die zahl der hodenkarzinome nimmt zu

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Männer zwischen 25 und 45 besonders gefährdet Die Zahl der Hodenkarzinome nimmt zu Das Hodenkarzinom ist im Vergleich zu anderen bösartigen Tumorerkrankun- gen selten. Bei Männern zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr zählt es jedoch zu den häufigsten Krebserkrankungen. Klinisch zeigt sich meist eine schmerz- lose Raumforderung oder Schwellung eines Hodens. Wie dieser Befund weiter diagnostisch abgeklärt werden muss und welche Therapieoptionen nach der Diagnose Hodenkarzinom zur Verfügung stehen, lesen Sie im Folgenden. - Das Hodenkarzinom ist im Vergleich zu anderen bösartigen Tumorerkran- kungen selten. Nur ca. 1–1,5% der Män- ner, die von einem Malignom betroffen sind, haben ein Hodenkarzinom [1]. Bei Männern zwischen dem 25. und 45. Le- bensjahr zählen Hodentumore jedoch zu den häufigsten Krebserkrankungen. Nach Angaben des Robert Koch-Ins- tituts gibt es ca. 3900 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland [2]. In den letz- ten Jahren zeigte sich in den Industrielän- dern eine steigende Inzidenzrate von Ho- denkarzinomen bei einer abnehmenden Mortalitätsrate. Der Rückgang der Sterb- lichkeitsrate wird vor allem mit einem guten Ansprechen auf Chemo- und Strahlentherapie erklärt. Die Fünf-Jahres- Überlebensrate liegt bei über 96% [3]. In 90–95% handelt es sich histolo- gisch um Keimzelltumore [1]. Bei den Keimzelltumoren unterscheidet man zwischen reinen Seminomen und nicht- seminomatösen Keimzelltumoren (NS- GCT). Nicht-Seminome bestehen meist aus unterschiedlichen Tumoranteilen. Am häufigsten sind mit ca. 62% Semino- me [2]. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die verschiedenen histologischen Typen der Keimzelltumore des Hodens. Risikofaktoren Zu den bekannten Risikofaktoren eines Hodenkarzinoms gehören: - Hodenhochstand (Maldescensus testis) in der Vorgeschichte, - positive Familienanamnese der ersten Generation von Angehörigen, - Klinefelter-Syndrom, - kontralateraler Hodentumor oder - Infertilität. Diagnose Klinisch zeigt sich bei den Patienten meist eine schmerzlose Raumforderung oder Schwellung eines Hodens. Diese wird häufig durch den Patienten selbst oder dessen Partner entdeckt. Nur 27% der Patienten berichten über lokale Schmerzen [1]. Rücken- oder Flanken- schmerzen können auf eine retroperito- neale Metastasierung hinweisen. Eine Gynäkomastie als Ausdruck einer hor- monellen Stimulation kommt in bis zu 7% vor, vor allem bei Nicht-Seminomen [1]. Anzeichen einer B-Symptomatik wie z. B. Gewichtsverlust, Fieber und Nacht- schweiß oder Knochenschmerzen kön- nen auf ein fortgeschrittenes Tumorsta- dium hinweisen. Primäre Diagnostik Die primäre Diagnostik bei einem gona- dalen Primärtumor umfasst die Inspek- tion und bimanuelle Palpation der Hoden. Im Rahmen der allgemeinen körperlichen Untersuchung sollten au- ßerdem vergrößerte supraklavikuläre Lymphknoten, eine Gynäkomastie oder eine abdominelle Raumforderung aus- geschlossen werden. Bildgebung Bei V. a. einen Hodentumor sollte als ers- tes bildgebendes Verfahren eine konven- tionelle Sonografie des Hodens (mind. 7,5 MHz-Schallkopf) durchgeführt wer- Abb. 1 Hodentumor im Sonografiebild. © B. Schneevoigt 40 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22) FORTBILDUNG _ ÜBERSICHT Dr. med. Birte Schneevoigt Urologische Klinik und Poliklinik Campus Großhadern Klinikum der Universität München Koautor: Prof. Dr. med. Christian G. Stief, Priv.-Doz. Dr. med. Alexander Karl, Urolo- gische Klinik und Poliklinik, Campus Groß- hadern, Klinikum der Universität München

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Page 1: Die Zahl der Hodenkarzinome nimmt zu

Männer zwischen 25 und 45 besonders gefährdet

Die Zahl der Hodenkarzinome nimmt zuDas Hodenkarzinom ist im Vergleich zu anderen bösartigen Tumorerkrankun-gen selten. Bei Männern zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr zählt es jedoch zu den häu�gsten Krebserkrankungen. Klinisch zeigt sich meist eine schmerz-lose Raumforderung oder Schwellung eines Hodens. Wie dieser Befund weiter diagnostisch abgeklärt werden muss und welche Therapieoptionen nach der Diagnose Hodenkarzinom zur Verfügung stehen, lesen Sie im Folgenden.

−Das Hodenkarzinom ist im Vergleich zu anderen bösartigen Tumorerkran-kungen selten. Nur ca. 1–1,5% der Män-ner, die von einem Malignom betro�en sind, haben ein Hodenkarzinom [1]. Bei Männern zwischen dem 25. und 45. Le-bensjahr zählen Hodentumore jedoch zu den häu�gsten Krebserkrankungen.

Nach Angaben des Robert Koch-Ins-tituts gibt es ca. 3900 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland [2]. In den letz-ten Jahren zeigte sich in den Industrielän-dern eine steigende Inzidenzrate von Ho-

denkarzinomen bei einer abnehmenden Mortalitätsrate. Der Rückgang der Sterb-lichkeitsrate wird vor allem mit einem guten Ansprechen auf Chemo- und Strahlentherapie erklärt. Die Fünf-Jahres- Überlebensrate liegt bei über 96% [3].

In 90–95% handelt es sich histolo-gisch um Keimzelltumore [1]. Bei den Keimzelltumoren unterscheidet man zwischen reinen Seminomen und nicht-seminomatösen Keimzelltumoren (NS-GCT). Nicht-Seminome bestehen meist aus unterschiedlichen Tumoranteilen. Am häu�gsten sind mit ca. 62% Semino-me [2]. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die verschiedenen histologischen Typen der Keimzelltumore des Hodens.

RisikofaktorenZu den bekannten Risikofaktoren eines Hodenkarzinoms gehören:

− Hodenhochstand (Maldescensus testis) in der Vorgeschichte,

− positive Familienanamnese der ersten Generation von Angehörigen,

− Klinefelter-Syndrom,

− kontralateraler Hodentumor oder

− Infertilität.

Diagnose Klinisch zeigt sich bei den Patienten meist eine schmerzlose Raumforderung oder Schwellung eines Hodens. Diese wird häu�g durch den Patienten selbst oder dessen Partner entdeckt. Nur 27% der Patienten berichten über lokale Schmerzen [1]. Rücken- oder Flanken-schmerzen können auf eine retroperito-neale Metastasierung hinweisen. Eine Gynäkomastie als Ausdruck einer hor-monellen Stimulation kommt in bis zu 7% vor, vor allem bei Nicht-Seminomen [1]. Anzeichen einer B-Symptomatik wie z. B. Gewichtsverlust, Fieber und Nacht-schweiß oder Knochenschmerzen kön-nen auf ein fortgeschrittenes Tumorsta-dium hinweisen.

Primäre DiagnostikDie primäre Diagnostik bei einem gona-dalen Primärtumor umfasst die Inspek-tion und bimanuelle Palpation der Hoden. Im Rahmen der allgemeinen körperlichen Untersuchung sollten au-ßerdem vergrößerte supraklavikuläre Lymphknoten, eine Gynäkomastie oder eine abdominelle Raumforderung aus-geschlossen werden.

BildgebungBei V. a. einen Hodentumor sollte als ers-tes bildgebendes Verfahren eine konven-tionelle Sonogra�e des Hodens (mind. 7,5 MHz-Schallkopf) durchgeführt wer-Abb. 1 Hoden tumor im Sonogra�ebild.

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40 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22)

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FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Dr. med. Birte SchneevoigtUrologische Klinik und Poliklinik Campus Großhadern Klinikum der Universität München

Koautor: Prof. Dr. med. Christian G. Stief, Priv.-Doz. Dr. med. Alexander Karl, Urolo-gische Klinik und Poliklinik, Campus Groß-hadern, Klinikum der Universität München

Page 2: Die Zahl der Hodenkarzinome nimmt zu

den (Abb. 1). Die Sensitivität, eine Raumforderung im Ultraschall zu sehen, liegt bei bis zu 100% [4]. Mit der Sono-gra�e können nicht nur das Vorhanden-sein eines Tumors und der kontrala-terale Hoden beurteilt, sondern auch zwischen einer intra- und extratestiku-lären Raumforderung unterschieden werden. Bis zum Beweis des Gegenteils ist eine Raumforderung des Hodens als malignomsuspekt anzusehen.

TumormarkerDie Bestimmung der folgenden Tumor-marker im Blutserum sollte bei jedem Patienten mit V. a. einen Hodentumor veranlasst werden:

− α-Fetoprotein (AFP)

− β-humanes Choriongonadotropin (HCG)

− Laktatdehydogenase (LDH).51% der Patienten mit einem Hodentu-mor zeigen erhöhte Tumormarker [5]. Tumormarker haben Ein�uss auf die Ri-sikoklassi�zierung von Hodentumorpa-tienten und deren Prognose und werden zur Verlaufskontrolle bei der Tumor-nachsorge verwendet.

HormonbestimmungBei Patienten mit noch bestehendem Kinderwunsch sollte zusätzlich eine Bestimmung von Gesamttestosteron, lu teinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH) durchgeführt werden. Außerdem sollte bei bilateralen oder fortgeschrittenen Tumoren, die ggf. in der Folge eine Strahlen- oder Chemotherapie erhalten, die Möglichkeit einer Kryokonservie-rung von Spermien besprochen werden. Bei klinischen Symptomen eines Andro-genmangel-Syndroms ohne Kinder-wunsch ist eine Kontrolle des Gesamt-testosterons und im weiteren Verlauf ggf. eine Testos teronsubstitution indiziert.

Initiale Therapie Grundsätzlich erfolgt zunächst die Eva-luation des Hoden mittels operativer Hodenfreilegung und ggf. anschließen-der Semikastratio über einen inguinalen Zugangsweg. Als einzige Ausnahme gilt ein den Patienten lebensgefährdender Zustand beim metastasierten Hodentu-

mor. Bei diesen Patienten erfolgt primär eine Chemotherapie und im Anschluss eine Semikastratio. Die operative �era-pie ist entgegen früherer Meinung nicht notfallmäßig durchzuführen, sondern kann bis zu einer Woche nach Ver-dachtsdiagnose erfolgen.

Bei präoperativ klinisch eindeutigem Befund oder Nachweis eines Karzinoms im intraoperativen Schnellschnittbe-fund erfolgt eine Absetzung des tumor-tragenden Hodens auf Höhe des inneren Leistenrings zur Vermeidung einer Tu-morzellstreuung. Bei bilateralen Tumo-ren oder Einzelhoden kann eine organ-erhaltende Operation abgewogen wer-den. Eine gleichzeitige Biopsie des kontralateralen Hodens durch eine skro-tale Inzision ist indiziert zum Aus-schluss einer testikulären intraepitheli-alen Neoplasie (TIN) bei [6]

− Hodenvolumen unter 12 ml,

− Alter des Patienten unter 40 Jahre.Die Wahrscheinlichkeit, einen Hoden-tumor zu entwickeln, liegt bei Patienten mit TIN bei 50% nach fünf Jahren [9].

Klassi�kationNach histologischer Aufarbeitung des Gewebepräparates wird der Hodentu-mor entsprechend der „World Health Organization“ (WHO) von 2004 klassi-�ziert. Weiterhin erfolgt in dem histolo-gischen Gutachten eine Beurteilung von:

Tabelle 1

Histopathologische Klassi�-kation der Keimzelltumore des Hodens nach WHO 2004 [7]

Seminom

− Reines Seminom

− Spermatozytisches Seminom

Nicht-seminomatöse Keimzell-tumoren (NSGCT)

− Embryonalzellkarzinom

− Dottersacktumor

− Chorionkarzinom

− Teratom

− Mischtumoren aus mehreren histologischen Typen

Tabelle 2

Prognoseabhängige Klassi�ka-tion des metastasierten Keim-zelltumors nach IGCCCG [8]

Gute Prognose

Nicht- Semi-nom

− Testikulärer oder retrope-ritonealer Primärtumor

− Keine extrapulmonale viszerale Metastasierung

− AFP < 1000 ng/ml

− HCG < 1000 ng/ml

− LDH < 1,5 x n

Semi-nom

− Jede Primärlokalisation

− Keine extrapulmonale viszerale Metastasierung

− Normwertiges AFP

− Jeder HCG-, LDH-Wert

Mittlere Prognose

Nicht- Semi-nom

− Testikulärer oder retrope-ritonealer Primärtumor

− Keine extrapulmonale viszerale Metastasierung

− AFP 1000–10 000 ng/ml oder

− HCG 1000–10 000 ng/ml oder

− LDH 1,5–10 x n

Semi-nom

− Jede Primärlokalisation

− Extrapulmonale visze-rale Metastasierung

− Normwertiges AFP

− Jeder HCG-, LDH-Wert

Schlechte Prognose

Nicht- Semi-nom

− Mediastinaler Primär-tumor

− Keine extrapulmonale viszerale Metastasierung

− AFP > 10 000 ng/ml oder

− HCG > 10 000 ng/ml oder

− LDH > 10 x n

IGCCCG = „International Germ Cell Cancer Collaborative Group“; AFG = α-Fetoprotein; HCG = β-humanes Choriongonadotropin; LDH = Laktatdehydrogenase; n = oberer Grenzwert des Normwertes

MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22) 41

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 3: Die Zahl der Hodenkarzinome nimmt zu

Tumorlokalisation, -größe, -ausbreitung, Blut- und Lymphgefäßinvasion, pT-Ka-tegorie nach TNM-Klassi�kation der

„Union Contre le Cancer“ (UICC) von 2007 und das Vorliegen einer TIN.

StagingBei jedem Hodentumorpatienten sollte postoperativ ein Staging erfolgen. Dazu wird fünf bis sieben Tage nach Orchiek-tomie die Höhe der Tumormarker be-stimmt. Zur Beurteilung von retroperi-tonealen, mediastinalen und pulmona-len Lymphknoten und der Leber sollte bei jedem Patienten eine Computer-tomogra�e (CT) von �orax, Abdomen und Becken mit intravenös verabreich-tem Kontrastmittel veranlasst werden [6]. Die CT zeigt die höchste Sensitivität zur Detektion von Lymphnotenmetasta-sen als bildgebendes Verfahren.

Die Magnet resonanztomografie (MRT) zeigt eine ähnliche Tre�sicher-heit wie die CT, ist jedoch wegen der höheren Kosten und der geringeren Ver-fügbarkeit nur als Alternative bei CT-Kon traindikation einzusetzen. Eine Röntgenuntersuchung des �orax stellt aufgrund der geringen Sensitivität keine Alternative mehr zur CT des �orax dar.

Die supraklavikulären Lymphknoten können am besten bei der körperlichen Untersuchung beurteilt werden. Eine Skelettszintigra�e und eine CT des Schä-dels gehören nicht zur Routinediagnos-tik und sollten nur bei klinischer Symp-tomatik oder fortgeschrittener Erkran-kung durchgeführt werden.

StadieneinteilungDie Stadieneinteilung der Hodentumor-patienten erfolgt anschließend nach TNM-Klassi�kation der UICC von 1997. Die TNM-Klassi�kation berücksichtigt den postoperativen Tumormarkerver-lauf, Tumorinvasion und eine lympho-gene oder viszerale Metastasierung.

Weiterhin werden Patienten mit metastasierter Erkrankung in drei Prognosegruppen nach der „Internatio-nal Germ Cell Cancer Collaborative Group“ (IGCCCG) eingeteilt (gute, mitt-lere und schlechte Prognose). Dies erfolgt anhand des postoperativen Tumormar-kerverlaufs, der Tumorhistologie, der Lo-

kalisation des Primärtumors und dem Vorhandensein von Metastasen (Tab. 2).

Individuelle Therapie je nach histologischem Typ und StadiumDie anschließende individuelle �erapie richtet sich nach dem histologischen Tu-mortyp und der Stadieneinteilung der Patienten nach TNM-Klassi�kation.

Therapie bei SeminomenBei Seminomen im Stadium I besteht eine Rezidivwahrscheinlichkeit zwi-schen 15–20% [6]. Prognostisch ungüns-tig sind eine Tumorgröße über 4 cm und eine In�ltration des Rete testis. Als �e-rapieoptionen stehen eine Surveillance und eine adjuvante Carboplatin-basie-rende Chemotherapie für einen Zyklus zur Verfügung. Beide �erapieformen sind als therapeutisch gleichwertig an-zusehen und können Heilungsraten in nahezu 100% erzielen. Nach den Leitli-nienempfehlungen der Europäischen Gesellscha� für Urologie (EAU) ist die Surveillance-Strategie bevorzugt anzu-wenden, alternativ bei einem erhöhten Risikopro�l eine adjuvante Chemothe-rapie [6]. Die Strahlentherapie wird bei Seminomen im Stadium I aufgrund der Spättoxizitätsrate nicht mehr empfohlen.

Bei Seminompatienten im Stadium IIA/B ist die Strahlentherapie mit insge-samt 30 Gy bzw. 36 Gy immer noch die Standardtherapie. Alternativ kann im Stadium IIB eine therapeutisch gleich-wertige Chemotherapie mit drei Zyklen Cisplatin, Etoposid und Bleomycin (PEB) bzw. vier Zyklen Cisplatin, Etopo-sid (PE) durchgeführt werden.

Therapie bei Nicht-SeminomenBei Nicht-Seminomen im Stadium I ist die Rezidivwahrscheinlichkeit vor allem von einer Gefäßinvasion abhängig. Das Metastasierungsrisiko beträgt abhängig von einer vaskulären Tumorzellinvasion 30 bzw. 50% [6]. Bei Niedrigrisikopati-enten im Stadium I ohne Gefäßinvasion wird als Standard eine Surveillance-Strategie angewandt. Optional kann eine adjuvante Chemotherapie mit zwei Zyklen PEB durchgeführt werden. Eine nervenschonende retroperitoneale Lymphadenektomie sollte nur in Aus-

nahmefällen bei Patienten, die weder eine Surveillance-Strategie noch einer Chemotherapie zugeführt werden kön-nen, durchgeführt werden. Bei Hochri-sikopatienten mit dem Nachweis einer Blut- oder Lymphgefäßinvasion ist pri-mär eine Chemotherapie mit zwei Zyk-len PEB indiziert. Nur bei Kontraindi-kationen für eine Chemotherapie kann alternativ eine Surveillance-Strategie oder eine retroperitoneale Lymphadenk-tomie durchgeführt werden.

Therapie bei fortgeschrittenen metastasierten HodentumorenBei fortgeschrittenen metastasierten Ho-dentumoren ist die �erapie von der Pro-gnoseeinschätzung nach IGCCCG ab-hängig. Als primäre �erapie wird eine Chemotherapie empfohlen. Bei Patienten mit einer guten Prognoseeinschätzung werden drei, bei Patienten mit einer mitt-leren oder schlechten Prognose vier Zy-klen Chemotherapie mit PEB empfohlen.

Literatur unter mmw.de

Für die Verfasser:Dr. med. Birte Schneevoigt Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München, Marchioninistr. 15, D-81377 München, E-Mail: [email protected]

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FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Fazit für die PraxisJede intratestikuläre Raumforderung des Hodens ist primär als malignom-suspekt anzusehen und bedarf einer sofortigen weiteren Abklärung. Besteht der Verdacht auf einen Hodentumor, sollte immer die Überweisung an einen Facharzt erfolgen. Zur weiteren di�e-renzialdiagnostischen Abklärung einer Raumforderung sollten initial eine kör-perliche Untersuchung, Sonogra�e der Hoden und Bestimmung der Tumor-marker erfolgen. Eine inguinale Freile-gung und ggf. radikale Orchiektomie dient zur Diagnosesicherung und loka-len Tumorkontrolle. Die weitere Thera-pie ist abhängig von dem histologi-schen Tumortyp, den Tumormarkern und der Ausbreitungsdiagnostik.

KeywordsManagement of testicular cancer

Testicular cancer – diagnosis – treat-ment – staging

Page 4: Die Zahl der Hodenkarzinome nimmt zu

Literatur1. La Vecchia C, Bosetti C, Lucchini F et al. Can-

cer Mortality in Europe, 200-2004, and an overview of trends since 1995. Ann Oncol 2010;6:1323-1360.

2. Robert Koch Institut. Krebs in Deutschland 2007/2008. Berlin 2012.

3. Siegel R, Ward E, Brawley O et al. Cancer stati-stics, 2011: the impact of eliminating so-cioeconomic and racial disparities on premature cancer deaths. Cancer J. Clin. 2011;61:212-236.

4. Kim W, Rosen MA, Langer JE et al. US-MR Ima-ging correlation in pathologic conditions of the scrotum. Radiographs 2007;27(5):1239-1253.

5. Germa-Lluch JR, Garcia del Muro X, Maroto P et al. Spanish Germ-Cell Cancer Group (GG). Clinical pattern and therapeutic results achieved in 1490 patients with germ-cell tu-mours of the testis: the experience of the Spanish Germ-Cell Cancer Group (GG). Eur Urol 2002;42(6):553-562.

6. Albers P, Albrecht W, Algaba F et al. EAU gui-delines on testicular cancer: 2011 update. Eur Urol 2011;60(2):304-319.

7. Eble JN, Sauter G, Epstein JI et al. WHO histo-logical classification of testis tumours, in Tu-mours of the urinary system and male genital organs. IARC Press, Lyons 2004.

8. International Germ Cell Cancer Collaborative Group. Internaltional Germ Cell Consensus Classifikation: a prognostic factor-based sta-ging system for metastatic germ cell cancers. J Clin Oncol 1997;15:594-603.

9. Hoei-Hansen CE, Rajpert-De Meyts E, Daugaard G et al. Carcinoma in situ testis, the progenitor of testicular germ cell tumours: a clinical review Ann Oncol. 2005; 6(6):863-8