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beein DRUCK end NEUE MEISTERWERKE AUS DEM BRÜGGER KUPFERSTICHKABINETT DE

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beeinDRUCKendNEUE MEISTERWERKE AUS DEM BRÜGGER KUPFERSTICHKABINETT

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Die Kunst des Sammelns

Der Stich Sot’s Paradise von George Bick-ham eignet sich gut als Auftakt zu dieser Ausstellung mit Höhepunkten aus der Sammlung des Händlers und Sammlers Guy Van Hoorebeke, denn die Vielfalt an Stichen ist repräsentativ für den Inhalt der neuerworbenen Sammlung. Einige der von Bickham abgebildeten Stiche befinden sich sogar tatsächlich in Guy Van Hoorebekes Sammlung oder befanden sich bereits im Besitz des Groeningemuseums, etwa das Bildnis von Philippe de Champaigne oder die Stiche von Jacques Callot.

Solche Trompe-l‘Œil-Collagen werden auch Medley (Mischmasch) genannt. Es handelt sich dabei um ein im London des frühen 18. Jahrhunderts entstandenes neuartiges Genre, das es den Stechern ermöglichte, ihre Virtuosität – einerseits im Umgang mit illusionistischen Colla-ge-Effekten, andererseits in der Imitation verschiedener graphischer Techniken – wirkungsvoll unter Beweis zu stellen. Der Stich als Ganzes soll für das Können des Künstlers werben. Darüber hinaus regt das Medley den Betrachter dazu an, die jeweili-gen Stiche zu identifizieren und einen mög-lichen Zusammenhang zwischen ihnen he-rauszufinden. Der Titel des Stichs verweist auf das abgebildete Pamphlet Sot‘s Para-

dise, ein Werk des Satirikers Edward Ward aus dem 18. Jahrhundert.

Auch das im Schaukasten ausgestell-te Album ist eine schöne Einführung in die Ausstellung. Es enthält mehr als 600 Bildnisse, die hauptsächlich aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen und in der Mehrzahl historische Persönlichkeiten wie Künstler, Philosophen, Kleriker, Könige und Kriegsherren darstellen. Die Porträts wurden wahrscheinlich im 18. Jahrhun-dert von einem Sammler zu vorliegenden Album zusammengestellt. Die Sammlung von Guy Van Hoorebeke umfasst auffallend viele Porträts, obwohl sich dieses Genre de facto nicht gut verkauft. Seine Porträts-ammlung ist daher ein schöner Beleg da-für, dass sich Van Hoorebeke beim Ankauf seiner Werke manchmal eher von seiner persönlichen Leidenschaft als von seinem Geschäftssinn leiten lässt.

Pieter Bruegel der Ältere

Im Lauf des 16. Jahrhunderts nimmt die Nachfrage nach Stichen stark zu. Das er-fordert eine effizientere Organisation des Produktionsprozesses. Entwurf, Schnitt, Druck und Verkauf des Stichs übernimmt daher häufig nicht mehr ein und derselbe Künstler, sondern die Produktion wird von einem Verleger koordiniert, der Spezialis-ten mit den jeweiligen Aufgaben betraut. Hiëronymus Cock ist gegen Mitte des 16. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Verleger in Antwerpen. Er arbeitet mit namhaften Radierern und Entwerfern zu-sammen. Als Pieter Bruegel 1554 von sei-ner Italienreise zurückkehrt, beginnt er ebenfalls für Cock zu entwerfen. Es entwi-ckelt sich eine langjährige Zusammenar-beit, die bis zum Ende von Bruegels Karri-ere andauert. Seine Entwürfe werden von verschiedenen Radierern gestochen.

Auf dem Stich Der Esel in der Schule er-hält ein ungezogener Schüler vom Leh-rer mitten in der Klasse voll lärmender Kinder eine Tracht Prügel. Vor allem der Mitschüler, der links auf dem Bild Noten liest, zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Der – abgeschnittenen – Bildunterschrift nach müht sich der Esel umsonst: Er kann lernen, was er will, ein Pferd wird er nie-mals werden. Der Stich stammt von Pieter van der Heyden, der Bruegels Entwürfe meistens getreulich umsetzt.

Auch der niederländische Kupferstecher Philips Galle graviert Entwürfe von Pieter Bruegel. Galle ist ein viel phantasievolle-rer Künstler und geht freier mit den Ent-würfen um. Der Stich Mäßigung stammt von seiner Hand. Er ist aus einer Reihe mit den sieben Tugenden, mit der Bruegel an die zuvor entstandene Reihe mit den sie-ben Sünden anknüpft. Der Schlangengür-tel der Hauptperson verweist auf den Pla-neten Merkur. Rund um Temperantia sind die Allegorien der Künste dargestellt, die unter dem Einfluss dieses Planeten ste-hen, wie Theater und Musik, Astronomie, Geometrie, Rhetorik, Sprachwissenschaft und Mathematik.

Manierismus in den Niederlanden

Im 16. Jahrhundert führt Hendrick Goltzi-us den Manierismus in die niederländische Stichkunst ein. Der Manierismus ist eine Strömung, die sich vom harmonischen Stil der Renaissance abkehrt und sich durch Darstellungen mit unnatürlich proportio-nierten und übertrieben muskulösen Figu-ren in bizarren Körperhaltungen auszeich-net. Goltzius entwickelt einen Radierstil mit an- und abschwellenden Linien, der sich für die Wiedergabe der Wölbungen solcher Figuren hervorragend eignet. Diese Tech-nik wird von seinen Schülern und Kollegen, darunter Jabob Matham, Jan Harmesz. Muller und Jan Saenredam, aufgegriffen und fortgeführt.

‘Fui, non sum; es, non eris‘ steht auf einem Grab, auf dem ein Skelett sitzt. Es ist eine Botschaft an den eleganten jungen Mann, der – wie die Blume in seiner Hand – in der Blüte seines Lebens steht. Das Skelett er-innert ihn mit ‘Was ich war, bin ich nicht; was du bist, wirst du nicht sein‘ an seine Sterblichkeit. Solche Vanitasdarstellungen, die dem Betrachter seine Vergänglichkeit vor Augen führen, sind ein häufig wieder-kehrendes Thema in der Kunst. Jan Saen-redam schnitt diesen Stich nach einem Werk von Goltzius.

Ebenfalls von Saenredam ist Eine ältere Frau verführt einen jungen Mann. Auf die-sem Stich geht ein junges Pärchen an ei-nem Tisch vorbei, hinter dem eine alte Frau mit einem Geldkästchen sitzt. Sie kann den Jüngling nicht mit ihrer Schönheit verfüh-ren, wie die Frau an seiner Seite, und zieht daher mit dem Geld, das sie ihm hinzählt, seine Aufmerksamkeit auf sich. Das Werk ist das Gegenstück zu einem Stich, auf dem ein alter Mann versucht, eine junge Frau zu verführen (nicht ausgestellt).

Italienische Stiche

In der Kunst des Kupferstichs der italieni-schen Renaissance spielt Marcantonio Rai-mondi eine herausragende Rolle. Die von ihm entwickelte Technik erlaubt es ihm, sowohl die Helldunkel-Effekte der Malerei als auch die Räumlichkeit von Skulpturen nachzubilden. Damit legt er in gewissem Sinne den Grundstein für die Reproduk-tionsgraphik – obwohl er selbst nicht als typischer Reproduktionsgraphiker angese-hen werden kann. Er kopiert nämlich nicht buchstäblich, sondern zitiert und para-phrasiert Elemente aus Werken und inter-pretiert so seine Vorbilder auf ganz eigene Art und Weise. Marco Dente und Agostino Veneziano, deren Werk hier ebenfalls ge-zeigt wird, gehören zur so genannten Rai-mondi-Schule. Die drei Künstler kopieren wiederholt ganze Kompositionen oder De-tails aus eigenen Arbeiten oder den Wer-ken der anderen. Nackter mit Säulensockel wurde zum Beispiel von Agostino Venezia-no nach einem Stich von Marcantonio Rai-mondi angefertigt.

Innerhalb der Raimondi-Schule nimmt Raffael eine Schlüsselstellung ein: Zahlrei-che Stiche gehen auf seine Werke zurück. Vermutlich liefert Raffael hierfür selbst die Entwürfe. So ist Marco Dentes Schlachtfeld nach der Schlacht an der Milvischen Brücke von Raffael entstanden. Die Darstellung gibt es ebenfalls als Fresko von Giulio Ro-mano im Sala di Costantino im Vatikan.

Das monumentale Blatt Die Predigt Johan-nes des Täufers stammt von Giovanni Bat-tista Fontana, einem Künstler aus Verona. Ihm werden etwa 68 Stiche zugeschrieben, Die Predigt Johannes des Täufers ist jedoch einer der wenigen, die Fontana eigenhän-dig ausgeführte. Ab 1573 ist Fontana Hof-maler Ferdinands II. in Österreich.

Rembrandt van Rijn

Der als Maler berühmte Rembrandt ist auch ein meisterhafter Radierer. Er ist ein so genannter Peintre-Graveur: ein Maler, der seine eigenen Bilder sticht oder ra-diert. Dafür eignet sich das Radieren be-sonders gut, da die Platte beim Radieren nicht geschnitten werden muss. Stattdes-sen zeichnet der Künstler in eine Wachs-schicht auf der Druckplatte, anschließend ätzt eine Säure das Metall an den einge-ritzten Stellen. Rembrandt kann also auf Wachs zeichnen, wie er auch auf Papier zeichnet. Er schafft ungezwungene, treff-sichere Radierungen und spielt dabei häu-fig mit Helldunkel-Kontrasten. Neben den Porträts und mythologischen, biblischen und historischen Darstellung, die er als Gemälde ausführt, wendet sich Rembrandt in seinen Radierungen auch anderen The-men zu, etwa dem Akt und Figurenstudien.

Als 1630 die Radierung Bettler entsteht, arbeitet Rembrandt bereits seit mehreren Jahren als selbständiger Meister in seiner eigenen Werkstatt in Leiden. Zu dieser Zeit radiert er eine Reihe von Bettlern, Land-streichern und Quacksalbern, die berühmt werden sollte. Hierzu ließ er sich von Jac-ques Callots Bettlern und Krüppeln sowie möglicherweise auch vom Werk des Italie-ners Stefano Della Balla anregen.

1631 lässt sich Rembrandt in Amsterdam nieder. Sitzender weiblicher Akt entsteht im selben Jahr und ist einer der frühesten Akte in Rembrandts radiertem Werk. Im Gegensatz zu klassizistischen Künstlern stellt er keine idealisierten, sondern natür-liche Körper dar, wie auf diesem Stich zu sehen ist.

Aufstand der Niederlande gegen die spanische Herrschaft

1555 wird dem spanischen Regenten Phi-lipp II. die Herrschaft über die Niederlande übertragen. Schon bald regt sich Protest gegen den zunehmenden Verlust des Mit-sprache- und Selbstbestimmungsrechts, gegen den aufgezwungenen Katholizismus und die verlorene Religionsfreiheit. Diese Spannungen münden 1568 in einen Krieg, der achtzig Jahre dauern sollte.

Auf einem Stich von Willem Jacobsz. Delff symbolisieren gefesselte Jungfrauen die niederländischen Provinzen. Sie knien vor dem Herzog von Alba, der vom spanischen König zum Statthalter der Niederlande er-nannt wurde. Alba und der spanische Minis-ter Granvelle werden von einem Teufel mit einer Tiara gekrönt. Die grausamen Folgen, die die niederträchtigen Einflüsterungen haben sollten, die Granvelle Alba ins Ohr bläst, sind im Hintergrund dargestellt.

Die zur Legende gewordene Witwe Kenau Simonsdochter Hasselaer ist die Galions-figur des Aufstandes in der nordholländi-schen Stadt Haarlem. Der Überlieferung nach leistet sie den spanischen Truppen, die 1572 vor den Toren der Stadt stehen, gemeinsam mit einer Gruppe Haarlemer Frauen tapfer Widerstand. Von der faszinie-renden mutigen Frau werden bereits wäh-

rend der Belagerung von Haarlem Bildnis-se gedruckt. Der hier ausgestellte Stich ist eine bis jetzt unbekannte Variante eines weitverbreiteten Typs.

Ein Druck des vom Herzog von Alba aus Antwerpen verbannten Kupferstechers Frans Hogenberg stellt dar, wie deutsche Söldner 1577 von Antwerpener Bürgern aus der Stadt gejagt werden. Die Truppen hatten die Spaniern in Antwerpen statio-niert, um die Bevölkerung ruhig zu halten. Ein anderer Stich würdigt die Herren Bour-se, Van Roeck und Van Liedekercke als In-itiatoren des Widerstands. Als sich später herausstellt, dass sie ihren Anteil an dem Aufruhr stark übertrieben hatten, distan-ziert sich der Schöpfer des Stichs, Pieter Baltens, von seinem Werk.

Mit einer Reihe antiker und biblischer Auf-stände lehnt sich Willem van Haecht subtil gegen die spanische Herrschaft auf. Nur im Vorwort zur Reihe wird auf einen Zusam-menhang zwischen dem Mut der darge-stellten Personen und dem der „modernen“ Aufständischen angespielt. Van Haecht lässt jeweils zwei Helden dieser Reihe von namhaften Meistern wie Maarten de Vos und Marten van Cleve I entwerfen.

Ornamentgraphik des 16. Jahrhunderts

Ornamentstiche dienten in erster Linie als kunstgewerbliche Vorlagen. Solche Sti-che wurden jedoch auch aufgrund ihrer ästhetischen Qualitäten geschätzt. Bei-spiele hierfür sind die Entwürfe für Juwe-lenschmuck von Hans Collaert oder der Schalenboden mit Wilhelm von Oranien als weisem Befehlshaber. Dieses letzte Werk gehört zu einer Reihe von Stichen mit po-litischem Unterton, die an das Ensemble mit dem Aufstand der Niederlande gegen die spanische Herrschaft anknüpft. Wil-helm von Oranien, der die aufständischen Niederländer anführte, wird in dieser Fol-ge als weiser Befehlshaber dargestellt. Der dekorative Rand rund um sein Porträt enthält Szenen mit weisen Richtern aus dem Alten Testament. Ein anderer Stich aus derselben Folge (nicht ausgestellt) zeigt den spanischen Statthalter der Süd-lichen Niederlande, den Herzog von Alba, als törichten Befehlshaber.

Mehrere der hier ausgestellten Stiche ent-halten so genannte Groteskenornamente: unzählige, meist symmetrisch angeord-nete Phantasiewesen, Ranken, architek-tonische Elemente und Masken, die auf antike Wandmalereien zurückgehen, wie sie in der Renaissance bei Ausgrabungen in Rom gefunden wurden. Groteske Or-namentstiche spielten eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung der Bildspra-che der italienischen Renaissance im 16. Jahrhundert. Für deren Einfluss auf die Niederlande ist der Stich von Lucas van Leyden ein frühes Zeugnis.

Die niederländische Landschaft im 16. Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert befreit sich die Land-schaft aus ihrer untergeordneten Positi-on im Bildhintergrund und wird ein selb-ständiges Genre, das international sogar als eine Spezialität der niederländischen Maler betrachtet wird. Das hier gezeigte Ensemble veranschaulicht einige wichtige Entwicklungen im 16. Jahrhundert. In die-ser Zeit wird die Landschaft immer realis-tischer dargestellt: Künstler gehen in die Natur, um Studien „nach dem Leben“ an-zufertigen. Dennoch sind die erhalten ge-bliebenen Kompositionen in den meisten Fällen noch keine wirklich realistischen Landschaften, vielmehr handelt es sich um komponierte Darstellungen, die von der Realität inspirierte Naturfragmente enthalten. Die Stiche von Hans Bol sind Beispiele für typisch flämische (Dorf-)Ansichten aus der Mitte des 16. Jahrhun-derts. Eine weitere Besonderheit dieser Zeit sind topographische Ansichten, wie hier die Darstellung Limburgs aus Be-schreibung der Niederlande des bedeuten-den, in Antwerpen lebenden italienischen Humanisten Ludovico Guicciardini.

Künstler reisen ab dem 16. Jahrhundert auch immer häufiger ins Ausland, haupt-sächlich nach Italien, um dort die Kunst der Antike und Renaissance zu bewundern und zu studieren. Ihre Eindrücke verarbei-ten sie in Stichen, die große Verbreitung finden. Die 1551 von Hieronymus Cock herausgegebene Folge Römische Ruinen ist hierfür eines der frühesten Beispiele in den Niederlanden.

Auch Prag, wo sich der Hof des Habsbur-ger Kaisers Rudolf II. befindet, übt im 16. Jahrhundert eine besondere Anziehungs-kraft auf Künstler aus. Davon zeugt die böhmische Landschaft von Pieter Stevens, der als Hofmaler des Kaisers fast seine gesamte Laufbahn in Prag und Umgebung verbringt.

Französische Hofkultur in Stichen

Im 17. Jahrhundert ist die Künstlerfami-lie Pérelle bei der Produktion von Land-schaften und topografischen Ansichten in Frankreich tonangebend. Vater Gabriel und seine Söhne Nicolas und Adam brin-gen gemeinsam etwa 1.300 Stiche auf den Markt. Da diese häufig nur mit dem Familiennamen Pérelle signiert sind, las-sen sich die Stiche von Gabriel und seinen Söhnen schwer auseinanderhalten. Ein Großteil ihres Schaffens stellen Ansich-ten von Pariser Denkmälern dar, darunter auch die königlichen Schlösser mit ihren prächtigen Gärten.

Auf einem der Stiche ist das Schloss Fon-tainebleau zu sehen. Im Auftrag König Franz‘ I. wird die ursprünglich mittelalter-liche Burganlage im 16. Jahrhundert von italienischen Künstlern zum Schloss im Renaissancestil erweitert, das Ludwig XIV., dem Sonnenkönig, im 17. Jahrhundert als Vorbild für sein exorbitantes Versailler Schloss dienen sollte. Schloss Fontaineb-leau verblasst jedoch neben der üppigen Architektur und den enormen Gärten des pompösen Versailler Palastes, das eben-falls von Pérelle dargestellt wurde.

Ein eindrucksvolles Blatt aus dem 18. Jahrhundert zeigt das prächtige Staatsbe-gräbnis des spanischen Königs Philipp V. Er ist ein Enkel Ludwigs XIV. und der ers-te spanische Herrscher aus dem Hause Bourbon. Aufgrund seiner französischen Abstammung wird er in Paris begraben. Der Stich vermittelt anschaulich, wie viel Mühe es gekostet haben muss, die ge-samte Kathedrale Notre-Dame de Paris mit Kerzenlicht zu erleuchten.

Wissenschaftliche Stiche des 18. Jahrhunderts

In der Aufklärung nimmt der Drang zu, die Welt zu messen, zu erforschen und zu beschreiben. Entdeckt, gesammelt und beobachtet wird jedoch nicht nur zu wis-senschaftlichen Zwecken, sondern auch zum Vergnügen. Der Stich mit dem Garten des Grafen D‘Althann in Wien ist dafür ge-dacht, durch einen Guckkasten betrachtet zu werden. Eine konvexe Linse und Spie-gel verstärken den räumlichen Eindruck von Guckkastenbildern. Solche Stiche mit aufsehenerregenden Motiven verschie-denster Art erscheinen in großer Auflage. Durch den dreidimensionalen Eindruck wähnt sich der Betrachter an einem exo-tischen Ort.

Der Stich mit dem Reiterstandbild Lud-wigs XIV. veranschaulicht das Wachsaus-schmelzverfahren. Mit dieser Methode werden Bronzeskulpturen gegossen. Der Stich zeigt das Wachsmodell des Reiter-standbilds mit Eingusskanälen. In einem späteren Stadium wird das Modell mit ei-ner Schicht Keramik ausgekleidet. Beim Brennen schmilzt das Wachs, so dass die Bronze über die Kanäle in das Modell gegossen werden kann. Die Darstellung stammt ursprünglich aus der 28-bändi-gen Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (1751-

72) von Denis Diderot und Jean le Rond d‘Alembert. In diesem für die franzö-sischen Aufklärung sehr bedeutenden Werk dokumentieren der Philosoph und der Mathematiker das damals verfügba-re wissenschaftliche, handwerkliche und künstlerische Wissen.

Drei Kakteen und Alpenveilchen sind Illus-trationen aus Phythantoza iconographia (1737-45) des Apothekers und Botanikers Wilhelm Weinmann. Die meisten Stiche aus dem Werk gehen auf Zeichnungen von Georg Ehret zurück, die im 18. Jahr-hundert sehr einflussreich waren. Der Stich mit den Drei Kakteen ist in einer besonderen Technik hergestellt: Es han-delt sich um eine Kaltnadelradierung mit Schwarzkunst-Effekten. Durch die sub-tilen Abstufungen scheinen die Töne in-einander überzugehen. Zuletzt wurde die Darstellung von Hand nachkoloriert.

Piranesi und die römische Antike

Auch nach der Renaissance übt die Antike eine starke Anziehungskraft auf Künstler aus. Im 18. Jahrhundert kommt es über die Frage, ob der Ursprung der westlichen Zivilisation in Griechenland oder Rom lie-ge, zu einer heftigen Debatte. Der italieni-sche Künstler Giovanni Battista Piranesi ist von der Überlegenheit der römischen Kul-tur überzeugt, und das bringt er in seiner Kunst deutlich zum Ausdruck.

Piranesi fertigt mehr als tausend Stiche an, die für das Bild der römischen Antike im 18. Jahrhundert bestimmend sind. In seinen Radierungen dokumentiert er die überwu-cherten und von der modernen Stadt wie eingekapselten Relikte der ruhmreichen römischen Vergangenheit. Beispiele hier-für sind Ansichten Roms und Römische Al-tertümer.

Piranesi ist der Ansicht, man solle antike Elemente nicht lediglich nachahmen, son-dern sie auch aufgreifen und verarbeiten. Das illustriert er anhand einer Folge von Entwürfen für Kamine, von denen hier ei-ner in ägyptisierendem Stil ausgestellt ist. Einige dieser Entwürfe wurden auch tat-sächlich realisiert und sind bis heute be-wahrt geblieben.

Der Künstler schafft nicht nur Stiche, viel-mehr restauriert und verkauft er auch An-tiquitäten – was in Rom zur damaligen Zeit ein florierendes Geschäft ist. Zu Werbe-zwecken gibt er Stiche mit den Antiquitäten aus der eigenen und fremden Sammlung heraus. Im Bildtext nennt Piranesi Her-kunft und jetzigen Aufbewahrungsort des abgebildeten Objekts.

Titelblatt für eine Sammlung verschiede-ner Zeichnungen, gestochen nach Guercino zeugt schließlich von der experimentellen Ader des Künstlers in Bezug auf Druck-technik. Um Guercinos Zeichenstil zu imi-tieren, arbeitet Piranesi mit zwei Druck-farben und dem Plattenton – einer dünnen Farbschicht, die bewusst auf der Plat-tenoberfläche zurückgelassen wird, um so bestimmte Effekte zu erzielen.

Raritäten

Jeder in diesem Raum ausgestellte Stich aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigt eine bemerkenswerte Darstellung oder wurden mithilfe einer besonderen graphi-schen Technik angefertigt.

Die kolorierte Radierung mit dem großen Ei ist ursprünglich als Briefpapier ge-dacht, das Kinder benutzten, um ihren El-tern einen Osterbrief oder Osterwünsche zu schicken. Die ausgelassenen Gestal-ten an der Unterseite gehen auf Figuren des niederländischen Künstlers Corne-lis Bega (1631-1664) zurück. Der Oster-brief illustriert, dass Stiche ursprünglich nicht nur Kunstwerke, sondern auch Ge-brauchsgegenstände waren.

Für das Bildnis des niederländischen Dichters und Dramatikers Joost van den Vondel wurde eine besondere Technik ver-wendet: der Puntzenstich. Dabei werden mit Stift und Hammer kleine Vertiefungen in die Druckplatte geschlagen. Johannes Lutma der Jüngere ist einer der bekann-testen Radierer, die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden mit dieser Technik ex-perimentieren.

Auch die Darstellung Friedrichs V. von der Pfalz, des so genannten Winterkönigs, und seiner Frau am Eis setzt sich aus kleinen Punkten zusammen, die mithilfe einer Roulette auf die Druckplatte aufge-tragen wurden. Die Farben der jeweiligen Druckexemplare unterscheiden sich, da sie von Hand à la poupée (mit einem Farb- ballen) aufgetragen wurden. Im Heiligen Römischen Reich ist Friedrich Kurfürst von der Pfalz und einen Winter lang (1619-1620) auch König von Böhmen. Nach

seiner Krönung verliert er eine wichtige Schlacht und geht ins Exil. Der Stich, der den Winterkönig vermutlich in seinem Exil in Den Haag darstellt, ist nach einer Zeichnung des niederländischen Malers Hendrick Avercamp (1585-1634) angefer-tigt, der für seine Winterlandschaften be-rühmt ist.

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