der einfluß der induktivität und des veränderlichen widerstandes einer funkenstrecke auf die...

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XXV. Band. I93L Karapetoff, Ent!adung und Induktivit~it der Funkenstrecke. 315 Der Einflul der lnduktivit/it und des ver/inderlichen Widerstandes einer Funkenstrecke auf die Entladung. Von Vladimir Karapetoff. Durchsehl~ige in Luft bilden einen wesentlichen Bestandteil yon Hochspannungs- problemen. Jedoch trotzten alle diese Probleme einer befriedigenden mathematischen L6sung, well in den ersten Stadien der Entladung (vor Entstehung des Lichtbogens) die inneren Beziehungen zwisehen Strom und Spannung nicht bekannt sind. In zahlreiehen Abhandlungen im Archiv ftir Elektrotechnik und in afideren deutschen wissenschaftlichen ZeitsehrKten sehlug T oepler ftir den ver~inderlichen Momentan- wert r des Widerstandes einer Funkenstrecke in den ersten Stadien einer Entladung zur Zeit t folgende empirische Formel vor: r = K. -.F (1) q In dieser Formel bedeutet K eine empirische Konstante, F die Schlagweite und q die gesamte Elektrizit~itsmenge, die von den ersten Anf~ingen der Entladung, yon t = 0 bis t = t dutch die Funkenstrecke hindurchgegangen ist. Toepler selbst und einige seiner Nachfolger haben diese Formel auf eine Anzahl praktischer Probleme ange- wandt (z. B. Johannes Krutzseh, Bereehenbare Wanderwellenformen unter Zugrundelegung des Toeplerschen Funkengesetzes. ETZ 1928, S. 607). Toeplers Formel beruht auf dem Gedanken, dab bei fortschreitender Entladung die Anzahl der Ionen in der Funkenbahn zunimmt. Er setzt daher den Leitwert der Funken- hahn r -1 proportional der Elektrizit/itsmenge, die zwischen den Elektroden dureh- gegangen ist. Infolgedessen ist der Leitwert am Anfang 0 (der Widerstand unendlieh), dann w~ichst er ohne Grenzen. Gegen die oben erwfihnte Formel kann man einen wesentlichen theoretischen Einwand erheben. Eine endliche Spannung kann niemals zu einem Zusammenbruch eines anf~inglich unendlichen Widerstandes ftihren. Es kann also, streng genommen, kein Strom zu fliefien beginnen. Diese Formel fiihrt zu erns ten anatytischen Schwierigkeiten, wie eine genaue Pr/ifung des Krutzsehschen Artikels zeigen wird. Uberdies sollte der Widerstand einem kleinen aber endlichen Wert, dem des Liehtbogens, und nicht der Null zustreben. Endlich ist der Widerstand der Funkenstreeke nicht proportional der Schlagweite F, es sei denn, dab das elektro- statische Feld homogen bleibt. Aus diesem Grunde hat der Verfasser folgende Anderung der Toeplerschen Formel vorgeschlagen. r = + (2) In diesem Ausdruek ist k ein empirischer Koeffizient, welcher eine Funktion yon der Form und dem Zustand der Oberflfiche der Elektroden und der L~inge der Funken- streeke selbst ist. Im folgenden wird k far eine gegebene Funkenstrecke als eine bekannte Konstante angenommen. An Stelle q der Toeplerschen Formel wird der Ausdruek q + qo gebraueht, wobei qo eine empirische Beriehtigung far die Anfangsionisation bedeutet. /3elm Beginn der Entladung, wenn q = 0 ist, ist r sehr grofi. Aber es ist nieht unendlich groB wie in Toepiers Originalformel. Der additive Faktor r o ist der Wert ftir den Bogenwiderstand, dem r zustrebt, wenn q ohne Grenzen w~iehst. Da r o klein ist und da die analytisehen Schwierigkeiten des Problems sogar ohne r o sehr betr~ichtlich sind, kann r o in der ersten Analyse der unten behandelten F~ille vernachl/issigt werden. Archiv f. Elektroteehnlk. XXV. Band. 5. Heft. 22

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Page 1: Der Einfluß der Induktivität und des veränderlichen Widerstandes einer Funkenstrecke auf die Entladung

XXV. Band. I93L Karapetoff , Ent!adung und Induktivit~it der Funkenstrecke. 315

Der Einflul der lnduktivit/it und des ver/inderlichen Widerstandes einer Funkenstrecke auf die Entladung.

V o n

Vladimir Karapetoff.

Durchsehl~ige in Luft bilden einen wesentlichen Bestandteil yon Hochspannungs- problemen. Jedoch trotzten alle diese Probleme einer befriedigenden mathematischen L6sung, well in den ersten Stadien der Entladung (vor Entstehung des Lichtbogens) die inneren Beziehungen zwisehen Strom und Spannung nicht bekannt sind. In zahlreiehen Abhandlungen im Archiv ftir Elektrotechnik und in afideren deutschen wissenschaftlichen ZeitsehrKten sehlug T o e p l e r ftir den ver~inderlichen Momentan- wert r des Widerstandes einer Funkenstrecke in den ersten Stadien einer Entladung zur Zeit t folgende empirische Formel vor:

r = K. -.F (1) q

In dieser Formel bedeutet K eine empirische Konstante, F die Schlagweite und q die gesamte Elektrizit~itsmenge, die von den ersten Anf~ingen der Entladung, yon t = 0 bis t = t dutch die Funkenstrecke hindurchgegangen ist. T o e p l e r selbst und einige seiner Nachfolger haben diese Formel auf eine Anzahl praktischer Probleme ange- wandt (z. B. J o h a n n e s K r u t z s e h , Bereehenbare Wanderwellenformen unter Zugrundelegung des Toep le r schen Funkengesetzes. ETZ 1928, S. 607). T o e p l e r s Formel beruht auf dem Gedanken, dab bei fortschreitender Entladung die Anzahl der Ionen in der Funkenbahn zunimmt. Er setzt daher den Leitwert der Funken- hahn r -1 proportional der Elektrizit/itsmenge, die zwischen den Elektroden dureh- gegangen ist. Infolgedessen ist der Leitwert am Anfang 0 (der Widerstand unendlieh), dann w~ichst er ohne Grenzen. Gegen die oben erwfihnte Formel kann man einen wesentlichen theoretischen Einwand erheben. Eine endliche Spannung kann niemals zu einem Zusammenbruch eines anf~inglich unendlichen Widerstandes ftihren. Es kann also, streng genommen, kein Strom zu fliefien beginnen. Diese Formel fiihrt zu e rns t en anatytischen Schwierigkeiten, wie eine genaue P r / i f u n g des K r u t z s e h s c h e n Artikels zeigen wird. Uberdies sollte der Widerstand einem kleinen aber endlichen Wert, dem des Liehtbogens, und nicht der Null zustreben. Endlich ist der Widerstand der Funkenstreeke nicht proportional der Schlagweite F, es sei denn, dab das elektro- statische Feld homogen bleibt.

Aus diesem Grunde hat der Verfasser folgende Anderung der Toeple rschen Formel vorgeschlagen.

r = + (2)

In diesem Ausdruek ist k ein empirischer Koeffizient, welcher eine Funktion yon der Form und dem Zustand der Oberflfiche der Elektroden und der L~inge der Funken- streeke selbst ist. Im folgenden wird k far eine gegebene Funkenstrecke als eine bekannte Konstante angenommen. An Stelle q der Toep le r schen Formel wird der Ausdruek q + qo gebraueht, wobei qo eine empirische B e r i e h t i g u n g far die Anfangsionisation bedeutet. /3elm Beginn der Entladung, wenn q = 0 ist, ist r sehr grofi. Aber es ist nieht unendlich groB wie in T o e p i e r s Originalformel. Der additive Faktor r o ist der Wert ftir den Bogenwiderstand, dem r zustrebt, wenn q ohne Grenzen w~iehst. Da r o klein ist und da die analytisehen Schwierigkeiten des Problems sogar ohne r o sehr betr~ichtlich sind, kann r o in der ersten Analyse der unten behandelten F~ille vernachl/issigt werden.

Archiv f. Elektroteehnlk. X X V . Band. 5. Heft. 2 2

Page 2: Der Einfluß der Induktivität und des veränderlichen Widerstandes einer Funkenstrecke auf die Entladung

Archiv fiir 316 Karapetoif , Entladung und Induktivit~.t der Funkenstrecke. Elektrotechnik.

Beim Gebrauch der genaueren Formel (2) an Stelle von (1) ergibt die Theorie einen Strom, der pl6tzlich von Null auf eine endliche Gr6ge springt. Dies kommt daher, daft die Induktivit~it der Strombahn im Funken auger Acht gelassen wurde. In Wirkliehkeit wgchst der Strom gewaltig in den ersten Stadien des Uberschlages,

di so dab der induktive Spannungsabfall L ~ - nicht zu vernachlgssigen ist. Wir be-

trachten im folgenden den induktiven Widerstand L des Funkens als kleinen konstanten Wert, da tiber seine Gr6ge und seine Anderung nichts Bestimmtes bekannt ist.

Die Differentialgleichungen sehnell vortibergehender elektrischer Zustiinde nehmen mit dem ver~inderlichen Funkenstreckenwiderstand und einem additiven Ausdruck ftir die Induktiviti t sogar in ziemlich einfaehen Stromkreisen, die eine Funkenstrecke enthalten, ungewOhnliche Formen an; f/Jr diese kennt der Verfasser aut3er einer sukzessiven Niiherung in einem gegebenen numerischen Fall keine LOsungen. Einige Probleme werden unten formuliert, freilich nicht gel6st. Die Mitteilung gesehieht, um die Aufmerksamkeit derer, die zu einer befriedigenden LOsung beitragen k6nnen, auf diesen Gegenstand und seine mathematisehen Sehwierigkeiten zu lenken. Der Mathematiker kann die allgemeinen Eigenschaften der L6sung der damit verbundenen Differentialgleichung analysieren und so bewirken, dab der atlgemeine Charakter des Phinomens frfiher bemerkt wird; wihrend der experimentelle Physiker durch Verfeinerung seiner Methoden zur Beobaehtung augerordentlich rascher VerS~nde- rungen empirische Beziehungen erlangen kann, die die L6sung der Differential- gleichungen vereinfachen. Der Hinweis auf die Bilder bezieht sich auf die des K r u t z s c h s c h e n Artikels, obwohl die Beziehungen in dieser Abhandlung ausffihrlieh genug beschrieben sind, so dab es unn6tig ist, auf jenen Artikel hinzuweisen.

1. Fall. Eine Einphasenleitung von unendlicher Lgnge, an beiden Enden often, ist in der Mitte dutch eine Funkenstrecke fiberbriickt. Die Spannung 15rags der Leitung wird auf einen Wert U gebracht, der gerade unter der Durehbruchs- spannung liegt; nirgendwo im Stromkreis fliegt ein Strom. Dann wird die Spannung plOtzlich um einen geringen Betrag gesteigert. Die Funkenstrecke entlS.dt sich. Gesueht ist der Strom i in der Funkenstrecke als Funktion der Zeit.

Z sei der Wellenwiderstand der beiden parallelgeschalteten Leitungshglften. Nach der allgemeinen Theorie der Wanderwellen ist dann in jedem Augenblick t die Spannung an der Funkenstrecke

u = u - - i z . (a) Ffir die Funkenstreeke selbst haben wir

di u = i r + L ~ F , (4)

wobei r durch Gleiehung (2) ausgedrfickt wird. L i s t die konstante tnduktivit~it der Funkenbahn. Die gew6hnliehe Beziehung zwischen i und q ist

i - - dq d~ " (5 )

Demnach besteht das mathematische Problem in einer L6sung der vier gleichzeitig bestehenden Gleichungen (2) bis (5).

Ohne dem Leser ein Vorurteil zugunsten irgendeiner besonderen L6sungsmethode aufzwingen zu wollen, erlaubt der folgende einfaehe Kunstgriff, das Problem auf eine einfache Differentialgleichung zwischen i und q zurtickzuffihren. Gleiehung (4) kann geschrieben werden in der Form:

u = i r + L ~q --~ ~q . (6)

Indem wir ffir r und u die Werte aus den Gleiehungen (2) und (3) einsetzen, erhalten wir:

U - - i z = q +~o + r~ + L i --'dq (7)

Page 3: Der Einfluß der Induktivität und des veränderlichen Widerstandes einer Funkenstrecke auf die Entladung

XXV. Band. ~93i. K a r a p e t o i f , Entladung und Induktivit/~t der Funkenstrecke. 317

Dies ist die endgiJltige zu 16sende Differentialgleichung zwischen i und .q. Wir setzen als L0sung an:

q = /( i) . (8) Indem wir diesen Wert q in Gleichung (5) einsetzen, erhalten wir:

Dies ist die gewfinschte Beziehung zwischen i u n d t. In Gleiehung (7) sind die Anfangsbedingungen (zur Zeit t = 0) i = 0 und q = 0.

Das Einsetzen dieser Werte ergibt:

(lO) U = L i -eT.

di Da U eine gegebene Konstante und i gleich Null ist, muB 7qq ffir t = 0 unendlich

groi3 sein. Dies Wird erkenntlich, wenn wir schreiben:

di ~i-

di dq Zur Zeit t = 0 ist ~ - nicht gleich Null, aber w o h l ~ = i = 0.

di Daher ist = - unendlich grol3.

ctq

Ein anderes m6gliches Verfahren besteht darin, die Gleichung (3) und (4) in einer zu vereinen-

kl +Ldl U - - i Z = i r o4 - q + q~o dr" (12)

Wir multiplizieren beide Seiten mit dt und integrieren zwischen t = 0 und t = t:

U t - - q Z = qr o 4- k log[( q+ q~ 4- Li . (I3) [\ qo ]]

Diese Gleichung wSxe zusammen mit Gleichung (5) zu 16sen. 2. Fall. Ein Kondensator yon der Kapazit~t C ist mit einer Elektrizit~tsmenge Q

geladen und wird dann dutch die Funkenstreeke entladen. Es wird verlangt, die Diffe- rentialgleichung des Entladungsvorganges hinzuschreiben. Zur Zeit t ist die ver- bleibende Kondensatorladung 0 - q. Die Spannung an der Funkenstrecke wird:

Aufierdem haben wir wie vorher: �9 di

u = r z 4 - L d t , (4)

r = 4- to, (2)

i - - dq " ( 5 )

Dies sind vier Gleichungen ftir u, q, i und r als Funktionen yon t. Das Problem ist i als Funkt ion yon t zu finden. Eliminieren wit z. B. u, r und t, so erhalten wir eine Differentialgleiehung zwischen i und q

(2->) = ~ 4 - ro i 4 - i L di d~" (15)

a. Fall. Eine unendlich lange, einphasige Leitung ist in der Mitte irgendwo durch eine Funkenstrecke fiberbrtickt. Eine Wanderwelle bewegt sieh auf die Funkenstrecke zu. Ein Teil ihrer Energie kommt in der Funkenstrecke zur Entladung. Der Rest setzt sich lgngs der Leitung fort. Die anEingliche Wellenfront ist gegeben durch die Gleiehung:

V = F (t), (16) 22*

Page 4: Der Einfluß der Induktivität und des veränderlichen Widerstandes einer Funkenstrecke auf die Entladung

Archiv ffir 318 Karapetoff , Entladung und InduktivitEt der Funkenstrecke. Elektrotechnik.

wobei K die Spannung an einem Punkt der Welle und 17 eine bekannte Ftnikfion der Zeit bedeutet. So stellt Gleichung (16) die Kurve der anfS~nglichen Weileraront dar, wie beispielsweise durch einen Kathodenstrahloszillographen aufgezeichnet werden k6nnte. Gesueht ist der Entladungsstrom i in der Funkenstrecke als Funktion der Zeit.

Dieser Fall ist analog dem ersten Fall, mit der Ausnahme, dab eine ver~inder- liehe Leitungsspannung an die Stelle einer konstanten Spannung U tritt. Wir k6nnen ,also sofort in Analogie zu Gleichung (13) setzen:

f t 7 (t) dt - - q Z = .qr o + k l ~ + q~ @ Li. (17) 0

Das Integral auf der linken Seite ist eine bekannte Funktion yon t. Der Strom i kann durch Anwendung yon Gleichung (5) eliminiert werden. Wir erhalten eine Differen- ,tialgleichung far q als Funktion yon der Zeit.

Wir verallgemeinern die behandelten F~ille. Wir k6nnen sagen, dab die Spannung an der Funkenstreeke gleich ist:

( ik ) di (18) u = q~o + L T d .

Andererseits ist dieselbe Spannung, die aus den Bedingungen in dem tibrigen Strom- kreis errechnet wird, eine lineare Funktion zwischen i und q, das heil3t:

u =- u o + m i + nq, (19) ~vobei Uo, m u n d n bekannte Konstanten sind. In Gleiehung (18) k6nnen wir wie vorher :setzen:

~ ~ i. (20)

Wir kombinieren nun die abgeS~nderte Gleichung (18) mit Gleiehung (19). Das ergibt: ik di

Dies ist eine Differentialgleichung ftir i als Funktion yon q. Ist diese gel6st, so kann die ver~inderliche t wie gezeigt in Gleiehung (8) und (9) eingesetzt werden.

Zur Zeit k6nnen analytische L6sungen der angegebenen Differentialgleichungen nicht angegeben werden (vgl. oben). Dies beleuchtet aber die Schwierigkeiten, die einer Anwendung des Funkengesetzes (2) im Wege stehen.