bewegungsintervention in bremen — erfolg oder mißerfolg?

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FORSCHUNGSBERICHTE Kt~us AcI~.~s / EL~ HE~*NN / U~ Hm~RT / EBE~-~r.D GREISER Bewegungsintervention in Bremen -- Erfolg oder Miflerfolg? Ziele, Methoden und Ergebnisse der Bewegungsintervention im Rahmen der Deutschen Herz-Kreislauf-Prdventionsstudie (DHP) 1 Ausgangssituation Die Deutsche Herz-Kreislauf-Pr~ventionsstudie (DHP) erprobt seit 1984 in fiinf Studien- regionen der Bundesrepublik ein Programm zur F6rderung der Gesundheit und zur Vermin- derung chronischer Herz-Kreislauf-Krankheiten (GCP Study Group 1988). Bremen ist eine dieser Regionen. In der Bremer DHP-Studienregion, den Stadtbezirken Bremen-Nord und Bremen-West, lebten im Jahr 1989 192 000 Personen (Interventions-Population), davon ge- h6rten 106 000 Personen zur sogenannten Evaluations-Population, das sind alle deutschen Einwohner zwischen 25-69 Jahren. An der Evaluations-Population werden die epidemiolo- gischen Erfolge wie die Senkung der P~'valenz der Risikofaktoren, der kardiovaskul~en Mortalit~it und Morbiditiit gemessen. Die Stadtbezirke Bremen-Nord und Bremen-West wurden aufgrund ihrer spezifischen sozia- len und wirtschaftlichen Struktur ausgew'fihlt. Im Vergleich zur Stadt Bremen ist der Arbei- teranteil hier besonders hoch (Bremen-Nord/-West 39,4%, Bremen-Stadt 32,5%). Bremen- West hat einen hohen Ausl~inderanteil. Die Arbeitslosenquote liegt im Interventionsgebiet ~ihnlich hoch wie in Bremen-Stadt. Ein Groflteil der arbeitenden Bev61kerung ist in den Ha- fenbetrieben, einem groflen Stahlwerk, den Schiffswerften und in verschiedenen Mittel- und Kleinbetrieben t~itig. Einen weiteren Einblick in die Sozialstruktur des Bremer Interventionsgebiets liefert eine Gemeidestruktur-Analyse des Senators fiir Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bre- men (1991). Gemessen am Rest der Stadt Bremen, ergibt sich fiir die Interventionsregion ins- gesamt eine deutlich ungiinstigere soziale und infrastrukturelle Situation. Insbesondere die Indikatoren der sozialen Schicht wie Bildungsbeteiligung, Einkommensverh~ilmisse, Sozial- und Wirtschaftssituation belegen die ungiinstigen objektiven Bedingungen in Bremen-Nord und -West. Untersuchungen zur gesundheitlichen Lage und zum Gesundheitsverhalten konnten einen Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und Gesundheit nachwei- sen (BLACK1980; HELMERT/GREISER 1988). Da sozial benachteiligte Personen zudem durch Gesundheitsf6rderungsprogramme nur schwer zu erreichen sind und die Akzeptanz derarti- ger Angebote in diesen Bev61kerungsschichten geringer ist, muflte die Intervention in Bre- men besonderes Augenmerk auf diese Zielgruppen richten. 2 Interventionskonzept Das Interventionskonzept der DHP-Bremen ist das der Gemeinde-Intervention, d. h., es wer- den nicht gezielt Persorten mit hohem Risiko, z.B. Hypertoniker oder Raucher, angespro- 276

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Page 1: Bewegungsintervention in Bremen — Erfolg oder Mißerfolg?

F O R S C H U N G S B E R I C H T E

Kt~us AcI~.~s / EL~ H E ~ * N N / U ~ Hm~RT / EBE~-~r.D GREISER

Bewegungsintervention in Bremen -- Erfolg oder Miflerfolg? Ziele, Methoden und Ergebnisse der Bewegungsintervention

im Rahmen der Deutschen Herz-Kreislauf-Prdventionsstudie (DHP)

1 Ausgangssituation Die Deutsche Herz-Kreislauf-Pr~ventionsstudie (DHP) erprobt seit 1984 in fiinf Studien- regionen der Bundesrepublik ein Programm zur F6rderung der Gesundheit und zur Vermin- derung chronischer Herz-Kreislauf-Krankheiten (GCP Study Group 1988). Bremen ist eine dieser Regionen. In der Bremer DHP-Studienregion, den Stadtbezirken Bremen-Nord und Bremen-West, lebten im Jahr 1989 192 000 Personen (Interventions-Population), davon ge- h6rten 106 000 Personen zur sogenannten Evaluations-Population, das sind alle deutschen Einwohner zwischen 25-69 Jahren. An der Evaluations-Population werden die epidemiolo- gischen Erfolge wie die Senkung der P~'valenz der Risikofaktoren, der kardiovaskul~en Mortalit~it und Morbiditiit gemessen. Die Stadtbezirke Bremen-Nord und Bremen-West wurden aufgrund ihrer spezifischen sozia- len und wirtschaftlichen Struktur ausgew'fihlt. Im Vergleich zur Stadt Bremen ist der Arbei- teranteil hier besonders hoch (Bremen-Nord/-West 39,4%, Bremen-Stadt 32,5%). Bremen- West hat einen hohen Ausl~inderanteil. Die Arbeitslosenquote liegt im Interventionsgebiet ~ihnlich hoch wie in Bremen-Stadt. Ein Groflteil der arbeitenden Bev61kerung ist in den Ha- fenbetrieben, einem groflen Stahlwerk, den Schiffswerften und in verschiedenen Mittel- und Kleinbetrieben t~itig. Einen weiteren Einblick in die Sozialstruktur des Bremer Interventionsgebiets liefert eine Gemeidestruktur-Analyse des Senators fiir Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bre- men (1991). Gemessen am Rest der Stadt Bremen, ergibt sich fiir die Interventionsregion ins- gesamt eine deutlich ungiinstigere soziale und infrastrukturelle Situation. Insbesondere die Indikatoren der sozialen Schicht wie Bildungsbeteiligung, Einkommensverh~ilmisse, Sozial- und Wirtschaftssituation belegen die ungiinstigen objektiven Bedingungen in Bremen-Nord und -West. Untersuchungen zur gesundheitlichen Lage und zum Gesundheitsverhalten konnten einen Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und Gesundheit nachwei- sen (BLACK 1980; HELMERT/GREISER 1988). Da sozial benachteiligte Personen zudem durch Gesundheitsf6rderungsprogramme nur schwer zu erreichen sind und die Akzeptanz derarti- ger Angebote in diesen Bev61kerungsschichten geringer ist, muflte die Intervention in Bre- men besonderes Augenmerk auf diese Zielgruppen richten.

2 Interventionskonzept Das Interventionskonzept der DHP-Bremen ist das der Gemeinde-Intervention, d. h., es wer- den nicht gezielt Persorten mit hohem Risiko, z.B. Hypertoniker oder Raucher, angespro-

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chen, sondern die Maffnahmen richten sich an die Gesamtbev61kerung. Das Gemeindekon- zept setzt auf eine kooperative Intervention, die m6glichst viele Organisationen, Institntic~ nen und Personen der Gesundheitsf6rderung in die Intervention einbezieht. Lebenswelt und Lebensstile der Adressaten sol]ten in die Intervention integriert und vei~indert werden. Um die Menschen in vielen Lebensbereichen anzusprechen, waren die Interventionsmai~nahmen deshalb nicht Aufgabe einer Disziplin oder Institution, sondern interdisziplin~, kooperativ und gemeindebezogen angelegt. Die Zusammenarbeit von fi~rzten, Apothekern, Schulen, Sportvereinen, Selbsthilfebewegung und Handel, um nur einige zu nennen, scheint geeignet, kleine soziale Gesundheitsnetze zu kniipfen, in denen sich die aktiv handelnden Menschen l~ingerfristig gegenseitig unterstiitzen. Daher muf~ Gemeinde~Intervention als nicht nur ge- meinde~orientiert verstanden werden, sondern sich zu einer gemeindegetragenen Interven- tion hinentwickeln (WI~ 1988). Langfristig sol]ten die Biirger und Institutionen einer Ge- meinde Answahl und Realisierung gesundheitsf6rdernder Maf~nahmen eigenverantwortlich organisieren und durchfiihren. Es soil ein Gesundheitsldima geschaffen werden, das ohne .Drohgeb~irde ~ die Umsteilung auf gesundheitsf6rdernde Lebensweisen erm6glicht (SPILEN- GER 1987). Risikofaktoren, auch die fiir Herz-Kreislauf-Krankheiten, diirfen nicht isoliert betrachtet und bewertet werden. Die Notwendigkeit einer sozio~kologischen Sichtweise (B~uvat 1988) des Herz-Kreislauf-Geschehens erfordert eine Gesamtstrategie, wenn P~vention und Gesundheitsf6rderung wirksam sein soilen. Erst im Zusammenwirken entfalten einzelne In- terventionsmat~nahmen ihre Wirkung (ScH~a~ 1989). Die ,Interventionsphilosophie ~ beinhaltet neben den epidemiologischen, auf Risikofakto- ren-Ve~nderung bezogenen Zielen der Studien im wesentlichen die folgenden zwei gesund- heitsf6rdernden Zielsetzungen: - - Verbesserung gesundheitsbezogener Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen, - - Ausweitung und Verbesserung p~'ventiver gesundheitsf6rdernder Angebote und Struktu-

ten in der Gemeinde Fiir die Bewegungsintervention der DHP waren die folgenden Ziele handlungsleitend: -- Spa~ am Sport und Wohlbefinden dutch Bewegung erfahrbar zu machen, -- Grundwissen iiber die Wirkung von Sport und Gesundheit zu vermitteln, - - Motivation und Handlungsanreiz zu regelm~it~igem aktiven Sporttreiben zu schaffen, - - zum allgemeinen k6rperlich aktiveren Verhalten als Grundlage eines l~ingerfristigen stabi-

len Bediirfnisses nach Bewegung und Sport anzuregen, -- vielseitiges Sporttreiben als Bereicherung des Lebens kennenzulernen und nicht als blof~e

Kompensation der Bewegungsarmut zu bewerten, -- infrastrukturelle Verbesserungen des Sport- und Freizeitangebots zu bewirken. Analog zu diesen Zielsetzungen der Intervention umfal~t unser Bewegungsprogramm drei Ebenen: (1) die mediale Intervention mit der Verbreitung von Broschiiren, Plakaten, Faltbl~ittern, Be-

richten und Beitr~gen in Tageszeitungen, Fernsehen und H6rfunk; (2) die personelle/institutionelle Intervention mit Breitensport-Aktionen (Lauf um die Welt,

Radwandern u.a.), Fortbildung und Schulung der Multiplikatoren (Ubungsleiter und Ubungsleiterinnen, Lauftreffleiter und Lauftreffleiterinnen), Bewegungsberatung und Vort~ge in Sportverbiinden und Sportvereinen;

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(3) die strukturelle Intervention mit der Errichtung eines Sportlehrpfades, der Etablierung des Bereichs ,Pr~iventionssport" im Bildungsurlaubsangebot sowie der Obungsleiterfort- bildung und -ausbildung des Bildungswerks des Landessportbundes Bremen.

Wesentliche Bestandteile der Bewegungsintervention in Bremen zeigt Abbildung 1.

Aktivit~iten 1986: .Bremen l~iuft um die Welt ~ 1987: .Bremen auf dem Mond" 1986/87: ~Bewegungspause am Arbeitsplatz"

1986/87/88/89: Trimmathlon 1989: Radwandern 1990: Radwandern Entwicklung eines Gruppenprogramms .Sport und ErMihrung

Entwicldung von Seminaren .Gesundheit und Sport fiir IDbungsleiter" Zusammenarbeit mit dem Landessportbund, seinen Verb~inden und Vereinen

Ergebnis 5331 Teilnehmer/innen 16 322 Teilnehmer/innen 28 Firmen und Einrichtungen des Offentlichen Dienstes BIPS und Sportvereine ca. 8000 Stadtkarten verteilt 15 000 Stadtkarten 4 davon vom BIPS in Kooperation mit Sportvereinen 7 davon vom Sportirztebund in Kooperation mit Sportvereinen 16 in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk des Landessportbundes 50%iger Anstieg gesundheits- bezogener Bildungsurlaubs-Seminare beim Landessportbund in den Jahren 1985-1988

Km 52000

17OOOO

Einrichtung eines Lauflehrpfades in Zusammenarbeit mit dem Ortsamt Bremen-Lesum. Erarbeitung eines Curriculums .Sport in der Prevention" fiir die Ubungsleiter-Aus- und -Fortbildung in Zusammenarbeit mit dem Referat .Sportmedizin und Soziales" im Landessportbund Bremen.

Abh 1: Interventions-Aktivitdten aus dem Bereich Sport und Bewegung

Zentraler Schwerpunkt der Bewegungswelle, die 1986 begann, waren in der Initiierungsphase breitensportlich orientierte Motivationsaktionen, so der .Lauf um die Welt" und die Aktion .Dem Blutdruck zuliebe -- Bremen auf dem Monde Wesentliches Merkmal dieser Aktionen war, da~ sich Biirger jeden Mters, gleichgiiltig ob trainiert oder untrainiert, ohne Leistungs- druck beteiligen konnten. An der Planung und Durchfiihrung der Aktionen wurden im sportlichen Bereich t~itige Tr~ger, wie Sportvereine und -verb~inde, Lauftreffs und eine Kran- kenkasse, als Kooperanden beteiligt. Begleitet wurden die Aktionen durch Kurse zum The- menkreis .Sport und Ern~ihrung". Ober den Aktionscharakter hinaus wurde versucht, das Thema .Sport als Pr:dvention" besonders im Aus- und Weiterbildungsbereich des Bildungs- werks des Landessportbundes Bremen zu verankern. Interventionsziele aus dem Bereich Aufmerksamkeit und Verhaltens~'nderungen nahmen im Rahmen der Bewegungsaktivit~iten den breitesten Raum ein, was auch dutch die Reichweiten der personalen Aktionen in der Vielzahl yon Aktionen mit kleineren und mittleren Reichweiten dokumentiert wird. Grogaktionen wie .Der Lauf um die Welt" oder .Bremen auf dem Mond", denen auch eine hohe Offentlichkeitswirksamkeit zukommt, k6nnen aufgrund des Organisationsaufwands nur selten realisiert werden, wohingegen Aktionen mit geringerer Reichweite auf der personalen und institutionellen Interventions- ebene (Kurse, Seminare, Bewegungspausen) h~iufiger durchgefiihrt werden k6nnen. Aus-

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Bewegungsintervention in Bremen -- Erfolg oder Mi~erfolg.~

sagen, welche Aktionsangebote eher zu Verhaltens~inderungen fiihren, k6nnen anhand dieser Daten jedoch nicht getroffen werden.

Anzahl der Aktlonen 60

50

40

30

20

10

0

!

1-19 20-99 100-999 >1000

R e i c h w e i t e n

Abb. 2: Bewegungsintervention 1985 his 1990: Reichweiten der personalen Intervention

3 Ergebnisse

HALLHUBER (1980) stetlte in tier Oko-Kardiologie die Frage nach dem Nutzen des intensiven k6rperlichen Trainings, und HOLLMA~rN (1981, 17) spricht vonder Schwierigkeit, ,einen un- anfechtbaren Nachweis zu ffihren iiber die Zusammenh~inge zwischen k6rperlicher Aktivi- t~it und Bewegungsmangel auf der einen, Gef~ihrdung dutch koronare Herzkrankheiten auf der anderen Seite". Aber nicht erst seit der Ver6ffentlichung der Harvard-Studie (Pm~ENBAR- CER U. a. 1986) sind sich national und international renommierte Sportmediziner und Sport- wissenschaftler einig, d ~ sinnvoll betriebener Sport einen Schutz vor Herz-Kreislauf- Krankheiten bieten kann. So vertritt ROST (1990) die Meinung, daf~ Sporttreibende im Durchschnitt l~inger als Nichtsportler leben und dab bei ihnen das koronare Risiko um etwa 50-65% abnehme. Dies beruhe neben direkten Wirkungen des Sports nicht zuletzt auch auf einer Einflugnahme gegentiber bestirnmten Risikofaktoren wie Nikotinmif~brauch, Fehler- n~ihrung und StrefL Dies ist eine Erkenntnis, die auch dutch die Ergebnisse des Bremer DHP-Gesundheitssurveys aus dem Jahr 1988 best~itigt wird. Dieser Survey wurde an einer repr~isentativen Stichprobe der 25- bis 69jiihrigen deutschen Wohnbev61kerung in den Stadtbezirken Bremen-Nord und

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Bremen-West durchgefiihrt. Untersucht wurden insgesamt 1270 Personen. Die Beteiligungs- rate lag bei 66,7%.

keinen Sport oder < 1 Std. Woche ~ 1 Std./Woche

Rauchen m 49,5% 43,2% w 36,0% 24,7%

Bluthochdruck m 16,1% 11,4% --> 160/95 mm/Hg w 15,4% 9,1%

Cholesterin rn 38,3% 30,5% > 250 mg/dl w 42,4% 39,0%

Obergewicht m 17,8% 8,8% BMI > 30 w 20,6% 7,4%

Bremer DHP-Gesundheitssurvey 1988, Frage 37: ,Wie oft betreiben Sie Sport? ~ N = 1280 Tab. 1: Priivalenz der Risikofaktoren nach sportlicher Aktiviuit

Bei der Betrachtung der beiden Gruppen ist festzustellen, daf~ die Personen, die angeben, mehr als eine Stunde Sport pro Woche zu treiben, in Pr~valenzen aller Risikofaktoren weit- aus giinstiger liegen als die Vergleichsgruppe mit keinem Sport oder bis zu einer Stunde pro Woche Besonders deutlich sind diese Ergebnisse beim lDbergewicht, sowohl bei den M~in- nern (minus 9%) als auch bei den Frauen (minus 13,2%). Die in der Sportmedizin gel~iufigste Methode zur Feststellung des Umfangs ausrei- chender k6rperlicher Aktivit~it ist die Bestimmung der H6he des Kalorienverbrauchs. MoRRIs (1980) kommt zu dem Ergebnis, dat~ mindestens eine 30miniitige k6rperliche Belastung t~iglich mit einem Verbrauch yon 7,5 Kalorien pro Minute erforderlich ist, um einen Schutz vor Herz-Kreislauf-Krankheiten zu bieten. In der bereits zitierten Untersu- chung von P~Et , m^R~ER U.a. (1986) wird ein w/Schentlicher Verbrauch von 500-2000 zu- s~itzlichen Kalorien als notwendig betrachtet. In den Empfehlungen von HOLIa~NN (1990) wird auf die Kalorienangabe verzichtet, prh'ventives Ausdauertraining wird hier als drei- bis viermal pro Woche 30-40 Minuten Ausdauersport bei einer ausreichenden Intensit~it (Bela- stungspuls" 180 Schkige pro Minute minus Lebensalter) definiert. Unter Nichtbeachtung des Kalorienverbrauchs in einzelnen Sport- oder Bewegungsarten und deren spezieller Differenzierung, gemessen am K6rpergewicht, kann als Minimalempfeh- lung zusammengefafk werden: Unter dem Gesichtspunkt der Vorbeugung von Herz-Kreis- lauf-Krankheiten ist eine k6rperliche Aktivit~it von mehr als einer Stunde pro Woche zu empfehlen. Diese Empfehlung stimmt mit der des Deutschen Sportbundes im Rahmen der Trimm-Trab-Aktion iiberein, in der eine sportliche Mindestbet~itigung von 60 Minuten pro Woche als sinnvoll betrachtet wird. Ausgangspunkt der Arbeit im Bremer Studienzentrum war, dat~ beim Survey 1984 von den 1800 befragten Personen des Interventionsgebiets (25-69 Jahre) ca. 60% angaben, keine oder weniger als eine Stunde pro Woche sportlich aktiv zu sein.

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Sportliche Bet~itigung 1984-1988 1984-1988 M~inner Frauen

> 2 Std./Woche - 1,2% -0,8% 1-2 Std./Woche -3,1% +2,3% < 1 Std./Woche +0.6% -0,8% keinerdkeine Angabe +3,7% -0,6%

1984: N = 1800, 1988: N = 1280 Tab. 2: Effekte in der Sportintensitdt DHP Bremen 1984 und 1988

Die Tabelle zeigt, dat~ sich dieser Trend trotz intensiver Intervention leicht negativ fortsetzt. Allein bei den sporttreibenden Frauen ist eine positive Vefinderung in der Kategorie ein bis zwei Stunden pro Woche sportliche Aktivit~it festzustellen. Diese Ergebnisse, die auf subjektiven Angaben basieren, wurden mit der im Rahmen des Ge- sundheitssurveys standardisiert gemessenen Ruhepulsfrequenz verglichen. Ausgangspunkt ist dabei die These, dat~ ein wesentlicher Einflufg ftir die Ruhepulsfrequenz der Trainingszu- stand yon Personen sei. Ein systematisch durchgeftihrtes (Ausdauer-) Training miif~te demzu- folge zu einer deutlichen Senkung der Ruhepulsfrequenz fiihren. Die Einteilung bei den Pulsfrequenzen fiir trainierte und untrainierte Personen entstammt der g~ngigen sportwis- senschaftlichen Literatur (Mrta~o~cz/M~T T ~ 1972; I s ~ L 1968; HrNSE 1990). Die Eintei- lung der Bewegungsintensitiit ist dem Fragebogen der DHP-Surveys enmommen. Die im Rahmen des DHP-Surveys standardisiert durchgeftihrten Ruhepulsmessungen eignen sich u. E. gut fiir die lJberpriifung der subjektiven Angaben zur Intensit~it der Bewegungsak- tivit~iten. Entgegen den Angaben der Probanden, nach denen sich die Sportintensit~it in Bre- men im Ergebnis bisher negativ entwickelt habe, zeigen die gemessenen Ruhepulsfrequenzen (RPF) ein anderes, positiveres Bild (Tab. 3).

>-. 80 S/m 70-79 S/m 60-69 S/m 60 < S/m M~nner Frauen M~inner Frauen M~inner Frauen M~nner Frauen

1984 29,5 36,4 33,4 35,1 28,2. 24,6 8,8 4,0 1988 27,7 32,3 32,0 36,2 32,4 26,1 7,9 5,4 Diff. -1,8 -4,1 -1,4 +1,1 +4,2 +1,5 -0,9 +1,4

Ohne pulsver~indernde Medikation: Herzglykoside, Sympathomimetika, Antihypertonika, Beta-Blocker, Tranquilizer, Psychopharmaka

Bremer DHP-Gesundheitssurveys Tab. 3: Verdnderung der Ruhepulsfrequenz 1984-1988 (in%)

Bereinigt um Probanden, die angeben, pulsveriindernde Medikamente einzunehmen, gibt es sowohl bei den M~innern als auch bei den Frauen im Vergleich der Surveyergebnisse 1984 und 1988 eine positive Pulsentwicklungsrate der Probanden, d.h. eine Verbesserung des Trainingszustandes durch eine Erh6hung der Sportintensit~it. Als besonders beachtenswert erscheinen die positiven Raten in der Frequenz 60-69 Schl~ige pro Minute bei den M~innern um +4,2% und bei den Frauen u m + 1,5% sowie die Abnahme der Pulsfrequenzen in dem hohen Bereich gr6t~er als 80 Schl~ige pro Minute. Wie zu erwarten, nimmt der Anteil der sportlich Aktiven mit zunehmendem Alter ab, wo- bei erstaunlicherweise die Frauen in den h6heren Altersgruppen sportlich aktiver sind als die M~inner.

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Prfivalenz in % 60

50

40

30

20

10

0 25-29

- ~ ' " "

30-39 40-49 50-59 60-69

Alter in Jahren

[ ] Minner [ ] Frauen

Abb. 3: Alter und sportliche Aktivit, it

Aber nicht nur Geschlecht und Alter wirken sich auf das aktive Sporttreiben aus, sondern auch die Zugeh6rigkeit zu einer sozialen Schicht. Gemessen am Schichtindex, bei dem die Variablen Haushahs-Nettoeinkommen, berufliche Stellung des Hauptverdieners und Schulabschlut~ des Befragten Beriicksichtigung finden, sind es nach den Bremer Survey-Ergebnissen nur ein Drittel der Unterschichtsangeh6rigen, die ausreichend Sport treiben oder sich bewegen. Die Bremer Ergebnisse zum Zusammen- hang zwischen Sporttreiben und sozialer Schicht werden mit geringen Abweichungen durch die Ergebnisse des nationalen DHP-Untersuchungssurveys best~itigt. Sind es in Bre- men 53% der M~inner der Oberschicht, die angeben, mehr als eine Stunde Sport zu treiben, verringert sich dieser Wert bei den M~nnern der Unterschicht auf nur 28%. Bei den sport- treibenden Frauen ergibt sich ein fast identisches Bild. Die Bremer Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses der sozialen Schicht auf das Nicht-Sport- treiben decken sich mit der Auswertung von HH~u~T u. a. (1990), die anhand der Daten einer Zufallsstichprobe von 4796 deutschen Personen im Alter von 25-69 Jahres feststellen, dat~ -- verglichen mit den anderen Risikofaktoren -- fiir die sportliche Inaktivit~it der st~irkste soziale Gradient zu verzeichnen ist. Um die Effekte, die vonder Zugeh6rigkeit zu einer so- zialen Schicht und vom Alter auf das Sporttreiben ausgehen, n~iher zu quantifizieren, wiirde ein logistisches Regressionsmodell gebildet, das die Wahrscheinlichkeit fiir die sportliche Aktivit~it in Abh~ingigkeit von den beiden Variablen Alter und soziale Schicht absch~itzt.

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Bewegungsintervention in Bremen -- Erfolg oder Miflerfolg?

Bei den M~innern ist der Einflufl von Alter und Schicht auf das Sporttreiben in etwa gleich. Bei den Frauen hingegen hat die Variable soziale Schicht einen deutlichen h6heren Einflui~ auf die sportliche Aktivit~it als das Alter.

Pr~valenz in % 60

50

40

30

20

10

0 Oberschicht Mittelschicht Unterschicht

M~inner ~ Frauen

Abb. 4: Sport und soziale Schicht

Die sozialschicht-spezifischen Ergebnisse bilden sich ebenfalls in einzelnen Stadtteilen Bre- mens ab. Eine Analyse der Wohngebietstypen wurde mit folgenden Variablen durchge- fiihrt: Erwerbslosenquote, Ausl~inder-, Akademiker-, Arbeiter-, Beamten-, Angestellten- und Selbst~indigenanteil. Im Rahmen dieser sozial-6kologischen Analyse Bremer Stadtteil- typen hat TEMPEL festgesteltt: ,Analog zur Raucherpr~ivalenz zeigt sich -- wieder mit Aus- nahme des rangh6chsten Teilareals -- bei den M~innern mit abnehmendem sozialen Rang des Stadtgebietes ein kontinuierlicher Anstieg sportlich inaktiver Personen. Bei den Frauen ist dieser Zusammenhang allerdings wesentlich ausgepr~igter. Im rangniedrigsten Teilareal ist der Anteil sportlich inaktiver Frauen mehr als doppelt so hoch (+ 101,9%) als irn rang- h6chsten" (TEMPEL 1990, 34). Eine zentrale Botschaft der DHP-Bewegungsintervention war die Aufforderung zu vielseiti- ger k6rperlicher Bewegung mit dem Schwerpunkt Ausdauersport. Den klassischen Ausdau- ersportarten wie Dauerlauf, Schwimmen, Wandem, Ski-Langlauf und Radfahren werden die positivsten Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System zugeschrieben. Die Ergebnisse der DHP-Surveys weisen darauf hin, daf~ die Botschaft, daft Ausdauersportarten besonders ge-

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sundheitsf6rdernd sind, in der Bev61kerung angekommen ist. Sowohl bei den M~innern als auch bei den Frauen haben Ausdauersportarten die gr6Bten Zuwachsraten beim aktiven Sporttreiben. Die Effekte bei den Sportarten in Bremen im Vergleich zum nationalen Trend sind positiv. Es findet sich eine Steigerung von 6,5% bei den M~innern in der T~itigkeit ,zu FuB gehen ~, gefolgt yon ,Fahrradfahren" mit 6%. Die beliebteste Sportart bei den Frauen ist mit 5,4% das Wandern. Negativ bei beiden Geschlechtern schneiden Tanzen und Schwim- men ab. Generell kann gesagt werden, dab es einen Trend zu selbst zu organisierenden, fast zeitunabh~ingigen Sportbet~itigungen gibt. Eine wichtige Informationsquelle fiir Gesundheitsfragen ist der niedergelassene Arzt oder dessen Personal (K~us~ 1990, 28). Unter diesem Aspekt ist es erfreutich, daI~ die niedergelas- sene .~rzteschaft in zunehmendem M ~ e ausreichende Bewegung als Therapie zur Vorbeu- gung oder Linderung bestimmter Erkankungen zu entdecken scheint, lm Vergleich der DHP-Surveys 1984 und 1988 verbesserte sich die Bewegungsberatung durch den Arzt um gut 20%. 1984 gaben 83,4% der M~inner (89% der Frauen) an, der Arzt habe ihnen noch nie zu k6rperlicher Bet~itigung geraten. 1988 gaben dies nut noch 64,9% der M~a~ner und 65,7% der Frauen an. Nach Aussagen der Arzte selbst spielt die Bewegungsberatung eine positive Rolle in den Therapie-Empfehlungen. Fiir die Aussage, d ~ k6rperliche Aktivit~it im geforderten Mage lebensverl~ingernd sein kann, fehlen letztlich die wissenschaftlich fundierten Nachweise- Als zweiter wesentlicher Effekt sinnvollen Ausdauertrainings wird die h6here Lebensqualit~it gesehen, die durch regel- m~iffiges Sporttreiben erreicht werden soll. Da Lebensqualit~it auch immer mit der pers6nli- chen Lebenszufriedenheit zusammenh~ingt, miii~ten demzufolge k6rperlich aktive Men- schen zufriedener sein als k6rperlich inaktive und weniger aktive, sowohl allgemein als auch mit ihrer Gesundheit. Im Befragungsteil der beiden DHP-Surveys wurde nach der Zufrieden- heit der Probanden gefragt. Die Frage nach der Zufriedenheit mit der Gesundheit, bezogen auf den Anteil der regelm~ii~igen k6rperlichen Aktivit~it, ergibt ein erstaunliches Bild. Die Auswertungen zeigen, dab von allen Befragten diejenigen mit der Gesundheit am zufrie- densten sind, die auch die h6chste Sportintensit~it angeben. Dies ist sehr deutlich bei den M~innern (56% gegeniiber 39%) und bei den Frauen (57% gegeniiber 39%) der jiingeren A1- tersgrupp~ Bei den Frauen im Alter zwischen 55 und 69 Jahren ist dieser Zusammenhang abgeschw~ichter. Beziiglich der Ausgangsfrage nach Erfolg oder MiBerfolg der Bewegungsintervention kann festgesteltt werden, da~ die Intervention Effolge hat, wenn auch bescheidene. Es w~ire auch anma~end, nach dieser relativ kurzen Zeitspanne groBe Ve~nderungsraten z. B. in der Sport- intensit~it zu erwarten. Ein kulturell gewachsenes Verhalten wie das Bewegungsverhalten -- ~ihnlich wie das Ern~ihrungsverhalten w t~flt sich mit so kurzzeitiger Intervention kaum ver- ~indern. Als positiv zu verzeichnen ist die Verbesserung des ,Sportklimas ~ in der Gemeinde. Der Bau eines Sportlehrpfades, das Einbringen des Themenkomplexes ,Sport und Gesundheit ~ in die Aus- und Fortbildung von Obungsleitern und lDbungsleiterinnen, die Verdoppelung gesund- heitsbezogener Kurse mit dem Schwerpunkt Sport in Bildungswerken der Erwachsenenbil- dung sowie die quantitative und qualitative Verbesserung der lokalen medialen Berichterstat- tung iiber Sport und k6rperliche Bewegung sind Belege ffir eine verbesserte Infrastruktur im Sport, die sich l~ingerfristig positiv auch auf die Sportintensit~it und Qualit~it des Sporttrei- bens in der Bev61kerung auswirken wird. Hier gilt es jedoch verst~irkt an einer Verbesserung

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Ante|l Zufrledener in % 60

50

40

30

20

10

0

[~ kein Sport

I I .... .... --., Ji-i '

25-39 J 40-54 J 55-69 J Miinner

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/1 11 25-39 J 40-54 J 55-69 J

Frauen

1-2 Std./Wo ~ > 2 Std./Wo

Abb. 5: Sport und Zufriedenheit mit der Gesundheit

der strukturellen Voraussetzungen zu arbeiten. Nach einer repr~isentativen Telefonbefragung von 602 Bremerinnen und Bremern aus dem Interventionsgebiet im Friihjahr 1990 hatten immerhin 47% der Befragten den guten Vorsatz, mit dem Sporttreiben anzufangen (Kr.usu 1990).

4 Resiimee

Augenscheinlich kommt den Bemiihungen der DHP, zu lebenslangem regelm~if~igen Sport- treiben zu motivieren, der allgemeine Trend nach mehr Bewegung entgegen. Disziplin und Formanspriiche des klassischen Sports werden mehr und mehr abgelegt, die neue .K6rper- lichkeit" und das Gesundheitsmotiv im Sport gewinnen an Dominanz und zeichnen fiir den .t~iglichen" Lauf, die .t~liche" Gymnastik etc. verantwortlich. Wenn jedoch m6glichst viele Menschen zum gesunden Sporttreiben aktiviert werden sollen, miissen zus~itzliche Angebote unterbreitet werden, die sich an den Wiinschen und Interessen der zukiinftigen Sportler und Sportlerinnen orientieren. Um die defizit~e Situation im Sport- und Bewegungsbereich po- sitiv zu wenden, miissen die Zielvorgaben des Sporttreibens/Bewegungstminings dahin ver- ~indert werden, .eine Bewegungsspiel- und Sportkultur zu entwickeln, in der Bewegung als grundlegendes Medium der Erfahrung ausgestaltet und vermittelt wird, in der Bewegung uncl Spiel ein Medium der Pers6nlichkeitsbildung, der Spielerziehung und damit der Sozialerzie-

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Klaus Achilles / Elke Heinemann / Uwe Helrnert / Eberhard Greiser

hung iiberhaupt werden k6nnen, in der Sport und Sportspiele vonder Obermacht der inter- national geltenden Wettkampfordnung befreit und der Gestaltung im eigenen Sporttreiben sowie dem der Gruppe ge6ffnet werden. Dringend notwendig ist die Entwicklung einer komplexen Bewegungserziehung" (EIcriI~R 1983, 54). Diese Erkennmis bedingt ein Umden- ken auf allen Ebenen, die den Freizeit- und Breitensport betreffen. Nicht der ,mahnende" Zeigefinger, aus Gesundheitsmotiven endlich mit dem Sporttreiben zu beginnen, nicht der Hinweis auf die durch Bewegungsmangel verursachten oder zu erwartenden Krankheiten und auch nicht eine H~iufung von Motivationsaktionen sind notwendig, sondern die Einbet- tung des Sports/der Bewegung in den allt~iglichen Lebenslauf der BevSlkerung. Um diese sehr globale Forderung zu pr:dzisieren, werden auf der Basis der in der DHP Bremen mit der Bewegungsintervention gemachten Erfahrungen folgende Empfehlungen ausgesprochen:

(1) qualitative und quantitative Ve~nderung des Sportangebotes zugunsten von Mitmach- aktionen und Schnupperkursen, in denen ohne Leistungsdruck verschiedene Sportar- ten ausprobiert werden k6nnen (diese Forderung bedingt eine st~kere Hinwendung zur Ubungsleiterausbildung und -fortbildung der Bildungswerke oder der Landessportbiin- de, um ein fl~ichendeckendes Angebot zu gew~hrleisten);

(2) l[lbernahme der Kosten fiir Prh'ventivsportprogramme durch die Krankenkassen, um auch gerade einen Anreiz fiir einkommensschwache Schichten zu geben;

(3) Einfiihrung eines ,Sportrezepts" durch niedergelassene _;krzte, das die kostenfreie Teil- nahme an P~ventionssportkursen m6glich macht;

(4) verst~kte Angebote durch Sportvereine und andere Sport- und Bewegungsanbieter fi.ir ,sportbenachteiligte ~ Gruppen, z.B. Schichtarbeiter, Alleinerziehende;

(5) verst~kte Zusammenarbeit mit Betrieben und Betriebssportvereinen und Verb~inden, um die Betroffenen dort zu erreichen, wo sie arbeiten;

(6) Verbesserung der sportlichen Infrastruktur in unterprivilegierten Wohngebieten oder Stadtteilen (Sporthallen, Schwimmb~ider, Laufstrecken, Sportlehrpfade f/.ir Unge/.ibte u. v. m.);

(7) st~irkere Einbeziehung des sozialen Kontextes (Familie, Freunde, Bekannte) bei der Pla- nung und Durchfiihrung von Sportkursen und Aktionsangeboten;

(8) st~irkere Einbindung des Bereichs ,Sport aIs Pm'vention" in die Obungsleiterausbildung und -fortbildung;

(9) Verbesserung der Beratungssituation fiir Sport und Gesundheit dutch eine st~irkere Ko- operation zwischen (Sport-)Arzten und Sportvereinen;

(10) Ausbau der sport~ztlichen Beratungsstellen, um eine kostenlose Leistungsdiagnostik fiir jeden/jede zu erm6glichen;

(11) Einfiihrung einer zehnminiitigen Bewegungspause pro Tag fiir alle Arbeimehmer und Arbeitnehmerinnen mit Betreuung dutch qualifiziertes Fachpersonal;

(12) Verst~irkung der Anreize, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und auch bei Dienstg~ingen w~ihrend der Arbeit das Fahrrad zu benutzen, d. h. Erh6hung der Fahrt- kostenpauschale beim Lohnsteuer-Jahresausgleich analog zum Auto, Abrechnungsm6g- lichkeit fiir inner6rtliche Dienstg~inge im 6ffentlichen Dienst mit dem Fahrrad;

(13) gesunde Bewegung nicht als Allheilmittel, sondern eingebettet in einen gesunden Le- bensstil des einzelnen und ein gesundes Klima in der Gemeinde.

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Bewegungsintervention in Bremen - Erfolg ode," M~erfolg?

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