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Bedcht ~ber die Jahresversammlung. 499 Beriebt fiber die Jahresversammlung der Dentsehen Ornithologisehen GesellsChaft vom 28. bis 30. Mai 1897 in Dresdon, Die Jahresversammlung der Deutsehen Ornithologischen Gesellschaft flir das Jahr 1897 land unter reger Beteiligung yore 28. bis 30. Mai in Dresden statt. Von den Mitgliedern nahmen tell die Herren: Graf B e rl e p s ch (Schloss Berlepsch), Geheimer Hofrat Professor Dr. W. Blasius (Braunschweig), Dr. v. Dall- witz (Tornow), Dir. E. Hartert (Tring), Dir. Dr. Heck (Berlin), Dr. F. Helm (Chemnitz), Major A. v. Homeyer (Greifswald), H. Hiilsmann (Altenbach), Dr. A. Jacobi (Leipzig), 0. Klein- schmidt (Nierstein), Prof. Dr. Koenig (Bonn), Rechtsanw. P. Kollibay (Neisse), Polizeirat M. Kuschel (Breslau), Kustos P. Matschie (Berlin), Geh. Hofrat Dr. A. B. Meyer (Dresden), O. Neumann (Berlin), Prof. Dr. Reichenow (Berlin), Dr. E. Rey (Leipzig), Freiherr C h r. v. B i e d e r m a n n (Dresden), Conservator K. G. Henke (Dresden), H. Schalow (Berlin), Dir. SchSpf (Dresden). Als G~ste nahmen tell die Herren: Dr. J. Bfittikofer (Leyden), Pr~parator B. Geisler (Dresden), Prof. G~ring (Leip- zig), Dr. K. M. Heller (Dresden), Dr. O. Herman (Budapest), Prof. Dr. Lamp ert (Stuttgart), Inspector J. Lehnig (Dresden), OberfSrster yon Minckwitz (Dresden), Conservator Kerz (Stutt- gart), Prof. Dr. Schneider (Blasewitz), C. $chwarze (Dresden), J. Thienemann (Leipzig), Dr. A. Voigt (Leipzig), L. W. Wigles- w o r t h (Dresden), Oberforstmeister $ eh e r e I (Moritzburg), General v. Biedermann (Dresden), Conservator Wilhelm (Dresden). Am Freitag den 28. Mai 1897 Abends 7 Uhr versammelten sich die Teilnehmer im Restaurant ,,Zum WestphRlischen I-Ioi ~'. Der Generalsekretttr erSffnet im Namen des Vorstandes die Jahrversammlung. Die Gesellschaft w~ihlt die Herrn Geh. Rat Meyer, Graf Berlepsch und Geh.Rat Blasius zu Vorsitzenden, die Herrn Dr. Jacobi und Kleinschmidt zu Schriftfiihrern derVersammlung. Der erste Vorsitzende, Herr Geheimrat Meyer, begrfisst die Anwesenden~ giebt sodann einen ~berblick fiber das Programm der Versammlung und fibermittelt derselben Gr~sse der I,ierrn Amtsrat Nehrkorn und Biinger. Hr. Hartert bringt Grfisse yon Herrn Walter yon Roth- schild und yon Dr. R. B. $harpe, die es sehr bedauern, nicht anwesend sein zu kSnnen, ebenso I.ir. Kollibay yon Herrn yon T schusi, welcher eine Anzahl interessanter Vogelb~lge zur An- sicht gesandt hat, und Herr Geheimrat W. Blasius yon seinem

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Page 1: Bericht über die Jahresversammlung. der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft vom 28. bis 30. Mai 1897 in Dresden

Bedcht ~ber die Jahresversammlung. 499

Beriebt fiber die Jahresversammlung der Dentsehen Ornithologisehen GesellsChaft

vom 28. bis 30. Mai 1897 in Dresdon,

Die Jahresversammlung der Deutsehen Ornithologischen Gesellschaft flir das Jahr 1897 land unter reger Beteiligung yore 28. bis 30. Mai in Dresden statt. Von den Mitgliedern nahmen tell die Herren: Graf B e rl e p s ch (Schloss Berlepsch), Geheimer Hofrat Professor Dr. W. B l a s i u s (Braunschweig), Dr. v. Dal l - witz (Tornow), Dir. E. H a r t e r t (Tring), Dir. Dr. Heck (Berlin), Dr. F. Helm (Chemnitz), Major A. v. Homeyer (Greifswald), H. Hi i l smann (Altenbach), Dr. A. J acob i (Leipzig), 0. Kle in- s c h m i d t (Nierstein), Prof. Dr. Koen ig (Bonn), Rechtsanw. P. Ko l l i bay (Neisse), Polizeirat M. K u s c h e l (Breslau), Kustos P. M a t s c h i e (Berlin), Geh. Hofrat Dr. A. B. Meyer (Dresden), O. N e u m a n n (Berlin), Prof. Dr. R e i c h e n o w (Berlin), Dr. E. Rey (Leipzig), Freiherr C h r. v. B i e d e r m a n n (Dresden), Conservator K. G. H e n k e (Dresden), H. Schalow (Berlin), Dir. S c h S p f (Dresden).

Als G~ste nahmen tell die Herren: Dr. J. B f i t t i ko fe r (Leyden), Pr~parator B. G e i s l e r (Dresden), Prof. G~ring (Leip- zig), Dr. K. M. H e l l e r (Dresden), Dr. O. H e r m a n (Budapest), Prof. Dr. Lamp e r t (Stuttgart), Inspector J. L e h n i g (Dresden), OberfSrster yon Minckwi tz (Dresden), Conservator Kerz (Stutt- gart), Prof. Dr. S c h n e i d e r (Blasewitz), C. $chwarze (Dresden), J. T h i e n e m a n n (Leipzig), Dr. A. Voigt (Leipzig), L. W. Wigles - w o r t h (Dresden), Oberforstmeister $ eh e r e I (Moritzburg), General v. B i e d e r m a n n (Dresden), Conservator W i l h e l m (Dresden).

Am F r e i t a g den 28. Mai 1897 Abends 7 Uhr versammelten sich die Teilnehmer im Restaurant ,,Zum WestphRlischen I-Ioi ~'.

Der Generalsekretttr erSffnet im Namen des Vorstandes die Jahrversammlung.

Die Gesellschaft w~ihlt die Herrn Geh. Rat Meyer, Graf B e r l e p s c h und Geh.Rat B la s iu s zu Vorsitzenden, die Herrn Dr. J acob i und K l e i n s c h m i d t zu Schriftfiihrern derVersammlung.

Der erste Vorsitzende, Herr Geheimrat Meyer, begrfisst die Anwesenden~ giebt sodann einen ~berblick fiber das Programm der Versammlung und fibermittelt derselben Gr~sse der I,ierrn Amtsrat Neh rko rn und Biinger.

Hr. H a r t e r t bringt Grfisse yon Herrn Wal te r yon Roth - s c h i l d und yon Dr. R. B. $ha rpe , die es sehr bedauern, nicht anwesend sein zu kSnnen, ebenso I.ir. Ko l l ibay yon Herrn yon T schus i , welcher eine Anzahl interessanter Vogelb~lge zur An- sicht gesandt hat, und Herr Geheimrat W. Blas ius yon seinem

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500 Bericht tiber die Jahresversammlung.

Bruder, Herrn Prof. Rudo l f Blasius. - - Auch Hr. Dr. F15ricke, der an der Beteiligung plStzlich verhindert worden, sendet Grttsse.

Herr Prof. Re ichenow teilt mit, dass auf Helgoland laut einer gestern yon Herrn Dr. H a r t l a u b erhaltenen Nachricht am 22. Mai 8teppenhtthner gesehen sein sollen. Es liegen 2 yon einander unabh~ingige Beobachtungen vor.

Hr. Prof. Koenig giebt auf Wunsch der Versammlung einen Bericht fiber seine soeben beendete Sammelreise nach Egypten. Er schildert in anziehender Weise seine Fahrt auf dem Nil in einer Segelbarke. Redner wurde auch auf dieser Forschungsreise yon seiner Gemahlin begleitet, welche alle An- strengungen derselben mit ihm teilte. In glRnzenden Schilderungen entwirft der Vortragende ein Bild des unendlich mannigfaltigen Vogellebens der Nill~nder. Verhiiltnismiissig selten fand er Lerchen und SteinschmRtzer. Im vegetationslosen Gebirge land er ])ro- molaea leucopyga und l~cocepha~a, welche offenbar dieselbe Art sind. Besonders auffallend fand er es, dass die Blaukehlchen (•. succicus), yon denen er eine Anzahl erlegte, die blauen Kehl- federn in roller Mauser zeigten. Eingehend bespricht der Vor- tragende insbesondere die beobachteten HSven, 8eeschwalben und Enteu sowie den Sporenkukuk.

Der mit lebhaftem Beifall aufgenommene Vortrag veranlasste die Besprechung einer ganzen Reihe yon wichtigen Einzelfragen. Hr. Prof. Re ichenow lenkte die Aufinerksamkeit auf die am Kopf auftretende weisse FRrbung bei Myrmecor

Hr. H a r t e r t spricht fiber die Frage der Umf~irbung und er- kl~rt, dass nach seiner Ansicht Umf~rbung stattfinde, dass aber neben derselben ohne Zweifel die Mauser die Hauptrolle spiele.

Hr. Kol l ibay bemerkt: die Thatsache der Umf~irbung stehe lest. Es frage sich nur, wie sie zu erkliiren sei. Er habe yon Herrn yon Tschusi den Auftrag erhalten, eine Reihe von Tetrao mlokosi~ic~i aus dessen Sammlung vorzulegen und daran die VerRnderungen, deren eine ausgebildete Feder f~hig sei, zu zeigen, Veriinderungen, welche auch die Form der Feder betreffen. Er und Herr v. Tschusi seien gespannt, die Ansichten der Anwesenden darfiber zu h6ren.

Hr. Prof. K ~i n i g versichert, dass bei den Blaukehlchen kein Zweifel dariiber herrschen kSnne, dass sie das Kehlschild durch Mauser erhalten.

Graf B e r l e p s c h bemerkt, es komme nur darauf an nach- zuweisen, wie sich die Farbe entwickelt sowohl in der alten Feder, wie in der neu wachsenden. Allen habe sich neuerdings gegen die Umf~irbung ausgesprochen und leider in Deutschland viel Beifall gefunden. Die Physiologen, z. B. Leuckart, leugneten zwar jeden Zusammenhang zwischen der ausgebildeten Feder und dem KSrper, damit also auch jede MSglichkeit einer Umf~irbung. Dass aber dennoch Umf~rbung stattfinde, und dass also auch die ausgebildete Feder noch Farbstoffe vom KSrper empfange, sei

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Beficht fiber die Jahresversammlung. 501

erwiesene Thatsache. Er habe in Giitke's $ammlung Reihen yon Lummen z. B. m gesehen, welche die Umfiirbung aufs

Unwidersprechlichste bewiesen. Hr. H a r t e r t betont, dass es doch nur einzelne Falle seien,

in welchen wir Umfarbung feststellen kiinnten, und dass ihr nur eine nebensachliche Rolle, Mauser dagegen die Hauptrolle bei den Veranderungen in den Vogelkleidern zufalle.

Prof K ii n i g meint, Mauser undVerfarbung seien auseinander- zuhalten. Es gabe Viigel, die nur durch Mauser, andre die nur durch Verfarbung ihre Farben wechselten. 8o entst~inden bei t'ierocles die hochschwefelgelben Flecken durch Umf~irbung. Er habe dies an seinen in Kafigen gehaltenen VSgeln sicher fest- gestellt.

Hr. Prof. Reichenow weist auf neuere Untersuchungen amerikanischer Ornithologen hin, durch welche bewiesen ist, dass vielfach durch Mauserung bedingter Farbenwechsel irrtttmlich fQr Verfarbung gehalten worden ist. Namentlich sind Gatke der- artige Irrtiimer nachgewiesen worden. In der Hauptsaehe werde die VerRnderung des Gefieders jedenfalls dutch M~tuser ver- ursaeht, daneben komme auch Verfarbung ~'or. Redner halt Weinland's Ansicht far die zatreffendste, wonach der Farbstoff der Vogelfedern ein fettiger Stofl" ist, der im KSrper erzeugt in die Federn eindringt, sowohl wRhrend desWachstums der letzteren, als nach deren vollstiindiger Ausbildung, denn auch die fertige Feder habe Zusammenhang mit dem KSrper, tot sei sie erst, wenn sie ausfalle, wie das welke Blatt, das yore Zweige abfalle. Fiir ausgeschlossen halte er aber, dass eine ausgebildete Feder yon neuem wachse.

Hr. Kleinschmidt bemerkt, dass, falls die Rlteren Be- obachtungen richtig sind, die rotsternigen Blaukehlchen die Stern- farbe dutch Umfarbung, die blaue Farbe aber, wie Prof. KSnig bewiesen habe, durch Mauser erhielten.

Hr. Prof. Lampert weist auf das Material yon Paradies- vSgeln hin, welches er mitgebracht habe. Bei Cicinnurus kSnne er einige Exemplare vorlegen, welche tells dutch Verf~irbung, tells durch Mauser ihf Prachtkleid erhalten.

Hr. Kleinschmidt fithrt aus, dass bei einigen u be- sonders bei Raubv~geln, abnorme oder unterbrochene Mauser auftrete, und diese diirfe man nicht mit UmfRrbungserscheinungen verwechseln. Je friiher eine Feder gewechselt wird, desto mehr erhalt sie noch eine dem Jugendkleid Rhnliche Zeichnung. Je sprier der Wechsel erfolgt, desto mehr zeigt die neue Feder eine dem Alterskleid ahnliche oder schliesslich gleiche F~rbung und Zeichnung. Es stehen daher bei RaubvSgeln oft Federn des Jugendkleides neben solchen des Alterskleides, und ausserdem finden sich Federn, welche ihrer Zeichnung nach zwischen beiden in der Mitte stehen, die man abet keineswegs fiir ein Umfiirbungs- stadium halten daft.

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502 Bericht fiber die Jahresversammlung.

Hr. Major v. H o m e y e r spricht fiber seine Beobachtungen an jungen Hakengimpeln in der Gefangenschaft. Sie wechselten die Farbe zuerst an den Backen, dann am ganzen Kopf und der Kehle durch Mauserung, und zwar nahm dieselbe ziemlich lange Zeit in Anspruch.

Die Herren H a r t e r t und Prof. KSnig halten ein Nach- wachsen der ausgebildeten Feder fiir unmSglich.

Graf B e r l e p s c h stimmt dem zwar bei, mahnt aber zu vor- sichtigem und langsamem Urteile. Die Umf~rbung, welche der Feuerweber beim Wechsel seiner Kleider zeigt, scheint auch jedem unglaublich, der sie nicht mit eigenen Augen im KKfig beob- achtet hat.

Hr. K l e i n s c h m i d t erkHirt, es komme wohl vor, dass ab- geriebene Federn wieder regelm~ssige runde Umrisse erhalten. Bei gewissen Raubv6geln haben die alten V~gel kiirzere Schw~nze als die jungen. Bleiben nun einzelne alte Federn bei unter- brochener Mauser stehen, so ragen diese fiber die andern hinaus. Die vorstehende Federspitze bricht und schleift sich aber all- miihlich so vollst~ndig ab, dass die alte Feder an ihrem Ende wieder regelm~ssig gerundet erscheint und in der Form zu den neuen Federn passt.

Prof. Wilh. B l a s i u s erkl~rte, dass er seinerseits eben- falls denjenigen zustimmen mllsste, welche an die M~glichkeit der Umfiirbung ausgewachsener Federn, also an die Absonderung .eines besonderen Farbstoffs durch die ausgebildeten Federn glauben. Abgesehen yon vielen zusammenh~ingenden Beobach- tungen bei dem Farbenwechsel lebend gehaltener V6gel und bei der Untersuchung grosser Reihen von B~lgen in den verschieden- sten Entwickelungsstufen spr~che dafiir auch die bekannte Er- scheinung der NeubilduDg yon rotem Farbstoff in den prachtvoll purpurrot oder purpurviolett gef~rbten Schwungfedern der Ba- nanenffesser (Musophagiden). Es sei h~ufig beobachtet, dass der rote Farbstoff dieser Federn im lebenden Zustande durch Wasser, bei starkem Regen oder beim Baden, ausgewaschen, nach dem Abtrocknen der Federn aber sehr bald yon innen heraus wiedererzeugt wurde, wKhrend ein Wiederauftreten der roten Farbe an der toten Feder nicht stattfindet.

CNachtr~igliche Erl~uterung: l~ach den Angaben in Brehm's ,,Tierleben" hat diese Erscheinung zuerst Verreaux beobachtet und sp~ter auch Enderes durch beweisende Thatsachen auf das Bestimmteste festgestellt. Beobachtungen von Westerman und Schlegel deuten darauf hin, dass selbst im Augenblicke des Sterbens die F~higkeit der Federn, nach dem Abtrocknen wieder roten Farbstoff zur Absonderung zu bringen, fortdauert.]

Hr. Prof. K o e ni g erw~ihnt noch, dass nach seinen Be- obachtungen bei dem Birkhahn, Tetrao ferric, der Hahn sein Alterskleid lediglich durch Mauser erhalte.

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Bericht fiber die Jahresversammlung. 50~

Die anregende ErSrterung des Gegenstandes war damit vorliiufig beendet. Hr. Geheimrat Meyer fasste das Ergebnis derselben kurz zusammen: Ist man auch nicht zu roller Einigung gelangt, so wurde doch die Verf~rbung im Prinzip yon der Ver- sammlung anerkannt.

Am S o n n a b e n d , den 29. Mai vormittags 9 Uhr wareu die Teilnehmer der Jahresversammlung im zoologischen Museum vereinigt, um unter Fiihrung des Direk- tors, Geheimrat Meyer, einen Rundgang durch das Museum zu unternehmen, wobei einzelne seltenere Stiicke Gelegenheit zu Meinungsaustausch boten.

An diese zweistt~ndige Besichtigung des Museums kniipfte Herr Geheimrat Meyer sodann einige Bemerkungen iiber Ent- wicklung und Organisation, besonders der ornithologischen Ab- teilung, um mancherlei M~ngel hierdurch begreiflicher zu machen. 1849 brannte die gauze Sammlung auf, so dass jetzt keiu St~ick yon vor dieser Zeit vorhanden ist. R e i c h e n b a c h , der yon 1820--1874 hier wirkte, brachte aber eine nicht unbedeutende Vogelsammlung wieder zusammen, wenn auch in schlechtem Er- haltungszustande. Yon seinen vielen Typen sind kaum mehr als ein Dutzend im Museum, sie waren in seiner Privatsammlung und sind nach seinem Tode verschollen. Die jetzige Aufstellung ist genau nach den British Museums Catalogen geordnet, alleiu es wird schon seit einer Reihe yon Jahren so gut wie nichts mehr ausgestopft, sondern alles in B~lgen, nach demselben System geordnet, aufbewahrt; es wird das Aufgestellte vielmehr reduziert, so dass womSglich nur 1--2 Exemplare jeder Art in der Schau- sammlung bleiben. Dass die ornithologische Abteilung sich nicht in einem voUkommenen Zustande befindet, wie man es mit Recht fordern kSnnte, liegt daran, dass sich die Museumsr~iume seit 1874 verdreifacht haben, was eine stete u tier ganzen ' Sammlung zur Folge hatte, dass ferner die nur allm~hlich mSgliche Anschaffung der staubdichten eisernen Schr~inke eine weitere immerw~ihrende Umr~umung n~tig machte, dass endlich die ornithologische Abteilung niemals einen eigenen Beamten gehabt hat, trotzdem alles in allem 25 Personen am ganzen Museum besch~ftigt sind. In einigen Jahreu wird jedoch vor- aussichtlich die ornithologische Abteilung vollkommeu geordnet sein, nachdem der systematische Catalog fertig gestellt ist, der bis jetzt nur ftir die ca. 6000 Biilge in ca. 2300 hrteu vorliegt. Er ist auch genau nach den British Museums Catalogen angelegt und wird den jetzigen Bestand an ca. 33000 Exemplareu ent- halten, d. h. aUe ausgestopften (jetzt ca. 14000) Exemplare, alle Biilge und Skelette, alle Exemplare in Spiritus, aUe l~ester und Eier. Die Bibliothek des Museums umfasst ca. 4500 Werke in ca. 8500 B~inden; ein Catalog dartlber ist im Druck. hls zoolo- gische Handbibliothek steht sie kaum einer in Deutschland naeh;

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sie ist verhiiltnismiissig reich an ornithologischen Werken. Im Sitzungssaale ist der hauptsRchlichste ornithologische Bestand aufgestellt, um den Teflnehmern au der Jahresversammlung Ge- legenheit zu geben, seltenere Werke ratpflegen zu kSnnen. Es ist ein Ftihrer durch das Museum vorhanden, der jetzt auch in englischer Sprache erscheint, und die wissenschaftlichen Arbeiten werden in den ,,Abhandlungen und Berichten" herausgegeben, alle 2 Jahr ein Band. Ferner erscheinen aus dem Museum die ,,Abbildungen yon Vogelskeletten", bis jetzt 210 Tafeln; Ver- suche mit R{~ntgenstrahlen dafiir sind noch nicht sonderlich ge- lungen. Ausserdem giebt die Ethnographische Abteilung eine Folio-Publikation heraus, yon der bereits 10 Biinde erschienen. Die ornithologischen Jahresberichte Sachsens, die yon 1885--1894 vorliegen, stehen nur in einem iiusserlichen Zusammenhange mit dem Museum.

Herrn Geheimrat Meyer wurde der Beifall der Versamm- lung fiir den ebenso ~ belehrenden als uuterhaltenden Rundgang und die mit grossem Interesse entgegengenommenen Erlt~uterungen ausgedriickt. Herr Geheimrat Blasius dankte im Namen der Anwesenden mit folgenden Worten: ,,Wir haben unter der F~ihrung des Herrn Vorsitzenden Gelegenheit gehabt, die Sammlungs-Siile des kSniglichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnogra- phischen Museums zu besichtigen und soeben aus dem Munde unseres verehrten F~ihrers allgemeine Erliiuterungen tiber die bei der Aufstellung der Sammlungen angewendeten Principien und Verwaltungs-Massnahmen geh{~rt. Ich glaube, es wird wohl den meisten Anwesenden so wie mir gegangen sein, und sie werden zur Ueberzeugung gekommen sein, dass das Dresdener Museum, welches ausgezeichnete Sch~tze yon sehr bedeutendem wissenschaftlichen und materiellen Werte birgt, eines der best- aufgestellten und bestverwalteten Museen Europas ist. Jeden- falls glaube ich im Namen Aller zu sprechen, wenn ich dem Herrn Vorsitzenden fiir den grossen Genuss, der uns dutch die VorfUhrung des Museums und durch die nachtr~iglichen er- liiuternden Bemerkungen bereitet ist, den verbindlichsten Dank ausspreche."

Her,' Freiherr yon Biedermann bereitete den Anwesen- den darauf eine h~chst interessante Ueberraschung. Er hatte auf zwei Bildern der k~niglichen Gemiildegallerie eine Dar- stellung der Dronte aus dem Jahre 1666 entdeckt und mit Er- laubnis des IIerrn Galleriedirektors Geh. Hofrat Woermann die Bilder in den Sitzungssaal des Zoologischen Museums bringen lassen, wo sie seither durch einen Vorhang verhitllt yon niemandem be- merkt worden waren. Herr yon Biedermann gab in einem Vor- trag eine Uebersicht tiber die vorhandenen Abbildungen des Dodo und Erl~uterungen zu den vorgezeigten neu entdeckten Bildern.

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Herr Gebeimrat M e y e r begliickwfinschte Herrn v. Bieder- mann zu seiner Entdeckung, um so mehr, als sowohl Reichen- bach wie er vergebens nach Dodo-Bildern in den Dresdener Galerieen gesucht htitten.

Hr. Graf yon B e r l e p s c h bielt darauf seinen angekiindig.ten Vortrag fiber Nomenklaturfragen und den Begriff der Subspecms.

Redner ffihrt aus, die Veranlassung zu seinem Vortrag seien die Angriffe, welche die allgemein anerkannten Regeln fiir Nomenklatur neuerdings yon zwei Seiten erfahren h~itten: Professor KSnig habe die Anwendbarkeit der auf jenen Regeln beruhenden Doppelnamen [Beispiel C/conia ciconia (L.)] be- stritten. Von anderer SeRe sei der in jenen Regeln aufgestellte Begriff der Subspecies aufgegeben und verneint worden.

Der Vortragende giebt zun~ichst eine kurze Inhaltsangabe der Regeln und entwickelt ihre Entstehung und Begrtindung. Er weist auf die Grunds~itze bin, durch welche die Engl~inder und Amerikaner zuerst Ordnung in das Chaos der Namengebung brachten. Der Hauptgrundsatz dieser Ordnung ist das Prioritttts- gesetz, und d a d e r ~i!teste Autor ,,Linne" selbst yon diesem Ge- setz nicht ausgenommen werden daft, kann mat demselben kein Recht zusprechen~ seine ersten bin~iren Namen zu ~indern, wie er es vielfach in der XII. Ausgabe seines Natursystems gethan. Es ist daher nicht die XII., sondern die X. Ausgabe als Anfang der wissenschaftlichen Nomenklatur zu nehmen. Die englischen Ornithologen wollen zwar den Vorschl~igen Stricklands ein ge- wisses Prioritiitsrecht - - richtiger ein Autoritiitsrecht - - ein- r~iumen nnd behaupten, weft dieser mit der XII. Ausgabe be- gonnen habe, mtissten alle andern l~omenklaturregeln seinem Vorgang folgen. Dementgegen muss bemerkt werden, dass das Priorit~ttsgesetz far N a m e n, nicht abet far nomenklatorische Regeln und Vor sch l~ ige gilt. Ueber den Wert der letzteren entscheidet nicht das Alter, sondern die Yernunft.

Entgegen den veralteten Ansichten, welche die Anwendung yon Doppelnamen wie Pica s vermieden wissen wollen, ist die logische Unanfechtbarkeit und also die Notwendigkeit solcher Namen vSllig sicher. Es ist doch unmSglich, den unberechen- baren Geschmack des Einzelnen ftir die Anwendbarkeit eines Namens massgebend zu machen. Geradezu drollig klingt es, wenn Salvin z. B. sagt: ,,I never use such combinations as Pica pica and the like, but Bulweria bulweri does not ofend my ears." (Ibis 1896, p. 288.) - - Die Doppelnamen bestehen aus dem ~i 1 t e s t e n Speciesnamen und aus dem ~ l t e s t e n Gattungs- namen und sind k e i n e s w e g s , wie Prof. KSnig behauptet, eine un n 5 tige Neuerung.

Ganz unnStig ist dagegen die Anwendung yon drei auf- einander folgenden gleichlautenden Namen (z. B. JDica pica pica im Gegensatz zu .Pica pica leucoptera, Pica pica sericca u. s. w. einerseits und zu Pica pica im umfassenden Sinn andrerseits).

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Stejne~er hat mit Recht in seiner vortrefflichen Arbeit ltber die Nomenklatur der Subspecies (-- on the use of triuomials in American ornithology Proc. Un. St. Nat. Mus. Vol. VII (1884/85) p. 7 0 . - - Der Artikel enthiilt mehr als einen beherzigenswerten Ausspruch.--) betont, dass lediglich praktische Griinde fitr die Benennung massgebend sind. Es ist abet in der Praxis unmBglich, die natitrliche Verwandtschaft in den Namen auszu- driicken. Die Gruppe der Phoenicophaesarten, yon denen Redner ein reiches Material vorlegt, beweise durch ihre oft ge- ringfiigigen Unterschiede, dass sieh die Subspecies nicht nach irgend einem Schema definieren lasse, und dass wir uns iiber die natiirliche Verwandtschaft und Abstammung vielfach noch ganz im Unklaren befinden. Wir k6nnen nut die MS~lichkeit einer Verwandtschaft feststellen, sie daher auch nicht im Namen ausdriicken.

Professor K~inig ergreift darauf zu einer kurzen lebhaften Erwiderung das Wort. Er wendet sich zunRchst gegen eine Kritik, welcher sein nomenklatorischer Standpunkt unl~ngst yon E. Hartert unterzogen wurde. Prof. KSnig fUhrt aus, er habe weder das PrioritRtsgesetz oder das Reclit des geistigen Eigen- turns bestritten, noch der Willkiir einer besonderen Geschmacks- richtung das Wort geredet. Er habe sich bemitht, den ~Itesten Species- und Gattungsnamen in allen Einzelf~llen festzustellen. Nur da, wo der Rlteste Speciesname bereits dutch einen gleich- lautenden Gattungsnamen vorweggenommen sei, habe er den niichstiiltesten Speciesnamen gewiihlt. Die unlogischen Doppel- namen wltrde er stets umgehen und brauche sich keine Zwangs- jacke aufn~tigen zu lassen. In der WissenschaR k6nne jeder seine freie Richtung verlolgen. Niemand ht~tte das Recht, sich im Besonderen einen Puritaner zu nennen, denn Puritaner sei doch wohl jeder ernstgesinnte Forscher. Man habe die Namen wie Ciconis ciconis L. damit entschuldigt, weil dutch sie eine unniitze Vermehrung der Synonymie vermieden werde, aber Synonymie und Namenreichtum aus der Wissenschaft zu tilgen witrde den Gegnern schwerlich jemals gelingen. Fiir ihn sei ein Name wie Ciconia a~bs ebenso logisch wie schiin und be- zeichnend.

Hr. H a r t e r t verteidigt den Gebrauch gleichlautender Gat- tungs- und Artnamen. Er spricht sodann iiber seine Stellung zur Subspeciesfrage. Subspecies sind nach seiner Auffassung Formen, die noch n i c h t zu S p e c i e s g e w o r d e n s ind , und zwischen denenes h~ufig ~bergRnge giebt. Um zu erkl~ren, was ~berg~nge sind, legt er eine Sammlung yon Schmetterlingen aus dem Tring Museum vor. Dieselbe enthlilt 16 verschiedene Formen, welche abet derartig in einander iibergehen, dass niemand sie far Species halten kann. Sie bilden alle eine Art, und die einzelnen Formen sind Glieder einer Verwandtschaftsgruppe. Die ternRren Namen s o l l e n allerdings verwandtschaftliche Beziehungen aus-

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Bericht tiber die Jahresversammluag. 507

drttcken, ebenso wie die bin~iren Namen dies haupts~ichlieh thun. Wir sehen doeh z. B. aus dem Namen Passer montanus, dass dieser Vogel mit Passer domesticus nRher verwandt ist als mit Frin- gz2la codebs. In gleieher Weise sehen wir am Namen, dass Passer domesticus indicus mit 1-'asser domesticus domesticus nRher ver- wandt ist als mit Passer montanus. Naeh Graf Berlepsch's Auf- fassung giebt es iiberhaupt in der Natur keine Subspecies. Die Subspecies entsteht vermutlich durch direkten allmRhlichen Ein- fluss lokaler Ursachen. Wir wissen, dass diese auf Schmetter- linge besonders wRhrend des Puppenzustandes wirken.

Hr. Prof. R e i c h e n o w bittet, yon der ErSrterung solcher Fragen abzustehen, fiber welche dutch die angenommenen blomen- claturregeln bereits entsehieden worden ist, wie fiber gleich- lautende Gattungs- und Artnamen. Es sei ein aussichtsloses Be- ginnen, den Einzelnen Widerstrebenden yon der ZweckmRssigkeit der aufgestellten Regeln fiberzeugen zu wollen. Die allgemeine Befolgung der Regeln mUsse der Zeit fiberlassen bleiben. Es kiime jetzt darauf an, fiber solche Punkte sich zu einigen, hin- sichtlich welcher die Nomenclaturregeln noch Lttcken often lassen; ein solcher Punkt sei die B e n e n n u n g d e r t y p i s c h e n Sub- spec ies .

Der Begriff ,,Subspecies" verlangt eine volls t~n d ige Auf- teilung der Species in Subspecies, also aueh eine dementsprechend ternRre Benennung der typischen Form, anderenfalls darf man nicht yon Subspecies, sondern muss yon Conspeeies (Nebenarten) sprechen. Gebraueht man die Subspecies in dem Sinne, dass es demjenigen, welcher die Unterarten nicht unterscheiden kann oder will, freigestellt wird, dieselben in dem Aligemeinbegriff der Species zusammen zu fassen, so anerkennt man damit, dass die Subspecies - - wie der Name sagt - - ein der Species unter- geordneter Begriff ist. In diesem Falle m~issen aber, ebenso wie siimtliche Arten unter dem Gattungsbegriff, so auch s~imt l iche Unterarten - - aueh die typische - - unter und innerhalb des Speeiesbegriffs stehen, und man darf nicht der typischen Form die anderen Subspecies nebenordnen, wie dies bisher geschieht, wenn man die typische Form bin~r und nur die fibrigen tern~ir benennt. Der typischen Subspecies ebenfalls einen tern~iren Namen zu geben, ist Ierner aus praktischen Rficksichten not- wendig, da man mit dem jetzt gebriiuchlichen bin~iren Namen die typische Unterart nicht yon der Gesamtart unterscheiden kann. Wenn man yon .Nucifraga caryocatactes spricht, so kann darunter ebensowohl die nordische Unterart allein, wie die Art im weiteren Sinne unter Einschluss der sibirischen Form qnaerorhyncha und der Alpenform relicta verstanden werden, und man ist, um Irr- -t~imer zu vermeiden, gezwungen, stets noch eine n~.here Be- stimmung, wie ,,typische Unterart" oder ,,Gesamtart" oder ~ . earyocatactes ,,ira engeren oder weiteren Sinne" hinzuzuffigen. Deshalb dfirftc fiber die Notwendigkeit der vollst~ndigen Aufteilung

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508 Bericht ilber die Jahresv'ersammhng.

der Art in Unterarten und dementsprechender ter..n~rer Benennung auch der typischen Unterart bald allgemeine Ubereinstimmung erzielt werden. Es fragt sich nur, wie sell die typische Sub- species wissenschaftlich benannt werden. Es ist vorgeschlagen, den Speciesnamen zu wiederholen, oder das Wort typic~ anzu- fiigen, oder die Bezeichnung s ~ strietiore, oder ein Ausrufungs- zeichen beizufiigen. Die Bezeichnung ,,sens~ stridiore" diirfte ihrer Liinge wegen nieht zu empfehlen sein. Die Abkiirzung s. str. ist hingegen ebenso wie ein Ausrufungszeichen nicht hin- reichend verst~ndlich; denn man muss sich gegenwiirtig bei wissenschaftlichen Abhandlungen bestreben, auch dem Laien nach MSglichkeit verstiindlich zu sein. Fine Wiederholung des Art- namens wiirde in vielcn Fiillen zu drei gleichlautenden Namen, wie Cinclus dnclus dnclus, ~ubo bubo bubo fiihren. Wenn aber schon die gleichlautenden Doppelnamen Anstoss erregen, so wiirden die dreifachen auf noch heftigeren Widerspruch stossen. Ober- haupt diirfte die Wiederholung des Artnamens vielfach Benennung zeitigen, die mit Recht als ,,Monstra" zu bezeichnen w~ren. Am verst~tndliehsten und zweekm~ssigs..ten erscheint die Beiftigung yon ,,typwus , welches die einfacbe Ubersetzung der Umschreibung ,,typische Subspecies" ist. Hierbei kann aber das Bedenken ent- stehen, dass mit dem ~ Worte typicus ein neuer Name eingefiihrt wird, und dass darn des Autor tier Gesamtspecies vollst~tndig aus dem Namen der typischen Subspecies verschwindet, denn zu Cindus cindus typicus kSnnte nicht ,,L." als Autor gesetzt werden. Diesem Bedenken begegnet man einfach durch Einklammern des Wortes ,,typicus". Die Klammer bedeutet dann, dass alas Wort typicus nicht uls neuer Name, sondern nur als n~here Bestimmung zum Speciesnamen aufzufassen ist, wobei der Name des Autors des letzteren bestehen bleibt. Also Cinclus cindus (ty~icus) (L.) w~irde die nSrdliche Unterart des Wasserschm~ttzers bedeuten gegeniiber der siidlichen Cinclus cinclus albicollis (Yieill.), w~hrend unter dem Namen Cindus cindus (L.) beide Unterarten zusammengefasst und als Art begriffen werden.

Wegen der vorgeschrittenen Zeit wurde bierauf die Be- sprechung des Gegenstandes vertagt.

Die Gesellschaft begab sich nach dem zoologischen Garten, durch welchen unter Fiihrung des Direktors, Hrn. SchSpf , ein Rundgang unternommeu wurde. Im Vogelhause fesselten die Ornithologen besonders eine Anzahl Brachschwalben sowie meh- rere mit Aussicht auf Erfolg kreuzweise gepaarte Arapapageien.

Nach der Besichtigung des Gartens fund im Restaurant desselben ein Mittagessen statt. Bei trefflichem Mahl m als Sondergericht wurde ein Riibrei yon frischgelegten Emueiern, welche Hr. Direktor SehSpf gespendet, aufgetragen - - und mum terer Rede war man bis zum Abend vereinigt.

Um 9 Ubr begann die Abendsitzung im Saale des ,West- ph~lischen Her".

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Bericht fiber die Jabresversammlung. 509

Hr. Major A l e x a n d e r yon H o m e y e r hielt einen Vortrag fiber Zucht des Hakengimpels in Gefangenschaft. (Dieser Vortrag ist als Anlage zum Bericht fiber die Jahresversammlung aus- fiihrlich abgedruckt.)

Herr Scha low sprach sodann in l~ingerem Vortrage fiber die Vogelfauna des Sfidpolargebiets. (Auch dieser Vortrag ist im Auszug als Anlage zum Bericht abgedruckt.)

Dem Vortrag folgt eine lebhafte Discussion, an der sich vornehmlich Herr Prof. L a m p e r t wie die Herren H a r t e r t , M a t s c h i e und S c h a l o w beteiligen.

Herr H a r t e r t spricht im Anschluss an die Mitteilungen Borchgrevinks seine Ansicht dahin aus, dass ausser den bis jetzt bekannten drei endemischen Arten zweifellos weitere im sfid- polaren Gebiet werden, gefunden werden. Auch er ist mit Herrn S e h a 1 o w davon fiberzeugt, dass Megalestris maccormidd Saund. eine grSssere Verbreitung hat und auch sicherlich ausserhalb des antarktischen Gebietes vorkommen wird. Herr M a t s e h i e regt die Frage an, wie welt die bis heute fiir das antarktische Gebiet naehgewiesenen Arten, namentlich solche, die als der neotropischen Region angehSrige zu betrachten sind, nach Norden gehen.

Herr Prof. L a m p e r t weist darauf bin, dass das ihm unter- stellte kSnigl. ~aturalien-Cabinet zu Stuttgart darch die giitige Vermittt.lung des l-lerrn Baron Ferd. yon ~[iiller in Melbourne ein.- yon den vier yon Borchgrevink gesammelten Exemplaren des seitenen Aptenodytes forsteri, deren Herr Schalow in seinem Vor- trage Erwiihnung that, erhalten hat. Das schSne Exemplar, yon Herrn Kerz mustergiltig ausgestopft, wird in der morgigen Sitzung vorgezeigt werden.

Dutch die yon dem norwegischen Reisenden gesammelten vier Exemplare ist die Anzahl tier jetzt bekannten Specimina des Kaiserpinguins auf 14 Stiick gestiegen. Herr Lampert weist noch auf die Arbeit Sclaters (Ibis 1888 p. 325) sowie auf die yon ihm selbst verSffentlichten Notizen (Zoolog. Anzeiger 1896) fiber Apt~odytes torsteri hin. Ausgehend yon der Arbeit Forsters: Historia Aptenodytae (Comment. Soc. Reg. Scient. Gottingensis, vol. VIII, 1781) sehildert Herr Lampert die eigentiimlichen Lebens- schfcksale der beiden F o r s t e r , Johann Reinhold und Johann Georg Adam. Er spricht sein Bedauern dariiber aus, dass alas ungemein reiche Material des Geh. Rat Neumayer in Hamburg, der sich seit langer Zeit eingehend mit biographischen Studien fiber diese beiden M~.nner besch~ftigt hat, nicht verSffentlicht worden ist.

Hr. K l e i n s c h m i d t teilt mit, dass er unl~ingst 2 Stficke yon Picus pipra aus Ostpreussen erhalten babe, fiber deren Artbestimmung nach sorgf~ltigem Vergleichen mit sibirischen Stficken gar kein Zweifel walten kSnne. Ein befreundeter ost- preussischer Sammler babe ibm im Winter geschrieben, das

Jouza. f. 0 ~ . XLY. Jab.-'g. October 1897. 33

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510 Boricht tiber die Jahresversammlung.

VogeUeben sei bei dem hohen Schnee sehr zuriickgegangen, nur der sonst seltene Zwergspecht trete jetzt hiiufiger auf. Redner vermutete damals gleich, dass dieses zagewanderte u sein miissten, und die auf Wunsch erlegten Stiicke ergaben die Be- st~itigung.

Herr H a r t e r t erwKhnt hierzu, dass der Zwergspecht (2~ic~s minor oder vielleicht sogar t'ieus ~inor pipra im allge- meinen selbst als Brutvogel gar nicht selten in Ostpreussen sei. Ein yon ihm erlegtes Stiick befindet sich in Professor KSnigs Sammlung.

Hr. K o l l i b a y legt zwei in der Grafschaft Glatz yon einem Herrn Gericke erlegte Cinclus septentrionalis vor und verliest den Brief des Herrn, der die VSgel gesammelt hat. Derselbe bemerkt darin, es seien dort YSgel mit sehr verschiedener Bauchfiirbung -- yon hellbraun his schwarz -- geschossen worden. Nach seiner Ansicbt seien die am Bauch schwiirzer gefiirbten VSgel keine andere Art. C. albieollis solle ja auch in dortiger Gegend vorgekommen sein. Interessant sei noch die Auffindung eines Doppelnestes yon Cindus mit einer Scheidewand in der Mitte~ Beide Teile des Nestes seien mit Eiern belegt gewesen. Das Nest stand auf einem Apfeibaum neben dem Wasser. Herr Kollibay erw~ihnt ferner des h~iufigen Vorkommens der Steppen- Weihe in Schlesien. Es sei nicht unmSglich, dass die Art bin und wieder dort briite.

Major A l e x a n d e r v. H o m e y e r bemerkt, Motacilla sul- phurea sei friiher in Westpreussen nur auf dem Zug vorgekom- men, jetzt sei sie dort Brutvogel. Aehnlich kSnne es sich mit Cindus in Glatz vielleicht verhalten.

Geheimrat Wilh. B las ius : In Betreff der u dass der Steppenweih (Circus ~allidus) bisher als Brutvogel unserer Gegenden noch nicht festgestellt sei, erlaube ieh mir zu bemerken, dass in tier weiteren Nachbarschaft yon Braunschweig jene Weihen- art thatsiichlich in der zweiten H~lfte der 70 er Jahre als Brut- vogel beobaehtet ist. Es befinde.n sich Dunenjunge, die aus dem auf dem Felde angebracbt gewesenen Horste genommen sind, aufgestellt im Herzoglichen Naturhistorischen Museum in Braun- schweig, und fQr diejenigen, welche mit Reeht einwenden wollen, dass sich die Dunenjungen des Steppenweihs ausserordentlich schwer als solche erkennen lassen, kann ich hinzuftigen, dass auch eins der elterlichen Individuen beim Horste neben jenen Dunen- jungen erlegt und dadurch die Bestimmung absolut sicher gestellt worden ist. Obgleich in sehr defectem Zustande, wird dies alte Individuum als Belagexemplar in den Sammlungen des Herzoglichen Naturhistorischen Museums in Braunsehweig gleiehfalls aufbewahrt.

~3ber diese Thatsachen ist ,~on meinem Bruder Prof. Dr. Rud. B l a s i u s bald nachher in verschiedenen ornithologischen Zeit- schriften berichtet.

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Bericht Qber die Jahresversammlung: 511

[Nachtr~gliche Erl~uterung: Die VerSffentlichungen dar~iber sind folgende :

B l a s i u s , R., Ornithologica aus Braunschweig. o. 3, der Steppenweih, Circus paZlid~ Sykes, briitet bei Braunschweig (Ornithologisches Centralblatt 1878. S. 145/6).

B l a s i u s R., Uber das Vorkommen und Brfiten des Steppen- weihs, Circus pallidus, in unw Gegend (Sitzber. d. Ver. f. Naturw. Braunschweig v. 30./12. 1880 in d. Braunschw. Anzeigen v. 5./1. 1881; [2] Jahresbericht f. 1880/1 S. 45; Russ' Isis, 1881 s. 30 u. 31).]

Hiermit schloss in spRter Nachtstunde die Sitzung.

Am Sonntag den 30. Mai versammelte sich die Gesellschaft wiederum um 9 Uhr im

zoologischen Museum. Herr Geheimrat Meyer fiihrte zunRchst die Sammlung yon

ParadiesvSgeln vor, die bei dieser Gelegenheit zusammenzubringen yon H artert vorgeschlagen worden war, und bemerkte: Durch vielseitiges Entgegenkommen gelang es mir~ bis auf 3 Arten alle bekannten, fast 90, herzuschaffen. Es liegen nicht vor Ja~tho- thorax bensbachi yon N.W. Neu Guinea, yon der bis jetzt nur das eine typ. Ex. in Leiden vorhanden ist, und Chlamydod~'a macuhta und gu~tahz yon Australien, welche 3 Arten aber in Abbildungen gezeigt werden kSnnen. Dem Dresdner Museum, das yon manchen Arten gute Serien hat, fehlen 19 Arten. In erster Linie war nun das Museum Tring so entgegenkommend, die seltensten neuen Arten herzusenden, so dass wir Baron v. Rothschild zu grossem Danke verpflichtet sind. Von dort liegen vor: Astrapia splendidissima, Paradisea intermedia, Pho- nygama hunsteini, Lycocorax obiensis, Cnemophilus macgregori, Loria loriae, Amblyornis flavi/rons, Scaenopoeetes dentirostris~ Aduroedus ~obiensis, Loboparadisea sericea. Daun bot das Berliner Museum (R e i e h e n o w) 2aradisea ~nariae und Chlamydodera lau- terbachi yon Deutsch Neu Guinea, das yon Genua (Dr. G e s t r o ) Xanthomelus ardens yon S. Neu Guinea, das yon Mailand (Prof. V i g n o l i und M a r t o r e l l i ) Chlamydodera orientalis yon Au- stralien, das Mus. B e r l e p s e h Parotia berlepschi, Dr. S e l a t e r Maegregoria lmlchra, die er noeh yore Queensland-Museum in Brisbane in H~tnden hatte. Ausser yon diesen 7 Stellen erhielten wit yore Stuttgarter Museum (Prof. L a m pe r t ) , eine grosse Reihe prachtvoll yon des anwesenden Kerz' Meisterhand ausgestopfter Exemplare, zum Tell seltene Obergangskleider oder Jugendformen, yore Braunschweiger (Prof. W. Blas ius ) endlich eine Serie Ci- einnurus regius, die die Entwicklung der 2 verl~tngerten mittleren Schwanzfedern illustrieren. Hr. Geheimrat M e y e r ging nun Sha.rpe's Liste der ParadiesvSgel yore Jahr 1894 (Bull. Br. Orn. C1. No. XXII. p. XII), die bereits 82 Arten kennt, systematisch dureh, undes kntipften sieh an viele der vorgezeigten Arten ErSrterungen.

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Um nur Einiges zu erw~hnen: Die auffMlige Kahnform der 2 mittleren langen Schwanzfedern bei Astrarchia stephaniae wird als Normalzustand erklKrt. Das Nichtausbleichen der schSn blauen Schmuckfedern yon Paradisornis rudolphi in der Sonne wird hervorgehoben, nach in Dresden angestellten u ge- geniiber dem Ausbleichen so vieler Farben. Bei I~aradisea minor und finschi macht Hr. H a r t e r t auf die st~indige Verschiedenheit beider aufmerksam und auf die st~indige Abweichung yon P. minor yon Jobi, die v. R o t s c h i l d daher als s jobiensis ab- getrennt hat; schon S a l v a d o r i butte auf die Unterschiede der Jobi-Exemplare aufmerksam gemacht, und auch die Dresdener beweisen die Richtigkeit dieser hbtrennung. Pro[. R e i c h e n o w erl~iuterte bei l~aradisea mariae die Mittelstellung dieser Form zwischen gulielmi und augustaevictoriae, Geheimrat M e y e r bei ~. raggiana die ia der Natur vorkommende Kreuzung zwischen ihr und/~, novaeguineae. Bei/?.. augustaevictoriae macht derselbe auf die Thatsache aufmerksam, dass einzelne Exemplare im Balge rSter geworden sind, also eine postmortale Steigerung der In- tensit~t der Farbe erfahren haben, was ebenso bei JOiphy~lodes hunsteini vorkomme, wie die vorgelegten Exemplare zeigen. Von .D. magnifiea wird ein Albino vorgezeigt. Bei Cicinnurus regius spricht Pri)f. B l a s i u s fiber die Umfiirbung und Entwicklung der verl~ingerten 8chwanzfedern, was auch Prof. L a m p e r t erliiutert, der sich fiber das Umfarben ohne Mauser bei dieser Art aus- spricht. Bei 2ffhonygama hunsteini wird yon Hrn. H a r t e r t auf die kahnfSrmige Gestalt der Schwanzfedern. aufmerksam gemacht, was an Eucorax eomrii erinnere. Die yon demselbem vorgezeigten noch so seltenen Astrapia splendidissima, Cnemophilus maegregori, Loria loriae und Loboparadisea serieea erre~en durch die ab- weichende Structur oder Fiirbung ihres Gefieders allgemeine Be- wunderung. Trotzdem die Ktirze der Zeit es nicht erlaubte, lange bei einer Art zu verweilen, ergaben sicl~ noch viele Ge- sichtspunkte bei der Betrachtung dieser formenreichen Familie, was jedoch in kurzem Berichte wiederzugeben nicht mSglich ist. Die Demonstration schloss mit einem Dank an Alle, die zum Glanze dieser seltenen Ausstellung beigetragen batten.

Herr Prof. L a m p e r t zeigt eine Craspedophora intercedens, welche augenscheinlich in tier Umf~rbung begriffen ist, ferner einen anscheinendeu Bastard yon Gymnorhina tibieen und leu- eonotus und ein prachtvolles Stiick yon A~tenodytes forsteri, welches das Stuttgarter Museum yon der Borchgrevink'schen Ex- pedition erhalten hat.

Hr. H a r t e r t legte 54 Typen und einige andere Seltenheiten, worunter mehrere Uniea aus dem Rothschildschen Museum, die ihm zu diesem Zwecke yon Herrn W a l t e r yon R o t h s c h i l d anvertraut worden waren, der Versammlung vor. Zu den her- vorragendsten Seltenheiten gehSren: Salvadorina waigiuensis Rothsch. u. Hart. yon Waigiu. Uratelornis chimaera Rothsch.

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Bericht fiber die Jahresversammlung. 513

Bisber noch Unicum, eine wunderbare Coraciiden-Form aus Madagascar. Pitta virginalis und maria Hartert, zwei schSne kfirzlich beschriebene Arten aus Djampea und Sumba. C'arpo- ~haga wiIHami und sasakensis Hartert, zwei schSne grosse, der C. lacernu~ata aus Java nahesteheude Fruchttauben aus Bali und Lombok.

1-'tilopus dohertyi Rothsch. Eine der schSnsten Arten der artenreichen Gattung, yon Doherty auf Sumba entdeckt.

Trav~'sia lyalli Rothsch, eine kleine vielleicht fluglose Xe- n i c i d e ~on der kleinen Stephens-Insel bei Neuseeland, we sie yon der Katze des Leuchtturmw~irters gefangen wurde.

Eine Anzahl yon auffallenden neuen oder seltenen Formen yon den Sandwich's-Inseln, Neuguinea, den Sunda-Inseln und Mariannen.

Walter yon R o t h s c hil d sandte einen neuen Nashornvogel yon Sumba, den er in mitgesandtem Manuskripte wie folgt kennzeichnet:

t~hytidoceros everetti spec. nov. ,,ii.hnlich t~hytidoceros narcondami und ungefRhr yon der-

selben GrSsse, abet der Schwanz ganz schwarz, wie die Ober- und Unterseite, Oberkopf und Vorderhals dunkler braun. Typus yon Monjeli, Sumba.

Der Vorsitzende dankt ffir die Vorlagen und ersucht den Vortragenden, Hrn. Baron yon R o t h s c h i l d den Dauk der Ver- sammlung fiir die Unterbreitung der zahlreichen Seltenheiten seiner Sammlung auszusprechen.

Herr K o 11 i b a y legt darauf eine herrliche Suite des kauka- sischen Birkhuhns, ~'etrao mlokosiewiczi, aus der Sammlung des Herrn yon T s c h u s i zu S e h m i d h o f f e n vor, der ihn gebeten hatte dieselben der Versammlung zu zeigen. In dieser Suite fiuden sich Stficke mit unsymmetrisch geformtem und gefgtrbtem Stoss, und zwar gleicht bei diesen die eine ttalfte der Stoss- (Schwanz-) federn nach Form und Farbe denen des Jugendkleides die andere H~ilfte niihert sich darin den Federn des Alterskleides. Manche Stficke zeigen schwarze Mischung im Gefieder. Herr K o l l i b a y giebt einen Uberblick fiber die Geschichte der Ver- fiirbungslehre und spricht die Ansicht aus, dass man die Er- scheinungen im Gefieder der kaukasischen Birkh~ihue nur erkl~iren kSnne, wenn man ein Wachstum und eine gleichzeitige UmfRrbung der vSllig ausgebildeten und sogar bereits abgenutzten Stoss- federn annehme.

Prof. Wilh. B l a s i u s erkl~irte, dass er wohl den Anschau- ungen des Herrn Victor Ritter v. Tschusi zu Schmidhoffen in Betreff der Umf~irbung der Federn zustimmen kSnne, dass er aber noch nicht yon der MSglichkeit fiberzeugt sei, dass eine alte ausgewachsene und zerschlissene Feder yon Neuem in eine Periode des Wachstums eintreten k5nne, wie dies angenommen werden miisste, wenn man die verliingerten Schwanzfedern der einen Seite als aus den zerschlissenen Federn, wie sie noch auf

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der anderen Seite vorhanden seien~ hervorgegangen betrachten wollte. Er sei iiberzeugt, dass die verjiingt erscheinenden l~ingeren Schwanzfedern auch wirklich junge durch Mauser zur Entwicklung gekommene Federa seien. Die Vorlage der ganzen Reihe yon BRlgen sei iibrigens im hohen Grade interessant, und es gebfihre Herrn v. Tschusi und Herrn Kollibay der Dank der Versamm- lung. Andere Redner sprachen sich ira gleichen Sinne. aus.

Fiir den yon Hrn. K l e i n s c h m i d t angekfindigten Vortrag fiber Jaadfalken blieb nur wenig Zeit tibrig, so dass sich de~selbe auf eine Vorlage der von ihm mitgebrachten B~tlge seiner Sammlung und auf wenige Bemerkungen beschr~tnken musste. Er erinnert daran, dass schon 1855 auf der Versammlung der Deutschen Ornithologischen-Gesellschaft zu Braunschweig eine lange Debatte fiber die Jagdfalkenarten stattgefunden habe, die mit einer fSrm- lichen Abstimmung fiber den Gegenstand schloss. Eine Reihe yon bedeutenden Ornithologen hat sich seitdem sehr verschieden dariiber ausgesprochen (mit der Besprechung der Jagdfalken- litteratur kSnnte man Biinde ffillen), aber noch immer sind die vorliegenden Resultate unbefriedigend. Ziemlich allgemein ist es jetzt bekannt, dass die VSgel mit Liingszeichnung das Jugend- kleid, die Quergeb~tnderten das Alterskleid darstellen. Einige der mitgebrachten B~ilge zeigen ganz deutlich, dass der Obergang ins A]terskleid hier durch Mauser und nicht durch UmfRrbung erfolgt. Ebenso hat man heute l/ingst erkannt, dass die weissen Jagdfalken nicht in der Jugend dunkel sind, sondern schon irn Nest fast ebenso hell sind wie im Alter, nur dass die Zeichnung dann anders ist und das Weiss noch nieht so blendend.

Immer noch werden aber diese weissen Jagdfalken yon vielen Ornithologen als besondere Species oder Subspecies yon den dunkeln getrennt. Die Berechtigung dieser Trennung entbehrt aber jeden Beweises. Wir haben es bei den Jagdfalken mit einem Farbendimorphismus zu thun, wie bei den weissen und dunklen Bussarden. Von letzteren werden den Anwesenden mehrere in derselben Gegend gesammelte Stficke vorgelegt, auch ein beim Horst gefangenes Paar yon auffallend fibereinstimmender FRrbung, welches doch keineswegs deshalb fiir eine besondere weissliche Art gchalten werden daft. Auch yon dem weissen nordrussischen Habicht, Astur astur oder Astur candidissimus wird ein helles Stiick vorgelegt. Diese Art kommt ebenfalls in hellen und dunkeln Kleidern vor. Zwischen der weissen und der dunkeln Phase giebt es bei den Jagdfalken wie bei den Bussarden alle nur erdenklichen Uberg~tnge. Die yore Redner mitgebrachten Falkenb~ilge werden so in eine Reihe geordnet, dass niemand zu sagen vermag, wo eigentlich die Grenze zwischen hellen und dunkeln Stficken zu ziehen w~ire.

Dasselbe ist bei der yon H a r t e r t mitgebrachten Suite des Tring Museums der Fall. Ein Stfick in derselben zeigt sogar,

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Bericht fiber die Jabresversammlung. 515

dass vielleicht gelegentlich ein Umsehlagen aus einer Phase in die andre bei der Mauser vorkommen kann.

Dieses Variieren in der Farbe findet aber beim europ~iischen Jagdfalken nut in sehr beschrRnktem Masse start, und da sich derselbe deutlich durch etwas geringeren Wuchs auszeichnet, kann man zwischen ihm und den aussereuropRischen Jagdfalken sehr wohl eine subspecifische $onderung vornehmen.

Weiss wird der kleine skandinavische Vogel auf dem Kopf h5chst selten und auf der iibrigen Oberseite wohl nie.

Auf I sl a n d sind die VSgel gr5sser und kommen yon ziemlich dunkler bis zu ganz heller F~rbung vor.

In GrSnland sind sie ganz ebenso, nur scheint dort die weisse Phase etwas httufiger vorzukommen als auf Island. Zu einer Trennung des Isl~tnders und GrSnl~tnders berechtigt dies nicht, ebenso ist die Annahme, die weissen Isl~tnder seien yon Gr5nland heriibergeflogen, die dunkeln Gr5nIRnder yon Island gekommen, ganz unbegriindet. Eher mag es vorkommen, dass Falken yon Island nach Europa heriiberfliegen. Ebenso sei es eine bis jetzt g~nzlich unbewiesene Annahme, dass im Norden GrSnlands mehr weisse Falken vorkRmen, im Stlden mehr dunkle. Der Fall, bei dessen ErwShnung Holboell diesen Gedanken aus- spricht (die Auffindung yon dunkeln und hellen jungen VSgeln in demselben Nest) beweist eher, dass es nicht der Fall ist.

Schwierigkeiten bietet nun abet noch die Nomenclatur. Der Rlteste Jagdfalkenname is.t Farce rusticolus Linnd, 1758,

Schweden. Er ist zu verwerfen, erstens weil der yon Linnd nicht beschriebene Wanderfalke damit gemeint sein kann , zweitens weil die Diagnose, wenn anders gedeutet, den weissen Jagdfalken beschreibt~ der nicht in Schweden vorkommt.

Der Linnd'sche Name Falco lanarius kSnnte ebensowohl auf den Gerfalken wie auf 2 andre Raubvogelarten gedeutet werden und ist deshalb gleichfaUs unter die undeutbaren Namen zu stellen.

Der Name Falco gyrfalco Linnd dagegen ist sehr wohl auf den skandinavischen Jagdfalken anwendbar. Linnd hat mit diesem Namen den Gerfalken der Falconiere gemeint. Dass er nicht den Wanderfalken meinte, ist ganz deutlieh, denn er giebt Hahnen- grSsse und blaue Wachshaut an. Die Bemerkung, dass der Vogel weisse Schwanzseiten habe, passt allerdings nieht. Vermutlich bezieht sieh dieselbe auf Rudbecks verloren gegangene Abbildung.

Der nRchste Name Falco islandus Brtinnich macht keinerlei Schwierigkeiten. Es bezeiehnet den isl~indischen Vogel mit seinen hellen Variet~iten und ist wohl ftir alle aussereurop.~iischen Ger- falken anwendbar.

Die Nomenclatur der Jagdfalken wiirde sich also folgender- massen gestalten :

1. 2"alco gyrfalco L. Skandinavien und Nord Russland. 2. Falco gyrfalco islandus Briinnich: Island, GrSnland,

Nord-America, Sibirien, Ural.

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516 Bericht fiber die Jahresversammlung.

Die Unterschiede zwischen beiden liegen nur in der GrGsse und in dem Grade des Variierens.

Geheimrat B l a s i u s : Ich kann der Meinung nur zustimmen, dass die nordischen Jagdfalken mit Ausnahme des skandinavischen F. gyrfalco, zu einer Art zu vereinigen sind. Das grosse Material, welches haupts~chlich yon meinem Vater J. [4. B l a s i u s ffir das Herzogl. Naturhistorische Museum in Braunschweig zu Zwecken der Aufkl&rung dieser Frage gesammelt ist, und das dessert Auf- s~tzen ira Journal ffir Ornithologie [1~62 S. 43J zu Grunde lag, hat reich schon seit langer Zeit yon der Richtigkeit dieser An- schauung fiberzeugt. Auch ist die Thatsache, dass weisse und dunkle l~estjunge aus einer und derselben Brut stammend in einem und demselben Horste gefunden sind, ffir reich beweisend. - - Erg~inzend erinnere ich auch noch an die ganz dunkele Form, die Dresser als •. labradorus unterschieden hatte, yon der in Braunschweig zahlreiche Stiicke sich befinden. - -

[Nachtr.~igliche Bemerkung: Meine Uberzeugung habe ich beispielsweise bei Gelegenheit

der XXI. Versammlung der deutschen Ornithologischen- Gesellschaft zu Braunschweig, 20.--23. Mai 1875 zum Ausdrucke gebracht; siehe W. u. R. Blasius, Bericht fiber die XXI. Versammlung etc. Braunschweig, Fried. Vieweg & Sohn 1875 S. 17/18.]

u dieser dunklen Labrador-Form legt K l e i n s c h m i d t 2 Abbildungen, yon demselben Stiick genommen, vor. Er ist der Ansicht, es bleibe wohl noch fraglich, ob die VGgel von Labrador, wo der Dimorphismus der Jagdfalken anscheinend den hGchsten Grad erreiche, als Falco gyrfalco labradorus oder obso~etus ab- getrennt werden diirften. In seiner 8ammlung sei ein sehr belier Vogel in der Brutzeit in Labrador gesammelt. In GrGnland und auf Island k~imen andrerseits, wenngleich selten, fast ebenso dunkle VGgel vor wie in Labrador. Beweisstficke bef~nden sich in den Museen yon Berlin und Tring.

Jedenfalls seien, wie iiberhaupt fiber die Jagdfalken, so ganz besonders fiber die yon Labrador und vom Ural noch sorgf~ltige weitere Studien nGtig. Vor allem abet erwfinscht w~ren Studien fiber das Auftreten der weissen Bussard.variet~t, da man ohne Zweifel durch die Erkenntnis dieser Emcheinung erst zur richtigen BeurteUung der Jagdfalken gelangen werde, die ja ffir uns fast unzug~ngliche Liinder bewohnen.

Prof. R e i c h e n o w ist der Ansicbt, class die yon Linn~ ge- gebenen Bescbreibung yon 2"alco rusticolus, insbesondere die l~ngere in der Fauna suecica, keinen Zweifel dariiber lasse, dass darunter der Jagdfalk zu verstehen sei. 1) Die Diagnose yon

1) Die Beschreibung des _Falco r~ticolus in dor Fauna suecica lautet: ,,Gula alba immaculata, corpus supra cinereum albo undulatum, collum ferme annulo albo cincture. Subtus corpus album, adspersum maculis fuscis cordatis parv is , catida rotundata fasci is 12 s. 18 albis fuscisque."

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Bericht ilber die Jahresversammlung. 517

~atco gyrfa~co L. hingegen, lasse mit ziemlicher Wahrscheinlich- keit vermuten, dass mit diesem Namen yon Linnd der Wander- falk bezeichnet wurde. 1)

Herr K l e i n s c h m i d t legte noch die 2 tags vorher er- w~thnten Picus pil~'a aus Ostpreussen vor, ferner Picus crisso- Zeucus aus Lappland und verwandte Spechte, Kleiber und Meisen. Er sucht durch dieselben nachzuweisen, dass es leicht sei, bei diesen Vogelarten Reihen zu konstruieren, welche aus einer Art in die andere ftihren. Dies seien aber kfinstliche, nicht natfir- liche Reihen. In der Natur seien die sogenannten Ueberg~inge entweder verschwindend goring an Zahl - - und dann wtissten wir nicht, ob es nicht Bastarde wiiren; oder die Ueberg~inge seien zahlreich - - dann seien sie eine Zwischenart zwischen zwei Species oder Subspecies. Sitta.homeyeri sei z. B. eine Zwischen- art zwischen Bitta europaea und Bitta caesia. C. L. Brehms Begriff der Subspecies sei ursprtinglich tier der Zwischenart ge- wesen. Wo wirklich alle mSglichen Ueberg~inge vork~tmen zwischen geographisch nicht getrennten Formen, da seieu, wie bei den Jagdfalken und Bussarden, diese Uebergange beweisend, dass beide Formen dasselbe sind. Man diirfe fiber Begriffe wie Subspecies und Ueberg~inge nur mit Beziehung auf konkrete FRlle streiten. Sonst komme man hie zu einer Einigung.

Hr. Dr. V o i g t schildert in einem kurzcn Vortrag seine Be- obachtungen fiber die Balzlaute des Auer- und Birkhahns und ahmt dieselben auf einem besonders konstruierten Xylophon nach.

Geheimrat M e y e r bemerkt hierauf zur Einleitung und Fort- setzung der gestern unterbrochenen D is c u s s i o n fiber N o m e n - k l a t u r und S u b s p e c i e s , dass die Zeit kommen werde, wo kein Zoologe mehr sich der Subspecies gegenfiber feindlich ver- halte, so wenig es heute einen Zoologen mehr gebe, der die Evolutionstheorie ablehne. Die Subspecies babe aber, abgesehen yon der aus praktischeu Grfinden notwendigen Aufstellung d e s Begriffes, wie besonders v. B e r l e p s c h sie vertrete, nur dann einen w i s s e n s c h a f t l i c h e n Sinn, wenn man sie genetisch auf- fasse. Gruppen yon Individuen weichen stRndig yon anderen, geographisch geschiedenen, nahe verwandten Gruppen yon Indi- viduen ab, die sich abet, wenn sie in Bertihrung k~imen, ge- schlechtlich mischen uud Uebergangsformen bilden wfirden, wie solche thatsRchlich vorkommen (z. B. t~hectes auf Neu-Guinea und viele andere). Betrachte man eine so specialisierte und iso- liert stehende Form wie Parotia auf Neu-Guinea mit ihren vier ,,Arten" sex~ennis, berZepschi, Zawesi, carolae (und es wtirden sicher noch mehrere dort entdeckt werden), die jetzt geographisch yon einander getrennt leben, so konne es bei ihrer tiberaus grossen Aehnlichkeit untereinander und ihrem Abstehen yon

. 1) Falco gyrfalco wird in der Fauna suecica beschrieben: ,,Dorsum nigrocinereum, venter albocinereus maculis t ransvers is ."

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anderen Paradiesvogelformen, einer wissenscbaftlichen Auffassung nicht im mindesten zweifelhaft sein, class sie auseinander oder aus gemeinsamen Stammformen entstanden seien, und es brauche auch nicht bezweifelt zu werden, dass sie sicb, die Mfglichkeit gegeben, fruchtbar untereinander vermischen warden. Es seien daber 4 Subspecies, nicht 4 Species. Die logischste Bezeichnungs- weise solcher Formen habe H a r t e r t uns entwickelt, und der Vortragende schliesse sich ihm vollkommen an, wenn er auch keinen Gefallen daran finale, denselben ev. sehr langen Namen unter Umstiinden 3mal hintereinander wiederholen zu mtissen. Vielleicbt habe im Laufe der Zeit Jemand einen glacklichen Einfall und finde eine andere Metbode zur Bezeicbnung sub- specifischer Fotmen. K l e i n s c h m i d t s Vorschlag, die typische Form durch ein I auszuzeichnen, finde er nicht schlecht. Gegen die Bezeichnung yon typicus und typica fiir die typische Form masse er sich aber durchaus erkli~ren, da dies nur Verwirrung schaffen wtirde, er mSchte eher noch den Zusatz ,,Typ" ge- brauchen hinter dem Autor. Allein er mache keinen Vorschlag, sondern schliesse sich in diesen Fragen gern Anderen an. Wenn er, um auf den Begriff der Subspecies zurtickzukommen, bei kon- tinentalen oder bei einander sebr nahestebenden Formen auf grossen lnseln, beispielsweise Celebes, nicht im mindesten zweifel- haft sei, wann eine trinominale Bezeichnung Platz zu greifen habe, so liege far ihn eine Schwierigkeit vor, wie man sich verhalten solle, wenn es sich um insulare, abet sehr nahestehende Formen handle, yon kleinen Inseln, die einem Festland oder griisseren Inseln vorgelagert sind, wo also eine kleine Abiinderung infolge insularer Isolierung stattgefunden habe, die eine Vermiscbung hintanhalte, also Uebergangsformen nicht schaffe. Bei diesen minimalen konstanten insularen Abitnderungen auf nahen kleinen Inseln bediene er sich auch der trinominalen Bezeichnung, sei sich jedoch der Folgewidrigkeit dieses Vorgehens bewusst. Wenn sich der Begriff tier Subspecies aber welter gekliirt und mehr Anhiinger gewonnen habe, so kSane es auch nicht ausbleiben, dass man sich iiber die Normen einigen warde, wie diese schwach abge~inderten insularen Formen nomenklatorisch zu behandeln seien.

Hr. K l ei n s c h m i d t sucht durch eine graphische Darstellung zu erklaren, wie mannigfach verschieden die Wobngebiete yon Arten zu einander sich verhalten kSnnten, dass zwischen ,,guten Arten" und ,,blossen geographischen Vertretern" nicht scharf ge- schieden werden kSnne, denn auch gute Arten seien oft geo- graphisehe Vertreter yon einander. Graf Berlepsch fasse alle erkennbaren Formenkreise als Arten auf. Um aber die Ueber- sicht aber die Gesamtheit der Formenkreise zu erleichtern, schiebe er die schwerer erkennbaren Formen, welche nur der subtilere Forscher findet, und welche nur den subtileren Forscher inter- essieren, bei Seite. Far den Laien schaffe er so ein far Auge

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Bericbt fiber die Jahresversammlung. 519

und Ged~ichtnis leicht iiberschaubares System yon bin~tr benannten gaten Arten. Die beiseite geschobenen Arten wfirden aber nicht fiberhaupt beseitigt, sondern nur ffir die genauere Forschung und fiir den, der Schwierigkeiten nicht scheut, reserviert. Als solche reservierte Arten sind sie durch tern~h'e bTamen gekennzeichnet. Die Berlepsch'sche Subspecies ist also fiberhaupt keine Subspecies, das heisst keine Unterabteilung der Art, und deshalb sollte man lieber yon der Berlepsch'schen S upt i l species im Ge~ensatz zu der H.,rtert'schen Subspecies reden. Er (Kleinschmidt) habe in zw,.i .ifingst ers('hienenen Arbeiten fiber Sumpfmeisen, auf die er wegen der bereits vorgeschrittenen Zeit nur verweis~'n wolle, nachgewiesen, dass die Zahl der nabverwandten, schwer unter- scheidbaren Formenkreise in der l~atur oft so gross sei, dass schwerlich alle Ornith01ogen dieselben anerkennen und behalten wiirden. Sie seien selbst als ,,Subspecies" gewiss vielen noch zu viele und doch dfirften sie ffir subtiles Studium alle yon Wichtigkeit sein.

Hierauf wurde die Sitzung vom Vorsitzenden geschlossen. bTach gemeinsamem Frtihstfick bestiegen die Teilnehmer der Jahresversammlung die bereitstehenden Wagen und fuhren hin- aus in die maiengriinen W~ldungen des Schlosses Moritzburg. Bier wurde zun~ichst unter der liebenswfirdigen Ffihrung des Herrn Oberforstmeister S c h e r e l wie des Herrn OberfSrster v. M i n c k w i t z die berfihmte Geweihsammlung besichtigt und dann den Wildschweinen, dem Rotwild und den Fnsanen Besuehe abgestattet. Bei der Rfickfahrt wurde auf den Dippelsdorfer Teichen eine Kahnfahrt zu der daselbst befindlichen MSven- kolonie unternommen, wo neben Larus ridibundus auch Sterna hirundo, Fuligula retina, F. cristata, Colymbus nigricollis u. a. brtiteten, und wo auch die sammelnden Ornitholo~eu reiche Aus- beute an Eiern und Dunenjungen machten. Um halb neun fuhren die Wagen wieder fiber die Elbbriicke nach dem Zwinger.

Um 9 Uhr begann in Webers Gasthof ein gemeinsames Mahl, an dem auch mehrere Damen teilnahmen. Hr. Professor R e i c h e n o w brachte ein Hoch auf die anwesenden Dameri aus; Hr. Dr. H e r m a n beschrieb in launiger~ vielfach dutch Beifall unterbrochener Schilderung den Verlauf der Versammlung; Hr. Geheimrat M e y e r dankte denen, welche durch VortrRge und Beteiligung an den Discussionen den Vertlandlungen das so ausser- ordentlich lebbafte und anregende Gepr~ige verliehen h~tten. Noch viele andere ernste und scherzhafte Reden folgten ein- ander an der Tafelrunde. Schliesslich dankte Hr. 8 c h a l o w dem Vorsitzenden, Herrn Geheimrat Meyer , ffir die vielfachen Mtihen, deren er sich in liebenswiirdigster Weise bei der Gesch[ifts- ffihrung unterzogen, und fiir die unermfidliche Leitung der Ver- sammlung im Namen der Anwesenden wie im l~amen der Deut- schen 'Ornithologischen Gesellschaft.

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Der Vorsitzeude schloss hierauf die Jahresversammlung, welche als eine der erfolgreichsten und unterhaltendsten Ver- einigungen den Teilnehmern in Erinnerung bleiben wird.

~ber meine erfolgreichen Zuchten der Hakengimpel (Co~jtltus enucleator) in der Gefan~,enschaft.

Yortrag gehalten am 29. Mai 1897 in Dresden. Von Major A l e x a n d e r v. Homeyer.

Als ich im Herbst 1891 die Waldjagden bei Herrn y o n Holneyer-Ranzin (Neu-Vorpommern) mitmachte, sagte mir Fiirster Schmidt-Zinnowitz (Insel Usedom), dass sich bei ihm in den Dohnen mehrere Karmingimpel gefangen h~ttten. Ich stellte so- gleich lest, dass dies nur Hakengimpel sein kSnnten. Nach einiger Zeit teilte mir Fiirster Schmidt mit, dass er 'ira Besitz yon zwei lebenden Hakengimpeln sei. Noch selbigen Tags fuhr ich fiber Wolgast nach Zinnowitz, holte die Viigel - - 2 alte rote M~innchen -- und kam Nachts 1/, 12 mit denselbeu nach Greifs- wald zurfick.

Im Laufe des Sp~itherbstes erschienen die Hakengimpel auch massenhaft auf dem Festlande, plfinderten die Ebereschen und zogen welter nach Sfiden. Bei dieser Gelegenlleit bekam ich noch zwei lebende Weibchen und ein junges MSnnchen. Die Flfige bestanden griisstenteils aus riitlichen Viigeln, also Miinn- chen, w~ihrend Weibchen viel sparsamer waren. Somit hatte ich 2 Paare und 1 Reserve-M~innchen.

Aus den betreffenden Zeitschriften fiber Vogelzucht braehte ich in Erfahrung, dass die Stubeuvogel-Zfichter mit der Haken- gimpelzucht bis jetzt keine glficklichen Resultate erzielt h~itten. Im glficklichsten Fall seien Eier gelegt und bebrfitet, auch Junge erzielt worden, aber diese Jungeu seien nach 2--3 Tageu ge- storben. Diesem Misserfolg stand ich nun gegeniiber, der ich niemals Vogelzueht betrieben hatte, denu als Offizier hatte ich dazu keine Gelegenheit gehabt. Dennoch beschloss ieh, die Zucht zu wagen. - - Da die kleinen in der Gefangenschaft erzielten Jungen immer bereits nach eiu paar Tageu eingegaugen waren, musste falsches Futter die Ursache dazu sein. Ich dachte dar- fiber nach, was wohl als Futter zu reichen sei. Es war mir be- kannt, dass die Hakengimpel im Hochnorden, sowobl in Nor- wegen-Schweden-Finland, Nord-Russland wie Sibirien ihr Brut- gesch~ift in grossen Nadelholz-Waldungen vollbriugen, und somit kam mir der Gedanke, dass zur glficklichen Aufzucht der Jungen wohl Bestandteile der Coniferen (Kiefer oder Zirbelnuss) not- wendig seien. - - Der Gedanke, dass er gut uud richtig sei, wurzelte sich immer fester, und somit beschloss ich, die Zucht zu wagen. - - Es wurde eine grosse Volibre angefertigt (2* A m lang, 11/~ In hoch und 1'/~ m breit), diese mit Sitzstaugen ver-