der stickstoff-kreislauf in der natur

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Franz-Christian Czygan Der Stickst off -Kreislauf in der Natur schiedene Wege eingeschlagen. Viele Bak- terien und Pilze, manche grunen Pflanzen und alle Tiere - und damit auch der Mensch - sind N-heterotroph, sie vermo- gen nur organisch gebundenen Stickstoff als N-Quelle zu nutzen. Die Mehrzahl der grunen Pflanzen sowie bestimmte Bakte- rien und Pilze dagegen sind N-autotroph, sie decken ihren Bedarf hauptsachlich von anorganisch gebundenem oder elementarem N. Diese Einteilung ist nicht streng; es gibt Obergange zwischen beiden Formen. 2. B. konnen sich die meisten N-autotrophen Pflanzen auch von organisch gebundenem N ernahren, etwa von Aminosauren oder Harnstoff. Letzten Endes sind jedoch die Stickstoff- quellen der N-heterotrophen Organismen N-autotrophe Lebewesen. Daher mud die Frage nach dem Kreislauf.des N in der Na- tur beim N-Stoffwechsel der Pflanzen an- setzen. Die Erforschung des Stickstoff -Kreislaufs konzentriert sich auf zwei Problemgruppen: Lebende Organismen bestehen zu mehr als der Halfte ihrer Trockensubstanz aus Stick- stoffverbindungen. Nicht nur die Amino- sauren als Bausteine der EiweiBkorper oder die Nucleotide als Bausteine der das Erbmaterial reprasentierenden Nucleinsau- ren enthalten Stidcstoff (N). Auch viele se- kundare, also weiter vom Grundstoffwech- sel entfernt stehende Stoffgruppen sind N- Verbindungen; man denke z. B. nur an die pharmazeutisch-medizinisch wichtigen Al- kaloide. Die Aufnahme und Verwertung des. Stickstoffs durch Pflanzen und Tiere wird damit zu einem der grundlegenden stoff wechselphysiologischen Prozesse. In bezug auf die N-Verwertung haben die Lebewesen in ihrer Evolution zwei ver- 1. Die Frage nach der Assimilation des N, d. h. nach der Aufnahme und Oberfuhrung des anorganischen N mit der Oxidations- stufe +5 in die Oxidationsstufe -3, wie sie in der NHY-Gruppe der Aminosauren vorliegt. 2. Die Frage nach dem Ein- und Umbau des N (-3) innerhalb des pflanzlichen und tierischen Organismus. Der N-Kreislauf ist aber nur dann in sich geschlossen, wenn der N wieder zum Aus- gangspunkt zuruckkehrt. Das bedeutet, dai3 der reduzierte N letztlich wieder in seine oxidierte Stufe uberfiihrt wird. Abbildung 1 gibt einen Oberblidc der verschiedenen Einzelschritte des N-Kreislaufs. Mit den wichtigsten der dort angegebenen Prozesse wollen wir uns nun etwas eingehender be- schaftigen. 101

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Page 1: Der Stickstoff-Kreislauf in der Natur

Franz-Christian Czygan Der Stickst off -Kreislauf in der Natur

schiedene Wege eingeschlagen. Viele Bak- terien und Pilze, manche grunen Pflanzen und alle Tiere - und damit auch der Mensch - sind N-heterotroph, sie vermo- gen nur organisch gebundenen Stickstoff als N-Quelle zu nutzen. Die Mehrzahl der grunen Pflanzen sowie bestimmte Bakte- rien und Pilze dagegen sind N-autotroph, sie decken ihren Bedarf hauptsachlich von anorganisch gebundenem oder elementarem N. Diese Einteilung ist nicht streng; es gibt Obergange zwischen beiden Formen. 2. B. konnen sich die meisten N-autotrophen Pflanzen auch von organisch gebundenem N ernahren, etwa von Aminosauren oder Harnstoff.

Letzten Endes sind jedoch die Stickstoff- quellen der N-heterotrophen Organismen N-autotrophe Lebewesen. Daher mud die Frage nach dem Kreislauf.des N in der Na- tur beim N-Stoffwechsel der Pflanzen an- setzen.

Die Erforschung des Stickstoff -Kreislaufs konzentriert sich auf zwei Problemgruppen:

Lebende Organismen bestehen zu mehr als der Halfte ihrer Trockensubstanz aus Stick- stoffverbindungen. Nicht nur die Amino- sauren als Bausteine der EiweiBkorper oder die Nucleotide als Bausteine der das Erbmaterial reprasentierenden Nucleinsau- ren enthalten Stidcstoff (N). Auch viele se- kundare, also weiter vom Grundstoffwech- sel entfernt stehende Stoffgruppen sind N- Verbindungen; man denke z. B. nur a n die pharmazeutisch-medizinisch wichtigen Al- kaloide. Die Aufnahme und Verwertung des. Stickstoffs durch Pflanzen und Tiere wird damit zu einem der grundlegenden stoff wechselphysiologischen Prozesse.

In bezug auf die N-Verwertung haben die Lebewesen in ihrer Evolution zwei ver-

1. Die Frage nach der Assimilation des N , d. h. nach der Aufnahme und Oberfuhrung des anorganischen N mit der Oxidations- stufe +5 in die Oxidationsstufe -3, wie sie in der NHY-Gruppe der Aminosauren vorliegt.

2. Die Frage nach dem Ein- und Umbau des N (-3) innerhalb des pflanzlichen und tierischen Organismus.

Der N-Kreislauf ist aber nur dann in sich geschlossen, wenn der N wieder zum Aus- gangspunkt zuruckkehrt. Das bedeutet, dai3 der reduzierte N letztlich wieder in seine oxidierte Stufe uberfiihrt wird. Abbildung 1 gibt einen Oberblidc der verschiedenen Einzelschritte des N-Kreislaufs. Mit den wichtigsten der dort angegebenen Prozesse wollen wir uns nun etwas eingehender be- schaftigen.

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Vom NOj- zurn NH4+: Nitratreduktion im weiteren Sinne

Die hauptsachlichste N-Quelle der photo- autotrophen, also derjenigen Pflanzen, die ihren Kohlenstoffbedarf durch Photosyn- these decken - aber auch mancher C- heterotropher Pflanzen -, ist das Nitrat (NOS-). In dieser Verbindung hat der N seine hijchste Oxidationszahl von +5. Er mui3 also fur die Weiterverarbeitung zur (-3)-Stufe reduziert werden. Der Leser wird sich nun fragen, ob denn die Pflanze das im Boden gleichfalls vorhandene Am- monium (NH,+) nicht verwerten kann; hier hat der N ja bereits die fur die Pflanze "passende" Wertigkeit von -3. Die Ant- wort lautet: Sie kann es. N u n ist aber einerseits aus Grunden, die wir noch ken- nenlernen werden (S. 109),der NHd+-Gehalt des Bodens recht gering. Zum anderen bringt die Ausnutzung des NHJ+ auch er- hebliche Nachteile: Nimmt eine Pflanze aus dem Ionen-Gemisch der Nahrlosung (jeder Boden ist eine Suspension von festen Teilen in einer Salzlosung) NH1+-Ionen auf, so werden dabei im Austausch Protonen ( H + ) an die Umgebung abgegeben. Dadurch sauert der Boden stark an (= physiolo- gische Aciditat). Umgekehrt werden bei der Aufnahme von NOS- OH--1onen an das AuBenmedium ausgeschieden; der Boden wird also alkalischer (= physiologische Al- kalitat). Fur die meisten Pflanzen ist nun aber eine neutrale bis schwach basische Bo- denreaktion optimal fur das Wachstum, wahrend es in sauren Boden bald zu einer Stockung, ja sogar volligen Einstellung des Wachstums kommt. So ist die oben getrof- fene Feststellung, da8 der Stickstoff uber- wiegend als NOS- aufgenommen wird, ein- leuchtend. Wir konnen also festhalten, dai3 Nitrat und Ammonium-Salze biologisch ungleichwertig sind.

Ni t ra t als N-Quelle: assirnilatorische Nitratreduktion

Die Reduktion des N ( + 5 ) zum N(-3) der Aminogruppe nennt man assirnilato- rische Nitratreduktion, weil der Ni t ra t -N assimiliert, also in organismuseigene Ver- bindungen eingebaut wird. Dieser Vorgang folgt in vereinfachter Eorm der Gleichung:

HN0.q + 8 ( H ) -+ NH:< + 3 H 2 0

In dieser summarischen Reaktionsgleichung sind bereits die fur die Physiologie dieses Vorgangs wesentlichen Fragen enthalten: In welchen Einzelschritten lauft die Reak- tion ab? Welche Zwischenprodukte treten auf? Welche Enzyme sind an den Einzel- reaktionen beteiligt? Woher stammen die fur die Reduktion (= Obertragung von Elektronen) benotigten Elektronen? Wie ist die Nitratreduktion mit anderen Stoff- wechselprozessen verknupft?

Noch bis vor wenigen Jahren schien gesi- chert, dad in grunen, C-autotrophen und in C-heterotrophen Pflanzen die Nitratreduk- tion nach dem chemisch einleuchtenden Schema (siehe Seite 109, Schema 1) ablauft. Danach wurden in 4 Einzelschritten je 2 Elektronen (e) ubertragen. Proble- matisch war allerdings schon immer die Rolle der z. T. gifiigen und instabilen Zwi- schenprodukte Hyponitrit und Hydroxyl- amin. Oberzeugende Beweise fur ihre Exi- stenz konnten nie erbracht werden. Ebenso ist das Auftreten von NH4+ als Endpro- dukt der Nitratreduktion nicht bei allen Organismen gesichert. Welches sind nun aber nach unseren heutigen Kenntnissen die Zwischen- und Endstufen der Nitratreduk- tion? Zunachst einige Hinweise uber die experimentellen Moglichkeiten zur Beant- wortung dieser Frage:

U m eine Aussage uber die Funktion einer Substanz als Zwischenstufe einer Reak- tionskette machen zu konnen, mui3 sie im einfachsten Fall entweder direkt im Ge- webe nachzuweisen sein oder sich nach Hemmung ihrer Weiterverarbeitung in den Zellen anhaufen lassen. Ein weiteres Indiz fur ein Zwischenprodukt ist seine leichte Assimilierbarkeit durch den Organismus, dem man es anbietet. Schliei3lich konnen Mutanten, in denen einzelne Reaktions- schritte genetisch blockiert sind, weiterhel- fen: In solchen Mutanten wird es zur An- reicherung der Zwischenstufen kommen.

Der erste Schritt: N O S - - NO2- (Nitratreduktion irn engeren Sinne)

Der erste Schritt der Nitratreduktion ist am besten bekannt. In allen bisher unter- suchten griinen Pflanzen, Pilzen und Bak- terien ist Nitr i t das Endprodukt dieser Re- aktion. Normalerweise lai3t sich diese Ver- bindung jedoch nicht unmittelbar nachwei- sen. Sie wird in der Pflanze sofort weiter- verarbeitet. E. Kessler ist es gelungen, in einzelligen Grunalgen (Chlorella, Ankistro- desmus) durch einen Kunstgriff die Weiter- verarbeitung des NO.- zu blockieren und es auf diese Weise anzureichern: E r hat namlich gefunden, dai3 die bei der Reduk- tion von Ni t ra t beteiligten Systeme ver- schieden empfindlich gegenuber dem Phos- phorylierungsgift 2,4-Dinitrophenol sind. Die Nitratreduktase bleibt unbeeinfldt, wahrend die Nitritreduktion . gehemmt wird. Damit kann in der intakten Pflanze zwar Nitrat zum Nitrit, dieses aber dann nicht weiter zum NHi+ reduziert werden.

Das Enzymsystem, das fur die Reduktion des Nitrats zum Nitrit verantwortlich ist, die Nitratreduktase, ist ein ,,Metallo- Flavo-Protein". Wir wissen, dai3 die Nitrat-

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reduktase der niederen und hoheren grunen Pflanzen aus zwei Komponenten besteht : Aus der Flavin-(hier FAD-")haltigen Dia- phorase und der terminalen Metall- (hier: Molybdan-)haltigen, eigentlichen Nitrat- reduktase. Dieses Enzymsystem ist nicht an Zellpartikel gebunden; es ist aui3erdem ,,in- duzierbar". Das bedeutet, dai3 es nur dann von der Pflanze gebildet wird, wenn das zugehorige Substrat (in diesem Fall das Nitrat) zur Verfiigung steht. Das Enzym- system arbeitet mit spezifischen wasserstoff - bzw. e-ubertragenden Verbindungen, sog. Co-Faktoren, zusammen. Dabei handelt es sich um reduzierte Pyridinnucleotide, z. B. NADH bzw. NADPH (vgl. Fui3note). Beim Elektronentransport andert das in der Nitratreduktase enthaltene Molybdan seine Wertigkeit zwischen +5 und +6.

Abbildung 2 veranschaulicht die Transport- kette fur die Elektronen: Die einzelnen Teilreaktionen sind wie Rader eines Uhr- werks ineinander verzahnt, so dai3 immer eine Reaktion die nachste treibt.

Wie kommt es nun aber zur erneuten Re- duktion des am Anfang der Kette stehen-

den NAD? Hier zeigt sich bereits die enge Verkniipfung mit anderen Stoffwechsel- prozessen. So liefert im Dunkeln die A t - mung das (reduzierte) NADH. Im Licht, dessen eigentliche Wirkung auf die Nitrat- reduktion sehr komplex und im einzelnen no& nicht geklart ist, werden die Reduk- tionsaquivalente ( = Elektronen bzw. Wasserstoff atome) photochemisch uber die Photosynthese zur Verfugung gestellt. In jedem Fall jedoch werden die e auf die Re- aktionszentren der Nitratreduktase mit Hilfe von Pyridinnucleotiden ubertragen.

Der zweite Schritt: N02- -+ N H 4 + (Nitritreduktion)

Der an die Reduktion des Nitrats anschlie- i3ende Teilschritt des N-Kreislaufs, die Re- duktion des Nitrits, scheint unter verschie- denen Bedingungen und bei den einzelnen Organismengruppen unterschiedlich abzu- laufen. Da vor allem die photosyntheseab- hangige Nitritreduktion untersucht worden ist und weniger die entsprechenden Mecha- nismen im Dunkeln oder in photosynthe- tisch inaktiven Geweben, wollen wir hier die diesbezuglichen Vorstellungen naher er- lautern (vgl. auch Abbildung 3).

*FAD: Flavin-Adenin-Dinucleotid ist die Wirkgruppe von Enzymen, die haufig bei Wasserstoff- oder Elektronen-iibertragen- den Reaktionen eine Rolle spielen. Andere derartige Wirkgruppen sind N A D bzw. NADH (Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid in der oxidierten bzw. reduzierten Form) oder NADP bzw. NADPH (NAD-Phos- phat in oxidierter bzw. reduzierter Form); die NAD- und NADP-Systeme werden unter der Bezeichnung ,,Pyridinnucleotide" zusammengefaat. Diaphorasen sind En- zyme, die Wasserstoff auf Pyridinnucleo- tide ubertragen und damit reduzieren.

Die Reduktion geht in einem einzigen Schritt vor sich. Die Nitritreduktase gehort demnach zu den wenigen Enzymen, die 6 Elektronen ubertragen. Das schliei3t jedoch nicht aus, dai3 kurzfristig an aktive Zen- tren des Nitritreduktasemolekiils gekoppel- te, vorerst noch nicht bekannte Intermediar- stufen durchlaufen werden.Allerdings ware mit dieser 6-e-Obertragung die Frage nach fai3baren Reduktionsprodukten des Nitrits bereits gelost. Erstes Folgeprodukt und da- mit Endstufe der Gesamtreaktion ist dann NH4+, das sofort in organische Bindung als NHZ-Gruppe ubergeht.

Diese Nitritreduktase ist ein eisenhaltiges Protein mit dem Co-Faktor Ferredoxin. Ferredoxine sind wasserlosliche Proteine, die, wie z. B. der gleichfalls Eisen enthal- tende rote Blutfarbstoff Hamoglobin, aus einer oxidierten in eine reduzierte Form ubergehen konnen und umgekehrt. Das Eisen ist hies aber in anderer Weise an das Protein gebunden als im Hamoglobin. Fer- redoxine (Fd) besitzen im reduzierten Zu- stand ein extrem starkes Reduktionsvermo- gen (fur physiko-chemisch Eingeweihte wird das bei der Angabe ihres Redoxpoten- tials von -0.42 Volt unmittelbar einsich- tig). Damit konnen sie auch bei solchen Re- aktionen, die mit der Freisetzung und Nutzbarmachung von molekularem Hg verbunden sind, Elektronen ubertragen.

Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, ubernimmt das oxidierte Fd Elektronen, wird damit reduziert und ubertragt diese e auf die Nitritreduktase. Die Reduktion des Fd verlauft im Dunkeln in anderer Weise als im Licht. Im Dunkeln liegt zwischen dem Fd und den Prozessen, die uber reduzierte Pyridinnucleotide die notwendigen Reduk- tionsaquivalente (vgl. 0.) zur Verfiigung stellen, eine Diaphorase; dagegen wird im Licht Fd photochemisch reduziert. Auf je- den Fall ist jedoch Fd fur die e-Obertra- gung notwendig. Damit ist die Nitritre- duktion der grunen Pflanzen iiber Fd eng an die Photosynthese gebunden. - - -

Viele Probleme der Nitratreduktion sind nach wie vor offen. Zunachst mui3 gefragt werden, inwieweit die durch Experimente mit zellfreien Systemen'+ entwickelten Vor- stellungen den Tatsachen in der intakten Pflanze entsprechen. So ist z. B. die Betei- ligung energiereicher Phosphate an der Ni- tritreduktion noch ein Ratsel. Dem eindeu- tigen experimentellen Befund, dai3 Phos- phorylierungsgifte (welche den Aufbau energiereicher Phosphate unterbinden) in vivo diese Reaktion hemmen, steht die Beobachtung entgegen, dai3 in vitro die Fd-abhangige Nitritreduktion keiner ener- giereichen Phosphate bedarf. Auch die Be- teiligung von weiteren Metallen oder von Flavinen an der Nitratreduktion ist noch

'kDas sind Versuchsansatze, die der Bio- chemiker aus vorher gewonnenen Zellkom- ponenten im Reagenzglas (,in vitro") zu- sammenstellt (Gegensatz: ,,in vivo", d. h. im intakten Organismus).

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nicht geklart. Diskutiert wird ferner die Moglichkeit, dai3 der N bereits auf der Nitritstufe in organische Bindungen uber- fuhrt und erst hier stufenweise weiter re: duziert wird. Es gibt sicherlich auch eine nicht-photosynthetische Beeinflussung der Nitratreduktion durch das Licht. Schlie5- lich bleibt no& zu klaren, wie Gewebe, in denen bisher weder Fd noch verwandte Verbindungen nachgewiesen werden konn- ten (z. B. Wurzeln), die Reduktion des N ( + 5) durchfuhren. Aus alledem geht her- vor, dai3 die Reduktion des Nitrats, dieser zentrale ProzeS im N-Kreislauf, bei wei- tem noch nicht erschopfend erforscht ist.

Nitrat als 0-Quelle: Nitratatmung und Denitrifikation

Neben der bislang behandelten assimilato- rischen Nitratreduktion kennt man bei ver- schiedenen Organismen, besonders bei je- nen Bakterien, die auch weiterleben, wenn sie unter Luftabschlud geraten (fakultative Anaerobier) eine dissimilatorische oder, wie man auch sagt, respiratorische Nitratreduk- tion (= Nitrat-Atmung = Denitrifikation im weiteren Sinne). Das Nitrat wird dabei zu sauerstoff armeren N-Verbindungen oder zum elementaren Nz reduziert. Im Gegen- satz zur assimilatorischen Nitratreduktion kommt es den betreffenden Organismen beim Nos - hier aber nicht auf den Stidc- stoff, sondern auf den Sauerstoff an. Sie verwenden namlich diesen anorganisch ge- bundenen Sauerstoff als Wasserstoff accep- tor; das Nitrat wird also veratmet. Die da- bei freiwerdende Energie wird in den ,Speicher" Adenosintriphosphat (ATP) eingebracht. Bei dieser Umwandlung des Nitrats geht der N aber nicht zwangslaufig verloren. Das geschieht nur dann, wenn die Reduktion bis zu gasformigen Verbindun- gen - etwa zum Nz oder NzO - ablauft (man nennt das Jlenitrifikation im enge- ren Sinne"). Die N-Reduktion kann einmal nur bis zum Nitrit, zum anderen aber auch bis zum NH4+ fuhren; letzteres wird dann entweder in das umgebende Medium aus- geschieden oder intrazellular als N-Quelle verwendet. Die bei der Nitrat-Atmung ge-

Die Enzyme der Nitratatmung sind mei- stens ebenfalls Metallo-Flavo-Proteine. Die enge Verknupfung dieser Enzymsysteme mit Cytochromen" als e-Obertrager ver- deutlicht die Abbildung 4. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zum Enzym- system der assimilatorischen Nitratreduk- tion (vgl. Abbildung 2). Die Frage nach den Zwischenstufen ist noch nicht beant- wortet; nur Nitrit ist bisher gesichert. Ein- deutige Beweise fur weitere Intermediar- produkte fehlen.

Die Denitrifikation wird unter geeigneten

Bedingungen von einer Reihe weit verbrei- teter aerober und fakultativ anaerober (vgl. oben) Bakterien durchgefuhrt. Ge- eignete Bedingungen sind insbesondere: Anwesenheit von Nitrat, Vorhandensein reichlicher Mengen assimilierbarer organi- scher Substanz als C-Quelle, und NH3 oder Aminosauren als N-Quelle. Nicht dagegen ist - wie man lange Zeit annahm - star- ker Sauerstoffmangel notwendig. Dies gilt nur fur Boden mit alkalischen und neutra- len pH-Werten. Es konnte gezeigt werden, dal3 unterhalb eines Sauregrades von pH 5.5 die Denitrifikation unter aeroben und anaeroben Bedingungen gleich stark ablauft. Dies erklart a u h die immer wieder gemachte Beobachtung, da8 in bestdurch- lufteten Boden zahlreiche Denitrifikanten zu finden sind. Diese Organismen sind je-

doch auf eine fakultativ anaerobe Lebens- weise eingestellt, so dai3 in Gegenwart von vie1 Sauerstoff und bei alkalischer Reaktion die Denitrifikation unterbleibt. Zur Nitrat- atmung kommt es nur dann, wenn ungun- stige Bodenverhaltnisse herrschen. Aber selbst unter solchen Bedingungen ist die Denitrifikation nur selten von groi3er Wich- tigkeit fur den N-Kreislauf.

Von beachtlicher Bedeutung kann die Ni- tratatmung jedoch fur uns Menschen, und zwar in der Kuche, sein. Spinatgemuse wird aus einem Vertreter der Pflanzenfa-

milie der Chenopodiaceen zubereitet, deren Arten fur ihre Fahigkeit bekannt sind, Ni- trate, die sie am naturlichen Standort oder auf dem Feld nach einer Salpeterdungung aufgenommen haben, zu speichern. Diese Pflanzenarten sind, wie man in der Pflan- zenphysiologie sagt, ,nitratophi'l". Nor- malerweise wird das Nitrat der Spinatblat- ter von den Bakterien unseres Magen- Darm-Traktes zum NH4+ reduziert. Gelegentlich kann es nun jedoch, besonders wenn das zubereitete Spinatgemuse uber langere Zeit bei Zimmertemperatur aufge- hoben und mehrmals aufgewarmt wird, zu Infektionen und zur Vermehrung von De- nitrifikanten kommen, die das Nitrat zum groi3en Teil nur bis zurn Nitrit reduzieren. Letzteres wird somit in der Nahrung ange- reichert. Es ist in hoheren Dosen ein ge- fahrliches GifP, dessen Wirkung darin be- steht, dai3 es das normalerweise 2-wertige

wonnene Energie benutzen die Organismen *Cytochrome sind elektronenubertragende fur die Synthese zelleigener Verbindungen. Proteine, deren Molekul ein Eisenatom Damit ware die Nitratatmung ein der aero- (wie beim Hamoglobin gebunden) enthalt. '"eshalb darf Nitrit auch zur Konservie- ben Atmung homologer Vorgang. Manche Dieses erffihrt beim Elektronenubergang rung von Fleisch- und Wurstwaren nur Bakterien, Algen und hoheren Pflanzen ver- einen Wertigkeitswechsel: Fe (+3) f in gesetzlich festgelegten, begrenzten wenden allerdings Nitrat lediglich als un- Fe( + 2). Sie sind weitverbreitete, an Zell- Mengen Verwendung finden; vorsatzliche spezifischen Wasserstoffacceptor, ohne aus strukturen gebundene Komponenten vor Oberschreitungen werden schwer ge- dieser Reaktion einen Nutzen zu ziehen. allem der Zell- Atmung. ahndet.

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Eisen des roten Blutfarbstoffs Hamoglobin zur 3-wertigen Stufe oxidiert (,,Methamo- globin"). Dadurch kann dieses seine Funk- tion als Sauerstofftrager nicht weiter aus- iiben. Als Folge des Sauerstoffmangels im Blut kommt es zur blauroten Verfarbung vor allem der Lippen und Fingernagel (Cyanose). Diese VergiRung kann beson- ders fur Kleinstkinder aui3erordentlich ge- fahrlich, unter Umstanden sogar todlich sein. Wegen der Gefahr einer Methamoglo- binbildung wurde empfohlen, Sauglinge in den ersten drei Lebensmonaten nicht mit Spinat zu fiittern.

Wie kommt der StiBstoff aus der Lull in den Boden?

Die Vorgange des N-Kreislaufs, die uns bisher beschaftigten, verbrauchen vor allem den N des Bodens. Wie wird aber fur Nachschub gesorgt? Zunachst ist hier der Abbau organischer, N-haltiger Substanzen, z. B. der Proteine, zu nennen (siehe Seite 109, Schema 2). Bakterien zersetzen pflanz- liche und tierische Leichen. Der dabei als NH4+ freigewordene N der Aminosauren wird von einer bestimmten Bakterien- gruppe, den ,,Nitrifikanten" oxidiert oder

direkt von N-autotrophen und N-hetero- trophen Organismen assimiliert.

Ein weiterer N-Nachschub fur den Boden besteht in den aus Luft-N und LuR-Sauer- stoff entstehenden N-Oxiden, die mit dem Regen in den Boden gewaschen werden. Der zu dieser Oxidation, einer stark end- ergonischen ( = energieverbrauchenden) Reaktion notwendige Energieaufwand ent- stammt elektrischen Entladungen, z. B. bei Gewittern. Auch photochemisch sind Syn- thesen von Nitrat oder Nitrit in der At- mosphare moglich. Dabei wird in groi3en Hohen in Gegenwart von Ozon und Ultra- violettstrahlung LuR-NHj oxidiert. Insge- samt gesehen sind diese Mengen an ver- wertbarem N aber sehr gering. In unseren Breiten gelangen nur etwa 10 kg N pro ha und Jahr mit dem Regen in den Boden.

Mikroorganisrnen als Diingemittel- fabrikanten

Von entscheidender Bedeutung fur die Zu- ruckfuhrung des N in den Kreislauf ist die Bindung des LuR-Nz durch Nz-bindende Organismen. Die Erdatmosphare besteht zu ca. 78 Vol. O/O aus N, stellt also ein fast un- erschopfliches Stickstoff -Reservoir dar. Die hohe Bindungsenergie der Nz-Molekel (225 kcal je Mol Nz) macht den molekularen N fur die meisten Lebewesen unangreifbar. Mit den N2-fixierenden Organismen ste- hen der Natur aber Fabriken zur Verfu- gung, die diesen Vorrat nutzen konnen. Jahrlich werden uber 10 Millionen t Luft-N2 von N2-Bindern assimiliert. Diese Zahl gewinnt an Bedeutung, wenn man weii3, dai3 nach Angaben fur 1959 nur ca. 6 % des jahrlich in den Ernten der Erde vorhandenen N auf der Zufuhr industriell hergestellter Dunger beruht. Die in der Landwirtschaft jahrhundertealte Gewohn- heit der Brache zeigt schon empirisch die Wichtigkeit, die die N2-Bindung fur ver- brauchte Boden im Brachejahr besitzt.

Bereits im Jahre 1885 hatte der franzo- sische Agrar-Chemiker Berthelot gezeigt, dai3 unter bestimmten Bedingungen eine Anreicherung des Bodens mit N stattfindet. Erhitzte er aber zuvor eine Bodenprobe auf 120° C, dann verlor sie die Fahigkeit zur N2-Bindung. Aus diesem Versuch schloi3 er auf die Rolle von Mikroorganis- men bei der N2-Bindung. Um 1886 fan- den Hellriegel und Wilfarth, dai3 Legumi- nosen (Hiilsenfruchtler) auf sterilisierten

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Boden schlecht oder gar nicht wuchsen. Nach Beimpfung des sterilen Substrats rnit gewohnlichem Ackerboden wurden die Le- guminosen alsbald N-autotroph. Sie ge- diehen unabhangig von der Zufuhr weiterer anorganischer N-Quellen. Von beiden For- schern wurde dieses Phanomen mit der auf- falligen Knollchenbildung an den Wurzeln der Leguminosen (Abbildung 5) in Zusam- menhang gebracht. Beijerinck schliedlich war es, der dann eindeutig zeigen konnte, dad die Nz-Bindung tatsachlich in den Knollchen lokalisiert ist: Er isolierte daraus als erster das fur diese Reaktion verant- wortliche Bakterium: Rhizobium legumi- nosarum (fruherer Name: Bacterium radi- cicola, Abbildung 6 ) . Wenig spater wurde auch die nicht an Leguminosen-Knollchen gebundene N;-Fixierung nachgewiesen. 1893 beschrieb Winogradsky als ersten frei- lebenden Nz-Binder das anaerobe, butter- saurevergarende Bakterium Clostridium pasteurianum; 1900 folgte Beijerinck rnit der Entdeckung der aeroben Mikrobe Azo- tobacter chroococcum.

Viele Organismen aus den - keinen echten Zellkern besitzenden - prokaryontischen Pflanzengruppen der Bakterien, Actinomy- ceten und Blaualgen sind entweder freile- bende oder in enger Bindung an andere Lebewesen existierende (symbiontische) Nz- Binder (vgl. Tabelle S. 108). Eukaryonten, d.h. Organismen mit echten Zellkernen, sind darunter nicht vertreten, auch nicht die bis vor kurzem noch zu den Nz-Bindern ge- zahlten Hefen Rhodotorula und Pullularia. Das ist ein Ergebnis, das rnit Hilfe der Isotopentechnik gewonnen werden konnte. Der Einsatz dieser Technik zum Nachweis der N-Autotrophie erfolgt in der Weise, dad man den zu prufenden Organismen das schwere N-Isotop 15Nz als N-Quelle anbietet. Lai3t sich anschliei3end in den zell-

eigenen N-Verbindungen - besonders schnell im Glutamin oder in der Glutamin- saure - massenspektrographisch 15N nach- weisen, kann mit Sicherheit auf die Fahig- keit dieser Pflanzen zur Nz-Bindung ge- schlossen werden.

Inwieweit die Mechanismen der Nz-Fixie- rung bei den einzelnen Ne-Bindern unter- schiedlich sind, ist noch nicht geklart. Al- lerdings gibt es sicher einige Grundreaktio- nen, die bei allen Gruppen gleich ablaufen. Wenden wir uns zunachst den freilebenden Nz-Bindern zu.

Stickstoffbindung freilebender Organismen

Der Vorgang der Nz-Bindung ist eine Re- duktion. Nimmt man zur Vereinfachung an, dai3 als Endprodukt NH3 entsteht, 1ai3t sich die Reaktion folgendermai3en formu- lieren:

+ 6 (H) :NiiN: -, 2 NH3

?O -3 (Oxidationszahl des N )

Der Gesamtvorgang der Nz-Fixierung ist stark endergonisch. Die zentralen Fragen, die es fur alle Nz-Binder zu losen gilt, sind einmal die nach der HerkunR der Energie und der Reduktionsaquivalente, zum an- dern jene nach der HerkunR des Kohlen- stoff-Skeletts, auf das der reduzierte N ubertragen wird. Im Zusammenhang mit dem anorganischen N-Haushalt stehen die beiden ersten Probleme im Vorder- grund.

Die Aerobier unter den Nz-Bindern haben eine sehr kraftige Atmung. 2. B. mud Azo- tobacter 1 g Glucose veratmen, um etwa 20 mg Nz zu binden. Unter anaeroben Be- dingungen ist, z. B. bei Clostridium, eine

sehr intensive Garung notig, um die fur die Nz-Bindung notwendige Energie und die Reduktionsaquivalente zu liefern (1 g Glucose fur 6 mg N;). Photosynthetische Nz-Binder (z. B. Grune Schwefelbakterien: Chlorobium; Schwefel-Purpurbakterien: Chromatium; schwefelfreie Purpurbakte- rien: Rhodospirillum, Rhodopseudomonas; Blaualgen) erhalten Energie und Reduk- tionsaquivalente auch photochemisch uber die Photosynthese.

Die ,,Arbeit", die bei der Ne-Bindung auf- gewendet werden mui3, wird deutlich, wenn man sich daran erinnert, dai3 zur Bildung von NHy aus Luftstickstoff und Wasserstoff nach den1 industriell so wichtigen Haber- Bosch-Verfahren 200 atm Druck und 500° C notig sind. Die Bakterien leisten das gleiche bei 1 atm und 2OOC. Die zur Aktivierung des Nz notwendige Energie in Form von ATP (vg1.S. 104) entstammt ver- schiedenen Stoffwechselprozessen. In vielen Fallen gilt es als gesichert, dai3 dieses ATP durch Spaltung von Brenztraubensaure ge- liefert wird. Gleichzeitig dient hierbei Brenztraubensaure auch als Donator der Reduktionsaquivalente, die uber Ferredo- xin auf das Enzymsystem der Nz-Bindung, auf die Nitrogenase ubertra,gen werden. Abbildung 7 zeigt das Reaktionsschema der Ne-Bindung, wie es den heutigen Vorstel- lungen entspricht. Das System der Nitro- genase benotigt verschiedene mehrwertige Metalle: Molybdan und Eisen als Cofak- toren sowie Kobalt (moglicherweise in Form des Vitamin BIZ), das fur die Syn- these weiterer, an der Nz-Bindung betei- ligter Enzyme wichtig zu sein scheint. Die Bedeutung des Fd als Obertrager von 6 e bei der Na-Bindung macht es wahrschein- lich, dai3 keine freien anorganischen Inter- mediarstufen auftreten. Der Nz soll, wie verschiedene Forscher annehmen, mit der

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Nitrogenase eine komplexe Bindung einge- hen und in dieser Form reduziert werden.

Interessanterweise enthalten wohl alle Nz- Binder das Enzym Hydrogenase, das mole- kularen Wasserstoff aktiviert. Seine Bedeu- tung fur die Nz-Bindung ist noch nicht geklart. Es greifi uber Fd in den Regula- tionsmechanismus der e-Obertragung ein und hat vermutlich eine ,,Ventil-Funk- tion": Einmal kann molekularer Wasser- stoff bei Bedarf iiber die Hydrogenase in den Stoffwechsel eingeschleust werden; zum andern kann bei der Nz-Fixierung nicht be- nutztes, reduziertes Fd seine e auf die H y - drogenase ubertragen, die dann molekula- ren Wasserstoff freisetzt.

Die Bedeutung der freilebenden NJ-Bin- der fur den N-Haushalt der N a t u r ist groi3. Unter unseren klimatischen Bedin- gungen werden je Jahr und ha 20-40 kg N gebunden. Aber nicht nur Bakterien konnen in dieser Hinsicht von groi3er Wich- tigkeit fur die LandwirtschaR sein. So nutzt man z. B. in Indien die N2-Fixierung man- cher Blaualgen aus, um die Reisfelder bes- ser mit N zu versorgen. Bis 50 kg N je ha und Jahr konnen auf diese Weise dern Bo- den zugefiihrt werden.

Symbiontische Stickstoffbindung: ,, Konsumgemeinschaft"

I m Gegensatz zu den freilebenden Nz-Bin- dern konnen die in Gemeinschafl rnit ver- schiedenen Pflanzen in deren Wurzeln und Blattern (vgl. Tabelle S. 108) symbiontisch lebenden Mikroorganismen zwar aui3er- halb ihrer Wirtspflanzen wachsen, aber dann haufig keinen LuR-Nr fixieren. Aus- nahmen sind verschiedene Blaualgen (u. a. Anabaena [Abbildung 81, Nostoc), aber auch Bakterien (z. B. Klebsiella). Die be- kanntesten Nf-Binder dieser Gruppe sind die schon erwahnten Knollchenbakterien der Leguminosen. Weitere Vertreter sind in der Tabelle aufgefuhrt. Es ist keine hohere Pflanze bekannt, die alleine N? binden kann. Welche Bedeutung die Nz-Binder fur ihre Wirtspflanzen haben, zeigen die be- reits erwahnten Versuche von Hellriegel und Wilfarth. So binden die Knollchenbak- terien von 1 ha Lupinen in einer Vegeta- tionsperiode bis 200 kg N. Am Beispiel der Leguminosen sol1 die Knollchenbildung, die in mehreren Schritten ablaufl, vereinfacht erlautert werden.

Zuerst kommt es zur Infektion der Wur- zeln mit potentiellen Nz-Bindern des Bo-

dens. Die Wirtspflanzen mussen stets neu infiziert werden; Ubertragungen, etwa durch Samen, sind unbekannt. Die Bakte- rienstamme sind nicht streng wirtsspezi- fisch, OR werden verschiedene Arten einer Pflanzengattung von den gleichen Bakte- rienarten besiedelt. Die Bakterien, die zu- nachst noch N-heterotroph sind, dringen uber die Wurzelhaare in die Zellen der Wurzelepidermis ein. Sie setzen sich dann in tieferen Gewebeschichten fest. Durch den Reiz der Verletzung kommt es in der Wirtspflanze zur Ausbildung eines teilungs- aktiven Gewebes (Meristem) und damit zu Wucherungen, den Knollchen. Auf sie blei- ben die Bakterien wahrend ihres Entwidr- lungscyclus beschrankt.

Die zunachst farblosen, normalen Bakte- rien verlieren sehr bald ihre urspriingliche Stabchenform, z. B. konnen sie sternformig werden, und beginnen als ,,Bakteroide" (Abbildung 6a, b) rnit der aktiven Nz-Bin- dung. Ein Teil der mit diesem N aufgebau- ten Verbindungen wird sofort an die Wirtspflanze weitergegeben, die ihrerseits die Bakterien mit Kohlenhydraten ver- sorgt. Damit ist eine echte Symbiose ent- standen. Gleichzeitig wird in den Knoll- chen ein roter, Fe( + 3)-haltiger Farbstoff,

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das Legoglobin, synthetisiert, das dem H a - rnoglobin sehr ahnlich ist und im Pflanzen- reich sonst nicht vorkommt. Erlischt die Ng-Bindung durch die Bakteroide, verfar- ben sich die Knollchen schmutzig-grun. Das Legoglobin wird zu Gallenfarbstoffen ab- gebaut. Die Knollchen zerfallen, und die Wirtspflanze verdaut die Bakteroide. Ein Teil gelangt jedoch wieder in den Boden und steht fur neue Infektionen zur Verfu- gung. Man weX noch nicht, ob das Lego- globin direkt am Mechanismus der Nz-Bin- dung, etwa als e-Ubertrager rnit N s als terminalem e-Acceptor, teilnimmt. Wahr- scheinlicher ist, da13 dieses Hamin-Pigment nur indirekt beteiligt ist und bei der 0 2 -

Versorgung der Knollchen eine Rolle spielt. Es ist namlich bekannt, da13 die Ng-Bin- dung vom Sauerstoff-Partialdruck (PO?) abhangt. Bei einem PO? von 0.5 a tm er- folgt sie maximal. Somit konnte das Lego- globin die Rolle eines pO2-Regulators uber- nehmen, der die N1-Reduktion vor zu ho- hem 02-Partialdruck schutzt. Fur diese oder eine andere indirekte Funktion spricht auch, dai3 in zellfreien Systemen legoglo- binfreie Bakteroidfraktionen in Gegenwart von ATP und kunstlichen e-Donatoren N:, zu binden vermogen.

Wahrscheinlich ist der Mechanismus der N2- Bindung bei freilebenden und symbionti- schen Organismen im Prinzip der gleiche. Allerdings gibt es in Einzelheiten sogar Unterschiede zwischen Leguminosen- und Nicht-Legurninosen-Symbionten. Auch bei den syrnbiontischen NZ-Bindern spielt die Spaltung der Brenztraubensaure als Ener- gie- und e-Donator eine grofle Rolle; Mo- lybdan und Kobalt sowie Ferredoxine oder ahnliche Verbindungen mit einem niedrigen Redoxpotential sind aktive Bestandteile der syrnbiontischen Nitrogenase-Systerne.

Die allgemeinen Beziehungen zwischen den verschiedensten Stoffwechselprozessen der N1-Binder und ihre Bedeutung als Dona- toren von Energie(ATP)- und Reduktions- uquivalenten (H+ + e) sowie der Kohlen- stoffskelette zeigt die Abbildung 9.

Trotz der prinzipiellen Obereinstimmung bleiben noch viele Probleme ungelost: Warurn binden z. B. freie Knollchenbak- terien keinen N.2 Welche starnmesge- schichtlichen und entwicklungsphysiologi- schen Beziehungen im Mechanismus der N2- Bindung bestehen zwischen freilebenden und syrnbiontischen N?-Bindern?

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Wie die Wissenschatller der Losung solcher Fragen naherzukommen versuchen, sei am Beispiel von drei erfolgversprechenden An- satzen skizziert.

Zum einen ist es gelungen, aktive, zellfreie Nitrogenase-Systeme zu isolieren. Ihre Rei- nigung und Charakterisierung konnte die Rolle der einzelnen Komponenten aufhellen.

Zum anderen hat man versucht, Ace- tylen und andere Verbindungen mit Drei- fachbindungen als analytisch leicht fai3bare Substrate der Nitrogenase einzusetzen. Tatsachlich sind, wie man dabei gefunden hat, fur die Reduktion des Acetylens zum Athylen durch das wenig spezifische Nitro- genase-System die gleichen Cofaktoren wie bei der N2-Bindung notwendig. SchlieBlich hat man untersucht, wie Modellsysteme aussehen mussen, die - ahnlich dem Ni- trogenase-System - unter normalem Druck und bei norlnaler Temperatur Nz binden und reduzieren konnen. Dies gelang mit Obergangsmetall-Hydriden vom Typ des (Athy13P)&.HCl, die mit Diazonium- salzen (R-CHz-NEN) zu Addukten re- agieren. Sie werden dann mit Hz oder Dithionit schrittweise unter Aufnahme von 3 x 2e zum NHd+ reduziert. Die Ergebnisse

machen es wahrscheinlich, dai3 auch in dem Metallo-Protein Nitrogenase ein Metal1 als Hydrid, das andere als Nz-Komplex vor- liegt. Entsprechend den Modellen konnte dann das Addukt von Hydrid und Kom- plex ohne energetisch ungunstige freie Zwi- schenstufen zu NH4+ reduziert werden.

Vom NH4+ zuriick zum NOS-: Nitrifikation

Als Nitrifikation bezeichnet man im allge- meinen die Oxidation von NH3 zum Nitrit und weiter zum Nitrat. Schon aus dem uns mittlerweile bekannten Umstand, dai3 letz- teres die Haupt-N-Quelle der hoheren Pflanzen bildet, erhellt die Bedeutung nitri- fizierender Mikroorganismen (Nitrifikan- ten) fur den N-Kreislauf. Die Nitrifikation ist auch dafur verantwortlich, dai3 eine An- haufung von NH3 oder Nitrit im Erdbo- den nur dann auftritt, wenn die Lebensbe- dingungen fur die Nitrifikanten ungunstig sind.

Nitrifikation ist fur diese Organismen der grundlegende ProzeB zur Gewinnung von Energie, rnit deren Hilfe C02 assimiliert werden kann (Chemosynthese). Zwei ,,klassische", bereits von Winogradsky

1890/1 beschriebene Nitrifikanten sind die obligat chemotrophen Bakterien Nitroso- monas und Nitrobacter. Dabei oxidiert Nitrosomonas N H s uber Hydroxylamin zum Nitrit, das dann von Nitrobacter zum Nitrat umgesetzt wird (siehe links unten Schema 3).

Viele dieser Bakterienarten kann man heute im Laboratorium in Kultur halten - eine wesentliche Voraussetzung fur das Studium der Mechanismen der verschiede- nen Nitrifikationsstufen, das z. 2. einge- hend betrieben wird. Man hat gefunden, dai3 die beteiligten Enzyme (Dehydrogena- sen) die e auf Cytochrom-haltige Trans- portketten ubertragen, die denen der At- mungskette ahnlich sind. Nach neueren Er- gebnissen benotigt der Schritt NH4+ +

NHzOH Energie, und erst die weitere Oxi- dation zum Nitrit setzt Energie frei. Daher mui3 durch diese zweite Reaktion die fur den ersten Schritt notwendige Energie mit- geliefert werden. Die chemosynthetische Nitritoxidation ist mit einer Spaltung von Wassermolekulen verbunden. Der Sauer- stoff des Wassers wird zur Oxidation des Nitrits zum Nitrat, der Wasserstoff zur Reduktion von Pyridinnucleotiden (vgl. FuBnote S. 103) benutzt.

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In ihren Lebensbedingungen stellen die Ni- trifiltanten hohe Anspruche. Sie sind streng aerob und daher gegen Wasseriiberschufl, z. B. in feuchten Boden, sehr empfindlich. Aui3erdem wird ihr Wachstum durch zu hohe Konzentrationen an organischen Stof- fen und durch pH-Werte unterhalb 4 stark gehemmt. Beide Organismengruppen - die Ammoniak- und die Nitrit-oxidierenden Bakterien - ergiinzen sich am natiirlichen Standort in ihrer Tztigkeit. Daher 15flt sich im Erdboden auch kaum Nitrit nachweisen; NH:j w i rd v iel me h r kon ti nuierl i ch bis zum Nitrat umgewandelt. Die Bildung von Ni- trat macht die Nitrifikanten fur die Frucht- barkeit der Felder so ungemein wichtig. N u r so wird der fur die hoheren Pflanzen, aber auch fur die Nitrifikanten selbst als N-Quelle notwendige N ( + 5)-Nachschub aufrechterhalten.

Die grol3en Salpeter(NaN0:J-Lager an der chilenischen Kuste (Atacama-Wiiste) sind moglicherweise durch die Tatigkeit von Nitrifikanten entstanden. Vermutlich wurden eiweiflreiche Ablagerungen aus Pflanzen- und Tierleichen bakteriell zer- setzt und der frei gewordene NH;] anschlie- &end oxidiert. Dieser Prozei3 lief vor Jahr- tausenden ab; doch das fast regenfreie Klima erlaubte die Anhaufung und Spei- cherung des gebildeten Nitrats. - - -

Fehlende oder nicht ausreichende Versor- gung mit eiweiflhaltiger Nahrung 1aRt tag- lich Tausende von Menschen sterben oder bei stark vermindertem Leistungsvermogen dahinsiechen. Zukunflsforscher haben fur das Jahr 2000 eine Verdoppelung der heu- tigen Erdbevolkerung auf 6 Milliarden vorausgesagt. Die zusatzliche Produktion von Proteinen wird aber durch die Menge an verfugbarem, assimilierbarem Stickstoff begrenzt. Moglichkeiten zur Nutzung aller N-Quellen zu finden und auszuschopfen, ist daher eine der groi3en Aufgaben der Forschung. So ist die im vorigen Jahrhun- dert aus wissenschafllichem Erkenntnis- drang begonnene Erforschung des Stick- stoffkreislaufs mittlerweile gesellschafls- politisch hochst relevant geworden.

Literatur

Der Stand der Forschung des anorgani- schen und organischen N-Stoffumsatzes ist bis 1958 im ,,Handbuch der Pflanzenphy- siologie" Bd. 8 (Hsg. W. Ruhland, red. K. Mothes: Springer-Verlag, Berlin etc.) zusammengefaflt. I m gleichen Werk, Bd. 5/2 (1960) (Hsg. W. Ruhland, red. A. Pir- son) wird die Nitrifikation referiert. Ab 1959 wird in den ,,Fortschritten der Bo- tanik" (Springer-Verlag, Berlin etc.) lau- fend uber die neuesten Ergebnisse des N- Stoffwechsels berichtet (E. Kessler; H. Ka- ting; T. Hartniann). Das Standardwerk uber die Hauptgruppe der N-haltigen Se- kundarstoff e, iiber die Alkaloide, erschien 1969: K. Mothes und H. R. Schiitte (Hsg.): Biosynthese der Alkaloide (Deutscher Ver- lag d. Wissenschafien, Berlin).

Franz-C. Czygan, geboren 1934 in Konigs- berg (Pr.). Nach dem Studium der Phar- mazie, Biologie und Biochemie 1963 Pro- motion mi t einer Arbeit uber die Nitrat- assimilation durch Griinalgen. 1967 Habi- litation (Allgemeine Botanik und Pharma- kognosie) in Erlangen. Ab 1968 Dozentur f u r Biochemie und Physiologie sekunda- rer Pflanzenstoffe. Seit 1969 Wissenschafk- licher R a t am Institut f u r Pharmakogno- sie der Botanischen Anstalten in Wiirz- burg. Arbeitsgebiete: anorganischer N- Stoffwechsel; Biochemie und Physiologie pflanzlicher und tierischer Farbstoffe (ins- besondere Carotinoide); pharmazeutisch- biologische Untersuchungen.

Vor mehr als 10 Jahren fiihrte mi&. in das Gebiet des pflanzlichen N-Stoffwechsels H e r r Prof. Dr. E. Kessler (Erlangen) ein. I h m mochte ich f u r die vielen Anregungen u n d Diskussionen wahrend dieser Zeit danken.

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