die beziehungen zwischen gehörhalluzinationen und gehörorgan

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Die Beziehungen zwischen Oeh6rhalluzinationen und Oeh6rorgan. Von Sture Berggren. Halhzinationen der verschiedenen Sinnesorgane kommen zwar ausnahmsweise auch bei Geistesgesunden (Fr6bes, Experim. Psycho- logie 192o), im allgemeinen jedoch eigentlich nur bei Geisteskranken als ein sehr wichtiges Symptom vor, das dem ganzen Krankheitsbild seine F~irbung geben kann. Die vielfaehen Beziehungen, die zwischen Ohr und Psyche im normalen Leben bestehen, machen sich, wie jedem Ohrenarzt aus seiner Erfahrung bekannt ist, auch in pathologischen Zust~inden geltend, ent- weder so, dab eine gemeinsame Krankheitsursache auf beide einwirkt wie z. B. bei Idioten, Kretinen, so dab psychische Krankheiten zu H6r- st6rungen bis Ertaubung Anlal3 geben, wie das z. B. bei Hysterie der Fall sein kann, oder endlich Erkrankungen des Ohres geben Anlag zu Ver- ~inderungen der Gesamtpsyche der Patienten. Ich brauche in dieser letzten Hinsicht nur auf das so gew6hnliche Mil3trauen, die Depressionen mehr oder weniger hohen Grades beim Patienten mit h6heren Graden yon Schwerh6rigkeit, gleich wie auf den ermiidenden und zur Depression verftihrenden Zustand des eine Reihe yon Ohrerkrankungen begleiten- den Ohrensausens, hinzuweisen. Zu ausgesprochen psychotischen ZustSmden z. B. Paranoia, kommt es bei Otosklerose, aber nicht allein wegen der Symptome der Ohren- krankheit, sondern es muB in solehen F~illen ein ganz besonderer ]3oden in der Psyche des Kranken vorliegen, wobei die Rolle der Ohrenkrankheit durch ihre Schwerh6rigkeit als bahnend aufgefaBt werden muB. Wenn man die nahen Beziehungen zwischen H6rsph~ire und Sprach- zentrum im Temporallappen des Gehirns sowie die Wechselwirkung zwischen H6ren und Sprechen und deren Bedeutung fiir das Verst~indnis der Aul3enwelt und des Gefiihlslebens beim Normalen bedenkt, so sieht man aueh ohne weiteres ein, welehe Bedeutung sie in pathologischen Zust~inden fiir einander haben mtissen. So wird es auch leicht verst~ind- lieh, was ftir eine Bedeutung im Leben des Geisteskranken die falschen

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Die Beziehungen zwischen Oeh6rhalluzinationen und Oeh6rorgan.

Von Sture Berggren.

H a l h z i n a t i o n e n der verschiedenen Sinnesorgane kommen zwar ausnahmsweise auch bei Geistesgesunden (Fr6bes, Experim. Psycho- logie 192o ), im allgemeinen jedoch eigentlich nur bei Geisteskranken als ein sehr wichtiges Symptom vor, das dem ganzen Krankheitsbild seine F~irbung geben kann.

Die vielfaehen Beziehungen, die zwischen Ohr und Psyche im normalen Leben bestehen, machen sich, wie jedem Ohrenarzt aus seiner Erfahrung bekannt ist, auch in pathologischen Zust~inden geltend, ent- weder so, dab eine gemeinsame Krankheitsursache auf beide einwirkt wie z. B. bei Idioten, Kretinen, so dab psychische Krankheiten zu H6r- st6rungen bis Ertaubung Anlal3 geben, wie das z. B. bei Hysterie der Fall sein kann, oder endlich Erkrankungen des Ohres geben Anlag zu Ver- ~inderungen der Gesamtpsyche der Patienten. Ich brauche in dieser letzten Hinsicht nur auf das so gew6hnliche Mil3trauen, die Depressionen mehr oder weniger hohen Grades beim Patienten mit h6heren Graden yon Schwerh6rigkeit, gleich wie auf den ermiidenden und zur Depression verftihrenden Zustand des eine Reihe yon Ohrerkrankungen begleiten- den Ohrensausens, hinzuweisen.

Zu ausgesprochen psychotischen ZustSmden z. B. Paranoia, kommt es bei Otosklerose, aber nicht allein wegen der Symptome der Ohren- krankheit, sondern es muB in solehen F~illen ein ganz besonderer ]3oden in der Psyche des Kranken vorliegen, wobei die Rolle der Ohrenkrankheit durch ihre Schwerh6rigkeit als bahnend aufgefaBt werden muB.

Wenn man die nahen Beziehungen zwischen H6rsph~ire und Sprach- zentrum im Temporallappen des Gehirns sowie die Wechselwirkung zwischen H6ren und Sprechen und deren Bedeutung fiir das Verst~indnis der Aul3enwelt und des Gefiihlslebens beim Normalen bedenkt, so sieht man aueh ohne weiteres ein, welehe Bedeutung sie in pathologischen Zust~inden fiir einander haben mtissen. So wird es auch leicht verst~ind- lieh, was ftir eine Bedeutung im Leben des Geisteskranken die falschen

I42 STURE BERGGREN,

Trugwahrnehmungen des Geh6rsinnes, die Geh6rhalluzinationen, haben miissen, und wie sie das Krankheitsbild beherrschen k6nnen.

Verschiedene Theorien sind aufgestellt worden, um die Halluzi- nationen zu erkl~ren, unter denen auch ihre somatischen Abh~ingig- keitsbeziehungen, die Abh~ngigkeit yon den peripheren Sinnesorganen, diskutiert worden sind.

Auch beim ~iuBeren Reizen der Sinnesorgane hat man Sinnest~u- schungen konstatiert, z. B. Geh6rshalluzinationen beim elektrischen Reizen von N. acusticus oder beim H6ren yon fliel3endem Wasser, Uhr- ticken usw., in F~llen also, in denen bei v611iger Ruhe des Sinnesorganes keine T/iuschungen vorkommen, nur treten bei Wahrnehmungen neben diesen Halluzinationen auf.

Der Satz yon N e u m a n n (Lehrbuch S. I2o) ,,Eine g.tiologie der Halluzinationen gibt es so wenig, wie es eine Anatomie derselben gibt", besteht wohl noch mit Recht in demSinne, dab wir keineUrsachen kennen, die immer bestimmte Halluzinationen zur Folge haben. Die friiher viel- fach ventilierte Frage nach dem zentralen oder peripheren Ursprunge der Halluzination l~il3t sich gewil3 nicht in summarischer Weise beantworten, was schon yon Meschede (A. f. P. I877), hervorgehoben worden ist.

Es gibt aber in der Literatur eine Reihe yon Beobaehtungen, die im Einzelfalle auf eine bestimmte anatomische Grundlage, sei es zentral, sei es peripher, der Halluzinationen hinweist. So sind bei Tumoren des Okzipitalhirns Gesichtshalluzinationen gefunden (Henschen), bei Tu- moren des Temporallappens Geh6rshalluzinationen, und es mehren sich die publizierten F~lle, die auf eine Abh~ingigkeit der Trugwahrnehmungen yon somatischen Erkrankungen der peripheren Sinnesorgane hindeuten. Diese Befunde k6nnen aber nie die alleinige Ursache sein, aber ohne sie w~re es in vielen F~tllen iiberhaupt nicht zu T~iuschungen gekommen, oder es h~tten die T~iuschungen nicht ihre besondere Form angenommen (Jas- pers , Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 1912). Diese Beobach- tungen sind auch deshalb sehr interessant, well wir von den spezifischen Grundlagen der verschiedenen Ph~tnomene bei Geisteskranken, z. B. der Wahnideen, der Erinnerungsfiilschungen, nichts wissen ( Jaspers , Allgemeine Psychopathologie 1913).

Der Zweck dieser Arbeit ist, an dem Material einer grol3en Irren- anstalt mit den M6glichkeiten, die einem modernen Ohrenarzt zur Ver- ftigung stehen, die Rolle des peripheren Sinnesorganes im Ohr bei Geh6r- halluzinanten zu studieren.

Es sei zuerst auf die Schwierigkeiten einer solchen Untersuchung hingewiesen. Die sehr erregten Patienten k6nnen natiirlich bei einer Untersuchung nicht in Frage kommen, aber auch die anderen sind schwierige Untersuchungsobjekte, weil einige nicht gem zur Unter- suchung gehen, erstens weil sie tiberhaupt nicht untersucht werden

Die t3eziehungen zwischen GehbrbalIuzinationen und Gehbrorgan. I43

wollen, zweitens weil sie, doch so weir gebracht, im Untersuchungszimmer mehr oder minder grol3e Angst vor den Ohrentrichtern, den Stimm- gabeln usw. zeigen, Es erfordert also viel Geduld und viel Zeit und auch eine gewisse Gewohnheit, mit Geisteskranken zu verkehren, um eine Untersuchung durchfiihren zu k6nnen. Wenn es gelingt, die Unter- suchung durchzuftihren, so mul3 das Resultat wieder sehr vorsichtig beurteilt werden, denn besonders die Geh6rprtifungen mit Konversations- stimme und Stimmgabeln, bei denen der Untersucher auf die subjektiven Angaben der Patienten angewiesen ist, k6nnen wegen der groBen Sug- gestibilit~it und leichten Ermiidung der Geisteskranken zu falschen Urteilen Veranlassung geben. Bei vielen Patienten war es auch n6tig, mehrere Untersuchungen zu machen, um ihr Zutrauen zu gewinnen und um, wenn sie bei einer Untersuchung erregt waren, ein anderes Mal im ruhigen Zustand des Patienten ein bestimmtes Urteil iiber das Geh~r zu bekommen. Durch diese Bemiihungen ist es auch in den allermeisten F~llen gelungen, eine vollst~ndige Ohruntersuchung durchzuftihren.

Die Untersuchungen sind derart gemacht worden, dab nach Studium der Krankengeschichten erstens ein Gespr~ch mit den betreffenden Kranken fiber ihre Geh6rshalluzinationen herbeigefiihrt wurde, um wom6glich ein Urteil fiber deren Inhalt, Lokalisation und Intensit~tt zu bekommen und die Patienten dabei zu bewegen, fiber ihr Krankheits- symptom zu sprechen, ein Vorgehen, das bei einigen ziemlich leicht, bei anderen aber mit den gr613ten Schwierigkeiten verbunden war.

Die Geh6rprtifung mit Konversations- und Fliistersprache gelang in allen F~llen. Die Stimmgabelversuche wurden mit Stimmgabeln zwischen c - c 5, die Verh~iltnisse zwischen Knochen- und Luftleitung mit c 1, c 2 sowie die Lokalisationsprobe yon Weber mi tc 1 vorgenommen. In wenigen F~illen konnte diese Untersuchung wegen mangelnder Auf- merksamkeit oder infolge der lebhaften Halluzinationen des betreffenden Patienten, die seine Aufmerksamkeit vollkommen in Anspruch nahmen, nicht vollst~ndig durchgefiihrt werden. Auf vorhandenes subjektives Ohrgedtusch wurde grol3es Gewicht gelegt, ebenso auf vorher durch- gemachte Ohrenkrankheiten. Es ist also in allen F~llen nicht nur auf die eventuell vorhandenen Ausfallserscheinungen im peripheren Sinnes- apparat Rticksicht genommen worden, sondern auch auf den Reizzustand, auf den die subjektiven Ger~tusche hindeuten.

Wie oben kurz hervorgehoben wurde, spielen die subjektiven Ge- r~usche, die im Verlauf oder nach Ausheilung verschiedener Ohren- krankheiten bestehen k6nnen, eine groBe Rolle. Sie wirken ermiidend, angstmachend, erregend oder deprimierend auf sonst normale Patienten und ganz besonders ist dies der Fall bei Psychopathen. Sie werden noch mehr yon den Kranken als qu~tlendes Symptom aufgefal3t, als die Aus- fallserscheinungen, eine Herabsetzung des Geh6rs, und k6nnen selbst

14 4 STURE BEIRGG REN,

beim v611igen Taubwerden weiterbestehen. Diese letztgenannte Tatsache hat in diesem Zusammenhang ein grol3es Interesse, weil sie auf einen be- stehenden Reiz in den zentral vom Aufnahmeapparat verlaufenden Nervenbahnen hindeutet.

Wie stark die subjektiven Ger~iusche auch sein k6nnen, nie geben sie bei Normalen zu Geh6rshalluzinationen Veranlassung, wenig- stens habe ich in beinahe I5j~ihriger, umfassender, und zwar sowohl Krankenhaus- als Privatpraxis nicht einen einzigen solchen Fall beobach- tet. Fanden sich bei einem Patienten Geh6rshalluzinationen, handelte es sich auch um einen Geisteskranken.

Ich habe, um die Verh~ltnisse zwischen den Ger~uschen und den Geh6rshalluzinationen zu studieren, zweimal, zuletzt Pfingsten 1928, einige Selbstversuche in der Camera silenta des Physiologischen Instituts (Prof. Z w a r d e m a a k e r ) in Utrecht gemacht.

Wie jeder wohl an sich selbst bemerkt hat, h6rt man, wenn es ganz ruhig ist, nur ein leises Ohrensausen, das nieht aufh6rt, sondern kon- tinuierlich ist. Es wird dieses als ein H6ren d e r Durchstr6mung des Blutes durch die kn6chemen Teile der Ohren gedeutet. Wenn man sich in der Camera silenta einschliel3t, die so eingerichtet ist, dab dort absolute Stille herrscht, h6rt man einige Minuten genau das gleiche, also nur ein leises Sausen, danach aber schweigt alles. Noch nach Verlauf einer halben Stunde und mehr h6rt man absolut nichts. Wenn man ietzt die Camera wieder verl~iBt und einige kr~tftige Bewegungen macht, z. B. zehnmalige schnelle Kniebeugen, h6rt man, wieder in der Camera eingeschlossen, das gleiche Sausen, das wieder schwindet, so dal3 wieder vollkommene Todesstille herrscht. Hat man aber kurz vor dem Eintreten in die Camera eine hohe Stimmgabel (C5) vor dem einen Ohr tiSnen lassen, und ist man erst nach dem Nachlassen des Tones hineingetreten, h6rt man i. das gew/3hnliche Sausen, 2. nichts, 3. wieder ganz deutlich den Ton der Stimmgabel, 4. Todesstille. In meinen Selbstversuchen babe ich, gleich wie andere solche Versuche, die im Physiol. Institut zu Utrecht gemacht worden sind, nur dies bemerkt. Rs kann also das Sausen, das wir bei vollkommener Ruhe zu h6ren gewohnt sind, nicht nur als Folge einer Durchstr6mung des Blutes erkl~rt werden, denn es ist ja kontinuier- lich, h6rt nicht auf, wie das in der Camera silenta der Fall ist. Ich stelle mir den Unterschied so vor, dab man in der Camera wirklich keinen Laut yon auBen mehr h6rt, draul3en aber, auch wenn es ganz ruhig ist, das Ohr doch fortw~thrend und immer yon Lautwellen erreicht wird.

Es zeigen meine Versuche in der Camera silenta, ill der wirldich kein Laut mehr geh6rt wird, dab dabei vollkommene Ruhe in den Ohren herrscht.

Nun berichtet aber Prof. Z w a r d e m a a k e r , dab in der Camera silenta bei ihm dasselbe anf~ngliche Sausen bemerkt wird, dann kommt

Die Bez iehungen zwischen Geh6rha l luz ina t ionen und Geh6rorgan. 145

wie bei mir, eine Pause von vollkommener Ruhe, dann aber h6rt er ver- schiedene T6ne, selbst Vogelgesang und Melodien, also subjektive Sinnes- bilder, die ohne ~uBeren ad~iquaten Reiz des Geh6rorgans fiir ihn die Realit~t einer Wahrnehmung haben aber Trugwahrnehmungen sind. Bei einer Diskussion fiber dieses Thema berichtet Prof. Z w a r d e m a ake r, dab er - - u n d e r hat mir erlaubt, es in diesem Zusammenhang mitzuteilen - - einmal eine typische Geh6rshalluzination, auf die ich nicht n~iher ein- zugehen brauche, gehabt h a t . Es liegt also doch in seinem Gehirn eine gewisse Halluzinationsbereitschaft vor, die unter Umstgnden Hallu- zinationen ausl6sen kann, ein Umstand, der das Entstehen von Geh6rs- halluzinationen in der Camera bei ihm erkl~iren kann. und der vielleicht auch ftir das Auftreten yon Geh6rshalluzinationen bei sonst Geistes- gesunden verantwortlich zu machen ist.

Es w~re interessant, fiber dieses Thema mit Hilfe der Camera weitere Nachforschungen zu machen - - eine Aufgabe fiir die experimentelle Psychologie.

In der Literatur, die mir zug~inglich war, liegen auch einige Be- obachtungen fiber das f3bergehen subjektiver Ger~iusche in Geh6rhallu- zinationen bei nicht Geisteskranken vor, Beobachtungen, die ich bier wiedergebe.

F 6 h r e r (Zentralbl. f. Nervenheilk. 1894 ), der an einer noch nicht verheilten Trommelfellgsion mit subjektiven Gerguschen litt, machte einen Selbstversuch mit Atherinhalation, wobei hettiges Ohrensausen auftrat, aus dem sich allm~hlich Geh6rshalluzinationen entwickelten. Ich babe bei einigen Ohrenkranken, die auch Ohrensausen ba t ten und die in Athernarkose operiert wurden, nach solchen Empfindungen geforscht, habe aber nie eine bejahende Antwort bekommen. K a u f m a n n und R e d l i c h (Wien. klin. Wochenschr. 1896) erwAhnen einen ~hnliehen Fall. Einer ihrer W~irter erhielt yon einem Patienten einen Schlag gegen das Ohr, er erlitt dabei eine Trommelfellruptur und eine leichte Labyrinth- erschtitterung. Bei Tag ldagte er nur fiber Ohrensausen und Schwer- h6rigkeit, abends konnte er offenbar infolge der mit der ganzen Aff~re zusammenh~ngenden Aufregung lange nicht einschlafen. P16tzlich glaubte er in seinem Polster eine Grille zirpen zu h6renl dann wieder h6rte er unter seinem Bette jemanden schnarchen, stand auf, um zu sehen, wer denn unter seinem Bette liege. Am n~ichsten Tage bestanden wiederum blog subjektive Ger~usche. Es entwickelten sich also in diesem Falle hypnagog aus den durch die periphere Affektion ausgel0sten sub- jektiven Ger~iuschen Geh6rshalluzinationen. Es ist wohl denkbar, dab sieh nach traumatischer Ohrbesch~digung, an die sich m6glicherweise eine mehr oder minder leichte Gehirnerschiitterung anschlief3t, wie in diesem Fall m i t besonderen Verh~iltnissen, aus Ohrensausen Geh6r- halluzinationen entwickeln k6nnen. Gew0hnlich ist es bei sonst Geistes-

Archiv f. Ohrea-, Nasen- u, Kehlkopfheilkunde. Bd. i2o, IO

I46 S T U R E B E R G G R E N ,

gesunden gewil3 nicht. Wir kommen zu der Diskussion fiber subjekt ive Ger~tusche und GehSrshal luzinat ionen un ten in Zusammenhang mit dem yon mir un te rsuch ten Material zurtick.

K r a n k e n g e s c h i c h t e n l ) .

3 6 F~ille.

F a l l I : H. D., Frau, 39 J. Psychiatrische Diagnose: Paraphrenia. Ot. Diagnose : Residua dx.

Vorher eine jahrelange Otitis dx. gehabt. Kein Sausen. Sie hSrt ihre eigenen Gedanken laut yon oben und auBen, wenn es ruhig ist. Sie wird ver- spottet usw., hSrt keine Stimmen am Tage oder wenn sie durch andere Dinge interessiert ist. Sie hSrt wohl noch Stimmen, sagt aber scherzend, dab sie keine Notiz davon nehme. Die Stimmen werden durch beide Ohren geh6rt. Ohruntersuchung zeigt rechts Residuen einer ansgeheilten suppurativen Otitis, mit Fltisterstimme ein Meter, und Geh6rsherabsetzung yon kombiniertem Typus. Linkes Ohr normal.

F a l l 2: H. C., 34J. Fran. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: Normal.

In jtingeren Jahren Ohrensausen gehabt (Cerumen). Die gehSrten Stim- men sind h~glich und durum. Werden durch die Ohren nicht gehSrt, sondern drinnen im Kopf und kommen auch von Brust und Bauch.

F a l l 3: A. H., 23j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: Normal.

Es werden zwei Arten von Stimmen gehSrt, teils yon auBen, die von beiden Ohren gleich aufgefaBt werden, teils yon innen. Die letzteren kommen vom Magen und gehen durch den KSrper in den Kopf hinein. Es spricht nur immer eine Stimme, die ibm unangenehme Dinge sagt, ihn auffordert, Briefe zu schreiben. Wtinseht inzwischen Baumwolle in die GehSrg~inge, zieht das Leinen um den Kopf herum, um die Stimmen loszuwerden. Sausen nur, wenn er halluziniert. Die Stimmen werden yon Sausen begleitet, die ~tul3eren in der TonhShe der Quinte einer Violine, die inneren in einer Tonh6he tiber C 5. Das Sausen steigert sich inzwischen. Im Beginn der Krankheit wurde er yon jedem ~iul3eren Lant sehr erschreckt.

F a l l 4: A. S., 47J- Frau. Psychiatrische Diagnose: Spfitkatatonie. Ot. Diagnose: Normal.

Ist vorher niemals ohrenkrank gewesen. Kein Sausen. Die Stimmen werden yon augen durch die Ohren aufgefal3t, befehlen ihr, Worte auszusprechen, die sie niemals yon selbst aussprechen wollte, spricht bisweilen mit ihren Stimmen, bisweilen ist sie ganz stumm, yon ihren Stimmen ganz beherrscht.

F a l l 5: N. A. E., 51 J. Psychiatrische Diagnose: Psychosis ex. intox. alkohol. Chronisehe Halluzinose. Or. Diagnose: Residua dx.

Kein Ohrensausen. Die Stimmen werden yon aut3en durch beide Ohren gehSrt. Befahlen ibm, beim Beginn der Krankheit einen Feuermelder zu zer- schlagen, jetzt werden sie entweder yon einer Ecke des Zimmers oder von dem Ticken der Uhr aus gehSrt, so dab er mehrmals versucht hat, das Ticken zu beseitigen. Am rechten Ohr Residuen einer abgelaufenen Otitis. Fltister- stimme: ein halber Meter GehSrsherabsetzung von kombiniertem Typus.

1) ]:)as Material geh6r t der I r renans ta l t S : t I .ars zu Lund und is* mir yon dem Chefarzt Professor V. W i g e r t gi i t igst /iber!assen,

Die Beziehungen zwischen Geh6rl~alluzinationen und Geh6rorgan. I47

F a l l 6: M. N., 72j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox paranoides. Ot. Diagnose: Presbyakusis.

Keine vorherigen Ohrenkrankheiten, kein Sausen. Halluziniert sehr leb- haft, h6rt die Stimmen gleichm~tl3ig durch beide Ohren, wel l sie n i c h t y o n e i n e r S e i t e sprechen, dann h6rt sie die Stimmen am besten durch das Ohr dieser Seite. Die Stimmgabelprfifungen k6nnen trotz des lebhaften Hallu- zinierens der Kranken bei der Untersuchung durchgeftihrt werden. Sie kann offenbar sehr gut ihre Stimmen und die Stimmgabel auf einmal auffassen und unterscheiden. Die Patientin hat mehrere Jahre vor der eingetretenen Presby- akusis halluziniert und die Halluzinationen haben sich nicht beim Eintri t t des Geh6rleidens verandert.

F a l l 7: E. A., 33j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Psychosis manio depressiva. Ot. Diagnose: Otit. med. chron, sup. sin. Residuae dx.

Das linke Ohr hat seit Kindheit suppuriert. Kein Sausen. Die Stimmen sind b e f a l l e n d und werden am besten mit dem beinahe normalen rechten Ohre aufgefaBt. Am rechten Ohr Residuen einer ehronischen Mittelohreiterung mit einer m~tl3igen Geh6rseinschr~nkung, am linken Ohr eine randst~tndige Perforation, mit Suppuration und Konversationsstimme yon 2 m.

F a l l 8: I. A. P., 47J. Frau. Psychiatrische Diagnose: Schizophrenie. Ot. Diagnose: Residua dx.

Als Kind rechtsseitiges Ohrenleiden. Immer Sausen in diesem Ohr gehabt. Ihre Stimmen hat sie immer und nur durch das kranke rechte Ohr aufgefal3t, es sind Mgnner- und Knabenstimmen, die auf einmal von oben und unten schimpfen, inzwischen v6tlig unverst~indliche Sachen sagen. Wenn die Stimmen aufh6ren, saust es in dem rechten Ohr, hie in dem linken. Das Sausen steigert sich periodisch zum Brummen eines Nebelhornes, wobei die Kranke vor Schmerzen schreit. Das rechte Ohr zeigt eine trockene Perforation des Trom- melfells, eine H6rf~ihigkeit von 3 m. Konversation und von kombiniertem Typus. Linkes Ohr normal.

F a l l 9: N. J . , 5oj. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Sp~itkatatonie. Ot. Diagnose: normal.

Er hat im Jahr 1927 eine rechtsseitige Otitis durchgemacht und im Zusammenhang damit Sausen und Brummen gehabt und dachte dartiber nach, ob jemand anders es auch h6re. Nachher kein Sausen gehabt. Die Stimmen wurden in keiner Weise yon seiner Ohrenkrankheit beeinfluBt, sie sind yon drohender Natur, befehlen ihm, seinen Bruder zu morden, die anderen Pa- tienten zu schlagen oder sich selbst zu ermorden. Die Untersuchung der Ohren zeigt ganz normale Verh~tltnisse.

F a l l io: E. P., 7oj. Frau. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox paranoides. Ot. Diagnose: Presbyakusis.

Vorher nicht ohrenkrank. Kein Sausen. Die Stimmen werden von oben gleichm~tl3ig durch beide Ohren geh6rt. Sie sind yon schimpfender und drohen- der Natur. Inzwischen zankt sie sich mit ihren Stimmen. Bei einer yon den gemachten Untersuchungen beginnt die Patientin pl6tzlich zu halluzinieren, wobei jede Untersuchung unm6glich ist. Sie h6rt auf beiden Ohren kaum I m Konversationssprache. Stimmgabelprtffungen von kombiniertem Typus. Hat schon vor dem Eintreten des Geh6rleidens Halluzinationen gehabt, die sich nicht ver~ndert haben.

F a l l I I : I. G. H., 65j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox paranoides. Ot. Diagnose: Presbyakusis.

Keine Ohrenkrankheit, Kein Sausen, Es ist sehr schwierig, mit ihr zu 50*

148 STURE BERGGREN,

sprechen. Wenn sie in der Krankenabteilung sich unbeachtet glaubt, lauscht sie eindringlich auf etwas und spricht auch mit ihren Stimmen. Die Trommel- felle sind beiderseitig sklerotisch. Konversationsstimme kaum 2 m geh6rt. Auch vor dem Geh6rleiden hat diese Patientin halluziniert and darin sind keine Ver~nderungen eingetreten.

F a l l 12: E. P., 62j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Involutionsparanoia. Ot. Diagnose: Residua bil.

Als Kind Ohreneiterung. Kein Sausen. H/Jrt immer ihre Stimmen gleich- m~igig durch beide Ohren und auf dieselbe Weise wie die Stimme des Unter- suchers. Vorher konnte sie mit ihren T6chtern, die mehrere Meilen entfernt wohnen, sprechen. Wenn sie jetzt allein ist, h6rt sie inzwischen Stimmen und zankt sich mit ihnen. Unter den anderen Patienten ist sie sehr ruhig und hallu- ziniert nicht. Die Ohren zeigen Residuen beider Trommelfelle und Konver- sationsstimme von kaum 3 m.

F a l l 13: P. P., 65j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: Residua dx.

Im Kindesalter schwer krank am rechten Ohr. Kein Sausen. H6rt seine Stimmen nur mit dem rechten Ohr, tro~zdem er bemerkt hat, dal3 er durch dieses Ohr das gew6hnliehe Sprechen seiner Mitpatienten gar nicht h6rt, sondern dureh das normal h6rende linke Ohr. Durch das reehte Ohr h6rt er nur, wenn man z. B. auf einen Tisch schl~igt. Die Stimmen kommen hoch oben von dem Himmel oder tier unten v o n d e r H611e. Vorher waren sie gegen ihn schimpfend, jetzt machen sie ibm nur SpaB. Ohruntersuchung zeigt: am rechten Ohr hochgradige Residuen, er ist beinahe taub und h6rt nur sehr lautes Sprechen ad concham, das linke Ohr normal.

F a l l 14: K. E. S., 22j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Hebephrenie. Ot. Diagnose: normal.

Keine vorherige Ohrenkrankheiten gehabt. Die Stimmen wurden im Anfang der Krankheit durch beide Ohren und nur in unmittetbarer N~he geh6rt. Jetzt h6rt er keine Stimmen mehr aber ein pfeifendes Sausen, das periodisch auftritt und eine halbe Stunde dauert.

F a l l 15: N. N., 55J-Mann. Psychiatrische Diagnose: Praesenile Melan- cholie. Ot. Diagnose: Residua sin.

Ohrenkrankheit als Kind. Kein Sausen. Die Stimmen werden von aul3en geh6rt, gleich durch beide Ohren, sie weinen, rufen, mtissen aber hoch sprechen, sonst h6rt er sie nicht. Wenn sie flfistern, kann er nicht auffassen, was sie sagen. Er h6rt gew6hnliche Fltisterstimme bei Geh6rprtifung 3 m links, 3 m rechts, vom kombinierten Typus.

F a l l 16: N. M., 54J- Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: normal.

Keine Ohrenkrankheit. Kein Sausen gehabt. Er h6rt gleich dutch beide Ohren Stimmen yon verschiedener Art, die auch yon weither kommen. Er h6rt auch, wie die V6gel sprechen, ein Pferd von seinem Elternhaus bringt ihm GrtiBe usw. Auch wenn er die V6gel nur sieht, h6rt er, was sie spreehen. Ohruntersuchung normal.

F a l l 17: E. P., 24j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox paranoides. Ot. Diagnose: normal.

Keine Ohrenkrankheit. Die subjektiven Ger~iusche bestehen seit 4 Jahren als Insektenbrummen und h6rten mit Beginn der Stimmen auf. Diese Stimmen wurden durch beide Ohren als Menschenstimmen yon oben und unten geh6rt, sie sprachen erst sehr hoch und st6rten seine Arbeit, jetzt werden sie nur als Fliistern und selten beobachtet, Er hat Krankheitseinsicht, kann die Stimmen

Die Beziehungen zwischen Oeh6rhalluzlnat~onen und Geh6rorgan. I49

durch seinen Willen unterdrficken, kann sie aber, wenn er allein ist, auch deut- lieh hervorrufen. Ohruntersuchung normal.

F a l l 18: E. K., 3Ij . Mann. Psychiatrisehe Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: Neurit. acust, sin.

WeiB yon keiner Ohrenkrankheit. Kein Sausen gehabt. Die Stimmen werden, wenn sie hoch sprechen, gleich mit beiden Ohren geh6rt, aber wenn sie fltistern, nur mit dem linken. Es sind Manner-, Weiber- und Kindersiimmen, die ihn der merkwt~rdigsten Dinge anklagen. Trommelfelle beiderseits normal. Geh6rhntersuchung rechts : normal, links : Konversation 4 m. Verktirzung der h6heren Stimmgabeln. Rinne + . Schwabach verktirzt. Weber im rechten Ohr.

F a l l 19: M. N., 35j. Frau. Psychiatrisehe Diagnose: Dementia praecox ? (Lues cerebris?) Ot. Diagnose: normal.

Sie hat vor einigen Monaten in der Irrenanstalt eine Otit. reed. ac. simplex durchgemacht und hat nachher Sausen und Brummen. Die Stimmen gleich- mfiBig durch beide Ohren aufgefaBt, drohen mit Gef~ingnis und Kreuzigung. Sie h6rt auch einen Vogel drinnen im Kopf und h6rt die V6gel im Park sprechen. Die durchgemachte Ohrenkrankheit, raft dem bestehenden Sausen, hat in keiner Weise ihre Stimmen beeinflugt, auch werden die Ohren bei Unter- suehung normal gefunden.

F a l l 2o: E. B., 3oj. Frau, Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot, Diagnose : Residua bil.

Die Patientin hat vorher als Kind eine doppelseitige Otitis durchgemacht. Kein Sausen. Die Stimmen werden teils von augen, teils von innen geh6rt. Die Xugeren gleich durch beide Ohren, werden Ms Klopfen und Aufforde- rungen, die Tttren zu 6ffnen empfunden. Sie zeigt bei Ohrenuntersuchung in beiden Ohren Residuen der Membrana tympani und eine gleichm~iBige Geh6rs- erniedrigung auf ungef~hr 4 m.

F a l l 21: K. A. S., 43J. Mann. Psychiatrische Diagnose: Paralysis gene- ralis. Ot. Diagnose: Ot. med. chron, sup. dx.

Seit seiner Jugend rechtsseitiges Ohrleiden mit vielen Exazerbationen. Best~indiges, aber nieht hochgradiges Ohrensausen, auf welches die Stimmen nicht einwirken, sondern es besteht neben den Stimmen. Die Stimmen werden drinnen im Kopf geh6rt und nicht dutch die Ohren als yon augen kommend aufgefaBt. Er h6rt seine Stimmen besser, wenn er die Finger in die Geh6r- g~tnge steckt. Sie k6nnen sehr laut sprechen, und dann kann er tiberhaupt nicht fassen, was in seiner Umgebung gesagt wird. Oftmals werden sie nut als ein wirres Brausen bemerkt. Ohruntersuchung zeigt normales linkes Ohr, eine Attikusfistel am rechten, mit Konversationsstimme ad concham.

F a l l 22: P. P., 48j. Mann. Psyehiatrische Diagnose: Praesenile Melan- cholie. Ot. Diagnose: Residua dx.

Mehrere Otitiden des linken Ohres durchgemacht, die letzte im Nov. 1926. Best~ndiges Sausen im linken Ohr, keines im rechten. Die Stimmen werden nur im linken Ohr geh6rt, hochgradig schimpfend, sie werden, wenn seine Aufmerksamkeit yon etwas anderem gefesselt wird, z. B. bei der Unter- suchung, nicht geh6rt. Wenn er das rechte, normalh6rende Ohr verstopft h6rt er nicht, was die anderen Patienten sagen, h6rt aber seine Stimmen. Ohruntersuchung zeigt ein normales rechtes Ohr. Residuen am linken Trom- melfell und hier Konversationsstimme nur ad concham.

F a l l 23: B. 0., 45J. Frau. Psychiatdsche Diagnose: Sp~tkatatonie. Ot. Diagnose: Progressive Geh6rsabnahme (Otosklerose) seit 15 Jahren. Ftir gew6hnlich kein Sausen, nur dann, wenn sie SchwindelanfMle bekommt. Die Stimmen werden gleichm~tBig durch beide Ohren geh6rt. Ihre Kinder

f50 STURE BERGGREN,

weinen und jammern, in der Nacht h6rt sie nur klagende Laute. Die Trommel- felle sind sklerotisch, Konversationsstimme nur ad concham auf beiden Ohren geh6rt.

F a l l 24: A. ~., 46j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. or . Diagnose: Residua sin.

WeiB nichts yon vorausgegangenen Ohrenkrankheiten. Kein Sausen. Die Stimmen, die sehr lebhaft sind, sind von drohender und schimpfender Natur, werden durch beide Ohren gleich aufgefagt. Er versucht sie loszuwerden durch Verstopfen der Ohren. Er muB mehrmals untersucht werden, denn die meistens lebhaften Halluzinationen nehmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch, so dab er in diesem Zustand nur sehr lautes Spreehen h6rt. Bei der Ohrunter- suchung zeigt er ein normales rechtes Ohr. Residuen am linken Trommelfell, mit einer GehSrsch~trfe ftir Konversationsstimme yon 3 ill.

F a l l 25: A. B., 46j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Paraphrenie. Ot. Diagnose : normal.

Hat keine Ohrenkrankheit durchgemacht. Frtiher Sausen in Zusammen- hang mit den Halluzinationen, werfn diese schwerer als jetzt waren. Die Stimmen werden von augen, welt entfernt, als drohende, laut schimpfende Manner-, Weiber- und Kinderstimmen gleichzeitig geh6rt. Er ist beim Hallu- zinieren sehr unruhig, wird darfiber wtitend, dab sie ihn nicht in Ruhe lassen. Ohruntersuchung normal.

F a l l 26: K. P., 67j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Involutionsparanoia. Ot. Diagnose: Presbyakusis.

Kein Sausen. Die Stimmen werden von auBen gleichm~iBig yon beiden Ohren m~igig hoch geh6rt. Trommelfelle sklerotisch. Konversationsstimme rechts und links 2 m. Stimmgabelproben von kombiniertem Typus. Hallu- zinierte schon vor ihrem Ohrleiden. Ver~inderungen sind darin nicht eingetreten.

F a l l 27: J. H., 5Ij . Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox (Imbecitlit~tt). Ot. Diagnose: Residua dx.

Keine vorherigen Ohrenkrankheiten. Immer Sausen. Die Stimmen gehen gleichm~iBig durch beide Ohren. Er wird von ihnen nachts geweckt. Es sind M~tnner-, Weiber- und Kinderstimmen, die oben vom Dach herunterkommen; den Sinn des Gesagten versteht er nicht. Ohruntersuchung zeigt ein nor- males linkes Ohr, am rechten Ohr Konversationsstimme yon 3 m und Resi- duen am Trommelfell.

Fall 28: I. R., 69j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Involutionsparanoia. Ot. Diagnose: Residua bil.

Oft ohrenkrank als Kind. Kein Sausen. Die Stimmen werden durch beide Ohren gleichm~Big geh6rt, auf dieselbe Weise und in derselben Tonh6he jetzt wie vorher, trotzdem das Oeh6r sich allm~ihlich vermindert hat. Sie klagen die Kranke an und verfolgen sie. Ohruntersuchung zeigt beiderseits Residuen des Trommelfells. Konversationsstimme rechts 4 m, links 2 m.

Fall 29: S.M., 42j. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: Neuritis acust, sin.

Beim Steinhauen in der Jugend pl6tzlich einen Knall vor beiden Ohren, nachher Verminderung des Geh6rs und Sausen, ein Saasen, das sie ruhig macht. I)as H6ren der Stimmen kommt anfallsweise jeden Abend zwischen sieben und neun. Sie sind sehr laut und l~irmend und werden meistens durch das linke Ohr geh6rt. Vor dem Anfang der Stimmen ftihlt sie wie einen Schleier vor dem Geh6r, so dab sie die Stimmen ihrer Kameraden schlechter h6rt, danach setzen die Halluzinationen ein. Im Anfalle schwindet das ge- w~hnliche Ohrensausen, und sie h6rt sehr undeutlich oder gar nicht, was die

Die Beziehun~en zwischen Geh6rt~altuzinationen und Geb6rorgan. ~I5I

anderen Patienten und die W~irterinnen sagen. Nach dem Anfalle hhrt sie wieder einige Zeit schlecht, dann wieder normal. Ohruntersuchung zeigt normale Trommelfelle, Geh6rbefund: Fltistersprache rechts 3 m, links Die hohen Stimmgabeln sind beiderseits, am st~irksten links verkiirzt. ~ m.

Fall 3o: G. B. S., 4o i. Mann. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Ot. Diagnose: Kombinierte Schwerhhrigkeit.

Hat allm~thlich angefangen schlecht zu hhren. Best~tndiges Sausen, am meisten auf dem linken Ohr. Die Stimmen werden gleich gut auf beiden Ohren gehhrt. Das Sausen wird von den Stimmen nieht beeinflugt, sondern besteht nebenbei. Die Stimmen gehen vom Patienten selbst aus, werden von anderen aufgefangen, die ihn damit plagen, er soll gethtet oder gebrannt werden, dasselbe Schicksal bedrohe seine Familie. Die Stimmen werden wie von weir- her geh6rt und werden vom Patienten schwierig aufgefaBt, wenn es unruhig in der Krankenabteilung ist. Wenn die Stimmen deutlieh sind, hhrt er mit grhBter Schwierigkeit und versteht nicht, was die W~trter sagen. Ohrunter- suchung zeigt ungleich verdickte Trommelfelle mit Fltisterstimme ad con- cham rechts, 2 m links.

Fall 31: E. T., 37J. Mann. Psychiatrische Diagnose: Psychosis manio depressiva. Or. Diagnose: Neuritis acust, bil.

192o nach Influenza Verschlechterung des Geh6rs, mit im Anfang hohem Sausen wie C a. Jetzt niedrig und periodisch. Das Sausen und die Hallu- zinationen haben nichts miteinander zu tun, die Stimmen werden gleich deutlich durch beide Ohren schimpfend, drohend nnd befehlend gehhrt. Ohr- untersuchung zeigt normale Trommelfelle. Fliisterstimme auf beiden Ohren 3 m, mit einer Verktirzung der Stimmgabeln C 3, C~, C 5, pos. Rinne, Sehwabach verkiirzt.

Fall 32 : D. S., 39i. Mann. Psychiatrische Diagnose : Psychosis ex intox. alkoholica. Chronische Halluzinose. Ot. Diagnose: Residua sin.

Beim Einsetzen der Geisteskrankheit Sausen im ganzen Kopf, das, wenn die Stimmen kommen, zunimmt. Die Stimmen sind immer M~tnnerstimmen, er hhrt nur eine einzige Stimme yon gleicher Tonhhhe immer yon auBen, die Stimmen wissen, was er denkt, so dab er auf seine Gedanken Antwort erlh~tlt. Im linken Ohr hat er zuweilen das Gefiihl yon Schmerzen und Prasseln, jetzt hhrt er vorwiegend ein Brausen und Stimmen durch das linke Ohr. Ohrunter- suchung zeigt ein normales rechtes Ohr und Residuen des linken Trommelfelles.

Fall 33: E. H., 59J. Frau. Psychiatrische Diagnose: Paraphrenie. Ot. Diagnose: Residua bil.

Vor einigen Jahren eine akute suppurative Otitis, es saust inzwischen ohne Zusammenhang mit den Halluzinationen, die auf beiden Ohren gleich gut gehhrt werden. Sie werden immer yon augen gehhrt, und wenn sie hoch- gradig sind, versteht sie ihre Umgebung schlecht. Kann nicht angeben, ob ihre Stimmen eine Ver~inderung nach der Otitis zeigten, w~ihrend der Otitis scheint sie eine relative Ruhe von ihren Halluzinationen gehabt zu baben. Ohrenuntersuehung zeigt Trommelfellver~inderungen beiderseits, mit Kon- versationsstimme links 3 m, rechts 6 m.

Fall 34: N.A. , 49i- Frau. Psychiatrische Diagnose: Psychosis manio depressiva. Ot. Diagnose: Normal.

Wenn die Halluzinationen sehr lebendig waren, starkes Ohrensausen, jetzt nicht mehr. Die Stimmen werden teils vom Himmel, tells von der Hhlle geh6rt. Sie spricht mit ihren Stimmen und 'beantwortet ihre Fragen. Ohr- untersuchung normal.

I52 STURE BERGGREN,

Fall 35 : J. L. G., 34j. Mann. Psychiatrische Diagnose : Alkohol. paranoia. Or. Diagnose: Normal.

Keine Ohrenkrankheit gehabt. Im Zusammenhang mit dem Einsetzen der Geisteskrankheit Sausen, das mehrere Jahre dauerte, jetzt aber nicht mehr. Die Stimmen werden yon auBen drohend und verfolgend geh6rt, wie wirk- liche Menschenstimmen. Die Stimmen hOrt er am Tage in der Arbeit nicht mehr, nur wenn er sich zu Bert gelegt hat. Sie gehen immer durch die SeRe, auf welcher er liegt, hinein, gleichgtiltig, ob es die linke oder rechte SeRe ist. Ohruntersuchung normal.

Fall 36: P. J., 48j. Frau. Psychiatrische Diagnose: Dementia praecox. Or. Diagnose: Residua bil.

Ohrenkrank als Kind, immer schlecht geh6rt, immer schweres Ohren- sausen. Die Stimmen sind periodisch schreiend und unversch~tmt wegen eines Kindes, das sie vor 2o Jahren aul3erehelich geboren hat. Sie werden von unten und oben gehOrt und wirken auf die sonst ruhige und arbeitstiichtige Patientin sehr erregend. Ohruntersuehung zeigt Trommelfellnarben beider- seits. Nur hohes Sprechen ad concham wird geh6rt. Stimmgabelproben sind nicht durchftihrbar.

Wie schon hervorgehoben ist, gibt es in der Literatur eine Reihe von F~illen, die auf eine Abh~ingigkeit der Halluzinationen yon den peri- pheren Sinnesorganen hinweisen. Es seien als Beispiele einige solche des Geh6rorgans referiert.

Nach B r y a n t (Journ. of nerv. a. ment. dis. x9o6 ) s tammt die erste Mitteilung dieser Art yon B o d i n , der im Jahre x58o in seiner Beschrei- bung einseitiger Geh6rshalluzinationen auf die M6glichkeit eines Zu- sammenhanges zwischen Ohr und Geh6rshalluzinationen hinweist. Aber erst in einer Arbeit yon K 6 p p e (Allg. Zeitschr. I. Psychiatrie i867), mit dem Ohrenarzt S c h w a r t z e zusammen gemacht, wird dieser Frage nS.her getreten. K 6 p p e land unter Ioo Geisteskranken 77 mit Geh6rs- halluzinationen, un t e r denen 3I Ohrenkrankheiten hatten. K au fma nn und R e d l i c h (Wien. klin. Wochenschr. I896 ) untersuchten in einer gr/Sgeren Arbeit 97Geisteskranke mit 58FS.11en von Geh6rshalluzinationen und fanden bei 57 Ohrenerkrankungen. Das h/iufige Vorkommen v o n Ohrenkrankheiten bei den GehOrshalluzinanten deuten sie in der Rich- tung, dab die Ohrenerkrankung fiir die Entstehung der Geh6rshallu- zinationen von Bedeutung sein diirfte, und bauen eine Reiztheorie der Geh6rshalluzinationen auf. Br ya n t berichtet in seiner obenerw~thnten Arbeit iiber einige mit Erfolg behandelte F~ille - - bei Behandlung der Ohrenkrankheit schwanden die Halluzinationen. Er untersuchte auch 56 Geisteskranke und fand 41 Geh6rshaltuzinanten und Ohrenkrankheit in 4,~ FS.11en. K l i e n e b e r g e r (Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie I912 ) publiziert 3 F~ille, wo er meint, dab eine periphere Ohraffektion das Entstehen yon Geh0rshalluzinationen begfinstigt hat. S t r a n s k y (Neurologie des Ohres, Bd. III, x926 ) berichtet fiber einen Fall einseitigen Gedanken- lautwerdens bei einem Manne mit gleichzeitiger Ohraffektion usw.

Die Beziehungen zwischen Geh6rhaliuzinationen und Geh6rorgan. 153

Einige yon den oben referierten Autoren sahen auch F~lle yon ein- seitigen Geh6rshalluzinationen bei einseitigem Ohrenleiden, so K/Spp e und K l i e n e b e r g e r , dagegen bat ten K a u f m a n n und R e d l i c h nicht Gelegenheit, solche F~tlle zu beobachten.

Die Ansicht der meisten Verfasser, die sich mit diesem Thema be- sch~ftigt haben, geht in der Richtung, daft durch die Ohrenerkrankung ein Reiz im H6rnerven und dessen zentraler Ausbreitung in der kortikalen Geh~Srsph~ire gesetzt wird, ein Reiz, der das Auftreten von Geh6rshallu- zinationen begiinstigt.

Im Gegensatz zu dieser Meinung steht eine Aussprache yon A n g 1 a d e, der in Revue de laryngol, d'otol., 1927, eine Arbeit fiber Hallucinations de l'ouie et maladie de l 'appareil auditif publiziert hat, in der er meint, dab sowohl psychiatrische als otologische Beobachtungen es unwahr- scheinlich machen, dab bei dem Zustandekommen der Geh6rt~uschungen sensorielle Elemente eine wesentliche Rolle spielen.

Ehe ich diese Literaturtibersicht verlasse, m6chte ich auch die Arbeit yon R o b i n s o n , Aural disease in the insane (Journ. of neurol, a. psycho- pathol. 1927) erw~hnen. Der Verfasser hat 2oo Geisteskranke ohrunter- sucht, IOO Geh6rshalluzinanten und IOO nicht halluzinierende. In der letzten Gruppe wurden 44 Ohrenerkrankungen gefunden, in der ersten 83 Ohrenerkrankungen. Die Ohrenerkrankungen teilt er in solche nur mit Mittelohrerkrankungen, nur mit Innenohrerkrankungen und endlich solche mit beiden dieser Formen zusammengenommen und gibt seine Resultate in folgender Tabelle.

Mit Halluzinationen Ohne Halluzinationen

I. Nur Mittelohrerkr. 42 18 U. Nur Innenohrerkr. 22 23

UI . Beide Formen (,,Both forms") 19 3 IV. Normaler Ohrbefund 17 56

Nach seiner Tabelle iiberwiegen die Mittelohrerkrankungen bei den Geh6rshalluzinanten gegeniiber den anderen Formen yon Ohrenkrank- heiten, u n d e r schlieBt daraus, dab Menschen, die an Geisteskrankheit leiden und dabei auch eine Mittelohrerkrankung haben, mehr zu Geh6rs- halluzinationen neigen, wS&rend es ebensoviel Innenohraffektionen bei Nichthalluzinanten wie bei Halluzinanten gibt, was .nach seiner Ansicht zeigt, daft diese Kranken keine besondere Neigung zu Halluzinationen haben.

In dem von mir untersuchten Material wurden 36 Geisteskranke, und zwar nur solche mit G e h 6 r s h a l l u z i n a t i o n e n u n t e r s u c h t .

Es sei erstens kurz auf die Verschiedenheit der Geh6rshalluzina- tionen, wie sie sich in diesen F~illen in der Psyche der Kranken abspielen hingewiesen. Drei F/ille (5, I7, 20) haben sowohl Stimmen, die ohnc

I54 STURE BEI tGG REN,

~ul3eren Reiz vorkommen, als Trugwahrnehmungen, die von ~iul3eren, spezifischen, ad~iquaten Sinnesreizen abhAngig sind und neben denen Wahrnehmungen bestehen. In Fall 5 ist es das Ticken einer Uhr, in den F/illen 17, 2o das Singen der V6gel. Im Fall 17 10st auch das bloBe Erblicken der V6gel Geh6rshalluzinationen aus. In den F~illen I, 3I, 33 h6ren die Kranken ihre eigenen Gedanken laut wiederholt, erhalten auf ihre Gedanken Antwort, oder die Gedanken des Patienten werden yon anderen aufgefangen und in ver~inderter Form als Drohungen wieder yore Patienten g e h 6 r t - ,,man wolle ihn und seine Angeh6rigen Mngen, brennen", alles Beispiele yon Gedankenlautwerden.

In den FAllen 4 und 9 werden die Patienten durch yon aul3en kom/ mende zwingende und drohende Stimmen aufgefordert: der erstere, er solle Schimpfworte, die ihm sonst nicht einfallen wtirden, aussprechen, der andere erhielt den Befehl, seinen Bruder zu t6ten, die anderen Pa- tienten zu schlagen, sich selbst zu ermorden.

Mit Ausnahme der 3 obenerw~thnten FAlle, in denen AuBere Reize fiir das Zustandekommen der Geh6rshalluzinationen teilweise notwendig waren, treten die Trugwahrnehmungen in diesen wie in sAmtlichen iibrigen FAllen ohne jede ~iuBere Veranlassung auf.

Die Halluzinationen kommen periodisch zu bestimmten Tageszeiten, lassen die Kranken nachts in Ruhe oder wecken sie sogar nachts auf. Oder die Stimmen sind immer da, kommen und gehen anscheinend ohne jede Ursache und k6nnen yon dem Willen der Patienten nur im Einzel- fall beim Nachlassen der Geisteskrankheit beherrscht werden. Sie sind zuweilen yon einerDepression, einerUnruhe oder, wie im Fall 9, von Angst, im Fall 3 ~ yon einem Gefiihl wie einer Verschleierung des GehOrs - - es sehwinden die Laute der Umgebung mehr und mehr --- eingeleitet.

Der Inhalt der Stimmen ist im allgemeinen ziemlich einfOrmig, die Kranken werden bedroht, beschimpft, angeklagt. Die Stimmen machen im allgemeinen die Kranken ~ingstlich oder sogar rasend wie im Fall 26, der sonst ein sehr ruhiger Patient ist. Nur selten werden die Stimmen angenehm empfunden. In solchen FAllen kOnnen die Patienten mit ihren Stimmen scherzen oder lebhaft reden.

Die Intensit~it ist sehr verschieden. Auf dem H6hepunkt der Krank- heir sehr 1Astig, schwinden sie mit dem Nachlassen der Krankheit mehr oder minder gAnzlieh. Es gibt alle fgberg~nge der Stimmen, die als laut und sogar schmerzlich empfunden werden, und solche, die so leise sind, dab die Patienten sich anstrengen mtissen, um sie zu h6ren.

In zwei F~tllen liegt eine akustische Hyper~sthesie vor. Der eine Fall hat te sogar im Beginn der Krankheit einen schmerzhaften Schreck vor Lauten, der andere (8) schrie laut vor Schmerzen, wenn das Sausen sich zum Brummen steigerte.

Die Lokalisation der Geh6rshalluzinationen ist entweder so, dab

Die Beziehungen zwischen Geh6rhalluzinationen und Geh6rorgan. I5~

sie von auBen oder von innen geh6rt werden oder sowohl yon auBen als yon innen. Sie werden als Geschrei, als einzelne W6rter oder als ganze Siitze aufgefaBt. M~inner-, Weiber-, Kinderstimmen sprechen jede fiir sich oder alle auf einmal. In ein paar F~illen werden die Stimmen sowohl yon auBen als yon innen geh6rt, vom Magen, yon der Brust (Fall 3, Fall 5), sonst werden in diesem Material die meisten yon auBen geh6rt und als durch die Ohren gehend aufgefaBt.

DaB die "Patienten die Stimmen durch die Ohren als yon aul3en kommende Laute auffassen, auch wenn keine Wahrnehmung als ~iuBerer Reiz zukommt, scheint beim ersten Anblick nicht schwerverstXndlich zu sein; sind wit doch daran gew6hnt, das Gesprochene dutch die Ohren aufzufassen. Der Geisteskranke ist natiirlich auch geneigt, seinen Trug- wahrnehmungen dieselbe Herkunft wie seinen gewohnten tats~ichlichen Wahrnehmungen zu geben, wie das aus seinen Lebenserfahrungen heraus als das natiirlichste erscheint. Wenn die Trugwahrnehmungen auch fiir die Kranken etwas Ungewohntes an sich haben miissen, so haben diese doch das Bediirfnis, dafiir eine naheliegende und gewohnheitsm~iBige, in die Aul3enwelt verlegte Erkl~irung zu suchen (vgl. A s c h a f f e n b u r g , Handb. d. Psychiatrie, S. 2o9), und miissen also aus ihrer Denkgewohn- heit heraus die Stimmen aul3erhalb des K6rpers verlegen und alas, was diese sagen, durch die Ohren h6ren. Einer von unseren Patienten (Fall 3) suchte auch durch Einfiihren yon Baumwolle in die Geh6rg~inge und dadurch, dab er die Bettdecke um den Kopf herumschlug, sich yon den Stimmen zu befreien.

Doch ist diese Frage viel komplizierter, als es beim ersten Anblick aussieht. Wahrscheinlich verh~ilt es sich n~imlich so, dab der periphere Geh6rapparat beim Zustandekommen der Geh6rshalluzinationen nicht die Rolle eines lautperzipierenden Organs fiir yon auBen kommende Laute spielt, die, zentral geleitet, zu Geh6rst~iuschungen Veranlassung geben, sondern die Geh6rshalluzinationen entstehen zentral und werden nach auBen projiziert. Hierbei kann ein yon einer Ohrenkrankheit verursachter Reizzustand im peripheren Sinnesapparat die Rolle eines ausl6senden Faktors spielen. In dieser Richtung liegen die einseitigen Geh6rshalluzinationen bei einseitiger Ohrenkrankheit.

Die S t i m m e n werden m i t b e i d e n O h r e n oder n u r m i t e i n e m Ohr aufgefaBt oder hauptsiichlich und deutlicher mit dem einen Ohr. Die I n e i s t e n , 32 yon unseren 36 untersuchten F~llen, h6ren ihre Stimmen d u r c h b e i d e O h r e n , 4 F~ille n u r mit dem l i n k e n oder r e c h t e n Ohr. In e i n e m F a l l e (18) h6rt der Patient zwar im allgemeinen die S t i m m e n d u r c h b e i d e O h r e n , n u r mit dem eineI1 aber, wenn d ie S t i m m e n f l i i s t e rn .

D a s g r 6 B t e I n t e r e s s e bieten d ie F~ille, die m i t e i n s e i t i g e n Ge- h 6 r s h a l l u z i n a t i o n e n ein n u r e i n s e i t i g e s O h r e n l e i d e n d e r s e l b e n

156 STURE BERGGREN,

S e it e aufweisen. Es sind dies die F~ille 8, I3, 23, 33, die also auf einen bestimmten Zusammenhang zwischen Ohrenleiden und Geh6rshallu- zinationen hinweisen diirften und deshalb etwas n~ther betrachtet werden sollen.

Fall 8 ist eine 48j~ihrige Frau, die als Kind mehrere Otitiden des rechten O/ares durchgemacht hatte und immer an Ohrensausen auf diesem Ohr gelitten hat. Sie hat immer ihre Stimmen nut mit diesem rechten Ohr geh6rt. Wenn die Stimmen nicht da sind, h6rt sie nut das Sausen im Ohr. Dieses Sausen kann sich inzwischen steigern und wird dann als ein Brummen gehSrt, was die Patientin schmerzt, so dal3 sie hochgradig j~mmert und vor Schmerzen schreit, also, wie schon oben gesagt, eine typische akustische Hyper~tsthesiel

Der nS~chste Fall (13) ist ein 65j~thriger Mann, der in seiner Kindheit eine schwere Ot. med. supp. durchgemacht hat. Sausen wurde nie be- obachtet. Das rechte Ohr zeigt Residuen einer abgelaufenen Ot. med. supp. mit GehSr ad c. yon kombiniertem Typus, also eine hochgradige Herabsetzung des Geh6rs. Das linke Ohr ist normal. Die Stimmen werden immer und nur mit dem schlechthUrenden rechten Ohr aufgefal3t.

Fall 23, Mann von 49 Jahren hat mehrere Otitiden des linken Ohres durchgemacht, die letzte im Nov. 1926. Es werden bei der Untersuchung Residuen am linken Trommelfell und eine hochgradige Einsehr~nkung des GehUrs yon kombiniertem Typus festgestellt. Das rechte Ohr ist normal und normalhUrend. Es hat st~indig im linken Ohr gesaust wie im rechten, die Stimmen werden nur im kranken, schwerh6rigen linken Ohr geh6rt. Die Stimmen sind st/indig, h6ren aber auf, wenn man mit ihm sprieht und seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet wird. Wenn er alas rechte Ohr mit dem Finger verstopft, hurt er nicht, was die anderen Patienten untereinander sprechen, sondern hurt nur seine eigenen Stimmen.

Fall 33 ist ein 39j~hriger Ingenieur, der sieh einer vorausgegangenen Ohrenkrankheit nicht erinnern kann, der aber bei der Ohruntersuehung Residuen am linken Trommelfell zeigt mit undeutlieher Einschr~nkung des Geh6rs. Im Anschlul? an das Einsetzen der Geisteskrankheit Sausen im ganzen Kopf, das s{ch zuweilen beim Einsetzen der GehUrshallu- zinationen steigert. Die Stimmen wurden im Beginn im ganzen Kopf, jetzt nur durch das kranke linke Ohr, gleichwie das Sausen gehUrt. Er hat auch ab und zu Schmerzen und Prasseln in diesem linken Ohr.

In 3 yon diesen 4 F~illen liegt eine einseitige, hochgradige GehUr- stUrung als Folge durchgemachter suppurativer Otitiden vor, die vor dem Einsetzen der Geisteskrankheit ihre Einwirkung auf das Ohr aus- geiibt haben. Im vierten Falle ist das einseitige Ohrenleiden yon m~il3igem Einflul3 auf das H6rvermUgen. In s~imtlichen vier Fiillen ist das andere Ohr sowohl otoskopisch wie funktionell normal.

Die Beziehungen zwischen Geh6rhalIuzinationen und GehOrorgan. i57

An diese vier F/ille schliel3en sich z w e i an, bei denen die S t i m m e n h a u p t s ~ i e h l i c h oder w e n i g s t e l l s am b e s t e n d u r c h das e ine Ohr geh/Srt werden.

Im Fall 18, der an einer linksseitigen Akustikusneuritis leidet, werden die Stimmen, wenn sie laut sprechen, dutch beide Ohren geh6rt, Fliisterll aber nut durch das kranke Ohr.

Fall 7, eine 35j~ihrige Frau, die eine linksseitige chron, supp. Otitis und Residuell am rechten Trommelfell hat, h6rt ihre Stimmen nicht ausschlieBlich, aber doch am besten mit auf dem besserh6renden rechten Ohr, was im Gegellsatz zu den anderen 5 F~illen steht, die s/imtliCh ihre Stimmen ausschlieglich oder am besten durch das schlechterh6rende Ohr auffassen. Diese letzte Kranke h6rt aber, wie sie selbst sagt, ,,natfir- lich" ihre Stimmell auf dem Ohre, auf welchem sie erfahrungsgem~ig auch andere Laute am besten h6rt.

Es gibt aber in diesem Material eine Reihe yon Kranken, d ie i h r e S t i m m e n g l e i c h g u t d u t c h b e i d e O h r e n h 6 r e n u n d n u r e i n s e i t i g o h r e n k r a n k s ind. Es sind dies die F~lle I, 5, 21, 24, 27, 35, also ins- gesamt 6 Ftille.

Kein einziger Fall in diesem Material einseitiger Ohrenkranker h6rt seine Stimmen ausschlieBlich auf dem normalen Ohr. Es gibt abet nach R o b i n s o n auch solche F/ille. Er sagt, dab ill solchen F/illen die verschiedene Form der Ohrenkrankheit ausschlaggebend ist und dab in den F/illen, in denen die Kranken durch das gesunde Ohr halluzinieren, eine Erkrankung des innerei10hres der anderen Seite sich feststellen lfil3t.

Wenn wir der Art der Ohrenkrankheit in unseren obenerw/ihntell F/illen llaehforschen, ergibt es sich, dab nut zwei (18, 35) ausschlieBlich an einseitigen Erkrankullgen des Innenohres leiden, alle tibrigen sind Mittelohrerkrankungen mit sekund~irer Atrophie des C o r t ischen Organes. In den beiden Fiillen mit Innenohrerkrankungen ist eine Best~ttigung der Angabe yon R o b i n s o n nicht zu linden.

Die Patienten, die beiderseits ohrenkrank sind, insgesamt 13 F/ille, h6ren alle die Stimmell durch beide Ohren. Die zehll Geisteskranken, die llormale Ohren haben und an einer Ohrenkrankheit hie gelitten haben, halluzinieren auch alle doppelseitig.

Es g e h t a l so a u s d i e s e m M a t e r i a l h e r v o r , d a b G e h S r s h a l l u - z i n a t i o n e n s ich be i G e i s t e s k r a n k e n v o r f i l l d e l l , und zwar s o w o h I be i O h r g e s u n d e n (IO von 36 F~llen) als be i O h r k r a n k e n (26 yon 36 F~illen). Es iiberwiegen also in hohem Grade diejenigen F~ille, in denen Ohrenkrankheiten gefunden sind. Geisteskranke mit einseitigem Ohr- leiden k6nnen entweder doppelseitig (6 Ftille) oder nur einseitig - - dutch das kranke Ohr - - (4 F/ille) halluzinieren. S~imtliche doppelseitig Ohr- kranken halluzinieren wie die Ohrgesunden doppelseitig.

D e r G r a d und d ie Ar t der G e h 0 r s t 6 r u n g s p i e l t fiir das HOrell

158 STURE BERGGREN,

der S t i m m e n ke ine Rolle. Geistesk}anke, die nur ad c. h6ren, h6ren doch ihre Stimme deutlich, auch wenn die Stimmen nicht laut sprechen. Eine Patientin gibt sogar an, dab die fortschreitende Verschlechterung des Geh6rs, deren sie sich bewul3t ist, nicht das geringste in Hinsicht des H6rens ihrer Stimmen ge~indert hatte. Sie h6rt die Stimmen in gleicher St~trke und Tonh6he, wie sie die Stimmen immer geh6rt hat.

Auch T a u b s t u m m e k 6 n n e n G e h 6 r s h a l l u z i n a t i o n e n haben . Einen solchen Fall vollkommener Taubheit gibt K6ppe an. Es

mu8 sich in solchen F~illen um erworbene Taubstummheit handeln, denn bei geisteskranken Taubstummen mit angeborener Taubstummheit werden nie Geh6rshalluzinationen beobachtet, wie mir dies wenigstens der Taubstummenpfarrer Malmer aus Lund aus seiner lebenslangen Erfahrung mitgeteilt hat. Es ist dies auch verst~ndlich, denn bei diesen Kranken gibt es jakeine Sprachvorstellungen, nnd was hie wahrgenommen ist, kann nattirlich auch nicht zu Trugwahrnehmungen Veranlassung geben.

Ein Umstand, der mir bei geisteskranken Ohrkranken aufgefallen ist, ist der, dab diese Kranken yon ihren H6rleiden in keiner Weise bel~tstigt zu sein scheinen. Kein einziger klagte tiber sein schlechtes Geh6r, eine Beobachtung, die wohl mit der Eigenwelt und Isoliertheit in psychischer und sozialer Hinsicht zusammenh~ingt.

Ich habe reich bis jetzt ausschliel31ich mit den Ausfallserscheinungen im Sinne einer Schwerh6rigkeit als Folge einer Erkrankung des mittleren oder inneren Ohres oder beider zusammen besch~ftigt. Es gibt aber auch ein anderes Moment, das in diesem Zusammenhang beriicksichtigt werden mul3: das Vorhandensein yon Reizerscheinungen. Diese Reiz- erscheinungen, die sich als subjektive Ger~iusche ~iul3ern, sind Ph~nomene, die dureh Vorg~inge auBerhalb oder innerhalb des Aufnahmeapparates entstehen und die ~iuBeren physikalischen Vorg~nge in Nervenvorg~inge transformieren. Sie werden als Sausen, Pfeifen usw. yon den Kranken geh6rt und kommen bei einer Reihe yon Ohrenerkrankungen verschie- dener Art vor. Insgesamt kommen in diesem Material 18 F~lle von Ohrensausen vor, unter denen 12 auch Ausfallserscheinungen zeigen. Lediglich Sausen kam in 6 F~illen vor ohne objektiv konstatierbare Ver~nderungen am Ohr. In diesen mul3 ein Reizzustand des H6rnerven angenommen werden.

Nach den Untersuchungen von Graden igo weil3 man, dab sich bei Ohrenerkranku~gen eine ~lberreizbarkeit des N. acusticus elektrisch nachweisen l~tl3t. Man hat auch bei den Geisteskranken, die auch Ohren- krankheiten hatten, eine solche Ubererregbarkeit nachgewiesen und dutch den Reiz eines elektrischen Stromes anf den N. acusticus bei Geh6rs- halluzinanten in freier Periode Geh6rshalluzinationen ausl6sen k6nnen. (Untersuchungen yon Jo l ly , Arch, f, Psychiatr~e 1873, Chwostek~

Die Bezichungcn zwischen GehSrhalluzinationen und Geh6rorgan. 159

Jahrb. f. Psychiatrie 1892). Diese Untersuchungen sind deswegen inter- essant, weil sie experimentell die M6glichkeit zeigen, durch einen Reiz der H6rnerven den Weg fiir das Entstehen einer Halluzination bei Geistes- kranken zu bahnen. GewiB muB man aber bei solchen Versuchen mit der groBen Suggestibilit~t der Geisteskranken rechnen.

Die A u f f a s s u n g , dab die s u b j e k t i v e n GerS.usche das Auf- treten yon H a l l u z i n a t i o n e n bei G e i s t e s g e s u n d e n beg t in s t i gen k6nnen, ist im Beginn dieser Arbeit erw~hnt und diskutiert und die M6g- lichkeit eines 13berganges der subjektiven Ger~tusche bei Geistesgesunden in Halluzinationen im allgemeinen in A b r e d e ges te l l t . Wie v e r h ~ l t es s ich abe r bei den G e i s t e s k r a n k e n ? Wenn wir dem Verhalten der subjektiven Ger~usehe im Einzelfall in unserem Material n~her- treten, finden wir, dab sie entweder periodisch auftreten oder immer bestehen. Sie k6nnen ohne jeden Zusammenhang mit den Geh6rs- halluzinationen sein und neben den Halluzinationen selbst~ndig bestehen, oder sie haben einen bestimmten Zusammenhang mit den Halluzinationen. In den letzten F~llen kann sich das Sausen beim Einsetzen der Hallu- zination steigern, um auf dem HShepunkt derselben im Beginn der Geisteskrankheit besonders hochgradig zu sein, um nach und naeh trotz Weiterbestehen der Halluzinationen zu schwinden, oder das Sausen kann die Halluzinationen begleiten und nur zuf~llig vorkommen. Es gibt auch einige Fiille, in denen das Sausen beim FAnsetzen der Hallu- zination schwindet, gewissermagen yon dieser ersetzt wird, und beim Nachlassen der Halluzination wieder auftritt, oder das Sausen h6rt, wenn die Geh6rshalluzinationen im Beginn der Geisteskrankheit sich entwickeln, auf.

Es l~igt sich also in e in igen F~l len ein b e s t i m m t e s V e r h ~ l t n i s zwischen densubj e k t i v e n Ger ~usch e n und den Geh6r sha l !u zina- t ion e n n a ch w eis e n, am deutlichsten in denjenigen F~llen, in denen das Sausen als eine Art Aura vor dem Einsetzen der Halluzinationen auftritt (3) oder beim Auftreten der Halluzinationen gesteigert wird. Bei Geistes- kranken kann man also in Einzelf~illen einen Ubergang der subjektiven Ger~iusche in Halluzinationen nachweisen, ein Vorkommnis, das auf eine besondere Ver~inderung in der Psyche der Geisteskranken zuriickzufiihren ist. Das Sausen ist also nie die a l l e in ige U r s a c h e des A u f t r e t e n s einer G e h S r s h a l l u z i n a t i o n , muB aber als b a h n e n d ftir die H a l l u - z i n a t i o n e n in gewissen F~illen aufgefal3t werden .

Am s i c h e r s t e n wird freilich eine Abh~ingigkei t zwischen G e h 6 r s h a l h z i n a t i o n e n und s u b j e k t i v e n Ger~iuschen bei K r a n - ken k o n s t a t i e r t , bei denen die S t i m m e n mi t den G e r ~ u s c h e n als E r s c h e i n u n g h e i l b a r e r resp. bes se run gsf i ih iger O h r e n k r a n k - h e i t e n e n t s t e h e n und mit H e i l u n g der O h r e n k r a n k h e i t und Weg- fal l der Ger~usche ve rgehen , KOppe und B r y a n t teilen solche

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F~lte mit, bei denen unter der 6rtlichen Behandlung der Ohrenkrankheit, gleichzeitig mit dem Abnehmen der Ohrger~usche, die Halluzinationen aufh6rten.

Wenn R o b i n s o n ~tul3ert, dab ,,in the major i ty of cases tinnitus is definitely a case of hallucinations, and perhaps a necessary one for their production", so kann das nach unseren Untersuchungen nicht best~itigt werden. Nur die H~ilfte yon unseren FXllen hat Ohrensausen, die andere, auch geh6rshalluzinierende H~ilfte nicht.

Wie die Geisteskranken ihre Stimmen h6ren, kbnnen wir uns nicht vorstellen. Die allermeisten geben an, sie h6ren die Stimmen durch die Ohren, und einige sind sich auch eines schweren H6rleidens bewuBt. Das gr613te Interesse in dieser Beziehung bieten die F~ille einseitiger Schwer- h6rigkeit und einseitigen Halluzinierens derselben Seite. Es ist, als ob - - wenn wir uns erlauben, die Sache vom normalen Standpunkte aus zu beurteilen - - die Kranken ihre Stimmen nicht durch die Luftleitung, sondern durch die Knochenleitung h6rten, gleichwie die Stimmgabel im Weberschen Versuch, an das Sch~ideldach gesetzt, bei einer Mittelohr- schwerh6rigkeit am besten im schlechth6renden kranken Ohr per- zipiert wird.

Ein Patient (23) gibt sogar an, er h6re seine Halluzinationen am besten, wenn er das normalh6rende Ohr mit einem Finger verstopft und nur durch das andere, hochgradig schwerhbrige Ohr mit der Aul3enwelt in Verbindung steht, mit dem er die Stimmen der W~trter und Mit- patienten tiberhaupt nicht auffassen kann. Er hat sich bei diesem Ver- such taub gegen die Umgebung gemacht und h6rt nur seine eigenen Stim- men, gleichwie ein Normaler mit dem Kopf unter Wasser nichts yon drauf3en, nut ein Sausen drinnen im Kopf h6rt.

Das Material zeigt einen hohen Prozentsatz yon Ausfallserscheinungen sowie Ausfalls- und Reizerscheinungen zusammengenommen an den Ohren. Auch kommen einige F~ille vor, in denen nur Reizerscheinungen ohne objektiv konstatierbares Ohrenleiden vorkommen. Es sind eigent- lich nur 2 F~ille unter den 36 Untersuchten, die weder Ausfallserschei- nungen noch Reizerscheinungen aufweisen.

Was haben wir also mit diesen Untersuchungen festgestellt ? Im Grunde genommen nur die Tatsache, dab sich Ohrenkrankheiten bei Geh6rshalluzinierenden in einem sehr hohenProzentsatz nachweisen Iassen. Aber das beweist noch nicht, dab das Ohrenleiden in allen diesen F/tlien einen Zusammenhang mit den Geh/Srshalluzinationen hat. In einigen F~tllen kann man bestimmt sagen, dab dies nicht der Fall ist. Hierher geh6ren die 4 F~ille yon Presbyakusis, in denen die Patienten schon iang- jNlrig vor dem Auftreten der Ohrenkrankheit halluziniert haben und das allm~ihlich einsetzende Ohrenleiden in dieser Beziehung nichts ge- ~tndert hat,

Die Bez i ehungen zwischen Geh6rha l luz ina t ionen und Geh6rorgan. t 6 I

Hierher gehSren auch die F~lle, in denen die Patienten eine akute Otitis bei schon bestehender Geisteskrankheit durchgemacht haben und die Ohrenkrankheit nichts in dem Verhttltnis der schon vorher bestehen2 den GehSrshalluzinationen gettndert hat (9. 19.) und der Fall 31, ein gebildeter Mann mit einer periodischen Psychose, der in geistesgesunder Zwischenzeit einer Influenza erlag und als Folge davon eine doppel- seitige Innenohraffektion akquirierte, ein Vorkommnis, das aber an seinen GehSrshalluzinationen, bei neuem Einsetzen der Geisteskrank- heit, nichts tinderte.

Die Fttlle 21, 22 haben zwar vor tier Geisteskrankheit an einer chro- nischen suppurativen Otitis gelitten. Die stttndigen Exazerbationen der Ohrenkrankheit ttnderten aber nichts an dem VerhSJtnis der Geh6rs- halluzinationen, ein Umstand, der beweist, dab eine neue Reizung einer sehon bestehenden Ohrenaffektion ohne Bedeutung fiir die Halluzi- nationen sein kann.

Viel schwieriger ist die Frage zu beantworten, in Welchen Fttllen mit Bestimmtheit gesagt werden kann, dab ein Zusammenhang zwischen Ohrenkrankheit und dem Zustandekommen der GehSrshalluzinationen besteht. Man mug sich, meiner Meinung nach auch dabei, dahin ein- schrtinken, zu sagen, dab ein Zusammenhang zu bestehen scheint, und dab die Ohrenkrankheiten, seien es Ausfallserscheinungen, seien es Reiz- erscheinungen, gewil3 eine Bedeutung fiir das Entstehen der Geh6rs- halluzinationen haben kSnnen. Das beweist der groge Prozentgehalt yon Ohrenkrankheiten der GehSrshalluzinanten (Ausfalls- und Reizerschei- nungen), auch wenn man yon diesem Prozentgehalt die oben erwtthnten Fttlle abzieht, in denen ein Zusammenhang zwischen Ohrenkrankheit und GehSrshalluzinationen nicht besteht.

Gegeniiber den giinstigen Wirkungen, die eine Behandlung des GehSrorgans auf die Geh6rshalluzinationen ausiiben soll, welche von einigen Autoren publiziert worden sind, mug man sich, wenigstens in den meisten F~llen, kritisch verhalten. K 5 p p e publiziert Ftille, in denen bei ausschliel31icher 5rtlicher Behandlung akuter Ohrenerkrankungen die Symptome der Halluzinationen gtinzlich schwanden. K a s s e 1 land Heilung yon GehSrshalluzinationen durch Ausspritzung yon Cerumen aus dem linken Ohr und Tenotomie des Tensor tympani im rechten Ohr. L. M e y e r entfernte einem Melancholiker einen Cerumenpropf, worauf der Patient die Halluzinationen yon Kindergeschrei rasch verlor. Einen tihnlichen Fall teilt S t e i n mit (Prager med. Wochenschr. 19o7). F i s c h e r berichtet fiber einen Fall von Verfolgungswahn mit GehSrshalluzinationen, die durch eine Anodenbehandlung geheilt wurden. U r b a n t s c h i t s c h (Neurol. des Ohres, Bd. III) teilt einen Fall mit - - eine Frau mit einem chronischen Ohrenkatarrh, der er den Hammer extrahierte und die er auf diese Weise yon den seit Jahren bestehenden Halluzinationen von

Archiv f. Ohren-, Nasen- and Kehlkopfheilkunde. Bd. i~o. I I

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Menschengeschrei befreite. B r y a n t berichtet fiber 4 F/ille mit lokaler Behandlung mit Katheter und Eintr/iufelung in den Nasopharynx bei katarrhalischen Ohrenkranken, wobei mit Aufh6ren der subjektiven Ger/iusche auch ein Schwinden der GehOrshalluzinationen zu konstatieren war. Dieser Verfasser gibt auch eine Zusammenfassung der Prognose der Geh6rshalluzinationen mit sehr optimistischem Ausblick in den- jenigen F/illen. in denen die Ohrenkrankheit v611ig geheilt werden kann. K a u f m a n n und Red l i ch nehmen einen anderen und mehr kritischen Standpunkt ein. ,,Gelingt es, den vom Ohr ausgehenden Reizzustand zu beseitigen, so ist ja damit selbstverst~tndlich noch nicht die gest6rte Hirnt~itigkeit, die mit in Betracht kommt, beiseite geschafft." In den wenigen F/illen, in denen diese Verfasser eine Therapie des Ohrenleidens versuchten, war dieselbe betreffs der Geh6rshalluzination auch ohne Erfolg.

Wenn man die Ohrenkrankheit bei einem geh6rshalluzinierenden Patienten behandeln will, so muB das selbstverst~ndlich in derselben Weise und unter denselben Indikationen wie bei einem Geistesgesunden gemaeht werden.

Gleichwie bei einem Geistesgesunden therapeutisch im allgemeinen nicht allzuviel zu gewinnen ist, bei Residuen, d. h. im Narbenstadium einer abgelaufenen Otitis, soweit es die Ausfallserscheinungen und das Sausen betrifft, so ist auch den gleichen Symptomen gegeniiber bei einem Geisteskranken nieht viel zu erreichen. Eine Restitutio ad integrum des als Folge einer durchgemachten Entztindung zuriickgebliebenen Narbenstadiums ist nicht m6glich, und wenn die Reiz- und Ausfalls- erscheinungen, die hiermit verbunden sind, als bahnend fiir die Ent- stehung der Geh6rshalluzinationen wirken k6nnen, so sind unsere thera- peutischen ?r diese durch Behandlung der Ohrenkrankheit zu beeinflussen, gewil3 gering. Ganz anders verh~ilt es sich in denjenigen F/illen, in denen wir eine v611ige Ausheilung des akut erkrankten Geh6r- organs, z. B. eine akute katarrh. Otit. med., erwarten k6nnen. DaB in solchen F~illen Geh6rshalluzinationen, die in Zusammenhang mit der Ohrenkrankheit aufgetreten sind, und fiir welche das periphere Ohren- leiden den Weg in eine kranke Psyche gebahnt hat, durch eine ge- eignete ]3ehandlung und Ausheihng der Ohrenkrankheit verschwinden k6nnen, ist wohl wahrscheinlich und nicht zu bezweifeln. Die gest6rte Gehirntittigkeit aber, die Geisteskrankheit, 1/iBt sich gewiB nicht durch Behandlung eines peripheren Leidens beeinflussen.

Die Frage der )~tiologie der Geh6rshalluzinationen kann gewil3 nicht summarisch beantwortet werden. Schon nach den Verschiedenheiten der einzelnen F/ille 1/il3t sich das nicht erwarten.

Geh6rshalluzinationen kommen in einem groBen Prozentsatz, wie diese Arbeit auch zeigt, bei ohrenkranken Geisteskranken vor. Sie k6nnen

Die Beziehungen zwischen Geh6rhalluzinationen und Geh6rorgan. 16 3

aber auch ohne jede Ohrenkrankheit vorkommen. Sie k6nnen einseitig bei einer Ohrenkrankheit derselben Seite vorkommen, k6nnen aber auch doppelseitig bei einseitiger Ohrenkrankheit auftreten. In unserem ~aterial ist in keinem Falle eine einseitige Geh6rshalluzination bei beiderseits gesunden Ohren konstatiert worden.

Wieweit die peripheren Erkrankungen des Geh6rorgans bei dem Entstehen von Geh6rslaalluzinationen mitspielen, wissen wir nicht, nur dab ein solcher Zusammenhang in vielen Fallen nicht zu leugnen ist. Wenn U t h o f f (zit. J a spe r s ) schreibt: Ich kann auf Grundlage meiner langj~ihrigen, regelm~iBigen, ophthalmoskopischen Untersuchungen an Geisteskranken diese Angaben (H~iufigkeit der Gesichtshalluzination bei Augenkranken) nicht best~itigen, finde sogar, da8 die F~ille gar nicht besonders h~iufig sind, wo man mit Siclaerheit bestimmte pathologische Augenver~tnderungen ftir die Entstehung yon Gesichtshalluzinationen verantwortlich machen kann", so kann ich ibm, was die Geh6rshallu- zinationen und das GehiSrorgan betrifft, nicht beistimmen.

Es kann diese Frage nach den Beziehungen zwischen Geh6rshallu- zinationen und pathologischen Ver~inderungen des peripheren Geh6r- organs erst naeh langj~hrigen, systematischen Untersuchungen durch Zusammenarbeit eines Psychiaters und eines Otologen endgtiltig be- urteilt werden.