die beziehungen zwischen lymphogranulomatose und retothelsarkom

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Zeitschrift fiir Krebsforschung, Bd. 57, S. 672--680 (1951). _&us dem Czerny-Krankenhaus fiir Strahlenbehandlung der Universit~t Heidelberg (Leiter: Prof. Dr. J. BECX]st~) und dem Institu~ fiir Virusforschung Heidelberg (Direk~or : Reg.-Ra~ Dr. G. A. XAUSCHE). Die Beziehungen zwischen Lymphogranulomatose und Retothelsarkom. Mit Untersuehungen an Gewebekulturen. Von KARL WERNER~ CHRISTOPH ~ANDSCtt~TZ und GUSTAv-ADoLF KAUSCHE. Mit 8 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. August 1951.) Uberblickt man das Schrifttusa der letzten Jahre, so erscheint es nieht mehr haltbar, die Lymphogra,nulom~tose in der strengen AuG fassung yon STEnZ~B~SRr ~ und seiner Sehule yon dem Retothelsarkom abzugrenzen. Ohne auf k]inisehe, patho]ogische und biologische ~ber- legungen und Ergebnisse einzugehen, lal~t sieh der heutige Stand des Gesamtfragekosaplexes am einfaehsten in einem yon CUSTER und BER~- HARD2 gegebenen Schema darstellen, dem ein Untersuehungsmaterial yon 1300 lymphatischen Tumoren zugrunde liegt. Z/:noha/,c II Zo":,"> _ ,'/o~':::,'~ :o "o~::.,'s I M~oo,'::o ..:~ - Abb. 1. Diese Skizze stellt sieher erwiesene ~berg~nge zwisehen den versehiedenen Varianten maligner Lymphome dar. Sie wnrde nicht geschaffen, nm genetische Beziehungen anzu- zeigen. Die stark gezeichneten Linien zeigen sehr oft gefundene ~berg&nge, wghren4 die feineren selteneren Beobachtungen entsorechen. Die mit zwei Pfeilen versehenen Idnien zeigen eine Verwandlnngsm6glichkeit in beiden l~ichtnngen an. Die punktierten Linien schliel]en Yon uns nicht beobachtete MSglichkeiten ein. (Nach CUST~a un4 BERNHARD.) Wir hatten Gelegenheit einen Fall zu beobaehten, der sich gut in obiges Schema einfiigt. Die bisherigen klinischen Erfahrungen veran- lal~ten uns, zus~tzlich die Methode der Gewebcz~ichtung heranzuziehen, usa die Ste]lung der Lymphogranulom~tose zu den lymphatischen Ge- schwiilsten einer Kl~rung n~herzubringen. L.K., geb. 11.2. 26. Vorgeschichte: April 1944 wahrend des Milit~rdienstes Schwellung an der li. Halsseite, die als Tbc-Lymphom aufgefaBt und dreimal rSntgenbestrahlt wurde und dgrauf versehwand. Juni 1944 erneu~e Schwellung,

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Zeitschrift fiir Krebsforschung, Bd. 57, S. 672--680 (1951).

_&us dem Czerny-Krankenhaus fiir Strahlenbehandlung der Universit~t Heidelberg (Leiter: Prof. Dr. J. BECX]st~) und dem Institu~ fiir Virusforschung Heidelberg

(Direk~or : Reg.-Ra~ Dr. G. A. XAUSCHE).

Die Beziehungen zwischen Lymphogranulomatose und Retothelsarkom.

Mit Untersuehungen an Gewebekulturen.

V o n

K A R L W E R N E R ~ C H R I S T O P H ~ A N D S C t t ~ T Z u n d G U S T A v - A D o L F K A U S C H E .

Mit 8 Textabbildungen.

(Eingegangen am 20. August 1951.)

Uberblickt man das Schrifttusa der letzten Jahre, so erscheint es nieht mehr haltbar, die Lymphogra, nulom~tose in der strengen AuG fassung yon STEnZ~B~SRr ~ und seiner Sehule yon dem Retothelsarkom abzugrenzen. Ohne auf k]inisehe, patho]ogische und biologische ~ber- legungen und Ergebnisse einzugehen, lal~t sieh der heutige Stand des Gesamtfragekosaplexes am einfaehsten in einem yon CUSTER und BER~- HARD 2 gegebenen Schema darstellen, dem ein Untersuehungsmaterial yon 1300 lymphatischen Tumoren zugrunde liegt.

Z/:noha/,c II Zo":,"> _ ,'/o~':::,'~ :o "o~::.,'s I M~oo,'::o ..:~ -

Abb . 1. Diese Skizze s te l l t s ieher erwiesene ~ b e r g ~ n g e zwisehen den ve r seh iedenen V a r i a n t e n m a l i g n e r L y m p h o m e da r . Sie w n r d e n i c h t geschaf fen , n m gene t i sche Bez i ehungen anzu- zeigen. Die s t a r k geze ichne ten L i n i e n zeigen sehr o f t ge fundene ~berg&nge, w g h r e n 4 die f e i n e r e n se l t eneren B e o b a c h t u n g e n en t so r echen . Die m i t zwei Pfe i len ve r s ehenen Idn ien zeigen eine Verwandlnngsm6glichkeit in beiden l~ichtnngen an. Die punktierten Linien schl iel]en Yon uns n i c h t b e o b a c h t e t e MSgl ichke i ten ein. (Nach CUST~a u n 4 BERNHARD.)

Wir hat ten Gelegenheit einen Fall zu beobaehten, der sich gut in obiges Schema einfiigt. Die bisherigen klinischen Erfahrungen veran- lal~ten uns, zus~tzlich die Methode der Gewebcz~ichtung heranzuziehen, usa die Ste]lung der Lymphogranulom~tose zu den lymphatischen Ge- schwiilsten einer Kl~rung n~herzubringen.

L.K., geb. 11.2. 26. Vorgeschichte: April 1944 wahrend des Milit~rdienstes Schwellung an der li. Halsseite, die als Tbc-Lymphom aufgefaBt und dreimal rSntgenbestrahlt wurde und dgrauf versehwand. Juni 1944 erneu~e Schwellung,

Die Beziehungen zwisehen Lymphogranulomatose und Retothelsarkom. 673

die nach Verlegung seines Truppenteils naeh Italien zuriiekging. Im Mai 1945 wurde die Schwellung erneut starker. Behandlung mit sehwarzer Salbe und Ent- lassung aus der Kriegsgefangenschaft. Strahlenbehandlung als Tbe-Halslymphom. Die Schwellung ging zuriick, trat aber immer wieder auf. Thoraxorgane bei der rSntgenologisehen Untersuchung ohne krankhaften Befund. 1948 wegen Verdaeh~ auf Lymphogranulomatose Probeexcision. Diese ergab induriertes Bindegewebe und FremdkSrperriesenzellen, die als Bestrahlungsfolgen angesehen wurden. Im Herbst 1949 ~rat eine auffallende Verschlechterung des Allgemeinbefindens mit Fieber und Appetitmangel auf. Der Kranke bot jetzt klinisch das Bild einer Lymphogranulomatose. Behandlung mit Lost und Urethan. Einweisung zur ambulanten Strahlentherapie. Es land sich ein flaches Drtisenpaket am vorderen Rand des li. Trapezius, reizlose ~Narbe am Sternocleido links. Kleiue Drfisen reehts supraclavicul~r sowie eine geschl~tngelte Venenzeichnung an der linken vorderen Thoraxpartie. Hilz und Leber waren vergrSBert. Die RSntgenun~er- suehung ergab eine Verziehung des Mediastinums naeh reehts bei verdiehtetem und verbreitertem Hilus. Im Bereieh des li. Nilus besonders im oberen Anteil eine Versehattung, deren Auslaufer naeh der Periplierie zeig~en. Kngelf6rmiger Fleckschatten im re. Unterfeld dorsal. Auf Bestrahlungen gingen diese Ver~nde- rungen weitgehendst zuriiek. Erneute Einweisung im Mgrz 1950. Driisenschwel- lungen an den beschriebenen Stellen. DiG RSntgenuntersuehung der Thoraxorgane ergab : Im re. Unterfeld dorsal langlich ovaler Schatten yon etwa 5 cm Durehmesser mit vermehrter Zeichnung zum Hilus. DiG fibrige re. Lunge ist ffei. Im li. Oberfeld unregelm~gige, unscharfe Verschattung yon etwa KleinapfelgrSge mit stark str&h- niger Zeiehnung zu dem gerafften und vergrSl~erten Hilus. Kleine, unseharf be- grenzte Sehattenfleeke infraclaviculiir. Der Mittelsehatten is~ nach links nieht abzugrenzen, naeh reehts scharf abgrenzbar und verbreitert, t tb 70 %, Leuko 4800, BKS 50/78. Erneute Besserung auf Bestrahlung. Der Patient hat wi~hrend der Bestrahlungspausen seine Arbeit wieder aufgenommen. 6. 7. 50. Driisenschwellung li. Halsseite, axilliir und inguinal bds. BKS 12/25. Die RSntgenuntersuchung zeigt eine Teilatelektase des li. Oberlappens infolge Bronchusverschlul~ durch ttilustumor. Pleuritis und Sehwartenbildung. Lediglich der Befund im re. Unterlappen ist zurfiekgegangen. 11.12.50. Patient war in der Zwisehenzeit besehwerdeffei. Hat jetzt an Gewieht verloren. Driisen an der li. tIalsseite, in beiden Axillen yon etwa KirschgrSBe ])is zu pflaumengr0Ben Driisen in beiden Leisten. Leukoeyten sind aui 2300 abgefallen. Der R6ntgenbefund ist gegeniiber der ]etzten Untersuchung fast unveri~ndert. R6ntgenbestrahlung. Im Februar 1951 erneute Verschleehterung mit Appetitlosigkeit und Atemnot, Gewichtsverlust. Hautinfiltrat am Riicken und Nacken. Kleines Infiltrat an der linken Stirnseite. Die Lymphdrfisenschwellungen am Hals, an beiden Axillen und Leisten sind gegeniiber friiher unvergndert. R6ntgen 0- logisch hat sieh der Befund gegentiber dem yore Dezember 1950 nieht wesentlieh ge~tnder~. Hb 70%, Leuko 2200, BKS 6/17. Probeexcision am 13.3.51. Leisten- driise links. Behandlung mit Bluttransfusion, Fortsetzung der Cholinmedikation. Gegen Ende Marz zunehmende Verschleehterung. Exitus letalis am 31.3.51.

DiG Autopsie ergab: Drfisenvergr61terung der ttals-Aehsel-Leistenbeugen, mes- enterial-paraaortale Lymphknoten, sarkomatSse, teils knotige, tells netzfSrmige Durchwaehsung beider Lungen, der Pleura, der Leber und der Milz. Gesehwulstige Durchsetzung der linksseitigen Thoraxwand und Brustmuskulatur. Hamorrhagi- seher PleuraerguB bds. Leichter Perikardergug. Miil]ig starker Ascites. Solitgre etwa welschnuggrol]e Metastase im Pankreasschwanz. Sarkomat6s-metastatisehe Durchsetzung der K6rper des 1. und 4. Brustwirbels, sowie des 1. Lendenwirbels. Schlaffe Erweiterung der tterzhShlen, subakuter Katarrh der Hagen- und Darm- schleimhaut, Hyperamie der Abdominalorgane. Reduzierter Ern~ihrungszustand.

z. Krebsforschung. Bd. 57. 46

674 KArL WERNEI~, Cttl%ISTOI~tI LAXDSCHt~TZ u n d GUSTAV-ADOLF-KAusoRE:

Bei der Autopsie entnommenes Gewebe ging bei Anlegung einer Gewebekultur infolge starker Autolyse nicht mehr an.

Histologie. Standen schon die Ergebnisse der Gewebekultur im Gegensatz zum histologischen Befund der Biopsie, wie unten n/iher auszufiihren ist, so zeigte die feingewebliche Untersuchung des bei der Autopsie gewonnenen Materials, dab verschiedenartige Reaktionen des I~ES gleichzeitig nebeneinander bestanden. Abb. 2 zeigt das histo-

Abb. 2. Lymphograamlom. Paraffin. t thmalaun-Eosin. 500:1.

Abb. 3, lZetothelsarkom. Paraffin. H~Lmalaun-Eosin. 500 : 1.

logische Bild einer Lymphogr~nulomatose in einem Knochenherd. Das Gewebe setzt sich zusammen aus kleinen Lymphocyten, Eosinophilen, Reticulumzellen, Plasmazellen und einer STs~SB~aGschen Riesenzelle. Demgegeniiber imponiert in Abb. 3 das unruhige Bild eines Fremd- gewebes (Retothelsarkom) aus einem Lymphknoten des Mesenteriums. Eine neue Variante bietet Abb. 4 aus dem friiher excidierten Lymph- knoten der Leistendrfise mit einem angiomatSsen Bezirk yon reichlich reticulierten Verb~nden, was nach P v n ~ 3 als malignes l~eticuloendo- theliom anzusprechen w~re.

Bei der P.E. am 13.3 .51 wurde eine grot]e Lymphdriise, die yon Fettgewebe umgeben war, entnommen. Die eine H~lfte dieser Driise wurde an d~s Pathologische Ins t i tu t eingesandt, die andere zur An- ]egung einer Gewebekultur verwandt. Der Bericht des Pathologischen

Die Beziehungen zwischen Lymphogranulomatose und getothelsarkom. 675

Instituts (lfd. Nr. 1006/51) lautet: ,,Die mikroskopisehe Untersuchung zeigt eine starke Wueherung gro8er, netzfSrmiger, untereinander zu- sammenhi~ngender Zellen. Reichlieh viel MRosen, regelloses Waehstum. Wenig oder gar keine Eosinophilen."

Diagnose. Reticulumzelliges Sarkom, wahrseheinlich Retothelsarkom (Prof. ])o~).

Gewebekultur. Sogleieh naeh Entnahme des Gewebes wurde dieses in warmer Tyrode]Ssung gewaschen, in feine Stfickchen yon dureh- schnittlieh 1 mm Kantenl~nge geschnitten und nach der Deckg]as-

Abb. 4. Malignes Ret iculoendothel iom. Paraff in . H~malaun-Eos in . 500:1.

methode yon MAXlMOW in Mensehenserum, Hfihnerplasma und HShner- embryonalextrakt ausgepf]anzt. Das Verh/iltnis der Bestandteile im Medium war ein Tropfen tIiihnerplasma auf einea Tropfen einer Mischung yon Menschenserum und ttiihnerembryonalextrakt (3:1). Die KuRuren ~urden bei 37,50 bebrfitet, tiig]ieh mikroskopiert, fiber eine Zeit yon 4 Wochen bis zu 2 Monaten beobachtet und jeden 3.--4. Tag mit warmer TyrodelSsung durehschnittlich 20 rain gewaschen und mit frisehem Medium gefiittert.

Von den 40 angelegten KuRuren zeigten nur 2--3 am ersten Tag leichte Lymphocytenauswanderung. 48 Std nach Explantation suh malt Fibroblasten , worauf naeh 3~ Tagen Makrophagen und l~etieulum- zellen in den Wachstumsschleier auswanderten (Abb. 5). Die l~eticulum- zellen und Makrophagen fielen durch ihre GrSBe und ihre Mehrkernigkeit auf (Abb. 6 und 7). Anhaltspunkte fiir cytoplasmatische Verbindungen dieser Ze]len untereinander konnten nieht gefunden werden. Sowohl Makrophagen als auch Reticulumze]len zeigtell gegenfiber den Fibro- blasten deutliche Fettgranulationen, Diese Bflder gliehen Waehstums- formen lymphogranulomatSser Gewebe ill vitro, wie sie yon MANKr~ ~,

Z. Krebsforschung. Bd. 57. ~6~

6 7 6 :KARL W E ~ N ~ , CH~ISTOPH LA~DSCH/JSZ und GUSTAv-ADoLF-KAuscHE:

MEIEr, POSERN und WEITZMANN 5, ferner yon IIOSTE~ und Mitarbeitern ~, yon GI~AND 7 und auch yon uns im Laufe zah]reicher histo]ogisch ge- sicherter Explantationen beobachtet wurden (Abb. 8). Bemerkenswert ist noch, da2 innerh~Ib yon 2--4 Wochen die reticul~ren Elemen~e roll-

Abb. 5. ~I 51/100. LymphogranulomatSse XVachstumsform eines l~etothelsarkoms in vitro. 70:1.

Abb. 6. 1~ 51/98. Lymphogranuloraat6se Wachs- tumsform eines :Retothelsarkoms in vitro.

150:1.'

Abb. 7. M 51/120. Lymphogranulomat6se "vVachstumsform eines Retothelsarkoms

in vitro. 150:1.

st~ndig aus dem Explanta~ verschwunden waren und nur noch reines Fibroblaste~wachstum nachzuweisen war.

Der klinische Verlauf entsprach zungchst dem einer ehronischen Lymphogmnulomatose mit typischer Lokalisation am Hals. Die Drfisen- schwellung wurde ohne histologische Bestatigung als eine tuberkulSse ~ngesprochen. 1950 kam es zu akuten ~ypischen Schfiben. 14 Tage

Die Beziehungen zwischen Lymphogranulomatose und Retothelsarkom. 677

ante exitum ergab eine P.E. ein l%etothelsarkom, w~hrend die aus dam gleichen Knoten angelegten Gewebekulturen das Wachstum einer Lymphogranulomatose zeigten. Wie ist es mSglieh, dab der histologische Befund im Gegensatz 1. zum klinischen Bild und 2. zum Wachstum in vitro steht ?

Zu 1. H~t.te die Krankhei t als t%etothelsarkom begonnen, so h~tte sie einen ganz anderen akuten Verlauf genommen. Eine Verweehstung mit einem tuberkulSsen Lymphom w~re unmSglich gewesen. Es mug daher angenommel~ werden, dab sieh die Lymphogrannlo- matose zu einem getothel- sarkom umgewandelt hat, zumal das histologische Bild (Abb. 2) noch eine Lymphogranulomatose er- kennel1 l~l~t. Diese Ansieht ist nieht neu. I m Laufe der letzten 50 Jahre, besom ders aber im Laufe der Ietzten Jahre, mehren sieh Jm Schrifttum die Mit- teilungen, die auf eine VerwandtsehMt zwisehen

Lymphogranulomatose, Abb. 8. 5I 50/159. L~, 'nlphogranulom ill vi t ro. iRetothelsarkom, Lympho- 70 : 1. sarkom, Leuk~mie usw. sehlieBen lassen. Unbesehadet der versehiedenen Einstellung der Autoren zur Frage der Atiologie der Lymphogranulomatose wird diese Verwandtsehaft mehr und mehr in den Vordergrund gertiekt. Die Literatur wurde zuletzt VOlt X6H~ s und Lol~Xz 9 und in der oben angefiihrten Arbeit yon Cus~EI~ und BEI~I~At~D~ ausffihrlieh behandelt. Die bunten klinischen Verlaufsformen der Lymphogranulomatose wie auch die morphologischen und histologisehen Befunde lassen sieh am besten erkl~ren, wenn man das Leiden ~ls ehronisehe Infektionskrank- heir auffal3t. Die Eintri t tspforte ist in den meisten FS~llen in der Mund- h6hle zu suehen, seltener irt den Luftwegen oder im Magen-Darmkanal. Ein banaler Infekt seheint oft der Wegbereiter zu sein. Ein Virus, wie aueh kiirzlieh TI~. BRuGSC~I TM annimmt, d~irfte gtiologiseh in Frage kommen. Die Umwandlung der Lymphogranulomatose kann sehon kurz naeh Auftreten der ersten Krankheitszeiehen vet sieh gehen, wie folgende Beobaehtung zeigt.

678 J~),gL WERNER, CttRISTOPlt LANDSCtIi~TZ und GUSTAV-ADOLF KAUSGtIE :

tI. I., geb. 29. 4. 32. u 5 Wochen bemerkte Patientin eine Drfisensehwellung der linken Leiste. Die P.E. (Patho]ogisches Institut Heidelberg: Prof. RANDE- BATH) ergab: Mikroskol0isch ein Lymlohknoten, in dem das lymphatische Gewebe noeh erhalten ist, in dem sich aber in sehon fortgesehrittenem Ma0e fleckweise ein wueherndes Fremdgewebe befindet, das eine auffallend starke Polymorphie der zelligen Zusammensetznng aufweist. Leukoeyten, darunter auch Eosinophile, sind nur sehr sp~rlieh vorhanden. Daneben linden sich reichlieh Lymphocyten, Makro- phagen und Plasmazellen, sowie ganz in den Vordergrund tretend auffallend zahl- reiehe, vielgestaltige und vielkernige l~iesenzellen, die manchmal das Bild ganz beherrschen. Stellenweise ist in dieser polymorphze]ligen Gewebswueherung eine gewisse Neigung zur kollagenfaserigen Vernarbung vorhanden. Die Riesenzellen sind offenbar reticulumze]liger Abstammung. Man finder in ihnen selten auch Mitosen. Das Bild des Lymphknotens entsprieht insgesamt dem einer Lympho- granulomatose, die aber wegen der hoehgradigen Verwilderung der Gewebswuche- rung etwas atypiseh ist. Es handelt sieh um einen jener F~lle, die im anatomisehen Schrifttum fiber die Lymphogrannlomatose zu der noeh nicht abgesehlossenen Dis- kussion geffihrt haben, ob die Lymphogranu]omatose nicht eine echte Geschwulst darstelle. Ich m6ehte auf Grund des eingesehiekten Lymphknotens, obwohl das Bild stellenweise sehr stark einen geschwulstartigen Charakter hat, an der Diagnose Lymphogranulomatose festhalten. Es ist offenb~r mit einem schnellen Waehstum des riesenzellhaltigen, polymorphen gesehwu]st/ihnlichen Granulationsgewebes zu rechnen (Prof. RANDERATI~).

Klinischer Befund. Guter Ern/~hrungszustand, Haut und Sehleimhaute blaB. Z~hne vollst/indig. Tonsillen und 2r o.B. Kleine Drfisenschwel- lungen an der linken Halsseite. Su]?raelavieulargruben und Axillen frei. Thorax- organe klinisch und rSntgenologisch o.B. Milz und Leber nicht nachweisbar ver- ~SBert. In der linken Leiste frisehe Operationswunde. Unterhalb und oberhalb des ]inken Leistenbandes auch weir nach retroperitoneal reichend zahlreiche derbe Drtisen. In der reehten Leiste mehrere his hase]nuggroBe, derbe Lymphknoten. Jthnliehe Driisen taster man bei der gyniikologischen Untersuehung im kleinen Beeken, besonders gegen die linke Beckenwand zu.

BKS 125/140, l ib 60% bei 3,3 Mill. Ery, Leuko 10400. Im Ausstrieh keine Besonderheiten. Naeh etwa 14 Tagen traten in der linken Leistengegend derbe Infiltrationen in der Haut auf, die sich teilweise auch auf den Oberschenkel er- streckten. Abendliche Temperaturen zwisehen 37 und 38 ~ Die P.E. eines solchen Hautknotens hatte fo]gendes Ergebnis: Es handelt sich um ein liaUtgewebsstfick, in dem sieh innerhalb des Coriums bis in das l~'ettgewebe infiltrierend hineinreiehend, ein aus grol~en runden Zellen bestehender Tumor befindet. Die Tumorzellen ent- ha]ten geradezu massenhaft )/iitosen. Nach dem histologisehen Befund handelt es sieh nm ein groBzelliges Rundzellensarkom (Prof. RA~DE~AWH).

Trotz Behandlung mit R6ntgenstrahlen, Bluttransfusionen, N-Lost, Cholin- citrat, progredienter Verlauf der Erkrankung, wie es der Patho]oge in seinem ersten Bericht voraussagte. Auf Wunsch der AngehSrigen Entlassung. Wenige Tage sp~iter Exitus letalis.

Zu 2. WiG gezeigt wurde, befand sich bei der Autopsie im Kno- chen Gin lymphogranulomatSser Herd. Es ist n u n an die MSglich- kei t zu denken, dab auch innerha lb des explan t ie r ten u n d histologisch un te r such ten Gewebsstfickchens ein kleiner Herd lympho-granuloma- tSsen Gewebes vorhandert war, der durch Zufall explant ie r t wurde, denn nach dem histologischen Befund h~t te ein Gewebe auswachsen mflssen, das einem Retothelsarkorn entsprgche. SiGht m a n yon dieser

Die Beziehungen zwischen Lymphogranulomatose und tletothelsarkom. 679

ungewShnlichen ErklgrungsmSglichkeit ab, so wgre auch eine andere Version denkbar. 1950 berichteten R~MAN und Mitarbeiter ~1 fiber Versuehe mit lymphogranulomat6sem Gewebe und nicht lympho- granulomatSsem Gewebe in vitro. Sie konnten zeigen, dab naeh Zusatz yon Seren lymphogranulomatSser Pat ienten zu Retothelsarkomen in vi t ro ein Wachstumsmuster des Gewebes entstand, was durehaus dem der Lymphogranulomatose in ~itro glich. Es wgre nun in Anbetracht der lymphogranulomatSsen Basis des Retothelsarkoms bei nnserem Fall zu diskutieren, ob in dem explantierten Gewebe ein Agens vorhanden gewesen ist, das Wachstumsformen, wie sie die Abb. 5 und 6 zeigen, hervorbrachte. Welcher Natur dieses Agens ist, lgBt sich nnr vermuten, wobei auf die Arbeiten yon G~A~CD 7 und insbesondere yon BOS~mK 12 hinzuweisen ist. Ersterer hat des 5fteren typische EinschluBk5rperehen in Zellen yon lymphogranulomat5sen Geweben in vitro naehweisen kSnnen. Die Spezifitiit derselben ist charakteristiseh. Von der viro- logischen Seite sind die Arbeiten yon BosTICtr 12 insofern yon Bedeutung, a l s sic zum erstenmal den exakten Nachweis eines virSsen Agens im lymphogranulomat6sen Gewebe erbringen. Er zeigte eine Interferenz zwischen einem Inf luenzastamm (LEE) und Ext rak ten aus lympho- granulomatSsen Geweben im befruehteten ttiihnerei. Dariiber hinaus konnte in eigenen Versuehen la gezeigt werden, dab ein ze]]freier Ex t rak t aus dem Exeisionsmaterial des Patienten K. an saugenden Mgusen naeh intraperitonealer Impfung eine sehr starke l~eticulumwueherung in Milz, Lymphknoten und Leber hervorrief, mit gleiehzeitigem Auitreten zahlreieher retieulgrer Zellen im Blut und Tod der Tiere innerhalb yon 10 Tagen. Dieses Ergebnis entsprieht den jiingst publizierten Versuehen yon SAgaMOTO 14, dem es mittels Ext rak ten mensehlieher Retothel- sarkome gelang, an Hi ihnem Retothelsarkome hervorzurufen.

])as gegensgtzliehe Verhalten vom histologisehen Bild und Waehstum in vitro lieBe sieh welter deuten aus dem Ubergang yon der Lympho- granulomatose in das l~etothelsarkom uaseres "Falles in dem Sinne, dab sieh bei der Explantat ion urspriingliehe morphologisehe Eigensehaften wieder manifestieren. Hierbei spielt sieher der Zei tpunkt zwisehen dem Umsehlag in das SarkomatSse und der Kultivierung in vitro eine l~olle.

Die engen Beziehungen zwisehen Lymphogranulomatose und l%to- thelsarkom kSnnen als gesiehert angesehen werden. Mart kann die Lymphogranulomatose und das Retothelsarkom als zwei untersehied- liehe Reaktionsformen des RES auf ein virSses Agens auffassen, eine 2~,tiologie, wie sic bei dem 1Rous-Sarkom vorliegt.

Die Isolation und elektronenmikroskopisehe Charakterisierung dieses Agens und das Auffinden eines geeigneten biologisehen Testobjektes erseheint jetzt notwendig. Erste Ansgtze hierftir liegen vor in den Er- gebnissen yon }tOST~I~ ~5 und G~A~cD ~6.

6 8 0 I ~ n L WEaNE~ u. a. : Lymphogranulomatose und Re~othelsarkom.

Zusammen/assung.

A n H a n d v o n 2 F ~ l l e n w i r d d e r O b e r g a n g y o n L y m p h o g r a n u l o m a t o s e

z u g e t o t h e l s a r k o m b e s c h r i e b e n . D i e G e w e b e k u l t u r z e i g t e b e i m h i s t o -

l og i sch g e s i c h e r t e n g e t o t h e l s a r k o m d a s W a c h s t u m s m u s t e r e ines l y m p h o -

g r a n u l o m a t S s e n G e w e b e s . M S g l i c h e U r s a c h e n d ieses P h ~ n o m e n s u n d

die V i r u s g e n e s e b e i d e r K r a n k h e i t e n , d ie a ls ~ u m o r S s e E r k r a n k u n g e n d e s

R E S z u b e t r a c h t e n s ind , w e r d e n z u r D i s k u s s i o n ge s t e l l t .

Her rn Professor Dr. J . B~c~E~ danken wir ffir wertvol]e :4nregungen und ~fir sein ~Srderndes Interesse an dem gesamten Problem.

Herrn Professor Dr. R*NDER~TH und I-Ierrn Prolessor Dr. DoERg danken wir fiir die Uberlassung der histologischen Belunde, des Sektionsberichtes nnd ~fir wertvolle I:Iinweise.

F rau E ~ sei ftir ihre fleil~ige Mithilfe gedank~.

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Ausifihrliche Li tera tur ist den angeif ihrten Arbei ten und der ausgezeichneten Monographie fiber die HODOK~Nsche Krankhe i t yon H. A. HosTEn, M. B. I)RATMA~', L. F. C~AVEg und H. A. ROLN~CK [Cane. Res. 8, 1 (1948)] zu entnehmen.

Dr. K. WEI~NER, (17a) Heidelberg, Czerny-Krankenhaus ftir S t rahlenbehandlung der Universitgt .

Dr. CIIRISTOPII LANDSCI-IiiTTZ, Kopenhagen, Biologisehes Ins t i tu t der Carlsberg-Stiftung.