biochemie. eine einführung für mediziner und naturwissenschaftler. von werner müller-esterl

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Biochemie Eine Einfɒhrung fɒr Mediziner und Na- turwissenschaftler. Von Werner Müller- Esterl. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2004. 656 S., geb., 50.00 E.—ISBN 3-8274-0534-3 Das vorliegende Lehrbuch ist konzi- piert, eines der komplexesten Gebiete der modernen Lebenswissenschaften in Wort und Bild verstȨndlich und umfas- send vorzustellen. Nicht nur, dass dies Werner Mɒller-Esterl gelungen ist man spɒrt geradezu die Faszination, die von diesem Forschungsgebiet aus- geht. Das Buch zeichnet sich durch eine Klarheit aus, die es von vielen an- deren Lehrbɒchern dieser Art abhebt. Statt sich in Details zu verlieren, werden die wesentlichen Prinzipien und ZusammenhȨnge der Biochemie geradlinig erlȨutert. Es trȨgt seinen Un- tertitel zu Recht, handelt es sich doch im besten Sinne um eine „Einfɒhrung“ in die Thematik. Dem Autor ist es dabei gelungen, die unterschiedlichen Gebiete gleichmȨßig zu gewichten und mit einem beeindruckenden Sachverstand zu erlȨutern. Die Themenspanne um- fasst neben einer Einleitung zur mole- kularen Architektur des Lebens die Be- reiche Struktur und Funktion von Pro- teinen, Speicherung und AusprȨgung von Erbinformation, NucleinsȨuren, Signaltransduktion, Energiewandlung und Biosynthese. Das Buch kann jedem empfohlen werden, der in das Gebiet der Bioche- mie einsteigen oder bereits erlerntes Wissen auffrischen mɆchte. Abgesehen von seiner hervorragenden Eignung als Einfɒhrungstext ist dieses Lehrbuch dabei eine echte Alternative zu den arri- vierten Standardwerken zum Thema. Lutz Schmitt Institut fɒr Biochemie UniversitȨt Frankfurt DOI: 10.1002/ange.200385274 Chemie und Politik Die Geschichte der Chemischen Werke Hɒls 1938–1979. Von Bernhard Lorentz und Paul Erker . C.-H. Beck, Mɒnchen 2003. 461 S., geb., 34.00 E.—ISBN 3-406-50962-2 Stakeholderund corporate gover- nance“ sind die Lieblingsausdrɒcke der beiden Autoren (genannt bis zu neun Mal pro Seite; S. 14) – damit bereits an- deutend, dass es sich um zwei Nicht-Na- turwissenschaftler handelt und dass der Titel Chemie und Politik sehr stark kon- trastiert zum Untertitel Die Geschichte der Chemischen Werke Hüls 1938–1979. Ist diese Synthese aus Chemie, Politik und Geschichte gelungen? Und konnte sie ɒberhaupt gelingen? Um mit dem Untertitel zu beginnen : Es handelt sich mitnichten um „die Ge- schichte“ der CWH, wie der Untertitel vorgibt. Ganz abgesehen davon, dass zeitlich nur die ersten vierzig Jahre be- trachtet werden (was eine Konsequenz der Aufgabenstellung beider Autoren ist und akzeptiert werden muss), kann „Geschichte“, so wie sie sich ein Natur- wissenschaftler vorstellt, nicht nur darin bestehen, dass zwischen den – wichtigen – Kapiteln zu „Chemie und Politik“ einige Kapitelchen mehr ge- schichtlicher FȨrbung eingestreut werden. Es ist zwar die ausgewiesene Absicht der Autoren „die chronologi- sche Darstellung aufzubrechen und die Geschichte des Unternehmens thema- tisch gewichtet“ zu untersuchen (S. 16), aber eine „thematisch gewichtete“ Schilderung ist – je nach Gusto und Ab- sicht der Verfasser – immer auch eine subjektive und vielleicht auch gesȨuber- te Version von AblȨufen. Dies steht im Gegensatz zur objektiven Darstellung geschichtlicher VorgȨnge, fɒr die allein ein Untertitel Die Geschichte der Che- mischen Werke Hüls zutreffend gewesen wȨre. Man begegnet diesem subjektivie- renden VerstȨndnis von Geschichte hȨufig (etwa bei der eigenwilligen For- mulierung, dass die frɒhen Vorstands- mitglieder der CWH „ihre spezifische Sozialisation“ bei der BASF erfahren hȨtten), verbunden mit missverstande- nen Deutungen, wie etwa der, dass die mit Hɒlser Ethylenglycol konkurrieren- den Produkte der Chemischen Fabrik Holten Erzeugnisse der IG Farben ge- wesen seien (obwohl die CFH damals zu 29 % der Ruhrchemie, zu 25 % der Th. Goldschmidt AG und nur zu 46 % den IG Farben, vertreten durch ihr Werk Ludwigshafen, gehɆrte und damit mehrheitlich eben kein IG-Werk war). Im gleichen Zusammenhang (der Diskussion der nach 1947 zu demontie- renden Glycolanlagen) wird auch ein Ȩußerst negatives, fast gehȨssiges Bild des „Intrigenspiels“ (S. 89) von Theo Goldschmidt gegenɒber den CWH ge- zeichnet. Goldschmidt war immerhin von 1945 bis 1959 Vorsitzender der Ge- sellschafterversammlung der CFH und als solcher sicher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Interes- sen seines Werkes gegenɒber Dritten wahrzunehmen. Er sei dann vom „Wirtschaftsverband der Chemischen In- dustrie und durch Intervention des Bayer-Vorstandes Ulrich Haberland zu- rückgepfiffen …“ worden (!). Eine NȨhe von Autoren – positiv oder negativ – zu dem von ihnen geschil- derten Sujet ist sicher immer zu konsta- tieren, nur wie passt dazu die von Lo- rentz/Erker kolportierte Bemerkung, dass die Erinnerungen des langjȨhrigen Vorstandsvorsitzenden Franz Broich äußerst quellenkritisch“ zu betrachten seien? Vielleicht ist es deshalb ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit, dass nur Broich im Gegensatz zu seinen Vor- standskollegen oft als „Direktor“ titu- liert wird. Angewandte Chemie Bücher 4025 Angew. Chem. 2005, 117, 4025 – 4026 www.angewandte.de # 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Page 1: Biochemie. Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. Von Werner Müller-Esterl

Biochemie

Eine Einf�hrung f�rMediziner und Na-turwissenschaftler.Von Werner M�ller-Esterl. SpektrumAkademischerVerlag, Heidelberg2004. 656 S., geb.,50.00 E.—ISBN3-8274-0534-3

Das vorliegende Lehrbuch ist konzi-piert, eines der komplexesten Gebieteder modernen Lebenswissenschaften inWort und Bild verst�ndlich und umfas-send vorzustellen. Nicht nur, dass diesWerner M�ller-Esterl gelungen ist –man sp�rt geradezu die Faszination,die von diesem Forschungsgebiet aus-geht. Das Buch zeichnet sich durcheine Klarheit aus, die es von vielen an-deren Lehrb�chern dieser Art abhebt.Statt sich in Details zu verlieren,werden die wesentlichen Prinzipienund Zusammenh�nge der Biochemiegeradlinig erl�utert. Es tr�gt seinen Un-tertitel zu Recht, handelt es sich doch imbesten Sinne um eine „Einf�hrung“ indie Thematik. Dem Autor ist es dabeigelungen, die unterschiedlichen Gebietegleichm�ßig zu gewichten und miteinem beeindruckenden Sachverstandzu erl�utern. Die Themenspanne um-fasst neben einer Einleitung zur mole-kularen Architektur des Lebens die Be-reiche Struktur und Funktion von Pro-teinen, Speicherung und Auspr�gungvon Erbinformation, Nucleins�uren,Signaltransduktion, Energiewandlungund Biosynthese.

Das Buch kann jedem empfohlenwerden, der in das Gebiet der Bioche-mie einsteigen oder bereits erlerntes

Wissen auffrischen m�chte. Abgesehenvon seiner hervorragenden Eignung alsEinf�hrungstext ist dieses Lehrbuchdabei eine echte Alternative zu den arri-vierten Standardwerken zum Thema.

Lutz SchmittInstitut f�r BiochemieUniversit�t Frankfurt

DOI: 10.1002/ange.200385274

Chemie und Politik

Die Geschichte derChemischen WerkeH�ls 1938–1979.Von BernhardLorentz und PaulErker. C.-H. Beck,M�nchen 2003.461 S., geb.,34.00 E.—ISBN3-406-50962-2

„Stakeholder“ und „corporate gover-nance“ sind die Lieblingsausdr�cke derbeiden Autoren (genannt bis zu neunMal pro Seite; S. 14) – damit bereits an-deutend, dass es sich um zwei Nicht-Na-turwissenschaftler handelt und dass derTitel Chemie und Politik sehr stark kon-trastiert zum Untertitel Die Geschichteder Chemischen Werke H�ls 1938–1979.Ist diese Synthese aus Chemie, Politikund Geschichte gelungen? Und konntesie �berhaupt gelingen?

Um mit dem Untertitel zu beginnen:Es handelt sich mitnichten um „die Ge-schichte“ der CWH, wie der Untertitelvorgibt. Ganz abgesehen davon, dasszeitlich nur die ersten vierzig Jahre be-trachtet werden (was eine Konsequenzder Aufgabenstellung beider Autorenist und akzeptiert werden muss), kann„Geschichte“, so wie sie sich ein Natur-wissenschaftler vorstellt, nicht nurdarin bestehen, dass zwischen den –wichtigen – Kapiteln zu „Chemie undPolitik“ einige Kapitelchen mehr ge-schichtlicher F�rbung eingestreutwerden. Es ist zwar die ausgewieseneAbsicht der Autoren „die chronologi-sche Darstellung aufzubrechen und die

Geschichte des Unternehmens thema-tisch gewichtet“ zu untersuchen (S. 16),aber eine „thematisch gewichtete“Schilderung ist – je nach Gusto und Ab-sicht der Verfasser – immer auch einesubjektive und vielleicht auch ges�uber-te Version von Abl�ufen. Dies steht imGegensatz zur objektiven Darstellunggeschichtlicher Vorg�nge, f�r die alleinein Untertitel Die Geschichte der Che-mischen Werke H�ls zutreffend gewesenw�re. Man begegnet diesem subjektivie-renden Verst�ndnis von Geschichteh�ufig (etwa bei der eigenwilligen For-mulierung, dass die fr�hen Vorstands-mitglieder der CWH „ihre spezifischeSozialisation“ bei der BASF erfahrenh�tten), verbunden mit missverstande-nen Deutungen, wie etwa der, dass diemit H�lser Ethylenglycol konkurrieren-den Produkte der Chemischen FabrikHolten Erzeugnisse der IG Farben ge-wesen seien (obwohl die CFH damalszu 29 % der Ruhrchemie, zu 25 % derTh. Goldschmidt AG und nur zu 46 %den IG Farben, vertreten durch ihrWerk Ludwigshafen, geh�rte unddamit mehrheitlich eben kein IG-Werkwar). Im gleichen Zusammenhang (derDiskussion der nach 1947 zu demontie-renden Glycolanlagen) wird auch ein�ußerst negatives, fast geh�ssiges Bilddes „Intrigenspiels“ (S. 89) von TheoGoldschmidt gegen�ber den CWH ge-zeichnet. Goldschmidt war immerhinvon 1945 bis 1959 Vorsitzender der Ge-sellschafterversammlung der CFH undals solcher sicher nicht nur berechtigt,sondern sogar verpflichtet, die Interes-sen seines Werkes gegen�ber Drittenwahrzunehmen. Er sei dann vom „…Wirtschaftsverband der Chemischen In-dustrie und durch Intervention desBayer-Vorstandes Ulrich Haberland zu-r�ckgepfiffen …“ worden (!).

Eine N�he von Autoren – positivoder negativ – zu dem von ihnen geschil-derten Sujet ist sicher immer zu konsta-tieren, nur wie passt dazu die von Lo-rentz/Erker kolportierte Bemerkung,dass die Erinnerungen des langj�hrigenVorstandsvorsitzenden Franz Broich„�ußerst quellenkritisch“ zu betrachtenseien? Vielleicht ist es deshalb ein Aktausgleichender Gerechtigkeit, dass nurBroich im Gegensatz zu seinen Vor-standskollegen oft als „Direktor“ titu-liert wird.

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4025Angew. Chem. 2005, 117, 4025 – 4026 www.angewandte.de � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim