Die EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2019, Auswirkungen auf Hochschulen

Tobias Möller-WalsdorfVertretung des Landes Niedersachsen bei der Europäischen Union in Brüssel

08.06.2020

Referent für die Politikfelder:

Forschung und Innovation, Hochschulen, Erwachsenen-bildung und Kultur

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• die Landesregierung (Staatskanzlei, Ministerien, Institutionen…) über wichtige Entwicklungen in der EU-Politik informieren

• Einfluss auf die EU-Politik nehmen; niedersächsische Positionen einbringen

• Niedersachsen als u. a. Wirtschafts- und Kulturstandort in Brüssel darstellen, präsentieren und vertreten

• Gedanke und Ziele der Europäischen Union vermitteln (Landesverwaltung, Gruppen, Schulungen, Hochschulen usw.)

Welche Aufgaben hat die Landesvertretung ?

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Möglichst frühzeitg, umfassend und zuverlässig Informatonen über die EU-Aktvitäten erhalten, auswerten und nach Niedersachsen weiterleiten

Möglichst efektve Wege fnden, um Interessen Niedersachsens und der Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen in die EU-Politk einzubringen

Zwei Zieldimensionen:

© LV Niedersachsen

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EU-Urheberrechtsrichtlinie April 2019

EU-Urheberrechtsrichtlinie April 2019

CC-BY 4.0 netzpolitk.org

© EP

Vorläufer war die „Urheberrechtsrichtlinie2001/29/EG“ vom 22. Mai 2001

Es gibt…

YouTube seit 2005,…

Facebook seit 2004,…

Instagram seit 2010…

Instagram

Ziele der Urheberrechtsreform auf EU-Ebene

• Urheberrecht der Europäischen Union an die Verhältnisse und Anforderungen der heutigen digitalen Gesellschaft anpassen.

• Klare Regeln setzen, in deren Rahmen urheberrechtlich geschützte Werke insbesondere im Internet verwendet und verwertet werden können.

• Digitalen Binnenmarkt in Europa im internationalen Vergleich stärken (u. a. gegenüber dem Silicon Valley).

• Anreize schaffen für Innovation, Kreativität, Investitionen und die Produktion neuer Inhalte.

• Aber auch: Einheitliche Ausnahmeregelungen (sog. „Schranken“) im Interesse von Bildung und Forschung sowie zum Erhalt des Kulturerbes in Europa

Ein Entwurf geht in die Parlamentsbefassung…

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Juni 2015JURI-Ausschuss des EP fordert die KOM auf, die Regelungen zum europäischen Urheberrecht zu prüfen und zu reformieren.

September 2016KOM legt den ersten Entwurf für eine neue EU-Urheberrechtsrichtlinie vor.

Ab 2017Intensive Debatten in den unterschiedlichen Ausschüssen des Europäischen Parlaments.

© EP

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Im Juni 2018 stimmte der Justizausschuss des EU-Parlaments den Kompromissanträgen zum Entwurf des zuständigen Berichterstatters Axel Voss zu.

Artikel 13 (heute Nr. 17) des Entwurfes sieht vor, Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten dazu zu verpflichten, durch „angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen“ die Verbreitung nicht-lizenzierter Werke zu verhindern…

“UPLOADFILTER“ !?!

© EP

Autoren / Künstler sollen mit ihren Werken Geld verdienen können. Sie sollten entscheiden, was wie öffentlich zugänglich gemacht wird.

Große Gefahr und Büro-kratisierung für eine viel-fältige Online-Kultur heute. Die Vielfalt im Netz wird erheblichen Schaden nahmen. Dies sei das „Ende des Internets“.

Besonders eine Forderung der Musikindustrie und von Musikern (Youtube vs. Musikwirtschaft) sowie der Verlage.

Im Fokus: Vielfältige Onlinemedien mit Abermillionen von Texten, Bildern, Fotos, Filmen, Remixen, Fankultur, Computerspielen und Memes.

versus

Bisher

Vom Nutzer hochgela-dene Inhalte müssen nicht proaktiv auf Rechts-verletzungen untersucht werden (da kein Haftungsrisiko)

Nach Umsetzung der RL

Sog. „Primärhaftung“ der Internetportale. Diese müssten jeden Upload eines Nutzers auf Rechtswidrigkeiten prüfen und ggf. blockieren,

Der Nutzer muss auf die Einhaltung des Urheberrechts achten und Haftet…

Solange sich niemand beim Portal beschwert…

Es droht der Plattform Abmahnung oder Klage.

Sorge: Haftungsrisiko minimieren = im Zweifel Inhalt lieber sperren.

Problem Nr. 1

Eine europaweite Rege-lung für alle Formen von Werken im Internet in sehr unterschiedlichen Nutzungsformen.

Problem Nr. 2

Das Rechtsempfinden hängt stark davon ab, welche Werkart man in den Blick nimmt.

Von der priv. (Vereins-)Website, lokalen Bildungsangebote über Wikipedia bis Facebook, Instagram und YouTube…

z. B. Musik oder Memes…

Werke, die auf einem Markt zum Kauf angeboten werden (Lizenzen) oder geduldete Nutzungen/„Public Domain“ (keine kommerz. Lizenzangebote…)

20. Juni 2018JURI-Ausschuss bestätigt Auffassung zu umstrittenen Inhalten

5. Juli 2018EP-Plenum lehnt Entwurf zunächst ab.

12. September 2018- Erneute Abstimmung im Europ. Parlament- Annahme mehrerer Änderungen des Vorschlags- Mehrheit stimmt dieser Fassung zu.

© Julia Reda

Einschätzung des damaligen Ratsvorsitzes:

- Einige Punkte politisch schwierig (Leistungsschutzrecht für Presseverleger und Verantwortlichkeit von Plattformen)

- Schwierige Verhandlungen erwartet (Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen und zu den Regelungen über die angemessene Vergütung von Kreativen)

20. Februar 2019Der Rat stimmt dem Kompromiss-Vorschlag aus den Trilog-Verhandlungen zu.

26. Februar 2019Erneut in den JURI-Ausschuss des EP. Er bestätigt Ergebnis mit 16 von 25 Stimmen

Ab Oktober 2018Trilog-Verhandlungen zwischen EP, Rat und KOM.

Bundeszentrale für politsche Bildung, CC BY ND 3.0

Politikverdrossenheit? („Die da oben machen, was sie wollen…“)?

Imageschaden für die Europawahl im Mai 2019?

Junge Menschen fühlen sich ignoriert…

…haben den Eindruck, dass die Politik „ihre“Thematik nicht versteht…

Zehntausende demonstrierten bes. Anfang 2019 in Deutschland gegen die EU-Urheberrechtsreform…

CC-BY 4.0 netzpolitk.org

Ein Antrag zur gesonderten Abstimmung über einzelne Punkte des Entwurfs, wie Art. 17, scheiterte äußerst knapp mit 312 zu 317 Stimmen bei 24 Enthaltungen.

26. März 2019:Emotionale Debatte mit zahlreichen kontroversen Wortmeldungen im EP.Zustimmung des Plenums mit 348 zu 274 Stimmen bei 36 Enthaltungen.

© EP

Die finale Zustimmung des Rates fand am 15. April 2019 statt (EU-Rat, Sitzung der Agrarminister, für DEU Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, CDU)

Zustimmung DEU einschließlich ausführlicher Protokollerklärung zur Umsetzung der EU-RL…

© Möller-Walsdorf

© Rat der EU

Bundesjustzministerin Katarina Barley (bis Juni 2019) damals:

„Jetzt gehe es aber darum, die Richtlinie „so umzusetzen, dass Künstler tatsächlich davon profteren und Meinungsfreiheit und Vielfalt im Netz erhalten bleiben.“

Bundesjustzministerin Katarina Barley (bis Juni 2019) damals:

„Jetzt gehe es aber darum, die Richtlinie „so umzusetzen, dass Künstler tatsächlich davon profteren und Meinungsfreiheit und Vielfalt im Netz erhalten bleiben.“

Laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD lehnt Deutschland Uploadfilter im Rahmen der Urheberrechts-reform als unverhältnismäßig ab.

Laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD lehnt Deutschland Uploadfilter im Rahmen der Urheberrechts-reform als unverhältnismäßig ab.

© Deutscher Bundestag

Quelle: Website der CDU

• Bildungsschranken und verwaiste Werke

• Leistungsschutzrecht für Presseverlage

• Schlussbestimmungen, zeitliches Inkrafttreten

Was steht in der EU-RL drin?

…außer „Uploadfiltern“?

Art. 5 - Bildungsschranke Zitat des BMBF:„Urheberrechtlich geschützte Werke spielen auch in Unterricht und Lehre eine wichtge Rolle. Die Richtlinie regelt nun, dass geschützte Werke auch im Fernunterricht bzw. im E-Learning-Bereich digital und grenzüberschreitend genutzt werden können.

Enthalten ist auch die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in geschlossenen Lernumgebungen, wie sie in der Online-Lehre eingesetzt werden sowie auf mit dem Internet verbundenen Whiteboards.

Mit dieser Harmonisierung werden insbesondere grenzüberschreitende Lehrtätgkeiten einfacher.“

Quelle: htps://www.bildung-forschung.digital/de/eu-urheberrechtsreform-gutes-fuer-bildung-und-wissenschaf-2503.html

Art. 5 - Bildungsschranke

Art. 5 erlaubt die Nutzung von Werken "für den alleinigen Zweck der Veranschaulichung des Unterrichts digital und in dem Maße", soweit dies zur Verfolgung nichtkommerzieller Zwecke gerechtertgt ist und schaf einen klaren Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Online-Lehre.

Dieses, wenn die Nutzung „in ihren Räumlichkeiten oder an anderen Orten oder in einer gesicherten elektronischen Umgebung statindet, zu denen bzw. zu der nur die Schüler, die Studierenden und das Lehrpersonal der Bildungseinrichtung Zugang haben.“

Die Mitgliedstaaten können für eine solche Nutzung "einen gerechten Ausgleich für die jeweiligen Rechteinhaber vorsehen".

Art. 3 – Text und Data-Mining in der Forschung

Text- und Data-Mining "zum Zwecke der wissenschaflichen Forschung".

Die Urheberrechtsschranke erlaubt die Vervielfältgung und Entnahme von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu Forschungszwecken auch ohne Einwilligung des Rechteinhabers. Z.B. für Big Data und KI.

Die ausgewerteten Werke dürfen zudem längerfristg gespeichert werden.

Eine Vergütungspficht ist nicht vorgesehen.

Art. 6 - Digitalisierungsschranke

Einrichtungen des Kulturerbes (z.B. Museen und Archive) sollen der Richtlinie zufolge die Möglichkeit erhalten, "Werke und sonstge Schutzgegenstände, die sich dauerhaf in ihren Sammlungen befnden, unabhängig vom Format oder Medium für die Zwecke der Erhaltung dieser Werke oder sonstgen Schutzgegenstände in dem für diese Erhaltung notwendigen Umfang zu vervielfältgen".

Damit ist die Archivierung und Langzeitarchivierung von digitalisiertem und digitalem Kulturerbe (Archivkopie) geregelt.

Art. 8-11 - verwaiste Werke

Kultur- und Bildungseinrichtungen dürfen "vergrifene Werke oder sonstge Schutzgegenstände, die sich dauerhaf in ihren Sammlungen befnden, für nicht-kommerzielle Zwecke zugänglich" machen, z.B. historische Flugbläter ohne Autorenangabe für die Forschung oder Publikatonen nicht mehr bestehender Verlage.Dies erleichtert den Zugang in Bildung und Forschung. Dazu müssen, wenn möglich, die Urheber genannt werden. Zudem dürfen die Internetseiten die Veröfentlichungen nicht kommerziell nutzen. Artkel 10 der Richtlinie schreibt die Einrichtung eines Online-Portals vor, um die Veröfentlichung solcher Werke zu dokumenteren.

Der Artkel schließt die Lücke zwischen „gemeinfrei“ und „lizenzierbar“ z. B. in der Kulturgutdigitalisierung für Bildung und Forschung.

Art. 15 - Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Art. 15 sieht die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverleger vor (sog. „Snippets“). Vorbild ist die in Deutschland bereits bestehende Regelung.

Allerdings betrif Art. 15 nicht nur Suchmaschinen und Newsaggregatoren, sondern alle "Anbieter von Diensten der Informatonsgesellschaf". Nicht lizenzpfichtg sind "die private oder nichtkommerzielle Nutzung von Presseveröfentlichungen durch einzelne Nutzer" sowie "die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröfentlichung".

Hyperlinks bleiben erlaubt, sofern sie nicht mehr als einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge enthalten.

Art. 16 - Verlegerbeteiligung Art. 16 regelt die Beteiligung von Verlagen an den Ausschütungen von Verwertungsgesellschafen. Mitgliedstaaten dürfen in ihren natonalen Gesetzen eine Beteiligung der Verleger an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen erlauben. Damit wird die Verlegerbeteiligung in Deutschland wieder eingeführt.

Bis 2016 erhielten neben den Urhebern auch ihre Verlage jeweils einen Anteil von bis zu 50% an den VG-Wort-Erlösen. Dann entschied jedoch der Bundesgerichtshof, dass die Einnahmen allein den Autoren zustehen, denn nur sie seien die Urheber. Und der EuGH hate schon 2015 entschieden, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche nur den Urhebern zustehen.

Insbesondere kleinere Verlage sahen hierdurch ihre Existenz bedroht.

Nach der EU-Urheberrechtsdebatte folgen die nationalen Urheberrechts-debatten…

Deutschland hat ab heute noch ein Jahr Zeit, die EU-Richtlinie in nationalem Recht umzusetzen.

Bis Juni 2021.

Was ist seit April 2019 passiert?

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2019 fand eine öffentliche Kon-sultation mit mehr als 100 Stellungnahmen statt. U. a. von Gewerkschaften, Verbänden und Online-Konzernen (s. Website BMJV).

Das BMJV legt Anfang 2020 einen Diskussionsentwurf und Anfang April 2020 (kurzzeitig auf der Website) einen ersten Referentenentwurf vor.

Das Thema „Uploadfilter“ ist hierbei allerdings noch ausgeklammert…

Wann der Entwurf im Bundestag debattiert werden wird, ist nach meiner Kenntnis noch offen.

Vermutet wird, dass das BMJV derzeit den Referentenentwurf aus dem April 2020 mit den anderen Bundesministerien abstimmt.

Problematik: Die nationale Umsetzung der RL hat gewissen Freiheiten, der Kern der EU-RL darf jedoch nicht verändert werden

Quelle: htps://twiter.com/Senfcon/status/1246060121345724417

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Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit (bis Juni 2021), die RL in nationales Recht umzusetzen sonst droht ein Vertragsverletzungs-verfahren der EU.

Deutschland will sich bei der Umsetzung in nationales Recht an der Protokollerklärung orientieren…Dadurch könnte allerdings die Gefahr unterschiedlicher rechtlicher Maßstäbe innerhalb der EU erhöht werden…

Es könnte außerdem passieren, dass es mit der Zeit zu Rechts-streitigkeiten kommen und die Frage der Auslegung der RL dem Europäischen Gerichtshof von einem nationalen Gericht vorgelegt werden wird. Etwaige Wirkungen der Protokollerklärung könnten dabei auf den Prüfstand kommen…

Die Umsetzungsfrist (Juni 2021) steht im Widerspruch zur Befristung einzelner Maßnahmen im UrhG bis Februar 2023...

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© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Vielen Dank!

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