biomechanische grundlagen des metaphysär verankerten humeruskopfersatzes

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Obere Extremität 2012 · 7:11–16 DOI 10.1007/s11678-011-0150-0 Eingegangen: 15. November 2011 Angenommen: 1. Dezember 2011 Online publiziert: 12. Februar 2012 © Springer-Verlag 2012 P. Magosch 1  · P. Habermeyer 1  · S. Bachmaier 2  · N. Metcalfe 2 1 Schulter- und Ellenbogenchirurgie, ATOS Praxisklinik Heidelberg 2 Arthrex, Karlsfeld Biomechanische Grundlagen  des metaphysär verankerten  Humeruskopfersatzes Zum Zeitpunkt der Schulterprothesen- implantation sind die Patienten jünger als zum Zeitpunkt einer Knie- oder Hüftpro- thesenimplantation [6]. Bei zunehmen- dem Anstieg der Lebenserwartung und fortschreitender Rotatorenmanschetten- degeneration auch nach endoprotheti- schem Ersatz bei intraoperativ noch in- takter Manschette [4] wird eine Wechsel- operation immer wahrscheinlicher. Klas- sische Schaftprothesen erfordern im Revi- sionsfall eine Schaftosteotomie mit erheb- lichen Morbiditätsraten. Herkömmliche Cup-Prothesen (Ober- flächenersatz) sind nicht immer eine Ideallösung, da sie den primären oder sekundären Pfanneneinbau extrem er- schweren. Daher sind besonders für jüngere Pa- tienten moderne Lösungen für den endo- prothetischen Ersatz gefordert. Humeruskopfgeometrie Schon 1992 beschrieben Iannotti et al. [3], dass der anteroposteriore Durchmesser des Humeruskopfes um 8% kleiner ist als der mediolaterale Durchmesser. Somit ist die Gelenkfläche nicht rund sondern el- liptisch. Der Oberflächenersatz ist rund kon- zipiert und birgt die Gefahr, dass er dem größeren Durchmesser angepasst wird. Dies führt zu einer Vergrößerung des la- teralen Offsets, damit zu einer erhöhten Vorspannung der Rotatorenmanschette mit „overstuffing“. Diese extraanatomische Rekonstruk- tion des Humeruskopfes zieht eine exzen- trische Belastung des Glenoids mit erhöh- tem Kontaktdruck nach sich, was das Ri- siko des Glenoidverbrauchs deutlich an- steigen lässt [2]. In der chronischen Fraktursituation mit entweder in valgus impaktierter Ka- lotte oder in varus dislozierter Kalotte und Dissoziation des Rotationszentrums von der Metaphysenachse bleibt bei intak- ter Rotatorenmanschette die Möglichkeit der Implantation einer Stielprothese der dritten Generation, der trotz modularem Offset bei variabel einstellbarer Exzent- rizität, Retrotorsion und Inklination im- mer noch von der Metaphysenachse ab- hängt. Durch die fixierte Dissoziation des Humeruskopfrotationszentrums von der Metaphysenachse und eine Tuberculum- majus-Fehlstellung (relativer Tubercu- lum-majus-Hochstand, partielle Resorp- tion), kann bei Verwendung einer kon- ventionellen Stielprothese mit Koppelung des modularen Offsets an die Metaphyse auch unter vollständiger Ausschöpfung der dreidimensionalen Modularität oft- mals nur ein zu kleiner Prothesenschaft in Achsenfehlstellung zur Rekonstruk- tion des Drehzentrums implantiert wer- den. Im Falle einer Varusimpaktion der Kalotte mit relativem Tuberculum-ma- jus-Hochstand muss häufig das volle Aus- maß der dreidimensionalen Modularität einer Prothese der dritten Generation aus- geschöpft werden, um den Humeruskopf ohne Tuberculum-majus-Osteotomie, die wiederum das postoperative funktionelle Ergebnis negativ beeinflusst, rekonstruie- ren zu können. Zudem kann die Prothe- se nur in Valgus- oder Varusfehlstellung implantiert werden. Eine posttraumati- sche begleitende Fehlstellung der Meta- physenachse erschwert die Implantation einer Stielprothese zusätzlich. Diese Probleme führten zur Entwick- lung einer schaftfreien Prothese, um un- Abb. 1 8 a Komponenten der Eclipse-Prothese (von links nach rechts): Kalottenträger, selbstschnei- dende fixierende Hohlschraube, Kalotte; b komplette Prothese 11 Obere Extremität 1 · 2012| Leitthema: Übersicht

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Page 1: Biomechanische Grundlagen des metaphysär verankerten Humeruskopfersatzes

Obere Extremität 2012 · 7:11–16DOI 10.1007/s11678-011-0150-0Eingegangen: 15. November 2011Angenommen: 1. Dezember 2011Online publiziert: 12. Februar 2012© Springer-Verlag 2012

P. Magosch1 · P. Habermeyer1 · S. Bachmaier2 · N. Metcalfe2

1 Schulter- und Ellenbogenchirurgie, ATOS Praxisklinik Heidelberg2 Arthrex, Karlsfeld

Biomechanische Grundlagen des metaphysär verankerten Humeruskopfersatzes

Zum Zeitpunkt der Schulterprothesen-implantation sind die Patienten jünger als zum Zeitpunkt einer Knie- oder Hüftpro-thesenimplantation [6]. Bei zunehmen-dem Anstieg der Lebenserwartung und fortschreitender Rotatorenmanschetten-degeneration auch nach endoprotheti-schem Ersatz bei intraoperativ noch in-takter Manschette [4] wird eine Wechsel-operation immer wahrscheinlicher. Klas-sische Schaftprothesen erfordern im Revi-sionsfall eine Schaftosteotomie mit erheb-lichen Morbiditätsraten.

Herkömmliche Cup-Prothesen (Ober-flächenersatz) sind nicht immer eine Ideallösung, da sie den primären oder sekundären Pfanneneinbau extrem er-schweren.

Daher sind besonders für jüngere Pa-tienten moderne Lösungen für den endo-prothetischen Ersatz gefordert.

Humeruskopfgeometrie

Schon 1992 beschrieben Iannotti et al. [3], dass der anteroposteriore Durchmesser des Humeruskopfes um 8% kleiner ist als der mediolaterale Durchmesser. Somit ist die Gelenkfläche nicht rund sondern el-liptisch.

Der Oberflächenersatz ist rund kon-zipiert und birgt die Gefahr, dass er dem größeren Durchmesser angepasst wird. Dies führt zu einer Vergrößerung des la-teralen Offsets, damit zu einer erhöhten Vorspannung der Rotatorenmanschette mit „overstuffing“.

Diese extraanatomische Rekonstruk-tion des Humeruskopfes zieht eine exzen-trische Belastung des Glenoids mit erhöh-

tem Kontaktdruck nach sich, was das Ri-siko des Glenoidverbrauchs deutlich an-steigen lässt [2].

In der chronischen Fraktursituation mit entweder in valgus impaktierter Ka-lotte oder in varus dislozierter Kalotte und Dissoziation des Rotationszentrums von der Metaphysenachse bleibt bei intak-ter Rotatorenmanschette die Möglichkeit der Implantation einer Stielprothese der dritten Generation, der trotz modularem Offset bei variabel einstellbarer Exzent-rizität, Retrotorsion und Inklination im-mer noch von der Metaphysenachse ab-hängt. Durch die fixierte Dissoziation des Humeruskopfrotationszentrums von der Metaphysenachse und eine Tuberculum-majus-Fehlstellung (relativer Tubercu-lum-majus-Hochstand, partielle Resorp-tion), kann bei Verwendung einer kon-ventionellen Stielprothese mit Koppelung des modularen Offsets an die Metaphyse

auch unter vollständiger Ausschöpfung der dreidimensionalen Modularität oft-mals nur ein zu kleiner Prothesenschaft in Achsenfehlstellung zur Rekonstruk-tion des Drehzentrums implantiert wer-den. Im Falle einer Varusimpaktion der Kalotte mit relativem Tuberculum-ma-jus-Hochstand muss häufig das volle Aus-maß der dreidimensionalen Modularität einer Prothese der dritten Generation aus-geschöpft werden, um den Humeruskopf ohne Tuberculum-majus-Osteotomie, die wiederum das postoperative funktionelle Ergebnis negativ beeinflusst, rekonstruie-ren zu können. Zudem kann die Prothe-se nur in Valgus- oder Varusfehlstellung implantiert werden. Eine posttraumati-sche begleitende Fehlstellung der Meta-physenachse erschwert die Implantation einer Stielprothese zusätzlich.

Diese Probleme führten zur Entwick-lung einer schaftfreien Prothese, um un-

Abb. 1 8 a Komponenten der Eclipse-Prothese (von links nach rechts): Kalottenträger, selbstschnei-dende fixierende Hohlschraube, Kalotte; b komplette Prothese

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Leitthema: Übersicht

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abhängig von Fehlstellungen der Meta-physenachse sowie des Tuberculum ma-jus das glenohumerale Drehzentrum re-konstruieren zu können.

Prothesendesign

Die Eclipse-Prothese setzt sich zusammen aus einem titanbeschichteten rauhge-strahlten, mit Hydroxylapatit und Bonnit

beschichteten Kalottenträger, der an sei-ner Unterfläche Finnen zur Sicherung der Rotation besitzt und mittels titanbe-schichteter rauhgestahlter Hohlschraube im proximalen Humerus zementfrei fi-xiert wird. Die Kalotte verklemmt durch den Konusmechanismus auf dem Kalot-tenträger (. Abb. 1). Die selbstschnei-dende fixierende Hohlschraube besitzt einen Innendurchmesser von 13,2 mm

und ist in den Längen S, M, L und XL mit einer Abstufung von 5,4 mm erhältlich.

Iannotti et al. [3] berichteten bereits 1992 eine fixe Kombination von Kalot-tendurchmesser und -höhe in einer Ab-stufung von 2 mm [3]. Entsprechend gibt es für die Eclipse-Prothese Kalotten mit einem Durchmesser von 39–53 mm in einer Abstufung von 2 mm und korrelie-renden Kalottenhöhen.

Abb. 2 8 a Schematische Darstellung des Rotationszentrums (roter Punkt) mit kurzem Hebelarm (ro-te Linie), wodurch nur geringe Scherkräfte auf den fixierten Kalottenträger wirken; b Statische Belas-tungsanalyse. Das Kompressionsmoment ist gleich dem Schermoment. Fs „ shear force”; Fres „resulting force”; Fc „compression force”; Mc „ compression moment”; Ms „shear moment”, lc „ Lever arm of com-pression force”, ls „Lever arm of shear force”

Fs = Fres* Sin(a) Fc = Fres* COS(a)Fres

Mc= Fc* lc

C

a = 40°

Ms = Fs* ls

ls

lclc

lc

b

Abb. 3 9 Versuchsauf-bau der mechanischen Testung mit implan-tierter Eclipse-Prothese in einen Polyurethan-block und Krafteinlei-tung über den Stempel von kranial

Abb. 4 8 Hochauflösendes dreidimensiona-les „Finite-element“-Modell mit rein spongiöser Auflage des Kalottenträger und Krafteinleitung (F) von kranial analog einer Belastung bei 90° Abduktion im Glenohumeralgelenk

Abb. 5 8 Hochauflösendes dreidimensiona-les „Finite-element“-Modell mit kortikaler Ab-stützung des Kalottenträgers inferomedial und Krafteinleitung (F) von kranial analog einer Be-lastung bei 90° Abduktion im Glenohumeral-gelenk

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Leitthema: Übersicht

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Die Eclipse-Humeruskomponente kann mit dem Univers-Glenoid kombi-niert werden.

Biomechanik, experimentelle Testung und „Finite-element“-Analyse

Die Rekonstruktion des Drehzentrums bei relativem Tuberculum-majus-Hoch-stand ist somit fast immer ohne Tubercu-lum-majus-Osteotomie allein durch die Verlagerung des Prothesendrehzentrums unabhängig von der Schaftachse möglich. Primärstabilität erhält die Prothese durch die Verlagerung und Fixierung des Kalot-tenträgers zum Kopfdrehzentrum, da das glenohumerale Drehzentrum unmittel-bar unter dem Kalottenträger im Bereich der Verankerung liegt (. Abb. 2a). Da-raus resultiert ein relativ kurzer Hebel-arm, wodurch nur geringe Scherkräfte auf den Kalottenträger und die Hohlschraube wirken. Die statische Belastungsanalyse belegt, dass die Kompressionskräfte den Scherkräften entsprechen und somit nicht zu einer Verschiebung des Rotationszent-rums führen können (. Abb. 2b).

Die Prothese wurde einer statischen und dynamischen mechanischen Testung unterzogen. Hierzu wurde die Prothese in Polyurethanschaum, der den mechani-schen Eigenschaften der Humanspongio-sa entspricht, in einem 40°-Winkel einge-baut. Es erfolgte die statische Druckbelas-tung mit 6 mm/min mit Druckeinleitung auf die Prothese in einem Winkel von kra-nial, der einer glenohumeralen Abduktion von 90° entspricht (. Abb. 3). Bei einer mittleren Last von 5530 N wurde der Ver-such beendet. Es wurde weder eine Ver-formung des Polyurethanschaumes noch des Implantates beobachtet.

Die dynamische Druckbelastung wur-de mit 5 Mio. Zyklen und 6 Hz unter einer maximalen Druckbelastung von 2400 N getestet. Hierbei kam es zu einer maxi-malen Verschiebung von 0,612 mm. Nach Anglin et al. [1] ist die Fehlergrenze mit 2 mm Verschiebung definiert, sodass es auch bei diesem Test zu keinem Versagen des Implantates kam.

Die Mechanik der Verankerung hin-sichtlich der Schraubenlänge sowie der Auflage des Kalottenträgers auf spongiö-sem und/oder kortikalem Knochen wur-

Zusammenfassung · Abstract

Obere Extremität 2012 · 7:11–16 DOI 10.1007/s11678-011-0150-0© Springer-Verlag 2012

P. Magosch · P. Habermeyer · S. Bachmaier · N. Metcalfe

Biomechanische Grundlagen des metaphysär verankerten HumeruskopfersatzesZusammenfassungDie neueste Entwicklung in der Schulteren-doprothetik ist der schaftfreie Humeruskopf-ersatz. Die Eclipse™-Prothese ist seit 2005 er-hältlich und besteht aus einem Kalottenträ-ger, der mittels selbstschneidender Hohl-schraube auf der Resektionsfläche der Hume-ruskalotte metaphysär zementfrei fixiert wird und einer Kalotte, die auf dem Kalottenträger durch einen Konusmechanismus verklemmt. Die experimentelle Testung der Eclipse-Pro-these, implantiert in Polyurethanschaum, der den biomechanischen Eigenschaften der Hu-manspongiosa entspricht, erbrachte weder ein Implantatversagen noch ein Einsinken bzw. eine Verschiebung der Prothese im Poly-urethanschaum. Die „Finite-element“-Analy-

se weist eine signifikante Reduktion der Mi-gration auf 0,2 mm bei inferomedial auf dem kortikalen Knochen aufliegenden Kalotten-träger auf. Liegt der Kalottenträger der infe-romedialen Kortikalis auf, so reduziert sich die Belastung deutlich. Das Belastungsmus-ter des proximalen Humerus weist nach Eclipse-Prothesenimplantation ein dem ge-sunden Humerus vergleichbares Belastungs-muster auf.

SchlüsselwörterSchulterendoprothetik · Schaftfreier Humeruskopfersatz · Eclipse-Prothese · Biomechanik · „Finite-element”-Analyse

Biomechanics of metaphyseal fixed humeral head replacement

AbstractStemless humeral head replacement repre-sents a new development in shoulder arthro-plasty. Since 2005, a stemless humeral head prosthesis type Eclipse™ (Arthrex) has been available on the market. The Eclipse implant consists of a titanium rough blasted, hydrox-ylapatite and bonnit coated trunion, with fins on its back surface preventing rotation of the implant on the bony surface. The trunion is fixed by a self-tapping cage screw for ce-mentless fixation. The humeral head is fixed by a cone mechanism on the trunion. The static and dynamic mechanical testing with the Eclipse prosthesis implanted in a poly-urethane foam block, which is comparable to the mechanical characteristics of human can-

cellous bone, showed no deformation of the polyurethane foam and no damage of the implant. The finite element analysis showed a reduction of migration to 0.2 mm as well as a reduction of stress distribution when the in-feromedial trunion edge is supported by cor-tical bone. The pattern of stress distribution after stemless humeral head replacement seems to be comparable with a healthy prox-imal humerus.

KeywordsShoulder arthroplasty · Stemless humeral head replacement · Eclipse prosthesis · Biomechanics · Finite element analysis

den anhand einer „Finite-element“-Ana-lyse untersucht. Hierzu wurde ein hoch auflösendes dreidimensionales „Finite-element“-Modell der Implantatkompo-nenten (fixierende Hohlschraube und Kalottenträger bestehend aus einer Ti-tan-6-Al-4V-ELI-Legierung, Kalotte be-stehend aus einer Chrom-Kobalt-Legie-rung, . Abb. 4) generiert und die Form-änderungsfestigkeit der Komponenten definiert. Drei verschiedene Schrauben-längen („short“, „medium“, „long“) wur-den mit unterschiedlichen Verankerun-gen im Knochen sowie zwei unterschied-lichen Auflagepositionen des Kalotten-

trägers bei einem Inklinationswinkel des Implantates von 140° simuliert. Die kurze und die mittlere Schraube wurden jeweils im umgebenden spongiösen Knochen ver-ankert, wohingegen die lange Schraube im umgebenden spongiösen Knochen und in der lateralen Kortikalis verankert wur-de. Als Auflageposition des Kalottenträ-gers wurden zum einen die Auflage nur auf spongiösem Knochen (. Abb. 4) und zum anderen die zusätzliche kortikale Ab-stützung auf der inferomedialen Kortikalis gewählt (. Abb. 5).

Diese Konstrukte wurden einer verti-kalen Belastung von 2000 N, 4400 N und

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Page 4: Biomechanische Grundlagen des metaphysär verankerten Humeruskopfersatzes

7200 N mit kranialer Lasteinleitung über die Kalotte entsprechend einer Abduktion von 90° ausgesetzt.

Bei einer unphysiologisch hohen Be-lastung von 7200 N (~ 720 kg) ohne kor-tikale Abstützung des Kalottenträgers kam es zu einer Migration desselben von 0,58 mm am superolateralen Rand und einer Migration von 1,35 mm am infe-romedialen Rand des Kalottenträgers (. Abb. 6). Mit inferomedialer Auflage des Kalottenträgers reduziert sich die Mi-gration signifikant auf 0,2 mm. Obwohl die Migration des Kalottenträgers in die-

sem Modell unabhängig von der Schrau-benlänge ist, steigt mit zunehmender Be-lastung die Biegespannung der Hohl-schraube proportional zu ihrer Länge (. Abb. 7). Daher sollte bei Prothesenim-plantation ein Kontakt der Hohlschraube mit dem lateralen humeralen Kortex ver-mieden werden, um eine gleichmäßige Stressverteilung im Kalottenträger-Kno-chen-Interface zu erzielen.

Die höchste Belastung liegt im infe-romedialen Bereich des Kalottenträger-Knochen-Interfaces. Liegt der Kalotten-träger der inferomedialen Kortikalis auf,

so reduziert sich die Belastung im Ka-lottenträger-Knochen-Interface deutlich (. Abb. 8).

Das Belastungsmuster des proxima-len Humerus weist nach Eclipse-Prothe-senimplantation (. Abb. 6) ein dem ge-sunden Humerus (. Abb. 9a und b; [5]) vergleichbares Belastungsmuster auf. Die Untersuchungen von Orr und Carter [5] zeigten, dass die Druckbelastung von der Humeruskopfoberfläche über die Spon-giosa auf die inferiore humerale Korti-kalis am Calcar humeri übertragen wird. Die Kontraktion der Rotatorenmanschet-

F=2000 NSmall Standard Mono–Cortical

–0.587 [mm]

–1.35[mm]

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F=4400 N

F=7200 N

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Abb. 6 9 „Finite-element“-Simulation bei rein spon-giös aufliegendem Kalot-tenträger. Belastungsmus-ter der Eclipse-Prothese mit Krafteinleitung von kranial entsprechend einer gleno-humeralen Abduktion von 90° mit 2000 N, 4400 N und 7200 N sowie unterschied-lichen Schraubenlängen („Small“: Schraubenlänge „short“, rein spongiös ver-ankert; „Standard“: Schrau-bengröße „medium“, rein spongiös verankert; „Mono-Cortical“: Schraubengrö-ße „long“, Verankerung im spongiösen Knochen und in der lateralen Kortikalis). Die Zone der höchsten Be-lastung liegt im inferome-dialen Bereich des Kalot-tenträger-Knochen-Inter-faces. Bei einer Lasteinlei-tung von 7200 N zeigt sich eine Migration des Kalot-tenträgers von 0,58 mm am superolateralen Rand und eine Migration von 1,35 mm am inferomedia-len Rand bei fehlender Ab-stützung des Kalottenträ-gers an der inferomedialen Kortikalis

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Leitthema: Übersicht

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–1.550e-00–1.356e-00–1.163e-00–9.688e-01–7.750e-01–5.813e-01–3.875e-01–1.938e-010.000

Mono-Cortical

F=2000 N F=4400 N F=7200 N

Abb. 7 8 „Finite-element“-Simulation bei langer Schraube und spongiöser Verankerung in der latera-len humeralen Kortikalis. Die Biegespannung der fixierenden Schraube steigt mit zunehmender Belas-tung bei zusätzlicher kortikaler Verankerung

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–7.750e-01

–9.688e-01

–1.163e-00

–1.550e-00

F = 7200 N

F = 4400 N

StandardTrabecular Cortical

Abb. 8 8 „Finite-element“-Simulation bei rein spongiös aufliegendem Kalottenträger („Trabecular“) sowie bei durch die inferomediale Kortikalis abgestützem Kalottenträger bei mittlerer Schraubenlän-ge rein spongiös verankert. Bei kortikal abgestütztem Kalottenträger („Cortical“) kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Belastung im Kalottenträger-Knochen-Interface sowie zu einer Veränderung des Belastungsmusters mit Maximum im kranialen Kalottenareal

Abb. 9 8 a Radiologische Architektur des ge-sunden Humerus (Aus [5]). (Mit freundl. Geneh-migung von John Wiley & Sons, Inc.); b Belas-tungsmuster des gesunden Humerus bei 90° Abduktion und intakter Rotatorenmanschet-te. Die Druckbelastung wird von der Gelenk-oberfläche über den spongiösen Knochen auf die mediale humerale Kortikalis übertragen. Die Kontraktion der Rotatorenmanschette führt zu einer Zugbelastung in der superolateralen Spongiosa sowie in der superioren Kortikalis (Aus [5]). (Mit freundl. Genehmigung von John Wiley & Sons, Inc.)

> 12%

9 – 12%

6 – 9%

3 – 6%

0 – 3%

von Mises’ Strength

b

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te führt zu einer Zugbelastung im Bereich der superolateralen Spongiosa sowie der ansatznahen superioren Kortikalis des Humeruskopfes.

Fazit für die Praxis

Ursprünglich wurde die metaphysär ver-ankerte Prothese zum Humeruskopfer-satz bei posttraumatischer Arthrose ent-wickelt. Mittlerweile konnte die Indika-tion für die Implantation der schaftfreien Prothese auf die primäre Omarthro-se, die idiopathische avaskuläre Hume-ruskopfnekrose, die Instabilitätsarthro-se und die schmerzhafte Defektarthropa-thie bei gut kompensierter Schulterfunk-tion ausgeweitet werden. Bei rheumato-ider Arthritis und guter Knochenquali-tät kann die Prothese ebenfalls verwandt werden. Kontraindiziert ist die Implan-tation bei sehr osteoporotischem Kno-chen, sehr weicher Spongiosa, größeren Defekten im Bereich der Prothesenver-ankerung und bei der akuten Fraktur. Bei Implantation ist auf die Abstützung des Kalottenträgers auf der inferomedialen Kortikalis zu achten, um die Belastung im Kalottenträger-Knochen-Interface und die Migration der metaphysär veran-kerten Prothese zu minimieren. Zudem sollte ein Kontakt der fixierenden Hohl-schraube mit der laterale Kortikalis ver-mieden werden, um die Biegespannung der Hohlschraube zu reduzieren und eine gleichmäßige Belastung des Kalotten-Knochen-Interfaces zu erzielen.

Korrespondenzadresse

Dr. P. MagoschSchulter- und Ellenbogenchirurgie, ATOS Praxisklinik HeidelbergBismarckstr. 9-15, 69115 [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist auf folgende Beziehungen hin: Prof. Dr. Peter Ha-bermeyer erhält ein Lizenzhonorar von der Fa. Arthrex. Samuel Bachmaier und Nick Mecalfe stehen in einem Beschäftigungsverhältnis zur Fa. Arthrex. Dr. Petra Ma-gosch gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Anglin C, Wyss UP, Pichora DR (2000) Mechanical testing of shoulder prostheses and recommenda-tions for glenoid design. J Shoulder Elbow Surg 9:323–331

2. Buchler P, Farron A (2004) Benefits of an anato-mical reconstruction of the humeral head during shoulder arthroplasty: a finite element analysis. Clin Biomech (Bristol, Avon) 19:16–23

3. Iannotti JP, Gabriel JP, Schneck SL et al (1992) The normal glenohumeral relationships. An anatomi-cal study of one hundred and forty shoulders. J Bo-ne Joint Surg Am 74:491–500

4. Loew M, Rickert M, Schneider S, Heitkemper S (2005) Migration of shoulder prosthesis as a con-sequence of hemi- or total arthroplasty. Z Orthop Ihre Grenzgeb 143:446–452

5. Orr TE, Carter DR (1985) Stress analyses of joint ar-throplasty in the proximal humerus. J Orthop Res 3:360–371

6. Wirth MA, Rockwood CA Jr (1996) Complications of total shoulder-replacement arthroplasty. J Bone Joint Surg Am 78:603–616

Reisestipendium der DVSE

Die Deutsche Vereinigung für Schulter- und

Ellenbogenchirurgie (DVSE) e.V., Sektion

der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie

und orthopädische Chirurgie, schreibt ein

jährliches Reisestipendium aus.

Im Rahmen dieses Stipendiums wird eine

2-wöchige Studienreise zu deutschen Zen-

tren der Schulter- und Ellenbogenchirurgie

für 2 Kandidaten mit insgesamt

4.000,- Eurounterstützt.

Voraussetzung für eine Bewerbung von

Assistenzärzten/-innen in der Ausbildung

zum Orthopäden oder Unfallchirurgen sind

ein vertieftes Interesse an den Erkrankun-

gen und Behandlungen des Schulter- und

Ellenbogengelenkes sowie eine schriftliche

Befürwortung der Bewerbung durch den

Leiter der Klinik.

Bewerbungen sollten mit Lebenslauf, Dar-

stellung des beruflichen Werdeganges bis

zum 31.12. des aktuellen Jahres für das Fol-

gejahr bei Privatdozent Dr. med. Andreas

Werner, Klinik Fleetinsel Hamburg GmbH &

Co KG, Admiralitätsstr. 4, 20459 Hamburg,

e-mail: [email protected]

eingereicht werden.

Quelle:

Deutsche Vereinigung für Schulter-

und Ellenbogenchirurgie (DVSE) e.V.

Fachnachrichten

16 |  Obere Extremität 1 · 2012

Leitthema: Übersicht