bewegt! ausgabe 1/2012

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ausgabe 1 / 2012 das bildungslandschaftsmagazin der deutschen kinder- und jugendstiftung b e w e g t ! Wie stehen die Chancen?

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Das Bildungslandschaftsmagazin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung

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Page 1: bewegt! Ausgabe 1/2012

ausgabe 1 / 2012

das bildungslandschaftsmagazin der deutschen kinder- und jugendstiftung

bewegt!

Wie stehen die Chancen?

Page 2: bewegt! Ausgabe 1/2012

Editorial

Drei Fragen an…

Reportage: Viktoria fliegt nach Amerika

Im Feld geforscht: Wie stehen die Chancen?

Fachbeitrag: Kommunen gestalten Chancengerechtigkeit vor Ort

Was können Kommunen für Bildung und Teilhabe tun? Zwei Perspektiven

Fachbeitrag: Chancengerechtigkeit an Ganztagsschulen

Reportage: Starke Eltern – starke Kinder

Querblick

Ich wünsche mir, …

Impressum

1

2

4

8

10

12

14

17

20

21

Inhalt

bewegt!

1 / 2012

Page 3: bewegt! Ausgabe 1/2012

Wovon hängt es ab, wie die Chancen für einen jungen Menschen, der in Deutschland aufwächst, stehen?

Ob er schwimmen lernt, Abitur macht, in einer Band spielt oder den Beruf ergreift, der ihm gefällt und ihn

– oder sie – ernährt? Die Statistik gibt eine Antwort: Bildungs- und Teilhabechancen hängen in Deutsch-

land stärker als anderswo vom sozialen Hintergrund ab, vom Einkommen und dem Schulabschluss der

Eltern oder schlicht dem Stadtteil, in dem man wohnt. Chancen sind demnach kein Glück, sondern lassen

sich – zumindest aus Perspektive der Wissenschaft – mit mathematischer Wahrscheinlichkeit berechnen.

Das macht zum einen zuversichtlich: Am Befund, dass häufig nicht individuelle Anlagen, sondern be-

stimmte Lebensumstände über Zukunftschancen entscheiden, lässt sich also etwas ändern, wenn man

die entscheidenden Variablen findet und bewegt. Aber welche sind das? Und welche kann man, z. B. als

Bildungsadministration oder Kommune beeinflussen und wodurch?

Die zweite Ausgabe unseres Bildungslandschaftsmagazins blickt dafür in verschiedene Richtungen,

lässt Menschen zu Wort kommen, die sich dieser Frage auf unterschiedlichen Ebenen nähern und natür-

lich verschiedene Antworten geben. Insofern erhöht sich schon rein mathematisch die Chance, dass Sie

eine Idee finden, die auch in »Ihre« Bildungslandschaft passen könnte.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Die bewegt!-Redaktion

Editorial

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Was kann man aus Erkenntnissen der Ent-wicklungszusammenarbeit für die Verbesse-rung von Bildungschancen in Deutschland lernen?Investitionen in Humankapital, sprich Ge-sundheit und Bildung, sind in der Entwick-lungszusammenarbeit wichtige Faktoren der Armutsbekämpfung. Warum nicht in der Bildung ähnlich argumentieren? In den USA werden jedem Collegebewerber die Bildungsrenditen für verschiedene Studien-gänge vorgerechnet, denn letztendlich ist ein Studienbesuch, verbunden mit den hohen persönlichen Kosten, eine rein ökonomische Entscheidung. In den Integrationsdebatten in den deutschen Städten sowie im Diversity Management im Unternehmenssektor hat ein ähnlicher ressourcenorientierter Blickwinkel die Debatte eindeutig voran gebracht. Diese Argumente werden die Diskussion um Bil-dungs- und Teilhabechancen in Deutschland bereichern.

Mit dem Logic Model wird in der Entwick-lungszusammenarbeit ausgewertet, wie Projekte wirken und welches Ergebnis letzt-endlich erzielt wird. Wie könnten Kommunen das Logic Model anwenden, um Prozesse gezielter auswerten zu können?Vor allem sollte das Logic Model nicht erst für die Auswertung, sondern bereits in der Projektplanung und Umsetzung Anwendung finden. Bei der Vergabe von Fördermitteln an Drittakteure wird ja bereits seit Jahren Input und Output verglichen und an Aktivitäten und Projektergebnisse geknüpft. Kommunal-verwaltungen können davon nur profitieren.

Drei Fragen an...

▶ Karl Lemberg Karl Lemberg ist Organisationsentwickler an der American University in Washington D.C., arbeitet freiberuflich für den Berliner Senat im Bereich Integrationspolitik und ist Senior Fellow im Menschenrechtsnetzwerk Humanity In Action.

Allerdings muss dabei ganz genau die mittel- und langfriste Ziel-setzung vonein-ander abgegrenzt

werden, um Mittel nicht falsch zu verplanen. Und natürlich darf dabei der eigentliche Vorteil des Logic Models nicht vergessen werden. Dieser ist, vereinfacht dargestellt, allen beteiligten Akteuren die Verknüpfungen von finanziellen Ausgaben, den Aktivitäten und den erzielten Ergebnissen klar vor Augen zu führen.

Welche Trends sehen Sie in der Bildungsöko-nomie und wie weit ist der US-amerikanische Diskurs?Bildungspolitik ist in den USA noch viel mehr als in Deutschland stark dezentrali-siert. Es gibt riesige Unterschiede zwischen den Regionen. Im Washingtoner Schulbe-zirk entwickelt sich jedoch eine spannende Diskussion um sogenannte Charter Schools. Die Schulen sind mit öffentlichen Mitteln finanziert, werden aber privat geführt und unterliegen somit nicht den Regularien des Schulbezirks. Lehrer und Lehrerinnen kön-nen leistungsbezogen angestellt und bezahlt werden. Besonders in einkommensschwa-chen Einzugsgebieten wie dem Nordosten von Washington D.C. haben Charter Schools mit der gleichen Mittelausstattung wie öf-fentliche Schulen bemerkenswerte Resultate erzielt.

y Die fünf Phasen.

Ein Beispiel:

InPut

Fachwissen, Finanzen

Ak tIv ItätEn

Weiterbildung Sprachförderung für

Lehrkräfte

OutPut

Leistung – qualifizierte Lehrkräfte

OutcOmE

Wirkung – sprachlicher Ausdruck der kinder

verbessert sich.

ImPAct

gesamtgesellschaftliche Wirkung – weniger

Schulabbrüche, Wohlstand einer Gesell-

schaft nimmt zu

Quelle: eigene Darstellung nach Zewo-Leitfaden zur Wirkungsmessung in der Entwicklungszusammenarbeit, 2011

Logic Model

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▶ Hilke AltefrohneSchauspielerin am Maxim Gorki Theater Berlin, hat 2011 gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Campus Rütli in Berlin-Neukölln eine neue Version des ›Hofmeisters‹ von J.M.R. Lenz entwickelt. Vor sechs Jahren sorgte die Rütli-Schule für Aufsehen – die Lehrkräfte verweigerten den Unterricht.

Wie stehen die Chancen am Campus Rütli und im Kiez drum herum?Es gibt in unserer Gesellschaft vermeintli-che Chancen für jedermann. Doch durch die Zeit in Neukölln ist mir klar geworden, wie schwer es ist, diese Chancen zu nutzen. Ich habe dort erlebt, was eine Parallelgesell-schaft ist. Das gentrifizierte, hippe Neukölln auf der einen Seite, und der Campus Rütli auf der anderen. Kurze Strecken und ein Riesenunterschied. Der Austausch, wie er sein könnte und müsste, findet nicht statt.

»Jeder Mensch ist ein Künstler«, das war das Credo beim Projekt der Hofmeister. Welche Stärken haben Sie in Neukölln entdeckt?Ein großes Talent der Schüler war es, sich auf uns und die gemeinsame Arbeit einzu-lassen. Und das, obgleich wir pro Tag und Gruppe nur zwei Stunden Zeit hatten. Wir sind oft an Grenzen gestoßen, aber an keine, die nicht zu überwinden gewesen wären. Manchmal hat ein Glas Wasser gereicht, um Konzentration zu ermöglichen. Viele Grenzen haben die Schüler selber überwun-den, z. B. die Teilnahme an dem Projekt bei den Eltern durchzusetzen. Die Schüler hatten eigene Vorstellungen, zu den Inhalten der Texte, unseren Ideen und dem ›Style des Ganzen‹. Sobald sie verstanden hatten, wor-um es ging, haben sie auf die Tube gedrückt und die Arbeit mit Präsenz und Humor rübergebracht.

Was können solche Projekte bewirken?Ich kann nicht sagen, ob sich nach solchen Projekten etwas für die Zukunft der Schü-ler ändert. Aber die Jugendlichen konnten beobachten, dass Leute etwas beginnen, etwa Proben, und zu Ende führen, etwa mit einer Premiere. Das war etwas, das sie so noch nicht erlebt haben. Viele haben kein Gefühl dafür, dass ihre Schulzeit wirklich einmal zu Ende geht. Dass ein »Nicht-Schulabschluss« irgendwelche Konsequenzen haben könnte. Wenn wir ihre Abschlussprüfung Premiere nennen würden, würden sie verstehen, dass es um etwas geht. Sie haben etwas mitgestal-tet und geschaffen und waren darauf sehr stolz. Auch für viele ein unbekanntes Gefühl. Die zweite Premiere spielte im Gorki und das Erlebnis der Schüler, ihren Kiez mal zu verlassen, woanders mit Freude empfangen zu werden, war wichtig.

& LESETIPP

Selbst entdecken ist die Kunst

Arbeitshandbuch für Lehrkräfte mit Tipps für forschendes Lernen in der Schule zum Thema Kunst und Kultur. Von Andreas Knoke und Christina Leuschner.

Erschienen im kopaed Verlag, entstanden im Programm Kultur.Forscher! der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der PwC-Stiftung.

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Viktoria f liegt nach Amerika

Viktoria war vor kurzem in Amerika, in Buffalo/NY. Zwei Wo-chen lang arbeitete die 16-Jährige in sozialen Projekten, in einer

Gärtnerei, im Kindergarten und besuchte die Niagara-Fälle. Noch bis vor zwei Jahren hätte ihr das niemand zugetraut, auch sie selbst nicht. Denn in Viktorias Leben hakt es an einigen Ecken. In ihrer Haupt-schule ist das stille Mädchen eher eine Außenseiterin. Aufgrund ei-ner Konzentrationsschwäche fällt ihr das Lernen schwer. Ihre Eltern unterstützen sie, doch für vieles, was Viktoria sich wünscht, hat die Familie kein Geld. Als in ihrer Schule das Sommercamp futOUR der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung vorgestellt wurde, bewarb sich Viktoria. Seitdem ist einiges anders. Drei Wochen verbrachte sie 2010 mit Gleichaltrigen im brandenburgischen Gnewikow, arbeitete mit ihnen in Projekten und besuchte Betriebe in der Umgebung. Ihre Mutter konnte es damals kaum glauben, wie sehr sich Viktoria nach dem Camp verändert hat. »Viktoria war immer sehr still«, sagt Tan-ja Remus. »Doch danach war sie viel selbstbewusster und traute sich mehr zu.« Zum Beispiel, sich gleich im kommenden Jahr für futOUR+ zu bewerben, dem Berufsvorbereitungscamp für ehemalige futOUR-isten. Wieder bekam Viktoria einen Platz. Teamer Phillip Möller hat

Warum die futOUR-Sommercamps für viele Jugendliche eine Chance sind

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6

Die Model-Geschichte

das Mädchen in beiden Camps erlebt. »Viktoria hat sich in diesen beiden Jahren enorm entwickelt und ich denke schon, dass ihr die Erfahrungen in den Camps dabei ge-holfen haben«, sagt er und erzählt von der fiktiven Firma »Dreamdesign« der futOURisten.

Viktoria und ihre Projektgruppe hatten Kleider entwor-fen und genäht und eine andere Gruppe, die ›Werbeunit‹, bereitete nun das Fotoshooting vor. Ein Mädchen fragte Viktoria, ob sie nicht selbst als Model ihren Entwurf vor der Kamera präsentieren wolle. Obwohl sich Viktoria erst nicht traute, überwand sie ihre Schüchternheit und war danach stolz auf die Aufnahmen. »Ich glaube, Viktoria hat zwei Dinge gelernt«, sagt Phillip Möller, »sie hat sich neuen Herausforderungen gestellt und gemerkt, dass sie wirklich etwas kann. Und sie wurde von den anderen in der Gruppe wahrgenommen und anerkannt. Dadurch ist sie offener geworden und hat sich selbst mehr einge-bracht.« Dennoch staunten ihre Betreuer, als Viktoria am Ende von futOUR+ keinen Moment zögerte, sich für

Die Geschichte einer regionalen Gemeinschaftsaktion

ein 14-tägiges Community Service-Projekt von Amerikanischer Bot-schaft, Joachim-Herz-Stiftung und Youth for Understanding (YFU) zu bewerben. Mitarbeiter der DKJS hatten den Jugendlichen das Pro-jekt vorgestellt. Viktoria gehört einfach nicht zu den Kindern, die so etwas machen, dachten viele. Doch die 16-Jährige bewarb sich, wurde angenommen und fuhr nach Amerika. »Sie hat ihre Chance gesehen und wahrgenommen«, sagt Phillip Möller anerkennend.

2006 entwickelte die DKJS das Konzept der futOUR-Camps gemein-sam mit dem Berliner Unternehmer Werner Gegenbauer. Berliner Schülerinnen und Schüler aus 7. Klassen der Sekundar-, Gemein-schafts –und Förderschulen sollen in den Sommerferien Berufe in Mi-

nipraktika kennen lernen, in Projekten ihre Stärken entdecken und gemeinsam die Ferien genießen. Und: Die Camps sollen vor allem für diejenigen sein, für die der Alltag eine Herausforderung ist – in der Schule, zu Hause, mit Blick auf die Zukunft. Fast 600 Schülerinnen und Schüler haben mittlerweile in den Camps gelernt, gearbeitet und vor allem neues Selbstbewusstsein getankt. »Die Camps wirken nach-haltig, weil die Jugendlichen herausfinden, was sie können und Ver-

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7

Die Geschichte von erstaunten Lehrern

trauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen«, sagt Wilke Ziemann, Leiter des Bereichs Perspektiven schaffen bei der DKJS. Neben Gegen-bauer stehen die DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement, die Beck sche Stiftung Berlin sowie der Berliner Bildungssenat hinter die-sem besonderen Feriencamp. »Wenn die Jugendlichen zum Abschluss ihr Projekt präsentieren und dafür von Eltern und Lehrern Anerken-nung bekommen, merken sie: Ich schaffe etwas und kann mein Ziel erreichen. Das ist ein Motivationsschub, den sie mit nach Hause neh-men.«

Damit dieser Schub möglichst lange anhält, begleitet das futOUR-Team die Jugendlichen auch nach dem Camp weiter. Workshops, Be-triebserkundungen und Besuche von Ausbildungsmessen festigen die Berufsentscheidung. Wie verändert die Jungen und Mädchen aus den Camps wiederkommen, bestätigen auch die Lehrkräfte. »Unmittelbar nach den Sommerferien strotzen die meisten vor Selbstbewusstsein«, erzählt Ines Gano, Lehrerin an der Paul-Löbe-Schule. Die Integrierte Sekundarschule empfiehlt seit fünf Jahren futOUR-Schülerinnen und- schüler in das Camp. »Sie kommen mit erhobenem Kopf wieder und man merkt, sie haben wirklich einen Entwicklungsschritt nach vorn gemacht.« Und Ines Gano erlebt auch, wie die Jugendlichen noch lange von ih-ren Erfahrungen zehren. Viktoria schreibt gerade Bewerbungen für ein Praktikum, bald steht der Schulabschluss vor der Tür. Am liebsten würde sie Tierpflegerin werden. Sorgen macht sich Viktoria eigentlich keine, ihre Noten seien gut genug und bei futOUR+ habe sie Bewer-bungen schreiben und Vorstellungsgespräche führen geübt. »Ich wer-de schon etwas finden«, sagt sie.

Info

y Individuelle Förderung über Projektlernen

Vielen Mädchen und Jungen, die in die Camps kommen, fallen Schule und Lernen schwer. Dass die meisten danach mit neuer Motivation in den Unterricht gehen, liegt auch am Konzept des Projektlernens. Im Camp wird beispielsweise gemeinsam ein Floß geplant und gebaut. Dabei sind mathematische Kenntnisse genauso gefragt wie organisatorisches Talent oder Kreativität. Matthias Krahe, Programmleiter bei der DKJS, erklärt: »Lernförderung gelingt, wenn nicht nur Lernstoff nachgeholt, sondern auch nach individuellen Zielen und Methoden gesucht und sinnhaftes Lernen erlebbar gemacht wird, damit die Schülerinnen und Schüler wieder zu aktivem Lernen motiviert sind.«

Die Vorteile des Projektlernens sind:y Fachlicher Lernstoff wird auf dem Hintergrund eines Projektes verstehbar. Lernen macht Sinn. y Wenn Lernen Sinn erzeugt, dann steigt die Lernmotivation in hohem Maße. Lernen mit Spaß.y Schülerinnen und Schüler reden in Projekten darüber, was sie können und darüber, was sie noch lernen wollen. Lernen mit Ziel.y Nicht nur für die Projekte selber, auch für den gesamten Schulalltag lernen die Jugendlichen dabei wie sie sich und ihre Aufgaben organi- sieren können. Lernen mit Plan.

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Wie stehen die Chancen?

Quellen (in chronologischer Reihenfolge): AID: A– DJI Survey 2009 (gewichtet), S. 11 / AID: A – DJI

Survey 2009 (gewichtet), S. 11 / Kinder- und Jugendhilfestatistik 2010, S. 6 / Kinder- und Jugend-

hilfestatistik 2010, S. 6 / Chancenspiegel, S. 92 / Chancenspiegel, S. 92 / Chancenspiegel, S.94

/ Chancenspiegel, S. 94 / www.chancen-spiegel.de / Chancenspiegel, S. 185 / Chancenspiegel,

S. 185 / www.chancen-spiegel.de / Chancenspiegel, S. 56 / Bamberger Längsschnittstudie »Fa-

milienänderung und Schulerfolg« / Bamberger Längsschnittstudie »Familienänderung und Schu-

lerfolg« / Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur, Fachserie 11, Reihe 1 und 1.1, Schuljahr

2008/09 / 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch HIS Hoch-

schul- Informations-System, S. 11 / 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durch-

geführt durch HIS Hochschul-Informations-System, S. 11 / Bildung auf einen Blick 2011. OECD-

Indikatoren / Bildung auf einen Blick 2011. OECD-Indikatoren / Bildung auf einen Blick 2011.

OECD-Indikatoren / Bildung auf einen Blick 2011. OECD-Indikatoren / Leistungs- und Entwick-

lungsbericht Musikschulen Berlin 2008 / Leistungs- und Entwicklungsbericht Musikschulen Berlin

2008 / Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Lebenslagen in Deutschland. Zu-

sammenhang von sozialer Schicht und Teilnahme an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für

Kinder und Jugendliche, S. 9 / Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Lebens-

…in der Kita? y Anteil der 3-Jährigen, die in eine Kita gehen und deren

Mutter und Vater erwerbstätig sindy Anteil der 3-Jährigen, die in eine Kita gehen und deren

Mutter und Vater nicht erwerbstätig sind

y Anteil der 2-Jährigen, die in den neuen deutschen Bundeslän-dern in einer Tageseinrichtung/-pflege betreut werden

y Anteil der 2-Jährigen, die in den alten deutschen Bundeslän-dern in einer Tageseinrichtung/-pflege betreut werden

…in der Schule?y Anteil der ausländischen Jugendlichen, die 2009 die Hauptschule ohne Abschluss verlassen haben

y Anteil der deutschen Jugendlichen, die 2009 die Hauptschule ohne Abschluss verlassen haben

y Anteil aller Schulabgänger, die in Mecklenburg-Vorpommern die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen

y Anteil ausländischer Schulabgänger, die in Mecklenburg-Vor-pommern die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen

y Anteil ausländischer Bürgerinnen und Bürger an der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern

y Anteil aller Schulabgänger, die in Hamburg die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen

y Anteil ausländischer Schulabgänger, die in Hamburg die Schule ohne Hauptschulabschluss verlasseny Anteil ausländischer Bürgerinnen und Bürger

an der Bevölkerung in Hamburg

y Relative Chancen auf den Gymnasialbesuch von Kindern aus unteren Dienstklassen in Deutschland

y Relative Chancen auf den Gymnasialbesuch von Kindern aus oberen Dienstklassen in Deutschland

y Anteil der Kinder auf dem Gymnasium, die mit Mutter und Vater zusammenleben

y Anteil der Kinder auf der Förderschule, die mit Mutter und Vater zusammenleben

y Anzahl der Schülerinnen und Schüler in einer Klasse eines öffentlichen Gymnasiums

y Anzahl der Schülerinnen und Schüler in einer Klasse eines privaten Gymnasiums

69%

13%

80,4%

34,8%

14%

6,2%

14%

7,8%

2,3%

8,2%

16,1%

13,5%

100%

83,8%

55,7%

27

27

18%

82%

Im Feld geforscht

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9

lagen in Deutschland. Zusammenhang von sozialer Schicht und Teilhabe an Kultur-, Bildungs- und

Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche, S. 12 / Bundesministerium für Arbeit und Soziales

(Hrsg.) (2011): Lebenslagen in Deutschland. Zusammenhang von sozialer Schicht und Teilnahme

an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche, S. 12 / Bundesministerium

für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Lebenslagen in Deutschland. Zusammenhang von sozialer

Schicht und Teilnahme an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche,

S. 15 / Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Lebenslagen in Deutschland. Zu-

sammenhang von sozialer Schicht und Teilnahme an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für

Kinder und Jugendliche, S. 15 / Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Lebensla-

gen in Deutschland. Zusammenhang von sozialer Schicht und Teilnahme an Kultur-, Bildungs- und

Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche, S. 15 / Bundesministerium für Arbeit und Soziales

(Hrsg.) (2011): Lebenslagen in Deutschland. Zusammenhang von sozialer Schicht und Teilnahme

an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche, S. 15 / Bundesministerium

für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Lebenslagen in Deutschland. Zusammenhang von sozialer

Schicht und Teilnahme an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche,

S. 15 / Bildungsbericht 2010 / Freiwilligensurvey 2009, S. 11 / mpfs / JIM-Studie 2011

95%

…im Studium?y Anteil der Beamtenkinder, die ein Studium

an einer Hochschule aufnehmen y Anteil der Arbeiterkinder, die ein Studium

an einer Hochschule aufnehmen

y Anteil der Hochschulabsolventen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland

y Anteil der Hochschulabsolventen im OECD-Durchschnitty Anteil deutscher hochqualifizierter Kräfte zwischen

55 und 64 Jahren an der Gesamtheit hochqualifizierter Kräfte in den OECD-Ländern

y Anteil deutscher hochqualifizierter Kräfte zwischen 25 und 34 Jahren an der Gesamtheit hochqualifizierter

Kräfte in den OECD-Ländern

…auf kulturelle Teilhabe?y Anteil der Kinder zwischen 6 und 18 Jahren, die ein Musikinstru-

ment spielen, im Berliner Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorfy Anteil der Kinder zwischen 6 und 18 Jahren, die ein Musik-

instrument spielen, im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf

…auf eine Mitgliedschaft im Verein?y Anteil der Kinder zwischen 6 und 10 Jahren,

deren Eltern laut TNS-Infratest der Oberschicht angehören und die in mindestens einem Verein angemeldet sind

y Anteil der Kinder zwischen 6 und 10 Jahren, deren Eltern laut TNS-Infratest der Unterschicht angehören und

die in mindestens einem Verein angemeldet sind

…auf schwimmen lernen?y Anteil der Nichtschwimmer zwischen 6 und 10 Jahren, die fin-

den, dass sie genug Zuwendung von ihren Eltern bekommen y Anteil der Nichtschwimmer zwischen 6 und 10 Jahren, die fin-den, dass sie zu wenig Zuwendung von ihren Eltern bekommen

…auf Spaß am Lesen?Anteil der Kinder zwischen 6 und 10 Jahren, deren Eltern laut

TNS-Infratest der Oberschicht angehören und die zu Hause in Büchern lesen

y Anteil der Kinder zwischen 6 und 10 Jahren, deren Eltern laut TNS-Infratest der Mittelschicht angehören

und die zu Hause in Büchern leseny Anteil der Kinder zwischen 6 und 10 Jahren,

deren Eltern laut TNS-Infratest der Unterschicht angehören und die zu Hause in Büchern lesen

y Anteil der Mädchen, die mehrmals pro Woche ein Buch leseny Anteil der Jungen, die mehrmals pro Woche ein Buch lesen

…auf Engagement?y Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ein Gymnasium

besuchen und sich außerschulisch engagiereny Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine Hauptschule

besuchen und sich außerschulisch engagieren

42%

10%

23%

34%

13%

5%

28%

48%

47,4%

20,5%

100%

39%

67%

29%

6,3%

3,1%

10,79%

1,97%

17%

Wie stehen die Chancen?

Page 12: bewegt! Ausgabe 1/2012

kommunen gestalten chancengerechtigkeit vor Ort

Im Rahmen der kommunalen Daseins-

vorsorge weiten viele Kommunen ihren

Handlungsauftrag aus ökonomischen,

demografischen und gerechtigkeits-

theoretischen Gründen aus. Über das

enge Korsett der originären kommuna-

len Aufgaben hinaus suchen die Städte

und Gemeinden angesichts massiver

struktureller Herausforderungen auch

in der Bildungs- und Sozialpolitik nach

neuen Wegen. Nur so können sie die

Zukunftsfähigkeit des lokalen Gemein-

wesens aufrechterhalten.

Kommunen sind nah dranEin Vorteil für die lokale Ebene liegt dabei auf der Hand: Anders als beim Bund und in den Ländern wissen die kommunalen Ak-teure unmittelbar um die sozialen Probleme und die räumlichen, altersgruppenbezogenen und schichtspezifischen Unterschiede vor Ort. Darüber hinaus sind die Städte und Ge-meinden mit den individuellen, familiären, gesellschaftlichen und staatlichen Ressourcen vertraut. Beides prädestiniert die kommunale Ebene für eine stärkere Gestaltungsfunktion.

Kommunen stehen in der VerantwortungDie Motivation zur Stärkung der kommu-nalen Gestaltungskraft beruht auf mehreren Ursachen: Es gehört nicht viel Aufwand dazu, den Umfang der künftigen staatlichen Trans-ferleistungen zu ermitteln, die einem Schul-abgänger ohne Schulabschluss und ohne feste Perspektive zustehen – und die von der Kom-mune getragen werden müssen. Ihnen kann es folglich nicht gleichgültig sein, wenn die Quoten der Armut, Förderschüler, Integrati-onsleistungen oder erzieherischen Hilfen im interkommunalen Vergleich auseinanderklaf-fen.Zum ökonomischen Aspekt kommt der de-mografische Faktor. Keine Kommune kann es sich angesichts der Veränderungen in der Altersstruktur und den Geburtenraten leis-ten, einen Teil seiner nachwachsenden Gene-ration sich selbst zu überlassen und ohne ein Mindestmaß an Lebensbewältigungskompe-tenz, Teilhabe und Fähigkeiten aus der Schule zu entlassen. Nicht die Schule, sondern die Kommune steht zeitlebens in der Verantwor-tung für ihre Bevölkerung. Die kommunale Zukunftsfähigkeit hängt dabei vom Gelingen ab, jungen Menschen eine Perspektive vor Ort anzubieten.

Chancengerechtigkeit stärkt ZivilgesellschaftDie beiden Faktoren führen zusammenhän-gend betrachtet zu einer weiteren Motivation, die das aktive Handeln der Kommunen be-gründet. Gerechtigkeit bildet sich auf lokaler Ebene darin ab, wie sich Menschen als einzel-nes Individuum und als Teil der Gesellschaft sehen. Kinder, die in der Schule ihre Pers-pektive mit ›abhartzen‹ umschreiben, für die Urlaub ein Fremdwort ist, die nicht aus ihrem Stadtteil herauskommen oder deren Eltern auf ihre Wünsche immer nur nein sagen müs-sen, wachsen in einem Zustand auf, der sich mit dem sozialstaatlichen Anspruch nicht vereinbaren lässt. Gerechtigkeit in dem Sinne, dass allen Menschen ein sozioökonomisches Mindestmaß und die Chancen zustehen, da-mit sie Eigenverantwortung und Gemein-schaftsfähigkeit leben können, ist der zentra-le Wert insbesondere für die Kommunen. Das tatsächliche Gerechtigkeitsempfinden aller Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden ist eine wichtige Voraussetzung, um solidarisch Krisensituationen zu bewälti-gen und das Gemeinwesen am Leben zu er-halten. Bildungs-und Teilhabegerechtigkeit in Kommunen ist die Voraussetzung um als Region zukunftsfähig zu bleiben.

»Junge Menschen, die sich von vornherein nicht als Teil des Gemeinwesens begreifen, haben keinen Grund, der Gesellschaft etwas zu geben, was ihnen nie geboten, sondern vorenthalten wurde«.

10

Plädoyer für eine gemeinsame bildungsfördernde

und armutspräventive Strategie auf lokaler Ebene

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Zum Autor Prof. Dr. Jörg Fischer ist Professor für Bildungs- und Erziehungskonzepte an der Fach-hochschule Erfurt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kinder- und Jugendhilfe, Kinderschutz und Kinder-armut, Schule und Jugendhilfe, Bildungskooperation, politische Steuerung in der sozialen Arbeit sowie kommunale Sozial- und Bildungspolitik. E-Mail: [email protected]

Wie können Kommunen Chancengerechtigkeit gestalten?Aus kommunaler Sicht können Bildungs- und Teilhabechancen nur dann verbessert werden, wenn die Akteure abgestimmt, mehrdimensi-onal und wirksamkeitsorientiert handeln.

Strukturell betrachtet bedeutet Chancenge-rechtigkeit, dass das institutionell versäulte Denken einer gemeinsamen und datenbasier-ten Betrachtung der Lebenslagen von Kindern weicht. Kooperationen zwischen Jugendhilfe und Schule, zwischen Kindergarten und Ge-sundheitsamt dienen dazu, zielgruppenge-recht zu handeln. Bildung und Soziales wird als ein zusammenhängendes Handlungsfeld begriffen, in dem unterschiedliche Professio-nen mitwirken. Die Nachhaltigkeit dieser Leistungen lässt sich erhöhen, wenn alle Akteure in einem langfristig und strukturiert angelegten Netz-

Info

y Die Kinder von YpsilantiIm Jahr 1962 eröffneten David Weikart und Charles Eugene Betty in der Kleinstadt Ypsilanti die Perry Preschool. Diesen neuen Lernort ver-knüpften sie mit einem sozialwissenschaftlichen Experiment. Sie suchten 123 Kinder aus den ärmsten Vierteln der Stadt und teilten sie in zwei Gruppen ein: Die eine durfte die Vorschule besuchen, die andere nicht. Vier Jahrzehnte lang befragten Weikart und sein Team die damaligen Besucher der Preschool regelmä-ßig, nach ihrer Bildung, ihrem Einkommen und ihrem sozialen Umfeld. Das Ergebnis: Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen werden immer größer. Das Durchschnittsein-kommen beträgt vierzig Jahre nach Beginn der Studie rund 20.800 Dollar bei der Preschool-Gruppe – bei der Kontrollgruppe sind es 15.300 Dollar. Zusätzlich saßen die Teilnehmer ohne Perry-Programm mehr als doppelt so lange im Gefängnis. James Heckmann, Nobelpreisträger für Ökonomie, hat den Ertrag dieser Investition in frühe Bildung ausgerechnet: Jeder Cent, den der amerikanische Staat einst investiert hatte, ist jährlich mit sieben bis zehn Prozent verzinst

worden.

werk handeln. Das aktuelle Bildungs- und Teilhabepaket kann ein guter Anlass sein, besonders wenn es darum geht, es mit nach-haltig angelegten Leistungen zu koppeln. Klar ist: Jede Leistung kostet Geld. Die Effektivität jeder Leistung wird jedoch nicht unbedingt durch mehr Geld erzielt. Jenseits der reinen Projektorientierung liegt der Schlüssel vor al-lem in der Stärkung von Regelstrukturen. Chancengerecht handeln heißt, die tatsäch-lichen Chancen sowie die gravierenden Un-terschiede in den Kommunen aus Sicht des Einzelnen in den Blick zu nehmen und den Freiraum für individuelle Lösungen in der Förderung und Unterstützung des Kindes oder des Jugendlichen zu schaffen. Junge Menschen, die sich von vornherein nicht als Teil des Gemeinwesens begreifen, haben kei-nen Grund, der Gesellschaft etwas zu geben, was ihnen nie geboten, sondern vorenthalten wurde. Jörg Fischer

11

& LESETIPP

Die Verschwendung der

Kindheit.

Wie Deutschland seinen Wohl-stand verschleudert. Von Felix Berth, erschienen im Beltz-Verlag.

– die Strukturen und

Angebote nachhaltig

wirken.

– multiprofessionelle

teams gebildet werden.

– die pädagogischen Fachkräfte

sich zielorientiert qualifizieren

und weiterbilden können.

– die Bedürfnisse der Eltern,

kinder und Jugendlichen

berücksichtigt werden.

– sie zwischen den Institutionen

und Einrichtungen abgestimmt

und gut vernetzt sind.

kommunen gestalten chancengerechtigkeit vor Ort

Die Angebote und Strukturen wirken dann am besten,

wenn

Page 14: bewegt! Ausgabe 1/2012

12

Resiliente KommunenWas können Kommunen für Bildung und Teilhabe tun?

Städte, Landkreise und Gemeinden sind näher an den Kindern und Jugendlichen dran als Bund und Länder, wo Bildungspolitik gemacht wird.

Zwei Perspektiven.

klaus Hebborn,

Beigeordneter für Bildung,

kultur und Sport beim

Deutschen Städtetag

kH Das Engagement der Städte erstreckt sich auf die gesamte Bildungsbiografie der Menschen. Dabei über-schreiten sie auch die Grenzen ihrer Zuständigkeit. Im Schulbereich etwa bieten sie kommunale Lehrerfortbil-dung an oder haben eigene pädagogische Abteilungen in ihren Schulämtern. Der Städtetag setzt sich zudem für eine bessere Vernetzung in der Bildung ein. Dazu haben viele Kommunen Bildungsbüros, Steuerungsgremien und Bildungskonferenzen eingerichtet.

kH Wenn es überhaupt gelingt, die große Zersplitterung von Zuständigkeiten in der Bildung zu überwinden, dann auf der kommunalen Ebene. Weil sich hier die Partner kennen und nah an den Problemen sind. Für dieses Engagement gibt es auch finanzielle Gründe: Jeder Schulabbruch, der verhindert werden kann, schont die Sozialkassen. Zudem sind vor dem Hintergrund der Demografie viele Kommunen darum bemüht, junge Familie durch gute Bildungssysteme anzuziehen.

kH Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und einige ostdeutsche Bundesländer haben in den letzten zehn Jahren den Kommunen sehr viel mehr Kompetenzen im Schulwesen übertragen. Das jüngste Beispiel ist der NRW-Schulkonsens. In den süddeutschen Ländern gibt es diese Freiheit nur in sehr eingeschränktem Maße. Dann unterscheiden sich die Kommunen erheblich in ihren finanziellen Möglichkeiten.

mario tibussek, Leiter der

Initiative Bündnisse für Chancen-

gerechtigkeit bei der Deutschen

kinder- und Jugendstiftung

mt Durch die Vernetzung in den Kommunen, die für viele Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sind, können sich viele Synergien entfalten. Immer mehr Kommunen schalten sich auch inhaltlich in Schulent-wicklungsprozesse ein – was sie eigentlich nicht dürften. Wenn sie nicht konträr zu den Interessen des Landes arbeiten, erhalten sie dabei oft auch Unterstützung.

mt Die Chancen der Vernetzung sind am ehesten auf der kommunalen Ebene gegeben. Das Land und der Bund sind von der operativen Ebene und vom Kind viel zu weit weg.Um die Vernetzung aber wirklich zu einer kommunalen Gemeinschaftsaktion zu machen, muss der Bürgermeis-ter oder der Landrat das zu seinem Thema gemacht haben. Zugleich muss die Zivilgesellschaft eingebunden werden.

mt Manche Länder lassen die Kommunen bei ihren Pro-jekten nicht nur gewähren, sondern beteiligen sich auch. Brandenburg hat eine Kooperationsstelle Bildungsland-schaften eingerichtet, die die Prozesse in den Kommu-nen begleitet und gleichzeitig ein Transferagent ist, der Kommunen zusammen bringt und Erfahrungen, etwa über die Unterschiede zwischen ländlichen und urbanen Regionen, weiter trägt. Auch Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg unterstützen den Aufbau kommuna-ler Bildungslandschaften.

Wie können sich Kommunen stärker in der Bildung engagieren?

Welche Chancen sehen sie in der stärkeren Vernetzung in den Kommunen?

Welche Unterschiede sehen Sie innerhalb Deutschlands?

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Wo sind die Grenzen des kommunalen Engagements?

Wovon hängt es ab, dass eine Kommune ihre Bildungsangebote gut miteinander vernetzen kann?

Wie können Stiftungen Kommunen bei ihren Herausforderungen unterstützen?

kH Eine Kommunalisierung der gesamten Bildung würde das bereits bestehende Problem der Ver-gleichbarkeit weiter verschärfen. Insofern vertritt der Städtetag ganz klar die Position, mehr dezentra-le Verantwortung, aber gleichzeitig Sicherung von Standards durch die Länder.

kH Viele gute Kooperationen werden von enga-gierten Personen getragen. Es muss aber gelingen, Strukturen zu schaffen, die diese Personen über-dauern können. Zudem müssen sich Kommunen und Ländern besser austauschen. In den Ländern und in der Kultusministerkonferenz wird die Rolle der Kommunen noch nicht ausreichend berücksich-tigt. Wir brauchen nach der eigenverantwortlichen Schule auch die eigenverantwortliche Kommune.

kH Wir haben im Städtetag eine Trennung der beiden Dezernate. Seit ungefähr drei Jahren gibt es aber regelmäßige gegenseitige Information, es gibt Beteiligung bei allen bildungsrelevanten Vorgän-gen, und wir führen Abstimmungsgespräche über die Grundlinien.

kH Stiftungen können ihr Know-how und den Blick von außen einbringen. Aber beide Seiten müssen beachten, dass es unterschiedliche Entscheidungs-strukturen gibt. Manche Stiftungen klagen darüber, wie viele Gremien sich mit einer Frage befassen, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Damit muss man in der Zusammenarbeit umgehen.

mt Kommunen sind räumlich nicht deckungs-gleich mit dem Sozialraum von Kindern und Jugendlichen. Sie sind eine Verwaltungseinheit und keine Raumgröße. Stattdessen haben wir die Losung, vom Kind aus denken, von der Verwal-tung aus zu handeln.

mt Die Idee der Vernetzung wird oft auf eine schlichte Verwaltungsreform reduziert. Man arbeitet ressortübergreifend zusammen, bildet Ar-beitskreise und Steuergruppen, hat aber eigentlich kein konkretes Projekt. Doch die Vernetzung um ihrer Selbst willen funktioniert nicht. Eine Kom-mune muss das Ziel haben, ihre Bildungsangebote zu verbessern, und sich dann zu diesem Zweck vernetzen.

mt Kommunen, die bereits eine erprobte Netz-werkstruktur haben und Bildung und Soziales zusammendenken, können besonders schnell und f lexibel auf strukturelle Herausforderungen reagieren, zum Beispiel auf das Bildungs- und Teilhabepaket. Wir nennen sie »resiliente Kom-munen«.

mt Stiftungen können Kommunen dabei helfen, neue Modelle zu entwickeln. Kommunen sind für den Regelbetrieb zuständig. Stiftungen dürfen auch mal etwas ausprobieren. Die Zusammenar-beit muss immer mit der Bereitschaft verlaufen, sich auch in den anderen hineinzuversetzen.

Info

y In der Initiative Bündnisse für Chancengerechtigkeit denken Menschen aus Kommunen, Län-dern, Stiftungen und Wissenschaft gemeinsam darüber nach, wie die Chancen jedes Kindes auf Bildung und Teilhabe verbessert werden können. Die Initiative gibt Kommunen die Möglichkeit, voneinander zu lernen und fördert die Vernetzung mit Partnern auf Landes-, Bundes- und zivilgesell-schaftlicher Ebene.

Lokale Beispiele aus der Praxis gibt es

auf www.lokale-bildungslandschaften.

de/lokale-beispiele-aus-der-praxis.html

y Resilienz ist die seelische Widerstandsfähigkeit von kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen, zum Beispiel,

wenn sie in Armut leben. Resilienz zu fördern bedeutet, kindern und Jugendlichen bessere Startbedingungen und die chan-

ce auf vielseitige Erfahrungen zu ermöglichen.

Das Programm Lichtpunkte der DkJS und der RWE Stiftung fördert Projekte und Einrichtungen, die diesen Ansatz verfolgen.

Im Projekt »Übergänge« im Berliner Stadtteil neukölln sind kinder und Jugendliche als kiezbotschafter unterwegs. An be-

lebten Orten in Berlin befragen sie Passanten zu ihrem Bild von neukölln und berichten von ihrem Stadtteil. mit kamera und

mikrofon fremde menschen auf der Straße ansprechen, dafür braucht es mut. »Am Anfang waren wir alle ziemlich schüch-

tern, aber später hatten wir keine Angst mehr. Jetzt kann ich sogar Journalist werden«, sagt mohammed.

Dieser Ansatz lässt sich auch auf kommunen übertragen. Städte und Gemeinden, die ihre Bildungs- und teilhabeangebote

miteinander vernetzen, um ein ganz bestimmtes Ziel zu erreichen, haben bereits große Herausforderungen gemeistert und

sich dabei als kompetent erlebt. Ihr netzwerk ist resilient und robust, um auch zukünftig auf strukturelle Herausforderungen

zu reagieren.

Resiliente Kommunen

Wie arbeiten Sie als Beigeordneter für Bildung mit dem Bereich Soziales zusammen?

Warum sollten die Ressorts Bildung und Soziales zusammenarbeiten?

Das Interview führte Wibke Bergemann.

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Chancengerechtigkeit an Ganztagsschulen

Wie erfolgreich Kinder und Jugendliche an deutschen Schulen lernen und welche Abschlüsse sie machen, ist immer noch vor allem von ihrer sozi-

alen Herkunft abhängig, das belegen Studien seit Jahren. Der »PISA-Schock« hat vor zehn Jahren in Deutschland eine breite Diskussion über den Zusammenhang zwischen Herkunft und Schulerfolg und einen Paradigmenwechsel in der deutschen Schullandschaft ausgelöst. Eine bildungspo-litische Antwort auf die Frage nach gerechten und besseren Bildungskonzepten war der Ausbau von Ganztagsschulen.

Die Ganztagsschule ermöglicht Kindern und Jugendlichen durch längere Öffnungszeiten und eine veränderte Lernkultur, sich für das Lernen mehr Zeit zu lassen und individueller gefördert zu werden. Durch Freizeitangebote bis in den Nachmittag hinein erweitert sich die Peer-Group der Heranwachsenden, und die Kontakte und Wertschätzung sind nicht ausschließlich von schulischen Leistungen abhängig. Die Schüler haben für ihre unterschiedlichen Bedürfnisse eine Vielzahl erwachsener Begleiter und Bezugspersonen, denn an einer guten Ganztagsschule gehört das Einzelkämpferdasein von Lehrkräften längst der Vergangenheit an. Lehrkräfte arbeiten gemeinsam mit Erziehern, Sozialpädagogen und Kursleitern in multiprofessionellen Teams. Ganztagsschulen können durch Kooperationen mit außerschulischen Partnern Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, nicht nur in der Schule, sondern in ihrem gesamten sozialen Umfeld zu lernen: in Sportvereinen, Jugendtreffs, Bibliotheken und kulturellen Projekten. Während Kinder aus sogenannten »bildungsferneren« Schichten in Vereinen und an Musik- und Kunstschulen kaum anzutreffen sind, erreichen die Kurse und Projekte an der Ganztagsschule Schüler aus allen Sozialschichten.

Dass der Ausbau von Ganztagsschulen mehr Chancengerechtigkeit schafft, zeigt auch der aktuelle Chancenspiegel, den das Dortmunder Institut für Schulent-wicklungsforschung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erarbeitet hat. Dort wurde untersucht, wie gerecht die Schulsysteme der einzelnen Bundesländer sind. Das Gefälle zwischen den Ländern führen die Wissenschaftler unter anderem

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Chancengerechtigkeit an Ganztagsschulen

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auf die unterschiedliche Ausstattung mit Ganztagsschulen zurück, da diese eine einheitliche – und damit gerechtere – Bildung und Betreuung für alle Schüler gewährleistet. Sachsen erhält in der Untersuchung die besten Bewertungen und ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil an Ganztagsschulen. Fast drei von vier Kindern besuchen dort auch am Nachmittag die Schule.

Deutschland hat mit dem Ausbau von Ganztagsschulen den richtigen Weg zu einem gerechteren Bildungssystem eingeschlagen. Doch längere Öffnungszeiten machen aus einer Schule längst noch keine gute Ganztagsschule. Sie kann ihre Schüler nur dann optimal und gerecht fördern, wenn die Qualität ihrer Ange-bote stimmt. Dafür braucht es ein neues ganzheitliches Verständnis von Lernen und ein inklusives Schulsystem, das auf die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Kinder und Jugendlichen eingeht. Und nicht zuletzt ist dafür das gute Zusam-menspiel zwischen allen bildungspolitischen Akteuren nötig. Dazu gehört die gute Teamarbeit der unterschiedlichen Professionen an den Schulen genauso wie die Zusammenarbeit mit Kommunen und der Zivilgesellschaft. Nur so kann der Lern- und Lebensort Schule Teil einer Bildungslandschaft werden, die wir für eine gute und gerechte Bildung für alle Kinder und Jugendlichen brauchen. Not-wendig dafür ist eine Ende des Denkens in Zuständigkeiten: Wie in den Kommu-nen Schulen und Jugendhilfe für eine gute ganztägige Bildung an einem Strang ziehen müssen, muss auf Länderebene Bildungs- und Sozialpolitik zusammenge-dacht werden.

Von Maren WichmannLeiterin des Ganztagsschulprogramms Ideen für mehr! Ganztägig lernen. der Deutschen Kinder- und

Jugendstiftung.

Info

y Die vier Ziele der Bildungspolitik bei der

Errichtung von Ganztagsschulen:

y individuelle Förderung im Leistungsbereich, aber auch in anderen Kompetenzbereichen und hinsichtlich der Motivation von Kindern und Jugendlichen

y soziale Integration, insbesondere von sozial benachteiligten Gruppen sowie von Schü-lerinnen und Schülern aus zugewanderten Familien

y thematische und konzeptionelle Ausweitung der pädagogischen Praxis und der Organi-sationsprozesse von Schulen, einschließlich ihrer stärkeren Verbindung mit dem sozialen Umfeld

y Betreuung und erzieherische Versorgung, die Familien entlasten und nicht zuletzt die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern ermöglichen

Quelle: Natalie Fischer u.a. (Hrsg.): Ganztagsschule:

Entwicklung, Qualität, Wirkungen. Längsschnittliche

Befunde der Studie zur Entwicklung von Ganztags-

schulen (StEG). Weinheim 2011.

: LINKTIPP

www.ganztaegig-lernen.de

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Starke Eltern – starke Kinder

Familienzentren setzen bei den Eltern an, damit die Jüngsten sich gut entwickeln können

Die Kraft des Erzählens ist riesengroß. Zum Glück ist Silvia Freund vom Berliner Verein »Erzählkunst« ein Profi. Als Paula in Tränen ausbricht, weil der Wolf in Grimms Mär-

chen den drei Schweinchen auf den Fersen ist, lässt sie die Schweinchen schnell entkommen und stellt ein paar Fragen. Während die anderen Kinder antworten, löst Paula vorsichtig die Arme vom Hals der Erzieherin. Die Sprache ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bildungsbiografie. Davon ist die Leiterin der Berliner Kita Neue Steinmetzstraße, Ute Römer, überzeugt. Der Besuch der Erzählerin ist ein wichtiger Baustein: In den vierzig Minuten, die ein Märchen dauert, lernen die Kinder zu-zuhören und sich zu konzentrieren, entwickeln Fantasie und Empathie. Außerdem erweitern sie ihren Wortschatz. In dem Märchen von den drei kleinen Schweinchen kommen Wörter wie zausen, schleppen, Kelle und unermüdlich vor. Im ganz normalen Kita-Alltag bringen die Erzieherinnen die Kinder immer wieder durch ge-schicktes Fragen zum Reden. Außerdem beschreiben sie laut ihre eigenen Handlungen, damit die Kinder ein Gefühl für vollständige Sätze und Grammatik bekommen. Der Sohn von Emine Cavus hat davon profitiert. Anders als seine Mutter, die mit 12 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, spricht er f ließend Deutsch. »Das Alter zwischen 0 und 6 ist ganz wichtig«, sagt sie, »die Kinder lernen leichter, wenn sie klein sind.«

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2006 hat der Träger »INA.KINDER.GARTEN« den ersten Stock des f lachen 50er-Jahre-Baus in ein Familienzentrum umgebaut, damit dort Seminare und Kurse stattfinden können. Als Vorbild dienten der Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin die englischen Early Excellence Center. Anders als die klassische Kita setzen sie bei den Familien an. Ein Konzept, das Ute Römer, die während des Studiums als Familienhelferin gearbeitet und später noch einmal Intercultural Education stu-diert hat, sinnvoll findet. Die Neue Steinmetzstraße liegt an der Grenze zu Schöneberg-Nord. Die Einkom-men und der Bildungsgrad sind niedrig, die Arbeitslosigkeit ist, vor allem unter den jungen Männern, hoch. Viele der Kinder, die auf den verkehrsberuhigten Straßen spielen, sprechen nur gebrochen deutsch. Genau diese Kinder und Mütter will das Kita-Team mit seinem Angebot erreichen. Dazu hat es sich eng mit ande-ren Einrichtungen im Kiez vernetzt. Die VHS veranstaltet Deutschkurse in den Räumen des Familienzentrums, das Quartiersmanagement finanziert zusammen mit dem Träger einen »Offenen Treff für Schwangere und Mütter mit jungen Kin-dern«, der von einer Familienhebamme geleitet wird.Emine Cavus empfindet dieses Angebot als große Bereicherung. Als ihr Jüngster in einer schwierigen Entwicklungsphase steckte und sie nicht mehr weiter wusste, hatte sie von seiner Erzieherin den Tipp bekommen, sich bei dem Kurs »Starke Eltern, starke Kinder« anzumelden, der von einer Psychologin geleitet wird. Die Gespräche in der Gruppe und die Hinweise der Psychologin haben ihr gut getan. Heute macht sie manches anders. »Man überfordert Kinder schnell«, sagt sie.Die Hebamme Katja Stricker hat erst etwas gestutzt, als Ute Römer anrief und vorschlug, in die Kita zu kommen. Heute findet sie die Idee »vollkommen ein-leuchtend. Durch die Kita kriege ich Frauen, die sonst keine Kurse belegen.« Viele Schwangere und junge Mütter mit Migrationshintergrund tun sich aufgrund von

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familiären Verpflichtungen mit den zeitlich begrenzten Kursen der Krankenkas-sen schwer. Bei dem offenen Treff der Familienhebamme können sie zwischen-durch auch mal aussetzen. Weil manche der Frauen kein Deutsch oder auch gar nicht lesen können, dokumentiert sie die Entwicklung der Schwangerschaft und später der Kinder in Fotobüchern. Gleichzeitig verbessern die Frauen ihre Deutschkenntnisse. Das südliche Einzugs-gebiet der Kita ist bürgerlich geprägt, weshalb im Schwangerschafts- und Mütter-treff auch viele deutsche Frauen sind. Außerdem hat die Familienhebamme schon etliche Frauen an den Deutschkurs der VHS »verloren«. »Die Frauen animieren sich gegenseitig«, sagt Katja Stricker.Das gilt auch für andere Kurse. Viele der Mütter wechseln in die Krabbelgruppe, wenn ihre Kinder zu groß für den Hebammenkurs geworden sind. Der nächste Schritt ist dann oft die Anmeldung der Kinder in der Kita ein Stockwerk tiefer. Die Eltern und die pädago-gischen Fachkräfte sind von der Entwicklung der Kita zum Familienzentrum überzeugt. »Ein Familienzentrum ist effektiver als spä-tere Defizitarbeit«, sagt Beate Lubit vom Ju-gendamt Tempelhof-Schöneberg. »Die Eltern öffnen sich für eine gesunde Entwicklung ihres Kindes und es wird selbstverständlich, dass sie ihr Kind begleiten.«

Beate Krol

: LINKTIPP

Weitere Beispiele für lokale Initiativen für frühkindliche Entwicklung gibt es auf www.anschwung.de

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Mehr Chancen durch Bildungslandschaften Neuerscheinungen zum Thema

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QUERBLICK

Anschwung für frühe Chancen Neues Serviceprogramm für Kommunen

Wie kann man allen Kindern einen guten Start

ermöglichen und dafür sorgen, dass sie ihre Potenti-

ale entfalten können? Anschwung für frühe Chancen

unterstützt Städte und Gemeinden beim Auf- und

Ausbau lokaler Initiativen für frühkindliche Entwick-

lung. Initiativen, in denen alle mitmachen können, die

sich engagieren möchten – ob pädagogische Fach-

kräfte aus Kitas und Schulen, Politiker oder Vertreter

der kommunalen Verwaltung, Eltern und Vereine –

erhalten über einen Zeitraum von 12 bis 18 Monaten

eine Prozessbegleitung. Außerdem ermöglichen ihnen

regionale Anschwung-Servicebüros den Austausch mit

anderen Kommunen und bieten Fortbildungen an.

Anschwung für frühe Chancen ist ein gemeinsames

Programm des Bundesministeriums für Familie, Seni-

oren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Deutschen

Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Es wird gefördert

durch den Europäischen Sozialfonds (ESF). Kontakt

und Infos über www.anschwung.de

?

Lokale Bildungslandschaften sind an

vielen Orten bereits gelebte Praxis. In

»Bildungslandschaften – Mehr Chancen

für alle« reflektieren Vertreter aus Wis-

senschaft und Kommunen vorliegende

Erfahrungen und skizzieren Handlungs-

empfehlungen.

Im Buchhandel oder beim VS Verlag

www.vs-verlag.de

Konkrete Praxistipps gibt das Handbuch

»Wie geht’s zur Bildungslandschaft?«.

Es bündelt Erfahrungen von Kommunen

im Aufbau lokaler Bildungslandschaften

und bereitet sie so auf, dass andere

Kommunen sich orientieren können.

Ab Juni 2012 im Buchhandel oder beim

Verlag Klett Kallmeyer, Vorbestellungen

über www.lokale-bildungslandschaften.de

e FEEDBACK Haben Sie in diesem Heft

etwas entdeckt, das Chancen in Ihrem Um-

feld erhöhen könnte? Was sind Ihre Ideen

und Erfahrungen zum Thema Chancen-

gerechtigkeit? Was halten Sie überhaupt

vom bewegt!-Magazin? Worüber wollen Sie

darin lesen? Schreiben Sie uns an

[email protected]!

Zu gewinnen gibt es

diesmal die begehrte

Hoch-vom-Sofa-

Tasche.

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Diese Publikation ist im Rahmen der Programme Anschwung für frühe Chancen, Ideen für mehr! Ganztägig lernen, Sommercamp futour und der Initiative Bündnisse für Chancengerechtigkeit entstanden.

was sich die Kinder in einer Befragung

gewünscht haben. In den kostenlosen

Kursen können die Mädchen und Jungen

ihre Talente entdecken und ausbauen und

vergrößern so auch ihre Chancen auf einen

erfolgreichen Schulabschluss. Momentan

verlassen zwölf Prozent der jungen Kiezbe-

wohner die Schule ohne Abschlusszeugnis.

Mit dem Programm Lichtpunkte sorgt die

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung dafür,

dass mittlerweile zwölf Kurse stattfinden

und die Helfer koordiniert und qualifiziert

werden können. Mit Ihrer Spende können

wir weitere Lichtpunkte wie diese setzen.

Mehr unter www.spendenbildet.de

»Die Aufgabe versteh ich schon nicht.«

»So viele Vokabeln, dass schaff ich nie.«

Nicht alle Eltern können ihren Kindern

geduldige Lernbegleiter sein oder ihnen

Nachhilfestunden bezahlen. Auch im

Richardkiez in Berlin gibt es immer mehr

Schüler, die eine solche Hilfe brauchen.

Andererseits sind in den letzten Jahren

viele Studenten in das Neuköllner Viertel

gezogen. Der Knowledge Club Berlin an

der Richardschule bringt beide Gruppen

zusammen: Studenten betreuen ehren-

amtlich die Schüler und Schülerinnen am

Nachmittag und ermöglichen Hausauf-

gabenbetreuung, Lerntrainings, Theater-,

Musik- und Sportangebote – genau das,

...ich wünsche mir

…dass mir jemand bei den Hausaufgaben hilft.

Mehr Chancen durch Bildungslandschaften Neuerscheinungen zum Thema

ImpressumRedaktionClaudia Hasse, Anna Kleiner, Sabine Käferstein, Merret Nommensen

Deutsche Kinder- und JugendstiftungTempelhofer Ufer 1110963 Berlinwww.dkjs.dewww.lokale-bildungslandschaften.de

ISBN 978-3-940898-30-2

GestaltungPralle Sonne

Bildnachweis

Cover DKJS / Seite 1 Frank Prinz SchubertSeite 3 Thomas Aurin / Seite 4–7 DKJSSeite 11, 14–16, 20 Piero Chiussi Seite 12 Deutscher StädtetagSeite 16 Thorsten SeitheSeite 20 DKJS / Seite 21 Frank Vinken

Holz- und Papierprodukte mit dem PEFC-Siegel stammen aus nachhaltig und damit vorbildlich bewirtschafteten Wäldern. Mehr unter www.pefc.de

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deutsche kinder- und jugendstiftung