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Kapitel 7 102 Beurteilung des Pferdes anhand der Traditionellen Chinesischen Veterinär- medizin (TCVM) 7

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Kapitel 7102

Beurteilung des Pferdesanhand der Traditionellen

Chinesischen Veterinär-medizin (TCVM)

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Alte Volksweisheiten und Sprichworte– auch in der westlichen Welt»Leberfeuer, das in die Augen aufsteigt« – daskönnte eine chinesische Diagnose für eine akuteBindehautentzündung sein. In unseren Ohrenhört sich das schon ziemlich seltsam an. Aberdenken wir einfach mal bildlich, wie es in der chi-nesischen Philosophie ganz selbstverständlichist.Was verbinden wir mit Feuer? Rot, heiß. So sehenauch die Augen und Bindehäute häufig aus,wenn wir es mit einer Bindehautentzündung zutun haben. Aber warum »Leber«-feuer? Was hatdie Leber mit den Augen zu tun? Haben Sie schonmal in die Augen eines Alkoholikers gesehen? DieSkleren (das Weiße im Auge) sind gelb, der Medi-ziner nennt das »Ikterus«, also Gelbsucht. Dieskann als Zeichen gewertet werden, dass dieLeber in ihrer Funktion beeinträchtigt ist. Alsokennen auch wir in unserer westlichen Welt denZusammenhang zwischen Leber und Auge. DieTraditionelle Chinesische Veterinärmedizin (TCVM)sagt: »Die Leber öffnet sich im Auge.«Jetzt bekommen Sie aber keinen Schreck und ver-muten bei der nächsten Bindehautentzündungeine kranke Leber. Der Begriff »Leber« geht inder Traditionellen Chinesischen Veterinärmedizin(TCVM) viel weiter und beinhaltet bei weitemnicht nur das Organ. In der chinesischen Sicht-weise hat die Leber eine Reihe von Aufgaben zuerfüllen, wie beispielsweise das Blut zu speichernund die Sehnen, Muskulatur und Hufe stark undgeschmeidig zu halten. Eine verspannte Musku-latur kann somit zum Beispiel auch ein Zeichenfür eine Disharmonie der »Leber« sein. Hierbei ist

Bildhafte Vorstellungen 103

das Organ Leber nicht unbedingt krank, derTierarzt wird also im Normalfall in der Blutprobekeine schlechten Leberwerte finden. Das Dishar-moniemuster bezieht sich rein auf den Energie-fluss und die Funktionen, die in der TCVM derLeber zugeschrieben werden.

Dennoch ist die Diagnose anhand der TCVM einesehr feine, häufig können Stoffwechselstörungenschon festgestellt werden, bevor sie sich in denBlutwerten zeigen. Die chinesische Medizin hateinen stark präventiven Charakter. Es ist üblich,dass man zum Arzt geht, wenn man sich unwohlfühlt, nicht, wenn man schon richtig krank ist.Die vorbeugende Behandlung bildet den Grund-stein des östlichen Medizinsystems. Damit sindnicht nur »medizinische Anwendungen« ge-meint, sondern auch die richtige Ernährung undein angemessener Lebensstil, die in der östlichenSichtweise eine größere Rolle spielen als imWesten. Für das Pferd bedeutet das vor allem dieErfüllung seiner Grundbedürfnisse nach gutemFutter, frischer Luft, ausreichend Bewegung undSozialkontakten. Das Pferd als Fluchttier ist ge-genüber Stress, angsteinflößenden Situationenund Leistungsdruck recht empfindlich. Wir müs-sen dem Pferd also auch in der Turniersaisonimmer wieder Ruhepausen gönnen, Tage andenen es »die Seele baumeln lassen kann« undseine Zeit einfach nur mit guten Freunden auf derKoppel verbringt. Gesellschaft ist für das Pferdwichtig, aber es muss eine angenehme sein.Wenn es in seiner Box oder im Offenstall nicht inRuhe fressen kann und immer wieder von futter-neidischen Kollegen bedroht und verjagt wird,

Bildhafte Vorstellungen in der Traditionellen ChinesischenVeterinärmedizin (TCVM)

Kapitel 7

beeinträchtigt dieser Stress das Verdauungs-system stark. Magengeschwüre sind auch beiPferden keine Seltenheit.

Disharmonien im EnergieflussStoffwechselprobleme manifestieren sich also inDisharmonien im Energiefluss. Was genau verste-hen wir unter »Energiefluss«? Vielleicht haben Sie den Begriff schon mal vonjemandem gehört, der selbst eine Akupunktur-Behandlung bekommen hat: Hierbei dreht sichviel um das »Qi« (sprich: Tschi). Häufig übersetztman Qi mit »Lebensenergie«, die in einem ge-sunden Körper harmonisch durch die Meridiane(= »Energieleitbahnen«) fließt. Um ein bisschenbesser zu verstehen, was Qi wirklich ist – undwie schwer eine korrekte Übersetzung in unsereSprache ist, ist es sehr interessant, sich das chi-nesische Schriftzeichen dafür anzusehen.Qi setzt sich zusammen aus dem Schriftzeichenfür »Dampf« oder »Dunst« und dem Schriftzei-chen für »ungekochten Reis«. Qi kann alsogenauso dünn und immateriell sein wie Dunst,aber auch so greifbar und materiell wie Reis –und es kann vom einen ins andere übergehen. Qibefindet sich nicht nur in jedem Organismus, Qiist die Basis aller Erscheinungen im Universum.Es ist nicht so wichtig, ob Sie sich nun Qi alsDampf über einem kochenden Topf mit Reis vor-

stellen oder als einen sanft dahinfließenden Bachmit den Meridianen als Bachbett.Behalten Sie dabei nur im Hinterkopf, dass wirvieles aus der TCVM mit unserer Sprache nichtvollkommen korrekt übersetzen und verstehenkönnen. Allein die aufgezeigte Erklärung zu »Qi«zeigt, dass es dafür keine direkte Übersetzunggibt. Wir sagen »Energie« dazu, aber eigentlichist Qi nicht mit einem Wort zu übersetzen, dennbei den Chinesen ist es ein Bild. Ihre geschriebe-ne Sprache besteht aufgrund der Schriftzeichennicht aus Buchstaben und Texten, sondern ausBildern. Und wie heißt es so schön? »Ein Bildsagt mehr als 1000 Worte!« Es kann komplexeSituationen, Stimmungen und Emotionen wider-spiegeln.Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns bemühen,eine Akupunktur oder Akupressur so gut wiemöglich auf Basis einer chinesischen Diagnosedurchzuführen. Eine westlich geprägte »Rezept«-Akupunktur nach dem schon beschriebenen»kausalen Prinzip« wird nicht funktionieren.

7.1. Wir lernen unser Pferd besser kennen

Um unser Pferd in seinem ganzen Wesen zu er-fassen, nehmen wir nun die TCVM zu Hilfe. Wir

104

D a s Q i

Qi = Dunst + ungekochter Reis

machen uns also auf die Suche nach dem ganzspeziellen Disharmoniemuster bei unseremPferd. Im ersten Schritt werden wir herausfinden,ob es Meridiane gibt, deren Energiefluss gestörtist. Eine Blockade im Engergiefluss eines Meri-dians kann sich sowohl auf der Stoffwechsel-ebene manifestieren, wie auch entlang desMeridianverlaufs. Das heißt, wenn Sie beispiels-weise eine Störung im Nieren-Meridian finden,der entlang der Innenseite der Hinterbeine ver-läuft, muss das kein Stoffwechselproblem sein. Eskann sich z.B. auch im Bewegungsapparat alsSpat (Arthrose an der Innenseite des Sprung-gelenks) zeigen. Schmerzen sind aus chinesischerSicht Stagnationen im Qi-Fluss. Wir werden unsauch mit Gemüt und Psyche der Pferde befassenund lernen, warum beispielsweise ein Pferd mitDisharmonie im Nierenmeridian so viel ängstli-cher ist als seine Stallkollegen.

7.1.1 Beobachten nach der TCVM

Die beiden Grundelemente in der chinesischenPhilosophie sind Yin und Yang. Das Symbol fürdie ineinandergreifenden Energien von Yin undYang werden viele von Ihnen schon einmal gese-hen haben. Im Yin findet sich immer Yang und imYang auch immer Yin. Yin wird durch den dunklenAnteil der Darstellung symbolisiert, Yang durchden hellen. Yin geht in Yang über, und Yang wie-der in Yin. Alles ist beständig im Fluss. Und immerfinden wir im Yin auch etwas Yang und im Yangauch etwas Yin, symbolisiert durch die beidenkleinen Kreise.Yin finden wir in den Attributen dunkel, leise,innen liegend, Yang ist im Gegensatz dazu hell,laut, außen liegend. Auch ein Pferdekörper mit

Beobachten nach der TCVM 105

all seinen Organen und Vorgängen kann nach Yinund Yang unterteilt werden.Die Yin-Organe, auch genannt Zang-Organe (=Speicherorgane), speichern vitale, innen liegendeSubstanzen wie Qi, Blut und Essenz.Die Yang-Organe, auch bezeichnet als Fu-Organe(= Hohlorgane), übernehmen Aufgaben, die mitder äußeren Welt in Kontakt stehen wie dieVerdauung, Resorption und Ausscheidung.

Obwohl das Pferd keine Gallenblase hat, gibt eseinen Gallenblasen-Meridian. In diesem Para-

Der Nierenmeridian (blaugrau) an derInnenseite des Hinterbeines.

Kapitel 7

doxon (aus westlicher Sicht) wird wieder die chi-nesische Betrachtungsweise der Organe deutlich.Im Fokus stehen die Funktionen, die in der chine-sischen Medizin den Organen zugeschriebenwerden, nicht das Organ selbst.

Der so genannte »Dreifache Erwärmer« z.B. exis-tiert als greifbares Organ überhaupt nicht, wederbeim Tier noch beim Menschen. Nach derVorstellung in der TCVM ist er in drei Bereicheeingeteilt und unterstützt den Körper bei denVerdauungsvorgängen. Eine weitere Besonder-heit ist der Pericard (= Herzbeutel), der als schüt-zendes Schild des Herzens gilt. Er hat zwar eineneigenen Meridian, wird jedoch in der generellenTheorie dem Herzen zugerechnet.

Pathogene (= krankmachende)FaktorenAus chinesischer Sicht gibt es viele Faktoren, diegenauso in der westlichen Welt als Krankheits-ursachen gelten. Jedoch begegnen uns auch beider genaueren Betrachtung der Krankheitsaus-löser in der TCVM wieder die bildhaften Vorstel-lungen und die Ausrichtung der Erklärungs-modelle an den Vorgängen in der Natur:

Angeborene OrganschwächenUngesunde Lebensweise FehlernährungStrömungshindernisse für Qi und Blut,wie z.B. alte Narben

VerletzungenKrankmachende, so genannte klimatische Einflüsse, die als »Hitze«, »Kälte«, »Feuchtig-keit«,»Trockenheit« und »Wind« bezeichnet werden.

Pathogene FaktorenBeispiele für deren krankmachende WirkungHitze: Fieber, SonnenstichKälte: Erkältung, DurchfallFeuchtigkeit: Ödeme, Schmerzen der Extre-

mitäten bei feuchtem WetterTrockenheit: Trockenheit von Mund, Nase,

Haut, VerstopfungWind: Neuralgien, wandernde,

»umherschießende« Schmerzen

In der TCVM werden Indikatoren gesucht, die esdem Therapeuten schon allein durch aufmerksa-mes Beobachten ermöglichen, konkrete Hinweisefür seine Diagnose zu bekommen. Wichtige Dia-gnosemittel sind in der traditionellen chinesi-schen Humanmedizin daher neben der Befragungund Betrachtung des Patienten die Zungendia-gnose und das Fühlen des Pulses an verschiede-nen Pulspositionen.

Welcher Meridian ist in Disharmonie?In der nachfolgenden Aufstellung werden Zusam-menhänge aufgezeigt, die auch einem medizini-schen Laien erste Hinweise geben, in welchem

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Yin und Yang · Zuordnung der OrganeYang Organe (Fu):DickdarmMagenDünndarmBlaseGallenblaseDreifacher Erwärmer

Yin Organe (Zang):LungeMilzHerzNiereLeberPericard

Meridian sich eine Störung des Energieflussesbefinden könnte.

Verhalten und GemütszustandCharakterisieren Sie Ihr Pferd: Ist es überängst-lich oder aggressiv? Eher ein ausgeglichener,ruhiger Typ? Oder steht es z.B. aufgrund einesStallwechsels traurig in der Ecke und fängt nunauch noch an zu husten? Grobe Zusammenhänge zwischen Verhalten,Gemütszustand und den Organen, die damit inVerbindung stehen, zeigt die folgende Aufstel-lung:Lunge: Traurigkeit, Sorge, MelancholieMilz: Nachdenklichkeit, GrübelnHerz: Freude, Fröhlichkeit, NervositätNiere: Furcht, Angst,

übermäßige SchreckhaftigkeitLeber: Ärger, Zorn, Wut, Aggressivität

Disharmonien 107

Empfindlichkeiten undSchwachstellenBekommt Ihr Pferd leicht eine Bindehautentzün-dung, wenn es bei stärkerem Wind auf der Kop-pel steht? Es bekommt Durchfall, nachdem es imstarken Regen durchnässt wurde?

Mit solchen Beobachtungen bekommen Sie Hin-weise auf die Schwachstellen Ihres Pferdes, denneinem gesunden Pferd mit harmonischem Enger-giefluss schadet weder Wind noch Regen. Schau-en Sie sich die nachfolgenden Korrespondenzenzu den klimatischen Faktoren an:

Trockenheit schadet der Lunge.Feuchtigkeit schadet der Milz.Hitze schadet dem Herzen.Kälte schadet der Niere.Wind schadet der Leber.

Die Meridiane des Pferdes

Yang Meridiane:

Dickdarm: schwarz A

Magen: braun

Dünndarm: rot

Blase: blau

Gallenblase: schwarz C

Dreifacher Erwärmer: lila

Yin Meridiane:

Lunge: schwarz B

Milz: gelb 1

Herz: gelb 2

Niere: blaugrau

Leber: grün

Pericard: gelb 3

123A B

C

Kapitel 7

Wie innen so außen: SichtbareAnzeichen für DisharmonienWie im vorigen Beispiel mit der Bindehautent-zündung und dem Leber-Meridian, gibt es natür-lich auch für die anderen Yin-Organe diese Korres-pondenzen. Beim Menschen kann sich z.B. eineDisharmonie im Bereich der Milz an einem trocke-nen Mund und ausgetrockneten, rissigen Lippenzeigen. Wenn Sie dies analog beim Pferd erkennenmöchten, fassen Sie verschiedenen Pferden insMaul und versuchen Sie, die unterschiedlicheQualität des Speichels zu fühlen. Pferde mit einerMilz-Disharmonie haben häufig eine aufgedunse-ne Zunge und zähen, klebrigen Speichel.

Jedes Yin-Organ zeigt also seine Gesundheitan einem außen liegenden Organ:Die Lunge öffnet sich in der Nase.Die Milz öffnet sich im Mund.Das Herz öffnet sich in der Zunge.Die Niere öffnet sich in den Ohren.Die Leber öffnet sich in den Augen.

Darüber hinaus kontrolliert jedes Organ einGewebe. Betrachten Sie einmal kritisch IhrPferd. Hat es stumpfes, glanzloses Fell und viel-leicht noch schuppige, trockene Haut? Ist IhrPferd ein kleiner »Dicki« mit eher schlaffer, wei-cher Muskulatur? Hat es brüchige Hufe mitschlechter Hornqualität? Sie können bei der Be-trachtung des jeweiligen Gewebes Rückschlüsseauf die Organfunktion und den Meridian ziehen.Die Lunge kontrolliert die Haut und spiegelt sichin der Körperbehaarung.Die Milz kontrolliert die Muskeln und spiegeltsich in den Lippen.Das Herz kontrolliert die Blutgefäße und spiegeltsich im Gesicht.

Die Niere kontrolliert die Knochen, die Gelenkeund die Zähne und spiegelt sich im Kopfhaar(beim Pferd: Mähne und Schweif).Die Leber kontrolliert die Sehnen und spiegeltsich in den Hufen.

Jeder hat sicher schon mal ein Pferd gesehen,dessen Schweif und Mähnenhaar im Vergleich zuanderen Pferden unglaublich dünn war. Wir den-ken also bei diesem Beispiel an eine Störung,häufig eine Leere, im Energiefluss der Niere. Wiewir eben gelernt haben, schadet zudem Kälte derNiere. Solche Pferde werden sich im Sommer ver-mutlich besser fühlen und im Winter krankheits-anfällig sein. Für diese Tiere ist somit eine ausrei-chende Versorgung mit Wärme wichtig, falls siealso nicht genügend Winterfell haben, sollte mansie eindecken und möglichst nicht oder nur sehrzurückhaltend scheren.

Zur Erinnerung: Wenn wir von Organen wie z.B.der Niere sprechen, denken wir immer chinesisch.D.h. wir reden vom »Funktionskreis Niere«, derweit über das bloße Organ hinausgeht. Wir den-ken dabei an die zugeordnete Emotion, an denVerlauf des Meridians und die darunter liegendenStrukturen aus Knochen, Sehnen und Muskelnsowie an die Aufgaben, die das Organ laut derTCVM zu erfüllen hat.

Vielleicht haben Sie ja bei der Vorstellung derOrgane und ihrer korrespondierenden Gewebebei einem Punkt gestutzt: »Was ist denn mit demThema Verwurmung?! Da liegt das Problem jawohl im Darm und nicht irgendwo in den Atem-wegen!« Sie denken dabei an das stumpfe,glanzlose Fell, das ein Zeichen für eine Dis-harmonie der Lunge sein kann ...

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Gekoppelte MeridianeNach der traditionellen chinesischen Theorie hatjedes der oben vorgestellten Yin-Organe einenYang-Partner. Aus Sicht der Akupunktur nennenwir diese Verbindungen auch die gekoppeltenMeridiane: Es sindLunge & DickdarmMilz & MagenHerz & DünndarmNiere & BlaseLeber & GallenblasePericard & Dreifacher Erwärmer

Meridiane 109

Stoffwechselprobleme, Verletzungen oder ener-getische Blockaden in dem einen Organ oderMeridianverlauf können recht leicht auf dengekoppelten Meridian überspringen und dortStörungen hervorrufen. Gleiches gilt aber auchfür die Therapie: Wir können also z.B. bei einerStörung im Lungen-Meridian auch über Punkteauf dem Dickdarm-Meridian eine Harmoni-sierung herbeiführen, weil diese beiden Meri-diane eben in einer sehr engen Verbindung ste-hen.

Die 5 Elemente: Zuordnung der gekoppelten Meridiane, Kreislauf der Hervorbringung und Kreislauf der Kontrolle.

Kapitel 7

5 ElementeNach der »Theorie der 5 Elemente« wird immerein Pärchen aus gekoppelten Meridianen einemElement zugeordnet.Metall Lunge & DickdarmErde Milz & MagenFeuer Herz & DünndarmFeuer Pericard & Dreifacher ErwärmerWasser Niere & BlaseHolz Leber & Gallenblase

Die Theorie der 5 Elemente ist ein Modell in derchinesischen Philosophie, mit der man versucht,Zusammenhänge in der Natur und somit auch inmenschlichen und tierischen Organismen zuerklären. Betrachtet werden die Verbindungenzwischen den Elementen, von denen man dannRückschlüsse auf die Beziehungen zwischen denzugeordneten Organen und Meridianen zieht.

Kreislauf der »Hervorbringung« Jedes Element benötigt das vorgelagerte Ele-ment, um überhaupt zu existieren. Als Gedanken-modell kann man es sich so vorstellen: »WennFeuer verbrennt entsteht Asche (= Erde), in derErde befinden sich Erze (= Metall), wenn Metallkalt wird sammelt sich daran Feuchtigkeit (= Was-ser), Wasser ist das Lebenselexier der Bäume(= Holz), Holz wird benötigt, um Feuer zu entfa-chen.« Damit ist der Kreislauf geschlossen.

Kreislauf der »Kontrolle«Holz kontrolliert ErdeErde kontrolliert WasserWasser kontrolliert FeuerFeuer kontrolliert MetallMetall kontrolliert Holz

Ein recht häufig anzutreffendes Disharmonie-muster finden wir beispielsweise in dem Bild »DieLeber kontrolliert die Milz zu stark«, d. h. die Milzwird in ihrer Funktion von der Leber dominiert. Wirkönnen uns hierbei ein Pferd vorstellen, das zumeinen recht aggressiv ist (Leber-Qi schießt hoch),jedoch auf der anderen Seite ein bisschen überge-wichtig, aufgedunsen und mit schlaffer Muskulaturausgestattet ist (Milz-Qi zu schwach).

7.1.2 Betasten nach der TCVM

Kommen wir noch mal zurück zu dem Beispiel derakuten Bindehautentzündung. Wir haben als einemögliche chinesische Diagnose das »Leberfeuer,das in die Augen steigt«, genannt. In diesem Fallkönnten wir mit Hilfe der Akupressur oder Aku-punktur sedierende, also Energie ableitende Punk-te auf dem Lebermeridian stimulieren, um das Qiwieder zu harmonisieren und damit die akuteEntzündung aus dem Körper zu nehmen.

Fülle und Leere Warum wollen wir bei der akuten Bindehaut-entzündung nun »Energie ableitend« therapie-ren? Grundlegend wird bei der Diagnose unter-schieden, ob wir einen Fülle- oder einen Leere-Zustand in einem Meridian haben. Sowohl eineEnergie-Fülle als auch eine Energie-Leere kannzu Stagnationen im Qi-Fluss des Meridians füh-ren. Stellen Sie sich einen Bachlauf vor, der nurnoch sehr wenig Wasser führt, ein kleines Rinn-sal, das aufgrund der zu geringen Wassermengebei den kleinsten Unebenheiten stecken bleibtund nicht mehr weiterfließen kann. Ebenso ver-hält es sich mit der Energie-Leere in einem Meri-dian. Genau umgekehrt ist es bei der Energie-

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Fülle: Der Bach enthält viel zu viel Wasser, sobalddas Bachbett mal etwas enger wird, staut sichdas Wasser hoch an, es kann nicht mehr ingleichmäßiger Geschwindigkeit weiterfließen.Häufig haben wir es bei akuten Geschehen miteiner Fülle zu tun und bei chronischen eher miteiner Leere. Entsprechend des energetischenZustands eines Meridians wird dann sedierend(= Energie ableitend) oder tonisierend (= Energiezuführend) genadelt oder akupressiert. Energieableiten oder zuführen können wir zum einenüber die Auswahl der Akupunktur-Punkte zumanderen durch die Art der Stimulierung desjeweiligen Punktes oder eines gesamten Meri-dians.

Energie ableiten oder zuführen durchAkupressur, Akupunktur oder KräuterWenn Sie entlang eines Meridians in seinerVerlaufsrichtung streichen (orientieren Sie sichhierbei an der Nummerierung), stärken Sie seineEnergie, wenn Sie gegen den Verlauf streichen,wirken Sie ableitend.Um einen Punkt direkt zu tonisieren wird diesermit sanfter, einfließender Energie gedrückt. Umzu sedieren wird er kräftig ausleitend massiert.Seien Sie jedoch vorsichtig, wenn Sie einen Fülle-Punkt gleich zu Anfang zu energisch massieren,könnte Ihr Pferd sich aufgrund des unangeneh-men Drucks wehren.Beginnen Sie immer vorsichtig und beobachtenSie die Mimik des Pferdes. Atmet es tief durch?Sinken Kopf und Hals in Entspannungshaltungund wird es langsam ruhiger? Dann sind Sie aufdem richtigen Weg.Bleiben wir beim Beispiel mit der akuten Binde-hautentzündung: Wir müssen nun auch sichersein, dass der Lebermeridian überhaupt betroffen

Fülle und Leere 111

ist. Wenn Sie einen Blick auf die Übersicht derMeridiane am Kopf werfen, können Sie sehen,dass noch einige andere Meridiane das Auge ver-sorgen, bzw. ihren Anfang direkt am Auge neh-men: Die Meridiane Blase, Gallenblase undMagen. Wir müssen also prüfen, welcher Meri-dian oder welche Meridiane betroffen sind, dannerst können wir ein Therapiekonzept zusammen-stellen und uns für genaue Akupunkturpunkteentscheiden. Hierbei erkennen wir übrigens wie-der den Unterschied zur Schulmedizin:Die Schulmedizin stellt fest: »bakterielle Ursa-che«, und kennt dafür eine Behandlungsmetho-de, z.B. die Antibiotika-Therapie.Die TCVM fragt: Welches Disharmoniemusterzeigt sich – welcher Meridian ist betroffen: Leber,Gallenblase, Blase und/oder Magen? Und wähltdanach eine Behandlungsmethode zur Therapieder individuellen Störung aus.

Wie stellen wir fest, welcheMeridiane betroffen sind? Eine einfache und gute Möglichkeit bei Pferdenist die Prüfung der Shu-Punkte (= Zustim-

braun = Magen schwarz unten = Dickdarmrot = Dünndarm lila = Dreifacher Erwärmerblau = Blase schwarz oben = Gallenblase

Die Meridiane am Kopf

Kapitel 7

mungspunkte) auf dem Blasenmeridian auf»Druckdolenzen«. Wir prüfen dabei, ob das Pferdbei Druck auf gewisse Punkte leichte Schmerz-äußerungen zeigt. Die Shu-Punkte liegen aufdem Rücken, etwa eine Handbreit neben der Wir-belsäule. Jeder Shu-Punkt steht in Verbindungmit einem Meridian und gibt uns Auskunft da-rüber, ob Disharmonien in dem Energiefluss die-ses Meridians auftreten. Alle Punkte jedes Meri-dians sind durchnummeriert und entfalten beiStimulierung eine spezielle Wirkung.

Schauen Sie sich die Abbildung von dem Verlaufdes Blasenmeridians an Hals und Rücken an undversuchen Sie, diesen bei Ihrem Pferd zu finden.Beginnen Sie am Hals kurz hinter den Ohren undstreichen Sie mit ein, zwei Fingern den Verlaufnach. Leicht parallel zum Mähnenkamm, dannfolgen Sie der oberen Rundung des Schulterblat-tes und streichen anschließend über den Rücken– etwa eine gute Handbreit entfernt von derWirbelsäule. Experimentieren Sie mit unter-schiedlichen Druckstärken, nehmen Sie die ganze

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Shu-Punkte auf dem Blasenmeridian

13 14 15 16 17 17’ 18 18’ 19 19’ 20 21 22 23 24 25

S h u - P u n k t eShu Zugeordneter Lokalisation

Meridian auf demBlasenmeridian

Blase 13 Pericard 11. ICR von hintenBlase 14 Lenkergefäß 10. ICR von hintenBlase 15 Lunge 9. ICR von hintenBlase 16 [Blutbildungs- 8. ICR von hinten

funktion]Blase 17 Gallenblase 7. ICR von hintenBlase 17’ Magen 6. ICR von hintenBlase 18 Leber 5. ICR von hintenBlase 18’ Dreifacher Erwärmer 4. ICR von hintenBlase 19 Milz 3. ICR von hintenBlase 19’ [Meer des Qi] 2. ICR von hintenBlase 20 Dickdarm 1. ICR von hintenBlase 21 [Tor des hinter der letzten

Ursprungs-Qi] RippeBlase 22 Dünndarm zwischen 1. und 2.

LendenwirbelBlase 23 Blase zwischen 2. und 3.

LendenwirbelBlase 24 - -Blase 25 Niere zwischen 5. und 6.

Lendenwirbel

(weitere mögliche Druckdolenzen für Niere direkt aufder Wirbelsäule zwischen dem letzten Lendenwirbel unddem 1. Kreuzwirbel und der gesamten Sakralgegend)

Akupressurpunkte 113

Akupressurpunkt

Lunge 11

Dickdarm 11

Magen 1

Magen 36

Milz 3

Milz 6

Pericard 7

Dünndarm 3

Blase 1

Blase 10

Blase 40

Blase 62

Lage

An der inneren Seite des Beinesam Kronsaum in einer Vertiefungvor dem Hufknorpel

Bei angewinkeltem Unterarm amEnde der Ellenbogenbeugefaltein einer Delle vor dem Oberarm-knochen

Auf dem unteren Augenliedunter der Mitte der Pupille

An der Außenseite desHinterbeines etwa eineHandbreit unterhalb desKniegelenks

An der Innenseite desHinterbeins unterhalb desGriffelbeinknöpfchens

An der Innenseite desHinterbeins, etwa eine Handbreitoberhalb des Sprunggelenks ander hinteren Seite desSchienbeins

An der Innenseite desVorderbeins in der Beugefaltedes Vorderfußwurzelgelenks

An der Außenseite desVorderbeins unterhalb desGriffelbeinknöpfchens

Am inneren Augenwinkel ineiner Vertiefung

Am Hals, etwa eine Handbreithinter dem Ohr und drei Fin-gerbreit entfernt vom Mähnen-kamm

Am Hinterbein in der Mitte derKniekehle

An der Außenseite desHinterbeins in einer Vertiefungzwischen Fersenbein undSchienbein

Wirkung nach TCVM

Stimuliert das Lungen-Qi,Klärt Hitze,Leitet Wind aus

Klärt Hitze aus,Unterstützt die Schulter,Reguliert und befeuchtet den Dickdarm

Klärt die Augen, Klärt Hitze,Leitet Wind aus

Unterstützt Magen und Milz in ihrer Verdauungsfunktion,Stärkt das Qi

Stärkt das Milz-Qi,Zerstreut Feuchtigkeit und Schleim

Unterstützt Milz und Niere,Harmonisiert das Leber-Qi,Klärt feuchte Hitze,Reguliert den Wasserhaushalt,reduziert Ödeme

Beruhigt den Geist und mindert Schreckhaftigkeit,Kühlt Herz-Feuer,Entspannt den Brustkorb

Unterstützt die Wirbelsäule und den Rücken,Klärt Hitze, Wind und Feuchtigkeit,Unterstützt die Sehnen

Klärt die Augen,Vertreibt Wind und Hitze

Vertreibt Hitze,Klärt den Verstand,Stärkt den Rücken

Harmonisiert und stärkt die Region vonLendenwirbelsäule und Kreuzbein

Harmonisiert den Blasenmeridian,Entspannt Muskeln und Sehnen,Vertreibt Wind,Lindert Schmerzen, Klärt das Bewusstsein

Kapitel 7

Hand, einen Finger oder auch einen Kuli (mit ein-gezogner Miene) zur Hilfe. Probieren Sie es aus;es ist nicht so schwer, wenn Sie Ihrem Gefühl fol-gen. Die Akupunkturpunkte sind alles andere alswinzig beim Pferd.Meist finden Sie einen Punkt als eine kleineKuhle, in die Sie bequem Ihre Fingerkuppe legenkönnen.Sie können bei der Shu-Punkt-Diagnostik auchvon hinten beginnen: Suchen Sie die letzte Rippeund streichen Sie am hinteren Rand der letztenRippe nach oben, bis Sie etwa eine Handbreitentfernt von der Wirbelbrücke mit dem Finger ineine kleine Kuhle fallen: Das ist der Punkte»Blase 21«, von dem aus können Sie sich nachvorne und nach hinten zu den anderen Shu-Punkten weitertasten.

Die Shu-Punkte liegen alle in Interkostalräumen(ICR), das ist der Bereich jeweils zwischen zweiRippen. Wenn Sie einen schmerzhaften Punktgefunden haben, zählen Sie von der letzten Rippe(Blase 21) aus, um genau festzustellen, um wel-chen Punkt es sich handelt. Nachfolgend sind dieShu-Punkte und ihr zugeordneter Meridian nachder TCVM aufgelistet.

Wenn wir nun bei unserem Beispiel-Fall »Binde-hautentzündung« Druckdolenzen bei »Blase 18«festgestellt haben, könnten wir beispielsweiseüber den Lebermeridian mit »Leber 2« und»Leber 3« therapieren. Allein schon die Massageeines druckdolenten, also schmerzhaften Shu-Punktes wie »Blase 18« bringt dem Pferd Erleich-terung.

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Akupressurpunkt

Niere 3

Leber 2

Leber 3

Gallenblase 1

Gallenblase 34

Gallenblase 41

Lage

An der Innenseite desHinterbeins in der Mitte desSprunggelenks

An der Innenseite desHinterbeins direkt unterhalb des Fesselgelenks

An der Innenseite desHinterbeins auf halber Höhe des Mittelfußknochens

Am äußeren Augenwinkel ineiner Vertiefung

An der Außenseite derHinterbeine unterhalb desWadenbeinköpfchens

An der Außenseite desHinterbeins unterhalb desSprunggelenks hinter demGriffelbein

Wirkung nach TCV

Stärkt das Nieren-Qi,Reguliert den Wasserhaushalt

Kühlt Leber-Feuer,Leitet Wind aus,Harmonisiert das Leber-Qi

Harmonisert das Leber-Qi,Lindert Krämpfe,Beruhigt den Geist

Vertreibt Wind-Hitze,Klärt die Augen bei Leber-Feuer

Entspannt und stärkt Muskeln und Sehnen, LöstStauungen des Leber-Qi, Leitet Feuchtigkeit undHitze aus

Enspannt die Region der Lendenwirbelsäule,Löst Feuchte-Hitze auf,Harmonisiert das Leber-Qi