die statistische verteilung von natrium, kalium und calcium im liquor

9
Deutsche Zeitsehrift f. Nervenheilkunde 181,252--260 (1960) Aus dem Physiologiseh-chemischen Institut der Universitat Leipzig (Direktor: Prof. Dr. Dr. E. STr.ACK) und dem Sophien-Krankenhaus Weimar (Chefarzt der Inneren Abteilung: Dr. med. G. WOI~ATZ) Die statisti~che Verteilung yon Natrium, Kalium und Calcium im Liquor Yon G. WORATZ und W. It0TZSCH Mit 3 Textabbildungen (Eingegangen am 7. Mai 1960) Um die Ergebnisse einer grSSeren Untersuchungsreihe beurteilen zu k5nnen, errechnet man zun/ichst Mittelwert und Streuung. Daneben er- weisen sich aber die graphische Darstellung und der statistische Vergleich mit bekalmten Verteilungen als brauchbare Methoden, Auskunft darfiber zu geben, ob eine Gesetzm/~Bigkeit vorliegt und welcher Art sie ist. Die Verteilung eines Kollektivs entsprechend der Gau$chen Normalver- teilung kommt im Bereich der Biologie relativ selten vor a, 13. Wenn wirk- lich eine solche vorhanden ist, wird sie bei experimentellen Arbeiten oft durch die methodische Streuung unkennthch gemacht. Im Folgenden soll versucht werden, mittels dieser statistischen Methoden die praktisch wichtige und theoretisch interessante Frage nach Gesetzm/~13igkeiten bei der Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor zu beant- worten. Seitdem die Messung der Mineralien des Liquors flammenphotometrisch durchgeffihrt werden kann, ist es mSglieh, eine ganze Serie yon Bestim- mungen in ehlem Arbeitsgang ohne grol3en Zeitaufwand vorzunehmen. Dadurch wurden wir angeregt, die bisherigen Ergebnisse der Mineral- bestimmungen im Liquor nachzupriifcn. Das Hauptziel war, die physio- logische Streuung zu errechnen, fiber die nut wenige und zum Teil un- vollst/indige Mitteilungen vorliegeld, 2, 8, s, o. Zu diesem Zweck mfil3te man korrektcrweise Liquor yon einer Anzahl gesunder Personen ge- winnen. Da dies praktisch nicht durchffihrbar ist, waren wir, wie die frfiherell Untersucher, auf ein mehr oder weniger gemischtes Krankengut angewiesen. Wahrend man bei vielen anderen Untersuchungen -- zum Beispiel des Serums -- tatsKchlich groBe Bestimmungsreihen an Ge- sunden als Grundlage ffir die Berechnung der Normwerte heranziehen kolmte, wurden die ,,Normwerte" im Liquor stillschweigend den Unter-

Upload: g-woratz

Post on 06-Jul-2016

215 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

Deutsche Zeitsehrift f. Nervenheilkunde 181,252--260 (1960)

Aus dem Physiologiseh-chemischen Institut der Universitat Leipzig (Direktor: Prof. Dr. Dr. E. STr.ACK) und dem Sophien-Krankenhaus Weimar (Chefarzt der Inneren

Abteilung: Dr. med. G. WOI~ATZ)

Die statisti~che Verteilung yon Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

Yon

G. WORATZ und W. It0TZSCH

Mit 3 Textabbildungen

(Eingegangen am 7. Mai 1960)

Um die Ergebnisse einer grSSeren Untersuchungsreihe beurteilen zu k5nnen, errechnet man zun/ichst Mittelwert und Streuung. Daneben er- weisen sich aber die graphische Darstellung und der statistische Vergleich mit bekalmten Verteilungen als brauchbare Methoden, Auskunft darfiber zu geben, ob eine Gesetzm/~Bigkeit vorliegt und welcher Art sie ist. Die Verteilung eines Kollektivs entsprechend der Gau$chen Normalver- teilung kommt im Bereich der Biologie relativ selten vor a, 13. Wenn wirk- lich eine solche vorhanden ist, wird sie bei experimentellen Arbeiten oft durch die methodische Streuung unkennthch gemacht. I m Folgenden soll versucht werden, mittels dieser statistischen Methoden die praktisch wichtige und theoretisch interessante Frage nach Gesetzm/~13igkeiten bei der Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor zu beant- worten.

Seitdem die Messung der Mineralien des Liquors flammenphotometrisch durchgeffihrt werden kann, ist es mSglieh, eine ganze Serie yon Bestim- mungen in ehlem Arbeitsgang ohne grol3en Zeitaufwand vorzunehmen. Dadurch wurden wir angeregt, die bisherigen Ergebnisse der Mineral- best immungen im Liquor nachzupriifcn. Das Hauptziel war, die physio- logische Streuung zu errechnen, fiber die nut wenige und zum Teil un- vollst/indige Mitteilungen vorliegeld, 2, 8, s, o. Zu diesem Zweck mfil3te man korrektcrweise Liquor yon einer Anzahl gesunder Personen ge- winnen. Da dies praktisch nicht durchffihrbar ist, waren wir, wie die frfiherell Untersucher, auf ein mehr oder weniger gemischtes Krankengut angewiesen. Wahrend man bei vielen anderen Untersuchungen - - zum Beispiel des Serums - - tatsKchlich groBe Bestimmungsreihen an Ge- sunden als Grundlage ffir die Berechnung der Normwerte heranziehen kolmte, wurden die , ,Normwerte" im Liquor stillschweigend den Unter-

Page 2: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

Statistische Verteihmg yon Natrium, Kalium und Calcium im Liquor 253

suchungsreihen an Kranken entnommen. Lediglich die deutlich heraus- fallenden Werte fanden Beaehtung, doch war es auch bei ihnen nicht immer sicher, ob sie nicht noch im Bereich der biologischen Variabilit/~t und der methodischen Streuung lagen. Bei kritischem Bedenken dieser Dinge mfiBte man also yon vornherein bei dem Versuch einer exakten Bestimmung yon Mittelwert und Streuung des physiologischen Spiegels der Liquorminerahen resignieren. Die :4hnlichkeit der Mittelwerte yon verschiedenen Untersuchern 1/~Bt zwar vermuten, dab ihre Ergebnisse dem wahren Mittelwert beim Gesunden nahekommen. Als Beweis kann das freilich nicht gewertet werden; denn es kSnnte theoretisch so sein, dab alle pathologischen Prozesse im Bereich der Meningen den Mineralspiegel einheiflich in einer l~ichtung verhndern, z. B. erhShen. Dann wiirden die Mittelwerte verschiedener Untersucher nur wenig voneinander abwei- chen - - vorausgesetzt, dab die l~elation yon normalen zu pathologisch ver/~nderten IAquores in ihrem Krankengut ann/ihernd gleich ist. Die Ge- samtheit der Werte 1/~ge jedoch durchschnittlich zu hoch, und ein Nor- malwert an der unteren Grenze der Norm wfirde pathologisch niedrig er- scheinen. Auch aus der Berechnung der Streuung kann nicht ohne wei- teres erkannt werden, ob es sich um ein einheitliches Untersuchungsgut handelt, oder ob das Kollektiv aus verschiedenen Gruppen (z. B. aus Kranken und Gesunden) zusammengesetzt ist. Um diese Frage zu beant- worten, muB der Vergleich mit der GauBschen Normalverteilung weiter- helfen. Wenn sich dabei herausstellt, dab eine Serie yon Untersuchungs- ergebnissen bei einem gemischten I(rankengut einschlieBlich einer Anzahl yon vermutlich Gesunden weitgehend einer GauBschen Verteilung entspricht, kann man daraus schlieBen, dab das Kollektiv einheitlich ist. Das bedeutet aber, dab die verschiedenen Krankheiten keinen EinfluB auf das Er- gebnis hatten. Dann kSnnen Mittelwert und Streuung dieses Kollektivs als Norm- werte auch fiir Gesunde an- gesehen werden.

Ausgangsmaterial Flammenphotometrisch

fanden wir 11 an dem Kran-

T~belle 1. Mittelwerte und Streuung van Natrium, Kalium und Calcium im Liquor cerebrospinalls

(in rag- %)

Natrium 330 Kalium 11,6 Calcium 4,93

Z x i M = Mittelwer~ --

N I

+ 13,2 75 ± 1,56 76 _+ 0,63 76

-- Streuung (Standardabweichung)

N = Anzahl der Untersuchungen xi = Einzelwerte

kengut vorwiegend einer neurologischen Abteilung die in Tabelle i wieder- gegebenen Mittelwerte und Standardabweichungen.

Page 3: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

254 G. Wo~A~z undW. RoTzsc~:

Beim Vergleich mit friiheren Untersuchungen zeigt sich, dab unsere Mittelwerte denen anderer Autoren sehr nahe kommen a, 7, s, 9. In der Gr6Benordnung stimmen auch die Streuungen mit den wenigen bisherigen Mitteilungen fiberein.

Untersuehungen Wie wenig die Streuung allein fiber die Art der Verteilung auszusagen

vermag, beweist schon, dab man ihr noch Iricht einmal ansehen kann, ob die Einzelwerte einigermaBen gleiehm/~Big beiderseits yore Mittelwert liegen. Die graphische Darstellung gew/ihrt dagegen schon einen besseren

iV~z #,/um C~7/c /um Ko //urn

0 ~ I

30

#0

70

O' -o" M ÷ o " -o " M ,o"

Abb. 1. Vergle ich tier g ~ u i i g k c i t s p o l y g o n e yon N a t r i u m , Calcium lind I~al ium in1 L iquor ra i t der en t sp rechenden Normalve r t e i Iung , Die N a t r i m n - und Calc iumwer te folgen a n ~ n~hernd eiuer Ganl]schen Verte i lung. Die Gaul3schen Kin, yen wurden n a c h den e r rechne ten ~Verten aus f re ier H a n d eingezeichnet . 1)ie K la s senbese t zung en t sp r i ch t der jenigen, die be im Vergle ich mi t t e l s tier X~-Methode v e r w e n d e t wurde . Sie weich t yon der Urve r t e i l ung insofern e twas ab, als die jeweils dargeste l l te obere und nntere Kla~sse z. T. die noch wel ter

la teral gclegenen Einzelwer te ve re iu ig t

Einblick. In Abb. 1 shld die Einzelwerte klassenweise als S~ulen darge- stellt. Bei allen 3 Mineralien hebt sich eine Mittelklasse deutlich dureh ihre HShe yon den anderen Klassen ab, die anniihernd symmetriseh nach beiden Seiten abfallen. Der eingezeiehnete Mittelwert M liegt zwar nicht in der Mitte der Klasse mit der h6ehsten Besetzung, ist aber auch nicht welt davon entfernt. Aus dieser Darstellung kann man ffir praktisehe Zwecke schon einen brauehbaren Anhalt gewinnen ffir die Beurteilung der am meisten vorkommenden Werte. Den H~ufigkeitspolygonen kann man aber nicht ohne weiteres ansehen, ob es sich tatsiiehlieh um eine Normalverteilung handelt. Deswegen haben wir die sich aus unseren Werten ergebende Normalverteilung jeweils mit eingezeiehnet. Ihre For-

reel lautet : h(x) == a I/2 ~ " e-- 2

Dabei bedeuten x =- ELazelwert, M ~ Mittelwert, a ~ Streuung. Die nicht yon S/iulen ausgeffillten Teile des F1/ichenintegrals unter der Nor-

Page 4: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

Statistische Verteilung yon Natrium, Kalium und Calcium im Liquor 255

malverteilungskurve wurden seliraffiert. Je kleiner diese sehraffierten Fl/~clien und je kleiner die fiber die Kurve hinausragenden schwarzen An- teile der S/iulcn sind, um so mehr entsprieht die Verteilung des Kollektivs einer Normalvcrteilung. Ehe auf die mathematiselien Ergebnisse dieses Vergleichs eingegangen werden soll, seien einige Mhglichkeiten ffir die Verteilung angeffihrt, die in Abb. 2 schematisch wiedergegeben sind:

I 24 M a b

24 c

Abb. 2. E in fache Beispiele fi ir Ver te i lungen. a s y m m e t r i s c h e Ver te i lung m i t groi3er Streu- nng , b s y m m e t r i s c h e Ver te i lung m i t k le iner S t reuung , c ]ineaxe F u n k t i o n der 2~Ie0ergebnisse

a) Eine flache Verteiltmgskurve mit grol3em a kommt zustande, wenn sich das Kollektiv z. B. aus verschiedenen Gruppen yon Kranken mit da- durch bedingten verschieden hohen Mmeralwerten zusammensetzt. ELae flache Verteflungskurve finder man aueh, wenn die Streuung infolge me- thodischer Fehler groB ist. Ob es sicli um eine GauBsche Normalvertei- lung handelt, entseheidet die Form der Kurve.

b) Steil ansteigend und steil abfallend ware eine Verteilungskurve bei gleichen Mal3st~ben ffir Ordinate und Abszisse wie bei a) dann, wenn die Mineralien im Liquor bei verschiedenen Kz'ankheiten durch einen Regel- mechanismus weitgehcnd konstant erlialten wiirden. Voraussetzung ffir die Erkennung emer solchen Gesetzm/~13igkeit ist, dab der methodische Fehler klein bleibt. Die Abweichung vom Mittelwert ist im Idealfall fiber- haupt nur dureh den methodischen Feliler bedingt. Auch hier cntseheidet die Form der Verteilungskurve darfiber, ob es sich um eizm GauBsehe ~qormalverteilung handelt.

c) Unsymmetrische, ,,schiefe" Verteflungen unterschiedlicher Funk- tion finden sich bei biologischcn Untersuchungen wohl am h/~ufigsten. Sie kommen beispielsweise durch die Ver/~nderungen im Lebenslauf zu- stande. Ordnen sich die Werte nach einer linearen Funktion, so besagt der errechnete Weft von a nur noch, dal3 68,27 % yon ihnen Ill diesem Be- reich liegen. Dann kann man abet nicht mehr yon , ,Streuung" sprechen.

WJe mehrfach erw/ihnt wurde, ist die Streuung infolge des metho- dischen Fehlers yon Bedeutung. Wir haben daher an 2 Liquores mehrere Messungen durchgeffihrt, um die Grh$e des methodisehen Fehlers be- rectmen zu k6rmen. Um apparat ive Fehler s, z. B. Differenzen yon Gas- druek und Gasgemiseh, mit zu erfassen, wurden diese Testmessungen

Page 5: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

256 G. WO~XTZ und W. RoTzscrr:

nicht in einem Arbeitsgang nacheinander durchgefiihrt, sondern an mchreren Tagen und jeweils am Anfang und Ende ciner Untersuchungs- reihe. I)ie Verteflung der Untersuchungen auf mehrere Tage brachte keinen neuen Fehler mat sich, wie wit uns bei dem Vergleich dcr tiiglichen Ergebnisse iiberzeugten. Aus den je 11 Einzelmessungen an den beidcn XAquores ergeben sich die in Tabelle 2 wiedergegebcnen MaBzahlen.

Tabe]le 2. Mittelwert und Streuun 9 der Mineralien yon Mehr/achmessungen an 2 IJiquores

Liquor 1 Natrium Kalium C~lcium

Liquor 2 Natrium Kalium Calcium

:~I N i ( in rag- %)

I I 316 ~ 13,8

10,7 ~- 0,47 4,61 -~ 0,69

334 ~ 13,0 12,1 ~ 0,54 4,89 i ~ 0,69

11 11 11

11 11 11

Beim Vergleich mit Tabelle 1 f/illt auf, dab die Streuungen beim ~qatrium und Calcium weitgehend mit den Wcrten des groBen Kollektivs fibereinstimmen. Die Mittclwcrte dcr Mineralien beider Liquores hegen im Normalbereich. Man sicht allerdings, dab die Strcuung des Kalium wesentlich kleiner ist als beim groBen Kollektiv. Zur besseren Ubersicht si~d die Werte dcr Streuung aus bciden Tabellen in Tabelle 3 zusammcn- gestellt.

TabeUe 3. Streuun 9 von (YN /iir Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

J

~76 I ~ 11 1 a 11 z

~Natrium r i- 13,2 i- 13,8 ~ 13,0 Kalium ~- 1,56 -~ 0,47 ~ 0,54 Calcium ~ 0,63 ~ 0,69 + 0,69

~76 ~ Streuung des gesamten Kollektivs. ~111 un4 ~11 ~ = Streuung der Mehrfachmessungen.

Da die Ergebnisse der wiederholten Bestimmungen von Natrium und Calcium in den einze~en Liquores etwa so streucn wie die Einzelwerte des Kollcktivs um ihren Mittelwert, schhcBen wir, dab die Streuung im Kollektiv weitgehcnd durch den methodischen Fehler bedingt ist. Die Vermutung liegt nahe, dab Natrium und Calcium bci den verschiedcnen neurologischen Erkrankungen im Liquor relativ konstant bleiben. Triife das tats~chlich zu, so miiBten auch die Verteilungen der Einzelwerte bcider Minerahen einer GauBschen Verteilung cntsprechen.

Page 6: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

Statistische Verteihmg yon Natrium, Kalium und Calcium im Liquor 257

Zur Pr i i fung dieser F r a g e h a b e n wi t g raphisch im Wahrsche in l ichke i t s - netz und rechner isch nach der X~-Methode die Ver te i lung unserer 76 W e r t e mi t der idea len Gaul~schen Ver te i lung vergl ichen, die sich aus der S t anda rdabwe ichung a bei N = 76 aus den F l~chen in tegra len der einzelnen K u r v e n a b s c h n i t t e ergibt .

Die Klassenbreiten haben wit als Bruchteile yon a berechnet, die dazugehSrigen Werte der Fl~chenintegrale aus einer GauBschen Tabelle entnommen lind dann auf unsere Gesamtzahl N = 76 umgerechnet, um sic innerhalb der gleichen Klassen- breite vergleichen zu k6nnen. Das X 2 wird errechnet aus der absoluten Differenz zwischen empirisch erhaltenem Weft e (Anzahl in der entsprechenden Klassenbreite) und idealem Wert einer Zufallsverteilung b. Diese Zahl wird quadriert und dutch den Erwartungswert e geteilt. Die Summe dieser Ergebnisse is?~ das X 2.

X 2 : ~] (b--e)2

Der s ta t i s t i sche Vergleich bes t~ t ig t die Vermutung , dal~ die Vertei- lung der Einze lwer te yon N a t r i u m und Calcium einer Gaul3schen Ver- te i lung n a h e k o m m t (Tabelle 4): Das er rechnete X ~ i s t be im N a t r i u m kle iner als das X 2 der Tafel mi t einer Sicherhei t swahrschein l ichkei t yon 99,7%. Das heil3t, die Abweichungen zwischen der gefundenen und der GauBschen Verte i lung s ind n ich t s ignif ikant u n d liegen somit noch im Zufal lsbereich. Man k a n n also sagen, dab die Ver te i lung yon N a t r i u m im Liquor einer GauBschen Ver te i lung £hnlich ist .

Tabelle 4. Statistischer Vergleich zwischen ge/undener Verteilung und Gauflscher Normalverteilung

N a t r i m n K~alium Calc ium

X 2 errechnet 2,653 28,426 9,476

X 2 der Tabelle mit einer Sicherheits- wahrscheinlichkeit yon 99,7%

11,832 11,832 11,832

Beim K a l i u m i s t der Tabe l l enwer t deu t l ich kle iner als das er rechnete X a fiir 99,7% Sicherhe i t swahrschein l ichkei t be i 2 Fre ihe i t sg raden . Das bedeu te t also, dab die K a l i u m w c r t e unseres Kol t ck t ivs einer Normalve r - te i lung ganz unithnlich sind. Schon aus Abb. 1 war zu ersehen, da~ sic einen s tei len Gipfel und eia r c l a t i v groBes a besi tzen. Man k6nn te sich diese K u r v e aus 2 Normalve r t e i lungen mi t versch ieden grol3er S t reuung zusammengese tz t vors te l len. I m mi t t l e ren Bcreich en t sp r i ch t das Po ly- gon jcdenfal ls ann~hernd einer Norma lve r t e i l ung ; denn im Wahrsche in - l ichkei tsnetz resu l t ie r t im mi t t l e r en Bereich eine Gerade (Abb. 3). Der aus der Dars te l lung im Wahrsche in l i chke i t sne tz ab lesbarc Mi t t e lwer t s t i m m t gu t mi t dem er rechncten f ibcrein:

e r rechneter Mi t t e lwer t ---- 11,6 mg- °/o, g raphisch gefundener Mi t t e lwer t ~ 11,5 mg- %.

Page 7: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

258 G. WORATZ und W. ROTZSCH:

Die Streuung im Wahrscheinlichkeitsnetz dagegen ist nur etwa halb so grog wie die errechnete, weft die Neigung der Geraden nur den mitt- leren Auteil der Kaliumwerte mit dem steilen Gipfel (Abb. 1) charak- terisiert :

errechnete Streuung graphisch gefundene

% Z 89,9 ÷.3~

80

8O

70 GO 5O 40 30

X_J u Io

~-2 a"

l

X-so-

i/e/e o X- 11,5 ~ g 7o

8 9 10 I I 12 13 IZ/ 15 16" 17 7o a ~ g ' %

= ± 1,56 rag-%, Streuung ~ =L 0,75 mg-~o. Aus der graphischen Darstellung der Kaliumwerte im Wahrschein- liehkeitsnetz erkennt man auger- dem, dab die wenig besetzten Klas- sen am Rande der Verteflung nicht mehr einer GauBschen Verteilung zugehSren, weft die Kurve stark yon der Geraden abweicht.

Die Verteilung der Werte des Calc ium kommt der Natriumvertei- lung nahe. Bei einer Sicherheits- wahrscheinlichkeit yon 99,7~o ist der errechnete X2-Wert mit 9,476 kleiner als der Tabellenwert yon 11,832, d .h . es liegt keine stati- stisch echte Abweichung yon einer Normalverteilung vor.

Diskussion

Aus diesen Ergebnissen schheBen wir, dab die Streuung der Natri- urn- und Calciumwerte vorwiegend methodisch bedingt ist. Die Ver- teilung der Kaliumwerte tmterliegt jedoch einer anderen GesetzmiiBig-

Abb. 3. Darstelltmg dec ~Zaliumverteilung im %Vahl~scheinlichkeitsnetz. Im mittleren Bereich entspricht dieVerteilung einer Gaufi- schen Normalverteilung. (Ordinate: Sum- menhhufigkeitsprozent nach Gaul~schem Integral, &bszisse: gemessene Konzentration

l inear abge t ragen) keit und kan~ demzufolge nieht unter Gruppe a oder b der vorher

angefiihrten Beispiele rubriziert werden. Als Ursache hierfiir k~me unter anderem ein Austritt yon Kalium aus den Zellen in Frage; doch haben wir eine isolierte Vermehrung der Kaliumwerte nicht finden kSnnen. Aueh fanden wir keine Korrelation von Kaliumwert und Zellzahl u. Es bleibt nur iibrig anzunehmen, dab das Kalium in der Regel einer ,,straffen" Gesetz- miiBigkeit folgt wit Natrium und Calcium und lediglieh in einzelnen Fi~llen nach oben, seltener nach unten abweicht. Da beim Kalium die Streuung des methodischen Fehlers nur etwa 1/3 der Streuung des ganzen Kollektivs betr~gt, kSnnte man aus der Kaliumverteilung eine GauBsche Kurve mit kleinem 0, bedingt durch den methodischen Fehler, in Super-

Page 8: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

Statistische Verteilung yon Natrium, Kalium und Calcium im Liquor 259

position mit einer breiten, flachen Kurve durch pathologische Ver~nde- rungen vermuten.

Das Bemerkenswerte an unseren Befunden ist die Funktion der Ver- teilungskurven. Bei biologischen VerhKltnissen erwartet man - - wie schon erw~hnt - - viel h~ufiger eine schiefe Verteilung, z. B. eine GauB- sche Normalverteilung zweiter Art, deren Kurve einem charakteristi- sehen Fluchtpunkt zustrebt 4. An unserem Kollektiv fand sich dagegen bei allen 3 untersuchten Mineralien im Liquor eine deutliche Symmetrie.

Beim Studium der Konzentration der im Liquor vorhandenen Sub- stanzen hat man stets die Gesetzm~Bigkeiten der Liquorproduktion zu ergr/inden versucht 12. Aber aueh fiir den einfachsten .Fall, fiir die Ver- teilung yon Ionen, ergeben sich erhebliehe Erkliirungsschwierigkeiten. Die Gesetze der Dialyse und Osmose reiehen zur Deutung nicht aus. Nur wenige Anionen, z .B. das Chlorion, folgen dem Donnanschen Gleieh- gewicht. Auch Bau und elektrische Ladung der Membranen erkl/~ren nicht vSllig die Verteilung kSrpereigener Substanzen in Blut und Liquor 1°. Aus verschiedenen Beobachtungen kann man wohl schliellen, dab die Blut-Liquor-Schranke keine morphologisehe Einheit ist. Ganz abgesehen von pathologisehen Permeabilit~tsver/~nderungen ergeben sich vieff~tltige MSgliehkeiten einer Steuerung des Ionentransports und damit der Ver- teilung. Unter den bisherigen Befunden erscheint besonders erwhhnens- wert, dab das Kalium starken Schwankungen unterliegt is. Aueh unsere Kaliumverteilung zeigt eine groBe Streuung, woraus man vermuten kann, dab hierf/ir verschiedene Krankheitsbilder urs~ehlich in Frage kommen. Nach den Beobachtungen yon U~BAN 14 und WORTER 16 sowie eigenen Untersuchungen 11 ist im fortgesehrittenen Stadium der tuberkulSsen Meningitis eine KaliumerhShung vorhanden. Welehe Krankheiten sonst noch den Kaliumspiegel im Liquor beeinflussen, bleibt weiteren Unter- suchungen vorbehalten.

Zusammenfassung Die statistische Beurteilung der Verteilung yon Natrium, Kalium und

Calcium im Liquor yon 76 Patienten einer neurologischen Abteilung er- gibt, dab bei allen 3 MLneralien die Anordnung um den Mittelwert an- nKhernd symmetlJseh ist. Beim Natrium und Calcium ist die Streuung so klein, dal] sie im Bereich des methodischen Fehlers liegt. Die Vertei- lung entspricht einer GauBschen Normalverteilung. Aus diesen Befunden kann geschlossen werden, dab die verschiedenen neurologischen Krank- heiten keinen wesentlichen EinfluB auf den Natrium- und Calciumspiegel haben. Die Verteflung der Kaliumwerte weieht signifikant yon der Gaul]- schen Funktion ab. Daher erseheinen weitere Untersuehungen des Ka- liumspiegels im Liquor lohnend.

Page 9: Die statistische Verteilung von Natrium, Kalium und Calcium im Liquor

260 G. WORATZ und W. ]:~OTZSCH: Liquormineralien

Literatur x BV.R•STEIN, 1%. E. : Determinat ion of potassium and sodium in biological fluids

by flame speetrophotometry. S. Aft. J . IVied. Sci. 17, 101 (1952). 2 CooPEI%, E. S., E. LECHNER and S. BELLET: Relation between serum and cere-

brospinal fluid electrolytes under normal and abnormal conditions. Amer. J . Med. 18, 613 (1955).

a D~.MME, H. : Die Liquordiagnostik in Klinik und Praxis. 2. Aufl. Miinchen: Urban & Schwarzenberg 1950.

4 GEBELEIN, H., u. H.-J . HEITE: Statistische Urteilsbildung, 1. Aufl. Berlin-GOt- t ingen-Heidelberg: Springer 1951.

s H~ImMA~N, R. : Die Flammenphotometrie . 1. Aufl. Berlin-GSttingen-Heidelberg: Springer 1956.

;Io~Nso~, L. L. : Sodium values in cerebrosphlal fluid in essential hypertension. J . Lab. clin. Med. 41, 287 (1953).

7 KAF~x, V.: Die Cerebrospinalfliissigkeit. 1. Aufl. Leipzig-Wien: Deutieke 1930. s KARCHER, D., A. LOWENTHAL et M. VAN SANDE: Determinations de la teneur du

liquide cdphalo-rachidien en Ca, en K et en Na. Rev. belge Path. 26, 1 (1957). 9 LOW~T~Ah, A. : Recherches sur la teneur en potassium du liquide cdphaloraehi-

dien de l 'homme normal et patho|ogique. Acta neurol, belg. 3, 192 (1954). 10 QUAD~ECK, G. : Der Stofftransport durch biologische Membranen. Medizinische

37, 1685 (1959). 1 t~OTZSCH, W., u. G. WO~ATZ : Flammenphotometr ische Best immung yon Natrium,

Kal ium und Calcium im Liquor cerebrospinalis. Psychiat. Neurol. med. Psychol. (Lpz.) 12, 65 (1960).

12 STARY, Z., A. KRAL U. 1~. WINTERNITZ." i~ber die Verteihmg der Elektrolyten auf Serum und Liquor cerebrospinalis. I. Calcium - - Magnesium. Z. ges. exp. Med. 66, 671 (1929).

la STAGY, Z., A. KRAL U. R. WI~T~NITZ: II. K a l i u m - Natrium. Z. gcs. exp. Med. 66, 691 {1929).

14 URBAN, N. : Der Kalium- und Natriumspiegel des Liquors im Verlauf der Menin- gitis tubereulosa. Msehr. Kinderhei]k. 98, 145 (1950).

15 WEB]~R, E. : Grundri~ der biologischen Statistik. 2. Aufl. Jena: Fischer 1956. 1~ WOR'rE~, O. : l~ber dee Natrium-, Kalium- und Calciumgehalt des Liquors cere-

brospinalis bei entziindlichen und nieht entziindlichen Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems. Dissertation Freiburg 1950.

Dr. G. WORATZ, Weimar, Sophienkrankenhaus, Friedrich-Engels-Ring 2, Dr. W. ROTZSCH, Leipzig C 1, Physiol,-ehem. Ins t i tu t