die neuere entwicklung der acetylenchemie im hinblick auf die nationale rohstoffversorgung,...

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ANGEWANDTE CHEMIE 49. Jahrgang, Nr.44 ~~ Seiteh 787-798 31. Oktober 1936 ~ ~~ ~~ Die neuere Entwidrlung der Acetylenchemie im Hinblick auf die nationale Rohstoffversorgung, insbesondere auf Kautschuk und Kunststoff e. Von I>r. 0. XICODEMCS, Frankfurt a. M./Hiichst. (fiiiigcg. 1 !I. A uyiis t 1 !I:% i.) Pcstvortrag auf tleiii Keiclistreffen der Deutsclien Cheiniker in Miinchen am S. Juli 1936. Die Zeit, in der wir leben, hat fiir den gewolinteri Giiteraustausch cler Welt. an Iiohstoften, landwirtschaft- lichen und industriellen Erzeugnissen tiefgreifende Uni- wandlungen gebracht. Von diesen Veranderungen der Welt- marktbeziehungen ist kein Staat in solch einschneidender Weise getroffen worden wie unser Vaterland. Es ist init Rohstoffen sparlich hedacht und hat hesonders schwer zu kampfen, um sich der veranderten 1,age anzupassen. Not macht erfinderisch, und wissenschaftliches Denken sowie das in weiten Schichten unserer Volksgenossen ver- hreitete technische Konnen - von jeher unsere hesten Waffen in Zeiten der Not konnten durch eine einheitliche und geschlossene Regierurigsfiihrung zielbewdt rnobilisiert und in den Dienst des nationalsozialistischen Aufbaues gestellt werden. In kurzer Zeit wurden so Erfolge errungen, iiber welche die Offentlichkeit bereits unterriclitet ist und fur die die anerkennenden Worte des 1:iihrers wiederholt der schiinste 1,ohn waren. Von allen Industrien hat in einer solchen Lage die chemische Industrie volkswirtschaftlich besonders wichtige Aufgaben zu erfiillen. so ist es zu verstehen, daB gerade unser Gebiet an den grol3en industriellen lirfolgen der Letztzeit in Deutschland besonders reich beteiligt ist. Hier hat kiihn vorstooende Pionierarbeit, verbunden niit plan- maIAiger, weitschauender Vorschung, es verstanden, aus den zur Verfiigung stehenden heimischen Rohstoffen sowohl hochwertige Ausfuhrgiiter zu schaffen, die einen Ausgleich gegen die einzufiihrenden Rohprodukte zulassen, wie auch den Bodencrtrag des eigcnen Landes zu steigern und vor a k i n fiir die Stoffe Ersatz zu schaffen, die aus wirtschafts- und wehrpolitischen Griinden nicht in ausreichender Menge voni Ausland bezogen werden konnen. Als schonsten 1;rfolg chemischer Arbeit haben wir es dann irnnier wieder erleht, (la13 fur ein Saturprodukt nicht nur ein gleichwertiger Stoff synthetisch aufgebaut werden konnte, sontlern ein Keustoff geschaffen wurde, der das ursprunglidie Vorbild ail Wert iibertrifft und der das eroberte Feld auch halten wird, wenn die derzeitige Wirtschaftslage nicht mehr vorhanden ist. Die cheniische Industrie befal3t sich init der IYmwand- lung des Stoffes. Als wichtigster Stoff fur die Zwecke der chemischen Urnwandlung steht uns in Deutschland die Kohle zur Verfiigung. Bis zurn LVeltkrieg wurde aber nur tler kleinere Teil der Kohle, nanilich der bei der Verkokung der Xohle gewinnbare Teer, als Ausgangsinaterial fur die cheinische Grohdustrie verwendet. Aus dieseni Teer wurde die Chemie der E'arbstoffe und Arzneimittel auf ihre heutige H6he entwickelt. T)er groBere 'l'd cler Kohle fie1 bei der \:erkokung als Koks an und wurde fiir 1:euerungszwecke untl zur Verhiittung der Erze verwendet. In neue Bahnen wurde die Rntwicklung gelenkt, als es gelang. auch den Koks fur organische Groflsynthesen dienstbar zu maclien. Uieses Xiel wurde auf ganz verschiedenen Wegen walirend und nach dem Kriege errticht. Aus Koks und Kalk entsteht I)ei hoher Temperatur Calciunicarhid, das init Wasser Acetylen bildet. Damit war der Grundstein fur eine neue chemische Grooindustrie gelegt, die auf deni Gebiet der aliphatischen Cheniie in stiirmischer E;ntwicklung eine chemisclie und technische GroUtat nach der anderen ~011- brachte. In anderer Weise Miurde der Koks zu Kohlenosytl Angou. Cherit. I%%. Nr. 44. vergast, das mit Wasserstoff iiber geeigneteii Koiitakten einerseits zur Synthese des Methanols, andererseits ziir Synthese der fur uns so unentbehrlichen Treibstoffe fiihrte, die auch direkt durch Hydrierung von Kohle hergestellt werden. So kann niit Hilfe der angedeuteten Synthesen die Kohle heute restlos der chemischen Verwendung und Ver - edlung zugefiihrt werden. Fur die nationale Rohstoff- versorgung wurden diese Fortschritte von einer so iiher- ragenden Xedeutung, dao man heute wohl der aliphatischen Grollindustrie die groote Zukunft und iiberragende Ent- ~~icklungsniiigliclikeit in der organischen chemischen 111- dustrie voraussagen kann. Calciumcarbid wird aus Koks und Kalk in elektri- schen Ofen hergestellt. In diesen ofen hetragt die durch 1,ichtbogen erzeugte Temperatur etwa 2500°, die fiir eine Tonne Carbid beniitigte Energie 2800-3500 kWh je nach Ofengrijfle und Bauart. Die Jahresproduktion an Carbid ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Sie hetrug 1934 in der ganzen Welt 3 Millionen Tonnen, wobei Deutschland mit etwa 600 000 Tonnen beteiligt ist, die wertmaBig einen Betrag von 120 Millionen Mark ausrnaclien. Wenn unser Anteil an der Weltproduktion mit iiber 200/, so bedeutend ist, so liegt das vor alleni daran, daB wir seit Jahrzehnten in Deutschland die technische Entwicklung dieses Prozesses besonders gepflegt, die Verwendung des Carbids gefordert und betrachtliche Mengen exportiert hatten. Auch findet sich in Deutschland nahe beieinander geeigneter reiner Kalk, billige Kohle und preiswerter elektrischer Stroni. IXe GroHe dcr Carbidofen ist in den letzten Jahren dauerntl gestiegen, so daH heute ofen mit einer Tagesleistung von 180 Tonnen Carbid in Betrieb sind, d. h. also, claB niit der Produktion eines Ofens taglich ein Eisenbahnzug von 18 Giiterwagen voll beladen werden kann. The fur die deutsche Carbiderzeugung benotigte linergie betrug 1034i35 gut 2 Milliarden kWh, also der gesamten in Deutschlantl erzeugten kWh. Sie werden aus Wasserkraft, Rraun- untl Stein kohlen gen.onnen. Die erste Verwendung des Carbids fiir Beleuchtungs- zwecke trat immer niehr zuriick gegeniiber der Verwertung fur Kalkstickstoff, autogene Schweihng und spater fiir chemisehe Synthesen. Heute werden von deni in L)eutsch- land hergestellten Carbid schatzungsweise 50-00 :(., auf Kalkstickstoff, 15-20 yo fur organische Synthesen, 20 9,, fiir Schweazwecke und der Rest fur Beleuchtung verbraucht . Kalkstickstoff wird aus Carbid durch Vereinigung init dem Stickstoff der Luft bei erholiter Temperatur her- gestellt und in streufahiger, auch neuerdings gekornter I;orrn in den Handel gebracht. I:iir unsere Landwirtschaft ist der Kalkstickstoff ein hervorragendes I)iingeinittel. Sein Anteil an den gesamten stickstoffhaltigen und in 1)eutschland verhrauchten Diingemitteln hetragt 25 (yo, die deutsche Produktion betrug 1934 etwa 500000 Tonnen iiii Verkauiswert von rd. 75 Mill. Mark. Im Weltkrieg kam uns diese Kalkstickstoffsynthese sehr zustatten zur Gewinnung von Animoniak, das wjr in Salpetersaure iiberfiihrten und fur unsere SchieB- untl Sprengstoffe dringend benotigten. Zur Darstellung des Acetylens behandelt man Carbid niit Wasser. T'nter starker Warmeentwicklung entsteht -14

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Page 1: Die neuere Entwicklung der Acetylenchemie im Hinblick auf die nationale Rohstoffversorgung, insbesondere auf Kautschuk und Kunststoffe

A N G E W A N D T E C H E M I E 49. Jahrgang, Nr.44

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Seiteh 787-798 31. Oktober 1936 ~ ~~ ~~

Die neuere Entwidrlung der Acetylenchemie im Hinblick auf die nationale Rohstoff versorgung, insbesondere auf Kautschuk und Kunststoff e.

Von I>r. 0. XICODEMCS, Frankfurt a . M./Hiichst. (fiiiigcg. 1 !I. A uyiis t 1 !I:% i.)

Pcstvortrag auf tleiii Keiclistreffen der Deutsclien Cheiniker in Miinchen am S . Juli 1936.

Die Zeit, in der wir leben, hat fiir den gewolinteri Giiteraustausch cler Welt. an Iiohstoften, landwirtschaft- lichen und industriellen Erzeugnissen tiefgreifende Uni- wandlungen gebracht. Von diesen Veranderungen der Welt- marktbeziehungen ist kein Staat in solch einschneidender Weise getroffen worden wie unser Vaterland. E s ist init Rohstoffen sparlich hedacht und hat hesonders schwer zu kampfen, um sich der veranderten 1,age anzupassen.

Not macht erfinderisch, und wissenschaftliches Denken sowie das in weiten Schichten unserer Volksgenossen ver- hreitete technische Konnen - von jeher unsere hesten Waffen in Zeiten der Not konnten durch eine einheitliche und geschlossene Regierurigsfiihrung zielbewdt rnobilisiert und in den Dienst des nationalsozialistischen Aufbaues gestellt werden. In kurzer Zeit wurden so Erfolge errungen, iiber welche die Offentlichkeit bereits unterriclitet ist und fur die die anerkennenden Worte des 1:iihrers wiederholt der schiinste 1,ohn waren.

Von allen Industrien hat in einer solchen Lage die chemische Industrie volkswirtschaftlich besonders wichtige Aufgaben zu erfiillen. so ist es zu verstehen, daB gerade unser Gebiet an den grol3en industriellen lirfolgen der Letztzeit in Deutschland besonders reich beteiligt ist. Hier hat kiihn vorstooende Pionierarbeit, verbunden niit plan- maIAiger, weitschauender Vorschung, es verstanden, aus den zur Verfiigung stehenden heimischen Rohstoffen sowohl hochwertige Ausfuhrgiiter zu schaffen, die einen Ausgleich gegen die einzufiihrenden Rohprodukte zulassen, wie auch den Bodencrtrag des eigcnen Landes zu steigern und vor a k i n fiir die Stoffe Ersatz zu schaffen, die aus wirtschafts- und wehrpolitischen Griinden nicht in ausreichender Menge voni Ausland bezogen werden konnen. Als schonsten 1;rfolg chemischer Arbeit haben wir es dann irnnier wieder erleht, (la13 fur ein Saturprodukt nicht nur ein gleichwertiger Stoff synthetisch aufgebaut werden konnte, sontlern ein Keustoff geschaffen wurde, der das ursprunglidie Vorbild ail Wert iibertrifft und der das eroberte Feld auch halten wird, wenn die derzeitige Wirtschaftslage nicht mehr vorhanden ist.

Die cheniische Industrie befal3t sich init der IYmwand- lung des Stoffes. Als wichtigster Stoff fur die Zwecke der chemischen Urnwandlung steht uns in Deutschland die Kohle zur Verfiigung. Bis zurn LVeltkrieg wurde aber nur tler kleinere Teil der Kohle, nanilich der bei der Verkokung der Xohle gewinnbare Teer, als Ausgangsinaterial fur die cheinische Grohdustr ie verwendet. Aus dieseni Teer wurde die Chemie der E'arbstoffe und Arzneimittel auf ihre heutige H6he entwickelt. T)er groBere 'l'd cler Kohle fie1 bei der \:erkokung als Koks an und wurde fiir 1:euerungszwecke untl zur Verhiittung der Erze verwendet. In neue Bahnen wurde die Rntwicklung gelenkt, als es gelang. auch den Koks fur organische Groflsynthesen dienstbar zu maclien. Uieses Xiel wurde auf ganz verschiedenen Wegen walirend und nach dem Kriege errticht. Aus Koks und Kalk entsteht I)ei hoher Temperatur Calciunicarhid, das init Wasser Acetylen bildet. Damit war der Grundstein fur eine neue chemische Grooindustrie gelegt, die auf deni Gebiet der aliphatischen Cheniie in stiirmischer E;ntwicklung eine chemisclie und technische GroUtat nach der anderen ~011- brachte. In anderer Weise Miurde der Koks zu Kohlenosytl

Angou. Cherit. I%%. Nr. 44.

vergast, das mit Wasserstoff iiber geeigneteii Koiitakten einerseits zur Synthese des Methanols, andererseits ziir Synthese der fur uns so unentbehrlichen Treibstoffe fiihrte, die auch direkt durch Hydrierung von Kohle hergestellt werden. So kann niit Hilfe der angedeuteten Synthesen die Kohle heute restlos der chemischen Verwendung und Ver - edlung zugefiihrt werden. Fur die nationale Rohstoff- versorgung wurden diese Fortschritte von einer so iiher- ragenden Xedeutung, dao man heute wohl der aliphatischen Grollindustrie die groote Zukunft und iiberragende Ent- ~~icklungsniiigliclikeit in der organischen chemischen 111- dustrie voraussagen kann.

Calciumcarbid wird aus Koks und Kalk in elektri- schen Ofen hergestellt. In diesen ofen hetragt die durch 1,ichtbogen erzeugte Temperatur etwa 2500°, die fiir eine Tonne Carbid beniitigte Energie 2800-3500 kWh je nach Ofengrijfle und Bauart. Die Jahresproduktion an Carbid ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Sie hetrug 1934 in der ganzen Welt 3 Millionen Tonnen, wobei Deutschland mit etwa 600 000 Tonnen beteiligt ist, die wertmaBig einen Betrag von 120 Millionen Mark ausrnaclien. Wenn unser Anteil an der Weltproduktion mit iiber 200/, so bedeutend ist, so liegt das vor alleni daran, daB wir seit Jahrzehnten in Deutschland die technische Entwicklung dieses Prozesses besonders gepflegt, die Verwendung des Carbids gefordert und betrachtliche Mengen exportiert hatten. Auch findet sich in Deutschland nahe beieinander geeigneter reiner Kalk, billige Kohle und preiswerter elektrischer Stroni. IXe GroHe dcr Carbidofen ist in den letzten Jahren dauerntl gestiegen, so daH heute ofen mit einer Tagesleistung von 180 Tonnen Carbid in Betrieb sind, d. h. also, claB niit der Produktion eines Ofens taglich ein Eisenbahnzug von 18 Giiterwagen voll beladen werden kann. The fur die deutsche Carbiderzeugung benotigte linergie betrug 1034i35 gut 2 Milliarden kWh, also der gesamten in Deutschlantl erzeugten kWh. Sie werden aus Wasserkraft, Rraun- untl Stein kohlen gen.onnen.

Die erste Verwendung des Carbids fiir Beleuchtungs- zwecke trat immer niehr zuriick gegeniiber der Verwertung fur Kalkstickstoff, autogene Schweihng und spater fiir chemisehe Synthesen. Heute werden von deni in L)eutsch- land hergestellten Carbid schatzungsweise 50-00 :(., auf Kalkstickstoff, 15-20 yo fur organische Synthesen, 20 9,, fiir Schweazwecke und der Rest fur Beleuchtung verbraucht .

Kalks t icks tof f wird aus Carbid durch Vereinigung init dem Stickstoff der Luft bei erholiter Temperatur her- gestellt und in streufahiger, auch neuerdings gekornter I;orrn in den Handel gebracht. I:iir unsere Landwirtschaft ist der Kalkstickstoff ein hervorragendes I)iingeinittel. Sein Anteil an den gesamten stickstoffhaltigen und in 1)eutschland verhrauchten Diingemitteln hetragt 25 (yo, die deutsche Produktion betrug 1934 etwa 500000 Tonnen i i i i

Verkauiswert von rd. 75 Mill. Mark. Im Weltkrieg kam uns diese Kalkstickstoffsynthese

sehr zustatten zur Gewinnung von Animoniak, das wjr in Salpetersaure iiberfiihrten und fur unsere SchieB- untl Sprengstoffe dringend benotigten.

Zur Darstellung des Acetylens behandelt man Carbid niit Wasser. T'nter starker Warmeentwicklung entsteht

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neben geloschtem Kalk Acetylen. Mit dem Acetylen war iins Chemikern ein auBerst energiereicher und reaktionsfahiger Stoff gegeben, der zu neuen Synthesen reizte. Eine Keihe dieser Synthesen nahm eine auoerordentlich schnelle tech- nische Entwicklung. Den starksten AnstoB dazu gab der Krieg niit seinen unabweisbaren Forderungen. So konnte z. B. die Holzverkohlungsindustrie nicht die notwendigen Mengen an Aceton und fissigsaure fur die Pulverherstellung, fur Flugzeuglacke und fur den synthetischen Kautschuk beschaffen. Deshalb mul3ten Aceton und Essigsaure syn- thetisch dargestellt werden, und es gelang. Im Jahre 1917 fuhrten die Farbwerke vormals Meister, 1,ucius & Bruning in Hochst a. Main und die Dr. Alexander Wacker-Gesell- schaft in Burghausen a. d. Salzach gleichzeitig mit Erfolg die Umwandlung des Acetylens in Acetaldehyd groW- technisch durch. Die Synthese der Essigsaure, des Acetons und der Losungsmittel fur Lacke, vor allem fur Nitrolacke, schloB sich unmittelbar an, wodurch eine nie geahnte Ent- wicklung der aliphatischen Chemie angebahnt wurde. Die Verwendung des Acetylens zu GroWsynthesen erforderte die Erfindung und den Bau von groRen Acetylenentwicklern. Der Weg von der Fahrradlaterne iiber die Kleinbeleuchtungs- anlagen mit Acetylen his zu Groflacetylenerzeugern war schwer und langwierig. Ihnen allen ist bekannt, daB Acetylen rnit Luft hochexplosive Gemische bildet. Nicht allen wird bekannt sein, daB schon 3,5 yo Acetylen in der 1,uft geniigen, um ein gefahrliches, explosives Gasgemisch zu erzeugen. Entsteht beim Einschiitten des Calciumcarbids ein Funke, der auf ein solches Gasgemisch trifft, so ist eine katastrophale Explosion unvermeidlich. Mancher Arbeitskamerad hat hier im Kampf um die Bezwingung der Materie sein Leben lassen miissen, und es dauerte lange, his Ingenieur und Chemiker in gemeinsamer Arbeit die GroRerzeuger entwickelt hatten, die heute in der ganzen Welt verbreitet sind und taglich his 50 t Carbid automatisch verarbeiten.

Besondere Schwierigkeiten bereiteten die gewaltigen Mengen waRrigen Kalkschlammes, die unterzubringen oder zu beseitigen waren. Wir haben ganze Taler damit ausgefiillt und wahre Kalkberge aufgeschiittet, nicht gerade zur Ver- schonerung der Landschaft. Aber auch das ist heute vorbei. Durch die sogenannte Trockenvergasung f allt das Kalkhydrat jetzt als trockenes Pulver an, das in PreBlinge geformt werden kann und gebrannt dem Carbidofen wieder zugefuhrt wird, soweit es nicht als Bau- und Diingekalk Verwendung findet.

Die Fortentwicklung der jungen Acetylenindustrie war durch den Ausgang des Weltkrieges ahnlich wie bei der Stickstoffindustrie sehr in Frage gestellt. Aber aus dem Zwang der Ausnutzung der vorhandenen Anlagen kam der Druck nach Verwertung der dort hergestellten Produkte. Durch die gewaltige Entwicklung der Autoindustrie in Amerika mit ihrer Massenproduktion und dem dadurch hervorgerufenen groBen Bedarf an guten, schnell trocknen- den Anstrichmitteln stieg dann stetig die Nachfrage nach Losungsmi tteln. Diese giinstigen Verhaltnisse brachten uns ein synthetisches Losungsmittel auf Acetylenbasis nach dem andern, und der scharfe Kampf rnit den Naturproduk- ten auf dem Gebiet der Lackindustrie regte zu sorgfaltigster Bearbeitung an und ermoglichte uns eine nie geahnte Fort- entwicklung der Acetylenchemie. Besonders deutlich wird der Eindruck iiber die vielseitigen Verwendungsmoglich- keiten, die mit dem Acetylen iiber seine Umwandlungs- produkte durch systematische und auf weite Sicht durch- gefiihrte Forscherarbeiten aus einfachsten, heimischen Roh- stoffen hervorgezaubert wurden, wenn Sie sich hier den A c e t y l e n b a u m * ) betrachten (s. Abb. auf Seite 789).

*) Der A c e t y l e n b a u m w u d e als groWe Tafel in Farben- druck (Format 61 x 86 cm), mit 1,eisten und Aufhangevorrichtung versehen, hergestellt. Preis: 3,60 RM einschl. Verpackung, zuzugl. 0,40 RM Porto. (Verlag Chemie, G . m. b. H., Berlin W35.)

Augewandtc Chemie I 49. Jahrg. 193- Nicodemui : Die ueuere 1Sntwicklung der -4cetylenchemie usw ___________ _. __ -~~

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Mit seiner Hauptwurzel ist er fest in der Kohle ver- ankert, die er veredelt und in Acetylen umwandelt. Vom Acetylen aus strebt sein starker Stamm in die Hohe iiber Acetaldehyd, Essigsaure his zum Essigsaureanhydrid. Von allen diesen Knotenpunkten gehen Aste aus, die gegenseitig hier und da miteinander verflochten sind und sich weit in die meisten Wirtschaftsgebiete erstrecken. Die von Acet- aldehyd und der Essigsaure ausgehenden Aste sind die altesten des Baumes und, wie wir schon horten, in der Not des Weltkrieges geboren und in den ersten Jahren der Nachkriegszeit entwickelt . Noch jung sind dagegen die vom Acetylen selbst sich nach beiden Seiten hinaus- reckenden Aste. Aus dem letzten Jahrzehnt stammend, liaben sie sich von Jahr zu Jahr kraftiger entwickelt und versprechen noch weitere Erstarkung. An allen Zweigen hangen Fruchte. Die verschieden schraffierten bedeuten Farbstoffe, Arzneimittel, Losungs- und Weicli- machungsmittel, Kunststoffe nnd synthetische Kaut- schukarten, die schwarzen sind Vor- und Zwischen- produkte, welche iiberall in der organischen Industrie als Ausgangsstoffe Verwendung finden. Der Ubersichtlichkeit wegen konnte dies hier am Baum nicht weiter ausgefuhrt werden. Wohl ist hier und da schon eine verwelkte und auch noch manche unreife, der Verwertung und Ausreifung harrende Frucht dabei, aber gewaltig ist die Zahl der reifen Friichte, denen wir iiberall im taglichen Leben begegnen. Viele sehen wir, die der Menschheit zum Segen wurden, wie das iiber Acetaldehyd erhaltliche Chloroform, das uber Acetessigester hergestellte Pyramidon und das mittels Essig- saureanhydrid und Salicylsaure gewinnbare Aspirin. Aber auch manche giftige, das Leben vernichtende Frucht ist darunter, so z. B. der in Amerika aus Acetylen und Arsen- chlorid entwickelte Kampfstoff, der Lewisit.

Wie wir Industriechemiker mit unendlicher Sorgfalt den Acetylenbaum entwickelt und groI3gezuchtet haben und wie wir zu all den fur unsere Rohstoffversorgung so wichtigen und wertvollen Friichten gelangt sind, will ich Ihnen jetzt an einigen Beispielen vor Augen fuhren, wobei ich bei deni Umfang des Gebietes auf alle geschichtlichen Daten verzichten muB.

Die auch heute noch wichtigste chemische Weiter- verarbeitung des Acetylens ist die schon erwahnte Ver- einigung rnit Wasser zu Acetaldehyd. Dieser in Mengen in Deutschland hergestellte Aldehyd ist der Ausgangsstoff fur viele neue Korper, von denen ich nur wenige hier an- fiihren kann. So erhalt man durch Vereinigung mehrerer Molekiile den Metaldehyd, der unter dem Namen Meta als fester, bequem anwendbarer Kleinbrennstoff im Handel ist. Mittels Alkali entsteht aus deni Acetaldehyd das Aldol und der Crotonaldehyd, durch deren Hydrierung Butylenglykol bzw. Butanol gewonnen werden, beides Alkohole, die auBer fur Losungsmittel und Weichmachungsinittel noch ver- schiedenen Umsetzungen und technischen Anwendungen zuganglich sind, worauf ich bei den Kautschuksynthesen noch zu sprechen komme.

Durch Hydrierung des Acetaldehyds ist es moglich, zum hhanolsprit zu kommen. Dieser Weg wurde im Kriege und in der Nachkriegszeit schon technisch begangen, als es galt, die Verarbeitung landwirtschaftlich wertvoller Produkte auf Alkohol einzuschranken und doch der Rii- stungsindustrie den so wertvollen Sprit und den aus ihni hergestellten Ather zur Verfiigung zu stellen. Sollten einmal Verhaltnisse eintreten, welche ein Brennen von Kartoffeln oder sonstiger starkehaltiger Nahrungsmittel verbieten, so ware jederzeit der gleiche Weg, ausgehend von einem billigen Acetylen, wieder beschreitbar, wobei ich aber darauf hinweisen will, daB wir im Athylen und im Holzzucker gliicklicherweise noch zwei weitere von Auslandsrohstoffen unabhangige Ausgangsstoffe zur Alkoholherstellung be-

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A C E T Y L E N B A U M

Armeimiffel

Fnrbrfoffe

Knvfrchvk

Lorungr- und Weichmnchvngrmrtfel

Vorprodukfe

Kunrfstoffe

0,. M. 0 x

1.G Fsrb.nmdud,,. ALI*ng.I.LboR Ilr H-

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sitzen. Es ist vielleiclit interessant, einmal folgende Kohlen- stoffbilanz zur Gewinnung von Sprit vor Augen zu fuhren:

Tabelle 1.

1 t Alkohol verbraucht : Rohstoff Kohle

t t Calciutiicarbid . . . . . . . . . . . . . . . . 2 5 0.5

Athylen 1,o 0,s Kartof f eln .................... 12.0 2 s Getreide 4.5 2 3 Zuckerriiben.. . . . . . . . . . . . . . . . . 15.0 1 ,o

......................

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Welche Bedeutung der Athanolsprit fur die Kautschuk- synthesen heute hat, werde ich Ihnen spater noch zeigen.

Durch Vereinigung von Acetaldehyd mit Sauerstoff unter Zuhilfenahme von Katalysatoren kommt man zur Essigaaure . Die Gesamterzeugung von Essigsaure betrug in Deutschland 1934135 34712 t. Hiervon waren 28528 t aus Acetylen liergestellt, das sind also rund 82%. Die synthetische Essigsaure hat nun Bedeutung in der Lebens- inittelindustrie als Essenz und Konservierungsmittel. Wohl jeder von Ihnen durfte ihr beim GenuB eines kostlichen Salates, einer Fischkonserve oder eines sauren Herings immer wieder begegnet sein. Besondere Bedeutung hat aber die synthetische Essigsaure als Ausgangsstoff fur J,osungsmittel und Weichmacher erlangt . Sie sehen die vielen voni Acetylen sich ableitenden Losungsmittel hier an1 Acetplenbaum. Der Aufschwung der Lackindustrie seit dem Kriege ist nicht zum geringsten 'red diesen Produkten zu verdanken, und in allen Fette, Ole, Harze und Kautschuk verarbeitenden Industrien haben sie groRte Bedeutung erlangt. Sie brachten uns die Nitro- und Celluloselacke, wodurch wir Leinol und damit Devisen ersparen konnten, sie finden Anwendung in der Film-, I,eder-, Schuh-, Druckfarben- und Extraktionsindustrie. Zu Hause begegnen wir alle ihnen taglich beim FuRboden- anstrich, den polierten Mobeln, den Radioapparaten, den Kinderspielwaren, auf der Reise, sobald wir den Lederkoffer in die Hand nehmen, auf dem Fahrrad, im Auto, im Flug- zeug und in der Eisenbahn. Der Bedarf der Deutschen Lackindustrie an Losungsmitteln und Weichmachungsniitteln betrug allein 1933 43000 t , wozu noch 8000 t fur die Druckfarbenindustrie kornmen. WertrnaBig machen die synthetischen Losungsmittel hier 45 ?/, aus.

Sehr wertvoll ist weiter das aus Essigsaure gewonnene Essigsaureanhydrid, dessen wichtigste Anwendung die Acetylierung der Cellulose ist . Die so herstellbare Acetyl- cellulose ist im Gegensatz zur Nitrocellulose nicht brennbar. Sie findet Anwendung fur Rontgen- und Schmalfilme, fur nicht brennbare Lacke, KunstpreRmassen und vor allem in der Acetatseide. Die schone Zusammenstellung lier zeigt Ihnen die Bedeutung dieses Gebietes.

Auch das schon erwahnte, fur die Sprengstoffindustrie so wichtige Aceton ist aus Acetylen herstellbar. Es ist cines unserer wertvollsten Losungsmittel und kann sowohl s her die Essigsaure als auch vom Acetylen direkt aus- gehend katalytisch gewonnen werden.

Auf diesen Grundsaulen der Acetylenchemie, die ich Ilinen jetzt zusanimenfassend vor Augen gefiihrt habe, hat sich nun in den letzten Jaliren eine neue Entwicklung voll- zogen. Sie brachte uns ein neues technisches Verfahren zur (;ewinnung von Acetplen und weitere neue Erfolge mit Acetylenabkomnilingen, so vor allem auf den Gebieten der synthetischen Kunststoffe und des synthetischen Kaut- schuks, die uns heute besonders interessieren und iiber die ich Ihnen jetzt das Wichtigste mitteilen will.

Das neue technische Verfahren zur Gewinnung von Acetylen bertiht in der thermischen Spaltung von Paraffin- kohlenwasserstoffen wie Methan, k h a n oder Propan. DaB dieses Verfahren in Deutschland noch nicht die Bedeutung wie das Carbidverfahren gewinnen konnte, beruht darauf, daB uns diese Kohlenwasserstoffe nicht in nennenswerten Mengen als Naturgase zur Verfugung stehen, wie es z. B. in anderen Landern wie Ungarn, Rumanien und vor allem in Anierika der Fall ist, und dann, daR das Acetylen in verdunnter Form anfallt und seine Verarbeitung Schwierig- keiten machte, die erst uberwunden werden muRten. Die uns heute zur Verfugung stelienden Gase stammen aus den Kokereien und den bei der Benzinherstellung gbfallenden Hydrierungsgasen. Die thermische Spaltung dieser Kohlen- wasserstoffe benotigt, wie der CarbidprozeR, groBe Energien und ahnelt sehr der bekannten Schiinherrschen Salpeter- sauresynthese im elektrischen Lichtbogen. Dort wie hier besteht zwisclien Bildung und Zerfall ein Gieichgewicht, das, wie man technisch sagt, eingefroren werden muR. Das hea t , daB das bei hoher Temperatur gebildete Acetylen aus der Reaktionszone schnell herausgebracht und durcli sofortige Abkuhlung dafur gesorgt werden inuB, daQ die Bildungsgeschwindigkeit den Zerfall iibertrifft. Beniitzt man z. B. als thermischen Spalter den Lichtbogen, so Gird der zu spaltende Kohlenwasserstoff moglichst kurze Zeit einer Temperatur ausgesetzt, die rnit uber 5 OOOO der Sonnen- temperatur entspricht und dann schnell abgekiihlt. Je nach dem Ausgangsgas erhalt man so bisher ein 15-30%iges Acetylen, das heute auch ohne Anreicherung direkt fur weitere Synthesen venvendbar ist. Es ist wissenschaftlich interessant, daB den Sachbearbeitern die Aufklarung der Acetylenbildung bei der therinischen Spaltung der Paraffine gelungen ist, indem sie spektroskopisch das bei den hohen Temperaturen auftretende Radikal als Carboniumradikal, also C C, nachweisen konnten, das mit dem freien 1%' 'asser- stoff dann Acetylen bildet.

War die Entwicklung der Acetylenchemie und der synthetischen Liisungsmittel aus der Not des Weltkrieges geboren, so wurde in ahnlicher Weise die neuere Entwicklung der synthe. ischen Kunststoffe und des Kautschuks durch die Not der Nachkriegszeit mit dem uns aufgebiirdeten Wirtschaftskrieg, dem Naturstoff- und Devisenmangel, ge- fordert und begiinstigt.

Tabelle 2.

Vinylverbindungen enthalten die Vinylgruppe CHr CH

und sind polymerisierbar

Vin y lchlorid Aus Acetylen 1 + CH, = CH.C1 und Salzsiiure j

A~n,"c ,~~~ure ,} + CH, = CH~OCOR Vinylester

A ~ n ~ ~ ~ ~ ~ ~ l e n } -+ CH, = CH. OR Vinylather

A ' & ~ ~ ~ ~ ~ ~ m } -+ CH, = CH .ma Vinylamine

Aus Acetylen Vinylbenzol=

Aus Acetylen Vinylcyanid= ( und Blausiiiire)) -+ cH,= CH'CN

und Benzol } -'cH2=cH'caH6 { Styrol

{ Acrylsiiiurenitril

Das erste Kunstharz, das voiii Acetylen ausgehend auf den Markt kam, war der Wacker-Schellack, der aus Acetaldehyd durch Alkali im Weltkrieg und der Nachkriegs- zeit entwickelt wurde. Wahrend l ~ e r die Verkettung vieler Aldehydmolekule durch aldolartige Reaktion der Nekhyl- mit der Aldehydgruppe zustande kam, konnten ganz ande-s-

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. . . . . -.

artige, rnannigfachste Kunststoffe synthetisch aufgebaut einfach an, aber der Weg bis hierher war voll Dornen untl werden, als iiian erkannte, dalj Stoffe, welche eine Vinyl- Hindernissen. und so inancher Riickschlag riiufitc iiber- gruppe endstandig irn Molekiil enthalten, die Keigung haben, wunden werden, his es uns gelang, diese Erkenntnisse ZII

sich zu langen Ketten aneinanderzulagern, oder, facli- sammeln und die Vinylverbindungen zu iiicistern. Heute niannisch ausgedriickt, polymerisierbar zu sein. T'in diese liaben wir es in der Hand, Stoffe niit gewolltcr Hartc, I'organge verstelien zu konnen, muC, darauf liingcwiesen Dehnung, Zerreiflfestigkeit, Kalte- und \\.arnie-, Wasser- werden, daW nahezu in der gesanitcn organischen Welt das und Saurebestancligkeit untl hoher elcktrischer Isolier- I'rinzip vorherrscht, relativ kleine Molekiile gleicher oder Shnlicher Zusammensetzung zu stabilen groI3en Molekiil- verbanden zusammenzufiigen, die uns dann iiberall in1 I'flanzen- und Tierreich als Hauptforinelernente sichtbar werden. So entstehen aus einfachen Zuckerarten Starke und Cellulose, aus gewissen Phenolen Gerbstoffe, aus ein- fachen Arninosaureabkiirnin- lingen Eiweilj und tierische Geriistsuhstanzen. Im Gebiet dieser hoclimolckulareii Ver- bindungen spielt sich das ganze Leben ab, und den Aufbau solcher Hoclimolekularen aus einfachen Bausteinen nennt man Kondensations- und Polymerisationsvorgange. Sie spiegeln in ihrer Bedeutung und Vielseitigkeit den ganzen Keichtum der organischcn Welt wider. Industriell hat man, gestiitzt auf die grund- legenden Arbeiten unseres Meisters Enid Fisrher, ich ininier mehr diesen Problemeii zugewandt und hat heute ge- lernt, sich ihrer zu bedienen und sie in bestimmtcr, stets reprocluzierbarer Weise unter 13inhaltung genau festgelegter Arbeitsbedingungen so ZLI

leiten, daW man Stoffe erhalt, die in ihren phys'kalischen und chemischen Konstanten geniigend scharf definiert sind.

Es ist deutscheii Chernikern gelungen, derartige Vinyl - ve rb indungen in groWer %ah1 aufzabauen, \vie ich sche- inatisch hier nu1 der Tabelle 2 zeige. So erhalt man ausAce- tylen und Salzsaure das T'inyl- clilorid, aus Acctylen- und Vettsauren die Vinylester. \vie Vinylchloracetat und Vinyl- acetat, die polymerisiert durcli Verseifung Polyvinylalkohole

Tabel lc 3.

Allen- und Rcetylenkohlenwasserstoffe

Brutto- forniel Sanie

~~

Konstitution Kp. ~~~ ~~

C& Acrtylen . . . . . . . . . . . . . . . C13eCI-E Si" -

Methylallen . . . . . . . . . . . . CH,-CH:- C =.CH, 1 S" I

Athylacetylen . . . . . . . . . . CH,-i'H, C=&H S,jl' .:t

I I 1)irnethylacctylen . . . . . . . CH,--C=:C ... CH,, 2: ? $ ' I

n-Propylacc4ylen . . . . . . . CH,--CII, -CII, CECH

Xethyliithylacetylen . . . . 1;

CIL- C H , . Cd-CH,

40"

55'l

Dipropargyl . . . . . . . . . . . . CH-=C--CTI,-- -CH,-- CECH 8fjO

Methylpropargylacetylcii CH,-- c'=& - CIT, -C-CH 7:; S 3 "

Butadicii!-lacetvlcri . . . . . CH, = CH . CH -:- C H C e C H S-i"

Divinylacctylcn . . . . . . . . . C€12 .- CH .. C=.C CH . . CH, s3 s4u

L)ji~ictIi~ltliacetylen . . . . . CII, CFC ---C-=.C CH:, 120 130"

C8H8 \ ~ i n ~ l h u t ~ ~ d i e n y l a c ~ t ~ l c i i CH, CH C=C C H CH-CH CII, +3 ---I j u 11 111!11

33" 9 111111 C,H, Uivinyldiacety1r.n . . . . CH, . CH C-C . C=C -CH -CI-I-

gehen, aus Acetylen und Alkoholen die Vinylather, aus Acetylen init Arninen die Vinylaiiiine tisw. Auch Styrol, Acrylsaurenitril, Acrylsaureestcr und ~Ictharrylsaureester gehoren hierher, wenn sie auch technisch nicht aus Acetylen hergestellt werden. Alle diese Korper geben polynierisiert Kunststoffe, deren Eigenschaften wir weitgehend beein- flussen konnen, einmal durch Veranderung der Reste an der Vinylgruppe und dann durch die Art der Polymerisation, indern wir Block-, Losungs-, Oberflachen-, Emulsions- oder -?ilischpolymerisation anwenden. ])as hort sich alles so

fahigkeit herzustellen. lkrartige Kunststoffe sirid in1 Haiidel unter den Xanien

Igelite >IF 11. PCU, Vinifol, Vinapas bzw. MoIo\z.ilithe, Vinarol, Pioloform, Povimale, Luvican, Oppanol, Stabol, Trolitul, Acronale, Pekaglns. I'lesiglas 11. Sigh.

Wir finden diese Kiirper als Impragnicrungsrnittel zum Wasserdichtmachen von 3knteln und Zeltbahnen, als Schutzmittel gegcn Gaskanipfstoffe, als Schutzniassen und Eberzuge von Kabeln und Drahten, als Isolierrnaterial -fur elektrische Apparate, hier besonders haufig in den

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Angewandte Ohemie I 49. Jahrg. 1936. Kr. 44 792 Kicodemus: Die tieuere Rntwitklung der Acetylencheinie usw.

Tabelle 4

-

Acetylen CH=CH

Cuprokomplexsalze I I

Vinylacetylen CHZ = CH-&CH

Trocknende Ole Synth. Kautschuk Trocknende Ole Synth.-Kautschuk Kunstharze s. D. 0. (Bon?) (U. S. A,: Dupren)

(Sowjet: Sowpren)

Radioapparaten, als Metallersatz z. B. in Form von Tur- griffen, als synthetische Wachse, als Holzersatz bei Flinten- kolben, als KunstpreIjmassen in Form von Tellern, Tassen, Dosen, Kammen und Knopfen, als Filme und Folien, als Klebematerial fur Holzfurniere, als wertvolle Lackrohstoffe und nicht brennbare Anstriche fur Autos, Flugzeuge, in Schiffen und Eisenbahnen, kurz, uberall, wo besonders hohe Anforderungen an Harte, Elastizitat, Wetterfestigkeit und Lichtbestandigkeit gestellt werden. Dann finden wir sie als Sicherheitsglas oder Verbundmassen fur Sicherheitsglaser, die in Autos, Flugzeugen und Panzerwagen als nicht split- ternde und weitgehend beschufisichere Scheiben immer groBere Anwendung finden.

Einen weiteren Aufschwung bekarn die Chemie der Vinylverbindungen in den letzten Jahren durch amerika- nische Arbeiten. H'er wurde eine interessante neue Klasse von Acetylenverbindungen technisch zuganglich gemacht, da es dem vor kurzem verstorbenen Prof. Nieuwland gelang, durch Vereinigung mehrerer Acetylenmolekiile niittels Cupro- komplexsalzen zu Acetylenkolilenwasserstoffen zu kommen, welche stark ungesattigt sind und Vinylacetylene darstellen.

Ich habe hier auf Tabelle 3 fur die sich besonders fur dieses Gebiet interessierenden Fachgenossen eine Reihe von subs t i t uier t en Ace t y len- Ko hlenw a ss er s t off en zu- sanimengestellt. Auch einige Allen- Kohlenwasserstoffe gleicher Bruttoformel sind dabei aufgefuhrt, da sie sich leicht in Acetylene umwandeln lassen. Wie aus den auf der Tabelle eingezeichneten Pfeilen zu entnehmen ist, lassen sich monosubstituierte Acetylene in disubstituierte und damit in die stabilere Form der Acetylenkohlenwasserstoffe uberfuhren. Diese Reaktion ist jedoch auch wieder um- kehrbar, alles Erscheinungen, bei denen wir Wanderungen von Kohlenstoffbindungen und ganzer Gruppen beobachten konnen. Sie zeigen so recht die Umwandlungsfreudigkeit und Unruhe sowie die Spannungen in den Molekden der monosubstituierten Acetylene. Besonders groW wird die Spannung in einem solchen Molekul, wenn der Rest, mit den1 das Acetylen substituiert wird, ungesattigt ist. Der- artige Korper stellen gefahrliche, zurn Zerfall neigende Stoffe dar. In erhohtem Ma13 zeigt sich dies bei Kohlenwasserstoffen mit mehreren dreifachen und doppelten Bindungen, so z. B. bei dem Butadienylacetylen C,H,, einem Kohlenwasserstoff der gleichen Bruttoformel wie Benzol, dem Vinylbutadienyl-

acetylen C,H, und dem Divinyldiacetylen C,H,, welch letzteres schon beim Erhitzen explosionsartig zerfallt . Es ist daher verstandlich, daB im Gegensatz zum Acetylen das Vinylacetylen selbst viel unstabiler ist . Schon durch einen gliihenden Platindraht ist es bei gewohnlicher Teniperatur Zuni Zerf all zu bringen. In eineni geschlossenen weiten GefaB verflussigt stellt es einen gefahrlichen Sprengstoff dar . Das Divinylacetylen und Butadienylacetylen, die ails dem Vinylacetylen unter Einwirkung von Cuprosalzen niit einem weiteren Molekul Acetylen entstehen, sind noch viel zerfallsfreudiger und gefahrlicher, da sie mit Spuren Luft Peroxyde geben, die bei Schlag oder Erwarmung explodieren und als Initialzundung fur den ganzen Kohlenwasserstoff wirken konnen. Diese Eigenschaften bedingen ein nur vor- sichtiges Weiterschreiten beini Bearbeiten der Glieder dieser Klasse. Aber trotzdem ist es gelungen, diese Stoffe technisch zu meistern und zu wertvollen Synthesen heranzuziehen, wobei die Entwicklung dieses erst ini Ausbau befindlichen Gebietes noch nianche Uberraschung bringen diirfte.

Sie sehen hier auf 'I'abelle 4 die Entstehung des Vinylace ty lens aus Acetylen mittels Cuprokomplex- salzen. Das Vinylacetylen gibt nun seinerseits mit eineni weiteren Mol Acetylen Divinylacetylen. Vinylacetylen und noch leichter das Divinylacetylen sind zu trocknenden Olen polynierisierbar . Die Polymerisate des Divinylacetylens sind in Amerika unter der Bezeichnung S.D.O. (synthetic drying oil) in den Handel gekommen. Mit Wasser entsteht aus Vinylacetylen das Methylvinylketon, das polymerisiert Kunststoffe gibt . Durch Anlagerung von Wasserstoff oder Salzsaure an Vinylacetylen kommt man zu Butadienen, also in das Gebiet der Ausgangsstoffe fur synthetischen Kautschuk, wie wir spater noch sehen werden. In diesen Reaktionen liegt heute fur uns die Hauptbedeutung der Korperklasse des Vinylacetylens.

Wie ich beim Divinylacetylen schon andeutete, kann allgemein gesagt werden, daW Korper, die zwei Vinylgruppen enthalten, in der Regel viel polymerisationsfreudiger sind als die mit einer. Die Polymerisation derartiger Divinyl- verbindungen fiihrt uns zurn Kantschuk, wenn die beiden Vinylgruppen benachbart sind. So ist der Naturkautschuk, wie er aus den uberseeischen Plantagen gewonnen wird, ein Polymerisationsprodukt eines einfachen Bausteins, den Harries als ein 2-Methyldiviny1, auch Isopren genannt, auf-

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Kico lemu;: Die ileueie Entwicklung der Acetylenchemie ui\?' .Angewandte Cheriiie 49. Jahrg. 1936. Nr. 44) _ _ ~ _____

~ ~

79.3

geklart hat (s. Tabelle 5). Es ist ein Abkommling des Grundkohlenwasserstoffes Divinyl, auch Butadien genannt . Bis heute ist I sop ren technisch noch nicht in beliebigen Mengen geniigend billig zuganglich. Dagegen ist es uns ge- lungen, das Rutadien selbst in technisch und wirtschaftlich befriedigenden Ausbeuten vom Acetylen ausgehend her- zustellen Das Butadien ist bei gewohnlicher Temperatur ein leicht brennbares Gas, das wie alle Korper mit mehreren ungesattigten Bindungen zur Peroxydbildung neigt und daher nicht ganz harmlos ist. Fur seine Herstellung stehen heute mehrere Wege zur Verfiigung. Der zurreit aus wirt- schaftlichen und technischen Erwagungen von uns be- schrittene und am weitesten durchgearbeitete Weg geht iiber Acetaldehyd, Aldol, Butylenglykol und daraus durch Wasserabspaltung zum Butadien. Bin zweiter Weg ist gangbar ausgehend von einem Acetaldehyd-Athylalkohol- (iemisch oder vom Athylalkohol selbst. Hieraus lafit sicli niittels Kontakten nach alteren russischen Verfahren, die in den letzten Jahren dort verbessert wurden, ebenfalls iiber ein Butylenglykol als Zwischenprodukt neben vielen Nebenprodukten Butadien erhalten. Nach diesem Verfahren wird grofitechnisch in Kufiland gearbeitet, und zwar sollen nach russischen Angaben im letzten Jahr iiber 20 000 t synthetischen Kautschuks (Sow- p e n ) so gewonnen worden sein. Ein dritter Weg besteht in der Anlagerung von Wasserstoff an Vinylacetylen, wodurch in Gegenwart von Kontaktstoffen eben- falls Butadien erhalten wird. Zu einem interessanten chlorierten Abkommling des Butadiens, der in Amerika Chloropren genannt wird, kommt man durch An- lagerung von Salzsaure an Vinylacetylen (s. Tabelle 5). Dieses Chloropren laRt sich 700mal schneller als Isopren und 900mal schneller als Butadien polymerisieren. Sein Polymerisat ist ein Kautschuk von interessanten Eigenschaften, vor allem sehr fiir olfeste Schlauche geeignet. Er ist in Amerika unter dem Namen Dupren im Handel.

Schon im Weltkriege hatten wir versucht, das Problem der Herstellung eines synthetischen Kautschuks zu losen,

schukarten entwickelt und ausgearbeitet werden. Und wenn friiher einiiial gesagt werden konnte, da13 es zwei Dinge in der Welt gabe, von denen selbst der liebe Gott nicht sicher wisse, was darin ware, namlich Wurst und Gummi, so stimmt das heute fur unseren synthetischen Gummi sicherlich nicht mehr . Erst nachdem der naturliche Kautschuk sozusagen auf Herz und Nieren gepriift werden konnte, war es moglich, an die Schaffung eines synthetischen Kautschuks zn gehen und in ihm gewiinschte Eigenschaften grofizuziichten. Besondere Schwierigkeiten bereitete vor allem die Herstellung von Autoreifen, deren Giite ja keines- wegs allein vom Kautschuk abhangt. Hier waren die Ge- webelagen zu studieren, es war ZLI versuchen, Baumwolle durch einheimische Textilien z u ersetzen. Weiter waren die T~iillstoffe von ausschlaggebender Bedeutung. So 1iiu8tc.n alle diese E'iillstoffe und auch die fur die 1,aufflachen- mischung so wichtigen GasruCe genau durchforscht werden, und auch hier diirfte es jetzt moglich sein, uns niit eineni aktiven RuB, der durch Zerfall des Acetylens erhaltlich ist , vom Ausland unabhangig zu machen. Rei der Polynieri-

Tabelle 5 ~

Vinylverbindungen enthaltsn die Vinylgruppe CHz=CH und sind polymerisierbir

Aus Acetylen Vinylacetyleri una Acety.el, } + CH,=CH.C=CH

) + CH, = CH . CO . CH, lind Was-r , i CH2 =CH.CeC-SH-CH, Divinylacetylell

Vinylacetylen

Aus Vinylacetylen \

Vinylmethylketm

und Acetylen - Raustein des

Naturkautschuks ist ' H Z - CH -c=cH2

I CH,

I / ) f CH,=C--C=CH, Aus Aceton

iiber Pinakon CH, CH,

Aus Vinylacetylell 1 CH, = CH- CH= CH, und Wasserstoff

2-Methyl-butadien=: Isopren

2,3-Dimethyl-butadien = Methylkautschuk (Kriegskautschuk)

Aus und Vinylacetyleri Sslzsaure ) - CH,=CH-LC-CH, Z-Chlor-b:itadien= 1 Chloropren I

C1

ohne daR uns dies mit dem damaligen, Methylkautschuk genannten, aus Aceton hergestellten Polymerisat des Di- methylbutadiens zufriedenstellend gelungen ware. Mit der steigenden Motorisierung eines jeden Landes und seiner Armee wurde dieses Problem imnier dringender. So stieg die Versorgung Deutschlands mit Kautschuk von 41 000 t 1928 auf 60000 t 1934. Ein Anbau von Kautschukmilch gebenden Pflanzen ist bei uns und in Europa aus klima- tischen Griinden bis jetzt noch aussichtslos. Es blieb &her nur der Weg eines Aufbaues von synthetischem Kautschuk fur uns iibrig, der dem natiirlichen in den Eigenschaften mindestens gleichwertig, preislich tragbar und besonders fur die Reifenfabrikation brauchbar sein muBte. Wir fanden bis heute als geeignetsten Baustein das nach einem der obigen Verfahren zugangliche Butadien. Seine Uberfiihrung in Kautschuk setzte vor allein voraus, daB erst unsere Kenntnisse iiber den aus natiirlichem Kautschuk herstell- baren Gummi vervollstandigt werden mufiten. So mufite die Herstellung der verschiedenen Gummisorten aufs ge- naueste bearbeitet, die vielen Vulkanisationsfragen geklart , Vulkanisationsbeschleuniger und Regler gepriift, Alterungs- schutzmittel gefunden, giinstigste Beimischungen art- und mengenmafiig untersucht und endlich Priifmethoden zur Bestimmung der speziellen Eigenschaften der neuen Kaut-

sation des Butadiens bestanden genau die gleichen, wenn nicht noch groljere Schwierigkeiten, wie ich sie schon bei den Kunststoffen schilderte. Die verschiedenen Polymeri- sationsniogliclikeiten muljten genau durchforscht werden, so z. B. die Natriumpolymerisation neben der Warme- polymerisation, die Emulsions- neben der Mischpolymeri- sation und genaue Arbeitsbedingungen festgelegt werden, die gestatten, eine gewollte Zahl von Bausteinen aneinander- treten zu lassen. Durch Zusatz von Reglern und Fiihrung des Polymerisationsgrades, durch dauernde Kontrolle der Zahigkeit der Losung, f erner durch Verhinderung der Nacli- polymerisation und der beini Walzen der Polymerisate ein- tretenden Verkettungen, durch genaues Studium der Vul- kanisationsbedingungen und vieler anderer Einzelheiten, auf die ich hier nicht eingehen kann, ist es uns d a m gelungen, aus einem Butadien Polymerisate von stets gewollten Eigenschaften zu erhalten. Ich miichte besonders betonen, daR der Weg hierzu sehr steinig und dornen- reich war. Aber gerade auf dem Kautschukgebiet ist von deutschen Fachgenossen gewaltige, grundliche Arbeit ge- leistet worden, die einmal der ganzen Welt zugute konimen wird und erst in spateren Zeiten richtig gewiirdigt werden kann. Wir haben heute in unserein Buna N, Buna S, Buna 85 und 115 Kautschukmarken zur Verfiigung, die

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... . . - . . . - .- ... - - ... - ... . . . -

verscliicdenc. gatiz hestitnriite Merkrnale, wie Wiirnie- bestiiiitligkeit, eliestigkeit und Abreibfestigkeit zeigen und in tliesen 13igenscliaften dern natdrlichen Rautschuk iiberlegeti sintl. Wir beguiigen uns aher niit diesen lcrfolgen niclit, \:ielmehr nerden unsere Xrbeiten son.ohl in Richtung auf I'erbilligung der I'erfahrcn m r Herstelhinp Jer Bausteine als auch zur weiteren Hochziichtung hesontlerer IGgerisdiafteri des synthctischen Kautschuks :iuf das aagestrcngtestt. und rnit grol3en Mittelri weiter- gcitiiir t .

Ich konime nun xiiiii Schlu 11 nieiner Ausfiiliruiigen. %usanimenfasseiid indchte ich Ihnen nochnials vor -4ugeii iiihren, da13 die husstrahlangen des .Icetylens und seiner :iiis ihm gewonrienen Stoffe in dc!n meisten Wirtschafts- xehieteii x u finderi sind, und zwar : In der I:ricrgieMirtscliaft ills Ileleuchtiings- iirid Heizmittel, bei den nietallverarbei- tendcn Intlustrien in tler Schtwifltechnik, in tler 1,antl- \virtscli:ift als Lhingemittel in Form von Kalkstickstoff, in tler ( h i & untl Sahruiigsinitteliridustrie als llssenz und ~oiiscr\;ierungsriiittel. auf dem Ti~stilgebiet als lni- 1"agnieruIi#stnittel, Sclilichternittel und 31s Kunstseide, ;tiif deci Gebiete der 1,acke und Vilme als Liisungsinittel, \~'eicli~iiacl~iingsrriittel und als l,ackrohstoffe, auf deni Sprengstoffgehiet nls I,iisungsmittt4, ;iuf tlem Kunststoff- gebirt als synthetische Harze, Film- und ~unstpreBiiiassen, I~abelscliiitz~iiasse~i uiid Isoliermaterial, auC deni (:urnmi- gebiet als syiitlietischer Kautschuk und aui vieleri anderen

(.kl)icten, wie b'arbstoff- unci Arztieimitteljiebic.ten. nls wertvollste %\visclienprotlukte.

\Venn in der verhiiltnismafiig kurzen Spanne Zeit cin ( ; e l k t sich so stiirmisch entwickelri iind so g r o k Erfolge bringeri konnte, so danken wir es eirimal einer weitsichtigeri Industriefiihrung, die friihzcitig gro6le Mittel fiir groli- angelegte Forschungen bereitstelltc,, dann aber der Opfer- willigkeit iind Vrrantwortungsfreudigkeit der zahlreichen, tlcr AuHeriwelt unbekantiten Fachgcmossen untl Mitarbeiter :ius aller: Schichteii unseres' Volkes. Ihrer Pflichttreue und Hiiigahc gedenken wir in besonderer l)ankb;irkcit, wenn \vir heute den zuriickgelegten Weg iiberblicken.

1 he I<ntnicklung der chemisclirri Industrie eines \Tolkes entspricht seiner Kulturhiihe und Weltgeltung. Wollen wir hier weiter fiihrctid sein, so rriufl a d lange Sicht mit groBen XIitteln und in engster (;cnieinschaft und gegenseitiger Be- fruclitung voii Technik und Hochschule geforscht werden. Nocli niehr als bisher sollte meines Zrachtens die klassischc Clieniie ivieder zur Geltung kommen und iriehr esperinientiert als gereclinet hverden, ~it i tcr Beachtung der Warnung Alexander con Htimboldts vor iiber 100 Jahren, ,,vor eitier Chernie, in der nian sicl: riicht die Hande naB macht".

r h n n werden auch weitere gleiche und noch grofiere lirfolge tleutscher Arbeit und deutschen Konncms nicht ausbleiben und wir Chemiker und Techniker das grolie Vertrauen rechtfertigcn, das unscr Fuhrer in u n s setzt, desseii wir beute in Dankbarkeit rnit. den1 (>elobnis treuester Gefolgsclia ft gedenken . [A. 103.:

VElCOSAPOMbU#GfBERICHYE

Internationaler Sportarzteverband und Gesellschaft fur Stoffwechselkrankheiten.

Tagung in Berlin vom 27. -31. Juli. Die 'l'heiiic~ri wareti dcr Erforschung dcr Vorgiiiigc bei

\[uskelarl)cit und Sport in ihren Zusamiiieiili,itigeii jpvitlmet . Sach I~~~grii1Jiings~iiisprachcn cles Reic:hsiiineiiniiiiisters Dr. F'rick iititl tlcs l'r5sidenten des iriternationalen Sportarzte- vcrbandts, 1,at: ir j e t , J,yon, begmnen dic Yerhandliingen, t h e n ivir tlic fiir die bioloyisrhe Cheiiiicx w-ichtigcri kurz c~ntnelinieii ;

Sclicnk lhnz ig . , , U e r ,??ir?fhP dcs Sports mf 74?2sere7t

l)ic ( ;rdJe ties \Villeiisiinpulses urid riie chire11 drii (;cruilts- mstantl beeinfluIJte :bispredibarkeit des hluskcls bestiiiuiit dns AIaG tler Rfuskelarbeit untl den damit vcrbutideiicii Stoff- iuiisatz. Xach Schilderuiig der Eveinflussung tler Arbeits- I~~istung ciurch iiervose Jlonientt wendet sich Vortr. cler h111skeI- iorschuiig zu. T(lut- , Kreis-, Harn- iind Atemluftannlysc liaben zu den hcutigcii Kcnnt.nissen voni Muskclstoffweclist: gefiihrt. Als eigcntliclie l'utifikeitssul,stanz dcs Muskels, tlie bei Kontrak- tiori in nieclianische Xrbcit verwandelt wird, kcnnen n-ir die ~'liospliors~iureester des -hlciiosins urid Kreatins. Sie zerfallen Iieini Ikginii rler Ycrkiirmng iii ilut: Gestandteile, linter *Ib- ::ube voti Energie. I)as 1'hosphorsaureinolckUl tlicnt tler Yer- vsteriing der Jluskelkohleiihydrate, deren anoxylntiver :lbhau nur in I3iritlung an Phos~~horsaure nitiglich ist. Die Milclisbure wird zuiri Teil verlrannt urid liefert die J'nergie fiir die Re- syrithcsc tlcr Aderiosiri- untl Kreatiriester.

Dcr Illutzuckcr sinkt bei Muskelarbeit langsatri nb, bei 1 !iichstleistnngcri nuf extreiri tiiedrige Werte. I)as bckanntc. %usariulicnbrec~icri tler Sportler aus Ihschiipfung ist aber k i n liypoglykkniisclier Schock, (la inan tias gleiclie Bild ;iucli bei liohcn I3lutzocker\verten beobachten k a m . Ilr berulit auf einer I~rsch6pfiitig dcr Canglien und der atlrenalin~~rocluzierendeii %ellen ini Ncl.,eruiierentitark. Scelisclie Errcgurig stcigcrt deri I3lutzuckcr (z. Ji. Startglykosurie) Kach seiner l'eresterung a i i Phospliors5urc zcrfallt dcr Zuckei in 2 ?tlolekiile &Iilchsiiure, (lie bei groJ3cn JIiiskcllcisturigeti i r n ScliwiW (],is ~ L I 3 g) uiid ini 1 lam ausgeschietlen wird. Sic ist die Ursaclie schwcrer Nicren- vctrantlcriingcn, (lie ineist rssch abklingeii.

l ij vpe I ' . ' '

l)ie Haut scheidet wahrend der Arbeit eine Reihe I:r- niiitlungsstoffe aus. 1-m die Poren fiir diese Ausschcidung ZII

iiffncn, bringt nian dir Sportler vor dem Start in SchweiW. Alkohol fijrclcrt tlie Z;iweiCh~erbrennung und halt bci

1)auerleistnngen (1~s k~rniudungsgcfuhl hintan. Die Ab- iiutzungsquote fur Eiweil3- und Kernsubstanz wirti durch Muskclarbeit erhiiht. Dem entspricht eine vemehrte Aus- scheitluiig von Scliwefelsaure- und Purink8rpern im Urin. Die niifnllciitlc Kohlcnsiiurc regt Kreis1:iuf und Atmung an. Sie steigcrt die Adreiialinausscliuttung iirid erweitert die Muskel- untl Koroiiargcfiilk. Die Aklenosintriphospliorsaure zcrfallt in :\denyls<iiire imd Pliosphorsliure, die Adenylsiiure durch Des- miiiiierung in Aiimioiiiak und Inosinshure. -4uch sie erweitert die Koronargef S1k und verniehrt dic Hulkraft des Herzens. 1)r i i i von Arbeit rrscliKpfteri T-Ierzen bringt sie fast aligenblick- licli 13rholung. nicht abcr dern Irifektgcschadigteri. Xucli I'liosplior wirtl \vfilirencl cler Xrbeit vermehrt in1 Harn aus- geschiedeii. Da der Muskel arm an Cdcium, dagegeri reich an Kaliuin uiid Phosphat ist, sind nach groI3en Anstrengungcii nehen 'l'raubenzucker- auch Calciuminjektioncn angezeigt, Sic tonisiervn den Syiiipatikus, kompensiercn das Kaliuni- iil)ergeivich t untl crleiclitcni die Lactacidogensynthese. Das k'ett ist bei der Muskelarbeit direkt beteiligt. Ini isolierteii Rluskel lhlJt sich bei Arbeit Fettvermindcrung feststellen. .iuWerdeni steigt bei langdauernder Miiskelarheit der Fett- untl Kctoiikorpergehalt ini Ulut. Sie stellen ivahrscheinlich tlic ifbcrgangsstoffe von Vett in Kohlenhydrat dar und werdeii so in den lSiierSirstoff\\cc~lscl des Muskcls einhezogen. Pliospha- tick puffern die saureti Stoffwechse1l)roduktc und verzogern ciatlurch das ~;rmiiclungsgcfubl. Cholesterjn steigt im Blut wShrctit1 tler Arixit eritgegengesetzt dern Rlutzuckcr an utitl wirtl in grol3en Mengen ini Schweil3 ausgeschieden. Der Vor- tr:igentle schliellt seine Ausfiihniiigen mit ciner Bctrachtung iiber den 1SirifluW tier Konstitution auf die Vertreter der einzel- iicn Sportarten.

A t z l e r , 1)ortiiiiind : , , ] h e dduskzdotuv nls Stopdechsrl- OvgCl, , ."

Seit /;is& uncl M;rslicenzts kennt nian die Kohlcrihydratc als Kraftquelle des Muskels. Man hatte lange Zeit die Vor- stellung, (la13 der lluskel wic eine Yerbrcnnungsmaschirle Warrlie in ~iiechanische Arl)eit iiberfiihrt. \Valuend die Dampfrnaschuie 1,estcnfalls einen Wirkungsxrad voti 30 1 erreicht, zeigt der JIuskel einen solchen von 33 1; und unter Reriicksichtigung