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Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 1 An Regierung von Oberbayern 80534 München Ihr Zeichen 24.2-8262-1/05 vom 24.08.2006 Unser Zeichen VE-FV/MUC3 /stgn vom 09.11.2006 Raumordnungsverfahren für eine 3. Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens München; Einleitung des Verfahrens hier: Stellungnahme und Einwendung des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) Sehr geehrte Damen und Herren, wir bedanken uns für die Beteiligung als anerkannter Naturschutzverband an o.g. Verfahren und nehmen wie folgt Stellung. Unsere Stellungnahme gilt auch als eine Einwendung im Sinne der direkt anwendbaren EU-Richtlinie 2003/35 sowie im Sinne unserer Betroffenheit als Grundstückseigentümer. Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das o.g. Vorhaben strikt ab. Das Vorhaben ist nicht begründet, stellt einen erheblichen, vermeidbaren, nicht ausgleichbaren Eingriff in Natur und Landschaft und ist weder nach Bayerischem Naturschutzgesetz noch der UVP-Richtlinie genehmigungsfähig. Die Bedarfsbegründung ist als unbegründet und fehlerhaft zurückzuweisen. Es liegen Verfahrensfehler vor durch das Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung mit Umweltbericht, durch das Fehlen einer tatsächlichen ergebnisoffenen Alternativenprüfung, durch das Fehlen detaillierter FFH-Verträglichkeitsprüfungen sowie durch das Fehlen artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen. Die vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfung ist in vielen Punkten in der Erfassung unzureichend und in der Bewertung grob verharmlosend, insbesondere in den Punkten Lärm, Luftqualität, Natur und Landschaft, Biologische Vielfalt und Wasserhaushalt. Das Verfahren ist einzustellen. Der verfehlten Wachstumsmanie des Münchner Flughafens muss endlich ein Ende gesetzt werden. Die Belastungen für die Menschen und die Natur des Münchner Umlandes und des Erdinger Mooses sind bereits heute grenzwertig und dürfen nicht zugunsten eines internationalen, aber keineswegs regional begründeten – und generell zweifelhaften - Wachstums weiter erhöht werden. Auch mit der Notwendigkeit des Klimaschutzes ist ein weiteres Wachstums des Flugverkehrs nicht zu vereinbaren. Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) Fachabteilung München Pettenkoferstraße 10a/I 80336 München Tel.: 089/548298-63 [email protected] www.bund-naturschutz.de

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Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 1

An Regierung von Oberbayern

80534 München

Ihr Zeichen 24.2-8262-1/05

vom 24.08.2006

Unser Zeichen VE-FV/MUC3 /stgn

vom 09.11.2006

Raumordnungsverfahren für eine 3. Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens

München; Einleitung des Verfahrens

hier: Stellungnahme und Einwendung des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Beteiligung als anerkannter Naturschutzverband an o.g. Verfahren

und nehmen wie folgt Stellung. Unsere Stellungnahme gilt auch als eine Einwendung im

Sinne der direkt anwendbaren EU-Richtlinie 2003/35 sowie im Sinne unserer Betroffenheit

als Grundstückseigentümer.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das o.g. Vorhaben strikt ab. Das

Vorhaben ist nicht begründet, stellt einen erheblichen, vermeidbaren, nicht

ausgleichbaren Eingriff in Natur und Landschaft und ist weder nach Bayerischem

Naturschutzgesetz noch der UVP-Richtlinie genehmigungsfähig.

Die Bedarfsbegründung ist als unbegründet und fehlerhaft zurückzuweisen.

Es liegen Verfahrensfehler vor durch das Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung

mit Umweltbericht, durch das Fehlen einer tatsächlichen ergebnisoffenen

Alternativenprüfung, durch das Fehlen detaillierter FFH-Verträglichkeitsprüfungen

sowie durch das Fehlen artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen.

Die vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfung ist in vielen Punkten in der Erfassung

unzureichend und in der Bewertung grob verharmlosend, insbesondere in den

Punkten Lärm, Luftqualität, Natur und Landschaft, Biologische Vielfalt und

Wasserhaushalt.

Das Verfahren ist einzustellen.

Der verfehlten Wachstumsmanie des Münchner Flughafens muss endlich ein Ende

gesetzt werden. Die Belastungen für die Menschen und die Natur des Münchner

Umlandes und des Erdinger Mooses sind bereits heute grenzwertig und dürfen nicht

zugunsten eines internationalen, aber keineswegs regional begründeten – und

generell zweifelhaften - Wachstums weiter erhöht werden. Auch mit der Notwendigkeit

des Klimaschutzes ist ein weiteres Wachstums des Flugverkehrs nicht zu vereinbaren.

Bund Naturschutz in

Bayern e.V. (BN)

Fachabteilung München

Pettenkoferstraße 10a/I

80336 München

Tel.: 089/548298-63

[email protected]

www.bund-naturschutz.de

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 2

Wir begründen dies im folgenden ausführlich. Die Begründung ist wie folgt gegliedert:

1. Zusammenfassung

2. Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung

3. Fehlende Planrechtfertigung

3.1. Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und der Landesplanung

3.2. Beurteilung der derzeitigen Kapazität

3.3. Unzureichende Methodik und Fehler im Prognosegutachten von Intraplan

3.4. Falsche Unternehmensstrategie zu Lasten des Umlandes

3.5. Fazit: Kein Bedarf für eine 3. Start- und Landebahn

4. Unzureichende Alternativenprüfung

5. Unzureichende Prüfung überregionaler Auswirkungen (Klimawirksamkeit)

6. Verstoß gegen Schutzbestimmungen nach Arten- und Naturschutzrecht,

Umweltverträglichkeit

6.1. Grundsätzliche Kritik an der Methodik

6.2. Nicht ausgleichbare Eingriffe in Flora und Fauna, Biotope

6.3. Verstoß gegen die artenschutzrechtliche Bestimmungen für geschützte Arten

6.4. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Boden

6.5. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Wasser

6.6. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Mensch (Lärm, Luft, Erholung) und

Landschaft

7. Fehlen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung, Defizite der Verträglichkeitsbetrachtung

7.1. Fachliche Defzite in der Darstellung und Bewertung der Auswirkungen:

7.2. Unzureichende Summationsprüfung und Darstellung der Auswirkungen auf die Kohä-

renz

7.3. Fehlende Beurteilung der Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen, der Erheblichkeit, der

Alternativenprüfung nach EU-Recht

8. Schlussbetrachtung

Da in der Kürze der Zeit jedoch keine umfangreiche Überprüfung aller vorgelegten Daten

vorgenommen werden konnte, behalten wir uns weitere Ergänzungen vor.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 3

1. Zusammenfassung

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt das o.g. Vorhaben aus folgenden

Gründen strikt ab:

1. Planungsfehler

Die Planungsunterlagen sind in zentralen Punkten fehlerhaft: es fehlt eine Strategische

Umweltprüfung/ Umweltbericht, es fehlt eine ergebnisoffene Alternativenprüfung (insbe-

sondere Überprüfung der Null-Variante), es fehlt eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, es fehlt

eine Überprüfung der Betroffenheit des Artenschutzrechtes (besonders/ streng geschützte

Arten).

2. Klimaschutz

Die Belange des Klimaschutzes werden fahrlässig missachtet. Die CO2-Emissionen aus

dem Luftverkehr sind in Deutschland im Kyoto-Berichtszeitraum zwischen 1990 und 2004 um

über 50 % gestiegen. Der Luftverkehr hat heute schon einen Anteil von 9 % am weltweiten

Klimawandel, prognostiziert wird für 2020 bei Fortsetzung des bisherigen Wachstums ein

Anteil von 15 %. Die Ausweitung des Flugverkehrs, und damit auch eine 3. Start- und Lan-

debahn ist daher mit den Belangen und Zielen des Klimaschutzes nicht vereinbar.

3. Landesentwicklung und Raumordnung

Durch das Vorhaben würde gegen zahlreiche Grundsätze und Ziele der Landesentwick-

lung und der Regionalplanung verstoßen werden, während das Ziel der 3. Start- und Lan-

debahn nicht explizit im Landesentwicklungsprogramm steht. Die Planung geht zudem über

die Vorrangfläche des LEP hinaus.

Der einseitige Bezug der vorgelegten Planung auf wirtschaftliche und verkehrliche Ziele

missachtet die nötige gleich- bzw. sogar höherrangige Gewichtung anderer Belange, insbe-

sondere des Menschenschutzes (Lebensqualität, Lärm, Schadstoffbelastung u.a.), des Res-

sourcenschutzes, des Natur- und Landschaftsschutzes, des Freiraumschutzes, des Klima-

schutzes und des Zieles der gleichwertigen Lebensverhältnisse und räumlich ausgewogenen

Bevölkerungsentwicklung in Bayern. Das Vorhaben dient einzig und allein der maximalen

Kapazitätserweiterung zur Erfüllung der expansiven Ziele der Lufthansa durch Induzieren

neuer zusätzlicher – nicht aus der Region stammender – Nachfrage durch eine Stärkung der

Hub-Funktion. Würde diesem Ziel der Vorrang eingeräumt werden gegenüber den zahlrei-

chen anderen negativ betroffenen Belangen, wäre dies ein massiver Abwägungsfehler aus

Sicht der Landes- und Regionalplanung.

Auch würde das Vorhaben übergeordneten bundesweiten Zielsetzungen widersprechen, die

sich aus Verpflichtungen zum Klimaschutz, aus der Nachhaltigkeitsstrategie oder aus der

Biodiversitätsstrategie ergeben.

4. Bedarfsprognose

Die Bedarfsbegründung ist in zentralen Annahmen fehlerhaft und willkürlich und als unbe-

gründet zurückzuweisen. Die Kapazität wird durch die Berechnungen künstlich reduziert, die

„Arbeitshypothese der Engpassfreiheit“ ist willkürlich, es existieren vom gleichen Gutachter

unterschiedliche Aussagen zur Prognostizierbarkeit für den Zeitraum 2020. Das Gutachten

von Intraplan geht von folgende falschen Annahmen als Grundlage für die Prognosen aus:

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 4

• Rohölpreise auf gleich bleibendem Niveau des Preisstandes 2004 bzw. geringer Ein-

fluss der Rohölpreise auf die Flugticketpreise (29 $/ Barrel für 2030). Realität ist, dass

der Rohölpreis schon 2006 mit z.T. über 78 $/ Barrel wesentlich höher war.

• gleichbleibende/ steigende Nachfrage bei den mittleren Einkommensschichten. Damit

bleiben die Auswirkungen bundesdeutscher Reformen und des demografischen

Wandels unberücksichtigt.

• durchschnittliches Wirtschaftwachstum in Deutschland von 2% pro Jahr bis 2020.

Realität ist, dass dieser Wert seit 1993 erst 4 mal erreicht wurde und dass zudem ei-

ne derart genaue Prognose bis 2020 generell sehr fraglich ist.

• die Realisierung zahlreicher Verkehrserschließungen wie Transrapid (mit 1,6 Mio.

Fahrgästen), Ringschluss Erding oder Neufahrner Kurve wird als Voraussetzung für

die Prognosen angenommen. Realität ist, dass deren Realisierung keineswegs sicher

ist.

• Völlig unberücksichtigt bleiben in der Fluggast-Prognose der Ausbau anderer Flug-

häfen (FFM, BBI) und der Neubau des gigantischen Drehkreuzes in Dubai.

Alle diese Annahmen lassen sich widerlegen. Dazu kämen noch mögliche Auswirkungen

einer Abschaffung der Steuervorteile für den Flugverkehr (z.B. Kerosin-Steuer), die ebenfalls

nicht berücksichtigt wurden. Auch wurden aktuelle Studien zum Verdrängungswettbewerb

und zu Überkapazitäten an den Flughäfen nicht berücksichtigt. Es werden sich somit sowohl

die Flugreisen stark verteuern, als auch die Nachfrage nicht annähernd in dem von Intraplan

prognostizierten Ausmaß steigern. Daraus ergibt sich, dass die Prognosen von Intraplan

falsch sind. Damit entfällt die Begründung für das Vorhaben.

Es wird von einem „Idealzustand“ ausgegangen, es werden die jeweils günstigsten aller vor-

handenen Prognoseparameter angenommen, die eher dem Wunschdenken als den realen

Möglichkeiten entsprechen. Bei gleichzeitiger Nichtbeachtung aller „Störfaktoren aus der

Wirklichkeit“ kommen die Gutachter zu dem von ihnen geforderten Ergebnis.

Neben den fehlerhaften Prognosen ist festzustellen, dass die Ausweitung hauptsächlich

durch Erhöhung des Umsteigeranteils (von 33 % auf 45 %) erzielt werden soll. Es soll ein

internationales Drehkreuz etabliert werden, ohne dass MUC über das entsprechende Ein-

zugsgebiet verfügt. Der Bedarf aus der Region kann problemlos mit dem derzeitigen System

erfüllt werden. Wie Intraplan ausführt, entstünde ein Großteil der prognostizierten Nachfrage

überhaupt nur durch den Ausbau und einer entsprechenden Angebotserweiterung. Daraus

folgt: Die dritte Start- und Landebahn würde einen Bedarf decken, der ohne sie gar nicht erst

entstünde. Eine Maßnahme, die aus ihren eigenen Folgen die Begründung für ihre

Notwendigkeit herleitet, ist schlicht und ergreifend Unfug.

Der angebliche Kapazitätsengpass ist somit hausgemacht und liegt einzig und allein an den

rücksichtslosen Expansionsplänen der FMG und einer völlig verfehlten Strategie der Unter-

nehmensführung, die zu Lasten des Flughafenumlandes geht. Die FMG ist offenbar bestrebt,

willfährig alle Wünsche der Lufthansa zu erfüllen: Expansion um jeden Preis, die Kosten

haben die Steuerzahler und die Belastungen die Menschen im Umland zu tragen.

Als falsch, unbegründet und rücksichtslos muss die Aussage: „Die Aufrechterhaltung des

Status quo stellt kein Planungsziel dar, das vor den Vorgaben des ROG, des Landespla-

nungsgesetzes und namentlich der Zielbestimmungen des Landesentwicklungsprogrammes

Bayern 2006 Bestand hat“ (Antrag S. 26) zurückgewiesen werden.

Insgesamt gibt es keine schlüssige Argumentation für die Annahme eines zukünftigen

großen Wachstums an Flugpassagieren. Damit entfällt die Begründung für das Vorha-

ben.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 5

5. Umweltverträglichkeit

Die Umweltverträglichkeitsstudie ist sowohl in der Erfassung als auch in der Bewertung

unzureichend:

• Die Datengrundlage als Basis der Darstellung ist unvollständig und defizitär.

• Es fehlt eine Alternativenprüfung.

• Einige Einflussfaktoren (z.B. Lärm für Tiere, Vogelschlag) werden fehlerhafterweise nicht

als Wirkfaktoren betrachtet.

• Als Vergleichsbasis für die Bewertung der Eingriffe wird bei allen indirekten Wirkungen

nicht der Ist-Zustand, sondern der Prognosenullfall im Jahr 2020 herangezogen, sowohl

in der UVS als auch bei den Ausführungen zur FFH-Verträglichkeit. Dies ist unzulässig.

• Die negativen Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch (Lärm), Luftqualität, Erholung,

Biotope, Flora, Fauna, Biologische Vielfalt und Wasser sind gravierender als in der UVS

dargestellt. Die UVS reduziert den Haupteingriff auf das Schutzgut Natur auf den direkten

Flächenverbrauch und missachtet damit weitere Konfliktschwerpunkte insbesondere mit

den Funktionsbeziehungen, der Fauna oder dem Gewässersystem. Negative Auswirkun-

gen auf das Gewässersystem/ Grundwasser werden unter keineswegs sicheren Annah-

men als gering bewertet. Die Grenzwerte für die Betroffenheit durch Lärm sind zu niedrig.

Die Belastung durch Luftschadstoffe (v.a. NOx, Stickstoffeinträge, Feinstaub) wird unzu-

lässigerweise durch Vergleich mit der Hintergrundbelastung relativiert, obwohl oberstes

Primat hier eine strikte Vermeidung weiterer Schadstoffe sein muss. Dies umso mehr, als

für etliche Schadstoffe von der WHO erst vor kurzem eine noch weitere Verschärfung der

Grenzwerte vorgeschlagen wurde.

• In der Bewertung einzelner Schutzgüter bzw. einzelner landschaftsökologischer Raum-

einheiten bleiben wesentliche Faktoren unberücksichtigt, so dass in der UVS fehlerhafte

(i.d.R. zu geringe) Bewertungen erfolgen. Entsprechend ergeben sich (Folge-)Fehler in

der Konfliktabschätzung, die in etlichen Punkten zu niedrig ausfällt.

• Die Bewertung der Lärmbelastung ist methodisch unzureichend.

• Die vorhandenen Belastungen (Vorbelastung) werden zu wenig berücksichtigt, sie wer-

den fehlerhafterweise als Begründung für eine zusätzlich nur geringe weitere Ver-

schlechterung herangezogen.

• Die Zusatzbelastungen durch die Zunahme des Verkehrs und der Siedlungs-/ Gewerbe-

fläche in der ganzen Region sowie Folgewirkungen wie sekundärer Landverbrauch wer-

den zu gering bzw. überhaupt nicht eingeschätzt.

• Die Darstellung der Summationswirkung und der kumulativen Wirkungen aller Faktoren

ist unzureichend bzw. fehlt völlig.

• Die Eingriffe werden fälschlicherweise als ausgleichbar bzw. ersetzbar bezeichnet.

Die UVS ist insgesamt als stark verharmlosend zu bezeichnen, tatsächliche Ver-

schlechterungen werden kleingerechnet, die Konflikte werden unterbewertet und die Er-

heblichkeit der Eingriffe wird deutlich zu niedrig bewertet. Die Planung würde gegen zahlrei-

che Zielsetzungen von Fachplänen des Naturschutzes, von landschaftlichen Vorbehaltsge-

bieten, von Schutzgebieten und eines Grünzuges verstoßen. Eine Ausgleichbarkeit ist

nicht möglich, wie auch das Scheitern zahlreicher Ausgleichsmaßnahmen bzw. des Aus-

gleichskonzeptes zum bestehenden Flughafen verdeutlicht. Auch ist kein funktionaler Ersatz

für die völlig Entwertung und Zerstörung des nördlichen Erdinger Mooses möglich.

Dem Fazit der UVS, dass das Vorhaben durch Vermeidungsmaßnahmen „umweltverträglich

verwirklicht werden kann“ ist deutlich zu widersprechen. Dieses Fazit ist eine grobe Miss-

achtung der negativen umweltrelevanten Auswirkungen (von der Klimarelevanz des Flugver-

kehrs bis zum Verlust der Landschaft) und ebenso der negativen sozialen und lebensquali-

tätsbedeutsamen Auswirkungen der Planung.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 6

Nach Art. 6a (1) Satz 1 BayNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet,

vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Unvermeidbare

Beeinträchtigungen müssen vorrangig ausgeglichen oder ggf. ersetzt werden. Weder ein

Ausgleich noch ein Ersatz des beantragten Vorhabens ist möglich. Das Vorhaben ist zudem

unbegründet und daher vermeidbar. Es muss daher unterlassen werden.

6. Gesamtbetrachtung

Es würde in unverhältnismäßiger unzumutbarer Weise in allgemeine öffentliche Be-

lange (Wasserhaushalt, Bodenschutz, Natur- und Landschaftsschutz) und in private

Schutzgüter wie Gesundheit und Eigentum eingegriffen werden. Diese Belange sind in

ihrer Gesamtheit so gewichtig, dass sie gegenüber dem – noch dazu fehlerhaft und

falsch begründeten angeblichen Bedarf in der Raumordnung eindeutig höher zu ge-

wichten sind.

Als völlig untauglich erweisen sich daher auch die Hinweise der FMG auf die diversen Ge-

richtsurteile: „Ein Vorhaben ist – auch nach den Maßgaben des für das später zu führende

Fachplanungsverfahren maßgeblichen Luftverkehrsgesetzes – vernünftigerweise geboten,

wenn das Vorhaben „einer Bedarfslage gerecht wird, die zwar noch nicht eingetreten ist,

aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit er-

wartet werden kann“ (BVerwG, U. vom 20.04.2005, Nr. 4 C 18.03, S. 16 der Urteilsausferti-

gung – Flughafen München, eigene Hervorhebung). Eben genau diese „hinreichende Si-

cherheit“ ist im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben.

Daher ist das geplante Vorhaben einer 3. Start- und Landebahn am Flughafen München aus

verkehrspolitischen, raumplanerischen, klimarelevanten sowie naturschutzfachlichen, natur-

schutzrechtlichen, artenschutzrechtlichen Gründen abzulehnen. Wegen der Belastung für die

Menschen sprechen auch gesellschaftspolitische und soziale Gründe gegen das Vorhaben.

Eine überzeugende Begründung für das Vorhaben ist nicht gegeben und somit keine Über-

windung der dem Vorhaben entgegenstehenden Belange möglich.

Das Vorhabens ist insgesamt nicht genehmigungsfähig.

Das Verfahren ist einzustellen.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 7

2. Fehlen einer Strategischen Umweltprüfung

Nach dem aktualisierten UVP-Gesetz (zuletzt geändert 15.07.2006) ist die Strategische

Umweltprüfung (SUP) für Ausbaupläne nach § 12 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes wie auch

für Raumordnungsverfahren nach den § 8 und 9 des Raumordnungsgesetzes (Anlage 3

UVPG) sowie generell bei UVP-pflichtigen Plänen und Programmen (§ 14c UVPG)

anzuwenden. Die SUP-Richtlinie ist unmittelbar anzuwenden. Die Verpflichtung gilt für

Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt nach dem 20. Juli 2004

erfolgte, uneingeschränkt. Dies ist für die geplante Flughafen-Erweiterung der Fall.

Gemäß Art. 3 (2)a der RL 2001/42/EG vom 27.06.2001 ist eine Umweltprüfung bei allen

Plänen und Programmen vorzunehmen, die u.a. in den Bereichen Verkehr ausgearbeitet

werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung bestimmter Projekte

gesetzt wird. Dies ist hier der Fall.

Eine SUP umfasst verschiedene Schritte nach UVPG § 14e ff. Ein zentrales Element ist der

Umweltbericht mit den „voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen .... sowie

vernünftiger Alternativen“ (UVPG § 14g (1)). Die Öffentlichkeit ist ausreichend zu beteiligen.

Die Behörde muss anschließend den Umweltbericht „unter Berücksichtigung der ihr ....

übermittelten Stellungnahmen und Äußerungen“ (UVPG § 14k (1)) überprüfen. Das Ergebnis

der Überprüfung ist „im Verfahren zur Aufstellung oder Änderung des Plans oder

Programmes zu berücksichtigen“ (UVPG § 14k (2)).

Zwar kann die SUP mit anderen Prüfungen (wie der UVP) verbunden werden, die in der

vorliegenden Planung vorgelegte UVS enthält aber keinen Hinweis auf die SUP und

erfüllt auch nicht die Anforderungen der SUP:

• sie enthält keinen eigens gekennzeichneten Umweltbericht,

• die Alternativenprüfung ist unzureichend,

• es fehlen Überwachungsmaßnahmen für die erheblichen Umweltauswirkungen,

• die Öffentlichkeit hatte keine Möglichkeit der Beteiligung/ Äußerung vor Aufstellung

des gesamten Ausbauplanes.

Die Alternativenprüfung der SUP wäre der geeignete Rahmen für das Vorlegen einer

Gesamtstrategie zur Vermeidung von Flugverkehr und der möglichen Verlagerung von

Teilen der Flugverkehre auf umweltfreundliche Verkehrsträger. Der tatsächliche Bedarf an

Flugverkehr müßte im Rahmen einer Gesamtstrategie beurteilt werden. Die in der

vorgelegten Planung einseitig begründete und künstlich produzierte Steigerung der

Nachfrage durch Vermehrung des Umsteigeranteiles wäre in einer SUP im Rahmen der

Alternativenprüfung und im Rahmen einer Gesamtstrategie stark zu hinterfragen.

Auch wäre die SUP der richtige Rahmen für eine umfassende vorausschauende Prüfung

hinsichtlich der Entwicklung des Raumes. Hier wären auch Summationswirkungen und

kausale Zusammenhänge verschiedener Projekte in einem Raum zu prüfen. Das Fehlen

einer derartigen übergeordneten Betrachtung des Vorhabens ist ein grober Fehler, die

unzureichende kumulative Betrachtung der UVS (S. 188) leistet diese Funktion nicht.

Kausale Zusammenhänge zwischen Flughafen-Entwicklung, Verkehrsentwicklung

(zahlreiche Projekte im Raum), Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung bis hin zu den

finanziellen Auswirkungen auf Kommunen (Sekundärwirkung), den Entwicklungen in der

Landwirtschaft (Sekundärwirkung Intensivierung im Umfeld, Umstrukturierungen) und

anderer Folgewirkungen werden an keiner Stelle der Planung explizit in ihrer

Summationswirkung dargestellt, sondern immer nur im einzelnen Schutzgut (und auch

dabei vielfach defizitär, s.u.).

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 8

3. Fehlende Planrechtfertigung

Die FMG begründet den Antrag auf Durchführung eines Raumordnungsverfahrens für eine 3.

Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens München auf über 60 Seiten.

3.1. Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und Landesplanung

In den Unterlagen findet sich zur Begründung ein allgemeiner Verweis auf das Raumord-

nungsgesetz (ROG) und das Luftverkehrsgesetz. Dies ist unseres Erachtens für die konkrete

Prüfung wenig dienlich, da diese Gesetze als sektorale Fachgesetze nur eine Zielsetzung

verfolgen, die nicht von Haus aus bei der Prüfung anderer Interessen für jeden konkreten

Einzelfall im Vordergrund stehen kann.

Vielmehr widerspricht das Vorhaben dem Raumordnungs-Gesetz (ROG), insbesondere

den Leitvorstellungen und Grundsätzen der

• § 1 Abs. 2, Nr. 2: „die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln“

• und Nr. 6: „gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen herzustellen“

• und § 2 Abs. 2, Nr. 2: „Die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts im besiedelten und un-

besiedelten Bereich ist zu sichern. In den jeweiligen Teilräumen sind ausgeglichene wirt-

schaftliche, infrastrukturelle, soziale, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustre-

ben“.

• und Nr. 8: „Die Naturgüter, insbesondere Wasser und Boden sind sparsam und scho-

nend in Anspruch zu nehmen.“

Darüber hinaus widerspricht das Vorhaben den Grundsätzen des Art. 2 Nr. 3 („möglichst

gleichwertige und gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen“) des Bayerischen Landespla-

nungsgesetz.

Das Vorhaben widerspricht dem alten und neuen Bayerischen Landesentwicklungspro-

gramm (LEP).

Erstes und somit oberstes Ziel des LEP ist: „Zur Sicherung der Lebenschancen künftiger

Generationen soll Bayern in seiner Gesamtheit und in seinen Teilräumen dauerhaft umwelt-,

wirtschafts- und sozialverträglich entwickelt werden. Gleichwertige und gesunde Lebens- und

Arbeitsbedingungen in allen Lebensteilen sollen geschaffen und erhalten werden.“ (A I 1 1.1)

Diesem Ziel haben sich alle nachrangigen Ziele und Grundsätze, auch die von der FMG in

ihrer Antragsbegründung aufgeführten Beispiele, unterzuordnen. Das Flughafenumland ist

bereits jetzt durch den Flugbetrieb außerordentlich hoch belastet. Die negativen gesundheit-

lichen Folgen von Lärm sind weltweit unbestritten. Von gleichwertigen und gesunden Be-

dingungen kann im Flughafenumland jetzt schon keine Rede mehr sein, geschweige

denn bei einem weiteren Ausbau. Allein schon aus diesem Grund ist das Vorhaben abzu-

lehnen. Der weitere Ausbau des Flughafens würde enorme zusätzliche Belastungen mit

schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen bedeuten.

Zur Sicherung der gleichwertigen Arbeitsbedingungen ist anzumerken, dass die Arbeitslo-

senquote in Freising recht gering (aktuell fast Vollbeschäftigung) und vom Flughafen relativ

unabhängig ist (Abb. 1). Die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Sicherung gleichwertiger Ar-

beitsbedingungen ist gerade in diesem Raum weniger nötig als anderswo. Die Schaffung von

Arbeitsplätzen hier kann nur durch Umverteilungen erfolgen, d.h. den Abzug von Arbeitsplät-

zen aus anderen Regionen.

Darüber hinaus muss darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitsplatz-Zuwächse v.a. im

erheblich durch Lärm belasteten Gebiet erfolgen werden. Dies ist aus gesundheitlichen

Gründen nicht verantwortbar (s.u.). Die nötigen neuen Siedlungsstrukturen werden vorwie-

gend außerhalb der lärmbelasteten Zonen entstehen, was zu einer weiteren Zunahme der

Verkehrsbelastung des gesamten Raumes führen wird.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 9

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5

1991 1992 1993 1995 2000 2002 2004

Abb. 1: Arbeitslosenquote im Arbeitsamtsbezirk Freising seit Eröffnung des Flughafens

Auch ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der zunehmenden Konkurrenzsituation und

vor dem Hintergrund des enormen Rationalisierungsdruckes die Beschäftigungseffekte in

der in der Planung dargestellten Höhe stark zu bezweifeln sind. Bereits aktuell wird ein

branchenweiter Preisverfall für Bodenabfertigungsdienste festgestellt, Lohnsenkungen sind

festzustellen. Dass außerdem 9000 Arbeitsplätze durch Zunahme fast ausschließlich der

Umsteiger entstehen sollen bei kaum geringerer Beschäftigungsintensität (735 Beschäftigte

pro 1 Mio Fluggäste, im Vergleich zum Prognosenullfall mit 764), ist ebenfalls stark anzu-

zweifeln.

Das Vorhaben wird daher insgesamt keine positiven Auswirkungen auf die Wirtschafts-

struktur haben, wie dies im Antrag Kap. 8.1. ausgeführt wird. Die direkten Beschäftigungs-

effekte dürften zum einen erheblich niedriger ausfallen als prognostiziert und führen zum an-

deren in der Region (quasi derzeit schon Vollbeschäftigung im Arbeitsamtsbezirk Freising)

nur zu Folgebelastungen.

Im Gegenteil widerspricht eine Konzentration der Investitionen und der daraus resul-

tierenden Arbeitsplätze in diesem Raum dem Primat gleichwertiger Lebensbedingun-

gen und einer dezentralen Wirtschaftsstruktur in allen Landesteilen, wie es das LEP

und das ROG vorsieht. Außerdem widerspricht diese Konzentration dem Grundsatz

einer räumlich ausgewogenen Bevölkerungsentwicklung des Landes.

In folgenden weiteren Punkten enthält das LEP Zielaussagen zum Schutz von Mensch

und Natur:

Ökologische Standortqualität:

Weiterhin ist als Grundlage der raumstrukturellen Entwicklung im LEP (AI, 1.1) festgelegt,

dass die ökologische Standortqualität als ökonomischer Standortfaktor zu sichern ist.

Durch die Ausweitung des Flugverkehr wird die ökologische Qualität im großräumigen Flug-

hafenumland noch weiter verschlechtert, als wie es bisher schon der Fall ist.

Von einer Gleichrangigkeit der Ökonomie, der Ökologie und des Sozialwesens wie in Ziel AI,

2, 2.1 festgelegt ist kann in der Region München keine Rede mehr sein.

Suburbanisierung:

Ein weiterer Infrastrukturausbau am Flughafen widerspricht im weiteren dem Grundsatz „Su-

burbanisierungstendenzen entgegenzuwirken“ (AI, 3.2.3).: Der neue Verkehrsknotenpunkt

ist nicht mehr im Herzen der Stadt angesiedelt und unterstützt so mit seinen Multipli-

katoreneffekten weniger die lokale Wirtschaft in der Stadt, sondern führt mit seinen nachgela-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 10

lagerten Gewerbe- und Infrastruktureinrichtungen zu einer großflächigen Suburbanisie-

rung und Zersiedelung des Stadtumlandes, wie dies v.a. in den Gemeinden zwischen

München und dem Flughafen zu beobachten ist.

Zentrale Orte:

Ein weiterer Ausbau des Flughafens widerspricht außerdem dem Zentrale Orte Konzept:

Besonders im Bezug auf Einzelhandelsfunktionen nimmt die „Zwischenstadt“ Flughafen,

welche nicht als zentraler Ort ausgewiesen ist, den zentralen Orten im Flughafenumland er-

heblichen Einzelhandelsumsatz ab und verringert damit deren Zentralitätsfunktionen.

Verkehrsinfrastruktur:

Das LEP sieht vor, die notwendige Mobilität umweltschonend zu gewährleisten und umwelt-

freundliche Verkehrsträger bevorzugt zu stärken (BV 1.1.1). Der Flugverkehr gehört zu den

am meisten umweltbelastenden Verkehrsträgern (Klimakiller Nr. 1, Lärm, s.u.).

Einem Ausbau umweltverträglicher Verkehrsmittel müsste damit laut LEP absoluter Vorrang

eingeräumt werden. Mit der Flughafenerweiterung geschieht das Gegenteil.

Natur- und Landschaft, Gewässerschutz, Moorschutz:

Der extrem flächenbeanspruchende Ausbau, steht dem Grundsatz der Sicherung der natürli-

chen Lebensgrundlagen diametral entgegen: Grundsatz BI, 1.1 sieht vor:

„Um die biologische Vielfalt in Natur und Landschaft zu erhalten und zu entwickeln,ist es von

besonderer Bedeutung, dass die Naturgüter Boden, Wasser, Luft/Klima, Pflanzen- und Tier-

welt in ihrer Funktion und ihrem dynamischen Zusammenwirken als natürliche Lebens-

grundlagen dauerhaft gesichert und - wo möglich – wieder hergestellt werden.“

Zum Wasserhaushalt BI, 1.2.1: „Der Intakthaltung und der Entwicklung des Wasser-

haushalts für Menschen, Tiere und Pflanzen kommt besondere Bedeutung zu.“

Zum Moorschutz: Moore genießen im Landesentwicklungsprogramme einen besonderen

Schutz: „Es ist anzustreben, in naturnahen Nieder-, Übergangs- und Hochmooren die cha-

rakteristischen Standortbedingungen, insbesondere den typischen Wasser- und Nährstoff-

haushalt, dauerhaft zu erhalten und zu verbessern“ (BI, 2, 2.2.5).

Zur Sicherung von Natur und Landschaft soll in landschaftlichen Vorbehaltsgebieten „den

Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ein besonderes Gewicht zukommen

(BI, 2.1.1.)

Zur Zerstörung von Natur und Landschaft einschließlich des Veränderung des Grundwas-

serhaushaltes sowie zur Beeinträchtigung von landschaftlichen Vorbehaltsgebieten durch die

Flughafen-Erweiterung siehe Kapitel 6.

Bodenschutz und Flächenverbrauch:

Das LEP sieht u.a. folgende Bodenschutzziele vor:

„Als Träger der natürlichen Bodenfunktionen (...) sollen die Böden gesichert und – wo erfor-

derlich – wieder hergestellt werden. Verluste an Substanz und Funktionsfähigkeit des Bo-

dens, insbesondere durch Versiegelung, Erosion, Verdichtung, Auswaschung und Schad-

stoffanreicherung, sollen bei allen Maßnahmen und Nutzungen minimiert werden.“ (BI 1.1.2)

„Es ist von besonderer Bedeutung, die Schutzwirkung des Bodens für das Grundwasser zu

erhalten oder wiederherzustellen.“ (BI, 3.1.1.2)

„Es ist anzustreben, die Versiegelung von Freiflächen möglichst gering zu halten.“ (BVI, 1.1)

In den Landkreisen Freising und Erding muss es ein Primat des Bodenschutzes geben. Die

Landkreise Freising und Erding sind bayerischer Meister im Flächenverbrauch. Dort war

der Flächenverbrauch in den vergangenen Jahren doppelt so hoch wie im bayerischen Mit-

tel: Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen im Landkreis Freising 1992-2004: 34,7

%, Landkreis Erding: 25,1 %, Mittelwert Bayern: 16,2 % (Bayerisches Landesamt für Statistik

und Datenverarbeitung 2006)

Die Erweiterung des Flughafens (970 ha) mit seinen großflächigen Versiegelungen (326 ha),

sowie die daraus resultierenden weiteren flächenintensiven baulichen Entwicklungen im

Umfeld, werden diese Entwicklung noch weiter unterstützen und stehen den Bodenschutz-

zielen im LEP und im Bundesbaugesetz entgegen.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 11

Landschaftsbild:

Das LEP (BI, 2.2.3) sieht den Schutz des Landschaftsbildes vor: „Es ist von besonderer Be-

deutung, die Landschaften Bayerns in ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit zu erhalten.“

Dieser Schutz des Landschaftsbildes ist auch in der bayerischen Verfassung verankert und

wurde durch das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes mit Urteil vom 31. Mai

2006 gestärkt.

Lärmschutz:

Mit der Zunahme der Lärmbelastung (s.u.) entsteht ein Widerspruch zu Ziel AI, 3.2.1, das

vorsieht, Beeinträchtigungen zwischen Wohn- Erholungs- Gewerbe- und Verkehrsfunktionen

abzubauen sowie neue Beeinträchtigungen zu verhindern: „Bestehende Raumnutzungskon-

flikte, insbesondere die erheblichen gegenseitigen Beeinträchtigungen von Wohn-, Ge-

werbe-, Erholungs- und Verkehrsfunktionen, sollen abgebaut und neue verhindert wer-

den.“

Das LEP sieht für die Bevölkerung einen Lärmschutz vor, mit dem Primat der Lärmreduzie-

rung an den Lärmquellen selbst. „Es ist anzustreben, die Bevölkerung durch dauerhaft wirk-

same Maßnahmen vor schädlichen Einflüssen durch Lärm und Erschütterungen zu schützen

und darüber hinaus zu entlasten, in erster Linie durch Maßnahmen an den Lärmquellen

selbst.“ (BV, 6). „Es ist anzustreben, dass die Bevölkerung durch zivilen und militärischen

Fluglärm so gering wie möglich belastet wird.“ (BV 6.4.).

Durch die Flughafenerweiterung geschieht genau das Gegenteilige. Die Lärmquellen werden

ausgeweitet und näher an die Bevölkerung herangeführt, während Lärmschutz über sekun-

däre Maßnahmen an den Gebäuden der Betroffenen geschehen soll.

Regionale Grünzüge:

von der 3. Bahn wird der Regionale Grünzug im Norden des Flughafens völlig entwertet und

seiner Funktion beraubt. Der Erhalt der Regionalen Grünzüge ist Ziel des LEP: BVI, 1.4: (Z)

„In den Regionalplänen sollen regionale Grünzüge besonders in den Verdichtungsräumen

zur Verbesserung des Bioklimas, zur Gliederung der Siedlungsräume und zur Erholungsvor-

sorge ausgewiesen werden. In diesen Grünzügen sollen Planungen und Maßnahmen, die

die genannten Funktionen beeinträchtigen, unterbleiben.“

Nachhaltigkeit:

AI Ziel 2.1.: „Bei Konflikten zwischen Raumnutzungsansprüchen und ökologischer Belast-

barkeit ist den ökologischen Belangen der Vorrang einzuräumen, wenn eine wesentliche und

langfristige Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen droht.“ Wie in den Kapiteln

5-7 unserer Stellungnahme ausgeführt wird, ist mit dem Vorhaben eine wesentliche und

langfristige Beeinträchtigung verbunden.

Entsprechende Ziele und Grundsätze lassen sich auch im Regionalplan der Region Mün-

chen finden. Wir weisen hier nur exemplarisch auf folgende Ziffern hin: AI G1.1. (attraktiver

Lebensraum, nachhaltige Raumentwicklung, Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen,

attraktive Natur-, Kultur- und Erholungslandschaft), AI G1.2.4 (Freiraumsicherung, ökologi-

sche Stabilität als ökonomischer Standortvorteil), AI G1.2.6 (umweltschundende und sozial-

verträgliche Erreichbarkeit der Region), AI G2.1.1.1 (Belange der Ökologie und der Erho-

lungsvorsorge bei Verkehrsverflechtungsfunktion der Region berücksichtigen, Sicherung und

Verbesserung der Wohnqualität), BI 1.1.1: (Freiflächennetz zur Sicherung der Lebensquali-

tät), BI 1.1.2 (Ökologisches Gleichgewicht), BI 1.2 (Landschaftliches Vorbehaltsgebiet), BI

2.3.1 (Erhalt von Feuchtbiotopen), BII Z 4.2.2 (Erhaltung Regionaler Grünzug), BII 6.4 und

6.5 (Reduzierung der Lärmbelastung durch Flugbetrieb v.a. rund um den Flughafen Mün-

chen!), BIV 2.2.1.3 (Ausgewogene Arbeitsplatzstruktur, keine einseitige wirtschaftliche

Struktur), BIV 2.2.1.5 (Sicherung der Freiraumfunktionen), BIV 2.2.2 (Flughafenarbeitsplätze

entsprechen nicht den Kriterien), BIV 3.1 (Räumliches Gleichgewicht zwischen Angebot und

Nachfrage nach Arbeitsplätzen), BIV 3.3.3 (Abbau von Pendlerverflechtungen aus benach-

barten Regionen in die Region München), BV G1.1 (Umwelt und sozialverträgliche Gestal-

tung des Verkehrs).

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 12

Fazit: Gegen diese Ziele und Grundsätze der bayerischen Landesplanung und der Re-

gionalplanung würde der Ausbau klar verstoßen (fachliche Begründung siehe folgende

Kapitel). Eine weitere Zunahme der Belastung durch den Bau einer 3. Start- und Lan-

debahn ist somit mit zahlreichen Zielen und Grundsätzen des Landesentwicklungs-

programmes (LEP) nicht vereinbar und daher aus Sicht der Landesplanung und Re-

gionalplanung abzulehnen.

Der einseitige Bezug der vorgelegten Planung auf wirtschaftliche und verkehrliche Ziele

missachtet die nötige gleich- bzw. sogar höherrangige Gewichtung anderer Belang, insbe-

sondere des Menschenschutzes (Lebensqualität, Lärm, Schadstoffbelastung u.a.), des Res-

sourcenschutzes, des Natur- und Landschaftsschutzes, des Freiraumschutzes, des Klima-

schutzes und des Zieles der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Das Vorhaben dient einzig

und allein der maximalen Kapazitätserweiterung zur Erfüllung der expansiven Ziele der Luft-

hansa durch Induzieren neuer zusätzlicher – nicht aus der Region stammender – Nachfrage

durch eine Stärkung der Hub-Funktion. Würde diesem Ziel der Vorrang eingeräumt wer-

den gegenüber den zahlreichen anderen negativ betroffenen Belangen, wäre dies ein

massiver Abwägungsfehler aus Sicht der Landes- und Regionalplanung.

Dabei muss klar und deutlich darauf hingewiesen werden, dass das Ziel der Erweiterung des

Flughafens München durch eine 3. Start- und Landebahn im LEP nicht explizit in Ziel 1.6.1.

bzw. 1.6.3. enthalten ist. Der Verweis auf die Zielsetzung im LEP kann hier nicht genügen,

im LEP ist nur eine Vorrangfläche zur „dauerhaften Standortsicherung und zur Sicherung der

langfristigen räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten“ ausgewiesen. Es ist auch darauf hinzu-

weisen, dass das geplante Vorhaben der 3. Start- und Landebahn über diese Vorrangfläche

hinausgeht.

Hinsichtlich der Klage der Gemeinde Eitting gegen die Vorrangfläche im LEP von 2003 wird

lediglich festgestellt, dass die Ausweisung eines Vorranggebietes rechtmäßig gewesen sei.

Über die Rechtfertigung der konkreten Planung wird überhaupt nichts ausgesagt. Diese lan-

gen Zitate sind also samt und sonders unbehelflich und dienen nur dazu, die unzureichende

Begründung künstlich aufzuwerten und somit zu vernebeln.

Zudem wurde die Novelle des LEP in Bayern 2006 bekanntermaßen noch schnell vor der

Frist der Anwendung der Strategischen Umweltprüfung abgeschlossen. Dies ist grundsätz-

lich zu kritisieren. Es ist fraglich, ob die Zielsetzung des Ausbaus des MUC einer SUP stand

gehalten hätte. Unabhängig davon darf somit unseres Erachtens eine Planung, die einer

SUP bedarf (s.o.), nicht mit den Vorgaben einer Planung (LEP) begründet werden, die

ohne SUP erstellt wurde.

Wir weisen an dieser Stelle in aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Belastung der Re-

gion um den Flughafen hinsichtlich Lärm und Schadstoffbelastung, hinsichtlich Zer-

störung von Natur, hinsichtlich Zerstörung und Entwertung von Naherholungsgebie-

ten bereits heute ein Ausmaß erreicht hat, das die Lebensqualität erheblich mindert.

Eine weitere Zunahme der Belastung ist nicht mehr zumutbar.

Als falsch, unbegründet und rücksichtslos muss daher die Aussage: „Die Aufrechterhaltung

des Status quo stellt kein Planungsziel dar, das vor den Vorgaben des ROG, des Landes-

planungsgesetzes und namentlich der Zielbestimmungen des Landesentwicklungsprogram-

mes Bayern 2006 Bestand hat“ (Antrag S. 26) zurückgewiesen werden. Dass auch fachlich

kein Bedarf besteht, ist in den folgenden Kapiteln ausgeführt.

3.2. Beurteilung der derzeitigen Kapazität

Die Behauptungen der Staatsregierung wie der Flughafen München GmbH (FMG) zur Kapa-

zität des Flughafens München II und damit auch die vermeintliche Rechtfertigung für den

Bau einer weiteren Start- und Landebahn im Erdinger Moos sind falsch. Der ehemalige

Hauptgeschäftsführer der FMG, Willi Hermsen, hatte im Haushaltsausschuss des bayeri-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 13

schen Landtags 2000 erklärt, „nach deutschen Sicherheitsmaßstäben (seien) 97 Starts und

Landungen pro Stunde“ möglich, nach den in den USA angewendeten Verfahren sogar 120.

Stattdessen wurde der Münchner Wert mittlerweile auf 89 Flugbewegungen pro Stunde fest-

gelegt, was natürlich eine enorme künstliche Reduzierung der theoretischen Kapazitäten zur

Folge hatte. Das Wirtschaftsministerium erklärte dazu, dass die Zahl von 97 nur unter opti-

malen Bedingungen erreichbar, also nicht planbar und „bei einer Ungleichverteilung von

Starts und Landungen – wie sie seit einigen Jahren infolge der Hubstruktur am Flughafen

München verstärkt auftritt - … nicht realisierbar“ sei. In den Planungsunterlagen für das

Raumordnungsverfahren wird nun sogar ohne 3. Bahn nur die Zahl 93 für theoretisch maxi-

mal möglich angesehen, dies aber für sehr störungsanfällig und für die Hub-Struktur nicht

angemessen gehalten.

Die Werte der USA seien nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums aufgrund „anderer Re-

gelungen bei der Flugroutenfestlegung einschließlich der An- und Abflugverfahren und der

dabei einzuhaltenden Sicherheitsabstände“ in Europa nicht zu erreichen. Eine nähere Unter-

suchung, inwieweit die US-Verfahren möglicherweise auch bei uns angewandt werden

könnten, sei nicht sinnvoll. Gleichzeitig schreibt das Ministerium allerdings, dass es „konkrete

rechtliche Regelungen“ bei uns hinsichtlich der Kapazität nicht gebe. Daraus ergibt sich nun

zunächst einmal die Folgerung, dass eine nähere Untersuchung der amerikanischen Verfah-

ren geradezu zwingend sei, zumal die Sicherheitsstandards in den USA kaum geringer als in

Europa sein dürften. Es ist ein gravierender Fehler, dass diese Untersuchung im lau-

fenden ROV nicht durchgeführt wurde.

Aber auch mit den niedrigeren Koordinations-Eckwerten lässt sich der Bau einer 3. S/L-Bahn

nicht rechtfertigen. Im Vorjahr verzeichnete die FMG 383.100 Flugbewegungen. Bei 89 Be-

wegungen pro Stunde, 16 Stunden am Tag und 38 Nachtflugbewegungen, wie in der ur-

sprünglichen Nachtflugregelung festgeschrieben, käme man pro Jahr auf eine Zahl von

533.630, bei 97 Bewegungen pro Stunde sogar auf eine Kapazität von 580.350. Davon ist

der Flughafen München II weit entfernt. Sogar die optimistischen Prognosen der FMG für

das Jahr 2020 liegen mit 610.000 nicht allzu weit darüber.

3.3. Unzureichende Methodik und Fehler im Prognosegutachten von Intraplan

Zum von der FMG postulierten angeblichen Bedarf ist anzumerken, dass sich die FMG auf

das „Flughafenkonzept der Bundesregierung vom August 2000“ beruft. Dieses Flughafen-

konzept enthält jedoch keine verbindliche Festlegung von Umweltzielen, wirtschaftliche Im-

pulse werden überschätzt und es fehlt ein flughafenspezifisches Gestaltungsszenario zur

Ermittlung der Auswirkung von Verlagerungen der Kurzstreckenflüge auf die Bahn, von Effi-

zienzsteigerungen und politisch angestrebten Vermeidungsmaßnahmen (Klimaschutz !). Das

Flughafenkonzept ist zudem im Kabinett nicht beschlossen, d.h. keineswegs verbindlich.

Dem entspringt der sog. „Masterplan“ der Initiative „Luftverkehr für Deutschland“ in der sich

die Lufthansa, die FMG, die Fraport und die DFS zusammengeschlossen haben (unter der

Schirmherrschaft der Bundesregierung vertreten durch das Bundesverkehrsministerium). Der

Masterplan ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit entstanden und von den politischen Gre-

mien allenfalls zur Kenntnis genommen worden. Diese Initiative verweist auf den Bundesver-

kehrswegeplan des Bundesverkehrsministeriums.

Andere beschlossene und verbindliche Konzepte und Strategien der Bundesregierung wie

insbesondere die „Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung“ (2002) oder die Verpflich-

tungen zum Klimaschutz oder die „Biodiversitätsstrategie“ finden dabei weder Erwähnung

noch Berücksichtigung.

Und alle zusammen fordern den Ausbau des Flughafens München und alle zusammen

rechtfertigen dies immer wieder mit demselben sog. Fachgutachten: Intraplan 2004.

Wie im Folgenden nachgewiesen wird, beruhen die von Intraplan prognostizierten

Zahlen in wesentlichen Teilen auf vollkommen unrealistischen Annahmen.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 14

3.3.1. Willkürliche Arbeitshypothese: Engpassfreiheit

Sinn und Zweck des Gutachtens war es nicht, zu untersuchen, ob eine dritte Start- und Lan-

debahn überhaupt irgendwann erforderlich sein könnte, sondern lediglich eine Begründung

des Vorhabens zu liefern. Hierzu liefert Intraplan angeblich „abgesicherte Prognosen zum

Luftverkehr“. Dass dies gerade nicht der Fall ist, wird im Folgenden nachgewiesen. Allen An-

nahmen zugrunde gelegt wurde die „Arbeitshypothese der Engpassfreiheit“, das heißt, „es

wurden keine tatsächlichen oder künftig möglichen Kapazitätseinschränkungen unterstellt,

die durch die heutige Konfiguration des Flughafens München mit zwei Start- und Landebah-

nen bedingt sind“.

Dieses Vorgehen ist völlig unzulänglich. Ausgehend von einem „Idealzustand“ und

unter Einbeziehung der jeweils günstigsten aller vorhandenen Prognoseparameter,

die eher Wunschdenken als den realen Möglichkeiten entsprechen, bei gleichzeitiger

Nichtbeachtung aller „Störfaktoren aus der Wirklichkeit“ kommen die Gutachter zu

dem von ihnen geforderten Ergebnis.

Eine derartig willkürliche Vorgehensweise wird entschieden abgelehnt.

Von der FMG wird ein durchschnittlicher Verspätungswert von 4 Minuten/ Bewegung gefor-

dert. Das Nichteinhalten und die Verursachung von Verspätungen wird ausschließlich den

steigenden Verkehrszahlen und nicht ausreichender Flugsicherungskapazität zugeschrieben.

Dies ist jedoch nicht haltbar: laut DFS-Statistik waren beispielsweise im Januar 2006 Ver-

spätungen zu 91,6 % wetterbedingt (31109 Minuten) und nur zu 4,6 % durch die Flughafen-

kapazität bedingt (1584 Minuten). Die Hauptfaktoren von Verspätungen (Wetter und Notfälle)

sind auch durch eine dritte Bahn nicht zu beeinflussen.

Völlig ungeklärt ist ferner folgender Widerspruch:

• Beim Erörterungstermin zum geplanten Ausbau des Flughafens Frankfurt erklärte Gut-

achter Dr. Schubert von Intraplan am 26. September 2005, eine Prognose über das Jahr

2015 hinaus sei für einzelne Flughafenstandorte aus fachlichen Gründen nicht möglich.

(Zitat: BUND Hessen: Stellungnahme zum Ausbau des Frankfurter Flughafens).

• „Andererseits ist 2020 noch „überschaubar“, d.h. mit heutigen Maßstäben bzw. Progno-

semodellen zu erfassen.“ (Zitat: Fa. Intraplan: „Bedarfsprognose 2020 Bedarfsprognose

2020 für den Flughafen München für den Flughafen München“, Vorlage zum Sitzung des

Nachbarschaftsbeirats am 26.10.2005)

Wieso für München problemlos möglich sein soll, was für Frankfurt aus fachlicher Sicht un-

möglich war, bleibt das Betriebsgeheimnis von Intraplan.

3.3.2. Rohölpreise und deren Auswirkung auf Flugticketpreise

Intraplan (S. 87): „Wir gehen davon aus, dass aufgrund des Wirtschaftswachstums großer

erdölimportierender Staaten wie China und Indien die Rohölpreise sich auf hohem Niveau

einpendeln werden (Annahme: Preisstand 2004) … Diese Einschätzung deckt sich mit der

Auffassung der Internationalen Energieagentur IEA.“

Diese Aussage zur IEA bezieht sich auf deren Bericht „World Energy Outlook (WEO) 2004“

und ist hoffnungslos veraltet. In ihrem Bericht geht die IEA davon aus, dass die Rohölpreise

2006 bei 22 Dollar je Barrel liegen und bis zum Jahr 2030 auf 29 Dollar/Barrel steigen wer-

den. Tatsächlich betrug 2006 der Preis teilweise über 78 Dollar. Im WEO 2005 korrigierte

sich die IEA dann bereits auf einen Preis von 65 Dollar/Barrel nach oben. Dabei gibt die IEA

noch zu, dass es auch höhere Prognosen gebe.

Zur Realitätstauglichkeit von IEA-Prognosen siehe: Rudolf Rechsteiner, Schweizer National-

rat: “Oil Peak, international conflicts and the role of Parliaments”, RENEWABLE ENERGY

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 15

SYSTEMS AND KYOTO PROTOCOL FOR SOUTH-EAST EUROPE, 7TH International

Conference Slobiom 2006 4th of July.

Rechsteiner stellt fest, dass die IEA den Weltrekord bei falschen Prognosen halte, was die

Entwicklung der Rohölpreise anbelangt. Eine Gegenüberstellung der „Wunschpreise“ der

IEA und der tatsächlichen Preise zeige, dass die Zahlen der IEA gut aussähen, aber reine

Fantasy seien.

Die IEA führt selbst aus, dass bei unveränderter Politik der Energiebedarf 2030 um 50 Pro-

zent höher liege als heute. Da erstens eine globale Energiewende nirgendwo in Sicht ist und

zweitens dieser Bedarf nach wie vor überwiegend aus fossilen Brennstoffen gedeckt werden

soll und drittens das Angebot an diesen Brennstoffen kontinuierlich abnimmt, ist eine deutli-

che Preissteigerung nicht nur nahe liegend, sondern zwingend.

Mittlerweile hat die OPEC zumindest angedeutet, dass ein Sinken des Rohölpreises in die

Nähe von 50 Dollar/Barrel zu preissteigernden Maßnahmen führen werde (vgl. SZ,

11.09.2006). Abgesehen von Intraplan geht kein Mensch mehr von „Dumping-Preisen“

aus, die längst der Vergangenheit angehören.

Intraplan behauptet weiterhin, steigende Rohölpreise spielten nur eine untergeordnete Rolle.

Eine 50%ige Erhöhung führe dazu, dass im Durchschnitt etwa 8 % höhere Ticketpreise zu

erwarten seien (S. 119/120).

Dazu ein Beispiel aus der Realität: Ein Hin- und Rückflug Frankfurt - Tokio der japanischen

Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA) wurde am 05.09.2006 im Internet für € 877,00

angeboten. Am gleichen Tag meldete dpa, dass ANA aufgrund eines Rohölpreises von

65,37 Dollar/Barrel 90 Euro pro Strecke Kerosinzuschlag angekündigt habe. Dies bedeutet

für den Hin- und Rückflug eine Verteuerung um mehr als 20 % unter genau den Bedingun-

gen, die die IEA neuerdings für 2030 prognostiziert.

Die im innerdeutschen Verkehr ab 2007 höhere Mehrwertsteuer um 3 % ist hier noch gar

nicht berücksichtigt (anders als im grenzüberschreitenden Luftverkehr muss im innerdeut-

schen Verkehr Mehrwertsteuer bezahlt werden). Für den innerdeutschen Zubringerverkehr,

der laut Intraplan in München eine wichtige Wachstumsrolle spielen soll, ist dies allerdings

sehr wichtig. Die Behauptung der Intraplan ist somit völlig unhaltbar.

Ebenfalls nicht berücksichtigt ist die mögliche Abschaffung der Steuerfreiheit für Kerosin.

3.3.3. Folgen für die Nachfrage/ Prognose:

Wie sich vorherigen Punkten ersichtlich ist, ist eine drastische Verteuerung der Flugticket-

preise für den Prognosezeitraum unausweichlich.

Dass die Ticketpreise die Nachfrage bzw. den Bedarf beeinflussen, bestätigt sogar Intraplan:

„Die Prognosen berücksichtigen in der Regel, dass die Nachfrageentwicklung nicht nur ab-

hängig von externen bzw. "exogenen" Faktoren ist (z.B. Bevölkerungsentwicklung, Ein-

kommensentwicklung), sondern durch die Angebotsentwicklung (z.B. angebotene Flugver-

bindungen, Luftverkehrspreise) beeinflusst ist. Dies spielt bei flughafenspezifischen

Prognosen noch eine größere Rolle als bei globalen Luftverkehrsprognosen, weil die Auf-

teilung der Verkehrsnachfrage auf die Flughäfen in starkem Maße vom jeweiligen Verkehrsan-

gebot abhängt.“ (S. 46) Neuverkehr werde in wesentlichem Umfang durch Low-Cost-An-

gebote („Billigflieger“) generiert (S. 65).

„Reisekosten sind … im Privatverkehr von deutlich größerer Bedeutung.“ (S. 70)

Die „steigenden Treibstoffkosten“ (Widerspruch zu obiger Annahme, Einpendeln auf Preis-

stand 2004!) ließen sich etwa durch den Einsatz effizienteren Fluggeräts und durch Be-

rücksichtigung „anderer preisrelevanter Faktoren“ ausgleichen (S. 87).

Hierzu ist zu bemerken, dass gerade Billiganbieter alle Einsparmöglichkeiten bereits ausge-

reizt haben. Die Anschaffung effizienterer Flugzeuge zöge hohe Investitionen nach sich, was

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 16

sich mit Sicherheit in höheren Ticketpreisen niederschlagen würde. Dadurch würde jedoch

der potentielle Neuverkehr drastisch reduziert.

Fazit: Wie man es auch dreht und wendet, Flugreisen werden sich stark verteuern, die

Nachfrage wird sich nicht annähernd in dem von Intraplan prognostizierten Ausmaß

steigern.

Dies wird noch durch eine weitere Aussage von Intraplan untermauert: „Haupteinflussgrößen

in dem Verfahren (siehe Abb. 3-2) sind die sozioökonomische und sozio-demographische

Entwicklung als maßgebliche Treiber der Nachfrageentwicklung neben den Verkehrs- und

Reiseangeboten, die vor allem auch neben der Erreichbarkeit und geographischer Lage der

Flughäfen für die Aufteilung der Nachfrage auf die Flughäfen von Bedeutung sind.“ (S. 51)

„Ein signifikanter Einfluss auf das Luftverkehrsaufkommen ist jedoch nur dann zu erwarten,

wenn bei den mittleren Einkommensschichten dauerhaft deutliche Einkommensseinbußen

entstünden, weil die privaten Luftverkehrsreisen überwiegend durch diese Einkommens-

schichten unternommen werden.“ (S. 83)

Gerade diese Einkommensschichten werden von den Beschlüssen der Bundesregierung in

den kommenden Jahren besonders betroffen sein (Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheits-

reform, „Urlaubsverzicht“ wegen höherer privater Aufwendungen zugunsten der Altersver-

sorgung etc.).

Intraplan geht auf die bundesdeutsche Entwicklung aber überhaupt nicht ein. Hart-

näckig wird alles ignoriert, was eine vermeintliche Rechtfertigung der dritten Start-

und Landebahn beeinträchtigen könnte. Das Gutachten basiert auf einem Heile-Welt-

Szenario, das mit der Realität wahrscheinlich wenig zu tun hat.

3.3.4. Wirtschaftswachstum

Intraplan geht bei seinen Annahmen von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum in

Deutschland bis zum Jahr 2020 von 2 % pro Jahr aus. Dies ist weder realistisch noch in der

von Intraplan vorgenommenen Detailliertheit überhaupt prognostizierbar.

Tatsächlich erreicht wurde dieser Wert seit 1993 nur viermal. In den Jahren 1996, 2001,

2002, 2003 blieb das Ergebnis sehr deutlich unter diesem Wert. Selbst in Bayern, das über-

durchschnittlich gute Ergebnisse erreicht, wurde der angenommene Wert seit 1993 sieben

Mal verfehlt. Dass 2006 möglicherweise eine Ausnahme darstellen könnte, liegt im Wesentli-

chen an Vorzieheffekten, die die beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer zum

01.01.2007 verursacht, was von Intraplan aber nachhaltig ignoriert wird.

Folgerichtig kommt die Prognos AG in ihrem Deutschlandreport 2030 auch zu einem völlig

anderen Ergebnis: „Mehr als ein Wachstum von 1,4% pro Jahr sei langfristig nicht drin.“

(Zitat: Handelsblatt, 02.04.2006). Über diesen Report schreibt das Handelsblatt: „Wissen-

schaftlich fundiert gibt Prognos in dem alle vier Jahre erscheinenden Standardwerk eine ein-

zigartige, detaillierte Sicht auf die Entwicklung Deutschlands bis zum Jahr 2030.“

3.3.5. Verkehrsanbindung:

Intraplan: „Bei der landseitigen Anbindung des Flughafens München sind gegenüber heute

diejenigen Maßnahmen unterstellt, deren Planungen weit fortgeschritten sind:

• MSB [=Magnetschwebebahn= Transrapid] München Hauptbahnhof – Flughafen (Fahrzeit

10 Minuten, 10-Minuten-Takt)

• Ringschluss Erding und Neufahrner Kurve“ (S. 94)

TRANSVER GmbH bemerkt in ihrer „Prognose des landseitigen Verkehrsaufkommens und

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 17

Auswirkungen auf den Straßenverkehr“: „Des weiteren kann die „Walpertskirchener Spange“

nur in Verbindung mit dem Ausbau der ABS 38 (Anmerkung: Ausbaustrecke München –

Mühldorf – Freilassing – Salzburg) realisiert werden. Somit erscheint eine Realisierung aus

heutiger Sicht problematisch. Daher wurden diese beiden Maßnahmen in den Prognosebe-

rechnungen 2020 nicht berücksichtigt, um die Auswirkungen im Straßenverkehr infolge einer

zu optimistisch unterstellten ÖV-Erschließung nicht „schön“ zu rechnen.“

Bestätigt wird diese Einschätzung durch Staatsminister Erwin Huber, der in einer Presseer-

klärung Ende Juli 2006 zugeben musste, dass mit einem Baubeginn für den Erdinger Ring-

schluß frühestens 2010 zu rechnen sei, vorausgesetzt, bis dahin lasse sich die Finanzierung

klären. (Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie

Pressemitteilung-Nr. 185/06 vom 31.07.2006, sowie Artikel „Raumordnung für Startbahn be-

ginnt“, Süddeutsche Zeitung vom 01.08.2006)

Was den Transrapid betrifft, sind die Aussichten auf baldige Realisierung (wenn überhaupt)

angesichts der hartnäckigen Weigerung der Industrie, sich an den Milliardenkosten zu betei-

ligen, geringer denn je. Wird der Transrapid nicht gebaut, geht das Intraplan-Gutachten zur

Transrapidplanung aus dem Jahr 2004 (siehe Planfeststellungsverfahren Transrapid), von

ca. 1,6 Millionen weniger Fluggästen im Jahr 2020 aus. Folgende Aussagen im Intraplan-

Gutachten zum Transrapid zeigen, woher nach der Logik von Intraplan u. a. die Passagiere

abgezogen werden sollen, die das gigantische Wachstum am Flughafen bewirken sollen:

„Geänderte Flughafenwahl; durch Verbesserung der landseitigen Erreichbarkeit des Flug-

hafens München steigt die Wahrscheinlichkeit der Wahl des Flughafens München ins-

besondere bei Flugreisen aus Überschneidungsbereichen mit konkurrierenden Ver-

kehrsflughäfen.“ und: „Änderung der Verkehrsmittelwahl im Hauptlauf von Fernverkehrsre-

lationen; in den Nachfragesegmenten mit einer Konkurrenzsituation zwischen dem Luft-

verkehr und dem SPFV sowie in geringerer Größenordnung auch mit dem PKW erhöht sich

die Wahrscheinlichkeit von Flugreisen zu Lasten der Landverkehrsmittel, wenn die Tür-zu-

Tür-Reisezeit im Luftverkehr durch Inbetriebnahme der MSB-Verbindung München HbF -

Flughafen verkürzt wird.“ (S.39 Intraplan, 2004, Planfeststellung Transrapid, eigene Hervor-

hebung).

Die Realisierung dieser beiden nach Ansicht der Gutachter wesentlichen Bestandteile der

künftigen Anbindung des Flughafens, die Intraplan als quasi bestehend voraussetzt, liegt

also in weiter Ferne bzw. ist generell zu bezweifeln. Welche Auswirkungen sich hieraus

auf die Nachfrage ergeben, hat Intraplan vorsichtshalber überhaupt nicht untersucht.

Auch weitere von Intraplan postulierte Verkehrserschließungen werden deutlich nach dem

Prognosezeitraum oder nie realisiert werden.

3.3.6. Aus- und Neubaupläne im internationalen Luftverkehr nicht ausreichend be-

rücksichtigt

Die Auswirkung des Ausbaus Frankfurt (FFM) und Berlin (BBI) auf die Fluggastprognose

fehlen weitgehend. In Berlin läuft der Bau, in Frankfurt das Planfeststellungsverfahren.

Der Neubau des Flughafens in Dubai (150 Mio. Fluggäste, gigantisches Drehkreuz) wurde

ebenfalls nicht im erforderlichen Umfang berücksichtigt

3.3.7. Demografischer Wandel mangelhaft berücksichtigt

Der demografischer Wandel wurde nicht ausreichend berücksichtigt: Aussagen Intraplan-

Gutachten: Generell stagnierende Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Europa; ab

2020 Bevölkerungsabnahme; in Südbayern und angrenzenden Regionen kommt es jedoch

weiterhin zu einer Zunahme bzw. verzögerten Abnahme der Bevölkerung; Wesentlich für die

Prognose der Fluggastzahlen ist auch zu berücksichtigen, dass ein überdurchschnittlicher

Anstieg des Anteils älterer Bevölkerungsschichten (über 75 jährig) erfolgen wird.

Welche Auswirkung dies hat, wurde nicht untersucht.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 18

3.3.8. Subventionierung des Flugverkehrs

Der Flugverkehr wird vom Steuerzahler kräftig mitbezahlt.

Folgende Subventionen erhält der Flugverkehr allgemein bzw. die FMG München:

• Steuerbefreiung Kerosin: z.B. 2004 5,8 Mrd. €

• Mehrwertsteuerbefreiung: ca. 300 Mio. €/pro Jahr

• Airbus-Entwicklung: mind. 30–35 Mrd. € von 1970 - 2000

• „Marketing-Zuschuß“ Flughafen München: 14 €/1000 l Kerosin; 2003: 6,5 Mio. €

• Gesellschafterdarlehen FMG: Zinseinbußen über 2 Mrd. €

• Geplante Verkehrserschließung Flughafen München einschließl. Transrapid: ca. 5 Mrd. €

Mit dem Flugverkehr wird ausgerechnet das Verkehrsmittel am stärksten subventioniert, das

die Umwelt am stärksten belastet (vgl. Kapitel 5). Es ist nicht auszuschließen, dass die Sub-

ventionierung des Flugverkehrs angesichts der dringend nötigen Erfüllung von Klimaschutz-

zielen zurückgeht.

3.3.9. Überkapazitäten

Die Wachstumsentwicklungen, Flugastprognosen und die Steigerung des jährlichen Flug-

gastaufkommens spielten auch in dem erst vor wenigen Monaten durchgeführten Planfest-

stellungsverfahren zum Transrapid eine wesentliche Rolle. Die Fluggast-Prognosen waren

auch hier massiv in Zweifel zu ziehen (vgl. BN-Stellungnahme zum Transrapid). Interessant

ist ein Vergleich der verschiedenen Kapazitäts-Prognosen, insbesondere mit der Prognose

von TransVer (TRANSVER 2002: Der Flughafen München und sein Umland - Grundlagener-

mittlung für einen Dialog, Teil 2: Verkehrsgutachten, TransVer GmbH München und TU

München, Univ. Prof. Dr./UCB Hartmut Keller, Fachgebiet Verkehrstechnik und Verkehrspla-

nung). Es werden für 2015 55,9 Mio. Fluggäste, davon 31,3 Mio. Originärpassagiere pro-

gnostiziert. Die Prognose für 2020 sowohl der Planfeststellung für den Transrapid als auch

für die 3. Start- und Landebahn liegt in ihren Werten leicht unter dieser TransVer-Prognose,

obwohl deren Prognosehorizont fünf Jahre früher liegt (Gesamtaufkommen, Originärauf-

kommen und Umsteigeranteil).

Interessant ist auch ein Vergleich der Prognosen unterschiedlicher Flughäfen:

Der geplante Bau einer neuen Startbahn hätte kaum Auswirkungen auf die Zahl der Originär-

passagiere, die zusätzlichen Passagiere sollen vielmehr den Flughäfen in der Schweiz (3.

Lufthansa Drehkreuz in Zürich), in Österreich und Tschechiens abgeworben werden, pro

Jahr etwa 25 Millionen.

Beispielhaft sei der Flughafen Augsburg und sein Einzugsgebiet im Landkreis Aichach-

Friedberg genannt. In der Intraplan-Prognose hat der Flughafen München im Jahre 2020

einen Marktanteil von 71 – 90% am LK AIC. Der Flughafen Augsburg stellt in seiner „Über-

prüfung der Prognose...“ des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der RWTH Aachen fest,

dass der Landkreis Aichach im Jahr 2010 zu den 5 „Hauptmarktgebieten“ des Flughafen

Augsburg zählt. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Flughafen Augsburg unter einem

Hauptmarktgebiet einen Marktanteil von 10 – 29 % versteht. Der Flughafen Augsburg

möchte auch den Großraum München für den zu Geschäftsflugreiseverkehr erschließen.

Beide Prognosen schließen sich demnach aus. Gleiches gilt im Übrigen für den Landkreis

Donau-Ries und den Stadt- und Landkreis Augsburg sowie eingeschränkt für den Landkreis

Dillingen a.d. Donau.

Als weiteres Beispiel überlappender Prognosen kann der Flughafen Salzburg angeführt wer-

den: von den knapp 1,7 Mio. Fluggästen des Salzburger Flughafens im Jahre 2005 hat ca.

1/3 deutsche Flughäfen angeflogen. Unter den 8 wichtigsten Zielflughäfen (auch Umsteige-

flughäfen) sind 5 deutsche Flughäfen. Es gibt kaum Gründe, für einen Flug mit einem deut-

schen Ziel zuerst nach München zu reisen. Trotzdem stellt die Intraplan-Prognose die

Region Salzburg/Steiermark/Kärnten als Einzugsgebiet mit einem derzeitigen Marktan-

teil von 31– 50 % mit einer Erhöhung des Marktanteils auf 51 – 70% bis 2020 dar. Die

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 19

Zunahme der Fluggäste ab oder nach Flughafen Salzburg entspricht aber exakt der progno-

stizierten Zunahme des regionalen Luftverkehrsaufkommens in der Region Salzburg/ Stei-

ermark/ Kärnten, so dass für München eine Erhöhung des Marktanteils nicht möglich ist. Das

für Salzburg ausgeführte trifft analog für Graz und Klagenfurt zu.

Dies könnte für andere Flughäfen im näheren und weiteren Einzugsgebiet von München

fortgeführt werden. In Prag und in Wien sollen beispielsweise selbst erhebliche Ausbaupläne

realisiert werden. Für Zürich ist prognostiziert: „Der berechnete Kapazitätseckwert ... in Zü-

rich läge in diesem Szenario bei 114 Bewegungen in der Stunde, der minimale Kapazi-

tätseckwert bei 104 Bewegungen/h.“ (Entwicklung des Luftverkehrs in der Schweiz bis 2030

– Nachfrageprognose Intraplan Consult GmbH, Anhang S. 10, August 2005). Innerhalb

Deutschlands werden für die Flughäfen FRA (46,4 Mio.), MUC (25,1 Mio.) und BBI (4,5

Mio.), bei Berücksichtigung der Umsteigevorgänge auf den anderen deutschen Flughäfen,

zwischen 11,5 und 19 Mio. mehr Umsteigepassagiere prognostiziert als in Deutschland im

Jahr 2020 vorhanden sein werden. Der Einzugsbereich aller Flughäfen vergrößert sich nach

deren Darstellungen und die Bindung der Fluggäste aus der jeweiligen Region an den regio-

nalen Flughafen soll sich erhöhen, so dass derart signifikante Überschneidungen entste-

hen, dass keine Prognose per se zutreffen wird. Allein schon aus diesem Grund muss die

Intraplan-Prognose für München wesentlich zu hoch sein.

Dagegen stellt die Untersuchung der Boston Consulting Group „Flughäfen vor Verdrän-

gungswettbewerb“ vom 21.04.2004 deutlich heraus, dass in München wie anderen deut-

schen Großflughäfen (außer in Frankfurt) Überkapazitäten auch durch die Konkurrenz-

situation mit anderen Flughäfen entstehen werden, die der Steuerzahler auszugleichen hat

und dass die Erwartungshaltungen der deutschen wie internationalen Flughäfen (Ausnahme

sog. „Mega-Hubs“, zu denen München nicht zählt und kaum zählen wird) weit überzogen

sind. Diese Arbeit wird im vorliegenden Planfeststellungsverfahren nicht herangezogen bzw.

erörtert.

3.3.10. Unbegrenztes Wachstum ?

Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass es durchaus möglich ist, dass ange-

sichts der Klimaerwärmung und der immer drastischeren Auswirkungen die Notwendigkeit

der Energieeinsparung und der Vermeidung der Emission von Treibhausgasen zu Ein-

schränkungen im Flugverkehr führen kann. Derartige Einschränkungen werden von den

Gutachtern überhaupt nicht in Erwägung gezogen.

Wir verweisen hierzu nur exemplarisch auf Aussagen zur nachhaltigen Gestaltung des Ver-

kehrs in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung oder auf die Verpflichtungen der

Bundesregierung für den Klimaschutz.

Fazit zu Kapitel 3.3: Es gibt keine schlüssige Argumentation für die Annahme eines

zukünftigen großen Wachstums an Flugpassagieren. Damit entfällt die Begründung

für das Vorhaben.

3.4. Falsche Unternehmensstrategie zu Lasten des Umlandes

Der angebliche Kapazitätsengpass ist hausgemacht und liegt einzig und allein an den rück-

sichtslosen Expansionsplänen der FMG und einer völlig verfehlten Strategie der Unterneh-

mensführung, die zu Lasten des Flughafenumlandes geht.

„Die Flughafen München GmbH dient den Verkehrsbelangen des Landes Bayern und

der Stadt München im innerdeutschen und internationalen Luftverkehr. Sie ist aus-

schließlich und unmittelbar zum Nutzen der Allgemeinheit tätig“. Diese Aussage wurde

dem am 23. November 2005 im Nachbarschaftsbeirat gehaltenen Vortrag über das Ver-

kehrskonzept und die strategische Ausrichtung des Münchner Airports voran gestellt. Es

handelt sich dabei um einen Auszug aus dem Gesellschaftsvertrag der Flughafen München-

Riem Gesellschaft mbH vom Oktober 1949.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 20

„Insbesondere durch den von der Lufthansa betriebenen Hubausbau hat der Flughafen Mün-

chen ein überdurchschnittliches Verkehrswachstum und eine außergewöhnlich hohe Ange-

botsvielfalt im europäischen Verkehr erreicht.“ (Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Ge-

schäftsführung der Flughafen München GmbH [FMG], bei der vierten Sitzung am 23.11.2005

des Nachbarschaftsbeirates Flughafen München)

„Wir müssen den Hubausbau in den kommenden Jahren weiter konsequent vorantrei-

ben und insbesondere den Langstreckenverkehr noch erheblich verstärken, um Mün-

chen dauerhaft als eine der führenden europäischen Drehscheiben etablieren zu kön-

nen.“ (Statement von Dr. Michael Kerkloh vom 27.07.2005)

Aus diesen Zitaten geht hervor, dass die FMG-Führung Ziele verfolgt, die dem Konsor-

tialvertrag eindeutig zuwider laufen. Die FMG ist offenbar bestrebt, willfährig alle

Wünsche der Lufthansa zu erfüllen: Expansion um jeden Preis, vor allem, weil die Ko-

sten der Steuerzahler und die Belastungen die Menschen im Umland zu tragen haben.

Die FMG-Strategie hat darauf abgezielt, ein „internationales Drehkreuz“ zu etablieren, ohne

über das entsprechende Einzugsgebiet zu verfügen (Abb. 2). Hier rächt sich einmal mehr die

falsche Standortwahl, die CSU und Staatsregierung zu verantworten haben. Michael Ker-

kloh, Chef des Airports im Erdinger Moos, fällt zum Thema „Standort“ ein, dass der neue

Flugverkehrsknoten „völlig ins Off gebaut“ worden sei (SZ-Beilage Mobiles Leben vom 16.

September 2006).

Abb. 2.: Eckdaten der im Masterplan betrachteten Flughäfen: das Einzugsgebiet des Flughafens Mün-

chen ist mit 2,9 Mio. Pers. in der 60-Minuten-Isochrome sehr klein.

Die Folge hiervon ist, dass mittels vieler kleiner Zubringerflugzeuge die fehlenden Passagie-

re von anderen Flughäfen erst nach München gelockt werden müssen. Dies bestätigen auch

die von der FMG vorgelegten Zahlen (Tabellen 5.1. und 5.6. des Gutachtens), siehe Abb. 3-4

und Zusammenstellung in Abb. 5.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 21

Abb. 3: Passagieraufkommen MUC nach Herkunfts-/Zielgebieten

Abb. 4: Entwicklung des Passagieraufkommens am Flughafen München 1992-2005 (Abb. 2-1, In-

traplan S.33)

2004 IST Prognose 2020

mit 3. SLB

Zuwachs in % Prognose für 2020

ohne 3. SLB

Fluggäste

gesamt (Mio.)

28,6 55,8 108 % 41,9

Flugbewegungen 383.000 610.000 59 % 473.000

Originärverkehr (Mio.) 17,8 30,7 72 % 29,3

Umsteigeverkehr (Mio.) 8,8 24,9 183 %

Umsteigeranteil 33 % 45 % 36 % 30 %

Passagiere/ Flugbewegung

(nur Passagierflüge)

70 (75) 91 (97) 30 %

(29 %)

Abb. 5: Zusammenstellung der Veränderung der Fluggäste und Flugbewegungen (Zahlen aus ROV-

Unterlagen 2006)

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 22

Die Abbildungen 3-5 verdeutlichen verschiedene Aspekte:

Zum einen wird klar, dass der Zuwachs in den letzten Jahren zu einem erheblichen Teil auf

Umsteiger zurückzuführen ist. Dies beruht laut Antragsunterlagen „auf einer Entscheidung

der deutschen Lufthansa aus dem Jahre 1995, den Verkehrsflughafen München .... als euro-

päische und interkontinentale Luftverkehrsdrehscheibe auszubauen.“ (Antrag S. 7). Hier

muss deutlich betont werden, dass diese Argumentation so nicht Grundlage des Genehmi-

gungsverfahrens sein kann, sondern dass diese Ausrichtung grundsätzlich überprüft und

hinterfragt werden muss. Der Umsteiger-Anteil soll auf 45 % aller Passagiere bis 2020 erhöht

werden. Erklärtes Ziel der FMG ist es also, auf Kosten des Umlandes immer mehr Ver-

kehr nach München zu locken, um so einen Ausbau scheinbar zu rechtfertigen. Um

dies zu erreichen, werden alle Möglichkeiten, die jetzige Kapazität des Flughafens zu verrin-

gern, ausgenutzt. Allein durch eine bessere Auslastung der Flugzeuge bzw. des Einsat-

zes effizienterer Flugzeuge ließen sich 30 bzw. 29 % mehr Passagiere abwickeln.

Zum anderen wird klar, dass der geplante Bau einer neuen Startbahn kaum Auswirkungen

auf die Zahl der Passagiere hätte, die direkt vom Münchner Flughafen aus fliegen (Originär-

passagiere). Die zusätzlichen Passagiere sollen vielmehr den Flughäfen in der Schweiz (3.

Lufthansa Drehkreuz in Zürich), in Österreich, in Tschechien, in Polen oder anderen Ländern

abgeworben werden, pro Jahr etwa 25 Millionen. Dass dort (beispielsweise Prag, Wien)

selbst erhebliche Ausbaupläne realisiert werden, ignoriert die FMG.

Die Begründung der FMG ist grob fehlerhaft und interpretiert die Ergebnisse der von ihr in

Auftrag gegebenen Gutachten völlig falsch. Ebenso wie Intraplan selbst.

„Aus der Gegenüberstellung von Prognosenullfall und Planungsfall ergibt sich mit aller Deut-

lichkeit, dass die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen auf dem Verkehrsflughafen Mün-

chen die vorhandenen Kapazitäten deutlich übersteigt. Auf die Tabelle 8-1 (S. 142) des Gut-

achtens darf Bezug genommen werden. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass, um

die Verkehrsnachfrage zu befriedigen, eine Kapazitätserweiterung des Flughafens erforder-

lich ist.“ (Antragsbegründung, S. 19)

Intraplan selbst spricht im Falle einer Null-Lösung ebenfalls von „verdrängter bzw. nicht be-

friedigter Nachfrage“. (S. 138).

„Der Koordinierungseckwert für den Verkehrsflughafen München könnte allenfalls von 90 auf

93 Bewegungen pro Stunde angehoben werden. Eine darüber hinausgehende weiterge-

hende Luftverkehrsnachfrage müsste, mit allen negativen Auswirkungen für den Luftver-

kehrsstandort München, auf anderen Flughäfen befriedigt werden, soweit dies überhaupt

möglich ist. … Der Flughafen Zürich wird selbst nach seinem Ausbau, der eine Erhöhung

des heute vorhandenen Koordinationseckwertes von 66 auf zukünftig 80 Bewegungen pro

Stunde gestattet, einen niedrigeren Koordinationseckwert haben als München heute.“ (An-

tragsbegründung, S. 25).

„Ganz abgesehen davon lässt sich ein Luftverkehrsknoten nicht auf verschiedene Flughäfen

aufteilen.“ (Antragsbegründung, S. 25) Der Flughafen Zürich hat durch die Übernahme der

Swiss Air durch die Lufthansa viel von seiner früheren Hub-Funktion eingebüßt. Die Auftei-

lung bzw. Verlagerung eines Knotens funktioniert der Logik der FMG zufolge also nur in ei-

ner Richtung, nämlich nach München.

Nach den Prognosen für den Flughafen Zürich könnte ein Kapazitätseckwert von 114 Bewe-

gungen/ Stunde (Entwicklung des Luftverkehrs in der Schweiz bis 2030 – Nachfrageprogno-

se Intraplan Consult GmbH, Anhang S. 10, August 2005) erreicht werden, dieses Szenario

sieht u.a. keinen Ausbau des Flughafens München vor. Die „Krokodilssorgen“ der FMG sind

also unbegründet. Wer unbedingt fliegen will, kann dies aller Voraussicht nach auch dann

noch tun, wenn keine dritte Start- und Landebahn gebaut wird.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 23

Die Ausführungen von Intraplan sind kompletter Unsinn: Wie Intraplan ausführt, ent-

stünde ein Großteil der prognostizierten Nachfrage überhaupt nur durch den Ausbau

und einer entsprechenden Angebotserweiterung. Daraus folgt: Die dritte Start- und

Landebahn würde einen Bedarf decken, der ohne sie gar nicht erst entstünde. Eine

Maßnahme, die aus ihren eigenen Folgen die Begründung für ihre Notwendigkeit her-

leitet, ist schlicht und ergreifend Unfug.

3.5. Fazit: Kein Bedarf für eine 3. Start- und Landebahn

„Die Forderung der Lufthansa nach Errichtung einer Start- und Landebahn ist sachlich nicht

begründet“, so der damalige Verkehrsminister Otto Wiesheu auf eine mündliche Anfrage des

Landtagsabgeordneten Christian Magerl vom 27.11.2003. An dieser Einschätzung hat sich

nichts geändert.

Die Engpässe am Münchner Flughafen sind hausgemacht. München hat zwar schon jetzt ein

internationales Drehkreuz, jedoch ohne entsprechendes Einzugsgebiet. Passagiere müssen

mit kleinen Maschinen zum MUC geflogen werden, um von dort an internationale Ziele weiter

zu reisen. Beispielsweise sitzen in einem Flug nach Peking noch 29 Einheimisch, der Rest

der 200 Passagiere kommt mit Zubringermaschinen aus ganz Europa. Diese hausge-

machten Engpässe und angeblich unumstößliche Gründe für einen Ausbau können kein Ar-

gument sein für einen Ausbau, für den kein originärer Bedarf in der Region besteht.

Die Prognosen der Zunahme der Fluggäste beruhen auf falschen bzw. waghalsigen Annah-

men, der prognostizierte Bedarf geht völlig an der Realität vorbei.

Da sich Intraplan angesichts ihrer waghalsigen Annahmen offenbar selbst nicht so recht wohl

in ihrer Prognosehaut fühlt, haben die Gutachter gleich noch vorgesorgt, indem sie die Aus-

wirkungen falscher Parameter klein zu reden versuchen:

• „Sensitivitätsrechnung zum Kerosinpreis: Die Sensitivität in Bezug zu den Kerosinpreisen

ist relativ gering (siehe Abb. 5-13). So wird bei 50 % höheren bzw. niedrigeren Kerosin-

preisen der prognostizierte Eckwert (Passagiere) 1 bis 2 Jahre später bzw. früher erreicht

als 2020. Andere Entwicklungen als die angenommene zu den Treibstoffpreisen haben

also kein grundsätzlich anderes Prognoseergebnis zur Folge.“ (S. 120)

• „Sensitivitätsrechnung zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland: Die Abhängigkeit der

Luftverkehrsprognosen von der unterstellten Wirtschaftsentwicklung ist größer als von

den Kerosinpreisen. Bei 0,5 Prozentpunkten höherer bzw. niedrigerer Wirtschaftsent-

wicklung pro Jahr bis 2020 wird der prognostizierte Eckwert (Passagiere) rund 2,5 Jahre

später bzw. früher erreicht als 2020.“ (S. 122)

Legt man diesen Sensitivitätsrechnungen realistische Zahlen zugrunde, zieht alle we-

sentlichen Aspekte in Betracht und addiert diese, kann man nur zu dem Schluss

kommen, dass zumindest die nächsten 20 Jahre keine dritte Start- und Landebahn

notwendig sein wird.

Als völlig untauglich erweisen sich letztlich auch die Hinweise der FMG auf die diversen Ge-

richtsurteile: „Ein Vorhaben ist – auch nach den Maßgaben des für das später zu führende

Fachplanungsverfahren maßgeblichen Luftverkehrsgesetzes – vernünftigerweise geboten,

wenn das Vorhaben „einer Bedarfslage gerecht wird, die zwar noch nicht eingetreten ist,

aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit

erwartet werden kann“ (BVerwG, U. vom 20.04.2005, Nr. 4 C 18.03, S. 16 der Urteilsausferti-

gung – Flughafen München, eigene Hervorhebung). Eben genau diese „hinreichende Si-

cherheit“ ist im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 24

4. Unzureichende Alternativenprüfung

Aus den in Kapitel 3 dargelegten Gründen der Landes- und Regionalplanung und des fehler-

haft begründeten Bedarfs ergibt sich zwingend, dass in einer Alternativenprüfung die Nullva-

riante nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann und sich andere Möglichkeiten

(Verbesserung der Auslastung etc.) aufdrängen. Die im Planungsverfahren durchgeführte

Alternativenprüfung (Antrag S. 25 ff) ist insofern unzureichend, weil sie

1. von der ständig weiter wachsenden Zahl der Flugbewegungen (mit und ohne 3. Bahn)

und dem Erreichen der 120 FB/h als Grundvoraussetzung ausgeht. Die Alternative, die

Flugbewegungen auf dem Status quo (Nullvariante) bzw. durch organisatorische Ver-

besserungen auf einem höheren Niveau (Prognosenullfall) zu behalten, wird überhaupt

nicht geprüft bzw. ohne ausreichende Prüfung verworfen. Vermeidungs-, Kooperations-

und Verlagerungsstrategien (Verlagerung auf umweltverträgliche Verkehrsträger) wur-

den nicht geprüft.

2. die „operationell-organisatorischen Möglichkeiten“ der Verbesserung ohne weitere kon-

krete Darstellung behandelt und deren mögliche Kapazitätsverbesserung auf 93 Be-

wegungen / Stunde von vorne herein „angesichts der Störungsanfälligkeit und Ver-

spätungsgefährdung“ und wegen „der schon heute absehbaren Verkehrsnachfrage“ als

unzureichend annimmt (Antrag S. 9-10).

Die Prüfung von Alternativen wird durch die selbst gesteckten – als unbegründet zurückzu-

weisenden (s.o.) - Ziele von vorneherein abgelehnt. Wir halten es für an sich fehlerhaft,

dass in einer übergeordneten Prüfung wie dem Raumordnungsverfahren bereits eine

Beschränkung bzw. Festlegung auf 1 Variante erfolgt und die Auswahl und Kriterienfest-

legung bereits im Vorfeld des Raumordnungsverfahrens stattgefunden hat. Damit ist keine

echte ergebnisoffene Abwägung und kein tatsächlicher Vergleich mit anderen Vorhabens-

Alternativen (auch der Nullvariante) möglich.

Entsprechend sind folgende Aussagen als unbegründet und falsch zurückzuweisen: Mit: „Die

Flughafen München GmbH kann nicht auf die Nutzung allein der Kapazität des bestehenden

Verkehrsflughafens München verwiesen werden“ wird jede Nullvariante abgelehnt. Oder mit

„durch ein Einfrieren der jetzigen planbaren Kapazität [würde] ein auf Entwicklung angeleg-

tes und aufeinander abgestimmtes Netzwerk von Flugverbindungen nachhaltig gestört. ...

Die Verkehrsstruktur des Verkehrsflughafens München würde durch eine derartige Decke-

lung in Frage gestellt. ... Die Nullvariante läuft auf ein anderes Projekt hinaus“ (S. 26).

Zu den einzelnen Bahn-Alternativen äußern wir uns nicht, da sie keine echten Alterna-

tiven darstellen.

Zur untersuchten Länge der Bahn ist jedoch anzumerken, dass die Begründung gegen eine

verkürzte Bahnlänge, dass diese nämlich mit einem deutlich erhöhtem Koordinierungsauf-

wand verbunden wäre (Antrag S. 35), an sich unzumutbar ist: Die FMG mutet zwar der Re-

gion erhebliche Mehrbelastungen bis hin zu Absiedlungen zu, ist aber selbst nicht gewillt,

einen erhöhten Koordinationsaufwand in Kauf zu nehmen.

Weiterhin möchten wir zumindest anführen, dass die vorgenommene Gewichtung, die zur

Auswahl der vorgelegten Variante geführt hat, willkürlich und fachlich nicht nachvollziehbar

ist (5-fache Bewertung des Faktors „Inanspruchnahme bebauter Grundstücke“, vgl. Gesamt-

bewertung im Anhang 3 des Antrags). Auch mit den Zielen der Landesentwicklung und Re-

gionalplanung ist diese Gewichtung nicht vereinbar.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 25

5. Unzureichende Prüfung überregionaler Auswirkungen

(Klimawirksamkeit)

Fliegen ist die energieintensivste und klimaunverträglichste Art, sich fortzubewegen. Der Ab-

stand des Energieverbrauchs pro Reisendenkilometer im Flugverkehr wird zwar durch ver-

brauchsärmere Flugzeuge immer geringer, allerdings sind einige andere Faktoren zu be-

rücksichtigen, die den Flugverkehr nach Prognosen bald zum Klimakiller Nr.1 machen wer-

den:

Flugverkehr ermöglicht immer weitere Entfernungen:

Menschen investieren seit Jahrhunderten gleich viel Zeit für Ihre Wege. Durch die Beschleu-

nigung der Verkehrsmittel können immer weitere Wege zurückgelegt werden. Auch wenn der

Energieverbrauch eines Flugpassagieres bezogen auf die Entfernung heute nicht mehr grö-

ßer ist als der eines Autofahrers, so ermöglicht das Flugzeug doch immer weitere Entfer-

nungen zurückzulegen

Der Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur führt dazu, dass immer weitere Wege zurückgelegt

werden können. Das ist es, was den Energieverbrauch in der Luftfahrt insgesamt und den

damit verbundenen Klimagasausstoß ansteigen lässt.

Die Energieeffizienzgewinne der Flugzeuge werden durch die steigenden Flugkilometer im-

mer übertroffen.

Abgase sind ca. dreimal schädlicher als am Boden:

Beim Verbrennen von Kerosin entsteht nicht nur Kohlendioxid, sondern es führt auch zur

Bildung u.a. von Wasserdampf und Stickoxiden. Die Auswirkungen letzterer Stoffe auf das

Klima sind in luftigen Höhen ganz anders zu bewerten als am Boden. Der Intergovernmental

Panel on Climate Change, ein von den Vereinten Nationen ins Leben gerufener Zusammen-

schluss der führenden internationalen Klimaforscher, hat festgestellt, dass die Schädlichkeit

der Schadstoffe in großen Flughöhen global gemittelt zwei bis viermal höher ist als bei ent-

sprechenden Emissionen am Boden.

Anteil des Luftverkehrs am weltweiten Klimawandel wird immer größer

Nach neueren Untersuchungen geht man davon aus, dass der Luftverkehr schon heute ei-

nen Anteil von 9% am weltweiten Klimawandel trägt. Prognosen des IPCC sehen dessen

Anteil für das Jahr 2020 schon bei bis zu 15% liegen, wenn die bisherigen Wachs-

tumszahlen im Luftverkehr nicht verringert werden.

Auch im Luftverkehr müssen Klimaschutzziele eingehalten werden

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet, seine Klimagas-

Emissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 21% zu reduzieren. Alle CO2-Emissions-Sektoren

(Energieerzeugung, Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen, Handel und die Privaten Haus-

halte) haben Ihre Emissionen gegenüber 1990 gesenkt und sind damit den Verpflichtungen

aus dem Kyoto-Protokoll gefolgt. Einzig und allein der Verkehrssektor hat einen Zu-

wachs an Emissionen zu verzeichnen.

Sektorale Entwicklung der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland seit 1990 (Angaben in

Mio. t CO2) (Quelle: Nationaler Inventarbericht 2005, DIW Wochenbericht Nr. 9/2005):

1990 2003 Entwicklung 1990 bis 2003

Verkehr 158,1 166,5 + 5,3

Energieerzeugung 441,6 385,1 -12,8

Industrie 195,5 130,9 -33,0

Gewerbe 90,6 60,3 -33,4

Haushalte 129,3 122,4 -5,3

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 26

Diese Zuwächse an Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich werden zu einem bedeu-

tenden Anteil durch den Luftverkehr verursacht. Die CO2-Emissionen aus dem Luftver-

kehr sind in Deutschland im Kyoto-Bereichtszeitraum zwischen 1990 und 2004 um

über 50% angestiegen. Die Stickoxid-Emissionen stiegen nur noch bei einem Verkehrsträ-

ger, dem Luftverkehr. Alle anderen Verkehrsträger konnten beim Stickoxid Emissionen ein-

sparen (siehe Abb. 6).

Wie dargelegt, wirken sich die Treibhausgase des Luftverkehrs im Bezug auf den Klima-

schutz nochmals deutlich negativer aus, als die Emissionen des Bodenverkehrs. Das gilt

insbesondere für die Stickoxide, deren Verweilzeit in der Nähe der Tropopause ca. 10 mal

länger ist als an der Erdoberfläche. Die Zunahme der Stickoxid-Emissionen durch den Luft-

verkehr hat daher ganz besonderen Einfluß auf das Klima und kann nur durch eine vielfache

Reduktion der Stickoxid-Emissionen durch Bodenverkehrsmitteln wieder wettgemacht wer-

den.

Wir sehen es als zwingend erforderlich an, dass auch im zivilen Luftverkehr die Klimaschutz-

ziele von Kyoto (minus 21% Treibhausgasemissionen) eingehalten werden.

Eine weitere Energieeffizienzsteigerung in der Flugzeugtechnik ist dabei nicht ausreichend.

Stattdessen kann nur eine deutliche Reduktion des Flugverkehrswachstums dazu füh-

ren, dass die technischen Verbesserungen an den Flugzeugen insgesamt zu einer Re-

duktion der Treibhausgasemissionen führen.

Eine dritte Startbahn widerspricht daher dem völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-Pro-

tokoll und aller anderen internationalen, nationalen und regionalen Klimaschutzzielen.

Veränderungen der CO2-Emissionen in

Deutschland 1990-2004 in %

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Luftverkehr

Straßenverkehr

Bahnverkehr

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Veränderungen der Stickoxid-Emissionen in

Deutschland 1990 und 2004 in %

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Luftverkehr

Straßenverkehr

Bahnverkehr

Schiffsverkehr

Andere

Abb. 6: Klimagasaus-

stoß (CO2 und NOx)

nach Verkehrsträgern

(Quelle: Nationaler

Inventarbericht Zum

Deutschen Treibhaus-

gasinventar 1990 –

2004)

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 27

6. Verstoß gegen Schutzbestimmungen nach Arten- und Natur-

schutzrecht, Umweltverträglichkeit

Im folgenden werden die Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter nach der UVS

bewertet (Unterlage 14 Abschätzung des Vogelschlagrisikos, Unterlage 15 Umweltverträg-

lichkeitsstudie, Unterlage 16 Fachbeitrag Fauna, Unterlage 17 Fachbeitrag Vegetation und

Landschaft).

6.1 Grundsätzliche Kritik an der Methodik

Die UVS ist in folgenden zentralen Punkten grundsätzlich unzureichend:

• Die Begründung des Vorhabens durch die Antragsteller wird als grundlegende Voraus-

setzung angenommen und nicht hinterfragt, es erfolgt in diesem Sinne keine Alternati-

venprüfung (S. 31-32 UVS).

• Vergleichs- und Bezugsfall der UVS: „Der gemeinsame Prognosehorizont von Planungs-

fall und Prognosenullfall ist das Jahr 2020.“ (UVS S. 32). Es ist weder fachlich noch

rechtlich haltbar, dass die Auswirkung des geplanten Vorhabens der 3. Bahn nicht

an der Veränderung des aktuellen „Ist-Zustandes“ im Jahr 2005 gemessen und

dargestellt wird, sondern an einem für 2020 angenommenen „Prognosenullfall“,

der erheblich mehr Flugbewegungen und damit erheblich mehr Belastung der

Schutzgüter bedeutet als im aktuellen Zustand. Es wird somit ein Vergleich der Belas-

tung mit 3. Bahn im Jahr 2020 zu einem Zustand ohne 3. Bahn im Jahr 2020 dargestellt,

als ob die Gutachter genau wüssten, wie der Zustand der Schutzgüter im Jahr 2020 sein

wird und als ob die prognostizierten Flugbewegungen im Jahr 2020 ohne 3. Bahn mit

Sicherheit so eintreten und unabänderlich sein werden. Durch diese nicht korrekte und

völlig verschobene Maßstabs-Wahl werden alle negativen Veränderungen

erheblich nach unten relativiert. Denn es würde einen erheblichen Unterschied in der

Bewertung machen, ob die Belastung durch die 3. Bahn im Jahr 2020 mit 610.000

Flugbewegungen ins Verhältnis gesetzt wird zu einer Flugbewegungszahl von 473.000

(Prognosenullfall im Jahr 2020 = Zunahme von 137.000 FB) oder von 383.000 (Ist-

Zustand 2004 = Zunahme von 227.000 FB). Als Begründung für diese Methodik wird an-

geführt, dass der Betrieb mit der prognostizierten Zahl der Flugbewegungen erst im Jahr

2020 eintritt und daher auch die damit verbundenen Belastungen erst im Jahr 2020 auf-

treten. Dabei wird aber völlig ignoriert, dass mit einer 3. Bahn die Belastungen sofort

steigen, weil sofort nach ihrer Errichtung ein höheres Wachstum als ohne 3. Bahn erfol-

gen wird. Mit der angewandten Methodik wird somit nur die Vergleichbarkeit der

zusätzlichen Belastung aller Schutzgüter erschwert und verschleiert, die tatsächli-

chen Verschlechterungen werden damit kleingerechnet. Dies gilt nicht für die direk-

ten Flächenverluste und nicht für die Bauphase, aber für alle indirekten Wirkungen des

Lärms, der Stoffeinträge etc.

Durch diese fehlerhafte Bezugsbasis der UVS sind entsprechend alle folgenden

Aussagen der UVS zu den Auswirkungen der Planung hinsichtlich der indirekten

Betroffenheiten (Lärm, Stickstoffeinträge etc.) fehlerhaft und deutlich zu niedrig

bewertet.

• Dazu kommt als weitere grundsätzliche Unzulänglichkeit, dass in der UVS die Vorbela-

stung des betroffenen Raumes nur unzureichend einbezogen wird. In der UVS „sind

stets auch Auswirkungen früherer Umwelteingriffe und –einwirkungen (Vorbelastung)

durch andere Vorhaben ... zu berücksichtigen.“ (UVS S. 47). Zu diesen früheren Um-

welteingriffen gehört in diesem Raum insbesondere die Errichtung des Flughafens als

solches. Sowohl die Natur insbesondere des Erdinger Mooses als auch die Menschen in

diesem Raum sind bereits erheblichen Belastungen ausgesetzt. Lebensräume für

Mensch und Natur wurden irreversibel zerstört, das Grundwasser erheblich abgesenkt.

Diese vorhandene Belastung, die in vielerlei Hinsicht aus unserer Sicht bereits

jetzt grenzwertig ist, findet in der vorliegenden Planung zu geringe Berücksichti-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 28

gung. Stattdessen wird an vielen Stellen der UVS (s.u.) die Vorbelastung sogar als Be-

gründung herangezogen, dass weitere Eingriffe nicht so schlimm seien. Dies ist absolut

unzureichend.

• Weiterhin unzureichend ist die Betrachtung der Summationswirkungen. Die Erweite-

rung des Flughafenbetriebes durch eine 3. Start- und Landebahn wird eine Reihe von

Folgewirkungen haben, die in der vorgelegten UVS überhaupt nicht erscheinen und

demzufolge auch nicht bewertet werden. Das Ausmaß dieser Folgewirkungen lässt sich

aus den Folgewirkungen seit Flughafenbau gut beurteilen und abschätzen (Ausführun-

gen im Einzelnen s.u.). Die fehlende Berücksichtigung dieser Auswirkungen führt eben-

falls zu einer starken Relativierung der negativen Folgen des Vorhabens.

Somit ist grundsätzlich festzustellen, dass die negativen Eingriffe durch diese grund-

sätzlichen Defizite verharmlost und keinesfalls in vollem Umfang dargestellt und be-

wertet werden.

6.2. Nicht ausgleichbare Eingriffe in Flora und Fauna, Biotope

6.2.1. Folgende negative Auswirkungen sind mit dem Vorhaben verbunden (Überblick,

nähere Erläuterung s.u.):

• direkte Vernichtung von Lebensräumen durch Überbauung, 16 landschaftsökologi-

sche Raumeinheiten (LÖR) erleiden laut (unseres Erachtens unzureichender) UVS di-

rekte Flächenverluste. Insbesondere mit der Fauna treten in 9 der LÖR „hohe bis sehr

hohe Konflikte“ auf (UVS S. 176). Für mehr als ¼ der insgesamt 61 LÖR sind mittlere

bis sehr hohe Konflikte aus faunistischer Sicht zu erwarten, bei weiteren 13 noch gerin-

ge oder sehr geringe. Es handelt sich um sehr wertvolle Reste des Erdinger Mooses

(z.B. Grünschwaige, Rofelwiesen, Schwaigermoos), darunter auch nur schwach ent-

wässerte Niedermoorgebiete (Stoibermühle und Obere Lüsse), die neben dem Vieh-

lassmoos noch eine hohe Bedeutung für den Naturschutz haben (hier z.B. sogar unre-

gelmäßig Wachtelkönig-Vorkommen).

Für das Schutzgut Flora/ Vegetation gehen nach den Unterlagen 76 ha Fläche mit ho-

hem und sehr hohem und 38 ha mit mittlerem Biotopwert verloren.

(Zahlenangaben nach UVS, unseres Erachtens Erfassung unvollständig, s.u.).

• direkter Flächenverlust von 4,1 ha Fläche gesetzlich geschützter Biotope (13d-Flächen

nach BayNatSchG), dazu kommen erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen weiterer ge-

setzlich geschützter Flächen.

(Zahlenangaben nach UVS, unseres Erachtens Erfassung unvollständig, s.u.).

• indirekte Beeinträchtigungen durch hydrologische Veränderungen (Grundwasserab-

senkung, Abwassereinleitung, Verlegung und Überbauung von Gewässern u.a.),

die gerade in einem Niedermoor erhebliche Relevanz haben. Der neue Abfanggraben

Ost führt sehr weit nach Nordosten und damit nah an die wertvollsten Niedermoor-Reste

und den Eittinger Weiher und damit auch an Schutzgebiete heran. Die Grund-

wasserabsenkung kann damit sogar bis zum Eittinger Weiher reichen.

Es werden 2.300 m Gewässerlänge überbaut. Im Gebiet kommen eine Reihe hoch-

gradig gefährdeter (terrestrischer und aquatischer) Arten vor, die empfindlich gegenüber

Änderungen des Grundwasserstandes sind. Die temporären Kleingewässer enthalten

eine Reihe bemerkenswerter Arten (Makrozoobenthos). Beispielsweise ist der bundes-

weit bedeutsame Bestand von Potamogeton coloratus im Keckeisgraben durch die

Maßnahmen massiv gefährdet (Vorkommen unmittelbar unterhalb der geplanten Un-

terquerungsstelle durch den zu verlegenden Abfanggraben Ost, „Gewässerkreuzung“).

Auch Vorkommen in anderen Gräben im Norden des Erdinger Mooses können gefährdet

sein. Der Eingriff in das Gewässersystem ist ein wesentlicher Konfliktschwerpunkt der

Planung.indirekte Beeinträchtigung von Lebensräumen und Arten durch Emissionen

(Lärm, Licht, Schadstoffe u.a.), insbesondere Lärm und Nährstoffe sind für Arten und

empfindliche nährstoffarme Lebensräume des Niedermoores und der Kalkschotterflä-

chen (Brennen) relevant. Bei der Zunahme des Lärms ist nicht nur der Fluglärm durch

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 29

Überflug wirksam (s.u.), sondern auch der Fluglärm auf der 3. Bahn selbst, den Roll-

feldern und dem Vorfeld sowie die Zunahme des Zubringer-Verkehrs auf den Straßen,

der zu einer Erhöhung der randlichen Beeinträchtigung der Lebensräume um die Stra-

ßen führen wird. Bei der Einwirkung durch Zunahme der Beleuchtung wird für einige

LÖR eine mittlere Konfliktstufe erreicht (z.B. Schwaigermoos, Grünschwaige, Langwie-

sen, Eittinger Weiher).

• indirekte Beeinträchtigungen durch thermische Veränderungen (Einleitung von Entei-

sungsmittelhaltigem Abwasser in Gewässer, Temperaturerhöhung durch Betrieb u.a.),

• Zerstörung der wenigen noch vorhandenen Funktions- und Verbund-Beziehungen

bisher nicht gestörter Gräben im Umfeld des Flughafens. Kalkgriesgraben und Keck-

eisgrenzgraben sind (im Gebiet zwischen Pförreraugraben und Dorfen) die letzten noch

nicht vom bestehenden Flughafen durchschnittenen und überbauten Gräben. Der Keck-

eisgraben ist faunistisch und floristisch besonders wertvoll, nicht weit unterhalb des Ein-

griffsbereiches hat er ein „hohes Potenzial als Rückzugsraum für die typische Limnofau-

na der Niedermoorbäche des Erdinger Mooses.“ (UVS S. 177). „Auf die Bedeutung der

Bäche und Gräben als wirksame Linearstrukturen für die Ausbreitung der Feuchte lie-

benden terrestrischen Arten ... sei ... noch einmal ausdrücklich hingewiesen." (Fachbei-

trag Fauna S. 63). Mit Errichtung der 3. Bahn werden alle (!) Gräben des Erdinger Moo-

ses zwischen Pförreraugraben (Isarsystem) und Dorfen zerstört sein.

Der Eingriff führt zu einer (weiteren) massiven Verkürzung und Isolierung des bestehen-

den hoch vorbelasteten Gewässersystems. Dazu kommen indirekte negative Auswir-

kung der Veränderung der Gräben auf benachbarte Feuchtflächen.

• Zerstörung von Wander- und Funktionsbeziehungen im Erdinger Moos (Biotopver-

bund), Entwertung insbesondere des gesamten nördlichen Teils des Erdinger Mooses,

Verschmälerung des Korridors/ Wiesenbrütergebietes westlich der Dorfenaue (sowohl

durch Startbahn als auch durch unbegründete Teerung des bestehendes Feldweges),

vom Viehlassmoos bzw. den Hangwiesen nach Süden und nach Westen. Weitere Zu-

satzbelastung durch Zunahme des Verkehrs. Weitere Beeinträchtigung von Wander-

funktionen und Funktionsbeziehung des Komplexes Erdinger Moos – Isarauen - Freisin-

ger Moos, Einschränkung der „Möglichkeiten zur Entwicklung breiter Vernetzungstra-

ssen auf grundwassernahen Standorten“ (UVS S. 214) im Norden des Flughafens bis

zur Autobahn.

• zusätzliche direkte und indirekte Störungen von Lebensräumen und Arten in der Bau-

phase (Lärm, Schadstoffe, Gefahr der Verschmutzung von Gewässern).

• Vermutliche Abwehrmaßnahmen zur Verringerung des Vogelschlages am Eittinger

Weiher, Kiesweiher Eitting-Nord.

• zusätzlich negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft durch den Flächenver-

brauch und die Schadstoff- und Lärmbelastung durch die mit dem Vorhaben verbunde-

nen Folgewirkungen der Zunahme der Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen

einschließlich der zunehmenden Verkehrs. Diese Wirkungen werden erheblich größer

sein als in der UVS angenommen.

• sekundärer Landverbrauch (wie bereits nach Flughafenbau aufgetreten) durch Inten-

sivierung der Landnutzung als Ausgleich für Verluste o.ä.

Von den negativen Auswirkungen sind auch landschaftliche Vorbehaltsgebiete nach dem

Bayerischen Landesentwicklungsprogramm betroffen, insbesondere deren Zielsetzung „Er-

haltung des Niedermoores“ oder „Erhaltung der bestehenden Grundwasserverhältnisse“ oder

„Sicherung der Brutstätten für Wasser- und Sumpfvögel“. Die in der UVS festgestellte Ver-

einbarkeit der Planung mit den Zielen und Funktionen der landschaftlichen Vorbehaltsge-

biete (S. 62) ist fachlich nicht haltbar (s.u.). Ebenso sind von den Eingriffen Schutzgebiete

nach § 31 BNatSchG betroffen, insbesondere das Naturschutzgebiet Viehlaßmoos durch

mögliche Grundwasserabsenkung und veränderte Funktionsbeziehungen zu weiteren Moos-

Restflächen. Das Naturschutzgebiet Eittinger Weiher ist in seiner Zielsetzung für den Erhalt

der Wasservögel negativ betroffen, mehrere Naturschutzgebiete können von Stoffeintrag und

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 30

der Erhöhung der Lärm- und Lichtemissionen betroffen sein. Ebenso ist auch das Land-

schaftsschutzgebiet „Isarauen“ von den erhöhten Lärm- und Stoffemissionen betroffen – was

in der UVS völlig außen vor gelassen wird (UVS S. 65). Zur Betroffenheit von europäischen

Schutzgebieten siehe Kap. 7. Bezüglich der Darstellung der Auswirkungen auf die Schutz-

gebiete enthält die UVS insofern einen Widerspruch, als bei den europäischen Schutzge-

bieten eine Beeinträchtigung durch Licht- und Stickstoffemissionen für die Isarauen, das

Viehlaßmoos und das Freisinger Moos „nicht gänzlich auszuschließen sind“ (S. 71), ande-

rerseits aber für die Naturschutzgebiete ausgeführt wird: „Wirkungen durch Stickstoffeintrag

aus der Luft sind für die NSG Viehlaßmoos, NSG Freisinger Buckl, NSG Oberdinger Moos ...

nicht zu erwarten.“ (S. 65). Dies ist fachlich nicht nachvollziehbar. Für die Naturschutzgebiete

sind dieselben (unseres Erachtens sehr wahrscheinlichen) negativen Auswirkungen anzu-

nehmen, wie sie für die Natura 2000-Gebiete sogar in der UVS selbst nicht auszuschließen

sind.

Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, dass bereits durch die Errichtung des Flughafen

München erhebliche Eingriffe und Zerstörungen von Lebensräumen und Funktionsbe-

ziehungen im Erdinger Moos stattgefunden haben, die weder ausgleichbar noch er-

setzbar waren. Das Grundwasser wurde durch den Bau des Flughafens bereits flächig um

rund 2 m abgesenkt (UVS S. 95), im Süden des Flughafens traten unerwartete „Anomalien“

des Grundwassers auf. Die Erweiterung der Zerstörung nach Norden würde eine weitere

massive Verschlechterung bedeuten. Dabei ist es keineswegs so, dass die Eingriffe „vorwie-

gend erst durch den Bau des Flughafens entstandene, heute wertvolle Sekundärbiotope“

(UVS S. 26, v.a. Vorflutgraben) betreffen, sondern die Eingriffe bedeuten eine weitere Zer-

störung und Beeinträchtigung letzter noch verbliebender Funktionsbeziehungen und Restflä-

chen im Erdinger Moos (s.u.).

Dass der für die geplante 3. Bahn untersuchte Raum Erdinger Moos – Isarauen noch hohen

naturschutzfachlichen Wert hat, zeigt auch die Untersuchung selbst (trotz ihrer fachlichen

Defizite, s.u.):

• 314 aus artenschutzrechtlicher und –fachlicher Sicht vorrangig relevante Tierarten (d.h.

gefährdet oder/ und streng geschützt), vgl. UVS S. 115 bzw. Tab. 1 Fachbeitrag Fauna,

darunter 80 streng geschützte Tierarten, davon alleine 56 streng geschützte Vogelarten.

• 225 Gefäßpflanzen der Roten Liste Bayerns, davon 3 Arten RL 1, 22 Arten RL 2, 86 Ar-

ten RL 3 (nur Auswertung Sekundärdaten), darunter 11 Arten mit sehr großer bzw. gro-

ßer Verantwortung Deutschlands, dabei Hauptverantwortung in Bayern, für internatio-

nales Vorkommen.

• 2 Pflanzenarten FFH-Anhang II, 14 Tierarten FFH-Anhang II, 24 Vogelarten VS-RL,

• 25 Tierarten nach FFH-Anhang IV

• 2.576 ha Flächen mit sehr hoher (413 ha)/ hoher (941 ha)/ mittlerer (1.221 ha) Bedeu-

tung für das Schutzgut Pflanzen und Biotope (allerdings erhebliche Unterbewertung und

Mängel der Erfassung in UVS, s.u.)

• 1.411 ha amtlich kartierte Biotope,

• 917 ha 13d-Biotope

kommen im Untersuchungsgebiet vor (vgl. auch Bewertungen im ABSP, Schutzgebiete).

Dass dabei das Flughafengelände selbst Brachvögeln und Kiebitzen Lebensraum bietet,

kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zum einen der Gesamt-Bestand an brütenden

Brachvögeln vor Flughafenbau insgesamt größer war (siehe Erfassungen vor Flughafenbau

(BEZZEL & LECHNER 1976) mit Bestandsdichten von 80-120 Brutpaaren im gesamten Erdin-

ger Moos mit Paardichten z.T. 3-4 Paare/km²). Und dass zum anderen das Gelände vor

Flughafenbau eine Funktion für viele Tier und Pflanzenarten des Erdinger Mooses (nicht nur

für den Brachvogel und Kiebitz) hatte und im Gesamtraum des Erdinger Mooses wichtige

Funktions- und Austauschbeziehungen erfüllen konnte.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 31

Bei dieser Vorbelastung ist irrelevant, ob die Lebensräume und Arten durch den Bau der 3.

Bahn direkt zerstört werden oder nicht. Entscheidend ist, dass durch den Bau der 3. Bahn

mit Sicherheit eine weitere Funktionsstörung des Komplexraumes Erdinger Moos – Isaraue

stattfindet und damit der gesamte Raum in seiner Wertigkeit (weiter) entwertet wird. Entspre-

chend der hohen Vorbelastung des Raumes finden sich in zahlreichen Fachplänen und –

programmen (z.B. ABSP) Zielsetzungen und Maßnahmenvorschläge zur ökologischen

Verbesserung des Gebietes (vgl. UVS S. 77), deren Realisierung schon unter den Gege-

benheiten des bestehenden Flughafens schwierig sind, aber mit einer 3. Bahn weiter er-

schwert und teilweise (z.B. Verbesserung der Verbundfunktion, Wiederausdehnung der Le-

bensgemeinschaften der Niedermoore und Feuchtwiesen als Biotopverbundkorridore, Anhe-

bung des Grundwasserspiegels) unmöglich gemacht wird. Von den Eingriffen ist somit die

fachliche Zielsetzung von naturschutzfachlichen Fachplänen in Schwerpunktgebieten

des Naturschutzes (v.a. Erdinger Moos) negativ betroffen, und zwar nicht nur wie in

der UVP angegeben durch die Flächeninanspruchnahme. Dazu kommen auch negative

Auswirkungen auf die Schwerpunktgebiete Isarauen und Freisinger Moos.

6.2.2. Defizite der Erfassung und Darstellung (beispielhafte Aufzählung):

• Beschränkung der Auswertung (Fauna) auf vorhandene Sekundärdaten (UVS S. 114) zu

bestimmten Tierartengruppen, d.h. keine gezielte faunistische Kartierung (außer lokal

Makrozoobenthos),

• Beschränkung der Erfassung, Auswertung auf Strukturkartierung, Biotopkartierung und

vorhandene (bekanntermaßen absolut unvollständige) Daten der Artenschutz-Kartierung,

d.h. keine floristische Kartierung.

• Beschränkung auf Artengruppen, für die ein „nennenswerter Erfassungsgrad“ (S. 114)

vorliegt,

• Beschränkung der Darstellung und Bewertung der Beeinträchtigungen auf die vorrangig

schutzrelevanten Arten.

• Entsprechend keineswegs vollständige Darstellung der Artvorkommen: z.B. Blaukehl-

chen: am Eittinger Weiher existieren nach Aussagen örtlicher Ornithologen mehr als 6

Blaukehlchen / z.B. Teichfrosch (Rana lessonae): Die Meldung in den Isarauen ist kei-

neswegs zweifelhaft, sondern von örtlichen Amphibienspezialisten bestätigt / z.B. fehlen

sogar RL-Arten wie Linum perenne oder Gentiana cruciata.

• Fehlende Darstellung der Einzel-Vorkommen der bewertungsrelevanten Arten (Einzel-

fundpunkte, in Karte 7 Fachbeitrag Vegetation z.B. nur aggregierte Darstellung), fehlende

Darstellung der Lebensraumtypen und Arten der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie in Be-

standskarten.

• Fehlende Darstellung ggf. nötiger Maßnahmen zur Verringerung des Vogelschlages ins-

besondere am Eittinger Weiher und den Auskiesungen Eitting-Nord (Gutbrod-Weiher) in

der Direktlinie An- bzw. Abflug, aber auch an Stoibermühle, Pullinger Weiher.

• Fehlende Darstellung der möglichen Auswirkungen auf das Grundwasser (Absenkung)

durch den neuen Abfanggraben Ost, der in 1-2 km Entfernung an Eittinger Weiher und

die wertvollsten Schutzgebiete im Nordosten heranführt (nur pauschaler Hinweis, dass

ggf. Abdichtung nötig wird).

• Fehlende Darstellung der Auswirkungen (Flächeninanspruchnahme) auf das vom Land-

kreis Freising per Verordnung geschützte Wiesenbrütergebiet an der Stoibermühle (Lüs-

se).

• Fehlende Darstellung einer Gesamtbewertung und der Konflikte bei Überlagerung aller

Einzelbewertungen.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 32

6.2.3. Defizite der Bewertung:

a) Bewertung trotz defizitärer Datenlage:

Trotz der generell unzureichenden Datenlage werden in der UVS Bewertungen vorgenom-

men, die zu einer geringen Bewertung der Eingriffe und zu einer Ausgleichbarkeit führen –

dies ist fachlich nicht korrekt. Es wird eine Bewertung des „Schutzgutes Pflanzen“ vorge-

nommen, ohne dass die Flora überhaupt aktuell und flächendeckend erfasst wurde. Die Be-

wertung und Konfliktanalyse Fauna (UVS S. 114) beschränkt auf „die vorrangig natur-

schutzfachlich und artenschutzrechtlich relevanten Arten“. Für eine tatsächliche Bewertung

der Eingriffe ist dies absolut keine ausreichende Grundlage.

b) Die Bewertung der Fluglärmbelastung ist völlig unzureichend:

Entgegen der ausführlich begründeten Bewertung der Fluglärmauswirkung auf Vögel, sind

wir der Ansicht, dass der Fluglärm durch die geplante Zunahme der Flugbewegungen durch-

aus die Qualität von „Dauerlärm“ erreicht. Viele der in A2-5 zum Fachbeitrag Fauna an-

geführten Beispiele (wie z.B. Untersuchungen vom Flughafen Bremen, vom Flughafen auf

den Weihnachtsinseln zu Graufußtölpeln, von Flügen im Umfeld arktischer Pinguinkolonien,

von kontrollierten Hubschrauberflügen über Nestern einer mexikanischen Kauzart, von militä-

rischen Tiefflügen über Kragenenten oder Fischadler-HOrsten in Labrador u.a.) sind mit der

Belastung am Flughafen München nicht vergleichbar bzw. betreffen hier nicht vorkommende

Arten. Die prognostizierten mittleren Pausen von 64 (47) bis 417 (254) Sekunden Länge sind

Mittelwerte. Die Flugbewegungen haben aber gerade zur Zeit der Gesangsaktivität der Vögel

(frühmorgens ab 5 Uhr und spätnachmittag) einen deutlichen Höhepunkt (vgl. Abb. des An-

trags), so dass hier die Pausenzeiten erheblich kürzer sein werden. Damit ist die Gefahr der

Maskierung von Gesängen entgegen der Schlussfolgerung der Gutachter sehr wohl in die

Betrachtung der negativen Auswirkungen mit ein zu beziehen. Dies kann beispielsweise zur

Verkleinerung von Revieren führen, was wiederum den Bruterfolg reduziert.

Dies gilt umso mehr, als z.B. für den Eittinger Weiher bzw. die Auskiesungen Eitting-Nord

künftig alle (!) An- und Abflüge mit Überflugshöhen von < 100m wirksam sind. Dies ist eine

erhebliche Verschärfung der aktuellen Situation. Es werden für den nördlichen Bereich des

Eittinger Weihers Dauerschallpegel von bis zu > 70 dB(A) erreicht werden, für die Kiesab-

grabung Eitting Nord von bis zu 62 dB(A) (aktuelle Belastung: Eittinger Weiher: Anflug: 225m

bei 82 dB(A) / Abflug: 470 m bei bis zu 84 dB(A) und Kiesabgrabung Eitting Nord: Abflug:

510 m bei 83 dB(A) / Anflug: 330 m bei 78 dB(A), vgl. Anhang A4-1).

Zusätzlich zum zunehmenden Fluglärm ist zudem der zunehmende Verkehrslärm (Autobahn

und andere Flughafen-Zubringer) zu berücksichtigen. Diese Summationswirkungen werden

in der UVS überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Negative Auswirkungen können dabei nicht nur bei Vögeln, sondern auch bei Heuschrecken,

Amphibien, Säugetieren (z.B. Fledermäuse) keineswegs sicher ausgeschlossen werden.

Dass der Wirkfaktor Fluglärm in der UVS nicht weiter betrachtet wird, ist ein grobes Defizit

der UVS.

Zur Diskussion um die Lärmempfindlichkeit von Vogelarten ist zwar zu bestätigen, dass es

unterschiedliche Angaben zu Empfindlichkeiten gibt, dass aber gerade in Wiesenbrüterge-

bieten und Schutzgebieten von den empfindlichsten Werten ausgegangen werden sollte.

Diese stammen mit der 47 dB(A)-Isophone bisher von RECK ET AL. (2001). Beispielsweise

weist RICHARZ erst 2004 noch darauf hin, dass die Auswirkung des Lärms auf talfolgende

Pendelflüge der Vögel oder den Vogelzug bisher kaum untersucht sind. LOHR et al. (2002)

fanden bei 10 untersuchten Vogelarten, dass mit der Zunahme des Fremdlärms um 10 dB

auch die Erkennungsschwelle für arteigenen „Lärm“ um 10 dB anwuchs. Bereits ein Ver-

kehrslärm von 13 – 26 dBA (bei 63 bis 2 kHz) überdeckte die arteigene Kommunikation.

REIJNEN et al. (1995) geben nach detaillierten großräumigen Untersuchungen einen

Grenzwert von > 50 dBA für Wiesenvögel und > 40 dBA bei Waldvögeln an.

Innerhalb der 54 dB(A)-Isolinie erfolgt nach RECK mindestens 40% Minderung der Le-

bensraumeignung. Auch wenn dies vor allem für Dauerlärm an Straßen gilt, ist dies doch

auch für den Bereich des Fluglärms analog anzuwenden, zumal hier ja sehr viel höhere

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 33

dB(A)-Werte bei den Einzelereignissen erreicht werden. Selbst wenn man nur die 60 dB(A)-

Dauerschall-Isolinie heranzieht, reicht diese weit ins Umland des Flughafens hinein (Isarau-

en, bis ins Freisinger Moos).

c) Es fehlt die Bewertung der Gefährdung des Verlustes von Individuen durch Vogelschlag:

Das Vogelschlag-Risiko erhöht sich. Laut UVS nimmt der Vogelschlag aber bei zunehmen-

dem Flugverkehr ab, was darauf schließen lässt, dass die Populationsdichte durch die stei-

genden negativen Auswirkungen abnimmt.

Die Vogelschlagszahlen haben sich bis 2004 außerhalb des Zaunes durch Zunahme von

Vogelpopulationen an Kiesweihern erhöht. Der Ostrand der geplanten 3. Bahn wird nach den

Lageplänen bis auf 1.700 m an den Eittinger Weiher bzw. bis auf 3.500 m an die Kiesabgra-

bung Eitting-Nord (in der UVS S. 171 fälschlicherweise mit Eittinger Weiher gleichgesetzt)

heranrücken, alle (!) An- und Abflüge werden mit Überflugshöhen von < 100m wirksam

werden. Dies stellt eine erhebliche Verschlechterung der aktuellen Situation dar (aktuelle

Überflugsituation: Eittinger Weiher: Anflug: 225m bei 82 dB(A) / Abflug: 470 m bei bis zu 84

dB(A) und Kiesabgrabung Eitting Nord: Abflug: 510 m bei 83 dB(A) / Anflug: 330 m bei 78

dB(A), vgl. Anhang A4-1).

„Diese Abgrabungen haben sich in den letzten 10 Jahren zu den vogelreichsten Gewässern

im Erdinger Moos entwickelt. Derzeit wird geprüft, ob dieser flugsicherheitsrelevante Popula-

tionsanstieg bis heute anhält.“ (UVS S. 171, eigene Hervorhebung). Es wird in den Unterla-

gen dann aber nur erwähnt, dass weitere Zählungen erfolgen sollen. Dagegen findet sich in

Unterlage 14 (Abschätzung Vogelschlagrisiko) klar die Aussage: „Auf eine Wiederverfüllung

von Baggerseen in ... den An- und Abflugsektoren kann dabei nicht verzichtet werden.“ (S.

17). Der Eittinger Weiher wird überhaupt nicht in die weiteren Betrachtungen miteinbezogen,

obwohl er noch tiefer überflogen wird. In den Unterlagen der UVS wird somit weder darauf

hingewiesen, dass eine Beeinträchtigung der Populationen durch Individuenverluste erfol-

gen kann noch dass ggf. die Weiher aus Sicherheitsgründen verfüllt werden sollen und

somit der gesamte Lebensraum verloren geht. Bezüglich der Wiederverfüllung von Seen wird

im Fachbeitrag Fauna (S. 77) darauf hingewiesen, dass sich dies wohl nur auf Seen mit Ge-

nehmigung erstreckt – aber wir bezweifeln, dass dies bei einer Feststellung eines „flugsi-

cherheitsrelevanten“ Risikos am Eittinger Weiher noch eine Rolle spielt, denn: „Soweit sich

... Handlungsbedarf ergibt ... ist ... davon auszugehen, dass für den geplanten Ausbau die

erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden“ (UVS S. 173) – diese würden auch wohl den

Eittinger Weiher betreffen müssen, gehen aber in die weitere Bewertung überhaupt nicht ein.

d) Es fehlt weiterhin die Bewertung des Erdinger Mooses für den Vogelzug:

Erdinger und Freisinger Moos sind wichtige Vogel-Rastplätze beispielsweise für Kiebitze im

Frühjahr auf dem Weg nach Norden (zeitweise tausende Tiere rastend) oder für die Bekas-

sine im Herbst auf dem Durchzug. Durch die starke Entwertung des gesamten nördlichen

Erdinger Mooses und die nur sehr kleinen noch verbleibenden Restflächen sind negative

Auswirkungen auf die Bedeutung für den Vogelzug zu erwarten. Auch sind Verluste von Indi-

viduen durch zunehmenden Vogelschlag zu erwarten.

e) Defizite in der Bewertung des Schutzgutes Fauna:

Die Methodik in der Bewertung der Fauna ist unzureichend und mangelhaft. Entgegen übli-

cher Methode werden hier im wesentlichen nur die Vorkommen weniger Arten, ausgewählt

nach dem Status in der „Roten Liste“ und ergänzend manche Arten der FFH-RL und der VS-

RL herangezogen.

Unberücksichtigt bleiben Bestandsgröße, Repräsentanz für den Lebensraum (dies beinhaltet

eine Indikatorfunktion für den Zustand des Lebensraumes und die Artenzahl sowie die Diver-

sität. So sind auch die Vorkommen und Bestandsgrößen nicht unmittelbar gefährdeter Arten

als naturschutzfachlich bedeutsam einzustufen.

Unberücksichtigt bleiben die Lebensgemeinschaften: Es fehlen wichtige Kriterien wie Aus-

prägung der Lebensgemeinschaft ("Vollständigkeit") "Indikatoren" für bestimmte Biotopquali-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 34

täten, Vorkommen autökologisch oder tiergeographisch bemerkenswerter Arten (Spezies mit

komplexen Lebensräumen; Arten an der Grenze ihres Verbreitungsareals); landschaftsöko-

logische Kriterien (z.B. Ausprägung und regionale bzw. landesweite Repräsentanz des Le-

bensraumes), Zustand und der Empfindlichkeit eines Lebensraumes nach verschiedenen

Parametern, wie Größe, Umfeldsituation, Beeinträchtigungen (Vorbelastungen), Alter, Er-

setzbarkeit und Entwicklungsfähigkeit.

Zudem wurden bis auf wenige Ausnahmen nur unspezifiziert vorhandene Daten ausgewer-

tet. Die Qualität bzw. Zuverlässigkeit der einzelnen Daten ist nicht nachvollziehbar. So wer-

den Gutachtendaten und Befragungen von Laien (z.B. Freizeitfischern) unterschiedlichen

Alters unkommentiert gleich verwendet.

Ein weiteres gewichtiges Defizit liegt in der Natur der Vielzahl sektoraler jeweils sehr unvoll-

ständiger Arbeiten, da keine das gesamte Gebiet untersucht hat. Es muss deshalb davon

ausgegangen werden, dass im Gebiet nicht alle faunistische Vorkommen bekannt sind, folg-

lich die Bewertung sehr lückenhaft ist. Zwar wurde darauf hingewiesen, dass nur Tiere be-

rücksichtigt wurden, bei denen ein „nennenswerter“ Erfassungsgrad und eine „hinreichend

gleichmäßige Datengrundlage“ gegeben war, jedoch bleibt unklar, was damit gemeint sei.

Außerdem fallen demnach alle anderen Tiere bzw. Tiergruppen unter den Tisch, z.B. die

hoch indikatorische Gruppe der Landmollusken.

Entsprechend ergeben sich Folgefehler in der Konfliktabschätzung, die dadurch tendenziell

als zu niedrig ausfällt bzw. es besteht die Gefahr, dass Konflikte in einzelnen Teilflächen

nicht erkannt werden.

In der naturschutzfachlichen Bestandsbewertung ist nicht ersichtlich, ob zur Einstufung eines

LÖR in eine Kategorie bereits ein Kriterium ausreicht, oder ob alle erfüllt sein müssen. Nach-

dem die Rollfeldwiesen wegen des Vorkommen des Großen Brachvogels mit sehr hoch be-

wertet werden, ist offenbar ein Kriterium ausreichend.

Dementsprechend sind die Isarauen durchgehend in Wertstufe 5+ „herausragend“ zu be-

werten. Denn: die Isarauen sind bayernweit eines der größten zusammenhängenden und

durchgehendes Auengebiet, das seine Wertigkeit gerade auch dadurch erhält. Einzelne,

noch dazu benachbarte Auenabschnitte unterschiedlich zu bewerten, ist nicht richtig.

Entsprechend sind einzelne LÖR bei korrekter Anwendung der Kriterien wohl zu niedrig be-

wertet: N04 Moorrest Schwaigermoos (hier geben die Autoren selbst an, dass keine Daten

vorhanden sind. Eine Einstufung „mittlere Bedeutung“ auf dieser Grundlage ist nicht korrekt),

N05 Eittingermoos (sehr hohe Bedeutung Wirbellose und hohe Bedeutung Wirbeltiere: dar-

aus müsste die Bedeutung sehr hoch folgen (angewendet auf die Rollfeldwiesen im Flugha-

fen würde eine Untersuchung der Wirbellosen vermutlich eine deutlich geringere Bedeutung

ergeben; entsprechend dürfte nach diesem Schema dessen Gesamtbewertung wohl allen-

falls mittelhoch sein)), E01 Marzlinger Weiher/Egelsee (vgl. N05: zu niedrig bewertet). Unter

Heranziehung der üblichen Kriterien muss auch der Eittinger Weiher (D03) als „herausra-

gend“ bewertet werden.

f) Defizite in der Bewertung des Schutzgutes Flora/ Vegetation:

Die Darstellungen sind widersprüchlich: auf S. 192 wird angeführt: „Insgesamt gehen durch

den Flächenanspruch 76 ha mit hohem und sehr hohem und 38 ha mit mittlerem Biotopwert

verloren (gesamt 114 ha),“ Es wird verwiesen auf Tabelle 6.3. Diese Tabelle enthält aber

keine Bewertung „sehr hoch“, die 114 ha beanspruchten ha werden dort nur als „hoch“,

„mittel“ oder gar nicht bewertet (ebenso im Fachbeitrag). Auch in der Zusammenfassung der

UVS taucht keine Betroffenheit sehr hoch bewerteter Flächen auf (S. 29). Es ist zu vermuten,

dass vielleicht eine frühere Bewertung doch zum Ergebnis „sehr hoher“ Wertigkeit kam und

nachträgliche Änderungen nur in Tab. 6.3., nicht aber im Text auf S. 192 vorgenommen wur-

den ? Beispielsweise wären die Bestände von Potamogeton coloratus (z.B. Keckeisgraben

betroffen) auf jeden Fall mit höchster Bewertung „sehr hoch“ einzustufen.

Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass unter dem Punkt Schutzgut Biologische Vielfalt für

die „Artenvielfalt Pflanzen“ erwähnt wird: „Generell ist die Datenlage aber veraltet, die Nach-

weisdichte ist sehr lückig. Es ist zu erwarten, dass ... am Vorflutgraben Nord sowie mögli-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 35

cherweise auch einigen Entwässerungsgräben (Insbesondere im Keckeisgraben) weitaus

mehr Arten mit Bedeutung für das Schutzgut vorkommen, als bisher dokumentiert ist.“ (S.

211). Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dies 1. nicht in die Bewertung des

Schutzgutes Flora einfließt und 2. dennoch auch beim Schutzgut Biologische Vielfalt die

Auswirkungen der Eingriffe als „gering“ bewertet werden.

g) Die Aggregierung der Bewertung in landschaftsökologische Raumeinheiten (LÖR) ist

zwar grundsätzlich nachvollziehbar, birgt aber die Gefahr einer Verschleierung von Be-

troffenheiten einzelner Flächen bzw. Arten:

Zwar wird im Fachbeitrag Fauna explizit darauf hingewiesen, dass deshalb von der Bewer-

tung abgewichen werden kann und Einzelfallprüfung vorgenommen werden kann, dies

scheint aber in der tatsächlichen Bewertung kaum angewandt bzw. ist ohne detaillierte Kar-

tendarstellungen einzelner Vorkommen kaum nachvollziehbar.

h) Unzureichende Bewertung der Realnutzungstypen bzw. Lebensraumtypen (UVS S.

111, 112, Fachbeitrag Vegetation S. 61 ff, Anhang 3):

durch die Bildung eines Mittelwertes aus der Einzelbewertung nach den ausgewählten Krite-

rien ergibt sich rein methodisch extrem selten der Wert 5 (sehr hoch). Dies ist eine unzuläs-

sige Missachtung der Einzelbewertung. Die Gesamtbewertung 5 hätte vergeben werden

müssen, wenn auch nur eine Einzelbewertung den Wert 5 erreicht. Überhaupt nicht in die

Bewertung geht das Vorkommen einzelner Arten ein, nicht einmal die Vorkommen von Arten

mit besonderer internationaler Verantwortung in Bayern – dennoch wird in der UVS am Ende

der Bewertung eine „Bedeutung für das Schutzgut Biotope und Pflanzen“ abgegeben!

Dadurch entspricht die im Anhang 3 dargestellte Bewertung der Biotope zwar in etwa einer

allgemeinen Biotopbewertung in Bezug auf den Naturraum (wobei unklar ist, ob die Bewer-

tung nach den Naturräumen Erdinger Moos und Isaraue differenziert wurde), sie spiegelt

aber nicht die tatsächliche Bedeutung von Einzelflächen im Eingriffsraum wider.

Insgesamt ist somit der Anteil der Biotope mit „sehr hohem“ Wert (Auwald, Flachmoor/

Quellmoor, artenreiche Pfeifengraswiese) in der UVS zu gering. Es würden sich beispiels-

weise höhere Bewertungen ergeben für: natürliche/ naturnahe Bachabschnitte allgemein

(Repräsentanz hätte 4 statt 5 sein müssen, Gesamtbewertung 5 schon alleine wegen Be-

wertung 5 bei Seltenheit), für einzelne Entwässerungsgräben (bei floristischer Einzelbewer-

tung, bei Bewertung der oligotrophen kaum wiederherstellbaren Ausbildungen) - z.B. für den

bundesweit bedeutsamen Bestand von Potamogeton coloratus im Keckeisgraben -, für ba-

senreiche Magerrasen wie Freisinger Buckl (sowohl Ersetzbarkeit als auch Seltenheit mit 5

bewertet à Gesamtbewertung 5 wäre zwingend, Repräsentanz für Naturraum Isaraue mit 3

ist zudem falsch, da zu gering, auch Wiederherstellbarkeit brennentypischer Ausbildung ist

sehr schwierig), oder für strukturreichen altbaumreichen Laubmischwald (Ersetzbarkeit mit 5

bewertet).

Entsprechend wäre auch der Anteil der Biotope mit hohem Wert in der UVS auf Unter-

schätzungen zu überprüfen, beispielsweise werden „Bäche und Gräben“ nur in 5 ha mit ho-

her Bedeutung bewertet.

Im übrigen fehlt auch ein Abgleich mit den FFH-LRT.

i) Es ist auch unzulässigerweise verharmlosend, die Eingriffe in das Grabensystem so hin-

zustellen, als „handelt es sich um diejenigen Vorfluter im nördlichen Randbereich des Flug-

hafens ... die bereits beim Flughafenbau Ende der 80er Jahre verlegt bzw. neu geordnet

worden sind.“ (S. 192) oder dass „das bestehende [Gewässer-]System ... praktisch nach

Norden verschoben [wird]“ (S. 229). Dies trifft nicht für die Goldach oder z.B. den Keckeis-

graben zu, wie an anderer Stelle der Unterlagen auch ausgeführt wird (S. 195). Um eine

Verschiebung des Gewässersystems nach Norden kann es sich schon alleine deshalb nicht

handeln, weil nach Norden keine Verlängerung des Gewässersystems erfolgt (und auch

nicht erfolgen kann).

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 36

Die Schlussfolgerung, dass eben wegen der schon erfolgten Eingriffe auch die neuen Ein-

griffe ausgleichbar seien, ist fachlich als reine Behauptung zu werten, denn zum einen wird

mit den neuen Eingriffen nun tatsächlich das gesamte Gewässersystem des Nordens des

Erdinger Mooses beeinträchtigt, zum anderen haben die neuen Gräben nach Flughafenbau

keineswegs die volle Funktion der bestehenden Gräben ersetzen können, Die Bewertung,

dass die Auswirkungen auf das Schutzgut Pflanzen als „gering bis mittel“ (Flächenbedarf)

bzw. „gering“ (Bau, Betrieb, Grundwasserregelung) bewertet werden, ist unseres Erachtens

deutlich zu niedrig bewertet.

j) Die UVS übernimmt unkritisch aus dem Fachbeitrag ungesicherte Annahmen und Vor-

aussetzungen zur Grundwasserabsenkung und Gewässerverschmutzung:

Es wird die Annahme übernommen dass die Grundwasserabsenkung nur lokal begrenzt sein

wird oder eine Gewässerverschmutzung vermeidbar sein wird: „Sofern die ... Maßnahmen

wirksam werden“ (Fachbeitrag Vegetation S. 74). Auf dieser Basis wird der Wirkfaktor

Grundwasserabsenkung „nicht weiter betrachtet“ – dies ist unzureichend. Zur grundsätzli-

chen Kritik an der Bewertung „Grundwasserabsenkung“ und „Veränderung des Wasserab-

flusses“ bzw. Veränderung der Wasserqualität“ und der Kritik am Nachweis der Wirksamkeit

der vorgesehenen Versickerungs- und Abflussregelungs-Maßnahmen siehe Kap. 6.5. Wir

sehen entgegen der verharmlosenden Darstellung der UVS das Risiko einer Beeinträchti-

gung des Schutzgutes Pflanzen und Tiere und Biologische Vielfalt durch die Grundwasser-

absenkung keineswegs als sicher auszuschließen an. Die Belastung wird mit Sicherheit zu-

nehmen (könnte damit z.B. Empfindlichkeitsgrenzen überschreiten, andere empfindliche Ar-

ten neu betreffen etc.).

Es ist somit nicht nachzuvollziehen, dass einerseits „ein gewisses Risiko einer Gütebe-

einflussung der .... Gewässerabschnitte“ gesehen wird, aus den „bisher ... nicht in nen-

nenswertem Umfang“ aufgetretenen Schäden aber abgeleitet wird, dass „auch künftig keine

stoffliche Beeinträchtigung ... zu erwarten.“ ist (S. 197 UVP).

Unverständlich ist auch die Sicherheit, dass für das Schutzgut Flora Auswirkungen auf weiter

entfernt liegende höchst wertvolle Schutzgebiete (Viehlaßmoos, Eittinger Weiher) „auszu-

schließen“ sind, zumal an anderer Stelle der UVS durchaus gegenteilige Aussagen zu finden

sind: „Durch die Verschiebung des Abfanggrabens Ost nach Osten ist eine Beeinflussung

des Grundwassers in diesen Bereichen bei höheren Grundwasserständen ... möglich, denn

es ist derzeit keine Abdichtung vorgesehen. ... Daher sollen ... mögliche Wechselwirkungen

der Maßnahmen mit grundwassergeprägten Lebensräumen der Gewässer und Feuchtstand-

orte, die hoch sensibel gegenüber Änderungen der Grundwasser- und Abflussverhältnisse

sind, betrachtet werden.“ (S. 242). Dann solle eine Abdichtung des Abfanggraben Ost diese

Auswirkungen beseitigen. Die Bewertung dieser (u.E. nicht auszuschließenden) Gefahr fehlt

beim Schutzgut Flora/ Fauna / Biotope völlig. Immerhin wird der neue Abfanggraben Ost in

1-2 km Entfernung (laut UVS verharmlosend: „in weiterer Entfernung“, Fachbeitrag Vegetati-

on S. 71) zu wertvollsten Schutzgebieten verlaufen.

Die Praxis zeigt, dass Eingriffe in den Grundwasserhaushalt vielfach derart komplex sind,

dass vorherige Prognosen über Auswirkungen oder über die angebliche Wirkung von Ge-

genmaßnahmen oft nicht mit den tatsächlichen Folgen übereinstimmen.

Unverständlich ist auch, weshalb Gefährdungen des Grundwassers als „gering“ beurteilt

werden, obwohl die Belastungsfaktoren „Verlegung von Fließgewässern, Grundwasser-

absenkung, Beeinträchtigung der Qualität von Oberflächengewässern ... noch nicht hin-

reichend konkret“ zu analysieren waren (Fachbeitrag Fauna S. 11). Insgesamt wird die

mögliche negative Auswirkung der Eingriffe in den Grundwasser- und Gewässerhaus-

halt stark verharmlosend dargestellt.

k) Die Bewertung der negativen Auswirkungen durch Stickstoffeinträge ist unzureichend:

Die Bewertung der Stickstoffeinträge als „weniger bedeutend“ (UVS: S. 28) so nicht haltbar

und verharmlosend. Zumal an anderer Stelle (S. 188) ausgeführt wird, dass für die Wirkfak-

toren „Nährstoffeinträge aus der Luft“ keine abschließende Beurteilung möglich ist bzw. dass

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 37

„Stickstoffeinträge ... nicht ausgeschlossen werden“ können (S. 190). Angesichts dessen,

dass die Eutrophierung neben Flächenverbrauch und Zerschneidung eine der Hauptgefähr-

dungsursachen für Lebensräume der nährstoffarmen Standorte und deren Arten ist, ist hier

jede unnötige zusätzliche Belastung – unabhängig von der Hintergrundbelastung aus ande-

ren Quellen – zu vermeiden. Critical loads für Ökosysteme können bereits ab 10 kg N/ha,

Jahr erreicht werden (z.B. für magere Feucht- und Nasswiesen, Magerrasen, Wälder, vgl.

Anhang 1 Stickstoff-Deposition, S. 9).

Dass global und regional gesehen eine hohe Hintergrundbelastung vorhanden ist, stellen wir

nicht in Abrede – das ist aber kein Argument dafür, dass weitere (neue !) Einträge nicht so

schlimm wären, „bewertungsrelevant nur Auswirkungen im mittleren Bereich und darüber“,

d.h. bei hoch empfindlichen Biotopen über 10 kg N/ha, Jahr seien (Fachbeitrag Vegetation

S. 74, Anhang 1 Stickstoff-Deposition S. 6). Entsprechend lehnen wir die Beurteilung der

zusätzlichen Einträge in empfindliche Biotope als „allenfalls ... marginal“ (S. 202) und

„allenfalls sehr gering bewertet“ und folglich nicht weiter zu betrachten als ver-

harmlosend ab. Zur grundsätzlichen Kritik an der Bewertung der indirekten Schäden durch

Immissionen siehe Kap. 6.5.

Die Karte A2 des Anhangs 1 zeigt sehr deutlich, dass die zusätzliche Belastung mit 2-5 kg

N/ha, Jahr sehr weit reicht und davon auch sehr empfindliche Biotope betroffen sind: Mager-

rasen Freisinger Buckl, Moorvegetation u.a. – zusätzlich oligotrophe Gewässer, die in den

Karten, auch in Karte 6 Fachbeitrag Vegetation, entgegen der Darstellung im Text nicht als

„hoch empfindlich“ eingezeichnet sind, sowie zusätzlich auch – in der UVS völlig unberück-

sichtigt - eine Vielzahl von ungedüngten Feuchtgrünlandflächen aus Agrarumweltprogram-

men. Die Belastung reicht laut Karte der UVS bis in das Freisinger Moos. Es ist nicht nach-

vollziehbar, weshalb dennoch keine Betroffenheit festgestellt wird.

Die Behauptung, dass keine N-bedingte Veränderung der Lebensräume in den letzten Jahr-

zehnten festzustellen war und ja sogar entlang der Autobahn noch hoch empfindliche Le-

bensräume vorkommen, ist in dieser Pauschalität nicht aussagekräftig und kein fachlicher

kausaler Beleg einer nicht vorhandenen Eingriffsschwere. Es sei hier nur am Rande darauf

hingewiesen, dass zahlreiche Pflegemaßnahmen verschiedener Träger ausschließlich der

Aushagerung derartiger Flächen dienen (z.B. Viehlassmoos). Fachlich völlig irrelevant ist die

Einbeziehung von (z.T. freiwilligen !!) Pflegemaßnahmen, deren Ursache unter anderem ge-

rade der Nährstoffeintrag ist, in die Bewertung der Eingriffserheblichkeit: die Zusatzbelastung

wäre nicht wesentlich „für Flächen, in den Pflegemaßnahmen mit regelmäßigem Entzug der

Biomasse durchgeführt werden“ (Fachbeitrag Vegetation S. 74). Hier verwechseln die Auto-

ren offensichtlich Ursache und Wirkung.

Für NOx besteht nach der BimSchV zum Schutz der Vegetation und Ökosysteme in

unbelasteten Gebieten ein Grenzwert von 30 µg/m³ im Jahresmittel. Dieser Vorsorgewert

wird im Gebiet bereits durch die Hintergrundbelastung erreicht und “die Gesamtbelastungen

für 2004 überschreiten diesen Wert bereits bei weitem” (S. 200 UVP). Daraus ist abzuleiten,

dass eine jede weitere Steigerung der Belastung zu vermeiden ist ! Dies gilt gerade auch für

vorbelastete Gebiete, denn eine hohe Vorbelastung kann kein Grund sein, die Grenzwerte

als “hier nicht anwendbar” zu beurteilen (S. 203). Die Vermeidungsnotwendigkeit kann auch

nicht dadurch umgangen werden, dass die Gutachter auf die “vorrangige Aufgabe der

staatliche Luftreinhaltepolitik .... vor allem beim Kfz-Verkehr ...” (S. 210) zu verweisen – der

Luftverkehr muss selbstverständlich als Belastungsquelle selbst den gleichen Zielen der

Luftreinhaltepolitik unterliegen und ihr entsprechen (s.o. Kap. 5)!

l) Die Darstellung der Biotopverbund-Beziehungen aus faunistischer Sicht für Niedermoor-

arten wird grundsätzlich geteilt. Jedoch stufen wir die negative Auswirkung auf die Verbund-

Situation im Norden der geplanten 3. Bahn erheblich gravierender ein. Insbesondere die in

Karte 2a des Fachbeitrages Fauna dargestellten Niedermoor-Vernetzungsachsen zeigen

deutlich, dass mit der 3. Bahn die direkte Vernetzungsachse im Norden des Erdinger Moo-

ses (d.h. nicht über die Isar) noch mehr als jetzt schon funktional unterbrochen wird (vgl. S.

59 Fachbeitrag Fauna). Dabei hat gerade diese Achse ein hohes Potential für den direkten

und hier räumlich engsten Verbund zum Freisinger Moos (über schmalen Auwaldbereich).

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 38

Ein Lebensraumverbund wäre z.B. für sehr seltene isolierte Niedermoor-Arten wie Coe-

nonympha hero und andere Tagfalterarten essentiell (vgl.: „Limitierung des Entwicklungspo-

tenzials“ UVS S. 214). Gerade das Viehlaßmoos und der Freisinger Buckl sind faunistisch

von besonderer Bedeutung.

Auch die negative Beeinträchtigung der Verbundsituation der Bäche und Gräben im Erdinger

Moos halten wir für zu gering bewertet. Sowohl in der UVS (S. 118) als auch im Fachbeitrag

Fauna wird explizit auf die engen Beziehungen und die hohe Bedeutung der Verbundsituati-

on hingewiesen. Die Bäche und Gräben weisen faunistisch bemerkenswerte Arten auf. Ge-

rade angesichts der durch den Flughafenbau bereits erfolgten Zerstörungen dieser Verbund-

situation im Erdinger Moos sind hier weitere Zerstörungen und Beeinträchtigungen als umso

gravierender zu beurteilen. Es ist fachlich keineswegs haltbar, dass die Eingriffe in der UVS

gering bewertet werden, weil das Gewässersystem durch den bestehenden Flughafen so-

wieso schon stark gestört sei (z.B. „Flughafen als Barriere“ (S. 216) oder „das bestehende

[Gewässer-]System wird praktisch nach Norden verschoben“ (S. 229). Eine Verschiebung

nach Norden kann schon alleine deshalb nicht stattfinden, weil nach Norden keine Verlänge-

rung des Gewässersystems erfolgt, es handelt sich bei dem Eingriff vielmehr um eine weite-

re massive Verkürzung und Isolierung des bestehenden hoch vorbelasteten Gewässersy-

stems. Dazu kommen indirekte negative Auswirkung der Veränderung der Gräben auf be-

nachbarte Feuchtflächen.

m) Eine Bewertung der Betroffenheit der Biologischen Vielfalt kann nicht wirklich erfolgen:

Die Darstellung beruht ausschließlich auf veralteten Sekundärdaten („Generell ist die Da-

tenlage insgesamt veraltet“ Fachbeitrag Vegetation S. 87) und den vorrangig für den Natur-

schutz bzw. Artenschutzrecht relevanten Arten (s.o.). Es ist nicht nachvollziehbar, wie auf

dieser Basis beispielsweise für das Schutzgut Pflanzen und Biotope eine scheinbar Kriterien

folgende Bewertung aufgebaut wird, in der Pflanzengesellschaften z.B. nach ihrer Vollkom-

menheit bewertet werden, obwohl weder Pflanzengesellschaften noch Arten flächendeckend

und aktuell erfasst worden sind. In dieser Bewertung ist (wie auch bei der Bewertung der

Biotope, s.o.) die Mittelwertbildung und die höchstens allgemeine, aber keineswegs stand-

ortbezogene Aussagekraft und die daraus resultierende Unterbewertung von Flächen zu kri-

tisieren. Unzureichend ist zudem die Beschränkung der Bewertung auf Rote Liste-Arten oder

andere besonders wertvolle Arten (vgl. UVS S. 112, 113, 204 ff.), denn die Bewertung der

biologischen Vielfalt soll ja eben genau die gesamte Vielfalt umfassen, dabei auch nicht ge-

fährdete, typische Arten und Lebensräume: „sie umfasst die Vielfalt an Lebensräumen und

Lebensgemeinschaften, an Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten.“ (§ 2

BNatSchG, Ziffer 8). Die Aussagekraft der Bewertungen für das Schutzgut Biologische Viel-

falt sind somit stark in Frage zu stellen. Zusätzlich gelten bei der Bewertung des Schutzgutes

Pflanzen und Tiere die gleichen Defizite wie bereits für die unzureichenden Bewertung der

Eingriffe auf Flora und Fauna und Biotopverbund dargestellt (s.o.).

n) Die kumulativen Wirkungen werden völlig unzureichend betrachtet (UVS S. 188), eine

Gesamtbetrachtung aller kausalen Zusammenhänge fehlt:

Beispielsweise fehlen die mit dem derzeit im Planfeststellungsverfahren befindlichen Trans-

rapid verbundenen negativen Auswirkungen (z.B. weitere Trennwirkung, Eingriff in Grund-

wasser, Oberflächengewässer u.a.).

Eine tatsächliche Betrachtung der Summationswirkung im Sinne einer Betrachtung aller kau-

salen Zusammenhänge und der Überlagerung aller Einzelfaktoren einschließlich sekundärer

Folgewirkungen (wie z.B. auch Veränderungen in der Landwirtschaft der betroffenen Betrie-

be, vgl. Intensivierungsschub nach Flughafenerrichtung) erfolgt gar nicht (vgl. Ausführungen

in Kap. 2). In der UVS werden sowohl die Wertigkeiten als auch die Konflikte nur für die ein-

zelnen Schutzgüter dargestellt. Es fehlt eine überlagerte Darstellung. Dies führt neben den

bereits dargestellten Defiziten der Einzelbewertungen (s.o.) zu einer noch größeren Unter-

bewertung der Konflikte.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 39

6.2.4. Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen

Zu den Vermeidungsmaßnahmen ist auszuführen, dass diese v.a. in „organisatorischen

Maßnahmen“ bei der Bauphase bestehen (z.B. UVS S. 177), in der „verbindlichen Umset-

zung“ von Maßnahmen zur angeblichen Sicherung der Grundwasserverhältnisse (S. 180)

oder zum Schutz der oberirdischen Gewässer (S. 224: „zuverlässig dafür zu sorgen“), „öko-

logische Gestaltung der neuen Gewässer“ (S. 177), „Lärmschutz für die Bevölkerung“ (S.

184), „Vermeidung heller Lichtquellen“ (S. 187), der extensiven Langgraswirtschaft

(Hauptziel: Vermeidung der Ansiedlung von Vögeln) o.ä. – dies ist absolut unzureichend, da

dies keine echte Vermeidung der originären Eingriffe darstellt.

Zudem sind viele der vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen (z.B. in der Bauphase) kei-

neswegs sicher in der Realisierung, es verbleibt immer ein Risiko. Diese Risiken werden als

völlig beherrschbar dargestellt: z.B. „Etwaige baubedingte Einträge ... in die Gewässer ...

sind daher als sehr kritisch zu beurteilen. Solche Einträge sind durch geeignete Maßnahmen

sicher zu vermeiden.“ oder: „Auswirkungen ... sind bei Einhaltung der angeführten Vermei-

dungsmaßnahmen ... nicht anzunehmen.“ (S. 224) – derartige Aussagen finden sich in der

UVS etliche. Diese Sicherheit wird massiv bezweifelt. Daraus dann eine nur geringe Ein-

griffserheblichkeit abzuleiten, ist wissenschaftlich nicht korrekt und kann nur als Ver-

harmlosung der Eingriffserheblichkeit beurteilt werden.

Für zahlreiche Eingriffe wird in der UVS dagegen selbst angeführt, dass „keine oder keine

wesentlichen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen möglich“ sind.

Negative Auswirkungen sind somit bei Realisierung der Planung eindeutig nicht zu vermei-

den. Die primäre Vermeidung, wie sie das BayNatSchG fordert ist der Verzicht auf die

Planung, zumal sie unzureichend und falsch begründet ist und daher als unnötiger

Eingriff bezeichnet werden kann (siehe Kapitel 3, 4). Unnötige Eingriffe sind strikt zu

vermeiden.

6.2.5. Bewertung der angeblichen Ausgleichbarkeit

Völlig unzureichend ist die Darstellung der angeblichen Ausgleichbarkeit. Wir widerspre-

chen der Behauptung, dass durch die Realisierung der Ausgleichs- und Ersatzmaß-

nahmen die Erreichung des Kompensationszieles angenommen werden kann (Antrag

S. 51). Dies wird durch die Wirksamkeit der bisher realisierten Ausgleichsmaßnahmen oder

die Zerstörung von weitgehend als Sekundärbiotopen entstandenen Biotopen begründet.

Zum einen ist die Wirkung der bisher durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen keinesfalls auf

allen Einzelflächen gegeben, nach unserer Einschätzung ist etwa die Hälfte der Aus-

gleichsflächen als missglückt zu bezeichnen (z.B. Flächen mit Goldruten-Dominanz bei

Eitting, Berglern, Gaden, trockene Ausgleichsflächen im Niedermoor südlich des Flugha-

fens), auch das Grünzonenkonzept (= Ausgleichskonzept für den bestehenden Flughafen zur

Schaffung eines durchgehenden Grünzuges um den Flughafen) ist als gescheitert zu be-

zeichnen. Der Sinn dieses Konzeptes war von Anfang an generell in Zweifel zu ziehen.

Zum anderen kann selbst eine gut angelegte Ausgleichsfläche kein Ausgleich/ Ersatz bezüg-

lich der durch den Flughafen grundlegend zerstörten ökologischen Funktionszusammenhän-

ge sein. Es werden keineswegs nur Sekundärbiotope betroffen sein, sowohl für Pflanzen als

auch Tiere gehen weitere bisher noch nicht betroffene Rückzugsräume verloren in einem

Raum, dessen Funktions- und Lebensraumbeziehungen bereits stark vorbelastet sind.

Die Errichtung des Flughafen München im Erdinger Moos hat zu einer keineswegs

ausgleichbaren bzw. ausgeglichenen sowie nicht einer ersetzbaren bzw. ersetzten

Zerstörung von Lebensräumen und der Funktionsbeziehung des gesamten Erdinger

Mooses geführt. Die Komplexität eines Niedermoorgebietes kann nicht an anderer Stelle

kompensiert werden. Auch Ausgleichsmaßnahmen in anderen Teilen des Erdinger Mooses

können nicht den Verlust eines Kernbereiches inmitten des Niedermoorkörpers kompensie-

ren. Entsprechend ist auch völlig unzureichend, wenn in der Planung auf den hohen Wert der

Grünflächen des Flughafens „für Wiesenbrüter, speziell den Großen Brachvogel“ (z.B. S.

208) verwiesen wird. Es wird von uns nicht bezweifelt, dass auf den Flughafenwiesen der

Große Brachvogel und auch Kiebitze vorkommen (brüten?), dies ist aber keineswegs ein

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 40

Ersatz für die Zerstörung eines artenreichen komplexen Niedermoorgebietes mit einer sehr

hohen Brachvogeldichte vor Flughafenbau. Zumal die Flughafenwiesen offensichtlich für

sonstige Arten keinen Wert haben (zumindest kein Hinweis in der UVS).

Abb. 7: Beispiel für eine mißglückte Ausgleichsfläche im Süden des bestehenden Flughafens: weitge-

hend trockenes und durch Dämme unterteiltes (zur Verhinderung der Ansiedlung von Wasservögeln)

„Feuchtgebiet“ (Foto: Magerl)

Es ist somit insgesamt festzustellen, dass die negativen Beeinträchtigungen in das Schutz-

gut Flora und Fauna keineswegs „vollständig kompensierbar“ sind (UVP S. 29 u.a.) oder die

„Anteile in den beanspruchten Flächen, die ... als nicht ausgleichbar einzustufen sind, ... ge-

ring sein“ werden (Fachbeitrag Vegetation S. 32). Als Beispiele für nicht ausgleichbare

Eingriffe wäre anzuführen die Zerstörung von Gehölzbeständen mit hohem Alter, Verluste

von Potamogeton coloratus und anderen Arten im Keckeisgraben, die direkte Überbauung

von Gräben (entgegen UVS S. 266 ist direkte Überbauung grundsätzlich nicht ausgleichbar,

höchstens ersetzbar), der Verlust der Verbundfunktionen des Grabensystems zwischen Gol-

dach und Dorfen, Verlust des Verbundkorridors nördlich des bestehenden Flughafens, die

verstärkte Verlärmung zahlreicher Lebensräume, ggf. Maßnahmen gegen den Vogelschlag

(Eittinger Weiher !), ggf. Auswirkungen durch Grundwasserabsenkung durch Bau der Bahn

oder durch Bau des Abfanggrabens Ost o.ä.

Ein Ausgleich nach dem BayNatSchG (Art. 6a) erfordert die Wiederherstellung der

beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes. Weder kann

der Zustand geringerer Lärm-Beeinträchtigung, geringeren Nährstoffeintrages

(Luftbelastung), geringerer Grundwasserabsenkung, geringerer Störung von

Funktionsbeziehungen im nördlichen Niedermoor-Funktionsraum des Erdinger Mooses noch

kann der direkte Boden- und Flächenverlust nach Bau der 3. SLB im echten Wortsinn

wiederhergestellt werden. Ein Ausgleich im Sinne des Gesetzes ist daher nicht möglich.

Der Verlust dieser Funktionen ist auch nicht ersetzbar, denn er ist mit einer völligen Ent-

wertung des eh schon stark beeinträchtigten Norden des Erdinger Mooses verbunden und

kann nicht an anderer Stelle (z.B. im Freisinger Moos) ersetzt werden. Wenn das im Fach-

beitrag Vegetation zu den Kompensationsmaßnahmen dargestellte landschaftliche Leitbild

(S. 99) wirklich ernst genommen würde im Sinne ökologischer Funktionsfähigkeit, würde sich

klar eine Unvereinbarkeit mit der Planung einer 3. Bahn ergeben. Wir widersprechen der

Darstellung, dass sich „entlang der A 92 ein größeres zusammenhängendes Feucht- und

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 41

Niedermoorgebiet“ mit „funktionalen Beziehungen“ entwickeln könnte (Fachbeitrag Vegeta-

tion S. 103): Eine weitere Aufwertung dieses naturschutzfachlich noch recht bedeutsamen

Raumes wäre zum jetzigen Zeitpunkt sehr sinnvoll und nötig, aber nach Bau einer 3. Bahn

(mit zusätzlicher Verlegung der Staatsstraße in diesen Raum) würde es sich hier um einen

Raum handeln, der etwas mehr als 1 km zwischen neuem Flughafenzaun (hier 65 dB(A),

Abnahme bis zur Autobahn auf ca. 50 dB(A)) und A 92 breit ist, auf der ganzen möglichen

Länge von ca. 4 km (Stoibermühle bis zu den Hangwiesen) zwischen Flughafen und A 92

liegt, in einem Bereich der zusätzlich Stickstoffdeposition von mindestens 2-5 kg N/ha, Jahr,

der durch das Angrenzen von Attaching fast direkt an den Flughafenzaun keinerlei weitere

Verbindung mehr nach Westen (über Isaraue zum Freisinger Moos) haben würde – durch

die hohen Randeffekte auf diesen engen Raum ist die Wertigkeit nach Bau einer 3. Start-

und Landebahn massiv eingeschränkt und unseres Erachtens nicht mehr gegeben, der

Raum für einen echten Ersatz nicht mehr geeignet.

Ein Ersatz nach dem BayNatSchG (Art. 6a) bedeutet einen gleichwertigen funktionalen Er-

satz möglichst in dem vom Eingriff betroffenen Landschaftsraum. Der Nordteil des Erdinger

Mooses wird aber nach Bau der 3. SLB so stark beeinträchtigt sein, dass ein Ersatz in die-

sem funktional zusammenhängenden Raum nicht mehr möglich ist. Die Funktionen für das

Erdinger Moos können aber an anderer Stelle gar nicht ersetzt werden. Ein gleichwertiger

Ersatz im Sinne des Gesetzes ist daher nicht möglich.

Zusätzlich zu diesen grundsätzlichen Einwänden ist speziell bezüglich der Flächenbilanz an-

zumerken, dass angesichts der höheren Eingriffsschwere als in der UVS dargestellt (s.o.)

der Flächenbedarf deutlich zu gering angesetzt ist. In Verbindung mit dem bereits nach

Flughafenbau aufgetretenem sekundären Landverbrauch (Intensivierungsschub in der

Landwirtschaft zum Ausgleich der Verlust) und des auch infolge anderer Projekte zuneh-

menden Druckes auf die Flächen, ist die Realisierung eines Ausgleichskonzeptes generell in

Frage zu stellen.

Insgesamt muss den Schlussfolgerungen der UVS widersprochen werden, dass

• für den Ausgleich eingriffsrelevant vor allem nur die Flächenverluste von 114 ha und das

Landschaftsbild sind (S. 268) oder sogar bei der Fauna sehr hohe und hohe Konflikte

“ausschließlich durch Flächeninanspruchnahme” (S. 176) enstehen, die Eingriffe

“vorausichtlich ausgeglichen werden” können,

• für den Ersatz „insbesondere die Flächenversiegelung“ (326 ha) relevant ist (S. 269),

• bei einer Kompensationsfläche von 440 ha (Kompensationsfaktor 1) der Eingriff

„hinsichtlich der ... naturschutzrechtlichen Ausgleichserfordernisse umweltverträglich

verwirklicht werden kann.“ (S. 274),

• und die Eingriffe daher beispielsweise nur als “mittel” (Flächeninanspruchnahme,

Neuordnung Gewässer), “gering bis mittel“ (Baulärm), “gering” (Grundwasser,

Beleuchtung (vorläufig), Biologische Vielfalt) und sogar als “auszuschließen” (Fluglärm)

bewertet werden,

Die Konflikte sind vielmehr als hoch zu bezeichnen und weder ausgleichbar noch

ersetzbar. Da das Vorhaben zudem unbegründet und damit vermeidbar ist, ist es

insgesamt nach BayNatSchG nicht genehmigungsfähig.

6.3. Verstoß gegen die artenschutzrechtliche Bestimmungen für geschützte Arten

In den Fachbeiträgen sind zwar die streng und besonders nach Bundesnaturschutzrecht ge-

schützten Arten aufgeführt, jedoch nur aus Sekundärdaten und nicht für alle Tiergruppen und

ohne detaillierte Darstellung des Vorkommens (nur Summierung für die LÖR). Eine nötige

Darstellung und Bewertung der konkreten negativen Auswirkungen auf die einzelnen streng

geschützten Arten (Einzelindividuen und Populationen) fehlt. Nach Tabelle 8 (Fachbeitrag

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 42

Fauna) sind im Untersuchungsbereich allein 80 Tierarten streng geschützt (davon 25 Arten

des Anhangs IV FFH-RL).

Nach den in den Planungsunterlagen verwendeten Daten sind in fast allen ökologischen

Raumeinheiten streng geschützte Arten vorhanden, besonders negativ betroffen sind die

Vorbehaltsfläche Ost, die Stoibermühle mit Oberer Lüsse, der Eittinger Weiher und die

Hangwiesen.

Bezüglich der Defizite in der Bewertung (z.B. Nicht-Betrachtung der Auswirkungen von

Fluglärm, zu geringe Berücksichtigung der Stickstoffeinträge, Nicht-Berücksichtigung ggf.

nötiger Maßnahmen am Eittinger Weiher etc.) verweisen wir auf unsere Ausführungen in

Kap. 6.2.

Für diese Arten wäre zu prüfen, ob der Verbotstatbestand nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3

BNatSchG durch Individuenverluste, Zerstörung von Nahrungshabitaten und Störung von

Individuen erfüllt wird. Weiterhin sind für die Arten des FFH-Anhangs IV die Verbotstatbe-

stände nach Art. 12 FFH-RL bzw. für die Vogelarten Anhang I der VS-RL die Verbotstat-

bestände nach Art. 5 VS-RL zu prüfen. Hierzu weisen wir ergänzend darauf hin, dass der

EuGH mit Urteil vom 10.01.2006 Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Arten-

schutzbestimmungen der FFH-RL im BNatSchG verurteilt und eine strengere Einhaltung der

Art. 12 ff. FFH-RL eingefordert hat. Jegliche unabsichtliche und absichtliche Störung auf die

Arten des Anhangs IV ist zu vermeiden. Dies ist in den Planungen nicht berücksichtigt.

Unseres Erachtens liegen hier nicht vermeidbare und nicht ausgleichbare Verbotstatbe-

stände vor (s.o.). Zudem liegen keine Befreiungstatbestände nach BNatSchG oder FFH-RL

vor. Weder stellt der Verzicht auf die Planung eine unbeabsichtigte Härte dar, noch ist die

Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar noch liegen

überwiegende Gründe des Gemeinwohls bzw. zwingende alternativlose Gründe des über-

wiegenden öffentlichen Interesses vor, da nämlich die vorliegende Planung unzureichend

bzw. fehlerhaft begründet und keineswegs alternativlos ist (s.o.).

6.4. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Boden

Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:

• Flächeninanspruchnahme, d.h. Eingriffe in den Boden, von 1.150 ha (davon 60 ha

innerhalb des bestehenden Flughafens, 970 ha für Flughafenerweiterung 3. SLB und

Vorfeld, und 120 ha für Folgebaumaßnahmen Straßen und Gewässer) mit weit-

gehendem Verlust bzw. erheblicher Veränderung der Struktur und der Funktionen der

Böden (als Lebensraum für Bodenlebewesen, Standort von Pflanzen und Tieren, für die

landwirtschaftliche Produktion, als Deck- und Filterschicht für das Grundwasser etc.),

darunter auch zu einem erheblichen Anteil Niedermoorböden mit Niedermoortorf. Der

Verlust der Funktionen betrifft neben den versiegelten Flächen insbesondere die

Flächen mit oberbodenloser Begründung.

• davon Flächenversiegelung von 326 ha (neue Versiegelung von 169 ha + Vorfeld-

fläche 157 ha) mit vollständigem Verlust aller Funktionen.

• zusätzliche Bodenbewegungen und –verluste durch Verlegung von Gräben, Ver-

legung von Straßen.

• Rund 5,4 Mio. m³ gewachsener Boden müssen abgetragen bzw. umgelagert werden

(für 3. SLB 3,6 Mio m³, für Vorfeld Ost 1,8 Mio m³). Der Rohstoffbedarf beträgt rund 7,9

Mio. m³ und muss zum großen Teil angeliefert werden.

• Ob der abgetragene Boden für die Auffüllung im Norden verwendet werden kann, ist

angesichts der hohen Arsenbelastung stark zu bezweifeln. Sollte der abgetragene

Boden als Sondermüll bewertet werden, muss er deponiert werden und für die Auf-

füllungen muss erheblich mehr Material angeliefert werden, die Masse der Boden-

bewgungen wäre erheblich höher als in der UVS angenommen.

• Bei der Trockenlegung der Niedermoorböden wird klimawirksames CO2 freigesetzt.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 43

• zusätzliche Eingriffe in den Boden durch Kiesabbau zur Gewinnung von Material. Auch

wenn die Vorrangflächen des Regionalplanes dies angeblich abdecken, wurden die

Vorrangflächen des Regionalplanes ja nicht mit dem Flughafen-Ausbau begründet,

sondern für andere Zwecke. Im Gegenteil ist im Regionalplan für Großprojekte der

Verkehrsinfrastruktur vorgegeben, dass der Bedarf hierfür vorrangig durch Recycling

gedeckt werden soll zur Schonung der hochwertigen Vorkommen der Münchner

Schotterebene (Regionalplan BIV 2.6.1.3). D.h. es ist in jedem Fall damit zu rechnen,

dass im Umfeld ein erhöhter Kiesabbau die Folge sein wird.

Die Eingriffe widersprechen der Zielsetzung des Bundesbodenschutzgesetzes. Wie die

Planer in der UVS zu der Aussage kommen: „Das Gebot der möglichst flächensparenden

Planung und Erschließung und des flächensparenden Bauens wurde bei der Planung

berücksichtigt.“ (S. 220: Vermeidungsmaßnahmen) bleibt ihr Geheimnis. Angesichts der

unzureichenden Begründung des Vorhabens (siehe Kap. 3,4) ist die einzige nach

BayNatSchG und BBodSchG zulässige und erforderliche Vermeidung der Verzicht auf

die Planung als solches.

Neben der grundsätzlichen Kritik an der Begründung des gesamten Vorhabens ist auch

anzuführen, dass insbesondere die Erweiterungsfläche Ost erheblich zur Flächen-

versiegelung beiträgt. Die allgemeine Begründung der Notwendigkeit einer Abstellfläche ist

keineswegs geeignet als Begründung für eine derart riesige Flächenversiegelung, die dem

„Gebot der möglichst flächensparenden Planung und Erschließung“ völlig zuwiderläuft.

Die Eingriffe betreffen auch die Zielsetzung des landschaftlichen Vorbehaltsgebietes “Ver-

meidung weiterer Zersiedelung”, die zwar vorrangig für die Bauleitplanung aufgestellt ist,

deren grundsätzliches Ziel aber die Freihaltung von freien Flächen ist. Die umfangreiche

Versiegelung und der umfangreiche Landschaftsverbrauch widersprechen dem Ziel des Frei-

Flächenschutzes.

Die Aussage, dass sich auf den 2/3 der Flächen, die zu Grünflächen entwickelt werden, „die

Bodenfunktionen je nach Bodenaufbau eingeschränkt oder aber weitgehend regenerieren

können“ (UVS S. 26) wäre insofern zu konkretisieren, dass durch den dort erfolgten Boden-

auftrag die über Jahrhunderte gewachsene natürliche Bodenstruktur zerstört ist und sich

gerade die Struktur und Funktion von Niedermoorböden sicher nicht weitgehend regene-

rieren wird, zumal ja auch der Wasserhaushalt durch Auffüllung bzw. Grundwasserab-

senkung völlig verändert ist. Außerdem bleiben durch die zur Verringerung der Vogelschlag-

gefahr „oberbodenlose Begrünung“ (S. 219) der Flughafenwiesen die natürlichen Boden-

funktionen dauerhaft eingeschränkt. Insbesondere die Schutz-, Filter-, Stoffumbau- oder

Lebensraumleistungen und damit auch der Schutz des Grundwassers bleiben eingeschränkt

(vgl. UVS S. 219) – und dies gerade in einem Bereich „der relativ höchsten Schadstoff-

einträge aus dem Flugverkehr und dem Straßenverkehr“ (S. 219).

Es ist daher von einer irreversiblen und nicht ausgleichbaren Zerstörung der Böden und ihrer

Funktionen auszugehen. Die veränderten Böden sind lediglich hinsichtlich ihrer Versicke-

rungskapazität für Regenwasser besser zu bewerten als betonierte Flächen, können aber

keineswegs zerstörten Niedermoorböden gleichgesetzt werden.

Die als Ausgleich angeführte Umwandlung von intensiv landwirtschaftlich genutzten

Flächen in extensiv oder nicht mehr genutzte Flächen (UVS S. 218) ist keinesfalls ein

Ausgleich für eine Neu-Versiegelung. Der einzige Ausgleich für die Neu-Versiegelung

von 326 ha wäre die Entsiegelung von 326 ha.

Dass die Eingriffe in den Boden selbst in der UVS immerhin relativ konfliktträchtigt beurteilt

werden („mittel“) zeigt die erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgutes Boden.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 44

6.5. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Wasser

Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:

• Absenkung der Grundwasserstände (Zentralwasserstand des Grundwassers ZW) auf

„50 cm unter dem Zentralwasserstand“, Stabilisierung „in etwa auf mittleren Niedrig-

wasserniveau“ (UVS S. 36) mit erheblichen Auswirkungen auf die angrenzende Nieder-

moorreste. Eine Absenkung von 50 cm unter den Zentralwasserstand ist für einen

Niedermoorkörper eine erhebliche Dimension der Absenkung, zumal damit die für das

Moor so wichtigen höheren Grundwasserstände (Schwankungen bis zu ca. 2 m) völlig

ausgeschaltet werden. Gerade am Nordrand des Erdinger Mooses herrschen durch das

Auslaufen der Schotterflächen relativ geringe Grundwasser-Flurabstände (durchschnitt-

lich zwischen 0,5 – 1,7 m), bei hohen Grundwasserständen kann das Grundwasser über

Flur ansteigen. Die mit der geplanten 3. Bahn verbundene Grundwasserabsenkung und

Stabilisierung auf niedrigem Niveau trifft daher Bereiche mit für das Erdinger Moos relativ

hohen Grundwasserständen, die negativen Auswirkungen sind entsprechend hoch.

• Verhinderung des Auftretens von Geländevernässungen auch bei höheren Grund-

wasserständen durch entsprechende Leistungsfähigkeit der Ableitungselemente (UVS S.

36). D.h. eine Absenkung des ZW um 0,5 m bedeutet auch eine noch größere Absen-

kung von jahreszeitlich auftretenden höheren (und für den Moorkörper sehr bedeut-

samen) Grundwasserständen.

• Verlust der Funktion der Grundwasserneubildung und Regenwasserspeicherung auf

allen versiegelten Flächen (326 ha). Kompensation durch Versickerung des Grund-

wassers an anderer Stelle nur teilweise möglich, da auf alle Fälle im Winter belastetes

Abwasser zur Kläranlage abgeführt wird.

• Veränderung des Grundwasserstromes an den Kiesgruben, die mit Material geringerer

Bodendurchlässigkeit verfüllt werden.

• damit insgesamt quantitative Veränderung des gesamten Grundwasserleiters.

• Durch die 3. Bahn wird die Verschmutzung des Wassers durch Enteisungs-Abwässer

und Schadstoffe zunehmen. Im Sommer, aber auch teilweise im Winter soll das anfallen-

de Niederschlagswasser im Gelände versickert werden. Die Böden im Bereich der ge-

planten 3. Bahn bestehen aus Torfböden und kiesführender Süsswassermolasse, die

quartären Sedimente bestehen aus hochdurchlässigem Kies. “Zwischen quartärem

Grundwasserstockwerk und dem obersten tertiären Stockwerk besteht keine durch-

gehend flächige Abdichtung. Auf Änderungen der Grundwasserverhältnisse ... können

daher daher beide Stockwerke reagieren.” (UVS S. 92). Bei der Abschätzung der Ver-

schmutzungsgefahr wird ausgeführt: “Im Bereich der neuen Nordbahn können Ober-

boden, Torf- und Schluffschichten als wirksame Deckschicht ... Mächtigkeiten von etwa

0,5 bis 1,6 m erreichen.” (S. 94). Da sich die Schadstoffrachten auch über Gräben aus-

breiten können, die geringen Deckschichten durch Bauwerke durchstoßen werden

können und eine flächige Abdichtung nicht vorhanden ist (vgl. S. 92), ist eine Grund-

wassergefährdung weder für den quartären noch für den tertiären Grundwasserstock

auszuschließen.

• Insbesondere die Belastung mit den Enteisungsabwässern (Kohlenstoffverbindungen

Kaliumformat zur Flächenenteisung und Glycol zur Flugzeugenteisung) ist sehr proble-

matisch. Auch im Winter soll der Abfluss der Rollwege im Gelände in einem Abbau-

systemgelände (ASG) versickert werden. Auch eine Einleitung von Enteisungsabwässern

in die Gewässer ist vorgesehen. Es wird ausgeführt „Die bereits genehmigte Einleitung

von gering belastetem Enteisungsabwasser in die Gewässer ist auch für die neuen Flug-

betriebsflächen vorgesehen.“ (UVS S. 39). Zudem erfolgt eine Verwehung in die

Umgebung der Bahnen, Rollwege und Enteisungsflächen.

Bereits heute ist aufgrund der Enteisungsmittel eine nach Norden zunehmende Zone

reduzierender Verhältnisse im Boden und im Grundwasser festzustellen (UVS S. 96,

235). Die im Norden des Flughafens festgestellte Sauerstoffarmut wirkt sich schon jetzt

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 45

feststellbar negativ auf die natürlichen Abbauvorgänge im Boden aus. Dies wird sich

durch die 3. Bahn verstärken (s.u.).

Unter bestimmten Bedingungen gelangt die Oberflächenentwässerung voll in die Gräben

(Starkregen, „Ableitung im Normalbetrieb bei Unterschreitung der Grenzwerte möglich,

um Kläranlage zu entlasten“, S. 236). Insgesamt ist auf alle Fälle mit einer Zunahme

der Belastung der Oberflächengewässer und des Grundwassers zu rechnen.

• Durch die „oberbodenlose Begrünung“ (S. 219) der Flughafenwiesen sind die Schutz-

und Filter- und Stoffumbauleistungen und damit auch der Schutz des Grundwassers

eingeschränkt – und dies gerade in einem Bereich „der relativ höchsten Schadstoff-

einträge aus dem Flugverkehr und dem Straßenverkehr“ (S. 219). Somit „ist ein gewisses

Risiko für die Belastung des Grundwassers nicht auszuschließen.“ (S. 219).

• Baubedingte Erhöhung der Verschmutzungsgefahr, insbesondere für den Keckeis-

graben sehr hohe Konfliktträchtigkeit (vgl. UVS S. 231).

• Hydrologische Veränderungen durch Verlegung und Überbauung von 2.300 m Länge

Fließgewässer. 16 ha (12.400 m) in Anspruch genommene Grundfläche von Bächen und

Gräben (Fachbeitrag Vegetation S. 35). Verringerter Grundwasserzustrom in die verblei-

benden Rest-Gräben (laut UVS insgesamt ca. 50 l/s, S. 230). Angesichts der hohen Vor-

belastung des Gewässersystems durch den bestehenden Flughafen sind die zusätzli-

chen Belastungen umso negativer einzustufen. Besonders hohe Konfliktgefahr besteht

für den Keckeisgraben.

• Durch die negativen Auswirkungen auf die Oberflächengewässer bzw. den Grundwasser-

stand sind auch Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten als solches negativ betroffen

(siehe Kap. 6.2.)

• Durch die Zunahme der Versieglung (dauerhaft 326 ha) und Regenwasserableitung wird

der Oberflächenabfluss in den umliegenden Gräben erhöht.

• Ob tatsächlich keine Abflussverschärfung in der Isar auftritt, wird nicht schlüssig dar-

gestellt. Immerhin wird eine erhöhte Zuleitung bei HQ100 von 2,9 m³/s angenommen (S.

232). Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass im Vorflutgraben bei Hochwasser in der

Isar ein Rückstau erfolgt. Dies kann dazu führen, dass bei zusätzlichem Starkregen in

der Region der Vorflutgraben massiv überlastet wird.

• Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität durch Stoffeinträge. Beispielsweise werden

für das relativ weit entfernte Trinkwasserschutzgebiet im Freisinger Moos im Planungsfall

eine 10-20 µg/m³ höhere NO2-Belastung (bei einer Hintergrundbelastung von 20-35) und

entsprechend eine zusätzliche Stickstoff-Deposition von 2-5 kg N/ha, Jahr (bei einer

Hintergrundbelastung von 6-8 kg N/ha, Jahr aus der Luft) angenommen (UVS S. 153).

Die Zusatzbelastung ist somit doch recht erheblich.

• Mehrbelastung der Kläranlage Eitting durch Enteisungsabwasse und Schmutzwasser.

Die Eingriffe betreffen auch die Zielsetzung des landschaftlichen Vorbehaltsgebietes im

Norden des bestehenden Flughafens (“flächenhafter Zielkonflikt”, UVS S. 61).

Defizite bei der Erfassung und Bewertung:

Ein hoher Grundwasserstand ist essentiell für einen Niedermoorkörper. Das Erdinger Moos

ist durch bereits erfolgte Grundwasserabsenkungen (Entwässerung, aber auch Flughafen-

bau) erheblich vorbelastet, Zielsetzung aller Fachprogramme ist daher vielmehr eine An-

hebung des Grundwasserstandes. Das geplante Vorhaben ist mit dieser Zielsetzung keines-

wegs vereinbar. Es wird nicht glaubhaft nachgewiesen, dass sich die Grundwasserabsen-

kung tatsächlich nur auf das Flughafengelände auswirkt. Die Einschränkung “nicht über

flughafeneigene Flächen” (UVS S. 178) ist wenig aussagekräftig, da diese auch außerhalb

liegen können. Es wird auch nicht glaubhaft nachgewiesen, dass die geplante „Grund-

wasserversickerung“ (UVS S. 27, 227 u.a.) tatsächlich eine Abflussstabilisierung der Gräben

und lokale Einschränkung der Grundwasserabsenkung bewirken kann. Es werden beim

mittleren Grundwasserstand 280 l/s abgeleitet, bei mittlerem Grundwasserhochstand 460 l/s

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 46

(UVS S. 36). Die neu geplante Versickerungsanlage soll aber nur eine Versickerungsleistung

von 120 l/s haben, so dass das abgeleitete Wasser nicht in vollem Umfang versickert werden

kann. Zudem ist nicht schlüssig, warum bei der Ableitung von Grundwasser 280 l/s ange-

geben werden, die Zuflussdefizite zu den Gräben aber nur auf „insgesamt rund 50 l/s be-

ziffert werden [und damit] vollständig ausgeglichen werden“ können (S. 230).

Ein Problem der Grundwasserversickerung ist zudem, dass das zugeleitete Grundwasser

durch Flughafen-Abwasser belastet sein kann: „Daher ist sicherzustellen, dass prioritär

diese beiden Gewässer [Keckeisgraben, Vorflutgraben Nord] nur Zuflüsse durch unbe-

lastetes Grundwasser erhalten. Nach Stand der Planung ist diese Maßgabe berücksichtigt“

(S. 238) – daraus ist zu schließen, dass die anderen Gräben möglicherweise belastetes

Grundwasser erhalten ? Angesichts der vorhandenen Risiken ist die Berücksichtigung auch

für die beiden ökologisch wertvollsten Gräben zu bezweifeln (s.u.).

Es wird nicht schlüssig nachgewiesen, wie die erhöhte Gefährdung des Grundwassers

durch die Regenwasserbehandlung (Regenklärbecken) und die zusätzlich notwendige Ent-

eisungsabwasserbeckenanlage (3. Bahn) bzw. den Anschluss an die vorhandene Ent-

eisungsabwasserbeckenanlage (Vorfeld) und die Weiterleitung zur Kläranlage Eitting aus-

geschlossen werden soll. Nach unseren Informationen schöpft die FMG bereits jetzt ihr

gesamtes Kontingent für den Abbau des Glykols aus. Der Abwasserzweckverband hat im

Winter schon jetzt Probleme mit dem Enteisungsmittel. Glykol ist reiner Kohlenstoff (C) mit

Alkohol und verschiebt das für den Abwasser-Abbau nötige C-N-Verhältnis so stark, dass die

Nitrifikanten zu wenig Stickstoff bekommen und verhungern. Bis sie im Frühjahr wieder nor-

mal arbeiten, dauert es Wochen. Das zusätzlich anfallende Enteisungsabwasser auf der

neuen 3. Bahn würde dieses bereits jetzt bestehende Problem verschärfen. Wie dies gelöst

werden soll bzw. ob dies überhaupt gelöst werden kann, wird in den Unterlagen nicht dar-

gestellt. Es wird von einer „noch nicht vollständig gelösten Enteisungsmittelproble-

matik“ gesprochen, das Risiko aber als „theoretisches Risiko einer Gütebeeinflussung“ ver-

harmlost und dann letztlich unverständlicherweise nur als „sehr gering“ (S. 238) bewertet. Es

erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, dass künftig mehr belastetes Enteisungsabwasser

ins Grundwasser gelangt oder in die Gewässer eingeleitet wird. Wie sich eine derartige

Erhöhung der Abwassereinleitung auswirkt, wird jedoch nicht dargestellt und bewertet.

“Da das Maßnahmenkonzept Enteisungsmittel erst nach seiner Durchführung auf

seine Wirksamkeit hin überprüft werden kann, verbleibt ... ein Restrisiko.“ (UVS S.

248). Dass dieses dann dennoch angesichts der bereits vorhandenen Probleme als

„gering“ bewertet ist, ist unseres Erachtens grob verharmlosend.

Ebenso wird nicht schlüssig nachgewiesen, wie austretende Leichtstoffe in den Rinnen der

Start- und Landebahn und der Schnellabrollwege beseitigt werden sollen.

Bezüglich der Defizite bei der Bewertung der Eingriffe in die Flora und Fauna der Ober-

flächengewässer verweisen wir auf die Ausführungen in Kap. 6.2.. Als zusätzliches Defizit

hinsichtlich der Bewertung der Vereinbarkeit mit der Wasserrahmenrichtlinie ist anzuführen,

dass die Zielsetzung der Durchgängigkeit nicht als Faktor bewertet wurde (UVS S. 229/230).

Angesichts der unzweifelhaft vorhandenen Eingriffe und keineswegs auszuschließen-

den Gefahren der negativen Veränderungen der Oberflächengewässer, insbesondere

für den besonders wertvollen Keckeisgraben (vgl. UVS S. 231: „Deshalb liegt ein

Schwerpunkt in der Prüfung der Auswirkungen auf diesem Gewässer“) ist entgegen

der UVS nicht davon auszugehen, dass negative Auswirkungen „nicht zu erwarten

sind“ (S. 233).

Ein weiteres Defizit ist die völlig fehlende Darstellung der Auswirkungen auf das Ökosystem

Grundwasser, welches ein völlig eigenes Ökosystem mit hoch empflindlichen und stark

spezialisierten Arten darstellt. Das Ökosystem Grundwasser ist im Biotoptypenschlüssel des

Bundesamtes für Naturschutz enthalten und wird auch in der Strategie der Bundesregierung

zum Erhalt der biologischen Vielfalt aufgeführt. Es liegen mittlerweile genügend Erkenntnisse

zur Artenausstattung des Ökosystems Grundwasser vor, die eine Betrachtung im Rahmen

der UVS als Schutzgut begründen und zwingend erforderlich machen.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 47

Mit all diesen Auswirkungen verstößt das geplante Vorhaben gegen die Wasser-

rahmenrichtlinie (WRRL). Deren Ziel ist ein guter mengenmäßiger und chemischer Zustand

des Grundwassers und der grundwasserabhängigen Landökosysteme (Feuchtgebiete). So-

wohl die Grundwasserabsenkung, die direkten Eingriffe durch Überbauung und Verlegung

als auch die Zunahme der stofflichen Belastung widerspricht dieser Zielsetzung.

Angesichts der hohen Vorbelastung des Grundwassers im Erdinger Moos ist weder der

mengenmäßige Zustand des Grundwassers noch der ökologische Zustand der Oberflächen-

gewässer im Erdinger Moos derzeit noch als gut zu bewerten (entgegen der UVS), jeder

weitere Eingriff in den Grundwasserkörper im Sinne einer weiteren Absenkung würde den

Zustand verschlechtern und einer nötigen Verbesserung entgegenstehen.

6.6. Nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Mensch (Lärm, Luft, Erholung), und

Landschaft

6.6.1. Lärmbelastung, Luftqualität

a) Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:

• Zunahme der Lärmbelastung durch den Flugverkehr mit entsprechender Gefährdung für

die Gesundheit, Entwertung der Lebensqualität, in Attaching wird ein Dauerschallpegel-

wert von bis zu 71 dB(A) erreicht, die Förderschule in Pulling wird einen Dauerschall-

pegelwert von bis zu 64 dB(A) erreichen ! Siehe Ausführungen unten.

• Ca. 80 Menschen (v.a. in Schwaigermoos) sind durch die Flächeninanspruchnahme von

der Absiedelung betroffen,

• Erhöhte Lärmbelästigung durch die Zunahme des Zubringerverkehrs,

• Zunahme der Schadstoffbelastung durch den Flugbetrieb und Zunahme des Zubringer-

verkehrs, dabei ist es unseres Erachtens irrelevant, ob die “flughafeninduzierten

Immissionsbeiträge ... dabei in Relation zur Gesamtbelastung von untergeordneter Be-

deutung [sind].” (UVS S 148), denn entscheidend ist, dass die Ausweitung des Flugver-

kehrs durch die geplante 3. Bahn eine zusätzliche Belastung darstellt und jede zusätz-

liche Belastung gerade in einem vorbelasteten Raum vermieden werden muss (insbe-

sondere wenn die Begründung für das Vorhaben unzureichend ist, s.o.).

Damit weitere Verschlechterung der Luftqualität, mit all ihren negativen Auswirkungen

auf die Gesundheit und Lebensqualität, insbesondere Zunahme des Stickstoffdioxid

(NO2) und des Feinstaubes. Diese beiden Stoffe weisen bereits jetzt am Flughafen

relativ hohe Werte mit steigender Tendenz auf, es wird “Handlungsbedarf gesehen

(Ausweitung der Messungen).” (UVS S. 107), der unseres Erachtens nur in der Reduk-

tion des Ausstosses liegen kann. Beim Feinstaub treten bereits jetzt wie z.B. im Sommer

2006 (Abb. 8) Grenzwert-Überschreitungen auf. Laut UVS war der Schwebstaub-

Jahresmittelwert 2003 um ca. 30% erhöht, auch die Konzentrationen anderer Luft-

schadstoffe waren wohl erhöht. Wir weisen deutlich darauf hin, dass angesichts der

Klimaveränderung Wetterlagen wie im Sommer 2003 nach Aussagen der Klimaforscher

häufiger werden und keinesfalls Jahrhundert-Ereignisse bleiben werden. Vor diesem

Hintergrund ist eine weitere Zunahme der Belastung durch eine erhebliche Ausweitung

des Flugverkehrs noch kritischer zu sehen.

Auch für Ozon treten bereits jetzt Überschreitungen von Richtwerten auf (Abb. 9). Die

WHO hat aktuell sogar eine Verschärfung des Grenzwertes auf 1000 µg/m³

vorgeschlagen. Mit einer Zunahme um 10 µg/m³ steigt die tägliche Sterblichkeitsrate um

0,3% (WHO 2006).

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 48

Abb. 8: Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaub am Münchner Flughafen im Juli 2006

(Quelle: FMG). Grenzwert PM10: 40 µg/m³ (Jahr), 50 µg/m³ Tageswert dürfen nur 35 Tage/ Jahr

überschritten werden. Bis Ende Juli 2006 war der Tages-Grenzwert bereits 34 mal

überschritten. Tage ohne Balken: Messgeräte-Ausfall.

Abb. 9: Überschreitung der Grenzwerte für Ozon am Münchner Flughafen im Juli 2006 (Quelle:

FMG).

Das bedeutendste Quellgebiet für Stickstoffdioxid ist der Bereich Vorfeld-West und

nördliche Rollbrücken (UVS S. 105). Selbst wenn die Aussage der UVS, dass die Kon-

zentrationen (11-40 µg/m³) im Bereich der Hintergrundbelastung (20-35 µg/m³) liegen,

stimmen sollte (S. 107), ist doch festzustellen, dass hier wegen der Autobahn einen hohe

Hintergrundbelastung vorhanden ist, die jedoch nicht dazu führen kann, zusätzliche hohe

Belastungen in Kauf zu nehmen. Mit der Ausdehnung des Flugverkehrs nach Bau einer

3. Bahn wird einer weitere Erhöhung stattfinden (gegenüber Prognosenullfall um 0-4

µg/m³, d.h. gegenüber aktueller Belastung um bis zu > 4 µg/m³), die für diesen Raum

eine erheblich Zusatz-Belastung darstellt.

Bei der Darstellung der Belastungssituation durch Stickstoffdioxid führt die UVS selbst

aus (S. 149 ff.), dass an einigen Messtellen eine Bandbreite von 38-43 µg/m³ (Brandau,

Attaching, Freising-Süd) auftritt, d.h. über den Grenzwert von 40 liegt. Dass innerhalb

dieser Bandbreite die „unteren Erwartungswerte wesentlich realitätsnäher“ seien (S. ), ist

eine reine Annahme. Auch die Aussage, dass die Zunahme der Emission um bis zu 4

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 49

µg/m³ (z.B. Attaching) “bezogen auf den Immissionsjahreswert von 40 µg/m³ ... eine

vergleichsweise geringe Zunahme ist" (S. 149) ist angesichts der Zunahme in den

Grenzwertbereich unzulässigerweise verharmlosend.

Ergänzend weisen wir auch hier darauf hin, dass für NOx nach der BimSchV zum Schutz

der Vegetation und Ökosysteme in unbelasteten Gebieten ein Grenzwert von 30 µg/m³

im Jahresmittel besteht (s.o.). Dieser Vorsorgewert wird im Gebiet bereits durch die

Hintergrundbelastung erreicht und “die Gesamtbelastungen für 2004 überschreiten

diesen Wert bereits bei weitem” (S. 200 UVP). Auch daraus ist abzuleiten, dass eine jede

weitere Steigerung der Belastung zu vermeiden ist !

• Zunahme der Belastung der Stickstoff-Deposition durch Flughafenbetrieb und Straßen-

verkehr im Planungsfall um 3,5-4 kg/ha, Jahr (d.h. gegenüber der aktuellen Ist-Belastung

2-3 kg/ha, Jahr noch höherer Werte). Dies entspricht “etwa 40-67 % der Hintergrund-

belastung” (UVS S. 150) – wie angesichts dessen die Schlussfolgerung gezogen wird,

dass “die Gesamtbelastung ... zum großen Teil durch die Hintergrundbelastung geprägt

wird” (S. 150) ist nicht nachvollziehbar.

Sogar für das relativ weit entfernte Trinkwasserschutzgebiet im Freisinger Moos ergibt

sich im Planungsfall eine 10-20 µg/m³ höhere NO2-Belastung (bei einer Hin-

tergrundbelastung von 20-35) und entsprechend eine zusätzliche Stickstoff-Deposition

von 2-5 kg N/ha, Jahr (bei einer Hintergrundbelastung von 6-8 kg N/ha, Jahr aus der

Luft). Die Zusatzbelastung ist somit doch recht erheblich.

Zur Wirkung der Stickstoff-Deposition auf das Schutzgut Arten und Lebensräume siehe

Kap. 6.2..

• Erhöhte Lärm- und Schadstoffbelästigung während der Bauphase im Bereich der

Baustelle und den Baustellenzufahrtsstraßen (v.a. erhebliche Kiestransporte),

• Veränderung des Mikro- und Mesoklimas durch veränderte Verdunstung, erhöhte

Temperaturen u.a. als Folge der zunehmenden Versiegelung, der Grundwasserabsen-

kung und des laufenden Betriebes. Bereits durch den Flughafenbau hat die Zahl der

Nebeltage und -stunden erheblich abgenommen (335 Stunden gegenüber 756 Stunden

in Schwaigermoos), die mittlere Temperatur hat sich um 1,3° C erhöht (UVS S. 103).

• weitere Entwertung der nächtlichen Dunkelheit durch Zunahme der Lichtemission im

Süden Freisings, insbesondere unmittelbare Störungen durch nahe Lichtquellen in

Attaching und Eittingermoos.

• Und letztlich auch Zunahme der elektromagnetischen Felder im Bereich der geplanten

3. Bahn, deren negative Wirksamkeit auf den Menschen stark umstritten ist, aber

zumindest bisher auch nicht zweifelsfrei auszuschließen ist.

Zur Zunahme der Lärmbelästigung:

Hohe Fluglärmbelastung vermindert nicht nur die Lebensqualität, sondern ist nachgewiese-

nermaßen Ursache für erhöhtes Herzinfarktrisiko sowie bei Kindern für Konzentrations- und

Lernschwierigkeiten. Auch die Aushöhlung der Nachtflugbeschränkungen trägt hierzu bei.

Die Verlegung des Flughafens von Riem ins Erdinger Moos war mit der größeren Ent-

fernung von Siedlungsgebieten zum Schutz der Bevölkerung Münchens begründet –

nun rückt der Flughafen immer näher in die Stadt Freising. Erheblich mehr Menschen

als bisher (v.a. in Attaching) werden mit der 3. Startbahn einem unzumutbaren unerträgli-

chen Lärmpegel ausgesetzt sein:

Pegel Aktuell (2004) Betroffenheit im Planungsfall

> 70 dB(A) > 100

70 - 65 dB(A) Ca. 490

65- 60 dB(A) Ca. 2.530

Gesamt > 60 dB(A) 1.070 Ca. 4.715

Gesamt > 50 dB(A) Ca. 10.000 Ca. 20.000 (eigene Schätzung)

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 50

Bisher waren ca. 1.070 Menschen einem Lärmpegel von > 60 dBA ausgesetzt, mit der

3. Bahn werden dies insgesamt bis zu 5.000 (ca. 4.715) sein (1.915 beim Prognosenullfall

+ zusätzlich 2.800 Personen beim Planungsfall, UVS S. 136). D.h. für diese Personen sind

nach der Rechtssprechung Maßnahmen zur Lärmminderung nötig, die jedoch keineswegs

die Beeinträchtigung der Lebensqualität mit möglichen gesundheitlichen Auswirkungen redu-

zieren können, denn die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist allein auf den Innenraum be-

schränkt und auch dort nicht problemlos (z.B. verringerte Lebensqualität durch geschlossene

Fenster im Sommer etc.). Die Überflughöhe von teilweise nur 70 m kann nicht nur für Kinder

eine grundsätzlich bedrohliche Situation darstellen.

Auch für die erst vor 2 Jahren (unter der Zusage, dass sich der Fluglärm nicht erhöhen wür-

de) von der Innenstadt nach Pulling verlegte Förderschule wird sich die Lärmbelastung deut-

lich erhöhen, etwa 550 Flugzeuge können hier täglich darüber hinweg fliegen.

Eine Lärmbelastung von über 65 dB ist nach LEP Zone A, d.h. hier sind nur Neubauten zu-

gelassen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Flughafen und dessen Betrieb ste-

hen. Große Siedlungsbereiche v.a. des Freisinger Ortsteiles von Attaching würden laut

Raumordnungsgutachten innerhalb dieser Zone liegen. Weitere große Wohngebiete u.a. von

Attaching, Berglern und Pulling würden in Zone B (über 62dB) liegen, in der Neubauvorha-

ben nur für Industrie und Gewerbe, aber nicht für Wohnbebauung zulässig sind. Im Bereich >

58 dB (Zone C) sind immer noch Baubeschränkungen vorgesehen. Die Zahl der Menschen,

die dort leben, wo Wohnhäuser nicht mehr gebaut werden dürften d.h. eigentlich unzumut-

bare Wohnbedingungen herrschen, wird somit erheblich zunehmen.

b) Defizite in der Bewertung:

1. Fluglärm:

Die vorgelegte schalltechnische Untersuchung weist erhebliche Mängel auf. Wir verweisen

auf die Stellungnahme der Stadt Freising einschließlich der dort beigefügten Gutachten.

Insgesamt wird die negative Auswirkung des Fluglärms verharmlost. Zu den Definitionen der

Erheblichkeit ist anzumerken, dass in der UVS selbst auf andere Definitionen hingewiesen

wird, z.B. auf die Empfehlung des SRU und der WHO, wonach oberhalb von 60-65 dB(A)

tags und 50-55 dB(A) nachts von einem erhöhten Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigun-

gen auszugehen ist und Lärmpegel ab 55 dB(A) tagsüber eine erhebliche Störung und

Belästigung darstellen (vgl. auch S. 130 UVS). Schon mit einer Belästigung ist durch er-

höhten Stress ein erhöhtes Risiko gegeben. Dieses ist unseres Erachtens völlig ausreichend,

eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen, zumal beispielsweise Kinder immer empfind-

licher reagieren. Es erscheint geradezu zynisch, wenn sich die Verfasser der UVS hierzu die

„Anmerkung“ erlauben, dass SRU/ WHO nur von Risiken, aber nicht von Wirkungen spre-

chen – als ob es für die betroffenen Menschen nicht ausreichend erheblich wäre, wenn sie

einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Auch der Schwellenwert 55 dB(A) von Griefahn et al.

(nach dem Minimierungsgebot) wird von den Gutachtern ignoriert und letztlich als Schwelle

der erheblichen Belästigung ein Wert von 60 dB(A) bzw. als Richtwert zur Prävention einer

Gesundheitsgefährdung 65 dB(A) bzw. als Schwelle der Gesundheitsgefährdung 70 dB(A)

angenommen (für 6.00-22.00 Uhr). Dies ist ebenso wie der Nacht-Grenzwert viel zu hoch

angesetzt.

Die besondere Betroffenheit oder Empfindlichkeit von Kindern wird von den Gutach-

tern überhaupt nicht einmal erwähnt, was z.B. auch angesichts der hohen Betroffenheit

der Förderschule in Pulling grob fahrlässig ist (hier bis zu 64 dB(A) Dauerschallpegel tags-

über). Gerade Kinder sind nachgewiesenermaßen vom Fluglärm massiv betroffen. Vgl. Inno-

vationsreport 24.07.2006: „Es wurde eine europaweite Studie zu den Auswirkungen von

Lärmbelastung auf Kinder durchgeführt. Dazu gehörten auch ein Instrument zur psychologi-

schen Wiederherstellung und ein Bewertungsmodell zur Gesundheit der Kinder. Kinder sind

genau wie die erwachsene Bevölkerung durch die Lärmbelastung einem hohen Risiko aus-

gesetzt. Der von Flugzeugen und dem Straßenverkehr verursachte Lärm hat nachweislich

negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Gesundheit bei Kindern. Dazu gehören

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 51

Missstimmungen, stressbedingte physiologische Auswirkungen, eine verminderte Wahrneh-

mungsfunktion, erhöhter Blutdruck und Schlafstörungen.“ Die Schäden treten bereits ab Be-

lastungswerten deutlich unter 60 dB(A) auf.

Weiterhin stark relativierend ist methodisch die grundsätzliche Bezugsbasis der Dauer-

lärmpegel. Die Belastung für die Menschen resultiert aber zu einem hohen Teil aus den

lautesten Ereignissen, auch wenn diese nicht dauerhaft auftreten. Stärkeres Gewicht in der

Darstellung müssten daher die tatsächlich auftretenden Maximalwerte erhalten. Mittelwerte

einer Dauerlärmbelastung sind nur beschränkt aussagekräftig, da die Gesundheitsschädi-

gung und Beeinträchtigung der Lebensqualität gerade auch von den maximal auftretenden

Lärmpegeln beeinträchtigt wird.

Ebenfalls stärkeres Gewicht müsste die Darstellung der Überflugsituation und Lärmbelastung

in Sondersituationen erhalten. Bereits heute werden sog. „Gewitter-Routen“ geflogen, auch

wenn weit und breit kein Gewitter oder eine vergleichbare Situation erkennbar ist. Der Über-

flug außerhalb der normalen Routen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Eine

wichtige Rolle würde bei dieser Betrachtung beispielsweise der 30°-Winkel bei Starts nach

Nordwesten über Vötting spielen.

Die UVS ist hinsichtlich der Darstellung der lokalen Lärmminimierung fehlerhaft. Zum einen

wird dargestellt, dass für Attaching eine Minimierung durchaus möglich wäre, damit aber nur

110 Flugbewegungen/ Stunde möglich wären. Dies wäre eine „deutliche Verfehlung des Pla-

nungsziel von mindestens 120 Flugbewegungen/h, daher kann [dies] ... nicht zugrunde ge-

legt werden.“ (UVS S. 42-43). Wenn derartige Minimierungsmaßnahmen unter Bezug auf

einen angeblichen (unser Erachtens falsch begründeten) Bedarf der Antragsteller von vorne

herein ausgeschlossen werden, kann die darauf aufbauende Abwägung nicht korrekt sein.

Insgesamt können wir das Fazit der UVS (S. 137), dass die Auswirkungen der Fluglärmbe-

lästigung angesichts der Lärmschutzmaßnahmen und der Beschränkung auf „räumlich be-

grenzte Ortslagen“ als „mittel bis hoch“ eingestuft wird, nicht teilen. Die negativen Auswir-

kungen sind als mindestens „hoch“ bzw. sogar „sehr hoch“ zu bewerten.

Angesichts der bestehenden, derzeit gültigen Nachflugregelungen am Flughafen München

muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Belastung durch den Fluglärm de facto

von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr erstreckt (z.B. im Gegensatz zum Flughafen Frankfurt). Auch die

Erhöhung des Fluglärms durch eine 3. Bahn würde die Belastung für diesen gesamten Zeit-

raum erhöhen.

2. Luftschadstoffe:

Wie unter Punkt a) bereits dargestellt, ist unseres Erachtens die zusätzliche Belastung

durch vermehrten Ausstoß von Luftschadstoffen zu gering bewertet (z.B. Zunahme der

Belastung der Stickstoff-Deposition im Bereich von “etwa 40-67 % der Hintergrundbelastung”

– aber Bewertung, dass “die Gesamtbelastung ... zum großen Teil durch die

Hintergrundbelastung geprägt wird” (S. 150)).

Der Verweis auf die Jahresmittelwerte beim Feinstaub bzw. auf die Monatsmittelwerte bei

Ruß sind nur bedingt aussagekräftig. Nötig wären Angaben zu den Tageswerten und zu den

Spitzenwerten, auch um festzustellen, ob und wie oft Grenzwertüberschreitung gegeben

wären. Auch ist es keinesfalls ausreichend, festzustellen, “beim Feinstaub traten mehrfach

erhöhte Werte auf. Diese sind noch nicht erklärbar.” (UVS S. 107).

Zum Feinstaub ist zudem anzumerken, dass die WHO erst vor kurzem eine Verschärfung

der Grenzwerte vorgeschlagen hat – für PM10: 20 µg/m³ (Jahr), 50 µg/m³ (Tag) – und für die

noch kleineren Partikel eine verstärkte Betrachtung mit strengen Grenzwerten gefordert hat

(PM2,5: 10 µg/m³ (Jahr), 25 µg/m³ (Tag). Jede Erhöhung der PM2,5-Belastung um 10 µg/m³

führt zu einer höheren Sterberate um 6%. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer strikten

Vermeidung zunehmender Belastungen. Auch die PM2,5-Werte hätten in die Bewertung mit

einbezogen werden müssen. Die von Flugzeugtriebwerken emittierten Feinstäube in Form

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 52

von Ruß sind bisher weitgehend ignoriert worden. Durch den hohen Anteil an sehr kleinen

Partikeln, die bis in die Lungenbläschen eingeatmet werden können, und die mit einer

Vielzahl organischer Verbindungen belastet sind, können diese Feinstäube besonders

gesundheitsschädlich sein (vergleiche Diskussion über Feinstaubimmissionen durch den

Straßenverkehr). Diese Problematik wird von den Planern einer dritten Startbahn für den

Münchner Flughafen ignoriert bzw. bagatellisiert. In London dagegen wurde die Erweiterung

des Flughafens Heathrow durch eine dritte Startbahn vorerst zurückgestellt, da derzeit nicht

sichergestellt werden kann, dass nach dem Ausbau die europäischen Luftreinhalterichtlinien

eingehalten werden können.

Zu den PCDD/F-Messprogrammen wäre eine Karte mit der genauen Lage der Messstand-

orte nötig. Beispielsweise sind uns Messstellen mit Grünkohlpflanzen im Freisinger Moos

bekannt, die abseits des Hauptflugbereichs liegen und daher wohl relativ geringe Aussage-

kraft haben. Die Grünkohlmessungen sind grundsätzlich nur direkt im Bereich der Bahnen

und nur für bestimmte Stoffe (z.B. PAK) aussagekräftig.

Dass die Gutachter bei der Bewertung der Immissionsbelastung und möglichen Vermei-

dungsmaßnahmen auf die “Aufgabe der staatlichen Luftreinhaltepolitik” hinweisen, vorran-

gig beim KfZ-Verkehr emissionsmindernde Maßnahmen durchzusetzen (UVS S. 151), beim

Vorhaben aber keine Vermeidungsmöglichkeiten erkennen, spricht für sich. Nicht dass wir

entsprechende Maßnahmen beim KfZ-Verkehr nicht für sinnvoll halten – aber es muss

natürlich der Luftverkehr gleichermaßen mit einbezogen werden, d.h. das unbegründete

(s.o.) geplante Wachstum des Flugverkehrs mit einer 3. Bahn ist als solches zu vermeiden.

Angesichts der dargestellten Kritikpunkte kann somit die Schlussfolgerung, dass die

negative Auswirkung durch die Zunahme der Schadstoffbelastung “als gering

bewertet” wird (UVS S. 151), von uns nicht geteilt werden.

3. Zusätzliche allgemeine Defizite in der Bewertung:

Viele der negativen Auswirkungen werden in der UVS nur als „gering“ oder sogar „sehr ge-

ring“ bewertet. Diesem Urteil können wir uns keineswegs anschließen.

Teilweise wird sogar in den Unterlagen darauf hingewiesen, dass die Belastungen doch rela-

tiv groß sein können, doch dann wird die Betroffenheit durch relativierende Annahmen und

verharmlosende Aussagen gering bewertet. Beispiel baustellenbedingte Staubentwicklung:

„kann während ungünstiger Randbedingungen (hohe Fahrzeugfrequenz, Trockenheit, starker

Wind) relativ groß sein“ (UVS S. 125) – Bedingungen, die im Zuge der Klimaerwärmung im

Sommer durchaus häufiger auftreten können, doch nach der UVS werden „solche Verhält-

nisse ... während des Baubetriebes eher eine Ausnahme darstellen.“ (S. 127). Und dann:

„Innerhalb eines solchen potenziellen Wirkungsraumes [300 m] sind keine Wohngebiete und

geschlossene Siedlungsbereiche vorhanden“ (S. 126) – was ist mit Schwaigermoos, Grün-

schwaige ? Und weiter: „Grundsätzlich können baustellenbedingte Staubemissionen durch

geeignete Konzepte ... effektiv reduziert werden.“ (S. 126) – nur ob dies dann in der Bau-

phase tatsächlich realisiert wird (z.B. wäre „darauf zu achten, dass Flächen stark staubender

Materialien nicht vollständig abtrocknen.“ (S. 126)), ist stark zu bezweifeln. Weitere Beispiele

derartiger Verharmlosung der negativen Auswirkungen ließen sich anführen.

Auf die grundsätzlich fehlerhafte und verharmlosende Bewertung durch den Vergleich

der mit der Planung verbundenen Lärmbelastung mit dem Prognosenullfall (S. 128, 133

u.a.) wurde bereits einleitend hingewiesen (s.o.). Es ist ein grober Mangel der UVS, dass

sich in der UVS keine Karte mit der Zunahme der Lärmbelastung gegenüber dem aktuellen

Zustand findet.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 53

6.6.2. Erholung und Landschaftsbild

Das Vorhaben ist mit folgenden Eingriffen verbunden:

• Verlärmung von wichtigen Naherholungsgebieten bis zur vollständigen Entwertung,

• Flächeninanspruchnahme von 1.150 ha (davon außerhalb des bestehenden

Flughafens 970 ha), d.h. Verlust dieser Flächen für das typische Landschaftsbild des

Erdinger Mooses, für die Naherholung und als „freie Fläche“. Davon Verlust 40 ha Fläche

mit hohem Landschaftsbildwert, 650 ha mit mittlerem Landschaftsbildwert (Fachbeitrag

Vegetation S. 34).

• davon Flächenversiegelung von 326 ha (neue Versiegelung von 169 ha + Vorfeldfläche

157 ha) mit totalem irreversiblen Verlust des Wertes für das Landschaftsbild.

• Verlust von mindestens 95 ha landschaftbildprägender Strukturen (v.a. Gehölze,

Hecken, Bäche, Gräben),

• Inanspruchnahme von ca. 460 ha Fläche des Grünzugs und damit Zerstörung des Grün-

gürtels im Norden des bestehenden Flughafens und damit Verschlechterung der Funk-

tionen des Erdinger Mooses als Raum für die Kaltluftentstehung und Frischluftzufuhr

sowie dessen Funktion als “großräumiger, landschafts- und klimaökologischer Aus-

gleichsraum”. Die schon jetzt schmale Verbindung zwischen den Grünzügen Erdinger

Moos im Nordosten des Flughafens und den Isarauen im Westen des Flughafens wird

durch die 3. Bahn so stark verkleinert, dass die Funktionsfähigkeit stark in Frage gestellt

wird. Zwischen Attaching und dem Flughafen und damit zwischen Freising und dem Flug-

hafen verbliebe zumindest keinesfalls ein “großräumiger” Ausgleichsraum (vgl.: UVS S.

62 und 162: “schmale Vernetzungsachse südlich Attaching”). Für die Zerstörung dieser

Grüngürtelfunktion in eben genau diesem Bereich ist es auch irrelevant, ob der relative

Flächenanteil “im Vergleich zur Gesamtausdehnung des Grünzuges verhältnismäßig

gering bleibt” (UVS S 63, ähnlich auch S. 253); denn entscheidend ist, dass kein anderer

Bereich des Grüngürtels die Verbindungsfunktion an genau dieser zentralen Verbindung

für den Ost-West-Ausgleich ersetzen kann. Dies gilt sowohl für den Luftaustausch als

auch für biologische Verbindungsfunktionen. Denn die engste Verbindungsstelle

zwischen Erdinger und Freisinger Moos besteht hier im Norden und nicht im Süden des

Flughafens.

Auch in der UVS werden Veränderungen für die nähere Umgebung prognostiziert und

sind nur für die “weitere Umgebung ...auszuschließen” – ohne dass jedoch die nähere

Umgebung näher abgegrenzt wird.

Der Aussage der UVS, wonach “durch das Vorhaben ... keine nennenswerten Aus-

wirkungen auf die Funktionen und Zielsetzungen des Regionalen Grünzuges zu

erwarten [sind]” (UVS S. 63) wird daher widersprochen.

• Weitere großräumige Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Erdinger Mooses

durch die Ausdehnung der technischen Flughafen-Infrastruktur fast bis hin zur Autobahn.

Insbesondere vom Rand des Hügellandes massiv wahrnehmbar. Damit weitere Entwer-

tung und technische Überprägung des typischen Landschaftsbildes im Erdinger Moos.

Defizite in der Bewertung Erholung/ Landschaft:

Es ist fachlich absolut unzutreffend, dass „dem Untersuchungsgebiet landschaftliche Höhe-

punkte und attraktive Naherholungsziele [fehlen]“ (UVP S. 29) – dies missachtet in unzuläs-

siger Weise den Wert des Gebietes der Stoibermühle, des Freisinger Mooses oder der Isar-

auen. Auch wenn die Stoibermühle nur lokal von Bedeutung wäre, ist dies kein Argument für

einen geringeren Wert, denn gerade die Entwertung örtlicher Naherholungsgebiete für die

örtliche Bevölkerung ist angesichts der zahlreichen Vorbelastungen im Raum gravierend.

Die Einschätzung, dass „deutliche Mehrbelastungen ... durch das Vorhaben nicht entstehen

[werden]“ (UVS S. 29) ist fachlich absolut nicht haltbar und missachtet den Erholungswert

von „Ruhe“ in unverantwortlicher Art und Weise. Bereits jetzt sind wichtige Naherholungs-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 54

gebiete Freisings (z.B. Pullinger Weiher) schon so verlärmt und damit in ihrem Erholungs-

wert entwertet, dass sie von zahlreichen Personen nicht mehr aufgesucht werden. Für den

Pullinger Weiher wird die Belastung noch weiter zunehmen (> 60 dB(A)). Im Planungsfall

wird insbesondere das Gebiet der Stoibermühle massiv entwertet (Dauerschallpegel 50-56

dB(A)), die künftige Belastung durch den Fluglärm ist auch nicht durch den Verweis auf die

starke Vorbelastung durch den Autobahnlärm zu verharmlosen. Der gesamte Norden des

Erdinger Mooses wird durch die 3. Bahn angesichts weiterer Belastungen durch die Auto-

bahn und das Verschwinden großflächiger Zwischenräume massiv für die Naherholung

entwertet.

Auch die bestehenden Wander- und Radwege in anderen Naherholungsgebieten werden

durch vermehrten Lärm vermehrt beeinträchtigt. Dies betrifft sowohl die Isar, aber sogar

auch das Freisinger Moos (in Teilbereichen schon heute Fluglärm für die Naherholung stark

störend).

Dass die Auswirkungen dennoch in der UVS nur als “gering bis mittel” (S. 168 -

Erholung) bzw. „mittel“ (S. 259 - Landschaftsbild) bewertet werden, ist nicht

nachvollziehbar. Vielmehr ist eine hohe Belastung anzunehmen.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 55

7. Fehlen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung, Defizite der

Verträglichkeitsbetrachtung

Die vorgelegte FFH-Verträglichkeitsbetrachtung entspricht in ihren Anforderungen nicht einer

FFH-Verträglichkeitsprüfung. Die Gutachter kommen selbst zu dem Ergebnis, dass zumin-

dest für zwei FFH-Gebiete (Isarauen, Moorreste im Erdinger und Freisinger Moos) eine

tatsächliche FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Umso unverständlicher bleibt,

warum diese FFH-Verträglichkeitsprüfung dann nicht auch durchgeführt wurde. Unseres

Erachtens wäre zudem auch eine FFH-VP für das SPA Freisinger Moos zwingend nötig.

Die Vorgabe Bayerns, dass eine FFH-VP grundsätzlich erst im Planfeststellungsverfahren

durchzuführen ist, ist weder fachlich noch rechtlich haltbar und nicht vereinbar mit der FFH-

RL. Das Fehlen von FFH-Verträglichkeitsprüfungen für betroffene FFH-Gebiete ist

daher ein großes Defizit der Planung.

7.1. Fachliche Defzite in der Darstellung und Bewertung der Auswirkungen:

Bezüglich der Betroffenheit der Natura 2000-Gebiete verweisen wir auf unsere Ausführungen

in Kapitel 6 zur UVS. In den durch die Auswietung des Flugverkehrs betroffenen Natura

2000-Gebieten kommen eine erhebliche Anzahl an Arten und Lebensräumen der FFH- und

Vogelschutz-Richtlinie vor.

Entsprechend des Verzichtes auf Durchführung einer tatsächlichen FFH-VP ist die Erfas-

sungsgrundlage völlig unzureichend (keine Erfassung/ Darstellung der Vorkommen der

Lebensraumtypen und Arten der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie etc.). Dass die Auflistung

der Arten und Lebensräume der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie und der lebensraum-

charakteristischen Arten vollständig ist, kann angesichts des Fehlens gezielter Erhebungen

und des Fehlens von Managementplänen (außer Isarauen, in Erstellung) bezweifelt werden.

Völlig inakzeptabel ist – wie auch in der UVP - die Basis der Beurteilung der Verschlechtung

(FFH-VB S. 17): Es wird angeführt, dass „in der Analyse der möglichen Projektwirkungen die

für den Prognosenullfall (ohne Ausbau) prognostizierten Belastungen als Vorbelastung an-

gesetzt und nur die Differenz zwischen Prognosenullfall und Planungsfall als vorhabensbe-

dingt gewichtet [wird]. Zeithorizont ist dabei jeweils das Jahr 2020.“ Da auch der Prognose-

nullfall eine Steigerung des Flugverkehrs beinhaltet (s.o.) wird eine 2020 möglicherweise

auftretende Zusatzbelastung jetzt als Vorbelastung angesetzt. Bewertungsbasis für das

Verschlechterungsverbot und die Bewertung der Auswirkungen und der Erheblichkeit ist

somit nicht der aktuelle Ist-Zustand, sondern der Differenz-Zustand zwischen einem Zustand

2020 ohne 3. SLB und mit 3 SLB. Eine derartige Bewertungsbasis ist fachlich völlig

inakzeptabel und rechtlich nicht haltbar. Es ist ganz klar, dass die Auswirkungen eines

Eingriffes an der Verschlechterung gegenüber dem aktuellen Zustand bewertet werden

müssen.

Daraus folgt, dass die Darstellungen der negativen Auswirkungen in der FFH-

Verträglichkeitsbetrachtung alle konsequent zu niedrig und damit falsch dargestellt

sind. Dies betrifft insbesondere die Auswirkungen durch den Lärm und die

Auswirkungen durch Stickstoffeinträge über die Luft.

Die negativen Auswirkungen des Vorhabens auf die FFH-Gebiete werden nicht in allen

Punkten dargestellt. Es sind folgende Defizite in der Darstellung und Bewertung der

Wirkfaktoren vorhanden:

• entgegen der in Kapitel 8.1. oder auf S. 21 ff. begründeten Bewertung der Lärmauswir-

kung auf Vögel, sind wir der Ansicht, dass der Fluglärm durch die Zunahme durchaus

die Qualität von „Dauerlärm“ erreicht. Einige der dort angeführten Beispiele (wie z.B.

Untersuchungen vom Flughafen Bremen, Flughafen auf den Weihnachtsinseln) sind mit

der Belastung am Flughafen München nicht vergleichbar. Die prognostizierten mittleren

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 56

Pausen von 64 (47) bis 417 (254) Sekunden Länge sind Mittelwerte. Die Flugbewegun-

gen haben aber gerade zur Zeit der Gesangsaktivität der Vögel (frühmorgens und spät-

nachmittag) einen deutlichen Höhepunkt (vgl. Abb. des Antrags), so dass hier die Pau-

senzeiten erheblich kürzer sein werden. Damit ist die Gefahr der Maskierung von Ge-

sängen entgegen der Schlussfolgerung der Gutachter sehr wohl in die Betrachtung der

negativen Auswirkungen mit ein zu beziehen. Dass der “Wirkfaktor Fluglärm/optische

Stimuli durch Über-/Vorbeiflüge [im ROV] nicht weiter betrachtet wird“ (FFH-VB S.

130, vgl. S. 21 u.a.), ist ein Defizit v.a. der Betrachtung der Vogelschutzgebiete (vgl.

auch Kritik an UVP), insbesondere auch für das Freisinger Moos.

Da aber entsprechend auch negative Auswirkungen auf Säugetiere (z.B. Fledermäuse),

Heuschrecken, Amphibien o.a. nicht sicher ausgeschlossen werden können, ist das

Fehlen dieses Wirkfaktors auch ein Defizit der Betrachtung der FFH-Gebiete. Das Ar-

gument, dass der Fluglärm „nur im Sommerhalbjahr und auch hier nur in beschränktem

in die nächtliche Aktivitätszeit der Fledermäuse hineinreicht“ (FFH-VB S. 132) mutet et-

was seltsam an, da ersteres die Auswirkungen überhaupt nicht und zweiteres nur wenig

relativiert.

• Wir sehen ein erhöhtes Risiko des Vogelschlages – welches ja auch von den An-

tragstellern gesehen wird, denn sonst würden sie keine Maßnahmen zur Vermeidung

des Vogelschlags (Verfüllung von Kiesweihern) vorschlagen. In der Verträglichkeits-

betachtung ist weder der Wirkfaktor „Reduzierung der Population durch Vogelschlag“

noch der Faktor „Reduzierung der Population durch Vernichtung von Lebensräumen“

behandelt. Dies ist ein Defizit der Planung.

Unklar ist, inwieweit auch Natura 2000-Gebiete von den Präventivmaßnahmen Vogel-

schlag betroffen sind. Nur in einer Fußnote findet sich der Hinweis, dass die Wiederver-

füllung „auf bestehende Gewässer zu beziehen [ist], als für diese bereits eine Verfül-

lungsauflage besteht.“ (FFH-VB, S. 24, Fußnote 14). Es ist unseres Erachtens keines-

wegs klar, ob davon nicht doch auch Auswirkungen auf die Natura 2000-Gebiete ausge-

hen können, vor allem für das nach der Planung voll in der neuen Überfluglinie liegende

FFH-Gebiet Eittinger Weiher.

• Ebenfalls defizitär ist die Betrachtung der Auswirkung der Grundwasserabsenkung.

Eine vertiefende Analyse wird nicht vorgenommen. weil „noch keine Details zu den ...

technischen Maßnahmen vor[liegen]“ (FFH-VB S. 19). Somit sind negative Auswir-

kungen auf den Grundwasserhaushalt der FFH-Gebiete keineswegs auszuschließen

sowohl durch die Grundwasserabsenkung als auch durch die Veränderung des Graben-

systems, das in Verbindung mit den Natura 2000-Gebieten steht (vgl. Kap. 6.5.).

• Die Darstellung der negativen Wirkungen durch (Stick-)stoffeintrag und nächtliche Be-

leuchtung ist unzureichend. Da sie selbst nach Aussage der Gutachter nicht aus-

geschlossen werden kann, hätte sie bereits in diesem Stadium der Prüfung näher be-

trachtet werden müssen.

• Es fehlt eine Darstellung der negativen Auswirkungen durch die mit dem Vorhaben ver-

bundenen Folgewirkungen wie insbesondere Kiesabbau. Dabei sind direkte Folgewir-

kungen zu prüfen als auch indirekte Folgewirkungen, wie beispielsweise veränderte

Grundwasserströme durch Verfüllung. Aus den Darstellungen der UVS ist zu schließen,

dass dabei auch das Freisinger Moos erheblich betroffen sein wird.

• fehlende Darstellung der mit dem Vorhaben verbundenen Auswirkung auf die (im Text

aufgeführten) Lebensraumtyp-charakteristischen Arten.

Zur ausführlichen Begründung der Defizite siehe unsere Ausführungen zu den Defiziten der

Bewertung der UVS (siehe Kap. 6).

Ein weiteres Defizit ist die unzureichende Bewertung des FFH-Gebietes Eittinger Weiher.

Das FFH-Gebiet hat seinen großen Wert weniger für die Arten oder Lebensraumtypen der

FFH-RL, sondern für die Vögel (vgl. ABSP). Damit ist zwar prinzipiell die geringe Bedeutung

als FFH-Gebiet richtig dargestellt, es fehlt aber die Darstellung der Avifauna und deren Be-

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 57

troffenheit. Die Vogelarten sind auch als Schutzzweck des FFH-Gebietes zu betrachten und

daher entgegen der Schlussfolgerung des Gutachtens (FFH-VB S. 56) mit ein zu beziehen.

Fraglich ist unseres Erachtens, ob die Präventivmaßnahmen zur Verhütung des Vogelschla-

ges den Eittinger Weiher nicht doch betreffen werden, da er das Hauptkonfliktpotenzial dar-

stellen wird. Dass derartige mögliche Auswirkungen in der FFH-VB nicht geprüft wurden, ist

ein Defizit.

Bei der Bewertung für das FFH-Gebiet Isarauen wird das Entwicklungspotential als viel zu

gering eingeschätzt (FFH-VB S. 37). Zum einen werden bereits einige nicht nur lokale Maß-

nahmen durchgeführt, zum anderen kann die Einschränkung forstliche Nutzung jederzeit

durch entsprechende Vorgaben geändert werden. Bei den Auswirkungen beurteilen wir die

negativen Beeinträchtigung durch die Zunahme des Fluglärms höher als in den Unterlagen.

7.2. Unzureichende Summationsprüfung und Darstellung der Auswirkungen auf die

Kohärenz

Neben der unzureichenden Bewertung ist auch die Summationsprüfung unzureichend. Es

fehlt beispielsweise die Marzlinger Spange, die Auswirkung der Westtangente (Freisinger

Moos) ist falsch bewertet, die unzureichend dargestellte Auswirkung des Transrapid (Isarau-

en) unkritisch übernommen u.a.

Entsprechend der generellen Kritikpunkte sind auch die Ausführungen zur Auswirkung auf

die Kohärenz unzureichend: es handelt sich nur um allgemeine Aussagen zu den jeweiligen

Natura 2000-Gebieten ohne eine art- oder lebensraumtypbezogene Darstellung der negati-

ven Auswirkungen. Belastungen wichtiger Vernetzungsachsen werden nicht ausreichend

bewertet. So ist es absolut unzureichend beispielsweise beim haupt-betroffenen Natura

2000-Gebiet „Gräben und Niedermoore im Erdinger Moos“ nur anzuführen, dass „die ... kon-

zedierte Möglichkeit einer diffusen Belastung bzw. Verschmälerung ...auf dem Niveau der

hier zu verbindenden Schutzgüter und geforderten Funktionen nicht als reale Belastung rele-

vanter Austauschbeziehungen angesehen werden“ kann (FFH-VB S. 89). Wie bereits in un-

seren Ausführungen zur Kritik an der UVS dargestellt, werden sehr wohl deutliche Verluste

von Funktionsbeziehungen auftreten, der Darstellung der FFH-VB ist daher deutlich zu wi-

dersprechen.

7.3. Fehlende Beurteilung der Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen, der

Erheblichkeit, der Alternativenprüfung nach EU-Recht

Entsprechend der generellen Unzulänglichkeit der Inhaltstiefe der FFH-VB ist insbesondere

auch zu kritisieren, dass keine Bewertung erfolgt, ob das Vorhaben mit den Erhaltungszielen

der Natura 2000-Gebiete vereinbar ist bzw. welche Auswirkungen es darauf haben wird.

Auch werden keine Aussagen zur Erheblichkeit der Auswirkungen getroffen. Ebenso findet

keine Alternativenprüfung statt, die bei Feststellung der Erheblichkeit (wovon wir ausgehen)

nötig wäre. Somit werden zentrale Bewertungsschritte der FFH-VP nicht durchgeführt und

auf die FFH-VP im Folgeverfahren (Planfeststellungsverfahren) geschoben.

Andererseits werden in der FFH-VB (wie auch in erheblichem Umfang in der UVS) bereits

Aussagen getroffen, dass negative Auswirkungen nicht erkennbar oder nur gering wären

oder z.B. für keines der Gebiete eine relevante Erhöhung der Verlärmung anzunehmen wä-

ren. Derartige Feststellungen können nach der hier vorliegenden FFH-VB jedoch keineswegs

fachlich korrekt abgeleitet werden.

In der Summe ist die vorgelegte FFH-VB in keiner Weise geeignet, eine angemessene Be-

urteilung der unseres Erachtens erheblichen Betroffenheit der Natura 2000-Gebiete vorzu-

nehmen. Dies ist in ausführlichen und vollständigen FFH-Verträglichkeitsprüfungen nachzu-

holen. Wir halten eine FFH-VP für die FFH-Gebiete „Moorreste im Freisinger und Erdinger

Moos“ (alle Teilbereiche), „Isarauen“ und zusätzlich für das Vogelschutzgebiet „Freisinger

Moos“ für zwingend nötig.

Raumordungsverfahren Flughafen München – Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e. V. 58

8. Schlussbetrachtung

Dem Fazit der UVS, dass das Vorhaben durch Vermeidungsmaßnahmen „umweltver-

träglich verwirklicht werden kann“ (Antrag S. 50, UVS S. 274) widersprechen wir ve-

hement. Dieses Fazit ist eine grobe Missachtung der negativen umweltrelevanten

Auswirkungen (von der Klimarelevanz des Flugverkehrs bis zum Verlust der Land-

schaft) und ebenso der negativen sozialen und lebensqualitätbedeutsamen Auswir-

kungen der Planung.

Tatsächlich würde in unverhältnismäßiger unzumutbarer Weise in allgemeine öffentli-

che Belange (Wasserhaushalt, Bodenschutz, Natur- und Landschaftsschutz) und in

private Schutzgüter wie Gesundheit und Eigentum eingegriffen werden. Diese Belange

sind in ihrer Gesamtheit so gewichtig, dass sie gegenüber dem – noch dazu fehlerhaft

und falsch begründeten angeblichen Bedarf in der Raumordnung eindeutig höher zu

gewichten sind.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Christine Margraf gez. Richard Mergner

Leiterin BN-Fachabteilung München BN-Landesbeauftragter

gez. Dr. Christian Magerl gez. Dr. Renate Poeschel

Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Freising Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Erding

gez. Christian Hierneis gez. Dr. Roderich Zauscher

Vorsitzender der BN-Kreisgruppe München Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Dachau

gez. Olaf Rautenberg

Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Ebersberg