die beziehungen der innenohrschwerhörigkeit zu anomalien des schädels und der halswirbelsäule

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466 H. GERLACH: die Blutbahn verhindert, so dal~ postoperative Komplikationen aus- geschaltet werden. Jedenfalls babe ich in meinem Krankengut niemals eine solche gesehen. 4. Durch die exakte Gef~unterbindung ist auch die Gefahr einer Sp~tblutung auf tin Mindestmal~ herabgesetzt. Dieser Umstand ist des- wegen nicht zu untersch~tzen, weft jeder Fachkollege weir, wit un- angenehm und schmerzhaft ffir den Patienten eine nach 2--3 Tagen er- forderliehe Gef~l~ligatur oder sonstige Ma~nahmen in einem reaktiv ent- zfindeten und mit Bel~gen bedecktem Wundgebiet sind. In meinem Krankengut belaufen sich die Nachblutungen auf nicht ganz 1 ~o- 5. Auch bei Kindern l~I3t sich diese Methode ohne weiteres durch- fiihren, wenn auch die Blutleere w~hrend der Operation keine so vollst~n- dige ist wie beim Erwaehsenen. Der Atherrausch, in dem operiert wird, ist gerade nur so tief, um eine sichere An~sthesie zu erreichen und durch das Pressen der Kinder kommt es zu st~rkerer parenchymatSser Blutung, die aber wesentlich geringer ist, als die Blutung ohne Gef~13unterbindung. Diese meine Erfahrungen stfitzen sich auf eine Zahl yon etwa 15000 Tonsfllektomien, die ich in den ]etzten 25 Jahren selbst durehgeffihrt habe. Die Anzahl der Operationen, die naeh dieser Methode yon meinen Prager Mitkollegen durchgeffihrt wurde, ist wesentlich hSher. Ich babe in all diesen Jahren nicht eine einzige postoperative Komplikation ernsterer Art gesehen und bitte daher, diese Art der Operation einer ~achprfifung ffir wiirdig zu befinden. Diskussion zu den Vortr~gen 39--41. Herr WULLSTE]N-Siegen.Seit der Einffihrung der neuen RSntgendiagnostik- ger~te breitet sich die ttartstrahltechnik mit VergrSl~erung schnell aus. Als ])emon- stration dazu dienen Audiogramm und STE~VE~s-Bild eines Facialisneurinoms im Mittel- und Innenohre, histologisch durch Probeexcision best~tigt. Bei unversehr- tern Trommelfell und guter Pneumatisation liegt das H6rbild einer fortgeschrittenen Otosklerose vor, hochgradige SchalleitungsschwerhSrigkeit mit sr Innenohr- komponente beiderseits, dabei keine Zeichen einer St(~rung des Nervus facialis. Tat- sAehlich ist die Mittelohrkomponente dureh ])ruckusur des langen AmboBschenkels infolge des Neurinoms am seitlichen Bogengange bedingt, die Innenohrkomponente dureh die Entwicklung der Nervengesehwulst bis in den Fundus des inneren Geh(ir- gangs. ])as STE~VEns-VergrSi3erungsbfldzeigt die StrukturauflSsung der unteren Vestibulumhi~lfte und fast der ganzen Abschlul~platte des inneren GehSrgangs sowie eine deutliche Aufhellung des Fundus selbst. 42. Herr H. GERLACH-Siegen: Die Beziehungen der Innenohrschwer- hiirigkeit zu Anomalien des Sehiidels und der Italswirbels~iule. (Mit 4 Textabbildungen.) Die Genese der InnenohrschwerhSrigkeit bleibt heute noch in vielen F~llen ungekl~rt. Entsprechend ist die Therapie meist unbefriedigend.

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Page 1: Die Beziehungen der Innenohrschwerhörigkeit zu Anomalien des Schädels und der Halswirbelsäule

466 H. GERLACH:

die Blutbahn verhindert, so dal~ postoperative Komplikationen aus- geschaltet werden. Jedenfalls babe ich in meinem Krankengut niemals eine solche gesehen.

4. Durch die exakte Gef~unterbindung ist auch die Gefahr einer Sp~tblutung auf tin Mindestmal~ herabgesetzt. Dieser Umstand ist des- wegen nicht zu untersch~tzen, weft jeder Fachkollege weir, wit un- angenehm und schmerzhaft ffir den Patienten eine nach 2--3 Tagen er- forderliehe Gef~l~ligatur oder sonstige Ma~nahmen in einem reaktiv ent- zfindeten und mit Bel~gen bedecktem Wundgebiet sind. In meinem Krankengut belaufen sich die Nachblutungen auf nicht ganz 1 ~o-

5. Auch bei Kindern l~I3t sich diese Methode ohne weiteres durch- fiihren, wenn auch die Blutleere w~hrend der Operation keine so vollst~n- dige ist wie beim Erwaehsenen. Der Atherrausch, in dem operiert wird, ist gerade nur so tief, um eine sichere An~sthesie zu erreichen und durch das Pressen der Kinder kommt es zu st~rkerer parenchymatSser Blutung, die aber wesentlich geringer ist, als die Blutung ohne Gef~13unterbindung.

Diese meine Erfahrungen stfitzen sich auf eine Zahl yon etwa 15000 Tonsfllektomien, die ich in den ]etzten 25 Jahren selbst durehgeffihrt habe. Die Anzahl der Operationen, die naeh dieser Methode yon meinen Prager Mitkollegen durchgeffihrt wurde, ist wesentlich hSher. Ich babe in all diesen Jahren nicht eine einzige postoperative Komplikation ernsterer Art gesehen und bitte daher, diese Art der Operation einer ~achprfifung ffir wiirdig zu befinden.

Diskussion zu den Vortr~gen 39--41.

Herr WULLSTE]N-Siegen. Seit der Einffihrung der neuen RSntgendiagnostik- ger~te breitet sich die ttartstrahltechnik mit VergrSl~erung schnell aus. Als ])emon- stration dazu diene n Audiogramm und STE~VE~s-Bild eines Facialisneurinoms im Mittel- und Innenohre, histologisch durch Probeexcision best~tigt. Bei unversehr- tern Trommelfell und guter Pneumatisation liegt das H6rbild einer fortgeschrittenen Otosklerose vor, hochgradige SchalleitungsschwerhSrigkeit mit sr Innenohr- komponente beiderseits, dabei keine Zeichen einer St(~rung des Nervus facialis. Tat- sAehlich ist die Mittelohrkomponente dureh ])ruckusur des langen AmboBschenkels infolge des Neurinoms am seitlichen Bogengange bedingt, die Innenohrkomponente dureh die Entwicklung der Nervengesehwulst bis in den Fundus des inneren Geh(ir- gangs. ])as STE~VEns-VergrSi3erungsbfld zeigt die StrukturauflSsung der unteren Vestibulumhi~lfte und fast der ganzen Abschlul~platte des inneren GehSrgangs sowie eine deutliche Aufhellung des Fundus selbst.

42. Herr H. GERLACH-Siegen: Die Beziehungen der Innenohrschwer- hiirigkeit zu Anomalien des Sehiidels und der Italswirbels~iule. (Mit 4 Textabbildungen.)

Die Genese der InnenohrschwerhSrigkeit bleibt heute noch in vielen F~llen ungekl~rt. Entsprechend ist die Therapie meist unbefriedigend.

Page 2: Die Beziehungen der Innenohrschwerhörigkeit zu Anomalien des Schädels und der Halswirbelsäule

InnenohrschwerhSrigkeit und Anomalien des Sch~dels. 467

Ich darf deswegen Ihre Aufmerksamkeit auf eine Gruppe Innenohr- sehwerhSriger lenken, bei denen gleichzeitig Anomalien des Seh~idels anzutreffen waren. Unser Bemiihen galt der Zusammenhangsfrage. Das therapeutische Vorgehen best/itigte unsere Vermutungen in den ur- ss Beziehungen.

Bei der stets sehr sorgfaltig erhobenen L~ngsschnittanamnese fiel uns seit langem auf, dab eine Reihe yon Patienten mit einer Innenohr- schwerhSrigkeit noch fiber anderweitige Beschwerden k]agten, die uns an die bekannte Symptomatik der chronischen LiquorzirkulatJonsstS- rungen denken liefien. Auf die Bedeutung der dureh araehnitisehe Ver- ~inderungen in den grol~en Cysternen hervorgerufenen Liquorzirkulations- st6rungen auch ffir die Otologie hat erst vor kurzem T 6 ~ I S hingewiesen; JAT~o belegte dieses mit audiologischen Befunden. Wir fahndeten eben- falls nach alten Traumen, abgelaufenen Entzfindungen und fokalen Pro- zessen, die fiir die Entwieklung einer Meningopathia adh/s (Arachnit~s) verantwortlieh gemacht werden kSnnen. - - Aul~erdem aber liel3en sich bestimmte Sch/s herausstellen, die haupts/iehlieh die Basis betreffen und auf deren Wichtigkeit zur Entstehung yon Liquorzirku- lationsstSrungen TSN~IS besonders aufmerksam gemaeht hat. Diese Seh/~delanomalien - - oft kurz Platybasie genannt - - bestehen in einer h~ufig hochgradigen Abflaehung des Clivuswinke]s, ~n eh~er Verkleinerung der hinteren Sch~idelg'rube sowie in einer Aufriehtung der Pyramiden- spitzen. Oftmals lassen sieh zus~itzlieh verstarkte Impressiones digitatae und eine sekund~ire Sellaerweiterung naohweisen. Auch die Synostosis cranialis mit kurzer vorderer und hinterer Sch/idelgrube f~llt unter unsere Betrachtungen, da sie ja im Prinzip die gleiehen StSrungen ver- ursachen kann. Es ist bemerkenswert, dal~ RUTTI~ bereit~ 1926 die causale Bedeutung der Turricephalie ffir die InnenohrschwerhSrigkeit erkannte. Diese Ver~nderungen haben eins gemeinsam: die AuslSsung yon LiquorzirkulationsstSrungen, Behinderung der Liquorpassage, Die Sch~delanomalien kSnnen mit einer Meningoloathia adhaesiva verbunden sein, abet aueh sieher al]ein die Ursache darstellen. Bei der vor]iegenden Betraehtung haben wit die Araehnitis ohne naehweisiiche Sch~delano- malien fortge]assen. Um bei der Beurteilung pathologischer Sch~idel- formen nieht in Fehlspekulationen zu geraten, bedienten wit uns zur Objektivierung der 1VieBmethode nach B]~r

Die SehwerhSrigkeit, die in allen Fallen anzutreffen war, bot nach dem Ger/~usehaudiogramm meist das Bild einer InnenohrschwerhSrigkeit im Sinne eines Haarzellensehadens. Der Vestibu]aralOlOarat war in der Mehrzahl der F~ille unbeeinfluBt.

Auf Grund dieser Befunde lag es nahe anzunehmen, da~ dureh die intrakraniellen Liquorzh-kulationsstSrungen auch der Labyrinthliquor- druck pathologisch ver~ndert sei. Eine direkte mechanisehe Einwirkung

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Page 3: Die Beziehungen der Innenohrschwerhörigkeit zu Anomalien des Schädels und der Halswirbelsäule

468 H. GERLACH:

Abb. 1. (F., Fr i tz , 56 Jahre.) Ausgeprggte P la tybas ie m i t Langschgdelbi ldung, Liquorz i rkula t ionss t6rungen, InnenohrschwerhSr igkei t beiderseits.

- 2 o

-10

Normal 0

�9 ~- 2c

c:~ 3C

~x 5c

~ sc

76

9C

1001

110 D b

Gg 728 258 512 102ZI 20r ~ 9 6 8792Hz 128 256 512 lO2g 20~8 #898 8192Hz -20 8~

- 10

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\ - ~, \ /

///'>" ~79/>" / / 5 " - , me eege

C c c I c 2 c 3 c ~ c 5 c 8

reehtes Ohr l inkes Ohr

3 Monate I GehSr in vor 3 ]V[onate vor nach I Meter naeh "

Behandl. . . . . . m i t SV Behandl . m i t SV Behandl.. . . . . m i t SV Behanfll . m i t SV

X - - X - - X X - - X - - X

a . c . 4 2 10 Nsp. Za 0,10 3 0,10 5

0 1 0,30 3 TW verst , a.e. 1,50 a .e . 2

0 a . c . 0 0,10 F lsp .Za 0 a . c . 0 0,20

Xbb. 2. Aud iog ramm des Pat . tier Abb. 1. ~ u r Luf t l e i tungskurve aufgezeichnet (Luf t le i tungs- kurve = Knochenle i tungskurve) : , - - . - - , Vor der Behandlung. • -- x -- x 3 Monate nach Pendiomid-Medika t ion . :Entlastende Operat ion fiber der h in te ren Sch~idelgrube vorgesehen.

Page 4: Die Beziehungen der Innenohrschwerhörigkeit zu Anomalien des Schädels und der Halswirbelsäule

I n n e n o h r s c h w e r h S r i g k e i t u n d A n o m a l i e n d e s S c h ~ d e l s . 4 6 9

Abb 3. (5[,, Ihne , 16 Jab.re.) Tur r icepha l ie , Liquorzirkulat ionss tSrungen, I n n e n o h r s c h w e r h 6 r i g k e i t beidersei ts .

-ZO 6~ 128 255 512 102Zl- 2098 #096 8192Hz.

- 1 0 ~ Normal 0

~ 70 " " - " " .

C C 1 C 2 C 3 C r C 5 C s

reehtes Ohr

an~e 8 5[onate l pos t I

opera t , . . . . . m i t SV epera t .

x - - x - - x

3

0,10

)12 10

)12 8

0,60 0,10

Geh~ir in

m i t SV 5[eter

}12 ~ s p . : Za

) ] 2 T W

1.50 Flsp. : Za

Gg 128 256 512 10241 2o~8 q~98 81ggHz

C C1 C2 63 C r C5 06

l inkes Ohr

8 5[enate pos t

m i t SV opera t , m i t SV

x -- x - - x

an te opera t .

7

1,50

O

) ] 2 ]2 )12

10 10 )12

1,50 0,10 [ 2

Abb. 4. A u d i o g r a m m der P a t . der Abb. 3. N u t W i e d e r g a b e der L u f t l e i t u a g s k u r v e (Luf t l e i tungs- k u r v e = Knochen le i t ungsku rve ) . , - - o-- o Vor t ier Behand lung . • -- x -- • 8 ~Ionate n a c h

En t l a s tungsope rab ion fiber der h i n t e r e n Sch~idelgrube.

Page 5: Die Beziehungen der Innenohrschwerhörigkeit zu Anomalien des Schädels und der Halswirbelsäule

470 H. GI~RLACH: Innenohrschwerh6rigkeit und Anomalien des Sch~dels.

auf den Nervus acusticus durch Druek oder Zug erscheint uns vorl/~ufig noeh nicht ausreiehend untersucht. Die Annahme einer Labyrinthliquor- druckstSrung bestimmte unser therapeutisches Handeln. In der Regel ver- suehten wir zun/~chst die medikamentSse Druekregulierung durch das ganglienblockierende Medikament Pendiomid oder die Entw/isserung mit Salyrgan oder Diathen. Sehon nach kurzfristiger, meist jedoch nach 1/~n- gerer iV[edikation sahen wir eine deutliche Linderung bzw. ein Verschwin- den der geklagten BeschWerden und eine wesentliehe GehSrverbesserung. Diese BehandlungSform er inner t an die groBen occipitalen Punktionen yon MAx M]sY~R; die im Prinzip das gleiche bedeuten. Wir ffihrten sie ebenfMls dureh, k6nnen abet jetzt darauf verziehten, da die medikamen- tSse Form unseres ,,Behandlungstestes" leiehter durehffihrbar ist und uns zum gleiehen Ziel bringt. - - Der Grad der Funktionsst6rungen und die Intensitgt der anderweitigen Beschwerden kSnnen aber aueh zu einer ent- lastenden Operation fiber der hinteren Sch~delgrube zwingen; sie wurden in unseren F~llen in der neuroehirurgisehen Universit~tsklinik K61n durehgeffihrt. Eine absolute Indikation zu diesem Eingriff liegt stets dann vor, wenn bereits eine Stauungspapille besteht und Einklemmungs- erseheinungen das Krankheitsbild bedrohlieh werden lassen. Beides konnten wir bereits beobaehten.

Aus rein differentialdiagnostisehen Erw~gungen sei noeh kurz auf die Formveri~nderungen der Halswirbels/~ule eingegangen. Meist sind es dsgenerativ-spondylarthrotisehe Prozesse, abet aueh Traumafolgen nnd Halsrippen, die eine Symptomatik i~hnlieh wie bei den Liquorzirkula- tionsst6rungen auszulSsen vermSgen. So kann zum Beispiel die Migraine eervicMe, wie sie BX~Tscnx-I~OCgAIX besehrieben hat, ein intrakranielles Krankheitsbild vortgusehen. )/[ORITZ nimmt eine hgufige Korrelation zwisehen )/I]i~I]~R~ und Spondylarthrose der Halswirbels/~nle an. Wit sahen abet auch bei unseren Fallen yon SehgdelanomMien mit ehro- nisehen Liqnorzirkulationsst6rungen Bilder, die dem Ms Symptomkomplex gleicbkamen. - - Eine ausffihrlieh erhobene Anam- nese sowie der otologisehe, ophthalmologisehe und neurologisehe Befund geben uns bedeutende tIinweise. Aueh der therapeutische Test ist oft- reals differentialdiagnostiseh zu verwerten, denn die Ver~nderungen der Halswirbels~ule ffihren mehr zu vegetativen bzw. vasomotorischen Dysregulationen und sind somit eher dutch vegetativ wirkende Phar- maka zu beeinttussen.

Auf die Wiedergabe der zahlreiehen RSntgenbilder und Audiogramme sei hier verziehtet. Als Demonstration mSgen die vorhergehenden Bei- spiele (Abb. 1--4, S. 468 u. 469) dienen.