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Page 1: Das Rätsel des Menschensohnes

This article was downloaded by: [University of Cambridge]On: 11 November 2014, At: 05:51Publisher: RoutledgeInforma Ltd Registered in England and Wales Registered Number: 1072954 Registered office: Mortimer House,37-41 Mortimer Street, London W1T 3JH, UK

Studia Theologica - Nordic Journal of TheologyPublication details, including instructions for authors and subscription information:http://www.tandfonline.com/loi/sthe20

Das Rätsel des MenschensohnesGösta LindeskogPublished online: 30 Jun 2010.

To cite this article: Gösta Lindeskog (1968) Das Rätsel des Menschensohnes, Studia Theologica - Nordic Journal of Theology,22:1, 149-176, DOI: 10.1080/00393386808599899

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Page 2: Das Rätsel des Menschensohnes

Studia Theologica 22 (1968) pp 149-176

Das Rätsel des Menschensohnes

VON GÖSTA LINDESKOG

»Es (sc. das Wort Menschensohn) ist ein Rätselgeblieben bis auf den heutigen Tag.«Hans Lietzmann: Geschichte der Alten KircheI P1937) S. 46.

In der Diskussion über die Menschensohn-Christologie haben selbstver-ständlich zwei Sprüche eine Schlüsselstellung behauptet, nämlich Mk 8,38//Lk 9,26 (// Mt 16,24-28) und Mt 10,32-33//Lk 12,8-9. Wir nennen dieseSprüche die Ich-MS-Aussagen.

Die erste dieser Ich-MS-Aussagen lautet bei Mk:

δς yap êàv επαίσχυντη με και τους εμους λόγοος èv τη γενεφ ταύτη τη μοιχαλίδικαι άμαρτωλφ, και ό υιός του ανθρώπου έπαισχυνθήσεται αυτόν, δταν ελ9ηεν τη δόξη του πατρός αυτοΰ μετά των αγγέλων των αγίων.1

Wer sich meiner und meiner Worte schämt in diesem ehebrecherischenund sündigen Geschlecht, dessen wird sich der Menschensohn auchschämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligenEngeln.

So beinahe wörtlich auch bei Lk.Der Kontext bei Mk umfaßt 8,34-9,1. Dort wird erzählt, Jesus habe das

Volk samt seinen Jüngern zu sich gerufen und zu ihnen gesprochen. Dannfolgen fünf Logien:

1. Jesus spricht von dem Sich-Selbstverleugnen und dem Kreuz-auf-sich-Nehmen als Bedingung der Nachfolge.

2. Es folgt das Wort »Wer sein Leben behalten will, der wirds verlie-ren . . . (»inparallel« Mt 10,39, allerdings mit einem anderen Kontext).

3. Dann: Was hülfe es dem Menschen so er die ganze Welt gewönne4. Die Ich-MS-Aussage.

1 Text nach Nestle. Die Frage nach den Varianten ist in diesem Zusammenhangunwichtig.

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5. Abschließend (9:1) wird dann gesagt, etliche von den Zuhörern würdenden Tod nicht schmecken, bis sie das Reich Gottes mit Kraft kommen sähen.

Diese Perikope von der Leidensnachfolge der Jünger hat ihre genaue Paral-lele in Mt 16,24-28 und Lk 9,23-27. Sämtliche fünf Logien finden sich auchbei Lk wieder. Dagegen fehlt eigentümlicherweise bei Mt die Ich-MS-Aus-sage. Statt dessen hat Mt ein selbständiges Logion (V. 27) über das Kom-men des Menschensohnes.

Die zweite Ich-MS-Aussage steht bei Mt 10,32-33 mit der Parallele Lk12,8-9. Der lukanische Text lautet:

πας δς äv όμολογήση εν έμοι έμπροσθεν των ανθρώπων, και ό υίός τοΰανθρώπου ομολογήσει εν αυτφ έμπροσθεν των αγγέλων του θεοΰ' ό δεαρνησάμενός με ενώπιον των ανθρώπων απαρνη9ήσεται ενώπιον των αγγέλωντοΰ θεοΰ.

Jeder, der sich zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem wird sich auchder Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes, jeder aber, der michverleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den EngelnGottes. (Es gibt auch eine kürzere Lesart, u.a. durch Ρ 45 vertreten, dienur aus dem ersten Glied besteht.)2

Der Text bei Mt lautet:

πας οδν δστις ομολογήσει εν έμοί έμπροσθεν των ανθρώπων ομολογήσωκαγώ èv αύτφ έμπροσθεν τοΰ πατρός μου εν τοις ουρανοΐς· δστις δ'ανάρνήσεταί με έμπροσθεν των ανθρώπων, άρνήσομαι καγώ αυτόν έμπροσθεντοΰ πατρός μοο εν τοις ουρανοΐς.

(Vgl. Iohannis Evangelium apocryphon (ed. Giovanni Galbiati, 1957), XXX2: Omnis qui in me crediderit coram hominibus, confitebor et ego eum inconspectu Patris mei et Angelorum meorum, qui autem me abnegaveritcoram hominibus, abnegabo et ego eum in conspectu Patris mei et Ange-lorum meorum.)

Die bemerkenswerteste Abweichung der matthäischen Version besteht je-doch darin, daß der Terminus »Menschensohn« durch das »Ich« als Selbst-

2 Vgl. Off 3,5 b und 2 Clem III, 2: τ ν όμολογήσαντά με νώπιον τ ν άνθρώπωνμολογήσω α τόν νώπιον το πατρός μοο. (Vgl. hiermit 2 Tim 2,12.)Dieser Text stimmt sonst mit Mt 10,32 überein. Zum traditionsgeschichtlichen Pro-

blem sh. John Pairman Brown: The Form of »Q« known to Matthew, in: NTS 8(1961) S. 27-42.

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bezeichnung des hier sprechenden Jesus ersetzt wird. Matthäus gibt also dieIch-MS-Aussage als eine reine Ich-Aussage wieder.

Formal gesehen handelt es sich um einen antithetischen Parallelismus.3

Zum Vergleich wählen wir folgende Beispiele aus:

1. Mt7,17:Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baumbringt arge Früchte. (Antithese durch Gegensätze).

2. Mt 6,14-15:Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himm-

lischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen ihre Fehler

nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.

(Kontrast des Positiven und Negativen in identischen Termini.)3. Mt 15,11:

Was zum Munde eingeht, das verunreinigt den Menschen nicht; son-

dern was zum Munde ausgeht, das verunreinigt den Menschen.(Kombination von 1. und 2.: Antithese durch Kontrast von Gegensätzenebenso wie durch Kontrast von Positivem und Negativem.)

Aus diesem Vergleichsmaterial geht deutlich hervor, daß sich auf Grundformaler Beobachtungen nichts Bestimmtes hinsichtlich des Verhältnisseszwischen dem Ich und dem Menschensohn in den Ich-MS-Aussagen (wiees in dem synonymen Parallelismus, z.B. Ps 8,5: Mensch == Menschenkind,der Fall ist), aussagen läßt.

Der Kontext bei Mt umfaßt 9,35-10,33.1. Mt 9,35-10,16 erzählt von der Aussendung der Jünger. Die nächste

Parallele (von Mt 10,10 ab) findet sich bei Mk 6,6-13 und Lk 9,1-6. Außer-dem gibt es im Mt-Text Logien, die bei Mk und Lk an ganz verschiedenenStellen aufbewahrt wurden. Den ganz überwiegenden Teil der Aussendungs-rede hat Lk jedoch in der Erzählung der Aussendung der Siebzig gesammelt(Lk 10,1-16). Diese verwickelte Benützung der Überlieferungselemente stelltuns bei der Verwertung des Kontextes vor recht schwierige Probleme.

2. Der Aussendungsrede bei Mt folgt eine Sammlung von Sprüchen überdas Schicksal der Jünger (Mt 10,17-25). Diese Sammlung wurde bei Mkund Lk in die synoptische Apokalypse eingefügt (Mk 13,9-13, Lk 21,12-19).

3. Anschließend spricht Jesus, Mt 10,26-33, vom furchtlosen Bekenntnis.In der Tat handelt es sich hier um eine bunte Sammlung von Logien.näm-lich:

I. Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werdeII. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht

3 Sh. C. F. Burney: The Poetry of Our Lord (1925) S. 76.

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III. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tötenIV. Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig . . . .V. Die Ich-MS-Aussage.

Genau die gleiche Sammlung von fünf Logien finden wir auch in Lk 12,2-9.Hier spricht Jesus in Anwesenheit großer Menschenmassen zu den Jüngern.Das betreffende Logion steht auch hier an fünfter Stelle.

Bemerkenswert ist, daß der anschließende Vers hier den Spruch über dieLästerung des heiligen Geistes enthält, der bei den übrigen Synoptikern inder Beelzebubrede steht (Mt 12,33, Mk 3,28-29). Hier also wird auch vomMenschensohn gesprochen.

Wie weit darüber hinaus der Kontext weiterläuft, läßt sich schwer sagen.Das Wort von Vers 11 steht jedoch auch in Mt 10,19-20. Jetzt wird dieJüngerrede durch einen Fragesteller aus dem Volk unterbrochen, woraufJesus mit dem Gleichnis vom törichten Reichen antwortet. Wieder sprichtJesus zu den Jüngern vom Sorgen und Schätzesammeln, 22-34 (Mt 6,25-33).Jetzt folgt eine Belehrung über Wachsamkeit und Treue, die bei Mt in dersynoptischen Apokalypse steht. Hier schiebt Petrus die Frage ein: »Herr,sagst du dies Gleichnis zu uns oder auch zu allen anderen?«, worauf Jesussein Thema wieder aufgreift. Von V. 54 an wird dann ausdrücklich hervor-gehoben, daß Jesus sich an das Volk wendet.

Wenn nun die Aussendungsrede des Mt einen ziemlich geschlossenen Zu-sammenhang darstellt, so steht unser Logion bei Lk in einem lockererenKontext, wobei auch das Volk als Zuhörer und Teilnehmer auftritt. Wichtigist jedoch, daß Lk hier Aussagen eschatologischen Ursprungs gesammelt hat.4

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen: Die zweite Ich-MS-Aussage vomόμολογεϊν-αρνεϊσ&αι steht bei Mt in der Aussendungsrede Jesu an seineJünger. Lk dagegen zeigt das Logion in keiner seiner beiden Aussendungs-reden (9,1-6; 10,1-12), sondern fügt es in einen anderen, lockereren Zusam-menhang ein, wobei seine Zuhörer aus der Volksmasse und den Jüngernbestehen. Die erste Ich-MS-Aussage vom αίσχύνεσβαι steht in einem cha-rakteristischen synoptischen Zusammenhang, nämlich in der Perikope derLeidensnachfolge der Jünger (Mk 8,34-9,1, Mt 16,24-28, Lk 9,23-27). DieZuhörer bei Mt sind hier die Jünger, bei Mk »das Volk samt seinen Jün-gern«, bei Lk »alle«. Zu bemerken bleibt ferner, daß die Perikope bei sämt-lichen Synoptikern auf die erste Leidensankündigung folgt. Sie gehört also

4 Zur Frage der Zuhörerschaft Jesu vgl. Joachim Jeremías: Die Gleichnisse Jesu(61962) S. 47; H. W. Montefiore: A Comparison of the Parables of the Gospel accord-ing to Thomas and of the Synoptic Gospels, in: NTS 7 (1961) S. 220-248; A. W. Mos-ley: Jesus' Audiencies in the Gospels of St Mark and St Luke, in: NTS 10 (1963)S. 139-149.

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zur Leidenstheologie der synoptischen Tradition und trägt eine deutlich escha-tologische Prägung. Es ist jedoch auffällig, daß Mt das Logion hier nicht hat.

Wenn wir den Textbestand überschauen, läßt sich also folgendes fest-stellen: Mt hat nur das Wort vom όμολογείν-άρνεΐσθαι, Mk nur das vomεπαισχύνεσ9αι, Lk dagegen sowohl das Wort vom όμολογεΐν-αρνεΐσ9αΐ, wieauch das vom επαισχύνεσ9αι.

Der Mk und Lk gemeinsame Spruch zeigt also den charakteristischenWechsel von Jesus und dem Menschensohn, als handle es sich um zwei ver-schiedene Personen. Dasselbe gilt auch vom Logion Lk 12,8-9 in seinerersten Hälfte. In der zweiten Hälfte dagegen wird die passive Formώιαρνη&ήσεται angewandt. Als Agent pflegt man in solchen Fällen Gottanzunehmen - eine semitische Ausdrucksweise. Hier aber kann doch wohlnur der Menschensohn als Agent gemeint sein.5 Die klare Unterscheidungzwischen Jesus und dem Menschensohn findet sich also sowohl in Mk wieauch in Q. Daß dieser Wechsel ursprünglich ist, dürfte einleuchten.

Untersuchen wir das Vorkommen des Begriffs »Menschensohn« in dersynoptischen Tradition genauer, so läßt sich nicht beweisen, daß sich einοίος τοΰ ανθρώπου bei Mk oder Lk an parallelen Stellen bei Mt durch eineIch-Aussage ersetzen ließe.6 Im Gegenteil haben Mk 8,27 und Lk 9,18 ein

5 Vgl. Philipp Vielhauer: Jesus und der Menschensohn, in: ZThK 60 (1963) S. 142:»Die Lk-Version des Q-Spruches bringt im Wort vom Verleugnen statt des Menschen-sohnes eine passivische Wendung; diese Formulierung ist aber wohl sekundär, da einmaldie Parallele Mk 8,38 den Menschensohn nennt, und da außerdem sich die Streichungdes Menschensohnes in Lk 12,9 plausibel damit erklären läßt; daß Lukas eine Kolli-sion mit dem folgenden Logion von der vergebbaren Lästerung des Menschensohnesvermeiden wollte.«

6 Das Verhältnis der Ich-Worte und der MS-Worte in parallelen Zusammenhängengeht aus folgender Tabelle hervor:

Mt

5,11

10,32

16,13

16,21

20,28

19,28

Ich

Ich

MS

Ich

MS

MS

Mk

8,27

8,31

10,45

Ich

MS

MS

Lk

6,23

12,8

9,18

9,22

22,27

22,30

MS

MS

Ich

MS

Ich

Ich

Mt: 3 Ich-Worte, Mk 1 Ich-Wort, Lk 3 Ich-Worte.

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με, wo Mt 16,13 ein τον ο/όν τοδ àvSpamoo einsetzt.7 Die einzige Ausnahmebildet das δμολογεΙν-αρνεΐσ9αι- Logion. Zu beachten bleibt jedoch hier fol-gendes: Mt zeigt eine gewisse Neigung, Jesu Aussagen auf sich selbst be-ziehen zu lassen, z.B. Mt 18,6: των πιστεοόντων ε/ς εμέ, wo Mk 9,42 nurτων πιστευόντων schreibt. Dagegen kennt auch Mt den charakteristischenWechsel zwischen Ich und Menschensohn, nämlich Mt 19.28.8 Die Iden-tifizierung Jesu mit dem Menschensohn ist hier also kaum zu bezweifeln,denn wenn die Jünger in der Wiedergeburt als Beisitzer die zwölf Ge-schlechter Israels richten sollen, muß Jesus ja selbst der Richter sein.

Um nichts ungeprüft zu lassen, könnten wir hier den charakteristischenWechsel von »Ich« und »Menschensohn« mit einigen Stellen vergleichen,die eine recht eigentümliche Denkweise der Vertretung ausdrückenwollen.

Mt 10,40: ό δεχόμενος ομάς εμε δέχεται, και δ εμε δεχόμενος δέχεται τονάποστείλαντά με.

Vgl. Mt 18,5//Mk 9,37//Lk 9,48; Jon 13,20.

Lk 10,16: ό ακούων ύμώνέμοΰ ακούει και δ άθετώνομδς έμε αθετεί* ο δε εμεά9ετών ά9ετεΐ τον άποστείλαντά με.

Vgl. Mk 6,30 = Lk 9,10.

Mt 25,40: Ιφ' δσον έποιήσατε εν/ τούτων των αδελφών μου των ελαχίστωνεμοί ¿ποιήσατε.

Der Form nach vertreten alle diese Sätze den sogenannten Stufen-Parallelis-mus.9 Zweifelsohne stehen die genannten Ich-MS-Aussagen dieser Art vonParallelismus sehr nahe, ja, man könnte versucht sein, den Schluß zu ziehen,die Ich-MS-Aussagen redeten tatsächlich von zwei Personen. Aus rein for-malen Gründen läßt sich unsere Frage jedoch nicht beantworten.

7 Richtig bemerkt Marie Veit: Die Auffassung von der Person Jesu im Urchristen-tum nach den neuesten Forschungen (1946) S. 41 . »Wie die Frage dasteht (sc. Mt16,13), ist sie sinnlos; der Menschensohn ist eben der Menschensohn Die Matthäus-Fassung zeigt deutlich, wie selbstverständlich die Identität von Jesus und dem Men-schensohn der Gemeinde war.« Bemerke die Lesart με...τ. οί ν τ. à.

8 Diese Stelle wird oft als eine Ausformung der Gemeinde betrachtet. Sh. HeinzEduard Tödt: Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung (1959) S. 62-64.Zu erwähnen ist ferner Mk 14,62.

9 »Step-Parallelism«. C. F . Burney: The Poetry of Our Lord (1925) S. 90.

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Die Ich-MS-Aussagen stellen vielmehr einen Spezialfall der Menschen-sohnsprüche dar. Diese verteilen sich auf drei verschiedene Gruppen:10

Erste Gruppe: Die Worte vom kommenden Menschensohn (die Parusie-sprüche),

Zweite Gruppe: Die Worte vom leidenden und sterbenden Menschensohn,Dritte Gruppe: Die Worte vom gegenwärtig wirkenden Menschensohn.Rechnen wir die Parallelstellen jeweils für sich mit, so erhalten wir folgendeStatistik: Mt 31, Mk 14, Lk 26 = 71 MS-Sprüche. (Außerdem noch, alsvaria lectio, Mt 18,11; Lk 9,27.56.)

Auf die erste Gruppe entfallen dann 28, auf die zweite 25 und auf diedritte 18 Sprüche. - Mt hat von Gruppe eins 14, von Gruppe zwei 10, vonGruppe drei 7; Mk entsprechend 3,9,2; Lk 11,6 und 9. - Umgerechnet inProzent ergibt sich hieraus: für Gruppe eins 39, für Gruppe zwei 35 undfür Gruppe drei 25 Prozent. Am bemerkenswertesten erscheint hierbei dasprozentuale Verhältnis der zweiten Gruppe zu den beiden anderen, undzwar innerhalb je eines der Synoptiker. Von den Markusstellen gehören 64Prozent zu dieser Gruppe, von den Matthäusstellen 32 Prozent, und vonden Lukasstellen nur 23 Prozent. Dieselbe Berechnung für Gruppe eins er-gibt: für Mt 45 Prozent, für Mk 21 Prozent und für Lk 42 Prozent; fürGruppe drei: für Mt 23 Prozent, für Mk 14 Prozent und für Lk 35 Prozent.Natürlich hat eine Statistik dieser Art nur einen beschränkten Wert, ist aberdoch nicht ganz uninteressant. Markus gilt als das Evangelium der Passion,was auch durch diese Statistik beleuchtet wird. In der dritten Gruppe stehtLukas an der Spitze, was ebenfalls zu erwarten ist.11

Wir haben also die Ich-MS-Aussagen einen Spezialfall genannt. Sie ge-hören nun zur ersten Gruppe. Aber es gibt auch Aussagen innerhalb der

10 Wie Reginald R. Fuller bemerkt (The Foundations of New Testament Christology[1965] S. 137) wurde diese Einteilung zum ersten Mal von F . Jackson and K. Lake:The Beginnings of Christianity I, S. 368-384 unternommen.

11 Vgl. die tabellarischen Übersichten bei Reginald R. Fuller: The Mission andAchievement of Jesus (1954) S. 96-97 mit Konzentration auf Mk und Q. Wir könnendas Resultat folgendermaßen zusammenfassen:

Mk

Gruppe zwei:»The suffering sayings«

Q

Gruppe eins und drei:»The parousia andpresent sayings«

Jedoch bemerkt Fuller mit Recht: »Although there are no direct predictions of thesuffering of the Son of man in Q, there is an indirect one: The Son of man hath notwhere to lay his head (Matt 8.20 = Luke 9.58).« (S. 104).

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zweiten, bzw. dritten Gruppe, die diesem Spezialfall sehr nahekommen:Mt 26,23-24//Mk 14,2O-21//Lk 22,21-22; Mt 26,45-46//Mk 14,41-42. Vonallen Menschensohnstellen, auch den speziellen, gilt nun,' so wie die Texteuns vorliegen, daß sie mit den Ich-Sprüchen Jesu gleichbedeutend sind.Die Anzahl der letzteren aber überwiegt deutlich. Die auf die Gegenwartbezogenen Ich-Worte treten in mancherlei Zusammenhängen auf. Da istz.B. das Ich der Lehrsprache Jesu (das unterrichtende Ich: λέγω ύμΐν), dastherapeutische Ich, das missionarische, bzw. soteriologische Ich (ήλΘον,απεστάλην - bezogen auf die göttliche Sendung), das Ich der Nachfolge(άκολούΰει μοι), das Ich des Streitgesprächs, das Ich im Kampf mit denDämonen, das Offenbarungs-Ich (έγώ είμι, Mt 14,27//Mk 6,50); da sinddie besonderen Jüngerworte (z.B. Mt 10,16 Par, Lk 10,19), und die Gebets-worte (Mt ll,25//Lk 10,21). Hinzu kommen noch die prophetischen Ich-Worte: die Worte vom Leiden Jesu, vom Leiden der Jünger (z.B. Mt24,9-14 Par), und schließlich die eschatologischen Worte.

Nicht unwichtig erscheint es mir nun, daß die Verteilung der MS-Sprücheauf drei Gruppen auch für die Ich-Sprüche gilt. Mit den MS-Sprüchen derersten Gruppe können wir folgende Ich-Worte vergleichen: Mt 20,23//Mk 10,40. - Mt 26,29/fMk 14,15//Lk 22,16.18 - Mt 23,39//Lk 13,35. -Mt 7,22-23. - Lk 22,30. Zur zweiten Gruppe dagegen gehören Mt 20,22//Mk 10,38 - Lk 12,50. Ein Vergleich der Thematik der Ich- und MS-Worteder ersten Gruppe zeigt uns jedoch, daß das Gerichtsmotiv in den MS-Worten deutlich überwiegt, während das gleiche Motiv in den Ich-Wortenmit einer einzigen Ausnahme (Mt 7,22) fehlt. Was die Ich-Worte der zweitenGruppe betrifft, machen sie in ihrer metaphorisch-andeutenden Weise (vomKelch und der Taufe des Leidens) den starken Eindruck der Ursprünglichkeit.

Noch eine weitere vorbereitende Beobachtung sei hier gestattet: Der Ter-minus »Menschensohn« tritt nur in ganz bestimmten Zusammenhängen auf.Er steht nämlich nur in Aussagen grundsätzlicher, programmatischer Be-deutung. Dies gilt nicht nur von den Parusie- und Passionsworten, sondernauch von den Gegenwartsworten. Der Menschensohn ist der Gottesgesandte,der mit Macht Ausgerüstete. Unter den Ich-Worten gibt es neben den nach-drücklichen, feierlichen Worten auch mehr oder weniger »alltägliche«. DieMS-Worte dagegen sind ausnahmslos feierlich, sie gehören ausgesprochendem genus grande dicendi der neutestamentlichen Stilistik an.12

Das direkte, unverhüllte Ich Jesu tritt in den Evangelien ganz besonders

12 Diese Beobachtung stimmt mit dem überein, was Gustaf Dalman sagt zum ara-

mäischen Ausdruck K&|K "!? : Er war der gewöhnlichen Sprache der palästinischen

Juden als Ausdruck für Mensch nicht eigen, vielmehr gehörte er der gehobenen Spracheder Poesie und Prophetie an.« (Die Worte Jesus S. 210).

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stark hervor, und zwar in seinem gegenwärtigen Wirken, seinen Weissagun-gen über die bevorstehende Krisis seines eigenen Lebens, sowie in seinenProphezeiungen über die letzten Dinge. Aber das gleiche Ich wird auchunter dem rätselhaften Wort »Menschensohn« in betonten Zusammenhän-gen verdeckt. Doch ist hiermit nicht alles erschöpfend gesagt. Wir müssenauch an die metaphorischen Termini der Gleichnisse denken: Mt 21,33-46Par, das Gleichnis von den bösen Winzern (ό υιός), Mt 24,45-51//Lk 12,42-46, das Gleichnis vom getreuen und klugen Knecht (ό κύριος), Mt 25,1-13,das von den zehn Jungfrauen (ό νυμφίος), Lk 12,35-38 («5 κύριος), Lk 13,25-27 (ό οικοδεσπότης. Vgl. hierzu das ähnliche Wort, Mt 7,23, mit demJesus von sich selbst spricht). Von diesen Metaphern aus fällt also auchLicht auf das Wort »Menschensohn«. Wie die Begriffe »Gutsherr«, »Bräuti-gam«, »Sohn« in den Gleichnissen, so ist auch »Menschensohn« ein rätsel-haftes Gleichniswort.

Was nun die in den Ich-MS-Sprüchen zum Ausdruck kommende Vorstel-lungswelt betrifft, ist folgendes zu beobachten. Im Logion vom έπωσχύνεσοαιwird bei Mk gesagt, daß der Menschensohn in der Herrlichkeit seines Vatersmit den heiligen Engeln kommen wird. (Lk hat: Wenn er kommen wird inseiner Herrlichkeit und in der seines Vaters und der heiligen Engel )Gerade diese Vorstellung ist auch sonst in der synoptischen Tradition reich-lich belegt: Mt 16,27; Mt 24,30-31//Mk 13,26-27//Lk 21,27; Mt 25,31 (vgl.2 Thess 1,7).

Das Logion spricht also von der Parusie des Menschensohns und vonseinem Weltgericht. Der Kontext ist hier ausgesprochen apokalyptisch.Wir werden an ähnliche Stellen im äthiopischen Henochbuch, z.B. 61,8;61,10; 69,27 erinnert. Dort aber geht es nur um die Inthronisation desMenschensohns und seines Gerichts.

Die Situation des Logions vom όμολογεϊν-αρνεϊσ9αι ist dagegen andersgedacht. In Lk 12 wird der Menschensohn vor den Engeln Gottes die Men-schen »bekennen« bzw. verleugnen. Die Präposition έμπροσθεν wird näm-lich gerade für das Hintreten bzw. die Vorführung vor den Richterstuhlgebraucht, z.B. Mt 25,32; 2 Kor 5,10. Auch ist ganz klar, daß die Engelhier nur als Zeugen oder Beisitzer Gottes gedacht werden. Vermutlich habenwir gleichzeitig einen Ausdruck der jüdischen Scheu, Gott unmittelbarzu nennen, vor uns. Der Spruch trägt also eine alte, palästinensischePrägung.

Anders verhält es sich mit der Mt-Stelle, die vom Richten vor dem VaterJesu im Himmel spricht. Sowohl Mt wie Lk ist jedoch die Darstellung derGerichtsverhandlung gemeinsam. Die dynamische, apokalyptische Schilde-rung des Logions vom έπαισχύνεσ9αι wurde hier gleichsam entdramatisiert.

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Um nun dem Sinn dieser Sprüche näherzukommen, müssen wir die

Vokabeln επαισχύνεσααι, όμολογεΐν und άρνεΐσΟαι noch etwas genauer be-

trachten.

1. Das Verbum επαισχύνεσ&αι mit Akk. der Person oder der Sache (sich

jemandes, einer Sache schämen) ist im NT ein seltenes Wort ." Außer in

Mk 8,38 und Lk 9,26 kommt es nur viermal vor. Rom 1,16 sagt Paulus:

»Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht.« 2 Tim 1,8

heißt es: »Darum so schäme dich nicht des Zeugnisses unseres Herrn, noch

meiner, der ich sein Gebundener bin, sondern leide für das Evangelium wie

ich nach der Kraft Gottes.« Andere Stellen sind: 2 Tim 1,16; Hebr 11,16.

Vgl. 2 Tim 1,12; Hebr 2,11. (Siehe ferner auch αίσχύνομαι: 2 Kor 10,8;

Phil 1,20; 1 Petr 4,16; 1 Joh 2,28; καταισχύνω: Rom 5,5; 9,33; 10,11 ; 1 Petr

2,6.) Der Hintergrund ist deutlich die Erniedrigung Jesu, sein Leiden und

sein Kreuz, das den Juden ein σκάνδαλον, den Griechen eine μωρία (1 Kor

1,23) bedeutet.

2. Das Verbum όμολογεΐν kommt im N T 23mal vor. Von seinen ver-

schiedenen Bedeutungen sind in unsrem Zusammenhang folgende von Ge-

wicht: Rom 10,9 (»Wenn du Jesus als den Herrn bekennst«), Joh 9,22 (»Wenn

jemand ihn als Messias bekennt«), 1 Joh 4,2 (»Ein jeglicher Geist, der da

bekennt, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott«),

1 Joh 4,15 (»Welcher nun bekennt, daß Jesus Gottes Sohn ist«), 1 Joh 2,23

(»Wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater«, wobei man das erste

Glied bemerke: πας ό αρνούμενος τον οι'όν ουδέ τον πατέρα έχει). Das Ver-

bum όμολογεΐν steht also an all diesen Stellen in technischem Sinn. Ihm ent-

spricht das Substantiv ομολογία; im aktiven Sinn = das Bekennen als Hand-

lung (2 Kor 9,13), im passiven Sinn = das Bekenntnis, das man bekennt.14

Z . B . : όμολογεΐν την καλήν όμολογίαν = das gute Bekenntnis ablegen (1 Tim

6,12). Bemerkenswert ist, ομολογία kommt nur in der Briefliteratur vor:

2 Kor 9,13; 1 Tim 6,12-13; Hebr 3,1; 4,14; 10,23.

1 3 Syrcur und sin haben in den beiden Sätzen bei Mk und Lk è* m ο Λ mit rs von

A» m Z3 puduit, confusus est = aram. ΠΠ3, hebr. 8Π3. F. Crawford Burkitt übersetzt

in seinem »Evangelion Da-Mepharreshe« (The Curetonian Version of the FourGospels . . . 1904) folgendermaßen (Mk 8,38): »For every one that shall be ashamedof me and my words among the sons of this adulterous and sinful generation, theson of man also shall be ashamed of him what time he cometh in the glory of hisFather, and the holy angels.« J . Salkinson retrovertiert in seinem hebräischen NT:

"•äÖÖ tfO? "1B?K Bftr 1?! . (Dagegen freier, Franz Delitzsch: VVVJ"ltfX Br-K'Vs

HS in1? ""JX). Vulg. Mk 8,38: Qui enim me confusus fuerit . . . et Filius hominis con-

fundetur eum. Lk 9,26: Qui me embuent . . . hunc Filius hominis erubescet.14 Walter Bauer: Wörterbuch, s.v.

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3. Άρνεΐσ9αι bezeichnet den Gegensatz zu δμολο-γεϊν (1 Joh 2,23) undbedeutet: leugnen, in Abrede stellen, 1 Joh 2,22; jemanden oder etwas ver-leugnen, sich von jemandem oder von etwas lossagen. Das Bild von derLossagung Christi von den Menschen kommt außer Mt 10,33 auch 2 Tim2,12 vor.15 Wie nun Otto Michel16 betont, hängt vor allem der Sprachstilder Johannes-Briefe mit der frühchristlichen Bekenntnisbildung zusammen:αρνεΐσ&αι wird hier zum Terminus für die Bestreitung eines christologischenLehrsatzes, όμολογεΐν dagegen ein solcher für die Annahme und Verkün-digung einer bestimmten antihäretischen These. Man kann also auch sagen,άρνεΐσ9αι setze ein vorausgehendes Gehorsams- bzw. Treueverhältnis vor-aus: »Verleugnung kann nur dort stattfinden, wo vorher Anerkennung undVerpflichtung bestanden hat.«17 Unser Logion ist aber wohl auch forensischzu verstehen: Wer als Jünger Jesus vor dem Richterstuhl verleugnet, denwird auch der Menschensohn im eschatologischen Gericht verleugnen.

Zur sprachlichen Form sei bemerkt, daß όμολογεΐν εν einen semitischenHintergrund voraussetzt. Ferner zeugt auch die Präposition εμπροσ&εν voneiner palästinensisch-semitischen Sprachfärbung.18 Das ganze Wortgefügeist also ein fester Ausdruck für das Vor-dem-Richter-stehen.

Das Logion δμολογεϊν-απαρνεϊσ&αι muß also bereits auf palästinensischemBoden entstanden sein, jedoch kaum früher als in der Zeit der Auseinander-setzung des Judenchristentums mit der Synagoge. Es läßt sich deshalb kaumdenken, daß dieser Sprachgebrauch schon der jesuanischen Epoche ange-hört habe.19 Er setzt vielmehr den status confessionis der Jünger Jesu voraus.

Vergleichen wir die beiden Logien hinsichtlich ihrer Schlüsselvokabelnmiteinander, so erscheint uns das Logion όμολογεΐν-άπαρνεΐσ9αι terminolo-

1 5 Vgl. Harald Riesenfeld: The Meaning of the Verb ρνεϊσ αι, in: ConiectaneaNeotestamentica XI (1947) S. 215: »Thus ρνεϊσ αι means the surrender of faith, 'toapostatize'.« 218: »Όμολογεΐν 'to affirm' and ρνεϊσ αι 'to deny' had to Christianears the flavour of 'speaking like a Christian' and 'speaking like an apostate', re-spectively.«

16 Art. όμολογέω, in: ThW V S. 199-220.17 Heinrich Schlier, Art. ρνέομαι, in: ThW I S. 468-471.1 8 James Hope Moulton: A Grammar of New Testament Greek IIΙ (Syntax by

Nigel Turner, 1963) S. 278 f.

Die syrischen Texte haben für όμολογεϊν Aph. von ^ « V * mit s (was 3 ΓΠΪΠ ent-

spricht. Vgl. aber Pesachim V 8b: WWDn lV ΠΊΠ xVl. Die Gelehrten aber stimmten

ihm nicht bei); für ρνεϊσ αι TAA , negavit, abnegavit, hebr. ")Ö> "lp^S/S· »die

Grundsätze der Religion verneinen« (z.B. die Einzigkeit Gottes): B. Bathr. 16b(Marcus Jastrow: Dictionary).

19 Philipp Vielhauer: Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu,in: Festschrift für Günther Dehn (1957) S. 70.

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gisch fester gefügt als das Logion έπαισχύνεσ9αι. Die ομολογία deutet alsoauf eine spätere Stufe hin als das Logion der έπαισχύνη.

Daß die beiden Sprüche όμολογεϊν-αρνεϊσ&αι einerseits und έπαισχόνεσ9αιandererseits mit einander verwandt sind, ist selbstverständlich. Die Frageist jedoch, ob es hier ursprünglich zwei Logien gab oder ob ein Urwort imLauf der Tradition ein paralleles Sekundärwort hervorgerufen hat. Hypo-thetisch möchten wir nun festsetzen, das Logion επαισχύνεσ9ω, das Mk undLk gemeinsam ist, stelle das Urwort dar. Der Wechsel der Subjekte: »Jesus«und »Menschensohn«, müßte somit auch ursprünglich sein. Aus diesem Ur-wort hätte sich dann ein analoges Logion in Form eines zweigegliedertenSpruchs entwickelt. Dem Urwort am nächsten kommt nun die lukanischeVariante, die ja auch den Wechsel der Subjekte beibehalten hat. Ich haltealso das Wort όμολογεΐν, bzw. αρνεΐσθαι für »unecht«, weil es die nachöster-liche Situation voraussetzt, dagegen möchte ich bis auf weiteres das Wortvom επαισχυνεσ9αι als authentisch betrachten.20

Mehrere Beiträge zur Frage nach dem Menschensohn der Synoptiker ge-hören zu den Elementen unsrer Forschungsgeschichte und sind klassischgeworden. Schon vor siebzig Jahren behauptete Hans Lietzmann, der Ter-minus δ οίας τοΰ άνδρώποο sei spät in der hellenistischen Gemeinde ent-standen. Dieser Meister seiner Wissenschaft schrieb: »Jesus hat sich selbstnie den Titel Menschensohn beigelegt, weil derselbe im Aramäischen nichtexistiert und aus sprachlichen Gründen nicht existieren kann.21 Diese Be-hauptung wurde vom gelehrten Gustaf Dalman als Herausforderung auf-gegriffen. Er versuchte nämlich zu beweisen, erstens, es könne nicht als be-sonders auffallend erscheinen, wenn Jesus es liebte, in der dritten Personvon sich zu reden, zweitens, er gebrauche hierbei eine ungewöhnliche Be-zeichnung, das determinierte NBÑX *ia, N2fl *13, das nur mit »der Men-schensohn«, nicht aber mit »der Mensch« übersetzt werden dürfe.22 Weiter

2 0 Oft wird umgekehrt behauptet, daß das Logion όμολογείν- ρνεϊσ αι traditions-geschichtlich das ältere, das Wort vom παισχύνεσ αι dagegen eine spätere Nach-bildung sei. So Ernst Käsemann: Sätze heiligen Rechtes im Neuen Testament, in:NTS 1 (1955) S. 257; Heinz Eduard Tödt: Der Menschensohn in der synoptischenÜberlieferung (1959) S. 38; Reginald R. Fuller: The Foundations of New TestamentChristology (1965) S. 24.

2 1 Der Menschensohn. Ein Beitrag zur neutestamentlichen Theologie (1896) S. 85.2 2 Die Worte Jesu I (1898, 21930) S. 196. Dagegen u.a. Philipp Vielhauer: Jesus und

der Menschensohn, in: ZThK 60 (1963) S. 133-177. Für die von Dalman bewegteDiskussion siehe u.a. R. E. C. Formesyn: Was there a pronominal connection for the»Bar Nasha« Selfdesignation?, in: Novum Testamentum VIII (1966) S. 31, Fußnote.Schon im Jahre 1901 unternahm Paul Fiebig (Der Menschensohn. Jesu Selbstbezeich-

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sollte das Buch von William Wrede »Das Messiasgeheimnis in den Evan-gelien« eine außerordentliche Rolle spielen. Wrede stellte nämlich fest: JesuLeben war unmessianisch! Erst die Auferstehung überzeugte die Jünger, daßJesus der Messias sei.23 - Das Leben Jesu war unmessianisch. Diese Thesevertritt konsequent Rudolf Bultmann seit mehreren Jahrzehnten.24

Seit den dreißiger Jahren hat sich jedoch die entgegengesetzte Auffassungzu Wort gemeldet. Hans Conzelmann spricht in seinem Artikel »JesusChristus« von einem weitumfassenden internationalen Consensus, den erfolgendermaßen kennzeichnet: Jesus habe sich selbst in einer Synthese derMenschensohn-Idee und der Ebed-Jahwe-Idee verstanden.25 Ein wichtigerBeitrag hierzu wurde Rudolf Ottos Buch »Reich Gottes und Menschen-sohn«.26 Otto verteidigte die Echtheit der Menschensohn-Sprüche, undviele seiner prägnanten Formulierungen wurden von seinen Nachfolgernaufgegriffen. Alttestamentliche Forschungen zur.Ebed-Jahwe-Frage27 undgründliche Untersuchungen des äthiopischen Henochbuchs28 förderten auchdie Vertreter dieses Consensus in ihren Bemühungen um ein tieferes Ver-ständnis des synoptischen Menschensohnbegriffs ganz erheblich.

Die Lage hat sich jedoch in der letzten Zeit wiederum geändert. Die Linie

nung mit besonderer Berücksichtigung des aramäischen Sprachgebrauchs für »Mensch«)eine erneute Durchprüfung des aramäischen Materials, wodurch die Theorien Dal-mans modifiziert wurden. Siehe hierzu Ferdinand Hahn: Christologische Hoheitstitel,

S. 15: »Die Formen mit und ohne "13 haben die gleiche Bedeutung, es liegt also keine

deutliche Unterscheidung von Gattungs- und Individualbegriff vor; aber auch die in-determinierten und die determinierten Formen sind nicht klar von einander abgegrenzt,sie können beide für ein bzw. der Mensch stehen. Bei einer wenigstens formal genauenWiedergabe wird man jedoch damit rechnen dürfen, dap ό οί ς το ν ρώπου auf

ΝΐΛ(Χ) 1 3 zurückgeht, ohne daß dieser Wendung im Aramäischen eine Sonderstellung

zukommt. Diese Lösung (sc. Fiebigs) ist weitgehend akzeptiert worden.« Vgl. DalmanaaO (21930) S. 386 ff., der sich hier der Ansicht Fiebigs nähert.

23 Das Messiasgeheimnis in den Evangelien, Zugleich ein Beitrag zum Verständnisdes Markusevangeliums (1901, 31963). Zur Auswertung dieses Buchs vgl. u.a. R. E . C.Formesyn aaO S. 1-5.

24 Vgl. u.a. seine Theologie des NT (51965) S. 30 ff.25 In: R G G 3 III (1959) Sp. 621.26 Reich Gottes und Menschensohn. Ein religionsgeschichtlicher Versuch (1934)

S. 187 ff. (Die Selbstbezeichnung Jesu als Menschensohn.)27 Die Literatur hierzu ist sehr reich. Vgl. u.a. Curt Lindhagen: The Servant Motif

in the Old Testament. A preliminary study in the »Ebed-Yahweh-Problem« in Deutero-Isaiah (1950), mit umfassender Bibliographie für den relevanten Zeitabschnitt; Sig-mund Mowinckel: He that cometh (1959); C. R. North: The Suffering Servant inDeutero-Isaiah (1948, 1956).

28 Vgl. z .B. Erik Sjöberg: Der Menschensohn im äthiopischen Henochbuch (1946).

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Lietzmann-Wrede-Bultmann wird erneut fortgesetzt, der Consensus ist ge-

sprengt, und alles befindet sich wieder im Fluß.29

Grob und etwas schematisch gesagt, können wir folgende Positionen des

strategischen Status unterscheiden. (Die Literatur ist ungeheuer reich; nur

wenige Beispiele mögen angeführt werden.)

1. Jesus sieht sich selbst als den Menschensohn an: Ernst Lohmeyer,30 Oscar

Cullmann,31 Eduard Schweizer,32 Ethelbert Stauffer,33 W. Manson,34 T.

W. Manson, « Reginald H. Fuller,3(S I. H. Marshall.37

Als Beweise für die Echtheit werden u. a. angeführt : Sämtliche Stellen, in

denen »der Menschensohn« in den Synoptikern vorkommt, sind Worte

Jesu.3»

»Der Menschensohn« war kein geläufiger Terminus und konnte des-

halb von Jesus seinen eigenen Absichten entsprechend bestimmt werden.39

29 Zur Forschungslage vgl. u.a. Stephen Neill: The Interpretation of the NewTestament 1861-1961 (1964) S. 283 ff. und Hugh Anderson: Jesus and Christian Origins.A commentary on modern viewpoints (1964) S. 122 ff. - Sehr lehrreich ist ein ver-gleichendes Studium des Artikels »Jesus Christus« in den drei Auflagen von RGG:Wilhelm Heitmüller III (1912), Karl Ludwig Schmidt III (21929), Hans ConzelmannIIΙ (31959).

3 0 In mehreren seiner Arbeiten. Vgl. das kritische Referat von Marie Veit: DieAuffassung von der Person Jesu im Urchristentum nach den neuesten Forschungen (1946).

3 1 Die Christologie des Neuen Testaments (21958).3 2 Der Menschensohn (Zur eschatologischen Erwartung Jesu), in: ZNW 50 (1959)

S. 185-209; The Son of Man, in: J B L 79 (1960) S. 119-129; Erniedrigung und Er-höhung bei Jesus und seinen Nachfolgern (1962); The Son of Man again, in: NTS 9(1963) S. 256-261.

33 Die Theologie des NT (41948); Messias oder Menschensohn, in: Nov Test I(1956) S. 81-102; Jesus. Gestalt und Geschichte (1957) S. 122 ff.

34 Jesus the Messiah. The Synoptic tradition of the Revelation of God in Christ:With special reference to Formcriticism (1943, repr. 1944).

35 The Teaching of Jesus (1945); The Servant Messiah. A study of the publicMinistry of Jesus (1953).

36 The Mission and Achievement of Jesus (Studies in Biblical Theology 12, 1954)S. 95-108. Vgl. dagegen sein letztes Buch: The Foundations of New TestamentChristology (1965) S. 120 ff., wo er in Diskussion mit Bornkamm, Hahn und Tödtgewisse Modifikationen seines früheren Standpunkts unternimmt.

37 The Synoptic Son of Man Sayings in recent discussion, in: NTS 12 (1966)S. 327-351.

38 Cullmann: Die Christologie, S. 158. Dagegen R. E . C. Formesyn aaO S. 14:»If Jesus really had used the title Son of man so frequently about himself, one wouldnaturally expect the people to have used the title in their words, or about Jesus.«

39 Marshall aaO S. 350. So auch Schweizer: The Son of man again, S. 259. S. istder Auffassung, die dritte Gruppe der MS-Worte, vom gegenwärtig wirkenden Men-schensohn sei authentisch und die älteste. Stauffer: Jesus, S. 122: »Die Urkirche . . .

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2. Jesus selbst spricht überhaupt nicht vom Menschensohn: Ernst Käse-

mann, 40 Philipp Vielhauer,41 Hans Conzelmann,42 Howard M. Teeple,43

Charles Guignebert.44

Beweis (u.a.):

Gottesherrschaft und Menschensohn hatten in der zeitgenössischen

jüdischen Eschatologie überhaupt nichts miteinander zu tun.45

Erklärung, warum die MS-Worte nur als Worte Jesu vorkommen:

Die Worte vom leidenden und auferstandenen, wie auch vom gegen-

wärtig wirkenden Menschensohn sind Analogiebildungen nach den Wor-

ten vom künftigen Menschensohn. Die Worte vom künftigen Menschen-

sohn gehören jedoch zu den prophetischen und apokalyptischen Worten.

»Es ist längst erkannt, daß die nichtauthentischen Worte dieser Gat-

tungen auf urgemeindliche Propheten zurückgehen.«46

Erklärung, warum man eine »Menschensohnchristologie« geschaffen

habe: Die Auferstehung war ein eschatologisches Ereignis. Von ihren

jüdischen Prämissen aus mußten die Jünger diese als den Anfang der

Endereignisse und Jesus als den Erstling der Auferstehung, als eschatolo-

hat den Menschensohnbegriff . . . als tabuhafte Selbstprädikation Jesu Christi behan-delt, so etwa wie die Synagoge die Selbstbezeichnung Gottes (Jahve) behandelt hat.«

40 Das Problem des historischen Jesus, in: ZThK 51 (1954) S. 125-153.41 Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu, in: Festschrift für

Günther Dehn (1957) S. 51-79; Jesus und der Menschensohn. Zur Diskussion mitHeinz Eduard Tödt und Eduard Schweizer, in: ZThK 60 (1963) S. 133-177.

42 Gegenwart und Zukunft in der synoptischen Tradition, in: ZThK 54 (1957)S. 277-296; Zur Methode der Leben-Jesu-Forschung, in: ZThK 56 (1959) Beiheft I.Jesu självmedvetande, in: Svensk Exegetisk Arsbok X X V I I I - X X I X (1963-1964)S. 39-53.

43 The Origin of the Son of Man Christology, in: J B L L X X X I V (1965) S. 213-250.44 Jésus (1933) S. 326 ff.45 Vielhauer in: Jesus und der Menschensohn, S. 136. Ferner S. 153: »Da Jesus die

Gottesherrschaft verkündigt hat, hat er nicht den Menschensohn verkündigt.« Hierbeiwerden Mt 13,37 ff. und Mt 16,28 als redaktionelle Zusätze erklärt. - Dagegen R. H.Fuller: The Foundations of New Testament Christology (1965) S. 124: »We mustwiden Jesus' conception of the future Son of Man to include the function of his rulingin the kingdom of God.« Sh. auch I . H. Marshall aaO S. 335ff.

46 Vielhauer: Jesus und der Menschensohn, S. 172. Eine andere Erklärung lautet:»Der MS-Titel findet sich im Munde Jesu wegen seiner Austauschbarkeit (interchange-ability) im Aramäischen mit der 1. Person des persönlichen Pronomens« (R. E . C.Formesyn aaO S. 25 ff.). Vgl. aber Erik Sjöberg: Der verborgene Menschensohn in

den Evangelien (1955) S. 239, Fußnote 3: »Der Versuch KW "D gleich ΝΊ31 Κ1ΠΠ

als eine Umschreibung des »ich« zu verstehen . . . scheitert daran, daß dieser Ge-

brauch des NEtt "13 in den aramäischen Quellen nirgends zu finden ist.« Formesyn

bemerkt hierzu: »This judgment is far too radical« (aaO S. 29).

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gische Zentralgestalt auffassen. Den Jüngern lag es hierbei nahe, auf dieeschatologische Richter- und Rettergestalt des Menschensohns zurück-zugreifen.47

3. Jesus spricht vom künftigen Menschensohn, identifiziert sich aber nichtmit ihm. (Texte: vor allem die Ich-MS-Sprüche, d.h. die »Spezialfälle«):Rudolf Bultmann,48 Günther Bomkamm,49 Ernst Fuchs,50 Heinz EduardTödt,31 Ferdinand Hahn,» R. E. C. Formesyn.»Beweis (u.a.):

Daß sich Jesus mit dem künftigen Menschensohn identifizieren könnte,ist ein absurder Gedanke, von dem sich in seinen Worten keine Spurfindet.«

Gerade in der letzten Zeit haben hauptsächlich drei Autoren neue Argu-mente ins Feld geführt und dadurch die Diskussion angeregt, nämlich Phi-lipp Vielhauer, Heinz Eduard Tödt und Ferdinand Hahn.

Vielhauer stellte bereits 1957 die These auf, keines der synoptischenMenschensohnworte könne echt sein.15 Ein wichtiges Beweisstück war für

47 Vielhauer aaO S. 171. Hinzuzufügen ist eine Bemerkung von Conzelmann, Art.Jesus Christus, in: RGG3 III (1959) S. 631: »Menschensohn ist, anders als Christusund Gottessohn, nicht Bekenntnistitel. Als Menschensohn wird Jesus nicht angerufen,sondern erwartet.« Dagegen Formesyn: aaO S. 23 f.

48 Geschichte der synoptischen Tradition (21931); Theologie des NT (51965) S. 31.49 Jesus von Nazareth (21957) S. 162 f.50 Jesus und der Glaube, in: ZThK 55 (1958) S. 181.51 Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung (1959). Engl. Ausg.: The

Son of Man in the Synoptic Tradition. Translated by Dorotea M. Barton (The NewTestament Library 1965). Rez. von A. J . B. Higgins; in: The Journal of TheologicalStudies XVII (1966) S. 433-438.

52 Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum (FRLANT83) (1963).

53 Was there a pronominal connection for the »Bar Nasha« Self designation?, in :Nov Test VIII (1966) S. 1-35. (Dieser Artikel ist besonders wegen seiner reichlichenLiteraturangaben wertvoll.)

54 Bultmann: Theologie, S. 30. - Sh. auch z.B. R. H. Fuller: The Foundations ofNew Testament Christology (1965): »Jesus could not identify himself with the comingSon of Man, since that figure was to come at the End on the clouds of heaven« (S. 123).»Jesus understood bis mission in terms of eschatological prophecy and was confidentof its vindication by the Son of Man at the End« (S. 130). Gegen diese Behauptung,daß Jesus sich nicht mit dem kommenden Menschensohn hätte gleichsetzen können:»Whichever way we look at it, there is surely no room in the teaching of Jesus for aneschatological figure alongside himself in the manner depicted by Tödt; a much morecoherent picture is obtained once the identification of Jesus and the Son of man ismade« (I. H. Marshall, The Synoptic Son of man Sayings in Recent Discussion, in:NTS 12 [1966] S. 339).

5 5 Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu.

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ihn die Tatsache, daß die beiden eschatologischen Größen »Gottesreich«und »Menschensohn« nirgends in der Verkündigung Jesu vereinigt vorkom-men. Nach Hahn, dessen Darstellung wir hier aus praktischen Gründengegen die chronologische Ordnung zuerst referieren, scheint die Prioritätder Parusiesprüche ziemlich gesichert zu sein. Er vertritt die Ansicht, Jesushabe die Motive vom plötzlichen Kommen des Menschensohns in seineHerrlichkeit und die seiner Richterfunktion in seine Verkündigung aufge-nommen. Ohne Zweifel echt seien Lk 12,8 f. und Lk 17,24.26 f. Wichtig seiferner, daß sich Jesus mit dem Menschensohn nicht identifiziert habe. Die-jenigen Sprüche, die vom Leiden und von der Auferstehung des Menschen-sohns sprechen, müßten als die am wenigsten ursprünglichen bewertet wer-den. Fragwürdig seien ebenfalls die Sprüche vom irdischen Wirken desMenschensohns. In summa: Jesus habe zwar vom Menschensohn gespro-chen, sich selbst aber nicht mit ihm identifiziert.56

Am gründlichsten wurde das Problem von Heinz Eduard Tödt abgehan-delt.57 Seine Arbeit über den synoptischen Menschensohn wird durch ihreaußerordentlich sorgfaltige traditionsgeschichtliche Methode gekennzeich-net, weshalb jede weitere Erörterung der Menschensohnproblematik andiesem Buch kaum wird vorübergehen können. Sein Werk fordert zu einerernsten Auseinandersetzung heraus, und diese ist nicht ausgeblieben.58

Was nun zunächst unsre Ich-MS-Sprüche betrifft, lenkt Tödt die Auf-merksamkeit auf ihre Grundstruktur und unterstreicht, diese sei folgende:das irdische Verhalten Jesu werde in eine unmittelbare Beziehung zum künf-tigen Verhalten des Menschensohns gestellt.59 Die Beziehung zwischen denbeiden Hälften jedes derartigen Spruchs sei also soteriologisch geartet. Spä-ter, in der Gemeinde, werde diese soteriologische Beziehung dann christolo-gisch umgedeutet.60 Tödt ist also der Überzeugung, Jesus habe sich mit demMenschensohn nicht identifiziert. Jesus spricht vielmehr vom kommendenMenschensohn wie von einem anderen.61 Erstaunlich bleibt jedoch, daß dieGemeinde an dieser differenzierenden Redeweise festgehalten hat, obgleichsie auf Grund der Auferstehungsgewißheit Jesus mit dem kommendenMenschensohn identifizierte. Dies nennt Tödt das »Formgesetz der authen-tischen Menschensohnsprüche«.62

Seine Ergebnisse faßt er folgendermaßen zusammen: Jesus hat wegen der

56 Christologische Hoheitstitel, S. 26 ff.57 Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung.58 Vgl. u.a. Vielhauer: Jesus und der Menschensohn.59 AaO S. 51.60 AaO S. 52 f.61 AaO S. 209.62 AaO S. 209.

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Nähe des Gottesreichs von seinen Jüngern Nachfolge verlangt. Er fordert,seine Jünger sollten sich zu ihm bekennen, und gibt den Bekennern bin-dende Versprechungen für die kommende Welt Gottes. Hierbei übt er eineunvergleichliche Autorität aus. Durch den ihm gemachten Prozeß wurdeseine Legitimität bestritten. Die Jünger flohen und brachen die ihnen vonJesus gebotene Gemeinschaft. Das Ostergeschehen stellte jedoch die frühereOrdnung wieder her. Dies mußte zu einem neuen Verständnis seiner Worteund der Person Jesu führen. Anstatt der Ankunft des Gottesreichs hatte sichdas besondere Handeln Gottes mit dem Hingerichteten vollzogen. In dervorösterlichen Situation hatte sich die Verheißung des künftigen Heils einzigauf Jesu souveräne - von keiner Instanz legitimierte - Verheißung gestützt.Der nachösterliche Glaube erkannte dagegen, daß Jesus durch Gott selbstbestätigt worden war, so daß ihm alle Vollmacht zukam. Hieraus folgte,was Tödt die christologischen Erkenntnisse nennt. Das heißt: durch einchristologisches Urteil wird die Bedeutung des Heilsgebers für die Heilsgabeentwickelt. Jesus hat also das Heil zum Gegenstand seiner Verkündigunggemacht. Er hat jedoch keineswegs seine eigene Bedeutung für das Heil aus-gelegt. Seine Worte vom Menschensohn sind demnach soteriologisch, nichtaber christologisch geartet. Jesus hat sich also nicht mit dem Menschensohnidentifiziert. Die nachösterliche Gemeinde gelangte zur christologischen Er-kenntnis, Jesus müsse selbst der Menschensohn werden. Folglich ist diefrüheste christologische Erkenntnis die, daß Jesus der kommende Menschen-sohn sein wird. Die entsprechende Erkenntnis der Gemeinde wendet nunaber den Menschensohnnamen auch auf Jesus als den von Gott Bevoll-mächtigten, auf Erden Wirkenden an. Doch hält sie sich hierbei in bestimm-ten Grenzen. Die Gemeinde übertrug folglich nicht die transzendenten Funk-tionen des Menschensohns auf den irdischen Jesus. Hier galt nur seineExousia.63

Also:1. Jesus trat mit einer ihm eigentümlichen Autorität auf und beanspruchte

eine Bindung an seine Person mit soteriologischen Konsequenzen.2. Jesus sprach vom Menschensohn als dem eschatologischen Richter, iden-

tifizierte sich aber nicht mit diesem.3. Jesus sprach dagegen nicht von seiner Niedrigkeit oder von seinem Leiden.4. Erst in der nachösterlichen Gemeinde identifizierte man ihn mit dem

Menschensohn und dehnte dabei die Menschensohnsprüche auf das Er-denwirken Jesu und aufsein Leiden aus. Hier ist die Menschensohnchri-stologie als die erste Form der Christologie überhaupt entstanden.

63 AaO S. 265 ff.

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Wenn wir nun unter der Voraussetzung arbeiten, die Christologie sei in deroben skizzierten Weise enstanden, so müssen wir fragen, was folgt hieraus?Zur Beantwortung untersuchen wir zunächst eine Gruppe von Sprüchen,die sich auf das Erdenwirken des Menschensohns bezieht. Es sind dies diefolgenden:Mt 11,19 (Par Lk 7,34): Der Menschensohn ist gekommen, hat gegessen

und getrunken - da sagen sie: Siehe, er ist ein Fresser und Säufer, einFreund der Zöllner und Sünder.

Mk 2,10: Der Menschensohn hat Vollmacht, auf Erden die Sünden zu ver-geben.Lk 19,10: Der Menschensohn ist gekommen, das Verlorene zu suchen und

zu retten.64

Mk 10,45 a: Auch der Menschensohn ist nicht gekommen, bedient zu wer-den, sondern um zu dienen.

(Zu vergleichen sind hier folgende Ich-Worte:Mk 2,17 (Par Lk 5,32): Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die

Kranken. Ich bin gekommen zu rufen die Sünder zur Buße, und nichtdie Gerechten.

Mt 15,24: Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen vomHause Israel.)

Die inhaltliche Echtheit dieser Worte kann nicht bezweifelt werden.65 Siegehören in einen größeren Zusammenhang, der den genuinen Charakter derBotschaft und des Wirkens Jesu bezeichnet. Wenn nun diese Worte alsMenschensohnworte überliefert werden, so wird damit dargetan, daß derTerminus Menschensohn radikal neu umgeprägt wurde; denn mit demMenschensohn der Apokalyptik hat dieser nichts mehr gemeinsam. Diehistorische Wirklichkeit hat also den Sieg davongetragen. Jesus, der Dienerund Freund der Zöllner, ist eine einzigartige Erscheinung in der Geschichteder Religionen. Es wird nämlich hier zum ersten und einzigen Mal derSünder und nicht der Gerechte als Kind Gottes anerkannt. Hier, wenn über-haupt, haben wir also festen Boden unter den Füßen. Von hier aus ist nun

64 Dieses Logion kommt außerdem noch zweimal als varia lectio vor:Mt 18,11 : ήλ εν γ ρ ό οίος το ν ρώπου σ σαι τ πολωλός.Lk 9,56: ό γ ρ οί ς το ν ρώποο ο κ λ εν ψvχ ς ν ρώπων πολέσαι λλ σ σαι.6 5 Man muß hier zwischen formaler und inhaltlicher Echtheit unterscheiden. Jesus

hat gewiß von sich in der Ich-Form gesprochen: »Ich bin gekommen zu rufen dieSünder zur Buße, und nicht die Gerechten.« Das ist in diesem Fall formale Echtheit(was gleichzeitig auch inhaltliche Echtheit bedeutet). »Der Menschensohn ist gekom-men das Verlorene zu suchen und zu retten.« Dies ist vielleicht formal ein unechtesWort, aber es ist inhaltlich echt.

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die Historizität aller anderen Daten der Evangelien zu überprüfen. Dermythologische Terminus Menschensohn wird an ein konkretes Geschehengebunden und dadurch historisiert. Selbst wenn diese Worte von der Ge-meinde in Menschensohnsprüche umgeprägt wurden, so sind sie doch durchdie einzigartige Person Jesu und durch sein Wirken bestimmt und damit zu-gleich authentische Manifestationen der Jesustatsache.

In der Logienquelle finden sich nur die beiden Spruchgruppen vom kom-menden und vom gegenwärtig wirkenden Menschensohn. Aber diese Quellekennt keinen leidenden Menschensohn und hat keine Passionsgeschichte.66

Die Sprüche vom Leiden und von der Auferstehung des Menschensohnstreten erst bei Markus auf. Wie nun Tödt nachgewiesen hat, gehen die stoff-lichen Elemente dieser Sprüche auf das Passionskerygma und die mit ihmverbundenen Schriftbeweise zurück.67 Schon in der palästinensischen Ge-meinde wurde ja der Tod Jesu als eine soteriologische Hingabe für vieledargestellt.68 Auffallend bleibt jedoch, daß die Leidensankündigungen geradedieses Thema nicht enthalten. Diese Leidensweissagungen werden allgemeinals vaticinia ex eventu aufgefaßt.69. Dies kann beim ersten Anblick als einsehr negatives Urteil angesehen werden; doch ist der Terminus von größtemhistorischem Interesse. Was der Historiker sucht, sind ja eben die eventus,the events, das, was wirklich geschehen ist. Bei einem vaticinium ex eventugeht man nun aber von dem aus, was geschehen ist oder als wirkliche Err.fahrung aufgefaßt wird, und macht gerade daraus die Weissagung. Es han-delt sich also in der Form der Prophétie um die Bestätigung eines bereitsvollzogenen Vorgangs. Die Leidensweissagungen sprechen nun vom Kreuz,aber auch von der Auferstehung. Sie sind also nachösterlich. In der Formvon Menschensohnsprüchen besagen sie demnach, daß Jesus sowohl derGekreuzigte wie der Auferstandene ist, und hiermit sind wir am weitestenvon der jüdischen Apokalyptik entfernt.

Wenn wir also noch immer mit der Voraussetzung rechnen, Jesus habesich mit dem Menschensohn nicht identifiziert, und die Menschensohn-christologie stelle die früheste Form der Christologie dar, so können wirihre Motive auf folgende Weise gruppieren: 1. Das irdische Vollmachts-handeln Jesu. 2. Der soteriologisch gedeutete Tod Jesu. 3. Das Osterge-schehen.

66 Bemerke Mt 12,40//Lk 11,30 Q. Mt hat den Text ergänzt:σπερ γ ρ ν Ίωνας έν r κοιλία το κήτους τρεϊς μέρας και τρεϊς νύκτας, ο τως

σται ó ο ός το άν ρώπου v τ καρδία τ ς γ ς τρεϊς μέρας κα τρεϊς νύκτας.67 Tödt aaO S. 195.68 Tödt aaO S. 250.69 Vgl. dagegen Joachim Jeremias: The Central Message of the New Testament

(1965) S. 40 ff.

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Keines dieser Motive kann von der jüdischen Menschensohnapokalyptikabhängig gemacht werden. 1. Jesus als der irdische Menschensohn ist derFreund der Sünder. Im äthiopischen Henochbuch dagegen geht es um dieHeimholung der Gerechten. 2. Der leidende und sterbende Menschensohnder Evangelien, der sein Leben für viele hingibt, findet sich in keiner Weisein der jüdischen Apokalyptik vorgebildet.70 3. Ebenso wenig kann dasOstergeschehen aus der jüdischen Vorstellungswelt verständlich gemachtwerden. Hinzu kommt außerdem noch das Fehlen des Präexistenzgedankensund das des Erhöhungsmotivs in der Komposition der synoptischen Evan-gelien.71

Der Menschensohn der synoptischen Evangelien entstammt also einervöllig anderen Konzeption als der der jüdischen Apokalyptik. Es ist eineParadoxie, daß Jesus durch diese Kategorie verstanden wurde - wohl zumerken, wenn wir von dem in der Forschung herkömmlichen Bild desHenochschen Menschensohns ausgehen (äthHen 46,4; 48,2 f.; 62,7-11;62,14; 69,27-29). Ja, man kann sogar so weit gehen, zu behaupten, derMenschensohn der jüdischen Apokalyptik und der der synoptischen Evan-gelien hätten nicht mehr als den Namen gemeinsam. Noch deutlicher: DerMenschensohn der ersten und der der dritten Gruppe sind unvereinbareGrößen. In der dritten Gruppe nun spricht der Jesus der Geschichte, der,wie er wirklich war, den wir auch durch seine Ich-Worte kennen.

In den von Tödt als echt anerkannten Menschensohnsprüchen sprichtJesus, laut Verfasser, vom Menschensohn als von einem anderen. Zu beto-nen bleibt, daß die von Tödt dargelegte Grundstruktur dieser Sprüche eineOriginalschöpfung, ohne Parallelen in den jüdischen Texten, ist.72 Dies hängtwiederum mit der Geschichtsbezogenheit des Evangeliums zusammen, aber

70 Erik Sjöberg: Der Menschensohn im Äthiopischen Henochbuch (1946) S. 116-139;Der verborgene Menschensohn in den Evangelien (1955) S. 244; Rudolf Bultmann:Theologie, S. 32; Philipp Vielhauer: Jesus und der Menschensohn, S. 168. Dagegen,wie bekannt, Joachim Jeremias: Erlöser und Erlösung im Spätjudentum und Ur-christentum, in: Deutsche Theologie I I (1929) S. 106-119 und anderswo.

71 Dagegen ist der johanneische Menschensohn präexistent und wird erhöht : Joh 3,13 f.; 6, 62; 8, 56 ff.

72 Es sei hier auf die Beobachtungen James M. Robinsons : Kerygma und historischerJesus (1960) S. 149 ff., zur »eschatologischen Struktur« der Logien Jesu verwiesen.Wir wählen folgende Beispiele aus:

Mt 18,3:¿αν μη στραφήτε και où μη εΐσέλΒητε ειςγένησ9ε ώς τα παιδία την βααιλείαν των ουρανών

Lk 22,18:ου μη πιω από του νΰν εως οδ ή βασιλείααπό τοΰ γενήματος του 9εοΰ ε~λ9ντης αμπέλου

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damit ist ja noch nichts über die Authentizität oder das Verständnis derWorte selbst ausgesagt. Diese Menschensohnsprüche bilden tatsächlich daseinzige Verbindungsglied zwischen der Menschensohnideologie der jüdi-schen Apokalyptik und der der Evangelien. Gleichwohl muß eingeräumtwerden, diese Verbindungsbrücke ist ein sehr schmaler Steg.

»Die Menschensohnworte Jesu bieten eine radikale Reduktion aller apo-kalyptischen Ausmalungstendenzen.«73 Diese Worte stammen von Tödt undkehren noch emphatischer wieder: »Die authentischen Jesusworte haltensich in erstaunlicher Strenge von apokalyptischer Ausmalung frei.«74 Diesstimmt ohne Zweifel.71 Warum aber hat Jesus dann von der Parusie desMenschensohns gesprochen? Ja, warum hat er überhaupt vom Menschen-sohn gesprochen, wenn er derart anti-apokalyptisch dachte und sich nichtmit dem Menschensohn identifizieren wollte? Die Fragezeichen häufen sichalso. Anderseits hat man geltend gemacht: Es läßt sich kaum denken, daßeine Menschensohnchristologie entstanden wäre, wenn Jesus nicht selbstvom Menschensohn gesprochen hätte. Denn außerhalb der synoptischenTradition tritt eine Menschensohnchristologie nur im vierten Evangeliumauf.76 Sonst spielt sie im Urchristentum keine Rolle. Sie muß also dort aufeinen gewissen Kreis beschränkt gewesen sein. Als Eigentümlichkeit wirdfemer hervorgehoben, daß die Menschensohnsprüche sich nur als LogiaJesu finden. Diese Tatsache wurde begreiflicherweise als Argument dafürbenützt, daß Jesus wirklich vom Menschensohn sprach. Aber dieses auffal-lende Verhältnis konnte umgekehrt auch als Beweis gegen die Echtheit be-sagter Worte ausgebeutet werden. Denn hätte Jesus wirklich so konsequentvom Menschensohn gesprochen, warum sollte man dann in der synoptischenTradition keine Spur davon haben, daß man diese Menschensohnverkündi-gung Jesu akzeptierte? Und warum spielt dann der Menschensohn eine so

Lk 11,20:β/ έν δακτύλφ 9εοΰ άρα εφΘασεν εφ'

εγώ εκβάλλω τα ομάς ή βασιλεία

δαιμόνια χου 9εοΰ

73 Tödt aaO S. 61.74 AaO S. 205.75 Zur Frage der »Reapokalyptisierung« vgl. Erich Grässer: Das Problem der

Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte, in:Beih. ζ ZNW 22 (1957) S. 152 ff.

7 6 Sporadisch außerdem noch Apg 7,56; Hebr 2,6 (Zit. Ps 8); Apk 1,13 (Zit. Dan7,13); 14,14 (Zit. Dan 7,13). Diese Stellen sind jedoch für unser Problem ohne Be-deutung - vielleicht mit Ausnahme von Apg 7,56. - Zur Menschensohnchristologie imJohannesevangelium sh. S. Schulz: Untersuchungen zur Menschensohnchristologieim Johannesevangelium (1957) und Rudolf Schnackenburg: Der Menschensohn imJohannesevangelium, in: NTS 11 (1965) S. 123-137.

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unbedeutende Rolle als christologischer Titel im Urchristentum und in deralten Kirche? Diese gegensätzliche Verwendung ein und derselben Tatsachein der Beweisführung bleibt also merkwürdig. Wir stoßen hier auf die Apo-nen der ganzen Fragestellung.

Wenn nun nach Tödt und anderen die zweite und dritte Gruppe derMenschensohnsprüche nicht authentisch sind, so bedeutet dies, daß hinterdiesen Sprüchen die Gemeinde steht. Sie drückt demnach in dieser Weiseihr Bekenntnis aus: »Jesus ist der Menschensohn.«77 Aber was wird hiergesagt? Der Terminus Menschensohn war zur Zeit Jesu bekannt.78 Dies läßtsich nicht verneinen. Der Menschensohn der zweiten und dritten Gruppeist jedoch nicht mit dem jüdischen Menschensohn zu vergleichen, diese sindvielmehr Gegensätze. Man könnte natürlich annehmen, es hätte eine reichereKonzeption als die der jüdischen Apokalyptik gegeben, die wir z. B . durchdas äthiopische Henochbuch kennen. Aber dies ist nur eine Hypothese.Es verhält sich in der Tat mit dem Menschensohn nicht anders als mit denanderen christologischen Hoheitstiteln: Sie sind bekannte zeitgenössischeBegriffe, machen aber im Rahmen des Urchristentums einen radikalen Um-wandlungsprozeß durch. Es steht fest, die Menschensohnchristologie dersynoptischen Evangelien ist eine originale, selbständige Schöpfung. Undwir sind natürlich der Auffassung, Jesus sei hier der Anstoß, die prima causa,gewesen, und zwar durch sein Leben und Wirken.

Nach Bultmann war das Leben Jesu ein unmessianisches.79 Andere stim-men ihm bei. Wenn wir also diese Behauptung so verstehen, daß Jesusnicht der Messias in der traditionellen Bedeutung des Begriffs sein wollte,so dürften wohl die meisten Exegeten damit einverstanden sein. Wenn wirferner Tödt und anderen hypothetisch beipflichten, so hat sich Jesus auchnicht mit dem Menschensohn identifiziert. Aber hiermit werden wir ge-nötigt, Jesus ein messianisches Selbstbewußtsein überhaupt abzusprechen.Statt dessen können wir, wie Tödt und andere, von einem Sendungsbewußt-

77 Wir übersehen hierbei nicht die wichtige Beobachtung Hans Conzelmanns : »DerMenschensohn gehört nicht zum Credo. Das Credo spricht nie von der Parusie. DasCredo kann nicht sagen: Du bist der Menschensohn.« (Jesu självmedvetande, S. 51).

78 Vgl. Vielhauer: Jesus und der Menschensohn, S. 169: Dan 7 ist vorchristlich;nachchristlich dagegen 4 Esr 13, während die Bilderreden des äthHen (37-71) chrono-logisch nicht zu bestimmen sind. Zweifel an ihrer vorchristlichen Herkunft sind neuer-dings wieder durch die Tatsache wachgerufen worden, daß unter den in Qumran ge-fundenen zahlreichen Fragmenten des Henochbuchs kein einziges aus Kap. 37-71aufgetaucht ist. Mit Recht unterstreicht jedoch Vielhauer, daß die Überlieferungenhinter den Bilderreden alt sein können. Darum ist es berechtigt, sie als Quelle für diejüdischen Menschensohnvorstellungen zur Zeit Jesu anzusprechen. Vgl. auch C. H.Dodd: According to the Scriptures (1953) S. 116 ff.

79 Theologie, S. 28 ff.

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sein Jesu, einer impliziten Christologie Jesu, reden.80 Davon zeugen u.a.die angeführten Menschensohnsprüche, die sein irdisches Wirken betreffen.Wenn nun die Gemeinde die Ich-Worte in Menschensohnworte umwandelte,so bedeutet dies, daß »Menschensohn« hier kein gewöhnliches, schlichtesIch ersetzt, sondern ein Ich, das die Exousia Jesu zum Ausdruck bringensollte; denn wir haben schon früher betont, daß die Menschensohnworteeine emphatische Redeweise voraussetzen.

In diesem Zusammenhang ist auch der Prozeß Jesu aufs Ernsteste in Be-tracht zu ziehen, und es will mir scheinen, dieser Gesichtspunkt sei in derbisherigen Diskussion nicht befriedigend ausgewertet worden. Der in JesuWirken zum Ausdruck kommende Vollmachtanspruch muß also derartiggewesen sein, daß er als hinreichender Grund für die Anklagen gegen ihnverstanden werden konnte. Der Prozeß ist seitens der jüdischen Behördenein Religionsprozeß. Jeder Versuch, dies zu bestreiten, muß scheitern. Wennman also in Frage stellt, Jesus habe in irgendeinem Sinn Messianität bean-sprucht, so muß alles Gewicht darauf gelegt werden, sein irdisches Wirkenso zu verstehen, daß der Prozeß als unvermeidliche Folge hieraus hervor-geht. Mit anderen Worten: Jede Interpretation der Menschensohnsprüchemuß hinsichtlich ihrer Tragweite am Prozeß Jesu geprüft werden. Ja, dieserist geradezu der Probierstein.81

ΕΓΩ ΕΙΜΙ! Vielleicht ist das einfache Ich Jesu - symbolisch verstanden -der hinreichende Grund, um das Einmünden der vita Jesu in die Passions-geschichte verstehen zu können.82 Die Jünger haben wohl das Messiasge-heimnis geahnt, die Gegner aber haben gegen den Ketzer Verdacht gehegt.Der Prozeß Jesu ist jedenfalls ein messianischer; denn als Messias-Königwurde Jesus von den Römern verurteilt. Aber die Auferstehung des Ge-kreuzigten lieferte den Jüngern den Beweis, daß Jesus tatsächlich der Messiaswar. Hiermit beginnt die Geschichte des Christentums. Die Christologieist eine nachösterliche Schöpfung. Ohne das Ostergeschehen wäre sie nichtzu verstehen. Es fällt auf, je tiefer die Frage nach dem historischen Jesushinabdringt, desto mehr lenkt das Ostererlebnis die Aufmerksamkeit aufsich. Oder, etwas zugespitzt: je mehr man Jesus die messianischen Selbst-ansprüche abspricht, desto notwendiger wird die nachösterliche Christolo-gie, um dem geschichtlichen Jesus gerecht zu werden.

80 Vgl. R. E. C. Formesyn aaO S. 8 f. (mit Fußnoten).81 Vgl. W. C. van Unnik: Jesus the Christ, in: NTS 8 (1962) S. 101-116. Er betont

stark folgenden Gesichtspunkt: »Jesus' person and work must have given rise to Mes-sianic hopes of the restoration of Israel« (S. 111). Der Messiasglaube hat jedoch seinenGrund im irdischen Wirken Jesu: »The Resurrection was for them ( = the followersof Jesus) not the origin, but the confirmation of Messiahship« (S. 113).

82 Ethelbert Stauffer: Jesus. Gestalt und Geschichte (1957) S. 130 ff.

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»Wer sich meiner und meiner Worte schämt in diesem ehebrecherischenund sündigen Geschlecht, dessen wird sich der Menschensohn auch schämen,wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.«Bisweilen wird nun vorausgesetzt, Jesus und der Menschensohn seien inden Ich-MS-Logien zwei verschiedene Personen. Man stellt somit fest, einWort wie das obige könne keine Schöpfung der Gemeinde sein. Ergo mußes sich um ein authentisches Jesus-Wort handeln. Hat also Jesus sagenwollen, der kommende Menschensohn sei ein anderer als er? Von allenTheorien, die bis jetzt in der Diskussion über den Menschensohn ins Feldgeführt wurden, scheint mir nun diese die anstößigste zu sein. Und zwarnicht aus dogmatischen Gründen; davon ist nicht die Rede. Sondern ausexegetischen, historischen Gründen. Denn diese Interpretation widersprichtja den Grundlagen der Überlieferung. Und noch mehr: die Voraussetzungist hier falsch, sie macht sich zur petitio principii. Es ist nämlich durchausnicht selbstverständlich, daß die Ich-MS-Sprüche von zwei verschiedenenPersonen reden. Im Gegenteil; nichts ist leichter zu erkennen, als daß es hierum eine einzige Person geht, eben um Jesus, den Menschensohn.83 DerEvangelist Matthäus hat dies verstanden und demgemäß interpretiert.

Wenn wir nun aber annehmen, unser Logion sei authentisch, so kannJesus nicht gesagt haben: »Ich und der Menschensohn sind zwei von ein-ander völlig getrennte Personen.« Damit hat er aber auch nicht offen er-klärt: »Ich bin der kommende Menschensohn, derfilius hominis designatus.«Er hat also sein Wort nicht gedeutet, und es bleibt ein echt jesuanischesRätselwort, »zeichenhaft und doppeldeutig«84 wie so viele andere Jesus-worte. Jesus hat also nie gesagt: »Ich bin der und der.« Er hat in Bildernund Gleichnissen vom Hausherrn, vom Bräutigam, vom Sohn gesprochen,vielleicht auch vom »Menschensohn«. Aber er hat sein Rätsel nie gelöst.Die Antwort der Gemeinde lautet allerdings: »Jesus ist der Menschensohn.«Dies steht aber nicht in den Texten, nicht im Bekenntnis. Der »Menschen-sohn« ist überhaupt keine Vokabel der Bekenntnisformeln. Die Gemeindedagegen hat Jesus mit dem Menschensohn identifiziert, d.h. mit dem kom-menden Menschensohn; dann aber muß er auch der in der Gegenwart wir-kende, vor allem aber auch der leidende Menschensohn sein. Die Gemeindekennt also keine Diskontinuität. Hiermit aber wird eine seltsame Neuerungeingeführt, die herkömmliche Vorstellung löst sich aus ihren alten Bindun-

83 Vgl. Philipp Vielhauer: Jesus und der Menschensohn, S. 172: »Die Unterschei-dung Jesu und des Menschensohns bedeutet nicht die Unterscheidung zweier Perso-nen, sondern zweier »Status« derselben Person in diesem und im künftigen Äon.«Sh. auch Howard M. Teeple: The origin of the Son of man Christology, S. 217.

84 Der Ausdruck stammt von Stauffer (Jesus. Gestalt und Geschichte, S. 24).

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gen und wird mit einem ganz neuen Inhalt erfüllt. Das archäologische Gutder jüdischen Apokalyptik, dessen Bruchstücke und Fragmente helfenuns also hier nicht weiter. Wir wissen, wer der Menschensohn ist: derDiener und Freund der Sünder. Dies aber ist kein Mythus, sondern Ge-schichte.

Kein einziges Mal sagt Jesus selbst: »Ich bin der Menschensohn.«8s - »Dubist der Messias, bist der Sohn Gottes, bist der Sohn Davids,« so sagen dieJünger, die Besessenen, das Volk. Aber kein einziges Mal sagen sie: »Dubist der Menschensohn.« Darin liegt das Rätsel. Das Menschensohngeheim-nis ist also größer als das Messiasgeheimnis. Wir müssen es zugeben: wirsind nicht imstande, das Rätsel zu lösen. Zeichen steht gegen Zeichen. DerUrsprung ist dunkel, aber das Ergebnis wird hell: Keine Beschreibung desLebens Jesu ist klarer, eindeutiger, menschlicher und umfassender als diecircumlocutio Jesu: »der Menschensohn«.

Die Menschensohnchristologie der Synoptiker ist also eine wunderbareSchöpfung. Sie umfaßt die ganze Wirklichkeit der Geschichte sowie desGlaubens: das irdische Leben Jesu, das Leiden, den Tod, die Auferstehung- und seine Parusie. Sowohl das Menschliche wie das Göttliche, das Natür-liche wie das Übernatürliche sind in diesem Terminus untrennbar miteinan-der verschlungen und aufeinander bezogen.

Nur ist es nicht so, daß die Christologie dem irdischem Leben Jesu dasRelief abgäbe. Aus der Christologie können wir vielmehr etwas über JesuErdenleben lernen, über den Jesus der Geschichte. Gerade diese Entdeckung,daß die Christologie einen komplizierten Entwicklungsprozeß durchgemachthat und dabei auf palästinensischem Boden verschiedene Vorstellungen hatin Anspruch nehmen müssen, um das Erdenleben Jesu, sein Leiden undsein Sterben zu deuten, ist das Zeugnis historischer Tatsachen, die mit Hilfeeiner einzigen Vorstellung nicht zu ihrem Recht hätten kommen können.Dies wird besonders deutlich an der Menschensohnvorstellung, die in ihrerstufenweise vollzogenen Anwendung auf die verschiedenen Komplexe derJesus-Christus-Geschichte nicht wenig dazu beigetragen hat, die voröster-liche Geschichte gerade durch diese Form der Christologisierung zu schrei-ben. Das Evangelium ist eben die Geschichte des Menschensohnes.

(Abgeschlossen im Nov. 1966.)86

85 Dagegen findet sich diese Formel in der apokryphen Tradition (Johannis Evan-gelion apocryhon, XXII, 2).

86 Dieser Aufsatz sei noch nachträglich Ethelbert Stauffer zu seinem 65. Geburtstagam 8.5. 1967 gewidmet. Er sollte zu diesem Tag in einer Festschrift erscheinen, dienicht zustandekam.

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