JOURNAL ftir

0RNITHOLOGIE. N e u n u n d v i e r z i g s t e r J a h r g a n g .

No. 1. Januar 1901.

Berieht fiber die Jahresversammlung der Deutsehen Ornithologiseheu Gesellsehaft

in Leipzig vom �9 bls 8. 0ktober 1900, zugleich

Feier des fiinfzigj~thrigen Bestehens der Gesellschafl, Anwesend waren (tie Herren: F. v o n B a r d e 1 e b e n (Frankfurt

a. Main), G r a f yon B e r l e p s c h (gchloss Berlepseh), F r e i - h e r r yon B e r l e p s c h - S e e b a c h (Kassel), It. B l a s i u s (Braun- schweig), W. B 1 a s i u s (Braunschweig), v o n D a 11 w i tz (Tornow), D e d i t i u s (Berlin), G r u n a c k (Berlin), H a r t e r t (Tring), H e e k (Berlin), H e i n e sen. (Hadmersleben), H e l m (Chemnitz), H e n n i c k e (Gera), Kii n ig (Bonn), K o l l i b a y (Neisse), L a m p e r t (Stuttgart), v o n L u c a n u s (Berlin), M a t s e h i e (Berlin), Ne h r - k o r n (Braunschweig), P r o f t , (Leipzig), R e i e h e n o w (Berlin), Rey (Leipzig), R o l l e (Berlin), S e h a l o w (Berlin), T h i e n e m a n n (Rossitten).

Als G~iste nahmen Tell die Herren: E. d e hi a e s (Bonn), H e l l m a y r (Wien), H e r m a n (Budapest), R. de N e u f v i l l e (Frankfurt a. Main), L i n d n e r (Osterwieck), B e r g e (Zwickau), G. G a r l e p p (Klotzsche), S c h n e i d e r (Liebertwolkwitz), L o o s (Libau a. Elbe), Wo I f r a m (Fuchshain), V. hiti l ler , K r e z s c h m a r , S c h r e i b e r , K i i h l e r , W e s t p h a l , T h i e m e , S c h l e g e l , s c h m i t t , Voigt , S c h u l z e ~ G r o s c h u p p , Z a c h a r i a s , G i i r i n g , Z e h n i g e n , T h i e l , S i m r o t h , G i e b e l h a u s e n , K u n z , C h u n , z u r S t r a s s e n , D e t t o , F r i t s c h e , Weinho ld , K e u , K r a n c h e r , P r a s s e , W o l t e r e e k , K l o s s , K o t h e 1 P i n k e r t, N a u m a n n, T h a t e m u t h , 0. Mii l l e r , T a m a m s c h e f f ,

Joam. f. Ore, X'I.T'X'~ ,ial~. Jaaua~ 1901. 1

Bericht tlb~r die Jahresvsrsammlung.

Pop i t z , Weiske (siimtlich aus Leipzig), sowie folgende Damen: Frau Kol l ibay, Frau de Mass, Frau Voigt, Frau GSring, Frau Fr i t sche .

Der Leipziger Ornithologische Verein hatte in liebens- wfirdigster Weiss die Vorarbeiten zu der Feier ttbernommen und Herrn O. G i e b e l h a u s e n mit der LokalgeschKftsffihrung beauf- tragt. Die yon auswKrts erscbienenen Mitglieder und G~ste fanden Unterkunft im HStel Stadt Nfirnberg, wo auch die Sitzungen abgehalten wurden.

Folgende Tagesordnung war festgesetzt worden: F r e i t a g , den 5. O k t o b e r , Abends 71/s Uhr: Gesellige

Vereinigung im HStel zur Stadt Nfirnberg. S o n n a b e n d , den 6. Ok tobe r , Vorm. 91/i Uhr: Festsitzung:

1. Begrfissung durch den Ornithologischen Verein Leipzig. 2. Festvortrag: Herr H. Schalow: Rflckblick auf die

Geschichte der Gesellschaft. 8. Empfang der Vertreter anderer Gesellschaften und

Vereine. Friihstilcks-Pause.

12 Uhr: Besuch des Zoologischen Gartens. 31/~ Uhr: Festessen im HStel Stadt Nfirnberg. 8 Uhr: Besuch des Krystallpalastes. S o n n t a g , den 7. O k t o b e r , Vorm. 9 Uhr: Versammlung

im HStel Stadt Nfirnberg. Gesch~ftliche Sitzung. 10 Uhr: Wissenschaftliche Sitzung. An VortrKgen sind an-

gemeldet: Herr Freiherr H. v. B e r l e p s c h : Bericht fiber den im Auf-

trage der Gesellschaft aufgestellten Entwurf eines internationalen Vogelschutzgesetzes und fiber Beratung dieses Entwurfes auf dem Pariser Congress.

Herr Graf H. v. B e r l e p s c h : ~ber die yon Herrn Gustav Garlepp in Bolivia gesammelten V~gel. Beschreibuug neuer Arten und Vorlage yon B~lgen.

Herr Prof. Dr. R. B 1 a siu s: Naturhistorische Reiseskizzen aus der Normandie, Bretagne und Touraine.

Herr Geh.-Hofrat Dr. W. B l a s i u s : Die Vogelfauna in den diluvialen Ablagerungen der Rfibel~nder H~hlen. -- Bemerkungen fiber neue Sendungen malayischer VSgel.

Herr Dr. F. H e lm: Uber die Beweise G~tke's ffir die HShe des Wanderfluges der VSgel.

Bericht fiber die Jahresversammlung.

Herr Prof. Dr. KSnig: Vorlage seltener Arten au8 dem mediterranen Gebiet.

Herr P. K o l l i b a y : Unsere gegenwiirtige Kenntnis der sehlesisehen Vogelwelt.

Herr P. M a ts c h i e: Bemerkungen zur Zoogeographic yon Mikronesien.

Herr Prof. Dr. 1t e i eh e n o w: Ober die Beziehungen der Vogelfauna Afrikas zu denen anderer Tiergebiete.

Herr H. S c h a l o w: (~ber die Herausgabe einer ornitho- logischen Bibliographie Deutschlands.

Herr R. S c h l e g e 1: Lokale Raubvogelvarietiiten. Kleider yon Tetrao tetrix und T. mlokosiewiczi.

Herr J. T h i e n e m a n n : LTber Zwecke and Ziele einer ornithologischen Beobachtungsstation in Rossitten. m Vorlage handschriftlicher Aufzeichnungen aus der Grfindungszeit der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft.

12 Uhr: Besichtigung der Sammlung von Kukukseiern des Herrn Dr. Rey und Besuch des Zoologischen Museums der Ki)nigl. Universitiit.

2 Uhr: Gemeinsames Mittagessen im HStel Stadt lgiirnberg. 3 Uhr: Fortsetzung der wissenschaftlichen Sitzung and

Schluss der Versammlang. 7 Uhr: Besuch des Stadttheaters, nachher gesellige Ver-

einigung in Oertel's Restaurant. M o n t a g d e n 8. O k t o b e r : Aasflug nach dem sfissen See

bei Eisleben. Abfahrt Leipzig 6 ~6 frtih, in Eisleben 8 ~ Friihstfick im

Wiesenhause. Fahrt za Wagen um den stissen See mit Unter- brechungen je nach Zeit, Wetter und Beobaehtungsgelegenheit. Wenn die Zeit es gestattet, Abstecher nach Volkmaritz und Be- sichtigung der Sammlung des Herrn Pfarrer Kleinschmidt. Um 4 Uhr Riiekkehr nach Eisleben. Im Wiesenhause in Eisleben Ausstellung zweier Sammlangen yon Viigeln, die friiher auf dem salzigen See erbeutet worden sin& Mittagessen im Wiesenhause.

Die Verhandlungeu leitete als Vorsitzender Herr R. B las ius , als Stellvertreter Herr H. S c h a l o w , als Sehriftflihrer waren bestellt die Herren P. M a t s c h i e und O. G i e b e l h a u s e n .

Am F r e i t a g den 5. O k t o b e r , .~.bends 71/2 Uhr ver- sammelten sich die Teilnehmer im HStel Stadt l~iirnberg zu einer zwanglosen geselligeu Vereinigung. kite Freunde tausehten ihre

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4 Bericht fiber die J~hresvorsammlang.

wissenschaftlichen Erfahrungen aus, Fachgenossen, welche lttngst in regem Briefverkehr gestanden hatten, traten einander persSnlich nahe, und neue Beziehungen wurden angeknlipft.

Am S o n n a b e n d , den 6. O k t o b e r wurde um 10 Uhr die Festsitzung durch tlerrn Prof. Dr. R. Blasius er6ffnet. Der Sitzungssaal hatte einen bcsouderen Schmuck erhalten dureh ein yon Professor G~ring's Meisterhand ausgeft~hrtes Transparent, ausserdem waren zahlreiche Aquarellbilder aus der Mappe des- selben Kiinstlers ausgestellt.

Der Vorsitzende hielt folgende Ansprache: Vor 50 Jahren wurde die Deutsche Ornithologische Ge-

sellschaft hier in Leipzig gegrttndet. In dem halben Jahrhundert, seit welchem sic besteht, hat sic m~mnigfache Wandlungen er- fahren. Auf die beschreibende Richtung, welche zun~cl~st das Feld beherrschte und sich besonders den VSgeln Deutschlands zuwandte, folgte eine andere, die sich mehr der praktischen Be- obachtung hinneigte und auf Untersuchungen fiber Sch~dlichkeit und Niitzlichkeit der Vogelarten, ihre Wanderungen und bio- logischen Verh~ltnisse vornehmlich Wert legte. Als nach der Erstarkung Deutschlands das Interesse an der Erforschung fremder Erdteile gewaltig sich mehrte und Sammlungen aus allen L~ndern in die Hiinde deutscher Vogelkenner gelangten, bliihte die Omdtho- logie in Deutschland welter auf, indem sie sich dem Studium der •Sgel der ganzen Erde widmete. MSge unsere Gesellschaft, der Mittelpunkt fllr die deutschen Ornithologen, welter gedeihen. Ich erklitre die 50. Jahresversammlung fiir erSffnet und erteile Herrn Kunz das Wort.

Herr Kunz begrtisste als Vertreter des Ornithologischen Vereins in Leipzig die Versammlung mit folgenden Worten:

Hochgeehrte Anwesende l Von dem hiesigen Ornithologischen Verein ist mir die hohe

Ehre zu tell geworden, die erste Ansprache an Sie zu richten. Diese Ehrung ist keineswegs eine Folge meiner Verdienste um die Ornithologie, sondern ich verdanke sie iediglich dem Umstande, dass ich noch der einzige lebende Stifter der Deutschen Ornitho- logischen Gesellschaft bin. Der geistigeUrheber derVereinigung, der, dessen Hirn der Gedanke entsprungen ist, eine Ornithologische Ge- sellschaft zu stiften, ist der vor einigen Jahren verstorbene D r . E d u a r d Baldamus , damals Collaborator am Gymnasium zu

Bericht tiber die J~hresversammlung.

KSthen. Vor etwa 60 Jahren machte ich eine 7 monatige Reise durch Oesterreich, Ungarn, Ober-Italien, Schweiz, Frankreich, Beigien, Holland und West-Deutschhmd; tiberall nahm ich Ge- legenheit zu beobachten und zu sammeln und brachte eine hiibsche Sammlung yon damals hier wenig bekannten stidlichen Vogelb~tlgen und Eiern mit heim. D a d u r c h wurde ich mit N a u m a n n , B r e h m , B a l d a m u s , T h i e n e m a n n u. h. be- kannt und befreundet. Eines Tages besuchte mich B a l d a m u s und im Laufe des Gespriichs befragte er reich um racine Meinung betretiend die Griindung einer Ornithologischen ~esellschaft mit dem Bemerken, er habe bereits mit N a u m a n n darilber gesprochen, der sieh zustimmend erklRrt habe. Mit Eifer fasste ich den Ge- danken auf, und wir schrieben sofort an alle uns bekannten Ornithologen, welche freudig zustimmten. Auf der bald darauf stattfindenden Zusammenkunft wurde die Deutsche Ornithologische Gesellschaft gestiftet. Verschiedene Umstiinde veranlassten nach einigen Jahren eine Reorganisation, die 1850 ins Leben trat. Auf diese Weise hat die Deutsche Ornithologische Gesellschaft zwei Perioden durchgemacht: eine heitere, mehr dem gesellschaftlichen Vergntigen geltende, und eine ernste, der Arbeit gewidmete. Von der zweiten Periode will ich schweigen, 1850--1900, da die Vorg~inge und Ereignisse Ihnen von sachkundigerem Munde werden vorgeflihrt werden,auch will ich yon der ersten Periode nut- erwithnen, dass die alij~thrlichen Versammlungen zu den schSnbten Erinnerungen meines Lebens gehiiren. Ich erinnere an das gesellige Zusammensein', die Scherze und Witzworte, die hin und herflogen, und an die sogenannte Ornitl~ologen-Bole, mit deren Zubereitung der darin bewanderte Baron v. M f inch- ha u s e n betraut war, dem ich als Vorkoster zur Seite stand, meine Herren, ein angenehmer aber anstrengender Postenl Als Curiosum will ich noch erw~ihnen, dass wir auch eine Ornithologin zum Mitgliede batten, eine stille, bescheidene Dame, die in Be- gleitnng ihres Gatten die Versammlungen regelm~issig besuchte. Doch genug der Erinnerungeni Im huftrage der hiesigen Ornitho- logischen Gesellschaft begriisse ich Sie und rule Ihnen ,,ein herzliches Willkommen in Leipzigs Mauern" zu!

Nachdem der Vorsitzende im Namen der Deutschen Orni- thologischen Gesellsehaft fiir die Begriissung gedankt, erteilte er Herrn S c ha low das Weft zur Festrede.