner wurden. Es entwickelten sich vier typische Vertrags-

formen5 zwischen den Investoren (IOCs) und den Produzenten-

ländern bzw. den NOCs, die bis heute Anwendung finden. Die

Verhandlungsmacht der Produzentenländer ist umso stärker,

je größer die Erdöl-Reserven und die Erdölproduktion bzw. die

Erdölexporte des jeweiligen Landes sind.

Graph 1

Anteil der Nationalen Ölgesellschaften (NOCs) und Internationalen Ölgesellschaften (IOCs) an der weltweiten Erdöl- und Gas-IndustrieQuelle: EIG Petroleum Intelligence Weekly (PIW) ranking of the world‘s top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012.

ErdölProduktion

Gas Produktion

Erdöl Reserven

Gas Reserven

Produkte Verkauf

RaffinerieKapazität

(Destillation)

(%)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Nationale Ölgesellschaften (NOCs) Internationale Ölgesellschaften (IOCs)

Außerdem spielt es eine Rolle, über welches technische

Knowhow die NOCs verfügen und nicht zuletzt hängt es von

den finanziellen Ressourcen des Landes ab, wie viel Verhand-

lungsspielraum für sie gegeben ist. Investitionen im Erdöl- und

Gassektor sind sehr kapitalintensiv und viele Länder haben

nicht die entsprechenden finanziellen Ressourcen und sind

daher auf Investitionen der IOCs angewiesen. Zudem ist sehr

oft ein spezielles technisches Knowhow erforderlich, um Erdöl

und -gas zu fördern, welches nur die Ölmultis haben. Auch in

diesem Falle ist eine Zusammenarbeit mit den IOCs notwendig.

Seit Erdgas im Energiesektor an Bedeutung gewonnen hat,

sind die Ölmultis auch im Gassektor stark vertreten.

Während bis in die 1970er Jahre der Großteil der weltweiten Öl-

förderung in den Händen der Ölmultis lag, beträgt ihr Anteil an

der weltweiten Ölförderung heute nur noch circa 20 Prozent,

bei Gas ist der Prozentsatz etwas höher. Den weitaus größeren

5 “modern concession contracts“, „Produktion sharing agreements“, „joint

ventures“ and „service agreements“.

104

Anteil an der weltweiten Ölförderung haben die Nationalen

Ölgesellschaften (NOCs) der erdölexportierenden Länder. Die

IOCs verfügen nur mehr über etwa als 5 % der weltweiten Öl-

und Gasreserven. Beim Verkauf von Petroleumprodukten liegt

der Anteil der IOCs immer noch bei über 30% und im Raffine-

riesektor bei etwas über 20%.

Grundsätzlich lassen sich Ölkonzerne in zwei Gruppen auftei-

len, die privaten, börsennotierten Konzerne und die staatlich

kontrollierten Erdölfördergesellschaften. Während in den USA

und in Großbritannien die Erdölgesellschaften traditionell

schon immer private, börsennotierte Konzerne waren, blieben

diese in Kontinentaleuropa bis in die 80er und 90er Jahre meist

unter staatlicher Kontrolle und wurden erst in den letzten

Jahrzehnten größtenteils privatisiert (Beispiel Total in Frank-

reich, Eni in Italien). In praktisch sämtlichen erdölexportieren-

den Ländern hingegen stehen die Erdölfördergesellschaften

unter staatlicher Kontrolle (Beispiel Aramco in Saudi Arabien,

PDVSA in Venezuela).

Wenn man sich die 10 weltgrößten Ölgesellschaften anschaut,

so finden sich darunter sowohl nationale Gesellschaften der

erdölexportierenden Länder (z. B. Saudi Aramco), staatliche

Gesellschaften großer Konsumentenländer (z.B. CNPC China)

als auch die großen internationalen Ölmultis. Verglichen mit

der Zeit vor 1970, wo lediglich die internationalen Ölmultis den

Erdölsektor beherrschten, hat sich die Struktur am Erdölmarkt

jedoch grundlegend verändert.

Bei der Erdölförderung sind vier nationale Erdölgesellschaften

von erdölexportierenden Ländern unter den ersten Fünf, an

erster Stelle rangiert die saudische nationale Ölgesellschaft

Saudi Aramco mit einem Produktionsvolumen von fast 10 Mil-

Tabelle 1

Die 10 weltweit größten Ölgesellschaftten

Saudi Aramco NIOC ExxonMobil CNPC PDVSA BP Royal Dutch Shell Gazprom Chevron Total

Saudi Arabien Iran USA China Venezuela Groß britannien Niederlande Russland USA Frankreich

Quelle: EIG-Petroleum Intelligence Weekly (PIW) Ranking of the world top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012. Folgende Sektoren der Erdöl-Gasindustrie wurden für den Vergleich herangezogen. Öl und Gasproduktion, Öl- und Gasreserven, Produktverkauf und Raffineriekapazität.

Tabelle 2

Quelle: EIG- Petroleum Intelligence Weekly (PIW) Ranking of the world‘s top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012. Die 5 größten Erdölproduzenten Die 5 größten Gasproduzenten

Name Land 1000 Barrels/Tag Name Land Mill. Kubikfuss/Tag

Saudi Aramco Saudi Arabien 9.988 Gazprom Russland 47.050

NIOC Iran 3.680 NIOC Iran 15.486

KPC Kuwait 3.145 ExxonMobil USA 12.322

CNPC China 3.050 Saudi Aramco Saudi Arabien 10.700

INOC* Irak 2.942 QP Katar 9.880

*INOC Iraki National Oil Comapny existiert nicht mehr. Sie wird als Proxy für die Staatsholding angeführt.

105

lionen Barrels pro Tag gefolgt von der Iranischen Gesellschaft

NIOC mit einer Produktion von 3,7 Millionen Barrels pro Tag.

Bemerkenswert ist, dass sich auch eine chinesische nationale

Ölgesellschaft, nämlich die CNPC unter den Top Erdölpro-

duzenten befindet. Einerseits produziert China mehr als 4

Millionen Barrels Erdöl pro Tag im eigenen Land, andererseits

versucht das energiehungrige Land sich in diversen Ländern

durch Beteiligungen Anteile an der Erdölförderung zu sichern.

Bei der Gasproduktion liegt die russische staatliche Gasgesell-

schaft Gazprom mit 47 Millionen Kubikfuß pro Tag an erster

Stelle, gefolgt von der Iranischen NIOC, während ExxonMobil

auf Platz 3 liegt.

Beim Verkauf der Petroleumprodukte sind immer noch die Öl-

multis führend und belegen weltweit vier Plätze unter den ers-

ten fünf. Auf Platz vier kommt die chinesische Ölgesellschaft

Sinopec. Im Raffineriesektor zeigt sich ein diversifiziertes Bild.

An vorderster Stelle liegt ExxonMobil mit einer Raffinerieka-

pazität6 von über 5 Millionen Barrels pro Tag, gefolgt von den

beiden chinesischen staatlichen Ölgesellschaften Sinopec und

CNPC. Shell liegt an vierter Stelle vor der Venezuelanischen

staatlichen Ölgesellschaft PDV. Zusammenfassend kann man

sagen, dass bei der Erdöl- und Gasförderung die nationalen

Gesellschaften der exportierenden Länder eine maßgebliche

Rolle spielen, während beim Verkauf der Petroleumprodukte

und auch im Raffineriesektor die Ölmultis immer noch sehr

stark vertreten sind. Die zunehmende Bedeutung chinesischer

staatliche Ölgesellschaften, sowohl bei der Erdölförderung,

als auch im Verkauf der Petroleumprodukte, aber vor allem im

Raffineriesektor ist nicht zu übersehen.

Die immer noch wichtige Rolle der internationalen Ölmultis im

Energiesektor basiert auf folgenden Fakten: zum einen verfü-

gen diese Konzerne über eine lange Erfahrung und über eine

teils konkurrenzlose technologischen Expertise, die sie bei

vielen schwierigen Projekten, wie zum Beispiel bei der Öl- und

Gasförderung in Arktischen Regionen oder in Tiefseeregionen

unersetzlich machen. Zum anderen können sie aufgrund ihrer

enormen finanziellen Ressourcen Investitionen tätigen, die

für viele nationale Ölgesellschaften nicht möglich sind. Eine

andere wichtige Voraussetzung für die immer noch führende

Rolle der Ölkonzerne im Energiesektor ist die breite Palette an

Tätigkeitsfeldern, in denen sie tätig sind. Vor allem bei der Er-

schließung der nicht-konventionellen fossilen Energieformen,

6 Die Raffineriekapazität bezieht sich auch die Destillationskapazität

Tabelle 3

Die 5 größten Konzerne im Produktgeschäft Die 5 größten Raffineriegesellschaften

Name Land 1000 Barrels/Tag Name Land Mill.

Kubikfuß/TagRoyal Dutch Shell Niederlande 6.235 ExxonMobil USA 5.375

ExxonMobil USA 6.174 Sinopec China 5.239

BP Großbritannien 5.657 CNPC China 4.421

Sinopec China 3.548 Royal Dutch Shell Niederlande 3.360

Total Frankreich 3.403 PDV Venezuela 2.822

Quelle: EIG- Petroleum Intelligence Weekly (PIW) Ranking of the world‘s top 50 oil companies, November 2013. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2012.

106

wie Schiefergas und Schieferöl sind die Ölmultis an vorderster

Linie. Auch im Forschungsbereich und in der Entwicklung neu-

er Technologien im Energiesektor und in der Petrochemischen

und Chemischen Industrie spielen die Ölmultis eine dominante

Rolle. So wurde zum Beispiel das Verfahren aus Gas LNG (ver-

flüssigtes Gas) herzustellen und flüssige Produkte, wie Benzin

oder Diesel aus Gas herzustellen von Shell entwickelt. Auch im

Bereich der Erneuerbaren Energien haben die Ölmultis enor-

me Investitionen getätigt. Fazit ist, dass die Ölmultis im Erdöl-

und Gassektor immer noch eine sehr wichtige Rolle spielen

und man davon ausgehen kann, dass sie auch in der Zukunft

ihre enorme Bedeutung beibehalten werden.

Wie aus Tabelle 4 ersichtlich ist, gehören die Erdöl/ Gas Ge-

sellschaften zu den weltweit größten Konzernen. Gemessen

am jährlichen Umsatzerlös sind 5 der 10 weltgrößten Konzerne

im Erdöl/Gas Sektor tätig.

Tabelle 4

Die weltweit 10 größten Konzerne (gemessen am Umsatzerlös) 2013

Konzern Land Sektor Umsatzerlös

1 Walmart USA Handel $ 476,3 billion

2 Royal Dutch ShellNiederlande

Erdöl/Gas $ 459,6 billionGroßbritannien

3 Sinoppec China Erdöl/Gas $ 457,2 billion

4 China National Petroleum Corporation China Erdöl/Gas $ 432,0 billion

5 ExxonMobil USA Erdöl/Gas $ 407,7 billion

6 BP Großbritannien Erdöl/Gas $ 396,2 billion

7 State Grid Corporation of China China Stromsektor $ 333,4 billion

8 Volkswagen Deutschland Auto $ 261,5 billion

9 Toyota Japan Auto $ 256,5 billion

10 Glencore Schweiz Rohstoffe $ 232,7 billion

Quelle: Fortune Magazin 7 Juli 2014

107

Der Europäische Gasmarkt im Umbruch

Mit fast einem Viertel am Gesamtenergieverbrauch spielt Gas

eine sehr wichtige Rolle in Europa1. In einigen europäischen

Ländern, wie z.B. in Italien oder Großbritannien beträgt der

Gasverbrauch am Gesamtenergieverbrauch sogar 36 % bzw.

33%. Europa hat einen Anteil von über 40% an den weltwei-

ten Gasimporten. Die Gaspreise sind deshalb von zentraler

Bedeutung einerseits für die europäische Wirtschaft und an-

dererseits für die Verbraucher im privaten Sektor. Die EU hat

schon in den 1990er Jahren rechtliche Rahmenbedingungen

geschaffen um den Gasmarkt zu liberalisieren, auch mit dem

Ziel die Europäische Wirtschaft konkurrenzfähig zu erhalten

und für die Endverbraucher niedrigere Preise zu gewährleis-

ten. Was sind die Auswirkungen dieses Liberalisierungspro-

zesses und welche anderen Faktoren haben in den vergangen

Jahren dazu beigetragen, dass es bei der Gaspreisbildung zu

beträchtlichen Veränderungen gekommen ist?

Graph 1

Europa: Primärenergieverbrauch nach Energieträger 2013 (Anteil in %)Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014

35,3

23,6

16,9

11,0

7,06,2

Erdöl Gas Kohle

Atomenergie Wasserkraft Erneuerbare Energie

Schon seit Anfang der 1970er Jahre konnte die Gasproduktion

in Europa nicht mehr mit dem Gasverbrauch Schritt halten und

Europa musste als Folge dieser Entwicklung Gas importieren.

Die Gasimporte sind seit damals ständig gestiegen. In diesem

Zusammenhang ist es immer wieder zur Diskussion über die

Importabhängigkeit und die Energiesicherheit gekommen, da

der größte Teil des importierten Gases aus nur wenigen Län-

dern kommt. Erst seit 2009 ist es als Folge der Wirtschafts-

krise zu einem leichten Rückgang des Verbrauchs und ent-

sprechend auch zu sinkenden Gasimporten gekommen (siehe

Graph 2 und Graph 3).

1 Europa inkludiert die Europäischen OECD-Länder

108

Der größte Teil des importierten Gases wird über Pipelines

nach Europa importiert, jedoch ist der Anteil an LNG2-Importen

in den vergangen Jahren stark gewachsen. Das wichtigste

Land ,aus dem Gas importiert wird, ist Russland mit einem

Anteil von 32,7% im Jahre 2013, gefolgt von Norwegen mit

20,2%, den Niederlanden mit 11,6% und Algerien mit 6,6%.

LNG-Importe machen 11,7% aus und der Anteil von Pipeline-

Importen aus anderen Ländern beträgt 17,2%. Wenn sich auch

die Anzahl der Länder vergrößert hat, so ist Europa nach wie

vor stark von einigen wenigen großen Gasexportländern, allen

voran Russland, abhängig.

Die Gaspreise wurden seit den 1970er Jahren in langfristigen

Verträgen zwischen den Exportländern und den großen Gasim-

porteuren, die meist im Strom- oder Energiesektor tätig sind,

wie z.B. Eni und Enel in Italien, GDF Suez in Frankreich oder

E.ON und RWE in Deutschland, festgelegt. Die Erlöse aus den

Gaspreisen sollten einerseits dazu beitragen die Erdgasfel-

der zu erschließen, was durch langfristige Verträge (25 bis 35

Jahre) gewährleistet war. Die Preisgestaltung sollte außer-

dem gewährleisten, die Erträge für die Fördergesellschaften

zu maximieren und zudem Gas konkurrenzfähig mit anderen

Energieformen zu machen. In den 1970er Jahren waren das vor

allem Erdölprodukte wie Schweröl und leichtes Heizöl, deshalb

wurden die Gaspreise an die Erdölpreise gekoppelt. Diese

Art der Preisbindung hat sich in Europa bis in die Gegenwart

gehalten, allerdings wird Gas seit einigen Jahren auch auf

Basis von Spot- oder Marktpreisen gehandelt. Inzwischen ist

vor allem im Elektrizitätsgewinnungssektor Kohle ein Konkur-

renzprodukt zu Gas und nicht mehr Erdölprodukte. Deshalb

argumentieren viele Analysten, dass es sinnvoller sei, die

Gaspreise an die Kohlepreise zu koppeln.

2 LNG ist verflüssigtes Gas. Es wird in einer Gasverflüssigungsanlage auf -164

°C abgekühlt und unter atmosphärischem Druck verflüssigt, so dass das ur-

sprüngliche Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel reduziert wird.

LNG wird dann in LNG-Tankern transportiert. Im Importland wird das Gas in

speziellen LNG-Terminals wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückver-

setzt bevor es in die Verteilerpipelines eingespeist wird.

Graph 2

Europa: Gasproduktion und Gasverbrauch Quelle: Internationale Energiebehörde

600000

500000

400000

300000

200000

100000

0

1971

1973

1975

1977

1979

1981

1983

1985

1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

2011

2013

(Millionen m3)

Verbrauch Produktion

109

Graph 3

Europa: Gasimporte 1990-2013Quelle: Internationle Energieagentur

500000

450000

400000

350000

300000

250000

200000

150000

100000

50000

0

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

(Millionen m3)

Algerien Niederlande Norvegen

Russland Rest pipeline Gas LNG

Anteil in % 2013

11,7 %

17,2 %

32,7 %

20,2 %

11,6 %

6,6 %

Im Unterschied zu Erdöl gibt es keinen globalen Gasmarkt,

sondern regionale Märkte, wobei die wichtigsten drei Märkte der

US-, der Europäische und der Asiatische Markt sowie vor allem

der Japanische Markt sind. Der Hauptgrund für das Fehlen eines

globalen Marktes ist darin zu sehen, dass Gas im Unterschied

zu Erdöl hinsichtlich seines Transportes nicht so flexibel ist wie

Erdöl. Gas wird zu einem großen Teil über regionale Pipelines

befördert. Allerdings hat der Transport mittels LNG-Tanker stark

zugenommen und wird laut neuesten Prognosen in Zukunft wei-

ter zunehmen. Das könnte mittel- bis langfristig in Richtung einer

Globalisierung der Gasmärkte führen. Die Preisgestaltung ist in

den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich.

Bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts zeigten die Preise in den

USA, in Europa und in Japan einen ähnlichen Verlauf und folgten

dem Trend der Erdölpreise. Seit Mitte des vergangenen Jahr-

* Durchschnitt Jan-Okt

*1 Preise basiered auf Verträgen, die an den Erdölpreis gekoppelt sind

*2 NBP Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage

*3 Henry Hub ist der wichtigste Gas Hub in den USA

Graph 4

Gaspreise in verschiedenen Regionen und ErdölpreisFonte: BP Statistical Review of the World Energy 2014

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

*

20

16

12

8

4

0

120

100

80

60

40

20

0

(US$/Barrel)(US$/mmbtu)

Japan: LNG Preis

Deutschland: Gas Importpreis*1

UK: NBP Preis *2

USA: Henry Hub Spot Preis *3

Erdölpreis (Brent)

110

zehnts kam es jedoch zu einer divergierenden Entwicklung der

Gaspreise in den verschiedenen Regionen (siehe Graph 4). Als

Folge der steigenden Schiefergasproduktion sanken die Gasprei-

se in den USA stark und folgten nicht mehr dem Trend der Erdöl-

preise. Der amerikanische Gasmarkt ist vollständig liberalisiert

und die Gaspreise bilden sich nach den Marktgegebenheiten

basierend auf Angebot und Nachfrage. Gas kostet in den USA

nur ungefähr die Hälfte wie in Europa und macht nicht einmal ein

Drittel der LNG-Preise in Japan aus. Als Folge der steigenden

Erdölpreise kam es in den vergangenen 10 Jahren bei den an das

Erdöl gekoppelten Gaspreisen zu massiven Preissteigerungen.

Der Liberalisierungsprozess des Gasmarktes nahm in Großbri-

tannien bereits in den 1990er Jahren seinen Anfang. 1996 kam

es zur Gründung des NBP (National Balancing Point) einem

sogenannten „Gas Hub“3, an welchem Gas gehandelt wird,

wobei sich die Preise nach Angebot und Nachfrage richten. Im

vergangenen Jahrzehnt wurden auch in anderen Europäischen

Ländern Gas-Hubs gegründet. Vor allem die Nordwesteuropä-

ischen Hubs sind durch Pipelines miteinander verbunden, was

3 Ein Gas „Hub“ ist ein virtueller Transaktionspunkt, an dem Gas gehan-

delt wird. Hierbei bilden sich die Preise nach Angebot und Nachfrage. Die

Marktteilnehmer an den Hubs sind LNG- und Pipeline-Gas-Anbieter, große

Elektrizitätsgesellschaften oder große Industriebetriebe, die Gas benötigen,

aber auch Finanzinvestoren, die Hedgegeschäfte abschließen. An den Gas-

Hubs wird Gas wie an einer Börse gehandelt. Neben Spotgeschäften, werden

an den Hubs auch „Futures“-Geschäfte abgewickelt.

Abbildung 1

Europa: Die wichtigsten Gas Hubs und Gasimport-Ströme

GASPL

Norwegen

Niederlande

Russland

LibyenAlgerien

LNG Importeaus Katar, Algerien, Oman,

Nigeria, Ägypten etc.

NBPTTF

ZBR

PEGN NCG

CEGH

PSVPEGS

111

einen Handel zwischen den einzelnen Hubs ermöglicht.

Der Gashandel an den Europäischen Hubs hat in den vergan-

genen Jahren stark zugenommen. An erster Stelle steht der

britische Gas Hub NBP, gefolgt von TTF in den Niederlanden.

2013 kam es in Folge sinkender Nachfrage zu einer Verringe-

rung des gehandelten Volumens. Laut neuesten Zahlen kann

im Jahre 2014 wieder mit einem Anstieg an den meisten Euro-

päischen Hubs gerechnet werden.

Der Preis, zu dem an den Hubs gehandelt wird, richtet sich

nach Angebot und Nachfrage. Als Folge der Schiefergasrevolu-

tion nahm die Gasproduktion in den USA stark zu und die Gas-

preise sanken. Zudem wurde nun LNG, das ursprünglich in die

USA exportiert werden sollte, nach Europa exportiert und zwar

zu wesentlich niedrigeren Markt- oder Spotpreisen als die

vertraglich festgelegten Preise. Als Folge der Wirtschaftskrise

kam es zu einem Rückgang des Gasverbrauchs in Europa, was

sich entsprechend auf die Preise an den Hubs auswirkte. Fazit

war, dass die Hub-Preise und die Vertragspreise immer mehr

auseinanderklafften. Die großen Gasimporteure erlitten infolge

der sehr hohen, an den Erdölpries gekoppelten Vertragspreise,

hohe finanzielle Einbußen, da sie das Gas zu Marktpreisen an

die Endverbraucher weiterverkaufen mussten. Sie versuchten

die Verträge mit den Gas-Exportländern neu zu verhandeln

mit dem Ziel, die Gaspreise nicht mehr an die Erdölpreise

zu koppeln, sondern Marktpreise als Basis für die Gaspreis-

bildung heran zuziehen. Auch die EU machte Druck, um die

Gaspreise konkurrenzfähiger zu machen und so einerseits

die Europäische Wirtschaft zu stärken und andererseits den

Endverbrauchern im Strom- und Heizungssektor niedrigere

Preise zu gewährleisten. Durch die niedrigen Gaspreise hatten

amerikanische Firmen, die in energieintensiven Sektoren tätig

waren, wie z. B. im Stahlsektor oder im Chemiesektor, einen

großen Vorteil gegenüber den Europäischen Firmen. Zusätzlich

gab es infolge niedriger Kohlepreise im Elektrizitätsgewin-

Graph 5

Schätzung der gehandelten Gasmengen an den Europäischen Gas-HubsQuelle: GDF Suez Trading

35000

30000

25000

20000

15000

10000

5000

0

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

CEGH PEGs PSV NCG Gaspool TTF Zeebrugge NBP

TWh

112

nungssektor starken Konkurrenzdruck auf die Gaspreise Die

Niederländischen Gasgesellschaften und Statoil (Norwegen)

waren als erste bereit, neue Gaslieferverträge auszuhandeln

oder die bestehenden Verträge zu adaptieren, und die Erdöl-

preise nur mehr teilweise oder überhaupt nicht mehr als Basis

zur Gaspreisbildung heran zu ziehen. Inzwischen hat auch

Russland einige Verträge neuverhandelt und Marktpreise als

Basis der Preisbildung akzeptiert oder zumindest niedrigere

Gaspreise angeboten.

Wie aus Graph 6 ersichtlich, ist der Anteil der Gaspreise, die

sich an den Marktpreisen orientieren von circa 15% im Jahre

2005 auf über 50% im Jahre 2013 gestiegen und parallel dazu

hat sich der Anteil der Gaspreise, die an den Erdölpreis ge-

koppelt sind, von über 75% im Jahre 2015 auf weniger als 50%

verringert. In Nordwesteuropa spielen Marktpreise mit circa

80% eine weit größere Rolle als in den Mittelmeerländern.

Ein Grund dafür ist, dass die Liberalisierung der Gasmärkte in

Nordwest-Europa viel weiter fortgeschritten ist und die Gas-

Hubs eine viel stärkere Rolle spielen als im Süden.

Es sei hier darauf hingewiesen, dass der Gasmarktpreis nicht

immer niedriger sein muss als der an den Erdölpreis gekop-

pelte Vertragspreis. In Zeiten sehr niedriger Erdölpreise kann

der Marktpreis auch über dem Vertragspreis liegen (siehe

Graph 4). Es ist zu erwarten, dass in Zukunft noch mehr Ver-

träge auf Basis von Marktpreisen abgeschlossen werden. Viele

Analysten gehen jedoch davon aus, dass ein Teil des impor-

tierten Gases auch in Zukunft auf Basis langfristiger Verträge

und unter Zugrundelegung einer Koppelung an den Erdölpreis

oder vielleicht auch an Kohlepreise abgeschlossen werden.

Ein wichtiger Vorteil langfristiger Lieferverträge besteht darin,

dass sie einerseits mehr Liefersicherheit für die importieren-

den Firmen bieten und andererseits für die Exportländer eine

längerfristige Planung der Investitionen möglich machen. Ein

wichtiger Punkt, der in Gasliefer-Verträgen mehr berücksich-

tigt werden sollte, ist die Gewährung einer größeren Flexibilität

der Gaspreise durch Berücksichtigung der jeweiligen Ange-

bots- und Nachfrage-Situation am Gasmarkt.

Graph 6

Entwicklung der Gaspreisbildung in Europa: 2005-2013Quelle: IGU - Wholesale Gas Price Survey 2014OPE= Preis ist an den Erdölpreis gekoppelt GOG = Marktpreise basierend auf Angebot und Nachfrage

2005 2007 2009 2010 2012 2013OPE GOG

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%OPE GOG

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%OPE GOG

100%

80%

60%

40%

20%

0%

Europa Nordwest Europa Mittelmeer Region

113

Der Begriff Energiewende wird seit einigen Jahren immer

wieder in den Medien erwähnt. Das deutsche Wort Energie-

wende ist sogar in die englische Sprache eingeflossen und

renommierte Zeitschriften, wie die New York Times und der

Economist benutzen es mittlerweile, wenn von Deutschlands

ehrgeizigem Plan die Rede ist, auf eine Wirtschaft umzustel-

len, die auf erneuerbarer, nicht-nuklearer Energie basiert.

Was sind die Ziele der Energiewende in Deutschland, welche

Herausforderungen und Hürden ergeben sich für die Umset-

zung der Ziele der Energiewende?

Die Energiewende bezeichnet den Umstieg der Energiever-

sorgung von fossilen Brennstoffen und Kernbrennstoffen auf

erneuerbare Energien. Das Ziel der Energiewende in Deutsch-

land ist, bis zum Jahr 2050 die benötigte Energie hauptsäch-

lich aus regenerativen Quellen, wie Wind- und Wasserkraft,

Sonnenenergie, Geothermie oder nachwachsenden Rohstoffen

zu beziehen. Zusätzlich soll durch sparsame und effiziente

Nutzung der Energie der Energieverbrauch verringert werden.

Eine wichtige Motivation der Energiewende sind die immer

stärker zu Tage tretenden ökologischen und sozialen Proble-

me, die durch die Nutzung fossiler und nuklearer Energieträ-

ger entstehen. Da ist einerseits die Umweltbelastung durch die

Verbrennung fossiler Energieträger, insbesondere durch die

Emission von Treibhausgasen und der damit einhergehenden

globalen Erwärmung und andererseits die ungeklärte Frage

Die Energiewende

114

Erneuerbare Energien

Biobrennstoffe aus Mais, Sonnenblumen, Raps, usw.

Wasserkraft Solarzellen Windenergie

Energie aus Ozeanwellen Energie aus BiomasseGeothermie

der Endlagerung des abgebrannten Spaltmaterials sowie die

Gefährdung der Bevölkerung bei Störfällen in Kernkraftwer-

ken (Beispiel Fukushima). Aus energiewirtschaftlicher Sicht

spielt die Begrenztheit der fossil-nuklearen Energieträger,

die nur für eine begrenzte Zeit (je nach Energieträger wenige

Jahrzehnte bis Jahrhunderte) verfügbar sind, eine wichtige

Rolle.

Die Tendenz weg von fossilen Energieträgern und hin zu

Erneuerbaren Energien ist mittlerweile in vielen Ländern der

Welt im Gang. Doch Deutschland geht mit seinem Konzept

der Energiewende einen viel ehrgeizigeren und radikaleren

Weg. Diesem Vorhaben wird international große Bedeutung

beigemessen, da Deutschland innerhalb der EU die größte

Wirtschaftsmacht ist und auch weltweit zu den 5 größten Wirt-

schaftsmächten zählt.

115

Was sind die Gründe, dass gerade Deutschland den Umstieg

auf erneuerbare Energien und weg von fossilen Energieträgern

und nuklearer Energie mit so viel Ehrgeiz vorantreibt? Im Un-

terschied zu anderen Europäischen Ländern ist in Deutschland

die Förderung Erneuerbarer Energien schon seit längerer Zeit

von der Politik stark gefördert worden. Zudem gibt es seit den

1970er Jahren eine starke Anti-Atombewegung. Die Partei der

Grünen war seit Mitte der 1980er Jahre im Parlament vertreten

und unterstützte zahlreiche Umweltgesetze, die auch die Ener-

giebereitstellung betrafen. Deutschland verfolgt außerdem mit

großem Ehrgeiz seine klimapolitischen Zielsetzungen, um die

Reduzierung der Treibhausemissionen gemäß dem Kyoto-Pro-

tokoll zu erreichen. Zudem findet die Energiewende bei einem

großen Teil der deutschen Bevölkerung Zustimmung1.

Die Energiewende verfolgt das Ziel, bis 2050 die Treibhause-

missionen gegenüber 1990 auf minus 80% bis minus 90% zu

senken, sowie die Nutzung der Atomenergie bis 2022 zu been-

den. Zudem soll der Anteil der Erneuerbaren Energien stetig

ausgebaut werden, wobei der Anteil am Bruttostromverbrauch

im Jahre 2020 mindestens 35% und im Jahre 2050 mindestens

80% betragen soll. Der Anteil am Bruttoenergieverbrauch soll

2020 18% und 2050 60% betragen. Bezüglich der Steigerung

der Energieeffizienz, ist das Ziel den Primärenergieverbrauch

1 Redefining the Energiewende: New German Government Coalition Issues. A

Roadmap for the Nation’s Most Ambitious Domestic Energy Reform-George-

town International Environmental Law Review. Feb. 14, 2014

Tabelle 1

Status quo und quantitative Ziele der EnergiewendeQuelle: Zweiter Monitoring Bericht: "Energie der Zukunft" Bundesministerium für Wirtschaft und Energie März 2014

Kategorie 2011 20122050

2020 2030 2040 2050

Treibhausgasemissionen

Treibhausgasemissionen -25,6% -24,7% mindestens mindestens mindestens mindestens

(gegenüber 1990) -40% -55% -70% -80% bis -95%

Erneuerbare Energien

Anteil am Bruttostrom-Verbrauch 20,4% 23,6% mindestens 35%

mindestens 50%

(2025: 40-50%)

mindestens65%

(2035: 55-60%)

mindestens 80%

Anteil am Bruttoenergie-Verbrauch 11,5% 12,4% 18% 30% 45% 60%

EffizienzPrimärenergieverbrauch(gegenüber 2008) -5,4% -4,3% -20% -50%

Bruttostromverbrauch(gegenüber 2008) -1,8% -1,9% -10% -25%

Anteil der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Koppelung 17,0% 17,3% 25%

Energieproduktivität 1.7% pro Jahr (2008-2011)

1.1% pro Jahr (2008-2012)

2.1% pro Jahr (2008-2050)

Gebäudebestand

Primärenergiebedarf - - - in der Größenordnung von -80%

Wärmebedarf - - -20% -

Sanierungsrate rund 1% rund 1% Verdoppelung von 2% pro Jahr

VerkehrsbereichEnergieverbrauch(gegenüber 2005) -0,7% -0,6% -10% -40%

Anzahl Elektrofahrzeuge 6547 10078 1 Million 6 Millionen -

116

2020 um minus 20% und 2050 um minus 50% zu senken,

verglichen mit dem Primärenergieverbrauch von 2008. Auch

im Gebäude- und im Verkehrsbereich sind starke Einsparun-

gen geplant. So soll der Primärenergieverbrauch bis 2020 um

20% gesenkt werden und bis 2050 um 80% verringert werden.

Bis jetzt hat die Energiewende vorwiegend im Stromsektor

stattgefunden. Laut letzem Monitoring-Bericht der Bundesre-

gierung entwickelt sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien

planmäßig, während die erwartete Verringerung der Treibh-

ausgasemissionen sowie die Fortschritte bei der Energieeffizi-

enz nicht erreicht werden konnten2.

Ziel der deutschen Energiewende ist der Übergang zu einer

konkurrenzfähigen und kohlenstoffarmen Wirtschaft. Eine

der wichtigsten Voraussetzungen dafür sind konkurrenzfähige

Energiepreise. Neuesten Studien zufolge bedarf das jetzi-

ge Konzept der Energiewende dringender Reformen, damit

Deutschlands Wirtschaft konkurrenzfähig bleibt. Deutschlands

Strompreise gehören zu den höchsten der Welt und sind in den

vergangenen Jahren, vor allem als Folge der starken Förde-

rung erneuerbaren Energien um circa 60% gestiegen, während

sie in den USA und in China um nicht einmal 10% gestiegen

sind. Das bringt für die deutsche Industrie massive Nachteile,

da Energiepreise eine zentrale Rolle für die Industrie spielen,

vor allem für energieintensive Branchen wie dem Chemie-,

Baustoff- oder Stahlsektor. Die deutsche Wirtschaft ist sehr

stark exportabhängig und hat einen sehr hohen Produktions-

sektor. Im Jahre 2013 machten die Exporte 51% des BIP aus,

verglichen mit 26% in China und nur 13% in den USA. Der Pro-

duktionssektor ist mit 21% des BIP einer der höchsten in den

großen Industrieländern. Dies alles zeigt auf, wie wichtig es für

die deutsche Wirtschaft ist konkurrenzfähig zu bleiben.

2 Zweiter Monitoring Bericht: Energie der Zukunft. Bundesministerium für

Wirtschaft und Energie, März 2014

Graph 1

Deutschland: Anteil Erneuerbarer Energien am StromverbrauchQuelle: Das deutsche Energiewende Paradox: Ursachen und Herausforderungen, Agora Energiewende April 2014

(%)

30

25

20

15

10

5

0

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

117

Graph 2

Deutschland: Stromerzeugung nach Energieträger 2013Quelle: Statistisches Bundesamt

Braunkohle Steinkohle Erdölprodukte Sonstige

Kernenergie Gas Erneubare Energien

Wind Biomasse Hausmüll Wasserkraft Photovolaic

Diverse Studien belegen, dass die Energiewende in ihrer

jetzigen Form die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-

schaft stark beeinträchtigen würde. Laut einer Studie der IHS

Inc. sind die Stromkosten in Deutschland vor allem als Folge

der massiven Förderung der Erneuerbaren Energien stark

angestiegen. Zudem sind die CO2-Emissionen als Folge des

Ausstiegs aus der Atomenergie und der erhöhten Nutzung von

Kohlekraftwerken angestiegen und haben so zu einer para-

doxen Situation geführt, da es ja Ziel der Energiewende ist die

Treibhausemissionen zu verringern. Ein wichtiger Reform-

schritt der Energiewende, um einerseits die Wettbewerbsfä-

higkeit der deutschen Wirtschaft zu wahren und andererseits

die Ziele der Energiewende zu erreichen, ist die stärkere Ein-

beziehung von Gas in den Energiemix. So sollte die heimische

Gasförderung, inklusive Schiefergas, ausgebaut werden. Das

würde einerseits die Stromkosten durch billigeres Gas senken

und andererseits durch den Umstieg von Kohlekraftwerken auf

Gaskraftwerke die Treibhausemissionen verringern. Gas, die

„sauberste“ fossile Energieform, die weit weniger Treibhaus-

emissionen verursacht als Kohle und Erdöl, könnte die Rolle

einer Brückenenergie spielen, um schrittweise die Treibhaus-

emissionen zu verringern und schließlich eine Energieversor-

gung basierend auf sauberen erneuerbaren Energieträgern zu

erzielen.

Trotz einer Reihe notwendiger Reformen und vieler noch zu

lösender Probleme ist Deutschlands Energiewende eine Initi-

ative von globaler Bedeutung. Deutschland spielt eine wichtige

Vorreiterrolle, um den schrittweisen Umstieg der Energiever-

sorgung von fossilen Energieformen und Kernbrennstoffen auf

umweltfreundliche erneuerbare Energien durchzuführen.

Messe Bozen AG - Messeplatz 1 / 39100 Bozen Südtirol | Italien

Tel: +39 0471 516000 Fax: +39 0471 516111 - www.messebozen.it

KLIMAHOUSE TOSCANA

KLIMAHOUSE

KLIMAENERGY

KLIMAINFISSO

KLIMAMOBILITYComoCasaClima

powered by KLIMAHOUSE