die quellung von kautschuk und die chemische konstitution des lösungsmittels

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[I9261 Xalkind: Quellung von Knatschuk. 525 84. Jul. Salklnd: Die Quellung von Kautschuk und die chemische Konstitution des Lbsungamittele. (Eingegangen am 14. Jenuar 19.6.) Die Quellung von Kautschuk, besonders von vulkanisiertem, in ver- schiedenen organischen Fliissigkeiten ist bereits mehrmals studiert worden l) . Hierbei wurde festgestellt, daB verschiedene Klassen der organischen Ver- bindungen ganz verschiedene Wirkungen ausuben. Kohlenwasserstoffe und Halogenderivate rufen starke Quellung hervor, wahrend in Alkoholen, Sauren, Retonen, Aldehyden, Saure-anhydriden die Quellung nur gering bleibt. Stassf ord Whitby2) findet, da13 aliphatische Verbindungen starker als die aromatischen wirken. Wenn man Verbindungen derselben homolo- gen Reihe vergleicht, sieht man, daW die Quellung mit dem Molekular- gewicht des Losungsmittels steigt: Sie ist gering in leichten Estern, wird aber sehr betrachtlich in Estern von groBerem Molekulargewicht. Nun haben aber die Korper, die verschiedenen Klassen angehoren, auch ganz verschiedene physikalische Eigenschaften, und es ist deswegen schwer zu beurteilen, ob der Unterschied in der Quellung von der chemischen Natur der Flussigkeit oder von einer bestimmten physikalischen Konstante abhangig ist. Wo. Ostwald3) hat die Vermutung ausgesprochen, daB bei der Quellung die D i el e k t r iz i t a t s k o n s t a n t e des Losungsmittels aus- schlaggebend ist. Er stellte folgende Formel auf : n- VQ.D = Konst., wo Q den Quellungsdruck, I) die Dielektrizitatskonstante und n eine fur das Losungsmittel charakteristische Konstante bedeutet. Le B lanc und K ro ger4) haben zwar keine Bestatigung dieser Formel bei ihren Versuchen mit vulkanisiertem Kautschuk gefunden, ineinten aber, daB sie fur chemisch analoge Flussigkeiten richtig sein konnte. Mir schien es, daB man einer Losung der I'rage durch Untersuchung der Quellung in isomeren Flussigkeiten naher kommen konnte. Als solche wurden bis jetzt von mir eine Reihe von Estern venvendet, und zwar zwei Ester.der Formel C,H,O,, das Athylformiat (Ester I) und Methylacetat (II), drei aster C,H,O,, das Propylformiat (111), Athyl- acetat (IV) und Methylpropionat (V), und vier Ester C,H,,O,, das I so bu t ylf o r mia t (VI), P ropy 1 ace t a t (VII), At h yl p r o pi on a t (VIII) und Methyl bu t y r a t (IX) . Die Quellung wurde nach der Mcthode von' Hoffmeister geniessen. lileine Stiickchen ron Kautschuk (etwa 0.1-0.2 g) wurden auf eirie bestimmte Zeit in die zli untersuchende Flussigkeit in einer Stopselflasche mit eingeschliffenein Stopfen einge- taucht, dann vorsichtig, aber moglichst rasch, durch leichtes Abpressen zwischen Filtrier- papier von der anhaftenden Fliissigkeit befreit, in eiiieni geschlossenen Wageglaschen l) Flusin, A. ch. [8] 13, 480; Posniak, Koll. Beih. 3, 417; Dittmar, Gurnmi- Ztg. 19, 578. 608; Boiry, Caoutch. et Guttap. 1923, IZOII; Le Blanc und Kroger, Kol1.-Ztschr. 33, 16s [1gr3], und andere. *) zitiert nach H. W. Greider, Ind. Rubb. Jonm. 67, 955. 7 Kol1.-Ztschr. 29, 100 [I~ZI]. 4) 1. c.

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[I9261 X a l k i n d : Quellung von Knatschuk. 525

84. Jul. Salklnd: Die Quellung von Kautschuk und die chemische Konstitution

des Lbsungamittele. (Eingegangen am 14. Jenuar 19.6.)

Die Quellung von Kautschuk, besonders von vulkanisiertem, in ver- schiedenen organischen Fliissigkeiten ist bereits mehrmals studiert worden l) . Hierbei wurde festgestellt, daB verschiedene Klassen der organischen Ver- bindungen ganz verschiedene Wirkungen ausuben. Kohlenwasserstoffe und Halogenderivate rufen starke Quellung hervor, wahrend in Alkoholen, Sauren, Retonen, Aldehyden, Saure-anhydriden die Quellung nur gering bleibt. Stassf o rd Whi tby2) findet, da13 aliphatische Verbindungen starker als die aromatischen wirken. Wenn man Verbindungen derselben homolo- gen Reihe vergleicht, sieht man, daW die Quellung mit dem Molekular- gewicht des Losungsmittels steigt: Sie ist gering in leichten Estern, wird aber sehr betrachtlich in Estern von groBerem Molekulargewicht.

Nun haben aber die Korper, die verschiedenen Klassen angehoren, auch ganz verschiedene physikalische Eigenschaften, und es ist deswegen schwer zu beurteilen, ob der Unterschied in der Quellung von der chemischen Natur der Flussigkeit oder von einer bestimmten physikalischen Konstante abhangig ist. Wo. Ostwald3) hat die Vermutung ausgesprochen, daB bei der Quellung die D i e l e k t r iz i t a t s k o n s t a n t e des Losungsmittels aus- schlaggebend ist. Er stellte folgende Formel auf :

n- VQ.D = Konst.,

wo Q den Quellungsdruck, I) die Dielektrizitatskonstante und n eine fur das Losungsmittel charakteristische Konstante bedeutet. Le B l a n c und K ro ger4) haben zwar keine Bestatigung dieser Formel bei ihren Versuchen mit vulkanisiertem Kautschuk gefunden, ineinten aber, daB sie fur chemisch analoge Flussigkeiten richtig sein konnte.

Mir schien es, daB man einer Losung der I'rage durch Untersuchung der Quel lung i n isomeren Fluss igke i ten naher kommen konnte. Als solche wurden bis jetzt von mir eine Reihe von E s t e r n venvendet, und zwar zwei Ester.der Formel C,H,O,, das Athy l fo rmia t (Ester I) und Methy lace ta t (II), drei aster C,H,O,, das P ropy l fo rmia t (111), Athy l - a c e t a t (IV) und Methy lp rop iona t (V), und vier Ester C,H,,O,, das I so b u t ylf o r mia t (VI), P ropy 1 ace t a t (VII), A t h yl p r o pi on a t (VIII) und Methyl b u t y r a t (IX) .

Die Quellung wurde nach der Mcthode von ' Hoffmeis te r geniessen. lileine Stiickchen ron Kautschuk (etwa 0.1-0.2 g) wurden auf eirie bestimmte Zeit in die zli untersuchende Flussigkeit in einer Stopselflasche mit eingeschliffenein Stopfen einge- taucht, dann vorsichtig, aber moglichst rasch, durch leichtes Abpressen zwischen Filtrier- papier von der anhaftenden Fliissigkeit befreit, in eiiieni geschlossenen Wageglaschen

l) Flus in , A . ch. [8] 13, 480; P o s n i a k , Koll. Beih. 3, 417; D i t t m a r , Gurnmi- Ztg. 19, 578. 608; Boi ry , Caoutch. et Guttap. 1923, IZOII; Le Blanc und K r o g e r , Kol1.-Ztschr. 33, 16s [ 1 g r 3 ] , und andere.

*) zitiert nach H. W. Gre ider , Ind. Rubb. Jonm. 67, 955. 7 Kol1.-Ztschr. 29, 100 [ I ~ Z I ] . 4) 1. c.

526 S a l k i n d : Quellung von Kauhchuk Jahrg. 59

' I e 17.06 12.58 57.49 38.24

2 33.83 22.03 75.38 3 37.47 23.80 84.88 4 142.5 6 1 26.28 161.4 99.95

I 1 25.09 17.28 1 83.87 58.36

24 37.13 1 187.5 106.9 72 I 34.77 188.1 I 107.1

genau gewogen, etwa 2-3 Tage an der Luft liegen gelassen und wieder gewogen. So wurde das Gewicht des Kautschuks und der aufgenommenen Fliissigkeit bestimmt.

Die Methode ist nicht sehr genau, besonders bei den Versuchen mit rohem Kautschuk und den Estern C,H,,O,, bei welchen die Quellung sehr grol3 ist, und die Stiickchen voluminos und weich werden. Doch bekommt man bei einiger Ubung bei Parallelversuchen gut stimmende Werte, und die Fehler (etwa z -3 yo bei den Estern C,H,O, und 4-5 % bei den Estern C,H,,,O,) sind nirgends so grol3, dal3 sie die beobachteten RegelmaBigkeiten vorzutauschen oder zu verdecken imstande waren. Jeder Versuch wurde mindestens zweimal ausgefiihrt - jedesmal rnit frischem I$sungsmittel. Alle untersuchten Ester wurden sorgfaltig getrocknet und rektifiziert.

Die erste Versuchsreihe wurde mit rohem Kautschuk ausgefiihrt, wozu von einem Block ,,Para fine" eine Platte, 1.5 mm dick, abgeschnitten wurde. Die Quellung erreichte das Maximum bei den Ieichten Estern schon nach 24 Stdn. Die erhaltenen Resultate sind in der Tabelle I, in welcher die Zahlen die Gewichtsteile der aufgenommenen Fliissigkeit pro IOO Tle. Kautschuk angeben und jede Zahl als Mittel von wenigstens z Versuchen ausgerechnet ist, vorgefiihrt.

Tabel le I. - -

Zeit I E s t e r

I 68.6 71.0

141.6 1 153.3 I 192.0

162.5 , 176.6 i 285.0 218.5 1 4G5.0 217.7 ~ 609.0

104.4 105.2 252.3 333.3

505.9 990.0

1249

VII I VIII

332 422.8

681.1 I525

96.5 1 156.8 200.5

Man sieht sofort, da13 die Quellungsmaxima bei den isomeren Estern C,H,O, und C,H,,O, ganz bedeutende Unterschiede aufweisen; nur bei den Estern C,H,O, ist kein Unterschied bemerkbar.

Die Versuche wurden auch rnit anderem Rohkautschuk , ,S m o k e d shee ts" - zu einer Platte von 0.5 mm Dicke ausgewalzt - ausgefiihrt. Die Quellung ging vie1 schneller vonstatten, das Maximum wurde schon nach I Stde. fast erreicht, aber die Resultate blieben dieselben.

Weitere Versuche wurden mit vu lkan i s i e r t em K a u t s c h u k an- gestellt. ,,Para fine" wurde zu einer Platte, 0.5 mm dick, ausgewalzt, mit einer I/,-proz. Losung von Schwefelchlorur kalt vulkanisiert, der freie Schwefel mit Aceton im Extraktor ausgezogen, hierauf der Kautschuk erst an der Luft und dann in1 Exsiccator iiber Calciumchlorid getrocknet. Hier wurden nur die Quellungsmaxima bestimmt. Obgleich das Maximum gewohnlich schon nach z Tagen erreicht war, wurden die Kautschuk-Stiickchen 7 Tage in der Fliissigkeit liegen gelassen. Die Resultate sind in der Tabelle I1 an- gefuhrt.

Tabel le 11. Ester . . . . . . . . . . I1 111 IV v TI VII VIII I S Quellungsmaxima 3.j.98 150.0 101.6 182.2 232.0 276.2 346.3 371.3

Obgleich die Quellung des vulkanisierten Kautschuks kleiner als die des rohen bleibt, verhalten sich die isomeren Ester auch hier ahnlich wie dort. Wir sehen deutlich: I. Das Quellungsmaximum wachst mit dem Molekulargewicht des Esters. 2. Bei isomeren Estern sind die Quellungs- maxima verschieden groS, und zwar dort groBer, wo eine langere gerade Iiohlenstoffkette vorhanden ist (Propylformiat > Athylacetat, Methyl- butyrat > Athylpropionat). 3. Das Radikal der Saure scheint einen groSeren Einflul3 als das Radikal des Alkohols auszuiiben (Methylpropionat > Propyl- formiat, Athylpropionat > Propylacetat) ; dieser EinfluB des Saureradikals kann sogar die Wirkung einer langeren Kohlenstoffkette uberwiegen (Propyl- acetat > Isobutylformiat).

Die Quellungsmaxima bei leichteren Estern (C,H,O,, Athylacetat) bleiben fast dieselben beim rohen und vulkanisierten Kautschuk ; die Vul- kanisation vermindert also nicht die Zahl der aufgenommenen Molekule der Flussigkeit. Bei den Estern C,H,,O, findet man aber niit dem vulka- nisierten Kautschuk ganz erheblich niedrigere Werte : die groBeren Molekule scheinen vie1 schwerer in den vulkanisierten Kautschuk eindringen zu konnen.

Wenn man die physikalischen Konstanten der untersuchten Ester zusamnmenstellt, findet man, daQ weder die Dielektr iz i ta tskonstante , noch d ie Cap i l l a r i t a t oder D ich te auch annahernd pa ra l l e l de r Que l lung verlaufen. So sind z. R. die Capillaritatskonstanten nach Schif f5)

fur die isomeren Ester fast die gleichen (20.2-20.6 fur C,H,O,, 15.6-1j.8 fur C,H,,O,). Die Dielektrizitatskonstanten fur Propylacetat (5.65) und fur Athylpropionat (5.64) sind gleich, fur Propylformiat 7.72, fur Athylacetat 5.85 und fur Methylpropionat 5.64 (also dieselbe wie fur Athylpropionat).

Hier ist also die Forme l von Wo. Ostwald gar n i ch t anwendbar , und iiberhaupt scheint hier die chemische Konstitution die erste Rolle zu spielen. Man denkt unwillkiirlich an die Versuche von Langmuir,), bei welchen die Adsorption der Fettsaure-Molekiile an Wasser durch die Carboxyl- gruppe bzw. durch die Doppelbindung der ungesattigten Sauren bedingt wurde und so deutliche chemische Einflusse erkennen lie& Bei unseren Versuchen scheint ebenfalls die c hemisc h e V e rw a n d t s c h a f t d e r Ko h lens t of f k e t t e bei der Quellung mitzuwirken.

Die Versuche, derea Resultate in der Tabelle I angegeben sind, erlauben auch uber die Geschwindigkei t de r Quel lung zu urteilen. Posniak') fand, daB der Gang der Quellung durch die einfache logarithmische Formel

zum K a u t sc h u k - Ko hlenw a ssers t o f f

in welcher t die Zeit, a das Quellungsmaximum und x die Quellung zur Zeit t bedeutet, ausgedruckt werden kann. Wenn man so die Werte fur k nach den Zahlen der Tabelle I ausrechnet, erhalt man folgende Resultate {Tabelle 111) :

6 ) A, 223, 76. O) Am. SOC. 39, 1848. ') 1. c . Lie) ichtc d. D. Chcrn. Geseilsciiaft. J .~hrg. LIX. 35

528 S a 1 k i n d : Quellung von Kautschuk. Jahrg. 59

'I'abelle 111. ~~ ~ _ _ _

I I v I VI 1 VII ' VIII I i

I I 1 0"::; 1 z::: ~

'Is

0 . 5 ~ , 0.22 I I

6 I i 0.038 ~ 0.043

3 4 I

Die Werte von k bleiben nicht konstant, sondern fallen meistens regel- maSig ab. Wahrscheinlich hangt dies mit der Dicke des Kautschukstuckchena zusammen. Nachdem die oberen Schichten vom Quellungsmittel besetzt sind, scheint der Zugang zu den inneren Teilen immer schwerer zu werden. DaS die Quellungsgeschwindigkeit eine Funktion der Dicke des Gels ist, hat unlangst auch I,iepatoff8) gefunden, der die Quellung von Gelatine in Wasser in Gegenwart von Elektrolyten studierte. Auch er konnte nicht die Geschwindigkeit durch die einfache logarithmische Formel ausdriicken und stellte eine andere Gleichung auf 9), welche die sekundaren Vorgange bei der Quellung beriicksichtigen sollte.

Jedenfalls lassen die in der Tabelle I11 gegebenen Zahlen erkennen, daS die Geschwindigkei t d e r Quel lung be i isomeren E s t e r n an - nahe rnd dieselbe i s t ; sie wird aber deutlich kleiner beim Ubergang von den Estern C,H,O, zu den Homologen C,H,,O,. Hier scheinen rein physikalische Griinde entscheidend zu sein - in erster Linie wahrscheinlich die innere Reibung der Flussigkeit, welche die Geschwindigkeit der Diffusion beeinf luI3t.

Man sieht also, da13 die Quellung einen recht komplizierten Vorgang darstellt. Ob die hier gefundenen Regelmafiigkeiten sich auch in anderen Fallen, z. B. bei Losungsmitteln, die anderen Klassen angehoren, wieder- holen werden, miissen weitere Versuche zeigen, die im Gange sind.

Leningrad , den 8. Januar 1926.

*) Kol1.-Ztschr. 37, 146 [1g25]. 9, Kol1.-Ztschr. 36, 27.2 [1g25].