der begriff der hochwertigen dichtung für lösbare rohrleitungsverbindungen

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Der Begriff der hochwertigen Dichtung fur losbare Ro h r I ei t u ng sverbi nd u ng en Eberhard Simon* Die TA Luft verlangt fur bestimmte gefahrliche StofMassen hochwertige Dichtungen an Flanschverbindungen,erlautert dieses Merkmal jedoch nicht naher. Der Beitrag begriindet die Ausdehnung des Hochwertigkeitsmerkmals auf losbare Rohrleitungsverbindungen verschiedener Ausfuhrungen in ihrer Eigenschaft als Systeme. Er erlautert die Qualitats- sicherung als grundlegenden Aspekt sowie die Begriffe diskrete und diffuse Emission, deren Vermeidung bzw. Minimierung das Ziel ist. Folgende Hochwertigkeits-Kriterien werden begriindet und erliiutert: Auslegungsreserven, Korrosionsbestandigkeit, Lagensi- cherung, Sprodbruchsicherheit, Standzeit-Dichtheit und ProzeBhygiene. 1 Allgerneines 1.1 Die hochwertige Dichtung in der TA Luft Der Begriff der hochwertigen Dichtung wird in die Immissions- schutz-Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland durch die 1. allg.VwV zum BlmSchG, namlich dieTechnische Anleitung zur Reinhaltungder Luft (TA Luft), eingefuhrt. Diese schreibt vor [l]: ,,Flanschverbindungen sollen in der Regel nur venvendet werden, wenn sie verfahrenstechnisch, sicherheitstechnisch oder fur die Instandhaltung notwendig sind; soweit Stoffe nach 2.3, 3.1.7 Klasse I oder 3.1.7 Absatz 7 gefordert oder verarbeitet werden, sind die Flanschverbindungen mit hochwertigen Dichtungen aus- zurusten. " Stoffe nach 2.3 sind krebserzeugend. Stoffe nach 3.1.7 Klasse I sind die organischen Stoffe mit einer Emmissionsbegrenzung nach dem maximalen Massenstrom von 0,l kg/h in einer Anlage bzw. nach der maximalen Massenkonzentration von 20 mg/m3. Stoffe nach 3.1.7 Absatz7 sind spezielle Stoffe, die sowohl schwer abbaubar und leicht anreicherbar als auch von besonderer Toxizitat sind oder die aufgrund sonstiger besonders schadlicher Umwelt- einwirkungen keiner Klasse zugeordnet werden konnen (z. B. polyhalogenierte Dibenzodioxine, -furane oder Biphenyle). 1.2 Unbestimmtheitdes Begriffs Hochwertigkeit von Dichtungen Den Begriff der Hochwertigkeit hat der Verordnungsgeber nicht naher bestimmt.Wie in der gesamten ProzeBtechnik, so muB auch das Bauteil Dichtung fur die prozeBtechnische Aufgabenstellung die beste Losung fur die Erreichung des Schutzziels darstellen, nach MaBgabe der ProzeRbedingungen im Einzelfall. Deshalb darf der Begriff der Hochwertigkeit nicht von vornherein mit einer bestimmten Dichtungsbauart, z. B. mit metallarmierten Dichtun- gen, verbunden werden. Je nach den Einsatzbedingungen kann eine einfache Flachdichtung aus homogenem Werkstoff sehr wohl die Anforderungen an eine hochwertige Dichtung erfullen. Auch kann es Falle geben, z.B. beim Ubergang von Apparaten und * Dip].-Ing. h'. Simon, Amselweg 28, 65779 K e l k h e i d s . Maschinen auf Rohrleitungen, mit Flanschgeometrien, fur die es zu solchen Flachdichtungen kaum eine Alternative gibt (z. B. Rechteckflansche) . Die nachfolgenden Uberlegungen sollen dazu beitragen, durch Aufstellung und Begrundung von Bewertungskriterien die Beur- teilung der in der Regel genormten und nachweisbar praxisbewahr- ten Bauformen und Ausfiihrungsspezifikationen zu ermoglichen, urn zu einer begrundeten Auswahl zu gelangen. Griinde, die dazu zwingen wiirden, substantiell neue Bauarten zu fordern, sind in dem hier behandelten Zusammenhang nicht erkennbar. 1.3 Von der hochwertigen Dichtung zur hochwertigen losbaren Rohrleitungsverbindung Die losbare Rohrleitungsverbindung als System: Der Anlagen- bauer und -betreiber kann sich allerdings nicht mit der Wahl einer hochwertigen Dichtung begnugen. Flanschverbindungen sind, festigkeitstheoretisch betrachtet, hochkomplexe Systeme. Sie unterliegen inneren Rohrleitungskraften (Innendruck, Stro- mungskrafte) und auBeren (Befestigungskrafte, Gewicht der gefullten Rohrleitungen, Warmespannungen). Metallwerkstoffe, derenverformung im elastischen Bereich in brauchbarer Naherung durch das Hookesche Gesetz linear beschrieben werden kann, wirken u. U. zusammen mit Dichtungswerkstoffen (z. B. Elasto- mere), bei denen dies nicht der Fall ist. Bei manchen Dichtungs- bauarten wird die plastische Verformung des Dichtelements im Einbauzustand bewuBt in Kauf genommen. Krafte und Momente werden bei der Flanschverbindung durch den Flanschansatz, das Flanschblatt, Schrauben und Muttern, eventuell durch Unterleg- scheiben oder durch Federn sowie durch das Dichtelement uber- tragen. Bemessung, Werkstoff und Ausfuhrung aller Bauteile sind von Bedeutung, um die langfristige Dichtheit unter Betriebsbedin- gungen sicherzustellen. Das Schutzziel der TA Luft kann nicht von hochwertigen Dichtungen allein, sondern nur von Rohrleitungs- verbindungen erreicht werden, die als System das Kriterium der Hochwertigkeit erfullen. Alternativen zu Flanschverbindungen: Diese tlberiegungen gel- ten sinngemaB auch fur andere Verbindungsbauarten, die in der technischen Chemie eingefuhrt sind, z. B. Rohrleitungsverschrau- bungen fur die Lebensmitteltechnik nach DIN 1 1851, Tankwagen- kupplungen nach DIN 28450, Rohrleitungsverbindungen fur Anla- Chem.-1ng.-Tech. 66 (1994) Nr. 7, S. 929-937 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-69469 Weinheim, 1994 O009-286X/94/0707-0929 $5.00 + .25/0 929

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Page 1: Der Begriff der hochwertigen Dichtung für lösbare Rohrleitungsverbindungen

Der Begriff der hochwertigen Dichtung

fur losbare Ro h r I ei t u ng sver bi nd u ng en

Eberhard Simon*

Die TA Luft verlangt fur bestimmte gefahrliche StofMassen hochwertige Dichtungen an Flanschverbindungen, erlautert dieses Merkmal jedoch nicht naher. Der Beitrag begriindet die Ausdehnung des Hochwertigkeitsmerkmals auf losbare Rohrleitungsverbindungen verschiedener Ausfuhrungen in ihrer Eigenschaft als Systeme. Er erlautert die Qualitats- sicherung als grundlegenden Aspekt sowie die Begriffe diskrete und diffuse Emission, deren Vermeidung bzw. Minimierung das Ziel ist. Folgende Hochwertigkeits-Kriterien werden begriindet und erliiutert: Auslegungsreserven, Korrosionsbestandigkeit, Lagensi- cherung, Sprodbruchsicherheit, Standzeit-Dichtheit und ProzeBhygiene.

1 Allgerneines

1.1 Die hochwertige Dichtung in der TA Luft

Der Begriff der hochwertigen Dichtung wird in die Immissions- schutz-Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland durch die 1 . allg.VwV zum BlmSchG, namlich dieTechnische Anleitung zur Reinhaltungder Luft (TA Luft), eingefuhrt. Diese schreibt vor [l]: ,,Flanschverbindungen sollen in der Regel nur venvendet werden, wenn sie verfahrenstechnisch, sicherheitstechnisch oder fur die Instandhaltung notwendig sind; soweit Stoffe nach 2.3, 3.1.7 Klasse I oder 3.1.7 Absatz 7 gefordert oder verarbeitet werden, sind die Flanschverbindungen mit hochwertigen Dichtungen aus- zurusten. "

Stoffe nach 2.3 sind krebserzeugend. Stoffe nach 3.1.7 Klasse I sind die organischen Stoffe mit einer Emmissionsbegrenzung nach dem maximalen Massenstrom von 0 , l kg/h in einer Anlage bzw. nach der maximalen Massenkonzentration von 20 mg/m3. Stoffe nach 3.1.7 Absatz7 sind spezielle Stoffe, die sowohl schwer abbaubar und leicht anreicherbar als auch von besonderer Toxizitat sind oder die aufgrund sonstiger besonders schadlicher Umwelt- einwirkungen keiner Klasse zugeordnet werden konnen (z. B. polyhalogenierte Dibenzodioxine, -furane oder Biphenyle).

1.2 Unbestimmtheit des Begriffs Hochwertigkeit von Dichtungen

Den Begriff der Hochwertigkeit hat der Verordnungsgeber nicht naher bestimmt.Wie in der gesamten ProzeBtechnik, so muB auch das Bauteil Dichtung fur die prozeBtechnische Aufgabenstellung die beste Losung fur die Erreichung des Schutzziels darstellen, nach MaBgabe der ProzeRbedingungen im Einzelfall. Deshalb darf der Begriff der Hochwertigkeit nicht von vornherein mit einer bestimmten Dichtungsbauart, z. B. mit metallarmierten Dichtun- gen, verbunden werden. Je nach den Einsatzbedingungen kann eine einfache Flachdichtung aus homogenem Werkstoff sehr wohl die Anforderungen an eine hochwertige Dichtung erfullen. Auch kann es Falle geben, z.B. beim Ubergang von Apparaten und

* Dip].-Ing. h'. Simon, Amselweg 28, 65779 K e l k h e i d s .

Maschinen auf Rohrleitungen, mit Flanschgeometrien, fur die es zu solchen Flachdichtungen kaum eine Alternative gibt (z. B. Rechteckflansche) .

Die nachfolgenden Uberlegungen sollen dazu beitragen, durch Aufstellung und Begrundung von Bewertungskriterien die Beur- teilung der in der Regel genormten und nachweisbar praxisbewahr- ten Bauformen und Ausfiihrungsspezifikationen zu ermoglichen, urn zu einer begrundeten Auswahl zu gelangen. Griinde, die dazu zwingen wiirden, substantiell neue Bauarten zu fordern, sind in dem hier behandelten Zusammenhang nicht erkennbar.

1.3 Von der hochwertigen Dichtung zur hochwertigen losbaren Rohrleitungsverbindung

Die losbare Rohrleitungsverbindung als System: Der Anlagen- bauer und -betreiber kann sich allerdings nicht mit der Wahl einer hochwertigen Dichtung begnugen. Flanschverbindungen sind, festigkeitstheoretisch betrachtet, hochkomplexe Systeme. Sie unterliegen inneren Rohrleitungskraften (Innendruck, Stro- mungskrafte) und auBeren (Befestigungskrafte, Gewicht der gefullten Rohrleitungen, Warmespannungen). Metallwerkstoffe, derenverformung im elastischen Bereich in brauchbarer Naherung durch das Hookesche Gesetz linear beschrieben werden kann, wirken u. U. zusammen mit Dichtungswerkstoffen (z. B. Elasto- mere), bei denen dies nicht der Fall ist. Bei manchen Dichtungs- bauarten wird die plastische Verformung des Dichtelements im Einbauzustand bewuBt in Kauf genommen. Krafte und Momente werden bei der Flanschverbindung durch den Flanschansatz, das Flanschblatt, Schrauben und Muttern, eventuell durch Unterleg- scheiben oder durch Federn sowie durch das Dichtelement uber- tragen. Bemessung, Werkstoff und Ausfuhrung aller Bauteile sind von Bedeutung, um die langfristige Dichtheit unter Betriebsbedin- gungen sicherzustellen. Das Schutzziel der TA Luft kann nicht von hochwertigen Dichtungen allein, sondern nur von Rohrleitungs- verbindungen erreicht werden, die als System das Kriterium der Hochwertigkeit erfullen.

Alternativen zu Flanschverbindungen: Diese tlberiegungen gel- ten sinngemaB auch fur andere Verbindungsbauarten, die in der technischen Chemie eingefuhrt sind, z. B. Rohrleitungsverschrau- bungen fur die Lebensmitteltechnik nach DIN 1 1851, Tankwagen- kupplungen nach DIN 28450, Rohrleitungsverbindungen fur Anla-

Chem.-1ng.-Tech. 66 (1994) Nr. 7, S. 929-937 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-69469 Weinheim, 1994 O009-286X/94/0707-0929 $5.00 + .25/0

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gen aus technischem (Borosilicat-) Glas, fur Anlagen aus PTFE zur Herstellung von Chemikalien fur die Mikroelektronik [2] oder Neuentwicklungen, die fur Chemieanlagen in Betracht kommen, z. B. Klemmverbindungen [3], und so fort. Sie sind weder einge- schrankt hinsichtlich der Rohrleitungswerkstoffe (Metalle mit und ohne Korrosionsschutzbeschichtung, Polymerkunststoffe, Glas usw.) noch hinsichtlich der Rohrleitungsgeometrien (nicht kreis- runde Querschnitte, Oval- und Rechteckflansche u. a.) oder der Werkstoffe der Dichtelemente (Faserstoffe, homogene Elastome- re oder Polymerkunststoffe mit und ohne Fullmittel, Graphit, Metalle, Verbundsysteme verschiedenster Bauformen und Werk- stoffkombinationen einschlieBlich der nicht vorgeformten Dicht- mittel ,yon der Rolle" aus modifiziertem PTFE).

Flexible Rohrleitungsabschnitte: Mit zu berucksichtigen sind auf jeden Fall auch losbare Verbindungssysteme fur Schlauche, z. B. aus Metall als Wellkonstruktion oder aus Elastomeren mit Metall- Stutzeinlagen. Durch Ausriistung eines Schlauchs .mit Verbin- dungselementen, z. B. Flanschen oder Rohrleitungsverschraubun- gen, oder einer Armatur, z. B. einem Zapfhahn, wird aus einem Schlauch eine Schlauchleitung. Solche Schlauchleitungen sind in vielen Chemieanlagen unentbehrlich, z. B. bei der Ankopplung von ortsbeweglichen Tankbehaltern. Durch Verwendung genorm- ter Tankwagenkupplungen und anderer anerkannter bzw. genorm- ter Bauteile entsteht hinsichtlich der Qualifikation der losbaren Verbindung insofern kein Sonderfall im Vergleich zu starren Rohrleitungen. Wesentlich ist jedoch, daB die Verbindungen an solchen Schlauchleitungen haufig bei jedem Einsatzfall gelost bzw. neu geschlossen werden und daB das Dichtelement je nach Bauart haufig als loses Teil mit eingebaut werden muB, so daB mit besonderem VerschleiB zu rechnen ist.

Schweipringdichtungen und Vakuumanlagen: AuBer Betracht bleiben konnen jedoch im hier betrachteten Zusammenhang SchweiBringdichtungen nach DIN 3750 (nicht losbar im engeren Sinn) sowie losbare Verbindungen fur die Vakuumtechnik, da Gefahren im Sinn der TA Luft, namlich luftseitige Emissionen, nur von Leitungen unter innerem Uberdruck ausgehen.

1.4 Qualitatssicherung

Planungsphase: Hochwertigkeit einer losbaren Rohrleitungsver- bindung setzt Qualitatssicherung im Sinn der einschlagigen DIN- und ISO-Normen bei Planung, Herstellung und Instandhaltung voraus. Die nachstehenden Uberlegungen zielen vor allem auf die Planungsphase. Auslegungsparameter, Auswahl und Spezifikation mussen festgelegt werden. Fehler und Versaumnisse in dieser Phase sind spater schwer wettzumachen. Die Verwendung der haufig anzutreffenden sog. Flanschenschutze (Kappen, Kapseln, Bander) kann bei besonders gefahrlichen Medien sinnvoll sein, wenn man die Leistungsgrenzen solcher Hilfsmittel berucksichtigt. Diese konnen im Werkstoff begrundet sein (z. B. beschrankte Losungsmittelbestandigkeit von Polymer-Kunststoffen) oder in der Konstruktion (Schellenbander liegen selten flussigkeitsdicht auf). Unter gunstigen Voraussetzungen (transparenter Werkstoff, tropfsichere Ausfuhrung, gut sichtbare und auch iiberwachte Rohrleitungsverbindungen) kann in einer Flanschenschutzkappe eine beginnende grollere Leckage durch das Sammeln von Tropf- leckagen bemerkbar gemacht werden. Die meisten ,,Flanschen- schutze" konnen wenigstens bei massivem Versagen des Dichtele- ments eine Strahlleckage zu einer Tropf- oder Rieselleckage abmildern. Mit diesen Einschrankungen konnen ,,Flanschenschut- ze" vertreten werden im Sinn einer Wirkungsmilderung von ,,Denno&'-Storungen, insbesondere dann, wenn ein nicht-zaher Rohrleitungswerkstoff vorliegt. Grundsatz mu6 sein, so gut zu planen und zu bauen, daB diese Hilfsmittel guten Gewissens auf wenige Ausnahmefalle beschrankt bleiben konnen.

Herstellungsphase: Die hochwertige losbare Verbindung setzt umfassende Qualitatssicherung auch bei Herstellung der Anlagen voraus. Dieses umfangreiche Thema, beginnend bei der Auswahl zuverlassiger Lieferanten fiir die Baukomponenten und Bewer- tung ihrer Qualitatssicherungssysteme, kann hier nicht ausgefuhrt werden. Es sei nur angemerkt, dal3 z. B. auch die Vorsorge gegen Verwechslung verschiedener Dichtelemente auf der Baustelle Teil der Qualitatssicherung ist. Deshalb ist es hoch erwunscht, die Anforderungen in einer ganzen Anlage mit moglichst wenig Varianten von Dichtelementen zu erfullen. Die Vorteile rechtfer- tigen sicher in einem gewissen Umfang ein durch Bauart undoder Werkstoff leistungsfahigeres Dichtelement auch fur Einsatzfalle, wo weniger Aufwand ausreichend ware. Wichtig ist auch die Vorsorge gegen Beschadigung empfindlicher Bauteile auf der Baustelle (z. B. Flanschfedern bei Nut- und Federverbindung, Kratzer und Risse an Dichtelementen usw.). Uberschreitung der maximalen Dichtflachenpressung bei Flachdichtungen durch zu hohe Schraubenkrafte oder Fluchtungsfehler fuhrt zum unzulassi- gen FlieBen, d. h. zur Zerstorung des Dichtelements. Haufig kampft man in der Praxis sowohl bei Erstmontage wie 6ei der Instandhaltung mit dem Qualitatsmangel zu kurzer Schrauben an Flanschverbindungen. Mindestens zwei Schraubengange mussen uber die Mutter hinausragen. Greift die Schraube mit zu wenig Gangen in die Mutter ein, so kann der Werkstoff bis zum AusreiBen der Gange uberbelastet werden, insbesondere durch DruckstoB. Der Korrosion an uberstehenden Schraubengangen kann durch Lackierung, Schutzkappen oder ahnliche Abhilfen begegnet werden.

Betriebsphase: Auch beim Anlagenbetrieb geht es urn technische und organisatorische Qualitatssicherung. Losen und SchlieBen von Rohrleitungs-Verbindungen gehoren zum Betriebsalltag beim Koppeln und Trennen von Anlageteilen (s. Abschnitt 1.3) wie auch beim Offnen der Anlage zu Reinigungs-, Pruf- oder Instand- haltungszwecken einschlieBlich der Erneuerung unbrauchbar gewordener Bauteile, vor allem der Dichtelemente. Auch hierbei ist die Vorsorge gegen Verwechslungen durch Variantenbeschran- kung von schwer schatzbarem Wert. Weitere Erorterungen zur systematischen Anlagen-Instandhaltung sprengen den Rahmen des gestellten Themas.

1.5 Diskrete und diffuse Emissionen aus losbaren Rohrleitungsverbindungen

Diskrete Emissionen: Als diskrete Emissionen sollen unmittel- bar erkennbare und daher meBtechnisch nicht erfaBte ,,GroB"lek- kagen bezeichnet werden. Sie konnen auftreten z. B. wahrend der Montage der Anlage bei Druckprufungen und sind bei Verwen- dung gesundheitsunschadlicher Prufmedien harmlos. Bei laufen- dem Betrieb sind sie denkbar als Folge der Auswahl einer vollig ungeeigneten Ausfuhrung, einer unvorhergesehenen Uberbela- stung, des Verlustes der Dichtkraft, als Montagefehler beim Austausch verbrauchter Dichtelemente oder anderer Bauteile und so fort. Eine solche Leckage wird wegen der Eigenschaften der ProzeBstoffe und der ProzeBparameter in der Regel gefahrlich sein. Es ist die sicherheitstechnische Hauptaufgabe aller Bauteile der Rohrleitungsverbindung, eine solche Emission zuverlassig auszuschliel3en. Diskrete Emissionen sind auch moglich als Folge des VerschleiBes, wenn bei Uberschreitung der duldbaren diffusen Emission die unbrauchbaren Bauteile nicht rechtzeitig erneuert werden und der Emissionsstrom sich durch lokale Zerstorung, z. B. des Dichtelements, rasch vergroBert. Die Frage, wie die Uber- schreitung des tolerablen Emissionsstroms erkannt werden kann, wird in der Folge behandelt.

Diffuse Emissionen: Absolute Dichtheit in technischen Anlagen gibt es nicht. Solange Potentialdifferenzen (Druck, Temperatur, Konzentration) vorhanden sind, gibt es einen, sei es auch noch so

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kleinen, Leckstrom, dessen Feststellung allenfalls ein MeBproblem bedeutet. Stellt man sich einen Dichtspalt in rasterelektronenmi- kroskopischer VergroRerung vor, so erkennt man sofort, daB wegen der zerklufteten Oberflachen die Spaltweite Null zwischen Dichtelement und Gegenflache im mathematischen Sinn nicht moglich ist. Dazu kommt die relative Durchlassigkeit aller Werk- stoffe. Wasserstoffmolekule konnen durch Stahl diffundieren, Luft diffundiert durch Rohrwandungen aus Polymer-Kunststoffen, Wasserdampf durch Folien ohne sichtbare Poren und so fort. Auch diese Systeme gehorchen dem Gesetz vom unvermeidlichen Wachsturn der Entropie.

Diese permanenten Emissionen aus losbaren Rohrleitungsver- bindungen zahlen zu den diffusen Emissionen. Solche entstehen auch aus anderen Quellen in der Chemieanlage und sind ebenfalls den Minimierungs-Regelungen der TA Luft unterworfen. Vor allem sind Flanschverbindungen von Bedeutung, weil sie wohl das am haufigsten vorkommende Bauteil der Chemieanlage iiberhaupt darsteilen. Selbstverstandlich findet man sie auch im Arbeitsbe- reich des Anlagenpersonals. Deshalb geht es hierbei auch um den Schutz vor dem Einatmen gesundheitsgefahrlicher Stoffe oder vor dem Korperkontakt rnit ihnen. Es geht, obwohl dieser Aspekt in derTA Luft nicht angesprochen wird, bei Stoffen, die mit Luft eine explosionsfahige Atmosphare bilden konnen, auch um den prima- ren Explosionsschutz, die Vermeidung des Explosionsbereichs der Mischung.

Die tolerierbaren Schadstoffkonzentrationen in einer Chemie- anlage sind z. B. durch die maximale Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) oder die Technische Richtkonzentration (TRK) rechtlich wie meRtechnisch definiert. Fur die industriell gehandhabten Stoffe sind aus Sicherheitshandbuchern auch die Explosionsgren-

Zen bekannt. Es ergibt sich eine Verkniipfung der Schutzziele von Immissionsschutz und Arbeitsschutz in folgender Form: - Die Emission aus einer losbaren Rohrleitungsverbindung muB

so begrenzt werden, daR in ihrer unmittelbaren Umgebung die tolerierbare Schadstoffkonzentration in der Atemluft nicht iiberschritten und die untere Explosionsgrenze nicht erreicht wird.

Hierbei ist vorausgesetzt, daB z. B. Absaugung als SekundarmaR- nahme nur in Ausnahmefallen eine akzeptable Losung darstellen kann. Selbstverstandlich ist zu beachten, daB die Einhaltung dieser Grenzwerte autonomer Bestandteil einer Anlagengenehmigung nach BImSchG in diesen Fallen sein und die gesamte technische Einrichtung wie auch einzelne Arbeitsschritte, z. B. Reinigen, Prufen, Instandhalten usw., umfassen wird.

2 Hauptkriterien hochwertiger losbarer Rohrleitungsverbindungen

2.1 Normal- und Reservebereich der betrachteten Parameter

Die Planung beginnt mit der Festlegung der Betriebsbedingun- gen bzw. der Parameter-Bereiche. Zu berucksichtigen sind: - Inhaltsstoffe der Rohrleitung einschliealich Begleitstoffen (Ver-

unreinigungen), Hilfsmedien zur Reinigung, Druckprufung usw.,

- Dichtheits-Anforderungsstufe (siehe Abschni tt 2.5), - Betriebsiiberdruck (konstantlschwankend stoRartiglschwan-

kend oszillierend schnell oder langsam),

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- Betriebstemperatur (konstant/schwankend kurz- oder langzei-

- Standzeit- Zielvorstellung bzw.Wartungsinterval1 in Verbindung

Zu den im bestimmungsgemaBen Betrieb auftretenden Werten kommen die seltenen undoder nicht genau abschatzbaren Betriebszustande.

Betriebsiiberdruck: Rohrleitungen mussen unter bestimmten Voraussetzungen nach der Druckbehalter-Verordnung Ab- schnitt 5 [4] vor Inbetriebnahme unter Uberdruck gepruft werden. In der Praxis wird gelegentlich ein hoherer als der Nenn- Uberdruck des Prufwerts aufgepragt und durch anschlieBende Entlastung korrigiert. Ferner treten beim schnellen SchlieBen von Absperrarmaturen (z. B. Hahne und Klappen rnit kurzen SchlieB- wegen) gegen groBere Drucke und Stromungsgeschwindigkeiten Druckspitzen in schwer vorhersagbarer Hohe auf. Bei schwanken- den Betriebsdrucken hangt die zeitweilige Uberschreitung des Sollwerts von der Regelungsgute ab, bei beheizten Rohrleitungen rnit Temperaturregelung des Heizkreises entsprechend dem Dampfdruck des Inhaltsmediums analog von der Uberschwingung der Beheizungstemperatur.

Betriebstemperatur: Fur Systeme rnit Temperaturregelung gilt die vorstehende Uberlegung sinngemal3. Auch Reinigungsvorgan- ge, bei denen z. B. Heizdampf oder HeiBwasser unter Umstanden als betriebliche Improvisation bei besonders starker Verschmut- zung zum Einsatz kommen, mussen beriicksichtigt werden.

Mechanische Extrembelastungen: Beispiele lassen sich leicht finden: Ein Gabelstapler mit versehentlich ausgefahrenem Hub- mast wird gegen eine geflanschte Rohrleitung gefahren; an eine Rohrleitung wird uber ein Hebezeug eine schwere Last angehangt, weil ein Stutzbock oder eine Tragschiene nicht zur Hand sind. Keinesfalls kann freilich eine sinnlose Uberdimensionierung von Flanschverbindungen alle denkbaren Gefahren durch Leichtsinn und verbotswidriges Handeln abfangen. Wo bei wirklich gefahrli- chen Rohrinhaltsstoffen solche Moglichkeiten denkbar sind, wer- den Maanahmen wieverlegung der Rohrleitung im verkehrsfernen Bereich, Beschrankung der Zuganglichkeit, indirekte Verstarkung durch kleine Stutzweiten usw. eher in Betracht kommen. Dennoch mag bereits die Wahl der hoheren Nenndruckstufe, als sie sich nach augenmaBgerechter, vernunftiger Abschatzung der Parameter- Schwankungsbreite ergibt, im Grenzfall einen wertvollen Sicher- heitsbeitrag bedeuten.

Zusammenfassend la& sich folgendes Auslegungsreserven-Kri- terium formulieren: Auswahl, Bemessung, Spezifikation und Herstellung der hochwertigen losbaren Rohrleitungsverbindung mussen Sicherheitsreserven fur Priihorgange sowie fur nicht im einzelnen bekannte Krafte und Momente bei Drucken und Temperaturen im Bereich des bestimmungsgemaBen Betriebs einschlieBen.

tig),

rnit Dichtheits-Anforderungsstufe (siehe Abschnitt 2.5).

2.2 Korrosionsbestandigkeit

Umgebungsatmosphare und Wechselwirkungen: Korrosion ist der groBe Feind der Chemieanlage. Die Inhaltsstoffe der einzeln betrachteten Rohrleitung wie auch Wechselwirkungen rnit ande- ren Leitungen sowie die atmospharische Luft sind in Betracht zu ziehen. Bei einer Chemieanlage in Meeresnahe mit kochsalz- aerosolhaltiger Luft wird z. B. Schraubenkraftverlust durch Verro- stung stahlerner Flanschschrauben zu berucksichtigen sein. Tropf- leckagen, z. B. als Folge sinkender Dichtflachenpressung wegen Schraubenkraftverlust , konnen Wandungen oder Verbindungen an anderen Rohrleitungen schadigen. Verdunstete Flussigkeits-Lek- kagen konnen an kalten Leitungen als Kondensate wieder auftre- ten und dort Schaden hervorrufen.

Korrosion am Dichtelement: Von groBter Bedeutung ist die mogliche Zerstorung des Dichtelements durch die Rohrleitungs-

Inhaltsstoffe. Oft konnen, z. B. in einer Vielzweckanlage, mehrere ProzeBstoffe vorkommen, auch das Korrosionspotential eventuel- ler Verunreinigungen und Reinigungsflussigkeiten muB bedacht werden. Dichtelemente liegen oft in Spaltraumen; dort sammeln sich u. U. Schmutzstoffe sowie die Feinfraktion von Suspensionen. Wenn bei gesattigten Losungen Kristallisationsbedingungen, z. B. durch Abkuhlung der Leitung, eintreten, werden fur aufwachsende Kristalle, die das Dichtelement mechanisch schadigen konnen, Keime in reichem MaB vorliegen. Dichtelemente aus einer nor- malen Anlage fur organisch-synthetische Chemie, die als nicht mehr brauchbar ausgemustert wurden, geben AnlaB zum Staunen, wie lange sie trotz Schmierbelag, Verfarbung, ausgefransten Ran- dern und wulstigen Oberflachen den Anforderungen standhalten konnten.

Korrosion zwischen Dichtjlache und Dichtelement: Mit zu betrachten ist mogliche Korrosion zwischen Dichtflache am Rohr und Dichtelement. Hier kommen z. B. Bedingungen in Frage, bei denen der Werkstoff des Dichtelements freies Chlor abspaltet, etwa aus chlorhaltigen Elastomeren. Bei Kombination eines metallischen Rohnverkstoffs mit einem Metall-Dichtelement kann bei Anwesenheit von Elektrolyten Kontaktkorrosion entspre- chend den Positionen in der Metall-Spannungsreihe auftreten.

Methodisch ist der Auswahlaspekt der Korrosionsbestandigkeit vergleichsweise einfach zu beherrschen. Fur viele Paarungen bietet die umfangreiche Korrosionsliteratur ausreichende Hinweise. Zwar bringt die Innovationskraft der Chemie standig neue Mole- kule hervor, die in den Anlagen zu handhaben sind. Doch ist fur die Korrosionssituation vielfach die flussige Tragerphase maBgebend und hier die Auswahl eher eingeschrankt. Wo Literaturhinweise fehlen, muB die gezielte Korrosionsuntersuchung helfen.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Korrosionsbestandig- keits-Kriterium: Bei der hochwertigen losbaren Rohrleitungsver- bindung mussen die Oberflachen vonTeilen, die vom Rohrleitungs- Inhaltsstoff beruhrt werden, und von Teilen, die Krafte und Momente ubertragen, ausreichend korrosionsbestandig gegenuber den Inhalts- und Umgebungsmedien unter EinschluB von Reini- gungs- und Prufmedien sein.

Die Einschrankung ,,ausreichend bestandig" zeigt, daB auf eine schon aus Entropiegrunden unerreichbare absolute Korrosionsbe- standigkeit verzichtet wird. Korrosionsraten und daraus folgende Standzeiten der losbaren Rohrleitungsverbindung konnen mit keinem anderen MaBstab gemessen werden als die technisch erwartbare Lebensdauer der Anlage insgesamt. Siehe auch Abschn. 2.5.

Gekammerte Dichtelemente: AbschlieBend ist darauf hinzuwei- sen, daB dieverbindungsbauart EinfluB auf die korrosionsbedingte Schadigung des Dichtelements hat. Korrosiver Abtrag wie auch Strukturschadigung durch Quellung konnen in erster Naherung als proportional zur Kontaktflache angenommen werden, so daB deren Minimierung anzustreben ist. Diese Moglichkeit bieten insbesondere die mehrseitig gekammerten Dichtelemente aus Elastomeren (Beispiel in [5]); weitere Vorteile werden im folgen- den dargestellt.

2.3 Lagesicherung des Dichtelements

Folgen falscher Einbaulage des Dichtelements: Das Dichtele- ment kann seine Funktion nur in der vorgeschriebenen Einbaulage optimal ausuben. GleichmaBige Verteilung der Dichtkraft bzw. Dichtflachenpressung mit vertretbar kleinen Abweichungen vom rechnerischen Durchschnittswert, wie sie bei endlicher Zahl der Fianschschrauben unvermeidbar sind, setzt symmetrische Anord- nung der Dichtflachen hinsichtlich der Schraubenachsen voraus. Wenn flache Ring-Dichtelemente fehlerhaft exzentrisch eingebaut sind, so daB sie einenTeil des freien Rohrquerschnitts uberdecken, so konnen sich irn tiefen exzentrischen Spaltraum wie auch im

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Striimungsstau Schmutz- und Feststoffpartikeln sammeln, was hochst unerwunscht ist. Zudem ist die Innenkante des Dichtele- ments der Erosion durch Stromungskrafte ausgesetzt. Wenn die Mittellinie des Dichtelements von der Kreislinie abweicht, so entstehen infolge der gleichmaBig angreifenden Innendruckkraft Biege- bzw. Stauchmomente in der Dichtebene, die bei der nicht gekammerten Dichtung zusatzlich von den Schraubenkraften kompensiert werden mussen.

Formschliissige Sicherung der Einbaulage: Die beste Sicherung ist die formschlussige, d. h. eine Verbindungsbauart, bei der das Dichtelement durch angrenzende oder umschlieBende feste Bau- teile in der Soil-Einbaulage fixiert ist. Viele anerkannte bzw. genormte Verbindungsbauarten haben dieses Merkmal. Dazu zahlen Flanschen mit Vor- und Riicksprung; Flanschen rnit Nut und Feder; Flachdichtelemente, deren auBerer Rand sich an den Schraubenbolzen abstutzt; Verbindungssysteme mit Nuten fur elastische Ringdichtungen rnit Rund- oder Rechteckquerschnitt, siehe Abb. 1; Flachdichtungen mit AuBendurchmesser groBer als der Schrauben-Teilkreis, rnit Bohrungen zum Durchstecken der Schrauben; Flanschen mit spharischen Dichtflachen, wie z. B. im Glas-Rohrleitungsbau angewendet, siehe Abb. 2, und andere.

Kraftschliissige Sicherung der Einbaulage: Wenn das Dichtele- ment nicht formschlussig gesichert werden kann, bleibt nur die kraftschlussige Sicherung, d. h. das Dichtelement muB mittels der von der Schraubenkraft erzeugten Reibungskraft vor Verschie- bung geschutzt werden. Wegen der Erfordernis dieser Reibungs- kraft warnen kompetente Hersteller davor, die Dichtflachen von

3 6 5 4 Abb. 1. Rohrverschraubung mit AnschweiOende fur Lebensrnit- teltechnik, Ausschnitt aus DIN 11851, Mai 1989.

Flachdichtelementen mit ,,Dichthilfsmitteln", z. B. Graphit, zu belegen (s. auch DIN V 28090 [6 ] , Abschnitt 4.1.3). Diese Mittel erleichtern zwar die Ablosung des Dichtelements beim Ausbau und verkleinern moglichenveise auch die Spaltstromung, also die Leckrate, leisten aber durch Herabsetzen des Reibungswerts der Verlagerung des DichtelementsVorschub. Es ist anzunehmen, daB rauhe Dichtflachen die Verklammerung eines Flachdichtelements unterstutzen; jedenfalls scheinen rauhe Dichtflachen mindestens bei flachen Faserdichtungen keinesfalls nachteilig zu sein. In Laborversuchen mit Asbestfaserdichtungen wurde im Langzeit- Test ermittelt, daB die Setzung der Faserdichtung, die infolge Verkleinerung der Porenquerschnitte zur Verminderung der Leck- rate fuhrt, durch rauhe Dichtflachen begunstigt wird [7]. Das Dichtelement muB also sorgfaltig in vorgeschriebener Lage einge- baut werden, und die moglichst gleichmaBig bemessenen Schrau- benkrafte mussen hoch genug sein, um trotz des Absinkens der Dichtflachenpressung infolge des Innendrucks deren fur die Dicht- funktion erforderlichen Mindestwert (siehe auch DIN V 28090), wie auch die erforderliche Reibungskraft zu sichern. Fur Einzel- heiten hierzu, wie 2.B. auch zu den in der Praxis erreichbaren Streuungen der Schraubenkrafte uber den Umlang, sei auf die Literatur venviesen (siehe z. B. [S ] ) .

Zusammenfassend folgt das Lagesicherheits-Kriterium: Bei der hochwertigen losbaren Rohrleitungsverbindung miissen Verande- rungen der Lage des Dichtelements bei Einhaltung der Qualitats- kriterien fur die Herstellung der Verbindung ausgeschlossen sein.

Abb. 2. Forrnschlussige Lagesicherung des Dichtelements irn Verbindungssystern fur Rohrleitungen und Apparate aus Borosi- licatglas; Werkbild Schott, Mainz.

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2.4 AusschluB der diskreten Emission

Die Vielzahl der Parameter aus Betriebsbedingungen, Bauart- und Werkstoffvarianten sowie herstellungsbedingten EinfluBgro- Ben macht den Uberblick, wie das Schutzziel erreicht werden kann, schwierig. Forschung und Norrnung haben sich des Themas erstaunlich spat und mit unzullnglicher Intensitat angenommen. Etwa 125 Jahre sind seit der Griindung fuhrender Unternehmen der deutschen GroBchemie vergangen, bevor 1989 eine dichtungs- werkstoffneutrale Norm fur Dichtungskennwerte und -Prufverfah- ren als Blaudruck erschien [6]. Die Lucke wurde lange Zeit in hinreichender Weise zum Teil durch weitgehende Anwendung der It-Dichtungswerkstoffe mit DIN-genormten Qualitats- und Pruf- vorschriften, zum Teil durch Fachwissen und Dokumentationen der Dichtungshersteller, ausgeglichen (siehe z. B. [S]).

Dennoch blieben manche Fragen offen. Es gibt ein Wissensde- fizit hinsichtlich der Belastbarkeit von Dichtelementen bei insta- tionarer Belastung. Stationare Belastungen von Werkstoffen sind besser zu beherrschen, weil sie den Werkstoff weniger benspru- chen, leichter zu untersuchen und daher besser erforscht sind. Nur wenige Untersuchungen sind veroffentlicht zii dem, was im Anla- genbetrieb die Regel ist - Aufheizung, Abkuiilung, Druckaufbau und -entlastung - bzw. standig schwingende Werte von Druck und Temperatur. Der Betriebsmann weiB, daB Faserdichtungen in argerlich kurzer Zeit versagen, wenn die Anlage haufig aufgeheizt und abgekuhlt wird. Aber wo kann er erfahren,wieviele Lastwech- sel eine Faserdichtung ertragt , bis ihr komplizierter Werkstoffver- bund so geschwacht ist, daB ein DruckstoB zum EinreiBen am Rand und dann zwangslaufig zum AufreiBen fuhrt? Fur das Dichtelement, aber auch Rohrleitungswand, Flansch usw. sind in diesern Zusammenhang die nicht duktilen Werkstoffe besonders kritisch zu werten. Diese sind im Unterschied zu den duktilen nicht in der Lage, nach Uberschreiten der elastischen Grenzbelastung und plastischer Teilverformung mit Energieverzehr eine neue stabile Konfiguration einzunehmen und damit eine entstandene Offnung einzugrenzen.

Als pragmatische Liisung bietet sich folgendes Sprodbruchsi- cherheits-Kriterium an: Die hochwertige losbare Rohrleitungsver- bindung fur Betriebsbedingungen, die eine besondere Werkstoff- belastung verursachen, z. B. besonders hohe Betriebstemperatu- ren und Betriebsiiberdrucke oder standig schwankende Werte dieser Parameter, vor allem in Verbindung mit Inhaltsmedien von hoher Toxizitat, hohem Dampfdruck oder sonstigen gefahrlichen Eigenschaften, enthalt keine Bauteile aus nicht duktilen Werkstof- fen, es sei denn, daB diese Werkstoffe mit Stutzelementen aus zahen Werkstoffen den Anforderungen entsprechend verstarkt sind.

2.5 Standzeit und Beurteilungskriterien fur die Dichtheit

Dichtheits-Anforderungsstufen: Von der hochwertigen losbaren Verbindung wird Minimierung der permanenten diffusen Emis- sion verlangt (siehe Abschnitt 1.3). Fur die Beurteilung der Emission mussen praxisnahe Kriterien herangezogen werden. Diese ergeben sich zwanglos aus den eingefuhrten Verfahren zur Ortung und Messung von Leckagen in Chemieanlagen. Man kann von der Literatur [9] ausgehen; die hier genannten Nachweisemp- findlichkeiten sind im Labor, d. h. unter Optirnalbedingungen, wohl erreichbar, in der Praxis der Anlagenuberprufung gelten weniger gunstige Werte.

Erganzt man die hier zusammengestelltenVerfahren urn weitere praxisnahe Methoden und ordnet, soweit moglich, nach steigenden Nachweisernpfindlichkeiten, so ergibt sich das Bild nach Tab. 1. Hier wird der Versuch gemacht , das jeweilige Nachweisverfahren fur eine diffuse Emission bzw. die damit verbundene Beurteilungs-

qualitat als ,,Dichtheits-Anforderungsstufe" begrifflich eigenstan- dig festzulegen. Damit bietet sich mindestens grundsatzlich die Moglichkeit, bei der Planung nach MaBgabe der Betriebsbedin- gungen die gebotene Dichtheits-Anforderungsstufe festzulegen, die dann fur die Auswahl der Verbindungsbauart und die Spezifi- kation der Komponenten mitentscheidend wird. Gleichzeitig ist damit das Beurteilungsverfahren fur die Emission der Rohrlei- tungsverbindung beim Betreiben der Anlage fixiert.

Versagensszenarien und -kriterien: Die Beurteilung kann zur Feststellung fuhren, daB die Emission den zulassigen Wert uber- schreitet. Damit stehen die versagensursachlichen Komponenten zur Erneuerung an. Dies ist haufig das verschlissene Dichtelement; aber auch korrodierte Flanschschrauben, Schaden an der Korro- sionsschutzbeschichtung im Dichtungsbereich oder andere bzw. mehrere dieser Ursachen konnen vorliegen.

Standzeiten: Obwohl die Standzeit losbarer Verbindungen hin- sichtlich zulassiger Emissionen grundsatzlich begrenzt ist und der Ersatz defekt gewordener Dichtelemente zum Alltag im Betrieb von Chemieanlagen gehort, liefert die Literatur keine Angaben zu erreichbaren Standzeiten in Korrelation zu Betriebsbedingungen und Dichtheitsanforderungen; z. T. wird der Terminus ,,Wartung" gebraucht , wenn die Erneuerung des Dichtelements gemeint ist, aber ohne erkennbaren Bezug zu konkreten Fristen. Dies hangt sicher mit der unubersehbaren Vielfalt der Betriebsbedingungen zusammen.

Die Dichtung mit der hoheren Standzeit ist unter gleichen Bedingungen auch die hoherwertige. Eine konkrete Standzeitfor- derung kann nach derzeitigem Kenntnisstand in erster Linie wirtschaftlich begrundet werden. Fast jeder Dichtungswechsel verursacht Unruhe im Betriebsgeschehen, haufig Produktionsaus- fall, sowie Sicherheitsvorkehrungen und Belastungen der Auf- sichtspersonen. Langjahriger ungestorter Anlagenbetrieb ist zu fordern. Deshalb wird hier als Kriterium ein Zeitraum von funf Jahren vorgeschlagen, der in sicherheitsorientierten Regelwerken in anderem Zusammenhang als Frist fur Wiederholungspriifungen genannt wird. Selbstverstandlich kann man auch andere begriin- dete Zeitraume zur Debatte stellen. Ebenso sind auch Extremfalle denkbar, in denen keine bekannte Dichtungsspezifikation fur funf Jahre den Anforderungen standhalt. Es ist aber infolge des hohen Standes der Dichtungstechnik zu erwarten, daB haufig diese Standzeit erreicht und sogar iiberschritten wird.

Hieraus resultiert folgendes Standzeit-Dichtheits-Kriterium: Bei der hochwertigen losbaren Rohrleitungsverbindung ist nach MaBgabe der Beurteilungskriterien der festgelegten Dichtheitsan- forderungsstufe fur einen Zeitraum von 5 Jahren bei ununterbro- chenemverbleib in der Anlage eine Uberschreitung der zulassigen Emission nicht zu envarten.

Selbstverstandlich darf nicht umgekehrt der SchluB gezogen werden, daB z. B. ein Dichtelement vorsorglich erneuert werden muB, wenn es diese Mindeststandzeit erreicht hat; hierfiir zwin- gend ist nur das Vorliegen eines Versagens-Kriteriums. Die Ein- schrankung ,,bei ununterbrochenem Verbleib in der Anlage" ist sinnvoll, weil der mogliche Qualitatsverlust eines Dichtelements, das aus irgendeinem betrieblichen Grund aus- und wieder einge- baut wurde, ohne daB es zuvor versagt hatte, in dieser Betrachtung ausgeschlossen bleiben muB.

Langfristige Sicherung der Dichtflachenpressung: Lange Stand- zeiten bedingen langfristige Aufrechterhaltung der Dichtflachen- pressung. Wie unzulanglich die wissenschaftlichen Grundlagen derzeit noch sind, wird von der DIN V 28090, Jan. 1989, belegt. Die Auswertung des fur die Ermittlung der mechanischen Stand- festigkeit bzw. des Kriechverhaltens eines Flachdichtelements maBgebenden Druckstandversuchs wird demnach erst nach grund- legenden, die Vielfalt der Dichtungsarten abdeckenden Untersu- chungen festgeschrieben.

Auswege fur die Praxis eroffnen sich zunachst durch langjahrige Erfahrungen mit Flachdichtungen, deren wesentliche Eigenschaf-

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ten erst jetzt wissenschaftlich erforscht, mit denen aber zahllose Betriebssituationen beherrscht werden. Weiterhin gibt es eine Reihe von Bauformen, bei denen durch Metallfedern oder andere elastische Teile die Setzung des Dichtelements ausgeglichen wird.

In Frage kommen z. B. mit Tellerfedern angefederte Flanschver- schraubungen, Spiralfedeninge mit metallischer Ummantelung [5], Metall-Wellringe mit Auflagen aus Fasenverkstoffen oder Graphit, Abb. 3, und andere. Hilfreich, haufig unentbehrlich fur

Tabelle 1. Anforderungen, emittierte Phase, Prufmittel und -verfahren, Nachweisempfindlichkeit sowie Beurteilungs- und Versagenskri- terium.

Anforderungs- Emittierte Priifmittel Prufverfahren Nachweisempfind- Beurteilungs- bzw Versagenskrite- stufe Phase lichkeit (Anhalts- rium

werte) [mbar I/s]

Ubliche Prufverfahren Tropfleckagedicht Fliissigkeit Wasser unter Uberdruck Augenschein etwa 0,5 Tropfleckage

0 1 unter Uberdruck’) etwa 10-1 Benetzung der aul3eren Oberfla- che

GasdichtiBlasen Gas, Dampf Luft, Inertgas oder Inhaltsstof- WR 86-0054 z- 10-3 Schaumbildung an Leckstellen fe der Rohrleitung2) unter Abschnitt 3.1 (10-4)4) Uberdruck3); Schaumbildner- Fliissigkeit

GasdichUFrigen Gas, Dampf Frigen oder Gemische aus Luft WR 86-0054 2 10-6 Leckageanzeige am Prufgerat bzw. N2 mit Frigen bei Uber- Abschnitt 3.2 (10-94) druck3) ; Halogenlecksuchgerat im Schniiffelbetrieb

Gasdicht/Helium Gas, Dampf Helium oder Gemische aus WR 86-0054 2 10-4 Leckageanzeige am Prufgerat Luft bzw. N2 mit Helium bei Abschnitt 3.3 (10-6)4) Uberdruck3); He-Massenspek- trometer im Schniiffelbetrieb

GasdichtlAnalyse Gas, Dampf Inhaltsstoff der Rohrleitung im Einzelfall festzu- Schadstoffgehalt in der Atemluft unter Uberdruck; Analysenge- legen5) in arbeitshygienisch relevanten rat vorzugsweise zur Atemluft- iibenvachung; ggf. Probensam- melsystem

Konzentrationen (Vergleich mit MAK- oder TRK-Werted)

GasdichtlGeruch Gas, Dampf Inhaltsstoff der Rohrleitung Geruchswahrneh- unter Uberdruck; mung

Auffallige Geruchswahrnehmung6)

Dampfdicht Gas, Dampf Inhaltsstoff der Rohrleitung Augenschein, War- unter Uberdruck3); Gesichts- mewahrnehmung sinn, Warmesinn

Aerosolbildung durch Kondensa- tion oder Umsetzung mit Luft- feuchtigkeit; Hitzeeinwirkung’)

GasdichtNakuum Gas, Dampf Umgebungsluft; Evakuierungs- Zeitlicher Druckan- abhangig vom Volu- Druckanstieg adage; Vakuum-Feinmanome- stieg im evakuierten men des Priifobjek- ter, Zeituhr; Anlageteil tes, dem Absolut-

druck im Prufobjekt und der Priifzeit*)

Sonstige Priifverfahren Gasdicht/Ultraschall Gas, Dampf Priifgas, z. B. Luft, N2 unter Ultraschallsignal von

Uberdruck; Ultraschall-Leck- Richtmikrofon erfaBt suchgerat

Leckanzeige am Prufgerat

Gasdicht/Gasreak- Gas Inhaltsstoff der Rohrleitung Chemische Reaktion Fur NHflarbindika- Beispiele: tionv) unter Uberdruck; Nachweisre- zwischen Inhaltsstoff toren: bis NHmCI: Bildung von Ammoni-

agenz der Rohrleitung und umchlorid-Aerosol Beispiele: NHmC1 Nachweisreagenz NHflarbindikatoren: Verfarbung

NHflarbindikato- im Leckbereich ren (Papier, An- strich)

Gasdicht/Warmelei- Gas, Dampf Gase (auBer Luft), Dampfe Vergleich Warmeleit- bis Leckageanzeige am Priifgerat tung’) (z. B. Inhaltsstoff der Rohrlei- fahigkeit Priifmedi-

tung) unter Uberdruck3); War- uflergleichsmedi- meleitfahigkeits-MeBgerate um

Gasdicht/Radioakti- Gas, Dampf Radioaktive Stoffe in fliissigen Messung der radio- abhangig von Priifa- Leckageanzeige am Priifgerat vitat’) oder gasformigen Tragerme- aktiven Impulse pro nordnung

dien unter Uberdruck3); Zahl- Zeiteinheit rohr

1) Alternativ andere Fliissigkeit, soweit nach AD-Merkblatt HP 30 fur Priifzwecke zugelassen. 2) Siehe auch DVGW G 649. 3) Diese Verfahren sind unter bestimmten Voraussetzungen auch unter Vakuum anwendbar. 4) Diese Nachweisempfindlichkeit ist nur unter Laborbedingungen und zum Auffinden eines an sich bekannten Lecks zu erreichen. 5) Gegebenenfalls nach Merkblattern der BG, Genehmigungsbescheid nach BImSchG u. a. 6) Praxisiihliche Methode zur Feststellung des Dichtungsversagens. Bei Gefahrstoffen Geruchs-Wahmehmungsschwellen im Vergleich zu MAK- oder TRK-Werten beachten. 7) Praxisubliche Methode zur Feststellung des Dichtungsversagens. Als Priifverfahren nur zugelassen bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen. 8) Beispiel fur eine realisierbare Nachweisempfindlichkeit an Rohrleitungen mit Flanschverbindungen: V = 100 I, pabs = 20 mbar (damit eventuell vorhandene Wasserreste nicht storen), t = 16 h, ermittelter Druckanstiegp = 2 mbar. Hierbei ergibt sich eine Nachweisempfindlichkeit von 3,4 . mbar Us. 9) Fur diese Methoden liegen bei der Abteilung Werkstofftechnikhlaterialprufung des Werks Hoechst keine Anwendungserfahrungen vor.

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Dichtheit bei Iangerer Standzeit, ist es, die Flanschschrauben nach der ersten Belastung der Verbindung im Betrieb nachzuziehen.

Einen eleganten Ausweg aus der Problematik der Dichtwerk- stoffe rnit FlieBcharakter bieten wiederum die dreiseitig gekam- merten Elastomer-Dichtringe fur den hier erreichbaren Tempera- turbereich [S]. Bei geschlossener Verbindung liegt hier Flansch- auf Gegenflansch-Dichtflache auf. Die Schraubenkraft wird nur zum sicheren Erreichen dieser Endlage bemessen. Alle Unsicherheiten hinsichtlich der Schraubenkraftbemessung, um den Toleranzbe- reich zwischen der unteren (erforderlichen) und der oberen (maximal zulassigen) Dichtflachenpressung bei der Flachdichtung einzuhalten, 'fallen weg. Nebenbei sei angemerkt, daB diese Bauform auch die Anforderungen an ProzeBhygiene (siehe Abschnitt 2.6) wegen ihrer einfachen Geometrie recht gut erfullt.

Im Zusammenhang mit der langfristigen Sicherung der Dicht- wirkung ist auch dasVerformungsverhalten der Flanschblatter von groBer Bedeutung. Handelsubliche, in der Chemie-Industrie ein- gefuhrte Flanschbauarten haben aus Edelstahlblechen tiefgezoge- ne Flanschblatter, sowohl als LosflanSch. rnit Borael wie auch fest verschweiat, die durch Korrosionsbestandigkeit und Werkstoffer- sparnis wirtschaftliche Vorteile versprechen. Solche Flansche haben bei ublichen Schraubenkraften schon beachtliche elastische Verformungen. Werden wegen Leckage die Schrauben nachgezo- gen, so kann, wenn eine Faserstoffdichtung ihre maximale Setzung erreicht hat, bei weiterer Erhohung der Schraubenkraft die Verbindung in der Form versagen, daB die AuBenkanten beider Flanschblatter sich beruhren. Die Dichtflachenpressung ist dann nicht mehr definiert. Wertvolle Hinweise zur Beurteilung von Flanschverbindungen hinsichtlich Formanderungen der Dichtfla- chen, Bewertung von Bauformen nach DIN, Rauhigkeit der Flanschdichtflachen und zu neuen Erkenntnissen bezuglich asbest- freier Dichtwerkstoffe enthalt [lo].

Leckratenermittlung rnit Priifgasen und Prozeostoffen: Alle diese Hinweise beantworten jedoch nicht unmittelbar die zentrale Frage: Welche Bauform und Spezifikation gibt nun die Gewahr fur die Einhaltung des Dichtheitskriteriums gemaB Anforderungsstu- fe? Angaben uber echte Leckmassenstrome, bezogen auf eine definierte Chemikalie, sind in der Literatur sehr selten; der Aufwand fur eine solche Laboruntersuchung bei simulierten - auch instationaren - Betriebsbedingungen ist nur in wenigen Fallen moglich. Immerhin wird die Methodik hierfur, in Anlehnung an DIN 28091 Entwurf, in der Fachoffentlichkeit diskutiert [ 111. Dennoch werden Leckraten-Untersuchungen, entsprechend auch DIN V 28090, auch zukunftig vorzugsweise rnit Stickstoff oder Helium als Prufgas vorgenommen, was eine Ubertragung auf echte Leckmassenstrome, z. B. organischer Losungsmittel, nur bedingt zulaBt. Die Leckratenbestimmung rnit standardisierten Prufgasen erlaubt eine Rangstufung der untersuchten Systeme nach MaBga- be der Dichtheit unter genormten Bedingungen.

Leckraten und Toxizitatsklassen: Ein geschlossener Algorithmus fur die Ermittlung von Dichtelement und Flansch wird in [12] vorgeschlagen. Besonders interessant ist hierbei die Korrelation bestimmter Prufgas-Leckraten mit Toxizitatsklassen der Rohrlei- tungs-Inhaltsstoffe. Diese Strategie verdient Eingang in die deut- sche Praxis. Die vorgeschlagene Methode sollte breit diskutiert werden.

'TFE Auflage / / Wellring 1.4301

Abb. 3. Kombinations-Dichtring (Edelstahl-Wellring, Weich- stoff-Auflage, PTFE-Hulle) zum Ausgleich von Welligkeiten an Stahl-emaillierten Rohrleitungs- und Apparateflanschen.

Derzeitige Methodik der Anlagenplanung: Derzeit wird bei der Anlagenplanung im Hinblick auf die diffusen Emissionen nach der Rechtslage unter sehr weitgehender Beriicksichtigung der Erfah- rungswerte vorgegangen. Rechtlich maBgebend ist die Druckbe- halter-Verordnung, die keine Aussage zur Begrenzung der diffusen Emissionen macht. Fur sehr viele Aufgabenstellungen gibt es Prazedenz- und Analogiefalle bzw. Empfehlungen in Tabellen auf der Grundlage von Betriebserfahrungen. Komplette Rohrleitungs- spezifikationen in Form sog. Rohrleitungsklassen, d. h. als Kom- bination von Bauteilen rnit nachgewiesenen zulassigen Betriebs- Uberdrucken bei zugeordneten Betriebstemperaturen (Rating- Werte), schlieaen auch inhaltsstoffabhangige Spezifikationen der Dichtelemente ein [13], unter voller Berucksichtigung der Druck- behalterverordnung, jedoch ohne Aussage zu Emission oder Standzeit. Wenn diese Unterlagen nicht ausreichen, bleibt die Fachberatung durch einen kompetenten Dichtungshersteller oder eine zeit- und kostenintensive Einzeluntersuchung durch Werk- stoffspezialisten rnit entsprechender Laborausstattung.

Leckraten als Auswahlkriterium: Eine begiindete Auswahl und Spezifikation nach MaBgabe der Dichtheitsanforderungen konnte gestutzt werden auf Leckraten-Ermittlungen nach der Prufvor- schrift von DIN V 28090. Diese ware anzuwenden auf moglichst viele reprasentative Bauformen losbarer Verbindungen und zukunftstrachtige Dichtungswerkstoffe, wie sie z. B. derzeit als It-Ersatzstoffe ihren Weg in den Markt finden, sowie auch fur herkommliche Werkstoffe und Kombinationen (siehe z. B. auch [8, 141, bei sinnvoller Variationsbreite der Prufparameter sowie bei entsprechender Anpassung des Prufverfahrens auf andere Dichtelementformen als in DIN V 28090 vorausgesetzt.

Geht man fur einen konkreten Planungsfall von einer nach Erfahrung oder Analogie unter Berucksichtigung der Druckbehal- terverordnung sowie der anderen Hochwertigkeits-Kriterien gewahlten Bauform und Spezifikation aus und hat man fur den betrachteten Druck- und Temperaturbereich eine Leckrate nach DIN V 28090 oder analoger Prufvorschrift, so konnen die Leckra- ten anderer, den gleichen Randbedingungen genugenden Baufor- men und Spezifikationen damit verglichen werden. Bei schwacher Streuung der Werte kann man unmittelbar nach Wirtschaftlichkeit entscheiden. Bei starker Streuung ist es naheliegend, die Option mit der geringsten Leckrate zu wahlen, - Emissionen bedeuten immer auch wirtschaftlicheverluste -, und allenfalls ein Abschnei- dekriterium in den maximal zugestandenen Beschaffungs- sowie Montagekosten zu suchen. Die Beobachtung der tatsachlich eintretenden Emissionen wird nach angemessener Zeit, spatestens nach 5 Jahren, ein Urteil uber dieses Auswahlverfahren erlauben. Durch leistungsfahige Dokumentation sind dann die Kenntnisse so zu verdichten, daB in immer mehr Fallen eine sichere Prognose zum Emissionsverhalten einer losbaren Rohrleitungsverbindung moglich wird.

Der Einwand, daB das Kriterium der langfristig gesicherten Dichtheit den anderen vorstehend genannten Kriterien begrifflich nicht gleichsteht, sondern deren Einhaltung - ubergeordnet - voraussetzt und weitere Forderungen enthalt , ist berechtigt . Die oben gewahlte Darstellung scheint jedoch gerechtfertigt, um die methodische Abarbeitung der einzelnen Kriterien zu erleich- tern.

2.6 ProzeBhygiene

Mit dem Ausdruck ProzeBhygiene sind die Anforderungen gemeint, die gestellt werden, wenn Prozesse gegen Fremd- bzw. Schmutzstoffe besonders empfindlich sind. Herkommlich ist dies z. B. die Erzeugung von Arzneimitteln, chirurgischem Nahtmate- rial, Lebensmitteln usw. unter den Bedingungen der Keimfreiheit oder -abreicherung, neuerdings auch die Herstellung von Chemi- kalien fur die Mikroelektronik (Fotoresists fur Chips), Fotochemi-

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kalien usw. Hier kommt es auf die Minimierung schmutzsammeln- der und -bindender Oberflachen an, auf die Vermeidung zerkluf- teter Formen. Spalten und Vertiefungen sowie Einebnung von Mikrorauhigkeiten. Die Haftung von Schmutzteilchen und das Keimwachstum auf Rauhigkeiten im pm-Bereich konnen stark unterdruckt, die Reinigung und Keimabreicherung kann erleich- tert werden durch Oberflachenveredlung mittels Schliff, mechani- sche oder besser elektrochemische Politur, Verchromen usw.

Daraus resultiert das folgende ProzeRhygiene-Kriterium: Die hochwertige losbare Rohrleitungsverbindung fur Prozesse mit besonderen Hygieneanforderungen mu5 eine verschmutzungs- unempfindliche Gesamtgestalt, insbesondere der Inhaltsmedien- beriihrten Flachen, sowie in der Regel veredelte Oberflachen mit minimierter Mikrorauhigkeit besitzen.

2.7 Gefahrstoffe in Bauelementen

Nur der Vollstandigkeit halber sei hier erwahnt, da5 eine losbare Rohrleitungsverbindung kaum als hochwertig gelten kann, wenn sie Bauteile aus Werkstoffen enthalt, die wegen gesundheitsgefahr- dender Eigenschaften mit Verbot oder starken Einschrankungen der Verwendung belegt sind. Hinsichtlich asbestfaserhaltiger Dichtelemente wird nach Ablauf der Ubergangsfristen gemaR Gefahrstoffverordnung in der Bundesrepublik Deutschland diese Feststellung nur noch historischen Charakter haben.

Der Verfasser dankt Herrn Dr. Wolfgang Gregor, Riedel de Haen AG, Seelze, Abt. Werksicherung, fur zahlreiche wertvolle Hinwei- se und Ratschlage.

Eingegangen am 12. Oktober 1993 [B 58011

Literatur

[ 11 Feldhaus, C.; Hansel, H. D. : Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) mit Durchfuhrungsvorschriften und DDR- Umweltrahmengesetz. Textausgabe mit Einfuhrung und Erlauterung der wichtigsten Begnffe, 7. Aufl., Deutscher Fachschriften-Verlag Braun & Co. KG, Wiesbaden 1990.

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[3] Schlehofer, B.; Jung, M.: Bauteilprufung von Klemmflansch- verbindern zur Verbindung ublicher Stahlrohrleitungen mit organischen Dichtelementen, in: Anwendungs- und Untersu- chungsprobleme bei Dichtelementen, VDI-Ber. 931, VDI- Verlag, Dusseldorf 1991.

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[6] Vornorm DIN V 28090, Jan. 1989 - Dichtungen; Dichtungs- kennwerte und -Prufverfahren, Beuth-Verlag GmbH, Ber- lin.

[7] Reuter, R.: Wasser, Luft Betr. 17 (1973) S. 169. [8] Tuckmantel, H. -J. : Die Optimierung statischer Dichtungen,

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[lo] Tuckmantel, H.-J.: Dichte und sichere Flanschverbindungen und Stopfbuchsen mit asbestfreien Dichtungen, in: VDI- GVC-Jahrbuch 1993, S. 174/196,VDI-Verlag GmbH, Dussel- dorf 1993.

[ll] Hirschvogel, A.: Dichtungsprufungen mit Warmlagerung im DIN-Flansch, in: Anwendungs- und Untersuchungsprobleme bei Dichtelementen, VDI-Ber. 931, VDI-Verlag, Dusseldorf 1991.

[12] Winter, J. R.: Gasket Selection. A Flowchart Approach, Tennessee Eastman Company, Kingsport/TN 1989.

[13] Simon, E.: Das Konzept der Asbestsubstitution bei Rohrlei- tungsflanschverbindungen, in: Anwendungs- und Untersu- chungsprobleme bei Dichtelementen, VDI-Ber. 931, VDI- Verlag, Dusseldorf 1991.

[14] Tietze, W ; Stephan, H.-J.; Rommler, M . : Ermittlung von Kennwerten zur Auslegung von Flachdichtungen, in: Anwen- dungs- und Untersuchungsprobleme bei Dichtelementen, VDI-Ber. 931, VDI-Verlag, Dusseldorf 1991.

937 Chem.-1ng.-Tech. 66 (1994) Nr. 7, S. 929-937

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