die krise der finanzmaerkte

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  • 8/14/2019 Die Krise Der Finanzmaerkte

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    Herausgegeben von der

    Initiative Netzwerk Dreigliederung

    19. Jahrgang

    Sozialimpulse

    Nr. 2Juni 2008

    Wie sicher ist unser Geld -

    Zusammenbruch der Finanzmrkte?

    Wer sind die Tter? - Die Rolle von

    Rechtsordnung, Geldinstitutionen und Anlegern

    Kann man Geld sichern?

    Notwendige Vernderungen

    Betrachtungen und Berichte,

    Initiativen und Termine

    Rundbrief

    Dreigliederung

    des sozialenOrganismus

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    Krise der Finanzmrkte

    Wie sicher istunser Geld?

    Die Krise derFinanzmrkte -Erscheinungsformen,Ursachen undHandlungsrichtungen

    Udo Herrmannstorfer, Harald SpehlZusammenfassung: Christoph Strawe

    Die jngste Entwicklung auf den Geld- und Kapitalmrk-ten hat die Menschen aufgeschreckt und eine Vielzahlvon ngsten ausgelst: Droht ein Brsenkrach globa-len Ausmaes? Werden die Banken mit in die Krisehineingerissen? Wird das internationale Finanzsystemzusammenbrechen? Dabei gibt gibt es auch ganzpersnliche Fragen: Was wird aus meinen Ersparnis-sen, aus meinen Vermgensanlagen, vor allem ausmeiner Alterssicherung? Bis vor kurzem glaubten sichviele in der Obhut hochdotierter Experten der Noten-bank und der Geschf tsbanken. Nun wird von diesen

    eingestanden, man habe die Situation vllig falscheingeschtzt. Sind die Notenbanken noch in der Lage,die Entwicklung in den Griff zu bekommen? Am 1.April fand im Anthroposophischen Zentrum Kassel eineTagung statt, bei der Udo Herrmannstorfer und Prof.Harald Spehl gemeinsam mit den TeilnehmerInnenversuchten, eine sachgerechte Beurteilung der Symp-tome und Ursachen zu erarbeiten und notwendigeVernderungen aufzuzeigen. Durch die seither erfolgteAusweitung der Krise hat sichdie Brisanz dieser Analysenoch gesteigert. Es erwiessich, dass es weder mit derBeseitigung der Symptomegetan ist noch mit Durchhal-teparolen und hektischen Ret-tungsaktionen: die Ursachenreichen von der Geldordnungber Wirtschaftsstrukturenbis zu jedem einzelnen. Nurwenn auf allen Ebenen Neu-orientierungen beginnen,kann die Angst berwunden

    werden. Im Folgenden hat C. Strawe versucht - teilwei-se in Anlehnung an den Wortlaut, teilweise in freierZusammenfassung der Referate und Gesprche -, dieErgebnisse der Tagung fr die Leser der Sozialimpul-se aufzubereiten.

    Zusammenbruch derGeld- und Finanzmrkte?Zur Analyse deraktuellen Situation

    Hoffentlich wird es morgen nicht so schlimm,wie es heute schon ist. (Karl Valentin)

    Die aktuelle Situation wird durch einen Artikel in derFrankfurter Rundschau vom 9. April beleuchtet. Dortfindet sich eine Zahl, die kaum fassbar ist :auf 1 BillionDollar (in Ziffern: 1.000.000.000.000) beluft sichnach Aussagen des Internationalen Whrungsfonds(IWF) der Verlust, den die Finanzmrkte der Welt seitBeginn der Krise erlitten haben - umgerechnet etwa65 Milliarden Euro. Die Zahl ist nicht unstrittig, was aufdie Schwierigkeiten hindeutet, den Schaden berhauptangemessen einzuschtzen. Er ist auf jeden Fall hochgenug, um die Frage zu provozieren, ob es sich um

    den Beginn eines Dominoeffekts handeln knnte, dermit dem Zusammenbruch der Weltfinanzmrkte endenknnte. Was ist passiert, wohin fhrt es?

    Handel mit Kreditderivaten expandiert

    Wie aus dem Kasten unten ersichtlich ist, ist in den letztenJahren ein Markt frmlich explodiert und zu einem herr-schenden Finanzmarkt der Welt geworden, den es davorfast nicht gab und der Ende 007, kurz vor dem Absturz,allein in USA einen Wert von 45,5 Billionen US-Dollar

    angenommen hatte: der sogenannten Credit DefaultInsurance Market, auf dem Papiere gehandelt werden,bei denen der Ausfall von Krediten versichert wird. Man

    Zu diesem Thema referierte Harald Spehl. UdoHerrmannstorfer und Finanzpraktiker aus dem Teilnehmerkreisergnzten. Fr die Amerikaner ist der Begriff Billion identisch mitunserer Milliarde. Hier ist jeweils die europische Billion (1.000Milliarden) gemeint, die Amerikaner wrden von einer Trillionsprechen.

    Im Schatten eines unregulierten Marktes ...Von Anfang 001 bis Ende 007 stieg der Wert- des Markt fr Kreditderivate von nahe Null auf 45,5 Billionen US-Dollar- des US-Aktienmarktes von ca. 1 auf 1,9 Billionen US-Dollar- des US Hypothekenkreditmarktes von ca. auf 7,1 Billionen US-Dollar- des Markts fr staatliche Schatzbriefe der USA von ca. auf 4,4 Billionen US-D

    Quelle: Thomson Proprietary Research, International Swaps and DerivatesAssociation. Nach: New York Times, 17. Februar 008

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    Aus Risiko wird Wertpapier

    Bank kann daher z.B. aus 100 Millionen Euro Eigenkapitalnicht unendlich viele Kredite machen.

    Abspaltung des Kreditrisikos undVerwandlung in ein handelbares Wertpapier

    So wurde das jahrelang von den Banken gemacht. Dannkamen Finanzinnovateure, die fanden, das knne manbesser und vor allem lukrativer machen. Sie sagten: Ihrknnt doch eigentlich viel mehr Geld aus Euren Kreditenmachen, wenn ihr das Risiko, dass ein Kredit nicht zurck-gezahlt wird, von dem Kredit selber abspaltet. Trennt alsodas Risiko und das eigentliche Geschft und macht dasRisiko zu einem eigenen handelbaren Wertpapier. Genaudas ist die Geschichte, ber die wir reden. Nicht dassSwaps generell etwas Schlechtes wren. Die Absicherungvon Zins- und Kursrisiken ist sinnvoll und unproblematisch,wenn sie zwei Partner mit passenden Interessen zusam-

    menbringt. Problematisch wird es, wenn diese Geschftein groem Unfang spekulativ erfolgen.

    Was geschieht dadurch, dass ein neuer Teilmarkt nurfr die Risiken geschaffen wird? Zunchst werdenForderungen auf Zins und Tilgung verschiedener Bo-nitt (Risikoklassen) in einen Pool zusammengefasst.Diesen Pool muss man fr Kufer attraktiv machen.Das bedeutet, dass man mglichst einen Garantenheranziehen muss, der sagt: dieser Pool ist ein guterPool, er ist attraktiv fr Investoren. Zunchst tritt dieschon genannte Internationale Swap- und Derivate-As-

    soziation in Aktion, die bestimmte Regeln aufstellt, wieein solcher Pool zusammengesetzt sein muss. DieserPool kann hochriskante, weniger riskante und nichtriskante Forderungen beinhalten. Dann kommen dieRatingagenturen ins Spiel. 90% des Weltmarktes frRatings teilen sich brigens drei groe amerikanischeRatingagenturen. Sie bescheinigen den Emittenten,welche Risikostruktur ihr Pool hat. Die beste Risiko-struktur wird mit der Auszeichnung Tripel A (AAA)bezeichnet, dann geht es herunter ber AAB usw.,Tripel B - bis schlielich der Schrott kommt, d.h. hochriskante Forderungen.

    Die Ratingagenturen und diewundersame Erhhung der Sicherheit

    Nun geschieht ein Wunder. Angenommen in einemPool sind Papiere enthalten, von denen viele nicht mitA geratet sind. Aber der Gesamtpool kriegt dennochdas Rating AAA. Man findet in allen Darlegungen, dassin mit A bewerteten Pools nur 80-90% mit A bewertetePapiere sind. Wie kann das gehen? - Die Ratingagenturwertet Statistiken aus, die angeben, wieviel Prozent voneiner bestimmen Kategorie Papiere nach den Erfah-rungen der Vergangenheit nicht zurckgezahlt wordensind. Nehmen wir einmal an, das seien 10 %. Dannsagt die Ratingagentur: allen Erfahrungen nach betrgtder Ausfall 10 %, die restlichen 90 % sind sicher.Bewertet wird dabei der Gesamtpool. Entscheidendist, dass jetzt nicht mehr Einzelpapiere oder der Ge-samtpool Gegenstand der weiteren Geschfte sind,sondern dass der Gesamtpool in Tranchen aufgeteiltwird und diese Teile des Gesamtpools einzeln an denMarkt und an die Kunden gebracht werden. In unserem

    Beispiel kann der Emmitent bis zu 90 % des Pools inTranchen ausgeben, die mit AAA, dem hchsten Ratingund somit als absolut sicher gekennzeichnet sind, undfr die letzten 10 % kann er das Risiko selbst behaltenoder an die Institution, die die Forderungen fr den Poolgeliefert hat, zurckgeben. Wenn eine Tranche anden Kapitalmarkt geht, wird ein rechnerischer Anteil desPools verkauft; nicht mehr einzelne Papiere. Dies fhrtzu einer sehr undurchsichtigen Risikosituation. Wer trgtdas Ausfallrisiko.? Die Bank, die das Finanzproduktherausgebracht hat, der Investor, die Ratingagentur?Die Ratingagenturen beharren darauf, nur eine - korrekte- allgemeine Bewertung, keineswegs aber eine konkreteInvestitionsempfehlung ausgesprochen zu haben.

    Die Schrot t-Tranche - in unserem Beispiel die 10 %-Tranche - kann auch an eine Heuschrecke gehen: ein PrivateEquity Fonds sagt: Ich nehme die, will aber dafr auch einenSuperzinssatz.

    Finanzmrkte sind MonsterBundesprsident Horst Khlerzur FinanzkriseErleben wir nicht gerade so etwas wie eine Sinnkrisedes globalen Kapitalismus? -H. Khler:Kapitalismusheit nicht nur Rendite einfahren, sondern vor allem:

    mit Risiko umgehen knnen. Die Finanzkrise zeigt,gerade daran haben es zu viele Akteure in denBankhusern der Welt missen lassen. [...] Man mussder Finanzwelt einen Spiegel vorhalten. Sie hat sichmchtig blamiert. Und ein klar vernehmbares MeaCulpa vermisse ich noch immer. Nur ein Kapitalis-mus, der bereit ist, sich in Verantwortung zu binden,hat Zukunft. Gerade auch in Verantwortung fr dieSchwachen.Was muss passieren, damit die Weltfinanzmrktenicht auer Kontrolle geraten? - H. Khler: Ich willhoffen, das Schlimmste ist berstanden. Doch wir

    waren nahe dran an einem Zusammenbruch derWeltfinanzmrkte. Das wird auch noch Schleifspurenin der Realwirtschaft nach sich ziehen. Das einzigGute an der Krise ist: Jetzt muss jedem verantwortlichDenkenden in der Branche selbst klar geworden sein,dass sich die internationalen Finanzmrkte zu einemMonster entwickelt haben, das in die Schrankenverwiesen werden muss. Ntig sind eine strengereund effizientere Regulierung, mehr Eigenkapitalun-terlegung fr Finanzgeschfte, mehr Transparenzund auch eine globale Institution, die unabhngigber die Stabilitt des internationalen Finanzsystemswacht. Ich habe schon vor einiger Zeit vorgeschla-

    gen, den Internationalen Whrungsfonds mit dieserAufgabe zu betrauen.Haben die Banker so viele Derivate geschaffen, dasssie am Ende selbst nicht mehr verstanden haben,wie die wirken? -Horst Khler: Ganz offensichtlich.Die berkomplexitt der Finanzprodukte und dieMglichkeit, mit geringstem eigenem Haftungskapitalgroe Hebelgeschfte in Gang zu setzen, haben dasMonster wachsen lassen. Es hat kaum noch Bezugzur Realwirtschaft. Dazu gehren auch bizarr hoheVergtungen fr einzelne Finanzmanager.Aus einem Interview mit dem STERN. 15.05.008.Quelle: http://www.bundespraesident.de/dokumente/-,.6455/Rede/dokument.htm

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    Dominoeffekte drohen

    Scheinbar ein gutes Geschft fr alle...

    Der Clou bei der Sache ist: Die Bank oder sonstige

    Institution, die die Papiere auf den Kapitalmarkt bringt,bekommt Eigenkapital frei. Und das ist hoch inter-essant, weil sie nun neue Kredite vergeben kann.Und auerdem streut sie ihre Risiken durch derenbertragung auf andere breit! Dafr muss natrlicheine gewisse Prmie bezahlt werden, und daran ver-dienen diejenigen, die die Papiere kaufen, sehr gutesGeld. Dabei muss man wissen, dass die Tranchendes Pools - gesetzt, es handelt sich um Hypotheken- nicht ber deren gesamte Laufzeit auf den Marktgebracht werden, sondern fr krzere Fristen: dreiMonate, sechs Monate usw. Der Emittent - also z.B.

    die Bank, die die Swaps ausgegeben hat, muss frdiese Zeit dafr sorgen, dass die Kufer die Prmie,den Swapsatz bekommen - nach Ablauf der Frist, frdie er das Risiko verkauft hat, muss er es dann wiederzurcknehmen. Das ist nicht so schwierig, weil dieBank dafr kein zustzliches Eigenkapital braucht, unddas ist unproblematisch, solange die Tranchen wiederam Markt platziert werden knnen.. - Von technischenFeinheiten sei hier abgesehen, z.B. davon, ob einEigentumsbergang statt findet oder nicht. - Das Prinzipheit: Aus kurz mach lang, kurzfristige Finanzierung frlangfristige Kredite. Die Sache erscheint kalkulierbar,solange die Banken das Risiko in Form der Swapsimmer wieder neu auf den Markt bringen knnen zuden jeweiligen Konditionen. Solange das so funktio-nierte, arbeitete da eine Art Rendite-Maschine. Obdie Banken das Geld, das sie durch die Emission derSwaps erhalten bzw. freibekommen haben, tatsch-lich in realwirtschaftliche Investitionen weiterkreditierthaben oder ob sie selber wieder an den Geldmarktgegangen sind, ist allerdings eine offene Frage. So-weit letzteres praktiziert wurde, hat sich das Systemgewissermaen selbst ernhrt.

    Wenn wir uns hier auf Kreditderivate aus Hypothe-kenkrediten konzentriert haben, ist das natrlich nureine Sparte in einer groen Flle von sogenanntenFinanzinnovationen, bei denen ganz unterschiedlicheGeschfte zugrunde liegen knnen - vom Waren-termingeschft bis zu Wetten auf Aktienkurse. Unddeshalb existiert auch eine bunte und fr den Laien

    undurchschaubare Vielfalt von Bezeichnungen fr dieseProdukte. Durch immer neue Finanzprodukte dieser Artkommt dann auch das immense Marktvolumen zustan-de, das anfangs dargestellt wurde.

    Es gibt im brigen noch eine weiteres Instrument, das eseiner Bank ermglicht, ihren Eigenkapitalbedarf bei derKreditvergabe zu verkleinern - und das ebenfalls jetztviele Banken in existenzbedrohende Schwierigkeitengebracht hat: Das ist die Auslagerung von Krediten inZweckgesellschaften. Das haben z.B. verschiedeneLandesbanken und die Industriekreditbank, aber auch

    viele Geschftsbanken praktiziert

    Durch Zusammenbruch des Vertrauensdrohende Dominoeffekte

    Fr diese Art Swaps gibt es brigens keinen offiziellenMarkt. Sie werden nicht an den Brsen gehandelt,sondern auf dem sogenannten OTC-Market, das heitber den Tresen, auf inoffiziellen Handelspltzen, berTelefonhandel. Das funktioniert, solange es funktioniert.Damit es nicht mehr funktioniert, braucht es nur einen

    kleinen Auslser: den Zusammenbruch von Vertrauen.Denn das Ganze ist auf Vertrauen aufgebaut. Ratingund hnliches ist nur etwas, auf das sich das Vertrauensttzt.

    Bei ordnungsgemem Handel fllt das Risiko nachder vereinbarten Frist, z.B. einem halben Jahr, wiederzurck an den Emittenten. Der kann ein neues Paketschnren und auf den Markt bringen. Ein Problem

    Wie das funktioniert, erluterte ein Teilnehmer aus derVersicherungswirtschaft: Da wurden dann Kredite gegeben, die

    vielleicht 10 Jahre Laufzeit hatten, z.B. 6 % Zinsen, ein gutesRating. Selbst konnte sich die Bank am Markt mit sagen wir5,75 Prozent refinanzieren. D.h. man hatte ein Marge von 0,5Prozent. Je hher die Betrge sind, um so mehr kann man aufdiese Weise verdienen. Bei der Sachsen LB ist es ein zweistel-liger Milliardenbetrag, der in einer solchen Zweckgesellschaftauenstehend ist. Die Gesellschaft hat sich Gelder jeweilsauf 1/ Jahr oder 1 Jahr geholt. Solange wie das Rating desBaukreditpools und das Rating der Gesellschaft dasselbe oderhnlich ist, luft der Prozess problemlos weiter. Wenn aber nach1 Jahr die Gelder fllig werden, die Zweckgesellschaft Gelderbraucht und am Markt der Eindruck entstanden ist, dass dieseGesellschaft nicht mehr so sicher ist wie vorher, dann bekommtsie am Markt das Geld nicht mehr mit 5,75 Prozent, sondernvielleicht nur noch mit 7 Prozent. Das heit jetzt macht dieZweckgesellschaft in den nchsten Jahren 1 Prozent minus. Unddas hlt die Sachsen-LB nicht lange durch. Aus den heutigenAbschreibungen werden jeden Tag Verluste.Wenn ein Haus in den USA fr 00.000 US-Dollar, die es nichtwert war, beliehen und jetzt fr 100.000 US-Dollar verkauftwird, dann kann sich das auf die Kette der Finanzierung soauswirken, dass diese 100.000 US-Dollar heute bei der WestLBals Verlust stehen mssen. Das sind dann keine vorbeugendenAbschreibungen mehr, das Geld ist schlicht weg.Wenn der Kufer des Hauses, der jetzt 100.000 US-Dollarzahlt das Objekt irgendwann wieder teurer verkaufen kann,dann macht er diesen Gewinn und nicht die West-LB. Auch der sogenannte vor- und nachbrsliche Handelvon Wertpapieren wird zwischen den Beteiligten per Telefonabgewickelt.

    KreditderivateSpezielle Form von Finanzkontrakten, die es gestat-tet, Kreditrisiken von den ihnen zugrunde liegendenGeschften (Kreditbeziehungen) zu isolieren undgetrennt zu handeln. Der Risikoverkufer (Siche-rungskufer beziehungsweise -nehmer) kann damit

    das Bonitts- oder Ausfallrisiko eines gewhrtenKredits, gekauften Wertpapiers oder einer sonstigenForderung gegen Zahlung einer Prmie fr einefestgesetzte Frist an einen Kontrahenten (Risikokuferoder Sicherungsverkufer beziehungsweise -geber)abtreten, ohne die betreffende Aktivposition veru-ern zu mssen. Im Gegenzug verpflichtet sich derRisikokufer bei Eintritt eines vertraglich fixiertenEreignisses (u. a. Bonittsverschlechterung, Zahlungs-verzug beziehungsweise Konkurs des Schuldners),den Schaden zu bernehmen, z. B. durch eineAusgleichszahlung. Grundformen sind Credit-Default-Swaps, Credit-linked-Notes, Credit-Spread-Optionsund Total-Return-Swaps. Kreditderivate werden nichtan Brsen, sondern berwiegend im Interbankenge-schft gehandelt.

    Meyers Lexikon online, http://lexikon.meyers.de(Stand 10.6.08)

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    US-Hypothekenkrise

    Die US-amerikanische Hypothekenkriseals Ausgangspunkt der Finanzkrise

    Mit der Frage nach dem Ausgangspunkt kommen wirzur US-amerikanischen Hypothekenkrise. Mit dieserHypothekenblase hat alles angefangen. Wer zahlt dareal, um welche Basispapiere - im Gegensatz zu den

    abgeleiteten Papieren (Derivaten) geht es da?Wenn man verstehen will, warum gerade die USA derAusgangspunkt der Krise waren, dann muss man das dor-tige System der Hypothekengewhrung anschauen, dassich sehr stark von unserem unterscheidet. Hierzulandehaben wir eine grundsolide Hypothekargesetzgebung:man beleiht nur zwischen 50 und 80 % des Wertes vonHaus und Grundstck. Es gibt keine Kreditvergabe ohneEinkommensprfung. In den USA wurden massenhaft Kre-dite an finanzschwache Kunden ohne jede Einkommens-prfung gegeben. Deshalb spricht man auch von einer

    Subprime Crisis - einer Krise aufgrund minderwertigerKredite. Hinzu kommt, dass bei uns eine Zinsbindungvon 10 oder gar 15 Jahren durchaus normal ist, durchwelche die Zinsbelastung kalkulierbar wird. Das kenntman in den USA kaum. Der Zins ist variabel und damitunkalkulierbar. Den Kunden wurden von den Anbieterndie Kredite in unverantwortlicher Weise frmlich aufge-drngt, weil mit der Kreditvergabe hohe Provisionenverbunden waren. Sie wurden damit gelockt, dass mandie Kreditnehmer Jahre zinsfrei stellte, - danach waraber der Marktzins fllig.

    Da sei kein Risiko dabei, erklrte man, denn selbst wenndas Einkommen fr Zins und Tilgung nicht reichen sollte,werde auf Grund der stndig steigenden Immobilein-preise eine Umschuldung problemlos mglich sein, unddabei seien dann auch noch ein Auto oder andereAnschaffungen finanzierbar. Das war im Grund genom-men die Gewhrung von Krediten, deren Deckung inder Hoffnung auf Immobileinpreissteigerungen bestand- und das konnte nicht auf Dauer gut gehen. Die Tilgungeines Kredits durch Verkauf oder Versteigerung ist letzteSicherheit, aber nicht Finanzierungsinstrument - ein Kreditsollte prinzipiell zurckbezahlt werden knnen.

    Der Irrsinn hatte aber Methode. Denn es ist gerade dasberhhte Risiko, das einerseits zur Absicherung in Formvon Derivaten drngt, andererseits eben wegen diesesRisikos exorbitante Gewinne verheit. Wenn Hypothe-karkredite dieser Art nur nach dem Primrrisiko beurteiltwrden, wrde sich keine Bank darauf einlassen. Aberwenn man Instrumente schafft, um in der geschildertenWeise den Einzelfall statistisch in einem Pool aufgehenzu lassen, hat man eine Form gefunden, in der sichsolches Geschft doch lohnt. Die Verbriefung - auchdie Ausgliederung in Zweckgesellschaften - machenes scheinbar berflssig, jeden Einzelkredit zu decken.So glaubte man, die Risiken beherrschen zu knnen.

    Daher hat auch bei uns unmittelbar nur der Verluste, derin den USA in Immobilien investiert hat, whrend der deutschePfandbriefmarkt nahezu unberhrt geblieben, der Zins praktischidentisch geblieben ist. Im brigen ist natrlich ist das Risiko nicht nureine Frage der Beleihungshhe, sondern vor allem auch der Lagedes Objekts. Es gibt Objekte in Randlagen, die schwer verkuflichund damit auch mit 50 % noch zu hoch beliehen sind, und andere,die man im Grund risikolos zu 100 % finanzieren knnte. Man muss sich i. . klarmachen, dass die Banken keineSchulden haben, die sie tilgen mssen, sondern als Glubiger

    entsteht dann, wenn die Zinsen steigen und wennsich die Risikoeinschtzungen verndern, - und genaudas ist passiert. Die Risikoeinschtzung der Papiere,denen US-Hypotheken mit zweifelhaften Zins-undTilgungsaussichten zugrundelagen (Sub-Prime-Market)verschlechterte sich angesichts steigender Zinsen undfallender Immobilienpreise in den USA dramatisch. Dies

    fhrte zu einer allgemeinen Vertrauenskrise, der Marktbrach regelrecht zusammen, da niemand mehr bereitwar, neue Papiere zu kaufen oder anderen Bankenkurzfristige Kredite zu geben

    Die Banken oder sonstigen Institute, die die am Swap-Markt gehandelten Papiere in ihren Forderungen hatten,mussten diese nun zu Ihrem Tageswert bewerten. Dader Markt aber zusammengebrochen war, musste deraktuelle Wert geschtzt werden und konnte zwischendem Anschaffungswert und Null, also vollstndigemVerlust, liegen! Es ging also um die Frage, zu welchem

    Preis die Tranchen, die sie hielten, handelbar wren,wenn damit gehandelt wrde. Und die Differenz zudem frheren Wert muss man abschreiben. Ob tatsch-lich ein Verlust eintritt, entscheidet sich erst noch, wennder Swap-Markt wieder funktionsfhig ist. Inzwischenfhren die Abschreibungen jedoch zu Verlusten, die zumKonkurs der Institute fhren knnen. Der Schwund desVertrauens zwischen den Banken und die Angst, in dieFolgen eines Zusammenbruchs einer Bank zu geraten,fhrten zudem zu einer Liquidittskrise, da die Bankennicht mehr bereit waren, sich untereinander kurzfristigeKredite zu geben.

    In einer solchen Situation, in der der Verdacht besteht,dass in dieser Kette einer nicht mehr zahlen kann,ist das gesamte Kartenhaus in Gefahr. Das Problembesteht darin, dass niemand den genauen Wert derVerluste und Ihre Verteilung auf die Beteiligten kennt,- es gibt verschiedene Schtzungen und der IWFkommt eben auf den genannten Schtzwert von einerBillion Dollar..

    Wer argumentieren wrde, dass die Vernichtungspekulativer Blasenwerte doch eigentlich eine er-

    wnschte Bereinigung sei, verkennt die Wirkungen.Das gilt selbst in Lndern wie Deutschland, wo dieSicherheit fr die Bankkunden, durch eine Bankpleitenicht alles zu verlieren, noch recht gro ist. Wenn einegroe Bank schlieen muss, reagieren Menschen undziehen Geld auch von bislang gesunden Banken ab.Es droht die Panik, der Bankrun, die allgemeine Pleiteund mit ihr Elend fr Millionen. Niemand kann daswollen. Andererseits stellt sich die Frage, ob privateSpekulanten damit quasi eine Sicherheit haben, dassnegative Folgen ihrer Geschfte automatisch von derGesellschaft getragen werden, wenn die allgemeinenRisiken nur gro genug sind.

    Die amerikanische Investementbbank Bear Stearns, diebeinahe Pleite gegangen und mit Hilfe einer Risikobernahmenin Hhe von 0 Millarden Dollar durch die amerikanische No-tenbank von J.P. Morgan bernommen wurde. war ein solcherFall von berschuldung. Ob diese Billion ein realer Betrag ist, das ist genauso eineFrage, wie die, ob der Brsenwert von Daimler-Benz ein realerBetrag ist. - Wenn ich Aktien verkaufe ja, wenn alle, nein!

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    Wachsende Ungleichgewichte

    Die entsprechende Finanzinnovation kam zwar ausden USA, wurde aber dann weltweit verwendet. DieBeteiligten am Handel der beschriebenen Papieresind keineswegs nur amerikanische Banken. Sogar dieKreditanstalt fr Wiederaufbau (KfW) hat selbst solchePakete an den Markt gebracht, - die Deutsche Bank,UBS, japanische Banken spielten mit.

    Dann platzte die Blase: Der Immobilienmarkt inden USA brach ein, die Werte der Immobiliensanken. Gleichzeitig stiegen die Leitzinsen derUS-Notenbank (FED) und damit der variable Zins frdie Hypothekarkredite. So wurden die Kreditnehmerdoppelt in die Zange genommen. Die FED hat dannbekanntlich gegengesteuert und kurz hintereinandermehrfach den Leitzins gesenkt, was aber wieder Infla-tion frdern drfte. Die Dramatik der Situation geradeder unteren Einkommensschichten wird noch deutlicher,wenn man wei, dass die Amerikaner kaum frmliche

    Konsumentenkredite kennen, sondern private Schuldenim Konsumbereich fast ausschlielich teuer ber Kre-ditkarten finanzieren, von denen jeder US-Brger imDurchschnitt mehrere besitzt.

    Es wre zu einfach, die Krise nur auf die unsolideHypothekarpraxis in den USA zurckzufhren. Entschei-dend ist vielmehr der unersttliche Verwertungstrieb,der diese Schwche fr sich auszunutzen sucht. Dasunterscheidet die Immobilienblase nicht von anderenBlasen, etwa denen an den Aktienmrkten, die immerwieder auftreten. Daher hatte jener Journalist der

    Frankfurter Rundschau Recht, der jngst den Begriff derFehlspekulation fr derlei Krisen als Verharmlosungkritisierte. Man solle lieber von kollektivem Spekulati-onsaberwitz, globalem Immobilienblasendelirium odermanischem kreditwirtschaftlichem Gewinnirresein spre-chen. Kurzschlssig wre es auch, davon auszugehen,dass es gar keinen Realwertbezug bei der Krise gbe.Es geht also nicht darum, die zugrunde liegenden Ge-schfte zu unterbinden. Sie mssen vielmehr wieder anden realwirtschaftlichen Gegebenheiten ausgerichtetwerden.

    In der ffentlichen Debatte spielt die Forderung, Fi-nanzinnovationen der geschilderten Art zu verbieten,wie z.B. Kettenbriefgeschfte verboten sind, nur eineRandrolle. Die Hauptakteure versuchen im Moment,Domino-Effekte zu verhindern, und sie berlegen, wieman diese Mrkte besser beaufsichtigen kann.

    Die Frage nach den Ursachen

    Warum passiert so etwas? Geht es nur um geldtech-nische Probleme oder stimmt etwas grundstzlich nicht?Auf die folgenden mglichen Ursachen mssen wir unsin diesem Zusammenhang konzentrieren:

    1. Geld als Vermgensgegenstand: die Theorie, dassGeld, Gold, Aktien usw. ein Portfolio im Sinne vonVermgen bilden. Wird das der Rolle des Geldes inder heutigen Wirtschaft gerecht?

    nur ihren Einsatz riskieren. Landesbanken etc. geben dieses Risikoan den Steuerzahler weiter, private Banken an ihre Kunden.

    . Selbstverstndnis der Banken und Finanzinstitutionen:die Auffassung, dass mit dem Stoff Geld mglichsthohe Gewinne erzielt werden mssen. Mssten Bankenaber nicht eigentlich Makler sein zwischen denen,die Geld brauchen und denen, die Geld haben?Solange Banken und Finanzinstitutionen Geld alsWare betrachten, die verkauft und gekauft wird, um

    Gewinn zu machen, sind die geschilderten Risikennicht vermeidbar.

    . Profitgier: Wenn Anteilseigner auf 5 % Eigenkapi-talrendite drngen und eine Bank dies dann zum Zielerklrt, ist sie dazu gezwungen, in entsprechend risiko-behaftete Geschfte zu gehen. Denn solche Gewinnelassen sich letztlich auch mit dem Abbau von Personalnicht erzielen.

    4. Inkonsequenz des Marktfundamentalismus: In denUSA gibt es eine Diskussion, ob der Staat intervenieren

    solle oder nicht. Die Marktfundamentalisten habenbisher gesagt: Lassen wir die Finanzmrkte machen,da geht dann auch mal einer pleite, das ist nur einedurchaus erwnschte Marktbereinigung. Aber jetzt rufenauch sie nach Konjunkturprogrammen, eine Auffangpro-gramm fr Immobilien im Sub-Prime-Bereich soll entwi-ckelt werden. Vorher hie es immer: Der Staat kann esnicht. Der Fall Sachsenbank, Bayerische Landesbankusw. zeigt das ja auch. Aber UBS, Deutsche Bank,Morgan Stanley und so weiter konnten es erkennbarauch nicht. Wieviel Kontrolle braucht der Markt, ist derMarkt berhaupt das richtige Instrument zur Steuerung

    der konomie?

    5. Illusion des unbegrenzten Geldwachstums: Land-wirtschaftliche Produktion, industrielle Warenproduktionkann nicht unbegrenzt wachsen. Durch die Geldillusio-nen entsteht immer wieder neu die Gefahr, dass sichdas Geld von der Realitt, als deren Stellvertreterwertes fungieren msste, abspaltet und ein Eigenlebenfhrt. Die Korrektur erfolgt dann auf chaotische undzerstrerische Weise, durch Inflation, Deflation undWirtschaftskrisen.

    6. Unklarheit ber die Funktion des Geldes: Kurzfristigesund langfristiges Geld hat vllig verschiedene Qualitt,die nicht nur eine Frage der Fristen ist. Wie knnenwir die verschiedenen Geldqualitten verstehen undhandhaben?

    Die kranke WeltmachtLeistungsbilanzdefizit der USA

    001 400 Mrd. US-Dollar005 75 Mrd. US-Dollar006 869 Mrd. US-Dollar

    Haushalt000 6, Mrd. US-Dollar berschuss005 18, Mrd. US-Dollar Defizit

    DollarkursOktober 000 1 Euro = 0,85 US-DollarApril 008 1 Euro = 1,5940 US-Dollar

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    Die Rolle des Dollar

    Wachsende Ungleichgewichte im Austauschder verschiedenen Volkswirtschaften

    Bevor wir uns in diese Ursachen weiter vertiefen, ms-sen wir das Bild der gegenwrtigen Situation noch ineiner bestimmten Richtung ergnzen. Wir haben esmit einem langfristig zunehmenden Ungleichgewicht

    in der Sphre des realwirtschaftlichen Austauschs derverschiedenen Volkswirtschaften zu tun, insbesonderezwischen den USA und dem Rest der Welt. In diesemZusammenhang mssen wir das Leistungsbilanzdefizitder USA, sodann das Haushaltsdefizit und zuletzt nocheinmal die private Verschuldungsproblematik in denVereinigten Staaten betrachten.

    Als Leistungsbilanz bezeichnet man das, was ein Landfr andere Lnder an Leistung erbringt, im Verhltniszu dem, was es von anderen Lndern in Anspruchnimmt. Wie im Kasten S. 10 dargestellt, ist die Leis-

    tungsbilanz der USA nicht nur negativ, - das Defizithat sich vielmehr in den Jahren seit 1997 deutlichvergrert, von 540 Milliarden auf 800 MilliardenUS-Dollar im Jahr 005. Die USA haben also aufKosten der restlichen Welt gelebt und mehr Leistungenaus anderen Lndern importiert, als sie exportiert ha-ben. Das kann man natrlich auch so interpretieren,dass die USA damit Beschftigung in anderen Ln-dern gesichert und Weltkonjunkturlokomotive gespielthaben. Der weltgrte Einzelhndler Walmart zumBeispiel verkauft grtenteils in China hergestellteWaren und generiert dort Beschftigung.

    Damit ist aber die Problematik verbunden, dass die USAso, wie sich ein einzelner beim Nachbarn verschuldet,bei ihren Lieferanten-Lndern in der Kreide stehen.Nur 0 % der deutschen Exporte gehen in die USA,der grte Teil in die EU. Auch wenn das Problemfr Deutschland also nicht allzu gro zu sein scheint,aus der Welt ist es dadurch nicht. Wieso leihen dieLnder dieser Erde den USA soviel Geld und denkenoffenbar sehr wenig ber die Rckzahlung nach? Wiefunktioniert das berhaupt, dass Lnder Waren liefern,aber im Gegenzug weniger Waren bekommen und

    damit Glubiger bleiben?

    Nun die Leistungsbilanz ist nicht ausgeglichen, aberdie Zahlungsbilanz immer! Die Differenzen vonLeistung und Gegenleistung werden durch Finanz-beziehungen ausgeglichen. Das Geld, das z.B. dieChinesen - inzwischen ist China einer der grtenGlubiger im System - von Walmart und anderenin den USA bekommen haben, und das sie nicht frKufe in den USA verwendet haben, haben sie wiederangelegt. Sie haben also z.B. fr das Geld, das sienicht fr Importe brauchten, amerikanische Schatzan-weisungen gekauft und erhalten dafr Zinsen. Mitt-lerweile hlt China Dollarbestnde, Euro-Bestnde,Schatzanweisungen usw. im Gesamtwert von 1 BillionDollar. Damit entsteht neben dem Ungleichgewichtauf den Gtermrkten ein Ungleichgewicht auf denGeldmrkten - in diesem Fall den Devisenmrkten, unddamit ein weiterer Unsicherheitsfaktor. China knntediese Summen natrlich auch in Gold halten, wases aber bisher nicht tut. Auch Saudi-Arabien, Japanund einige andere Lnder halten groe Devisen- undWertpapierbestnde.

    Wie kommt China zu seinen Dollarbestnden? berdie chinesische Notenbank: Am US-Markt erhalten dieFirmen, die dort verkaufen, Dollar, die sie bei ihrer Bankgegen Yuan tauschen. Die hortet die Dollar nicht , son-dern legt sie an, mit der Folge, dass eben mehr Geld

    in den Finanzmrkten Anlage sucht und damit dieInstabilitt erhht.

    Die normale Reaktion auf ein Leistungsbilanzdefizitwrde darin bestehen, mehr zu exportieren und weni-ger zu importieren. Daran denken die USA aber garnicht. Sie empfehlen den Chinesen, ihre Whrungaufzuwerten - was Chinas Exporte drosseln und damitdas Leistungsbilanzdefizit mindern wrde, woran aberwieder die Chinesen nicht denken. Sie argumentieren,dass sie als Entwicklungsland wachsen mssen unddass die USA halt mehr exportieren mssten. Der Yuan

    ist gegenwrtig nicht frei konvertibel, sondern sein Wertist an den Dollar gekoppelt.

    Auch fr China selbst tickt da eine Zeitbombe. Wrdeeines Tages der Druck so gro, dass eine Wechselkur-sanpassung unvermeidlich wrde, bestnde die Gefahreiner groen Wirtschaftskrise,. Fr China wre es sichergnstiger, eine politisch gut ausgehandelte Anhebung inkleinen Schritten von beispielsweise 5 % zu vollziehen,statt den Wechselkurs freizugeben.

    Da das Leistungsbilanzdefizit der USA von den Finanz-

    mrkten als Schwchezeichen angesehen wird, bestehtein weiterer Unsicherheitsfaktor, der tendenziell diedie Zahlungsfhigkeit der USA und die Stabilitt derWeltwirtschaft gefhrdet. Man knnte sich durchausvorstellen, dass China die Lage eines Tages benutzt,um gegen den Dollar zu spekulieren oder zumindestmit einer solchen Aktion zu drohen. Im Moment ge-schieht dies nicht, denn man wrde sich damit nurins eigene Fleisch schneiden. Das muss aber nicht fralle Zukunft gelten.

    Die Sicherheit des Geldes istlangfristig mit der Leitwhrungsfunktiondes Dollar unvereinbar

    Das zweite groe Problem besteht in der Tatsache,dass wir ein Weltwhrungssystem mit dem Dollar alsLeitwhrung haben. Der grte Teil aller Transaktionennicht nur der USA, sondern auch anderer Staaten unter-einander wird in Dollar abgewickelt. Das gilt z.B. frnahezu den gesamten lmarkt - unabhngig davon,wer dort kauft oder verkauft. Im Moment profitieren wir

    Chinas Devisenreservenin Milliarden US-Dollar von 000 - 006

    000 166

    00 86

    004 610 Zum Vergleich:

    Mai 006 95 Japan: 84Eurozone: 17USA: 41

    Quelle: Der Spiegel 7 / 006

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    Verschuldung

    davon, weil der steigende lpreis durch die Abwertungdes Dollar gegenber dem Euro abgemildert wird. DerDollar ist nach dem . Weltkrieg infolge der Beschlssevon Bretton Woods 1944 zur allgemeinen Reservewh-rung geworden - und damit hat ein Land, die USA, die

    Mglichkeit, mit einer Whrung, die es selbst schaffenkann, alle Zahlungsverpflichtungen zu erfllen, solan-ge der Rest der Welt den Dollar als Zahlungsmittelannimmt. Unter diesen Bedingungen haben die USAkein Problem, ihre Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren.Solange die Glubiger ihre Guthaben in Dollar halten,mssen sich die USA ber ihre Zahlungsfhigkeit keineGedanken machen. Man kann sich leicht ausmalen,wie der Internationale Whrungsfonds andere Lndermit vergleichbarem Defizit bedrngen wrde. Die USAleben ungeniert damit.

    Es muss gefragt werden, ob wir auf Dauer ein Welt-whrungssystem haben knnen, das auf dem Dollarbasiert. Fast alles spricht dafr, dass das internationaleZahlungssystem vom Dollar abgelst und auf eineinternationale Verrechnungseinheit umgestellt werdensollte, hnlich wie dies von John Maynard Keynesmit dem Bancor und Bernhard Lietaer mit der Terravorgeschlagen wurde. Damit wrde das Privileg eineseinzigen Landes, alle Verpflichtungen in eigener Wh-rung zu bezahlen, aufgehoben. Das ist natrlich einesehr umstrittene Forderung, weil hier massivste Interessenim Spiel sind.

    Warum halten die Akteure in China, Russland, denarabischen Staaten usw. berhaupt soviel Guthabenin Dollar? Im Sinne der Steigerung der Sicherungdes eigenen Vermgens wre es doch, in hrtereWhrung, also z.B. den Euro zu gehen. Das geschiehtzwar auch - die Devisenreserven in Euro in der Weltsind deutlich gestiegen -, aber doch nicht im eigentlichzu erwartenden Umfang. Hier spielen politisch-strate-gische berlegungen sicher eine groe Rolle. Zumeinen besteht die Furcht vor einer Destabilisierung derFinanzmrkte, aber zum anderen gibt es sicher auchdie Einschtzung, dass die USA sich strker als andereLnder fr die Freiheit des Geldverkehrs und den Inves-titionsschutz unabhngig von sozialen Beschrnkungeneinsetzen.

    Eine neue Entwicklung besteht darin, dass China, diel-Staaten und weitere Lnder das Geld nicht mehr inForm von Schatzanweisungen oder dergleichen haltenwollen, sondern langfristige Anlagen suchen. Dafrhaben sie staatliche Fonds gegrndet, in die ein erheb-licher Teil der Guthaben verlagert wird, um sie langfris-

    tig in ertragreichen und machtsichernden Investitionenanzulegen, um ber Unternehmenskufe die Kontrolleber Rohstoffquellen und Infrastruktureinrichtungen zuerlangen. Solange und soweit solche Kufe besser mitDollar, als mit anderen Whrungen erfolgen knnen,wird man beim Dollar bleiben. Da die Staatsfonds imUnterschied zu den Hedgefonds Machtgesichtspunkte

    strker gewichten als Renditegesichtspunkte, kommt hierein zustzliches Risiko in das Weltfinanzsystem.

    Das US-Haushaltsdefizit und dieVerschuldung der privaten Haushalte

    Was wir noch nicht betrachtet haben, ist das Haus-haltsdefizit der USA: Von 000 ab - haben die USAein sehr hohes Staatsdefizit, was viel mit dem Irakkriegzu tun hat. Eine Tendenz, dieses abzubauen, ist nichtsichtbar. Mit einem Haushaltsdefizit in Hhe von 6 %

    des BIP sind die USA auch weit entfernt von den in derEuro-Zone geltenden Stabilittskriterien von maximal%. blicherweise lst man so etwas durch Krzungder staatlichen Leistungen oder Steuererhhungen.Beides hat die US-Regierung nicht getan. Sie finanziertdie Defizite ber Staatsanleihen und vergrert so dieVerschuldung der Nation nach innen und auen.

    Charakteristisch fr die US-Wirtschaft ist auch, dass dieprivaten Haushalte mit Krediten ganz anderes umgehenals die Europer. Besonders die Deutschen gelten jaals geradezu pathologische Sparmeister, bei uns liegt

    die Sparquote bei 10, 11 oder 1 Prozent. In den USAwar sie in den letzten beiden Jahren wahrscheinlichnegativ. Auch wenn man mit dem statistischen Vergleichwegen der anderen Bedingungen vorsichtig sein muss:Tatsache ist, dass ein groer Teil der die Konjunktur tra-genden Konsumnachfrage in den USA kreditfinanziertist, was die Instabilitt erhht.

    Ein US-Brger hat in der Regel wenigstens 5 Kredit-karten, mit denen er jongliert. Die Aufsicht ist - wiebei den Hypotheken - sehr lax. Die Ausgabe vonKreditkarten ist nicht limitiert, man wird nicht gefragt,

    ob man bereits andere Karten besitzt und der Bezugzum Einkommen ist locker. Das geht bis dahin, dasses Kreditvermittler gibt, bei denen man problemlos dasnchste Gehalt verpfnden kann - zu entsprechendungnstigen Zinsbedingungen, die in Deutschlandals Wucher bezeichnet wrden. In Zeiten der Kon-junkturschwche ist das ein besonderes Problem. DieUngleichgewichte sind also auch auf Gewohnheitenund institutionelle Gegebenheiten in den USA selbstzurckzufhren. Dennoch ist die Immobilienblase keinblo amerikanisches Phnomen. hnliche Probleme gibtes bereits in Grobritannien, in Spanien zeichnet sicheine Immobilienkrise ab.

    Das Immobilienvermgen der USA wird sich nachSchtzungen von Wirtschaftswissenschaftlern um zweibis vier Billionen Dollar (1405 bis 811 Milliarden Euro)

    Statistisch sind die USA und Deutschland an manchenStellen schwer vergleichbar. Wrde man etwa die Schuldender deutschen Rentenversicherung kapitalisieren, ergbe sich beiuns eine hhere Prokopfverschuldung. Die aufgewiesenen Trendswrden jedoch durch eine derart bereinigte Statistik allenfallsgemildert.

    Kreditschulden in USAin Milliarden US-Dollar

    Hypotheken Konsumkredite1987 .500 8751997 5.000 1.500

    007 1.000 .500Quelle: FED-Reserve, Zahlen gerundet, nach: http://wirt-schaft-querschuss.blogspot.com/008/0/die-dominokrise.html, besucht am 9.4.08. Neue Adresse des Boolgs:http://wirtschaftquerschuss.blogspot.com

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    Rettungsversuche

    reduzieren. Vor der Krise hatte sich das Vermgen auf1 Billionen Dollar belaufen, berichtet die New YorkTimes. Laut Untersuchungsbericht eines Kongressaus-schusses werden in den USA bis Ende 009 zweiMillionen Familien wegen Zahlungsunfhigkeit ihr Hausverlieren. Etwa seit Mitte 005 / Anfang 006 sinddie Wohnimmobilienpreis in den Vereinigten Staaten

    steil nach unten gegangen. Ein Ende der Talfahrt istnicht in Sicht. (Vergleiche Kasten).

    Natrlich kann man fragen, ob nicht die davor liegen-de Steigerung das eigentliche Problem darstellte. Dasndert aber nichts an der akuten Krise. Die Gefahrenzeigen sich an der Menge der Hypotheken, die inder kommenden Zeit umfinanziert werden mssen.Diese Umfinanzierungsnotwendigkeiten erreichen erstin diesem Jahr ihren Gipfel. Angesichts eher wiedersteigender Zinsstze stellt sich die Frage: Sind wirwirklich schon am Ende der Krise?

    Rettungsaktionen und ihre Problematik

    Die Staatseingriffen sonst ja sehr skeptisch gegenber-stehende US-Regierung jedenfalls hlt die Lage fr soriskant, dass sie ein Gesetz im Kongress eingebrachthat, das besagt, dass den betroffenen Hausbesitzernvom Staat geholfen werden soll, um eine weitereVerschrfung der Krise zu verhindern. Das beziehtsich zwar zunchst auf Information und Beratung derBetroffenen durch neutrale Institutionen, schliet aber

    auch staatliche Finanzhilfen oder Kreditgarantien ein.Im Gesprch ist auch, ob die amerikanische Regie-rung oder die Notenbank einen Teil der Hypothekenaufkaufen soll, um Dominoeffekte zu verhindern. DieZinssenkung , die die FED vorgenommen hat, ist frmanche eine Hilfe fr die nchsten Monate. Aber da,wo schon die Tilgung nicht mehr geleistet werden kann,sind niedrigere Zinsstze natrlich keine Lsung. Es gibtBilder von amerikanischen Stdten, in denen farbigePunkte die Parzellen markieren, die einer Zwangsver-steigerung unterlagen. Da gibt es Muster wie nacheinem Bombenangriff.

    Auch in Deutschland ertnt pltzlich aus der Banken-branche der Ruf nach dem Staat, weil man merkt,

    Die Presse, Wien, 7. 10. 007 Geld zu verbilligen, um eine Rezession zu vermeiden,ist sicher keine ganz verfehlte Strategie, obwohl auch die Gefahrbesteht, dass die FED die Botschaft sendet: Ihr knnt soviel Mistbauen, wie ihr wollt, wir hauen euch raus.

    dass die Dinge aus dem Ruder laufen. Der Staat sollverhindern, dass Verluste dadurch realisiert werden,dass ein Finanzinstitut pleite geht, - was rational ist,denn eine Pleite droht immer eine Kettenreaktion aus-zulsen. Daher fordert z.B. Josef Ackermann von derDeutschen Bank, die erforderliche Liquiditt msse vonden Notenbanken kommen und der Staat msse die ge-

    setzlichen Rahmenbedingungen fr die entsprechendenFinanzgeschfte verndern.

    Wer trgt nun letztlich das Risiko und die Verluste? Beiden Banken im ffentlichen Eigentum - Kreditanstalt frWiederaufbau (KfW), Landesbanken - trgt der Steu-erzahler die Verluste. . Fr die Geschftsbanken undFonds sind die letzten Risikotrger die Eigentmer bzw.die Anleger. Die Notenbanken knnen in Bezug aufdas von ihnen geschaffene Geld nicht illiquide werdenund auch nicht in Konkurs gehen. Letztlich verteilensich die Krisenwirkungen aber in kaum vorhersehbarer

    Weise, sei es als Vermgensverlust, Einkommens- oderArbeitsplatzverlust, hhere Steuerbelastungen usw.

    Die Furcht vor Bank- oder allgemeinen Unternehmens-zusammenbrchen ist zugleich Eingestndnis derUnfhigkeit, eine Form zu finden, Unternehmungen aufsozialvertrgliche Weise sterben zu lassen, wenndie Zeit dafr gekommen ist. Wie kommt eine sozialeInitiative, ein Unternehmen, auf richtige Weise nicht nurins Leben hinein, sondern auch aus dem Leben heraus?Wir fhren die Bcher heute so, als ob alles ewig lebenwrde. Einer der hufigsten Grnde fr schwerste wirt-

    schaftliche Verwerfungen - im Kleinen und im Groen- ist die versptete Realisierung von Abschreibungsbe-darf. Ein Buchhndler oder Verleger, der nach einemJahr nicht sagen wir 40 % des Lagerwerts abschreibt,obwohl doch die Bcher vllig neu aussehen, hat schonverloren. Heute leistet die soziale Umgebung unfreiwilligdie Sterbehilfe, die aktiv und sozialvertrglich nicht zu-stande kommt. Und dabei geht dann oft Lebensfhigesmit unter. Bis in Buchhaltungs- und Bewertungsfragenhinein reicht also der Gestaltungsbedarf.

    Man htte ein weniger ungutes Gefhl bei den Rettungs-

    aktionen der Notenbanken , wenn diese den gleichenEifer, den sie bei der Rettung von Geschftsbankenzeigen, etwa bei der Bewltigung der Arbeitslosigkeitan den Tag legen wrden. Die Asymmetrie ist dasje-nige, was das soziale Empfinden emprt. Erschtterndist auch zu sehen, wie die Verantwortungstrger in derFinanzbranche so tun, als htten sie sich nichts vorzu-werfen. Niemand will Tter sein. Der Markt ist schuld!Die Aufsichtsrte und die Manager haben sich nichtsvorzuwerfen! - so tnt es. Im schlimmsten Fall winkenihnen immer noch hohe Abfindungen. In dieser Hinsichthat wenigstens der deutsche Bundesprsident Khlerklare Worte gefunden (s. Kasten S. 7). Dass man mitder Krise an die Grenzen des Marktgedankens stt,hat indes auch er nicht bemerkt. Die katastrophische Be-reinigung von Finanzkrisen durch das Marktgeschehenstatt bewusster Gestaltung ist menschenunwrdig. Allesbeim Alten zu lassen und nur besser aufzupassen undstrenger zu prfen und zu reglementieren, ist letztlicheine zum Scheitern verurteilte Strategie, wenn die Ursa-che der Krisen darin besteht, dass Finanzbeziehungenflschlicherweise als Marktbeziehungen organisiertwerden... Es wird allenfalls noch mehr Dokumentation,

    US-Hauspreisindex sinkt weiterDer Case-Shiller-Hauspreisindex fr 0 Metropolregi-onen, der wohl wichtigste Index zur Messung der Preis-entwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt ist im Februar008 um 1,7 % unter den Vorjahreswert gesunken undhat damit seine Talfahrt fortgesetzt. Der Abfall gegenberdem Vormonat betrug ,6 %. Der entsprechende Index frdie 10 grten Metropolregionen der USA sank um ,8% gegenber dem Vormonat und um 1,6 % gegenberdem Vorjahr.

    Quelle: http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-008-04/artikel-10699.asp

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    Von der Tausch- zur Kreditwirtschaft

    noch hhere Eigenkapitalquoten usw. bewirken - unddamit vermutlich die Falschen treffen.

    Was den Versuch der FED angeht, der Krise mit einerNiedrigzinspolitik entgegenzusteuern, so macht dieEuropische Zentralbank hier nicht mit, weil sie keinestrkere Inflation zulassen will. Sie beschrnkt sich

    darauf, liquide Mittel zur Verfgung zur stellen. Dasverschrft aber naturgem die Probleme im Verhltnisvon Euro und Dollar, weil der relativ hohe Zinssatzzustzlich Geld nach Europa zieht. Das wiederumverstrkt den Abwertungstrend des Dollar, verbessertaber die Exportchancen der US-Wirtschaft in RichtungEuropa. Es stellt sich die Frage, ob die USA Konjunk-turlokomotive der Welt bleiben oder ob es in denUSA eine Rezession gibt und diese dann nach Europaberschwappt. Stimmt berhaupt noch der alte Satz,dass Europa den Schnupfen bekommt, wenn Amerikahustet? Oder hat sich das entkoppelt? ber diese Frage

    gehen die Meinungen in der Fachwelt auseinander.Dass es das Risiko einer Weltrezession gibt, ist aberdennoch weitgehend unstrittig. Und wir werden umdie Entscheidung, ob wir nur partielle Reparaturen amSystem oder grundlegende Umgestaltungen vornehmenwollen, letztlich nicht herumkommen.

    Wer sind die Tter?

    Weitere berlegungen zurRolle von Rechtsordnung,Geldinstitutionen und AnlegernDie geschilderten Ereignisse bilden, was die Gren-ordnung angeht, ein vllig neues Kapitel in der Ge-schichte der Finanzkrisen. Es ist wichtig, die Vorgngenicht einfach zu verurteilen, sondern zu verstehen, - vorallem auch zu verstehen, was die Menschen eigentlichtun, die im Finanzsektor arbeiten. Die sogenannten

    Finanzinnovationen fallen ja nicht vom Himmel, sondernsind der Versuch, Probleme zu verarbeiten, die sich auseiner dahinter liegenden tatschlichen Entwicklung erge-ben. Die von dieser Entwicklung aufgeworfenen Fragenmssen verstanden werden, um beurteilen zu knnen,wo sich die Bewltigungsversuche gegen das sozialeund konomische Leben zu kehren beginnen.

    Es sei zum Verstndnis mit der scheinbaren Selbst-verstndlichkeit der Arbeitsteilung in der konomiebegonnen: die moderne konomie lebt restlos aus derZusammenarbeit. Produktion und Bedrfnisse sind nichtmehr kleinrumig verbunden, sie liegen nicht mehr in ei-

    Mglicherweise ist die japanische Erfahrung lehrreich.Japan, nachdem es lange als die aufstrebende WirtschaftsmachtNummer 1 angesehen worden war, geriet Anfang der 90er

    Jahre in eine gewaltige Krise. Der japanische Aktienindex sankinnerhalb krzester Zeit von 6.000 auf 11.000 Punkte. Eshalf nicht einmal, dass die japanische Zentralbank den Zins aufNull brachte. - Zeitweilig war er sogar, fr Banken, die Geldaufnahmen, negativ. Japan hat 15 Jahre gebraucht, um wiederzu Wachstum zu kommen. Das einleitende Referat in diesem Teil hielt Udo Herr-mannstorfer. Harald Spehl und Finanzpraktiker aus dem Teil-nehmerkreis ergnzten.

    ner Hand, sondern jeder Wirtschaftsprozess geht immerdurch das Ganze hindurch. Niemand lebt von dem, waser selbst tut, sein eigenes Produkt trennt sich radikal vonihm, und er selber lebt von Produkten anderer. Geradedas fhrt zu einer ungeheuren Entfaltung des gesamtenPotenzials der Menschen. Aus dem Spalt zwischenProduktion und Bedarf schlpfen neue Mglichkeiten

    der Produktivitt hervor, wie ein zustzliches Kaninchenaus dem Hut des Zauberers erscheint. Die Arbeitsteilungfhrt zu einer enormen Belebung der sozialen Prozesse.Sie ist immer zugleich mit der Frage gekoppelt, wie dasGeteilte zu verbinden ist: Wie wird getauscht, was wirfreinander leisten? Teilungs- und Verbindungsaspektekommen notwendig zusammen. Fr die Verbindung abermuss es ein Vereinfachungselement geben, einen neu-tralen Punkt, durch den die Vielheit der Gebrauchswertehindurchgeht. Dieses abstrakteste Element des Sozialenist das Geld, durch das wir alles auf einen Nennerbringen. Die Preisbildung ist nichts weiter als Verhltnis-

    bildung zwischen den Leistungen. Geld ist hierfr nurder Ausdruck. Man sieht es ihm nicht an, wofr es imeinzelnen steht. Aber wir brauchen es gerade deshalb alsVermittlungsinstrument. ber einen Geldvorgang knnenwir pfel und Birnen vergleichen!

    Das geht aber letztlich nur, wenn das Geld nicht selbstschon etwas ist. Lange war das Geld selbst noch einehalbe Realitt - indem es durch Gold gedeckt blieb.Einige sind voll Angst, seitdem das 1971 aufhrte, undklagen, wie furchtbar das sei, dass unser Geld nicht mehrgesichert sei. Bei Golddeckung wrde sich die Geld-

    menge begrenzen, so ein hufiges Argument und damitder ausufernden Geldspekulation eine Grenze gesetztwerden. Doch letztlich steht der soziale Organismus nichtauf Geld und Gold, sondern auf den Leistungen, fr diedieses der Ausdruck ist oder sein kann.

    Man mache sich auch klar, dass die Arbeitsteilungnur mglich wird, wenn in der Menschheit eine ganzandere Wachheit einzieht, als sie zuvor da war. DasBewusstsein richtet sich jetzt auf die Erde, Unternehmer-geist bricht auf, Entdeckungen werden gemacht usw.Wir bemerken jetzt, dass die Tauschwirtschaft nicht

    ausreicht. Die Tauschverhltnisses der Vergangenheitsind nach innen gerichtet und rckwrtsgewandt: mantauscht, was man hat, was bereits entstanden ist, da ist.Das moderne Unternehmertum schafft dagegen das Zu-knftige, was eben jetzt noch nicht da ist. Es entstehenIdeen, zu denen Realitt erst noch hinzukommen muss.An die Seite des Geldtauschs fr Ware (Kaufgeld) trittKredit, Kapital. Die Zeitachse dreht sich dabei um. Ichhabe eine Idee und ich will etwas realisieren. Das isteine ganz andere Tonlage als: Ich habe etwas brigund will es tauschen.

    Heraufkommen einerKredit- und Fhigkeitenwirtschaft

    Das Denken kommt da allerdings hufig nicht mit. ImGeiste behandelt man Leihgeld noch wie Kaufgeld.Aber der Unternehmerkredit ist keine persnlicheSchuld, vergleichbar der, die entsteht, wenn ich imLaden anschreiben lasse. Als Unternehmer habe ich einVersprechen geleistet! Ich brauche Geld nicht um zukonsumieren, sondern , sondern weil ich etwas schaffen

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    will! Das ist eine ganz andere Geldqualitt. In diesemSinne ist brigens auch Eigenkapital qualitativ Kredit-geld: Kapital und Kredit gehren zusammen, whrendauf der Tauschebene kein Kapitalbegriff existiert.

    Der Unternehmensbegriff ist kein Tauschbegriff. Natr-lich kann ich ein Kapitalvermgen auch ausgeben. Aber

    das ist nicht der Normalfall: Normalerweise geht esbeim Kapital darum, was man daraus macht. Es ist Pro-duktionsmittel, nicht Konsumgut, - ein Zukunftswert. DerSchnheitsfehler dieses Zukunftswertes besteht darin,dass ich ihn nicht heute schon in der Hand habe, wiebeim Gegenwartswert der Ware, die ich kaufe. Ichmuss mich auf den Handschlag und vielleicht noch dentreuen Augenaufschlag des Kapital- bzw. Kreditnehmersverlassen. Diese Lcke von der Gegenwart bis zur Rea-lisierung nennen wir Risiko. Es besteht in der beschrie-ben Umkehrung der Zeitachse: Erst Kapital, spter dieFrchte. Das ndert unser ganzes soziales Verhalten.

    Kreditfhigkeit ist eine Qualitt fr sich. Wenn wir dieRechtsmndigkeit erlangt haben, drfen wir Kaufvertr-ge abschlieen Beim Kredit geht es um die Frage: bistdu kredit-wrdig, d.h. kannst du vorgreifen, entfaltest duInitiative, bist du verlsslich, hltst du durch usw.? Ohnediese menschlichen Qualitten ist kein Kredit wirklichsicher. Die schnsten Plne ntzen nichts ohne die Kraftdes Menschen, der sie umsetzt. Wir leben heute we-niger in Kaufverhltnissen, mehr in Kreditverhltnissen.Wir sind vor allem mit der Ausgestaltung dieser Seitebeschftigt und diese Ausgestaltung hngt immer mitder Bewltigung des Zeitabstandes zusammen.

    An dieser Stelle wollen wir das Problem der Alterssiche-rung in unsere Betrachtungen einbeziehen. Frher wreman ausgelacht worden, wenn man davon gesprochenhtte, dass wir mehr als ein Viertel unserer Lebenszeitauf Rente oder Pension angewiesen sind. Durch dieAlterung der Gesellschaft wird dies aber immer mehrRealitt. Wo entsteht das Einkommen fr die immerlngere Zeit, in der wir nicht mehr ttig sind? Und wieschafft man es, dass diese Altersgelder sicher sind?Denn so wie das Unternehmerische das Risiko braucht,brauchen wir als Sparer Sicherheit. Wie bringen wir

    das unter einen Hut? Einerseits muss das Geld ja dort-hin flieen, wo es produktiv genutzt wird - also zumRisiko, andererseits wollen wir uns darauf verlassenknnen, dass wir im Alter nicht mittellos dastehen. AlsSparer denkt man: Ein Kuvert mit meiner Rente bleibtbrig, selbst wenn alles sonst zusammenbrechen mag.Andererseits darf man als Anleger nicht zuerst nach denRenten fragen. Wie gehen wir mit dieser Lebensspan-nung zwischen dem Investitionswillen des Kapitals undder Sicherungsproblematik richtig um?

    Solange Kapital und Kredit nicht im Zentrum der ko-nomie standen, haben Geldleiher und Wechsler sichum diesen Bereich gekmmert. In dem Moment, in demer ins Zentrum rckt, tritt auch eine neue Einrichtungdafr auf: die Banken. Die Banken sind natrlich auchGirokasse, aber das ist nur eine ihrer Funktionen. Vorallem ist die Bank notwendig als Vermittler zwischenSparwillen und Investitionswillen. Sie ist es, die denTransfer der beiden Elemente leisten, Gespartes undGebrauchtes so zusammenbringen muss, dass darausein lebensfhiger und nachhaltiger Prozess zu Standekommt. Das ist eine Frage der Fristen: Als Sparer und

    Rentner in spe wollen wir wissen, was wir in 40 Jahrenbekommen, als Unternehmer brauchen wir kurzfristigBewegungsspielraum. Die Bank hat das im Gleich-gewicht zu halten, weil Kurz- und Langfristigkeit nichteinfach so zusammenpassen. Bei der gegenwrtigenFinanzkrise ist dies genau das Problem: langfristigeAnlagen werden zusammengespannt mit kurzfristigen

    Kapitalmarktpapieren, was im Grund gegen die Ban-kerregel der gleichen Fristigkeiten verstt, die durch dieKapitalmarktdynamik einfach ausgehebelt wird.

    Was die Geldinstitute zu leisten htten, wird durch dasBild der Bank als soziales Kraftwerk gut getroffen: DieBank verwendet das stillgelegte Geld, den Stausee desGesparten, um daraus Kredite zu machen. Das ist wieein Umspannen: das Potenzial des Gestauten wird soerst fruchtbar. Der ganze Wohlstand der Moderne istdieser Umformung zu verdanken.

    Wie geht die Bank - idealtypischer Weise - als Kraft-werksbetreiber mit dem Risiko um? Alle Kredite sindin einem Topf. Aus diesem Topf gehen einige auchverloren. Andere gehen sehr gut. Die Mischung machtes, bei der ein Plus herauskommen muss. Um dassicherzustellen, gibt es vor der Kreditgewhrung einePrfung der Kreditwrdigkeit. Alles weitere ist Sacheder Solidaritt. Das Risiko wird verteilt, indem Ausfllesolidarisch auf alle Kredite umgelegt werden. Der Zinskann dann niemals ein abstrakter Anspruch des Geldessein, sondern ist ein Ertragsteil, Teil dessen, was perSaldo brigbleibt.

    Weitgehend haben Banken so gearbeitet, als Risikoaus-gleichsfonds. Das ist aber lange schon anders gewor-den. Der Sndenfall liegt darin, dass sich Banken nichtmehr als Vermittler zwischen Sparer und Kreditnehmer,sondern als Vertreter eines eigenen Geschftszweigesverstanden und aufgefhrt haben. Im Bankgeschftwird heute mit Kapitalprodukten gehandelt wie an-derswo mit Einbaukchen oder Kartoffelchips.

    Zerstrung der Vermittlerrolle derBanken und das Bankenprivileg

    Es hrt sich harmlos an, aber im Kern geschieht damitnicht weniger, als dass die Mittlerrolle der Banken ganzverloren geht. Banken vermarkten ein eigenes Produkt,mit dem sie mglichst viel verdienen wollen, weshalbsie jedes Risiko mglichst zu vermeiden versuchen. Jetztgeht es nicht mehr um Risikoausgleich, sondern mit demsogenannten Basel I I-Abkommen der Banken um dieBewertung jedes Einzelrisikos fr sich. Jeder Kredit wirdnach Risiko klassifiziert. Die Frderung bestimmter Pro-jekte und Ttigkeiten ber die Kreditkonditionen ist alsQuersubvention und Wettbewerbsverzerrung verboten.Die alte Solidargemeinschaft Bank ist aufgesplittert.Banken verwalten nur noch Einzelkonten und fhrenber sie Buch. Sie fhlen sich als Kapitalverwalter, nichtals Akteure einer Gemeinwirtschaft.

    Man muss brigens nicht nur differenzieren zwischenKonsumkrediten und Produktionskrediten, sondern auch diespezifische Qualitt bei der Verschuldung der ffentlichenHaushalten beachten: Die Kredite einer Kommune sind Infra-strukturfinanzierung, was ich gar nicht vergleichen kann mit denbeiden anderen Qualitten.

    Rolle der Banken

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    Diese Entsolidarisierung hat zur Wirkung, dass mehr alsje derjenige, der sehr viel hat, immer noch mehr be-kommen kann. Wenn man ber sehr viel Eigenkapitalverfgt, kann man alles machen und kommt leicht anGeld. Wer das nicht hat, kommt in die schlechtereRisikoklasse und gelangt nur, wenn berhaupt, unterkomplizierten Bedingungen an Geld. Wer Millionen

    anlegen kann, kann auch riskante Geschfte machenund groe Hebelwirkungen nutzen. Die Qualitt dersozialen Streuung, die eigentlich Aufgabe der Bankenwar, geht verloren. Der Kredit, da wenig profitabelund stark risikobehaftet, ist bei den Banken zusehendsunbeliebter geworden. Aus Renditegrnden versuchtman, die Kredite wenn mglich zu reduzieren. Amliebsten wrde man nur noch Kapitalanlagen vermit-teln. So haben die Banken ihre Unschuld als Mittlerdes Transfers verloren, betreiben ihr Eigengeschftund sortieren die Kredite nach ihrem eigenen Ertrags-gesichtspunkt. Geld ist aber etwas vllig anderes als

    ein privates Produkt!

    Das Ganze ist doppelt schlimm weil die Banken mittler-weile privilegierte Institutionen sind, denen der Geldver-kehr monopolartig zugeschrieben worden ist. Das ist imGrunde ein Systembruch, weil es durch Privilegien denWettbewerb einschrnkt, was normalerweise heftigenWiderspruch hervorrufen msste. Das Privileg der Ban-ken fhrt dazu, dass private Bankgeschfte - besondersauch im alternativen Bereich - verboten sind. Vermutlichwird die Konsequenz aus der Finanzkrise eine nochrestriktivere Handhabung dieses Grundsatzes sein. Dass

    ein Unternehmen Obligationen herausgeben darf, wievor kurzem in der Schweiz noch mglich, wird ganzder Vergangenheit angehren. Diese Monopolstellungder Banken knnte man noch akzeptieren, wenn diesewirklich Treuhnder wren. So aber ist es dubios und einganzes Gewerbe kommt in den Geruch, Insidergeschftezu machen, weil es Makler und Begnstigter zugleich ist.Wie knnen die Banken wieder zum ehrlichen Maklerwerden? Das ist eine wichtige Zukunftsfrage.

    Natrlich hat man auch frher Kreditantrge einer Pr-fung unterworfen - und was offensichtlich keinen realen

    Boden hatte, das wurde auch damals schon aussortiert.Aber jetzt wird berhaupt nur noch zugelassen, wasdie Rendite entsprechend mehrt. Der Solidarwille ver-schwindet. Solange ich ein gutes Risiko bin, habe ichmit den anderen nichts zu tun. Und weil das grteRisiko der Einzelne ist, kommen Kleinkredite - Kredite bis0.000, 50.000 Euro in die schlechteste Risikoklasse.Man muss gar nicht mehr hinschauen, welches konkreteProjekt durch den Kredit ermglicht werden soll.

    Noch gibt es ein paar Banken, die einen regionalenLeistungsauftrag haben, wie Sparkassen oder Kantonal-banken. Aber sie sind auf dem Rckzug und wissen oftselbst nicht mehr, worin ihre Gemeinwesenorientierungkonkret bestehen soll. So haben wir einen Umschwungin den Kapitalbewegungen, der in seiner neuen Qualittoft noch unterschtzt wird.

    Dies alles wird nicht aus Kapitalfeindschaft gesagt.Mageblich ist vielmehr die Frage, wie das, was sichim Kapitalwesen heranbilden will und durch die skiz-zierten Tendenzen zur Zeit deformiert wird, richtig zurErscheinung kommen kann.

    Hier spielt selbstverstndlich das Thema der Verzinsunghinein. Auch wenn an dieser Stelle hierber keineGrundsatzdiskussion gefhrt werden kann und soll, soist doch wichtig, sich klar zu machen, dass Zins, deraus einem Mehr durch Kapital entsteht, nicht qualitativdasselbe ist wie Zins, der nur durch ein Ausleihgeschftentsteht. Wenn ich Geld etwa fr Konsumzwecke gebe

    und mehr zurck haben will, als ich gegeben habe,schmlere ich das Einkommen des Kreditnehmers. Gebeich Geld, damit mehr daraus gemacht werden kannund ich erhalte einen Teil dieses Mehr zurck, dann istdies eine andere Wirkung. Zins auf Produktionskrediteist immer ein Anteil am Ertrag - unabhngig davon, oboder in welcher Hhe ich eine solche Ertragsbeteili-gung fr gerecht halte. Vielfach sind Zinsversprechenheute bei uns jedoch unabhngig vom Ertrag - andersetwa als es die Praxis islamischer Banken ist. - DasZinsverbot in den Religionen ist eben kein Ertragsbetei-ligungsverbot, sondern ein Verbot der Ausnutzung von

    Notlagen. Bei Eigenkapital praktizieren wir es genauso. Dividenden sind keine Zinsen. Allerdings zahlenwir hier den Preis des Durchgriffs der Shareholder aufdas Unternehmen.

    Zinseszinsdynamik muss gebrochen werden

    Was geschieht nun mit dem berschuss an Kapital, mitdem Ertrag? Er msste im Grunde wieder verbrauchtwerden. Heute halten wir es dagegen fr ganz selbst-verstndlich, dass man die Zinsen wieder dem Kapital

    zuschlagen kann. Dadurch entsteht der sogenannte Zin-seszins. Er erscheint nur auf den ersten Blick als harmlos,bei nherem Hinsehen zeigt sich eine lebensfeindlicheDynamik in Gestalt der bekannten exponentiellenKurve, die dazu fhrt, dass der berhmte Pfennig, denJoseph zur Zeit von Christi Geburt anlegt inzwischenrechnerisch den Wert einer Erdkugel aus Gold weitbersteigen msste. Das korrigiert sich katastrophisch,durch Hyperinflationen und Whrungsschnitte, ndertaber nichts daran, dass der Arbeitszwang, dem dasGeld unterliegt, immer mehr Zins hecken zu mssen,lebensfeindliche Wachstumszwnge erzeugt und zu

    einer Vermgensumverteilung fhrt: Das Wachstum derGeldvermgen bersteigt heute bei weitem das desSozialprodukts. Das Bedrfnis des Geldes nach Zinssetzt sich vor die realen Bedrfnisse. Der berhmteSatz von Kenneth Boulding nimmt das Problem aufsKorn: Wer glaubt, dass ein stetiges Wachstum ineiner begrenzten Welt ewig dauern kann, ist entwederverrckt oder ein konom.

    Am Anfang saugt der Geldbedarf, der aus einem realenund notwendigen Projekt folgt - z.B. einem Hausbau -,den Kredit an. Aber der Sog wandelt sich alsbald inDruck. In einer Periode, wo jeder bauen will, weil z.B.durch Krieg viel Wohnraum zerstrt wurde, ist dies keinProblem. Was aber, wenn der Bedarf an Wohnraumrelativ gesttigt ist? Wie soll die Bank ihre Geldgebermit Zins bedienen, wenn gerade niemand bauen will?Die erste Reaktion wre, jemanden zu finden, der dochbauen will, oder jemanden mit gnstigen Konditionen

    Diese Prozesse werden heute beschleunigt, weil be-stimmte Geschfte erst mit der heute durch die EDV erreichbarenRechengeschwindigkeit funktionieren, die an sich natrlich einenFortschritt darstellt.

    Zinseszinsdynamik

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    zum vorfristigen Baubeginn zu verlocken. Aber dieserStrategie sind Grenzen gesetzt. Auch Unternehmens-bernahmen und Immobilienkufe durch die Bankensind allenfalls nur eine Teillsung. Weil das so ist, suchtman fieberhaft nach Mglichkeiten, die Begrenzungender Wirklichkeit zu berschreiten, einen virtuellen Be-reich ohne Grenzen zu schaffen. Damit gelangen wir ins

    Reicht der Derivate. Es ist etwas anderes, ob die Ban-ken auf reale Investoren angewiesen sind, oder ob sieGeldgeschfte ttigen, die in Wetten darauf bestehen,objemand ein Haus baut! Auf diese Weise kann manviele Eierumstze mit immer denselben Eiern schaffen.Es gibt dabei nur zwei prinzipielle Probleme: Erstensmuss man gengend Spieler finden. Und zweitens mussman verhindern, dass das Geld wieder zurckkommenwill in die Realitt. Cash/Kasse machen kann nur derEinzelne, wenn er sein Papier verkauft. Wenn alledas machen, haben wir statt Cash den Crash. Abersolange sie schwebt, ist jede Blase in Ordnung, denn

    solange platzt sie nicht. So entsteht ein permanenterDruck, neue Finanzprodukte zu erfinden und die Blaseim Schwebezustand halten.

    Derivate sind Ersatzprodukte, Kunstprodukte. Wenneine Aktie im Wert von 100 Euro um 10 % steigt,lsst sie sich fr 110 Euro verkaufen und der Verkufergewinnt 10 %. Wenn ich fr 10 Euro eine Wette aufden Anstieg des Aktie abschliee, die - wenn ich siegewinne - mir 10 Euro Wertzuwachs bringt, habe ich100 % Gewinn, nicht 10 %. Man nennt das Hebel.Der kleine Schritt ins Wettgeschft lsst uns eine

    Welt auerhalb der Realwelt betreten. Denn jedersagt: ich kann doch Wetten abschlieen wie ich will.Darum zhlen die Wetten auch nicht zum normalenGeld, sie gehren nicht zum Bankgeschft. Daraufberuft sich die US-Notenbank (FED), wenn sie sichseit einiger Zeit weigert, Daten ber die sogenannteGeldmenge M zu verffentlichen. Darauf berufensich auch die Finanzmanager, wenn es darum geht,die Forderung nach Regulierung oder wenigstensRegistrierung solcher Geschfte abzuweisen. Manversucht den Anschein zu erwecken, als habe diesesKasino mit der Wirtschaft nicht nur nichts zu tun,

    sondern auch keine Rckwirkungen auf sie. Und dieBanken versuchen, sich Spielerlaubnisse zu besorgen,d.h. Risikokredite zu geben, als ob wir es mit einemvllig getrennten Kreislauf zu tun htten und es sichum Spiel-Chips handelte, mit denen gefahrlos gezocktwerden kann. Es sind die gleichen Leute, die Basel IIverhandelt haben, um das Kreditrisiko fr die Bankenzu minimieren, die selbst immer riskantere Geschftemachen, ohne dafr die Sicherheiten zu bieten, diesie von andern einfordern.

    Man darf diese Kritik an der Geldspekulation nichtfalsch verstehen: Im Kreditwesen wird immer Hoffnungmitgebucht, denn es muss auf die Zukunft vorgreifen undhat dadurch notwendig etwas Schwebendes. Die Frageist: Wo wird die Blase ungesund, lebensbedrohlich, wobeginnt die Zinseszinskurve ihre zerstrerische Funktionzu entfalten? Und wie knnen wir dort die Zinsdynamikunterbrechen und veranlassen, dass der Zinseszinsimmer wieder verbraucht wird? Wir mssen offenbarder Exponentialfunktion eine Abwertungsfunktion ent-gegensetzen. Wie verzehrt sich Kapital auf richtigeWeise wieder, und wie wird dadurch verhindert, dass

    der Druck so gro wird, dass er alle Grenzen desVernnftigen durchbricht? Wie bereits gesagt wurde,sorgt heute die Krise fr das Brechen der Zinseszinsdy-namik, aber auf naturhaft katastrophische Weise, nichtwie es dem modernen Menschen angemessen wredurch bewusste Gestaltung. Der Markt bereinigt, aberohne Rcksicht auf die Betroffenen. Wir rechnen und

    buchen, als ob die Aufzinsung nie aufhrte. Und wirstellen Blasenwerte in reale Bilanzen ein, ohne unshinreichend ber die Berechtigung dieses Vorgehensklar zu sein.

    Was ist Investition?

    Geld stinkt nicht, sagt man, es ist geruchsneutral, egalob es auf Finanzmrkten verzockt oder in sinnvolleProjekte investiert wird. Unser Begriff der Investition istals solcher ganz unscharf geworden. Was ist damit

    gemeint? Das Volkseinkommen kann man konsumierenoder investieren, ausgeben oder sparen. Ist darum aberalles nicht ausgegebene Geld, alles Gesparte wirklichschon Investition, bevor noch etwas real damit passiertist? Dann wre Kassenhaltung bereits Investition, wasauch vielfach heute so gesehen wird. Richtig ist, dassin jedem Geld ein Potenzial steckt. Aber entscheidendist, was man daraus macht. Sparen und Horten: dasist ein Unterschied. Wenn wir uns auf solche Differen-zierungen nicht einlassen, fhrt das dazu, dass manjeden Betrag als Wert buchen kann, auch wenn er garkeinen Nutzen stiftet: Nominale Gleichwertigkeit ohne

    werthaltige Deckung. Selbst ominseste Wertpapierezu kaufen, gilt als Investition, gleichgltig welche - unterUmstnden zerstrerischen - Wirkungen damit ausgelstwerden.

    Diese formale Gleichsetzung, womit Geld sich nicht ander Realitt beweisen muss, fhrt in der Konsequenz zurEntwicklung jener sich immer mehr von der Realitt ab-lsenden Geldwirtschaft, die wir hier studieren konnten.Es handelt sich um Eigendynamiken, selbstreferentielleBewertungsmechanismen eines Marktes, auf dem mitVorstellungen, Hoffnungen und Erwartungen gehandelt

    wird. Stockt dieser Handel, bricht alles zusammen unddie Wirklichkeitsprfung, ob und womit dies alles denngedeckt ist, setzt ein.

    Zurck zu unserer Frage nach dem Spannungsverhltniszwischen Sicherheitsbedrfnis und Risikosituation. Wasmuss man tun, damit Geld einigermaen sicher berdie Runden kommt? Genau betrachtet ist es ja garnicht das Geld als solches, das ber die Zeit kommt.Wenn wir die Welt ruinieren, ntzt uns ein Geldbetragnichts. Das Sparen in der Geldwirtschaft vollzieht sicheben nicht so ber Geld, wie in der Naturalwirtschaftber Naturalien. Josef konnte in den sieben fetten JahrenKornspeicher anlegen fr die sieben mageren - und allekonnten dann davon essen. Geld jedoch kann mannicht essen und alle mssten verhungern, wenn nichtsals das Geld aufbewahrt wrde. Daher das Insistierenauf der Frage nach der Realwirtschaft. Es ist die Frage,wie wir im Ganzen des gesellschaftlichen Prozessesstehen. Was mssen wir heute tun, damit in 0 oder0 Jahren der soziale Organismus das leistet, was wirdann brauchen und wofr unsere Pensionsgelder nurein Stellvertreterwert sind?

    Investition

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    Mittterschaft oder Mitverantwortung?Altersvorsorge und Kapitalwirksamkeit

    Es ist nicht zu leugnen: mit die wichtigsten Auftraggeberder Spekulanten sind die groen Pensionsfonds - alleindie kalifornische Lehrerpensionskasse ist mit 50 Milliar-den Dollar gefllt. Und mit ihnen werden alle zu Ttern,

    die durch solche Fonds im Alter sicher sein wollen. DieRisikofrage ist nicht einfach ein Sachzwang, sonderndas Bedrfnis der Menschen nach Mehr verstrkt dieAnlagephantasie, die raffiniert Zeitdifferenzen ausnutzt,und mit ihr das groe Risiko. Gewiss gibt es noch Un-terschiede in einzelnen Lndern - so sind die deutschenBanken seit vielen Jahren damit beschftigt, den eherkonservativen deutschen Anlegern Aktien und Derivateschmackhaft zu machen. Aber die Unterschiede werdengeringer. Auf der anderen Seite: Wenn der kleine Manngar kein Risiko nehmen will und die Banken auch nur einmglichst geringes, dann nehmen die Hedge-Fonds das

    Risiko und lassen sich dafr mglichst teuer bezahlen.

    An und fr sich sind beide Formen der Alterssicherung,Umlagefinanzierung und Kapitaldeckung, legitim. Aller-dings nur, wenn Kapitaldeckung im Kontext mit der realenReichtumsvermehrung durch das Kapital verstanden wird.Es ist interessant, einmal zu berlegen, was man eigent-lich zur Alterssicherung unternehmen knnte, wenn mandabei auf sich allein gestellt wre und man keine Unter-nehmensanteile und keine Grundstcke kaufen knnte?Dann bliebe nur die Grndung eines Unternehmens,dessen Kreditgeber und Kreditnehmer ich dann gleich-

    zeitig wre. Was ich durch meine Fhigkeiten aus demKredit mache, davon wre mein Alterseinkommen dannabhngig. Fhigkeiten sind die gemeinsame Quelle vonUmlagen und Ertrgen. So unberechtigt und vordergrn-dig die Polemiken gegen das Umlageverfahren vielfachsind: unverkennbar ist doch, dass es an Grenzen kommt- auch, weil Lohnanteile zur Finanzierung nicht mehrausreichen. Die Frage, wie die notwendigen Zuwchseentstehen, ist nicht hintergehbar. Damit kommen wir abervon der Perspektive der Teilung des je Vorhanden zu derder Sicherstellung zuknftiger Ertrge. Und deshalb ms-sen wir alle nicht nur an unserer eigenen Alterssicherung,

    nicht an einem Einzelunternehmen oder einer einzelnenBranche, sondern an der Gesundheit des ganzen sozi-alen Organismus interessiert sein.

    Schlielich muss bei der Bewertung der heutigenFinanztechniken immer auch gefragt werden, wozudieses oder jenes Instrument im konkreten Fall genutztwird und von wem. Oft haben wir Mehrfachlagender Motivation - ich kann eine Finanzierungstechnikprimr fr mich oder fr andere einsetzen. Der Zusam-menhang entscheidet. Heute haben wir es mit einerneoliberalen Denkweise zu tun, deren Credo dieRisikotragfhigkeit des Einzelnen ist und der sozialeberlegungen wesensfremd sind. In den notwendigenradikalen Vernderungen der Finanzwirtschaft darfihre eigentliche Aufgabe, die Realwirtschaft mit Geldzu versorgen, nicht mit untergehen, sondern sie mussvielmehr strker zum Tragen kommen. Wie auch immerman die Einkommensfrage anschaut, ob man zumBeispiel ein bedingungsloses Grundeinkommen alsSchritt in die Zukunft befrwortet: letzten Ende gehtdies alles nur, wenn Kapitalertrge da sind. Sie sinddie Grundlage fr die Festlegung von Anteilen.

    Kann man Geld sichern?Notwendige gesellschaftlicheVernderung -Vorschlge fr ein funktions-

    fhiges Geldsystem

    Die Finanzkrise zeigt, dass bisherige Formen der Risi-koabsicherung nicht mehr tragfhig sind. Wir habendas bisher primr an den Banken studiert, man mussaber auch die Versicherungswirtschaft mit einbeziehen.Die Anlsse fr Geldanlagen sind dort zwar andere,aber es geht um die gleiche Frage: Was macht manmit dem Geld? Das ist die erste Fragebei der Suchenach Alternativen. Steht der Erwerbszweck im Vorder-

    grund, so ist die Rendite Selbstzweck; ansonsten istdie Verzinsung nicht Zweck, sondern Mittel. Mit wel-chem Ziel legt eine Versicherung das Geld an? Gibtes kologische, ethische Gesichtspunkte? Der zweitePunkt: Es muss beachtet werden, dass Kapital nichtgleich Kapital ist. Wir mssen vielmehr den Sinn frKapitalqualitten entwickeln. Der Kredit, die Hypothek,das Spekulationspapier mgen auf die gleiche Summelauten: der Sache nach sind sie nicht dasselbe. Undder dritte Punktist dann die Zinseszinsfrage: Muss sicheine rentable Investition immer wieder neu investieren- oder gibt es auch andere Verwendungsmglichkeiten

    als die Reinvestition. Mehr und immer mehr - wo fhrtdas hin? Das vierte Problem - das in die Verbriefungberhaupt hineingefhrt hat - ist die Verkuflichkeit vonUnternehmen und Boden. Nur im Hinblick auf diedaraus abgeleiteten Rechte knnen Forderungen inder gekennzeichneten Art abgetreten werden. Fnftenshaben wir dann das Problem der Entsolidarisierung: derSelbstbezogenheit der Unternehmen im Finanzsektor.Die Begrndung der Banken fr diesen Weg lautetzumeist: Wir mssen verhindern, dass wir bernommenwerden. Das wre wiederum berhaupt nicht mglich,wenn die Aktie nicht ein Verfgungsrecht ber das

    Unternehmen wre.

    Die groen Beteiligungen durch die erwhnten Staats-fonds aus Asien bringen eine neue Diskussion darberherauf, was die Verkuflichkeit von Eigentumstiteln undForderungen bedeutet. Es ist zu hoffen, dass dieseDiskussion nicht an der Oberflche bleibt, sonderntransparent macht, was damit eigentlich verbunden ist:Ein Unternehmen kann die Verpflichtungen, die es einemPartner gegenber eingegangen ist, verkaufen - unddieser Partner muss mit einem neuen Vertragspartner zuRecht kommen, mit dem er bisher nie zu tun gehabt hat.Unabhngig davon, ob dieser neue Partner zivilisierteroder rabiater, seriser oder unseriser agiert: DasEindringen in eine vertragliche Beziehung ist im Grundals solches bereits ein Skandal. Unter banktechnischenGesichtspunkten verschwindet der Mensch oder dieMenschen, mit denen andere Menschen eine Verein-barung getroffen haben.

    Das einleitende Referat in diesem Teil hielt Udo Herr-mannstorfer. Harald Spehl und andere ergnzten.

    Kapitalertrge

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    Die Pensionskasse PUK -ein praktisches Beispiel

    Bei der Frage nach den Handlungsrichtungen, die ausder Misere herausfhren, gibt es zunchst die Ebene,auf der ich persnlich agieren kann. Ein Beispiel dafr,wie man den eigenen Handlungsraum nutzen kann,

    ist die Schweizer Pensionskasse fr Unternehmen,Knstler und Freischaffende (PUK). Sie entstand ausberlegungen zur Alterssicherung. Die Schweiz hatte1984 beschlossen, das Umlageverfahren, das manangesichts des Bevlkerungsrckgangs nicht mehr frausreichend hielt, durch ein Kapitalansparverfahrenzu ergnzen. Das heit jeder Schweizer im Be-schftigungsverhltnis muss neben den Beitrgen zurGrundsicherung (AHV) eine individuelle Versicherungabschlieen (. Sule). Hier wurde innerhalb jedesBetriebes eine eigene selbstverwaltete Kasse gebildet,in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hlfte

    einzahlen. Alternativ knnen auch Sammelstiftungenmit der Verwaltung der Gelder beauftragt werden.Der angesparte Betrag ist persnliches Vermgendes Arbeitnehmers. Ein Kreis von Menschen ausder anthroposophischen und alternativen Szene, diekonventionellen Formen der Kapitaldeckung kritischgegenberstanden, fassten 1984 den Entschluss, eineeigene Pensionskasse zu grnden. Nach 0 Jahrenhatte diese Kasse - eine Sammelstiftung - dann 50Millionen Schweizer Franken eingesammelt, 00 Ein-richtungen und mehrere Tausend Mitglieder waren ihrangeschlossen. Eine solche Kasse lebt mit der schon

    geschilderten Problematik: Altersgeld soll sicher sein- was muss in der Zwischenzeit passieren, wo muss esangelegt werden, damit es im Alter den Menschen zurVerfgung steht? Der erste Gedanke war, das Gelddenen zu geben, von denen es kommt, es in den Ein-richtungen arbeiten zu lassen. Man erfuhr aber dannbald, dass das zu eng ist und nur einen Randbereichder Anlagen ausmachen kann. - Dies war frher schonder Grund, warum man in Betriebspensionskassen dasGeld nicht im eigenen Unternehmen anlegen durfte:man wollte das Risiko nicht eskalieren lassen und dieArbeitnehmer schtzen.

    Die Antwort - die von allen Mitgliedern gemeinsamgetragen wurde - war ein Satzungs- und Anlage-reglement, das Wert darauf legt, dass die Projekte, indie Geld fliet, menschen- und naturgerecht sind. EinAusschlusskatalog soll verhindern, dass Geld in Rstung,Atomindustrie usw. fliet. In der Praxis sind solcheAusschlsse nicht immer so einfach. In Eisenbahnnetzezu investieren ist kologisch, - was aber wenn dieStreckenplanung mit den logistischen Bedrfnissen derNATO abgestimmt wird? Vllige Unbeflecktheit ist ineiner vernetzten konomie kaum zu realisieren, aberdie Hauptrichtung muss stimmen, Kompromisse drfenkeine faulen Kompromisse sein! Die allererste Frage,die sich der Stiftungsrat bei Antrgen stellt, ist die nachder Sinnhaftigkeit des Projekts. Dann kommt die Fragenach den eigenen Interessen, durch die aber nicht derBlick auf die Hauptfrage verstellt sein darf. Inzwischen

    Man bemerkt das Problem aber auch ohne gesetzlicheNtigung. So hat der Sicherungsfonds der Schweizer Waldorf-schulen - bei dem es um die sogenannten selbststndig erwer-benden LehrerInnnen geht - erhebliche Deckungsprobleme durchdie gegenwrtige Schrumpfung der Zahl der Unterrichtenden.

    hat man deshalb bei Kreditantrgen eine Kommissionvorgeschaltet, die die sachliche Seite prft, so dass derStiftungsrat sich noch mehr auf die Frage konzentrierenkann, ob die PUK das Projekt will oder nicht. Bei denKriterien der Anlage spielt natrlich auch die Kapital-qualitt ein wichtige Rolle. Zuerst galt die Linie KeineAktien, die man auch lange durchhielt. Aber ist das so

    pauschal berhaupt richtig? Und wenn nicht die Aktie:welche anderen Finanzierungsformen muss man dieStelle setzen? Was, wenn eine Solarfirma an die Brsegeht? Gerade dieser Fall trat auf und fhrt seit Monatenzu Diskussionen, auch mit anderen Pensionskassen, diemit im Boot sind.

    Von zentraler Wichtigkeit: Wie verhindert man, dassdie Zinsdynamik losbricht? Dazu hat man die Perfor-mance dicht an der Mindestverzinsung gehalten. Eindarber hinausgehender berschuss wird nicht nur andie Versicherungsnehmer, sondern auch fr andere

    Zwecke aufgeteilt. Da die PUK auch - aus Grnden derSoliditt - relativ konventionell anlegt - liegt die Verzin-sung ber Jahrzehnte relativ stabil bei 4,5%. Auf demHhepunkt der Brseneuphorie lagen andere Kassenbei 15%, und man musste sich gegen den Vorwurfwehren, man sei unfhig, betrge die Mitglieder usw.Nach jedem Crash kippt diese Stimmung - und mankann dann beispielsweise in der Presse lesen, dass esin der Schweiz auch noch solide Pensionskassen gibt,die keine Verluste machen. Bei Rankings gehrte diePUK zu den Besten in der Schweiz. Nachhaltig zudenken und nicht jeder kurzfristigen Renditeaussicht zu

    folgen, zahlt sich eben aus.

    Solidarische Kreditsicherung

    Wie geht die PUK mit der Risikofrage um? Dass aucheinmal eine Investition abgeschrieben werden muss, istja nicht auszuschlieen - auch wenn die PUK faktisch nureinen Ausfall in 5 Jahren hatte. Risiko knnen nur alleBeteiligten gemeinsam bewltigen. So akzeptieren dieVersicherungsnehmer eine relativ niedrige Verzinsung,die Kreditnehmer haften im Gegenzug solidarisch fr

    ausgefallene Kredite - soweit die Verluste Rckstellungenund Rcklagen berschreiten. In diesem Fall kann vonallen Kreditnehmern bis zu Jahren ein bis zu % h-herer Zinssatz eingefordert werden. Dies ist vertraglichso geregelt. Der eine Fall zeigte, dass dieser Verpflich-tung auch 100%ig nachgekommen wurde.

    Immer wieder geht es darum, die beschriebeneSpannung zwischen Leben und Risiko einerseits undSicherheit andererseits zu bewltigen. Welche Instru-mente und Organe sind hierfr ntig? Auch die heuteblichen problematischen Instrumente sollen ja in dieserSpannung etwas bewirken. Frher hat die PUK vielber Hypotheken abgesichert. Die Hypothek nimmtbei uns aber kaum am Leben teil. Das Gegenteil istbeim Direktkredit der Fall: Dann nimmt man zu stark teil,man braucht z.B. das Geld, aber das Unternehmenist gerade in Schwierigkeiten. Man muss sich also vorEinseitigkeiten hten, vor allen Dingen aber braucht esdas organisierte Gesprch zwischen geldanlegendenEinrichtungen und Initiativtrgern/Kreditnehmern. Wasmacht man z.B. mit dem Liquidittspolster von 15Millionen Franken, das die Kasse haben muss - unter

    Altersvorsorge und Kapitalwirksamkeit

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    anderem, weil jeder Beteiligte sofort die PUK verlassenkann, wenn er will? Der Ansatz war ein Liquidittsver-bund zwischen den Einrichtungen, der diesen teureKontokorrentkredite erspart und zugleich verhindert,dass das Geld nicht genutzt wird.

    Solidaritt kann niemals eine Einbahnstrae sein.

    Die Sache wird ruiniert, wenn jeder nur fragt, was erbekommt und nicht auch, was er einbringen kann. Esist sinnvoll beim Erwerb von gnstigem Wohnraum zuhelfen, aber eben nur, wenn dem eine Bereitschaftgegenbersteht, beispielsweise beim Verkauf desHauses einen Teil des Erlses wieder an die Solidar-gemeinschaft zurckzufhren. Wenn in der BRD diejahrzehntelange Wohnbaufinanzierung mit diesemGegenstromansatz gearbeitet htte, also beispielwei-se 0 % vom Zugewinn beim Verkauf zurckgefhrtworden wren: Was htten wir fr ein Vermgen frgemeinwesenorientierten Wohnungsbau!

    Wie geht man mit den beschriebenen Differenzierungenum, z.B. den Bewertungsproblemen der Immobilienoder den Unwgbarkeiten der Unternehmensfinan-zierung, die sich etwa aus Haftungsfragen ergeben?Die PUK ist den Weg gegangen, die Immobilienfragein eine eigene Immobilien-Gesellschaft auszugliedernund die Grndung einer unabhngigen Stiftung zurFrderung von Nutzungseigentum zu betreiben. FrUnternehmen wiederum ist eine Beteiligungsgesellschaftins Leben gerufen worden, die Coopera. An der ist diePUK beteiligt, ohne sich zu stark ins operative Geschft

    der Unternehmensfinanzierung hineinziehen lassen zumssen. Das heit, man kann Beitrge leisten zu Initi-ativen, die man nicht selbst betreiben kann und sollte,die aber fr das gesamte Netzwerk wichtig sind, daswir knpfen mssen.

    Wichtig ist, an der Linie festzuhalten, dass eine al-ternative Pensionskasse nicht einfach irgend etwaskauft, was Rendite verspricht. Wenn wir dagegen eineSumme von 0 Millionen Franken zur Verfgung stellenund die Banken um Vorschlge fr einen passenden- den Kriterien der Nachhaltigkeit usw. entsprechenden

    Fonds - bitten, also eine Art Ausschreibung machen,dann mssen sich die Banken auf unsere Forderungeneinstellen, dann schpfen wir unseren Handlungsraumaus.

    Wie jede andere Kasse muss die PUK also Anlageent-scheidungen treffen und hat ein Vermgen zu verwalten.Sie versucht damit aber anders umzugehen, als diekonventionellen Kassen und damit den herrschendenTendenzen entgegenzuwirken. Unter anderen Bedin-gungen versuchen in Deutschland die HannoverschenKassen - und im Bankwesen die GLS Gemeinschafts-bank e.G. - in hnlicher Richtung zu wirken.

    Geld sichernheit Zeit berbrcken

    Beim Sparen, nicht nur frs Alter, geht es um ber-brckung der Zeit, wie wir gesehen haben. Auch inDeutschland ist das Umlageverfahren - das allerdingsanderen Regeln folgt als in der Schweiz - durch eine- im Gegensatz zur Schweiz - nicht obligatorische

    Zweite Sule, die Riester-Rente, ergnzt worden.Das Riestern wird vom Staat untersttzt - und amRiestern wird privat verdient. Insofern ist die Polemikgegen das Umlageverfahren oft nicht ehrlich. Beider Riester-Rente geht mein Geld in Aktienfonds oderdergleichen - und der Anbieter garantiert mir eine be-stimmte Auszahlung. Ich berlasse die Alterssicherung

    dabei einem anonymen Markt, der auf teilweise sehrfragwrdige Weise funktioniert. Gefordert ist offenbarein bewussterer und mehr verantwortlicher Umgangmit der Alterssicherung. Es gibt junge Menschen, diesich berhaupt nicht mehr auf die bestehenden Sys-teme verlassen zu knnen glauben und ganz eigeneWege gehen. Da gibt es z.B. in USA das KonzeptArche, durch das eine Subsistenzexistenz ohne Geldgarantiert werden soll, wenn man 65 ist. Dazu bautman eine Gruppe auf, die unter Nutzung der in ihrvorhandenen Qualifikationen sich weitgehend autarkzu machen versucht. Selbstproduziertes soll die Grund-

    bedrfnisse befriedigen, das darber Hinausgehendemit der Auenwelt gehandelt werden Das ist sicher- bei aller Anerkennungswrdigkeit der Eigeninitiative- ein sehr problematisches Konzept. Aber wenn mannicht daran glauben kann, dass eine Vernderungdes gesamten Geldsystems mglich ist, wird man zudieser Konsequenz gedrngt, die in der Praxis wahr-scheinlich mit einem hohen Verlust an Lebensqualittverbunden ist.

    Eine tiefgreifende Reform des Geldwesens msste nachAuffassung vieler die Banken so verndern, dass sie

    ihre faktische Monopolstellung verlieren. In diesemZusammenhang wre die Sinnhaftigkeit von Universal-banken generell zu hinterfragen: Wrde es vielleichthelfen, wenn die einzelnen Banken nicht mehr a l l eGeschfte ttigen knnen? Auch die Verbesserung derBankenaufsicht und das Verbot bestimmter Geschftewird in der Debatte erwogen. Letztlich wird es abernicht ohne eine durchgreifende Reform der Geldord-nung gehen, die die Sozialbindung des Geldes her-stellt. Die Perspektive einer umfassenden Reform solltenicht missbraucht werden, um Vernderungen in eineferne Zukunft zu vertagen. Jetzt und hier knnen Schritte

    gegangen werden, die in die richtige Richtung fhrenund ohne die der notwendige radikale Wandel nichterreicht werden wird.

    Weitere B