bericht über die 59. jahresversammlung der deutschen ornithologischen gesellschaft in lübeck und...

11
91 Bericht fiber die 59. Jahresversammlung der Deutsehen ornithologisehen Gesellschaft in Liibeck und Wismar, yore 2~. his 27. September 1909. hnwesen4 yon Mitgliedern, die Herren: K. bleunzig (Waid- mannslust), Domeier (Einbeck), Krause (Berlin), Jung (Berlin), Berger (Cassel), Graf v. Zedlitz und Triitzschler (Schwentnig), Hesse (Berlin), Menzel (Braunschweig), Kollibay (Neisse), Reiche- now (Berlin), Heinroth (Berlin), le Roi (Bonn), Hagen (Liibeck), Freiherr v. Berlepsch (Cassel), Schalow (Berlin), Voigt (Leipzig). hls G~ste nahmen tell, die Herren: Dietrich (Hamburg), Cordes (Hamburg), Itzerodt (Hamburg), Peckelhoff (Liibeck), Barth (Lfibeck), Steyer (Ltibeck), Sokolowsky (Stellingen), Langen- helm (Liibeck), L. Langenheim (Liibeck), Benick (Liibeck), Biohm (Ltibeck), H. Bering (Liibeck), W. Crilck (Liibeck), Lenz (Liibeck), G. Schmidt (Liibeck), K. Strunk (Liibeck), und die Damen: Frau Erna Menzel (Braunschweig), Frau Peckelhoff (Liibeck), Elan Heinroth (Berlin). Vorsitzende: die Herren Kollibay und Schalow. Schriftftihrer: Herr Heinroth. Freitag, den 24. September, abends 8 Uhr. Begrti~sungs~bend im Hause der ,,Gcsetlschaft zur BefSrderung gemeinniZtziger T~tigkeit", KSnigstrafse 5, zu Lfibeck. Da Herr Schalow ffir heute noch am Erscheinen verhindert ist, so iibernimmt der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, Herr Kollibay, die Leitung, erSffnet die Sitzung und begrfifst die anwesenden Mitglieder und G~ste. Der GeneralsekretSr, Herr Reichenow, verliest die yon den Herren l~ehrkorn, Blasius, yon Tschusi zu Schmidheffen, O. R e i s e r, C 1 o diu s und T hie n e m a n n eingelaufenen Grtifse und berichtet fiber einige kieine Anderungen, welche sich fiir da~ Programm der Sitzungen n5tig gemacht haben. Hierauf ergreift Herr Peckelhoff das Wort zu einer Schil- derung der Avifauna der Umgegend Liibecks, insbesondere der- jenigen Punkte, die bei den folgenden Exkursionen besichtigt werden sollen. ,,Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Dauns die hohe Ehre zu tell wurde, die Deutsche ornitho- logische Gesellschaft in unseren Mauern begrtffsen zu kSnnen, mufste es nattirlich unsere vornehmste hufgabe sein, unseren lieben Gasten die in Bezug auf das Vogelleben wertvollsten Ge- l~nde vor hugen zu fiihren, und das zu Erwartende Ihnen zu schildern ist der Zweck meiner kurzen Ausftihrung. Ltibeck ist

Upload: o-heinroth

Post on 13-Aug-2016

215 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

91

B e r i c h t fiber die

59. Jahresversammlung der Deutsehen ornithologisehen Gesellschaft in Liibeck und Wismar,

yore 2~. his 27. September 1909. hnwesen4 yon Mitgliedern, die Herren: K. bleunzig (Waid-

mannslust), Domeier (Einbeck), Krause (Berlin), Jung (Berlin), Berger (Cassel), Graf v. Zedlitz und Triitzschler (Schwentnig), Hesse (Berlin), Menzel (Braunschweig), Kollibay (Neisse), Reiche- now (Berlin), Heinroth (Berlin), le Roi (Bonn), Hagen (Liibeck), Freiherr v. Berlepsch (Cassel), Schalow (Berlin), Voigt (Leipzig).

hls G~ste nahmen tell, die Herren: Dietrich (Hamburg), Cordes (Hamburg), Itzerodt (Hamburg), Peckelhoff (Liibeck), Barth (Lfibeck), Steyer (Ltibeck), Sokolowsky (Stellingen), Langen- helm (Liibeck), L. Langenheim (Liibeck), Benick (Liibeck), Biohm (Ltibeck), H. Bering (Liibeck), W. Crilck (Liibeck), Lenz (Liibeck), G. Schmidt (Liibeck), K. Strunk (Liibeck), und die Damen: Frau Erna Menzel (Braunschweig), Frau Peckelhoff (Liibeck), Elan Heinroth (Berlin).

Vorsitzende: die Herren Kol l ibay und Schalow. Schriftftihrer: Herr He in ro th .

Freitag, den 24. September, abends 8 Uhr. Begrti~sungs~bend im Hause der ,,Gcsetlschaft zur BefSrderung

gemeinniZtziger T~tigkeit", KSnigstrafse 5, zu Lfibeck. Da Herr Scha low ffir heute noch am Erscheinen verhindert

ist, so iibernimmt der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, Herr Kol l ibay , die Leitung, erSffnet die Sitzung und begrfifst die anwesenden Mitglieder und G~ste.

Der GeneralsekretSr, Herr R e i c h e n o w , verliest die yon den Herren l~ehrkorn, Blasius, yon Tschus i zu S c h m i d h e f f e n , O. R e i s e r, C 1 o diu s und T hie n e m a n n eingelaufenen Grtifse und berichtet fiber einige kieine Anderungen, welche sich fiir da~ Programm der Sitzungen n5tig gemacht haben.

Hierauf ergreift Herr P e c k e l h o f f das Wort zu einer Schil- derung der Avifauna der Umgegend Liibecks, insbesondere der- jenigen Punkte, die bei den folgenden Exkursionen besichtigt werden sollen.

,,Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! D a u n s die hohe Ehre zu tell wurde, die Deutsche ornitho-

logische Gesellschaft in unseren Mauern begrtffsen zu kSnnen, mufste es nattirlich unsere vornehmste hufgabe sein, unseren lieben Gasten die in Bezug auf das Vogelleben wertvollsten Ge- l~nde vor hugen zu fiihren, und das zu Erwartende Ihnen zu schildern ist der Zweck meiner kurzen Ausftihrung. Ltibeck ist

Page 2: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

92 Bericbt fiber die 59. Jahresversammlung 1909.

in ornithologischer Hinsicht ein bedeutender Platz. Wir haben viele seltene G~iste, die sonst nur der Osten aufweist und eben- so solche, die nur im Westen sonst vorkommen, teils als Durch- ziigler, teils als BrutvSgel. Vor allem sind es aber zwei Gebiete, die haupts~ichlich in Betracht kommen, und wohin wir Sie zu ffihren gedenken. Der erste Weg fiihrt die Trave abw~rts zum Prival]. Schon unsere Dampferfahrt geht durch interessante Nistgebiete des Zwerg- und Rothalstauchers, den Stau und das Kattegat. Es folgt die Schlutuperbucht, im Winter belebt durch zahllose Wintergiiste aller Art. An den Steilufern weiter abw/irts, dem auch ffir Bo- taniker so interessanten Dummersdorfer Ufer und am Ufer auf der mecklenburger Seite, den Hohenweiler Tannen, nisten schon Brandente und G/inses/iger h/iufig. Das Endziel, der Privall selbst, ist ein als Brutgebiet fiir StrandvSgel hervorragendes Gel/inde und birgt auch schon ein reiches Vogelleben. Urspriinglich be- stand nur die Wiese, dutch stete hufbaggerung yon Sand ist aber das Gebiet bedeutend vergrSfsert und ein geradezu ideales Nist- revier geworden. Stechginster, der auf den hmeisenhfigela des Weidegebietes sich ausgebreitet hat, hindert die Kiihe, bier das Gras abzuweiden, und so bietet dieses einer Reihe yon VSgeln trefflichen Schutz zur Anlage ihrer Nester, so dem Kiebitz, dem Rotschenkel, dem Kampfi/iufer und neuerdings auch dem kleinen hlpenstrandl~tufer, den ich im Vorjahr in einem Paare, in diesem Jahr in zwei Paaren hier nistend land. huf dem mit Goldhafer und Strandhafer iiberwucherten Strandgebiet hatte sich der urspriing- lich auf der Ostseite des Privalls nistende Seeregenpfeifer bald angesiedeit, verzog sich aber, als Sandregenpfeifer und Flufsregen- pfeifer sich hier gleichfalls einfanden, er liebt das kolonienweise Nisten weniger als die hrtgenossen. Dafiir fanden sich aber bald der Austernfischer an, und die kleine Seeschwalbe nistet hier in drei Paaren. Ktistenseeschwalbe und Sturmmiiwe wtirden gewifs bald bier siedeln, wenn ausreichender Schutz gew/ihrt wiirde. Das Schiefsexl und Eiersammeln ist hier zwar streng untersagt in der Zeit yore 1. April bis 30. September; aber nur das Schiefsen unterbleibt wirklich, gegen den Eierraub mufs noch erst energischer vorgegangen werden, was mit Htilfe des Vereins ftir Heimatschutz hoffentlich noch in diesem Winter erreicht wird.

Ftihrt die erste Tour Sie traweabwiirts, so geht der zweite husfiug in direkt entgegengesetzte Richtung wakenitzaufw/irts, und ein vielleicht noch interessanteres Gebiet, in ornithologiseher wie landschaftlicher Beziehung werden Sie hier finden. Die Wakenitz, der husfius des Ratzeburger Sees ist oft seenartig erweitert, ausgedehnte Rohrw/ilder umgeben sie. Hier treten Erlenbriiehe an die Ufer heran, Heidefi/ichen folgen. Ein Eich- wald zieht sich am Ufer hin, und Nadelwald trittt hier und da bis nahe ans Ufer heran. Socher Vielgestaltigkeit des Gel/indes entspricht auch eine Vielgestaltigkeit der Avifauna. Neben Haubenlerehe und Feldlerche finden wir die Heidelerche,

Page 3: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

Bericht llbor die 59. Jahresversammlung 1909. 93

der Baumpieper ist hier h~tufig. Neben Gerstenammer und Gold- ammer nistet hier die Rohrammer, Teichrohrs~inger, Sumpfrohr- siinger, Uferschilfs~inger nebst Drosselrohrsiinger sind h~iufig, und auch den Schwirl kann man wohl als hiiufig bezeichnen. H~iufig ist auch der braunkehlige Wiesenschmiitzer, und sogar den schwarzkehligen Wiesensehm~ttzer land ich hier nistend, leider wurde sein Nest ausgem~ht, und der Vogel verzog sich dann. Den Kuckuck hiirt man tiberall, der Wiedehopf kommt hier noch vor, und der Pirol nistet hier in den Erlen 3--4 m tiber dem Boden. Die schwarze Seeschwalbe finden wir hier nur vereinzelt, auch die Flufsseeschwalbe und die LachmSwe kommt als h~iufiger Gast vom Wesloer Moor hertiber. H~iufiger als man wohl glaubt ist bier die kleine Rohrdommel, und oft sieht man sie im Rohr umherklettern, und in der Frtihlingsnacht hSrt man weither das Brtillen der grofsen Rohrdommel. Wir haben im Ltibeckischen Gebietnoch eine Reiherkolonie im Momau, und vereinzelt siedelt von dort her noch ein Vogel hierher, so noch im Vorjahre in den Brandenbaumer Eichen fand sich ein :Nest, jedenfalls ist er keine seltene Erscheinung bier. Stockente, Krickente und Kn~ickente sind hier BrutvSgel und viele andere mehr. Entziickend nehmen sich am Ufer auch die Menschensiedlungen aus, aus buntem Herbst- laube hervorlugend, und wenn Sie das alles sehen im schSnen Herbstsonnenschein, dann kann ich Ihnen schon heute versichern, dann wird die Tagung keine verlorene ffir Sie sein, und Sie werden eine freundliche Erinnerung mitnehmen yon Ltibeck und seiner Umgebungl"

Der Vorsitzende dankt im Namen de r Gesellschaft ftir die Vorbereitungen, welche die Ltibecker Herren fiir die Ausfiiige der Deutschen ornithologischen Gesellschaft veranstaltet haben, und schliefst hieran die Frage, ob Locustella fluviatilis und Corvus corone bei Ltibeck vorkommen. Herr Pecke lhof fe rk l~r t hierzu, dafs der Flufsrohrsiinger hier noch nicht beobachtet sei, und dafs n ur die Raben-~ nicht aber die Nebelkr~ihe als Brutvogel anzutreffen ist. Die Nebelkr~he erscheine hiiufig im Herbst und bleibe bis ins Friihjahr hinein: W~ihrend der Brutzeit jedoch sei ein wirkliches Paar Nebelkr~hen hier noch hie beobachtet, dagegen sind vereinzelt Mischlinge yon Raben- und :Nebelkr~hen zu finden.

Herr R e i c h e n o w erkundigt sich nach dem Vorkommen des Kormorans, der vor 24 Jahren h~iufig war, und des Seeadlers.

Die Herren P e c k e l k o f f und H a g e n iiufsern sich dahin, dafs diese beiden Vogelarten ftir die Liibecker Gegend nicht mehr als BrutvSgel in Betracht kommen, dagegen ist der Seeadler im Winter ziemlich h~ufig, und einzelne Kormorane werden ab und zu angetroffen. Herr B l o h m berichtet yon einem solchen, der am 24. August in der nahen Umgebung Liibecks gesehen win'de. :Nach einer Mitteilung des Herrn Clod ius stammen solche Kormorane aus der Warnemtinder Gegend.

Page 4: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

94 Bericht Ilber die 59, Jahresversammlang 1909.

Herr Schmid t schildert in ebenso anschaulicher als aus- ftihrlicher Weise eine Beobachtung, die er am Timmendorfer Strand in den Niendorfer Kiefern, die aber in Wirklichkeit Fichten sind, gemacht hat. An dieser tiberaus mfickenreichen und daher yon menschlichen Besuchern best gemiedenen Stelle fand er in einer Fichte ein Nest mit vier jungen Viigeln, und nach langer und t~ig- licher Beobachtung ergab sich, dafs ein Rotkehlchenpaar diese jungen Viigel ftitterte, kls 3 Junge ausgeflogea waren, land sich, als der Vortragende ein Junges nach Hause mitnahm, ein rein blaaes Ei neben dem kleinsten, noch im Nest befindlichen Jungen vet, sowie eine alte Braunelle. Nest, Ei sowie der inzwischen auf- gezogene junge Vogel gehSren der Art Accentor modularis an. Der Vortragende richter an die Versammlung die Frage, wie es wohl zu erkliiren sei, dafs wiihrend der ganzen Beobachtungszeit das alte Braunellenpaar niemals am Neste erschienen ist, und weifst darauf hin, dais die Tatsache, dafs Rotkehlchen fremde Junge ftittern, bereits yon Kearton berichtet wird. Vor allen Dingen sei es ihm aber unerkliirlich, wie das anscheinend ganz frische Braunellenei zu dem doch immerhin 14 Tage alten Jungen in das Nest gekommen ist.

In der yon Herrn K o l l i b a y und P e c k e l h o f f geffihrten Diskussion betont letzterer, dafs die a[ten VSgel hiiufig schon ehe eine Brut ausgeflogen ist, bereits wieder mit dem Legen anfangen; bei der Feldlerche findet man fast regelmiifsig unter den Jungen, bevor sie das Nest verlassen, wieder frische Eier v o r .

Herr H e i n r o t h teilte eine Beobachtung mit, die e r v o r einigen Tagen in Eutin zu machen Gelegenheit hatte. Er sah dort an zwei Vormittagen bei klarem Wetter eine gauze Anzah! Stare etwa in doppelter BaumhShe nach Schwalbenart andauernd umherfliegen. Sie riittelten ab und zu oder machten kurze seit- liche Schwenkungen, wobei man mit dem Fernglas deutlich er- kennen konnte, dais sie den Kopf nach der Seite wandten und anscheinend nach flie~enden Insekten schnappten. Dabei liefsen sich die Tiere nach dem Erhaschen einer Beute nicht etwa nach Fliegenschniipperart wieder auf eine Warte nieder, sondern be- trieben ihre Jagd ganz in bekannter Manier der Schwalben und ~.hnelten ganz auffallend den Bienenfressern, denen sie ja auch in ihrer Flugweise, bis auf die kfirzeren Flfigel und den viel kfirzeren Schwanz, recht entsprechen. Der Vortragende weifst darauf hin, dafs er diese Tatsache in der Literatur bisher nicht erwiihnt gefunden habe.

In der Diskussion stellt sich heraus, das verscbiedene Herren dieselbe Beobachtung gemacht haben, so Herr H a g e n in der Gegend yon Ltibeck, und le Roi im Rheinland. Herr H a g e n berichtet zugleich, dais die Stare in diesem Jahre die Kirschen bier vollkommen verschont haben, was wohl daran liegt, dais der Juli und August sehr feucht waren, sodafs die VSgel auf dem

Page 5: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

Bericht ~lber die 59. Jahresversammlang 1909. 95

Boden sehr viel Nahruug auffinden konnten, also nicht gezwungen waren, die Kirschb~iume anzunehmen.

Herr P e c k e l h o f f berichtet yon einem Mauersegler, der am 22. August noch bei Liibeck beobachtet wurde, und weist darauf bin, dafs der Pirol an der Wakenitz h~tufig nut 3 his 4 Meter hoch brtite. Wegen seines Aufenthaltes in so geringer HShe kann man dort auch den Nestbau und die intimeren Lebens- gewohnheiten dieses sonst so schwer za beobachtenden Vogels sehr genau studieren.

Herr K o l l i b a y teilt dazu mit, dafs der Pirol auch sonst bis- weilen, und zwar ohne dafs ein ersichtlicher Grund vorliegt, also auch wenn gentigend hohe Biiume vorhanden sind, sein Nest ganz niedrig anlege.

Gelegentlich einer Bemerkung des Herrn P eck elh off, dafs er bei den Pirolen an der Wakenitz gesehen habe, wie zwei pr~chtige ausgefiirbte Pirol-Mitnnchen langezeit hinter einem Weibchen her- jagten, entspinnt sich noch eine liingere Diskussion fiber den Zweck des Vogelgesanges, sowie dariiber, ob der miinnliche Vogel das be- treffende Weibchen mit Gewalt erobert, beztiglich, wie welt sich die Weibchen ihnen nicht genehme Bewerber vom Leibe zu halten wissen.

Herr H e i n r o t h weist darauf hin, dafs man sich vor allen Dingen hiiten mfisse, irgend welche an einer Vogelart gemachte Beobachtungen zu verallgemeinern. In diesem Punkte verhalten sich, wie er aus Erfahrung namentlich bei Anatiden wefts, selbst nahverwandte hrtea oft ungemein verschieden.

Liingere Zeit noch bleibt man bei angeregter Unterhaltung zuniichst in dem Sitzungssaal beisammen, um sich dann noch in vorgeriickter Nachtstunde nach der ,,Schiffer-Gesellschaft" zu begeben, wo man Gelegenheithatte, die originelle Kerzenbeleuchtung dieses alten Schifferheimes auf sich einwirken zu lassen.

Sonnabend~ den 25. September 1909. Um 9 Uhr versammeiten sich die Teilnehmer an der Jahres-

versammlung wieder im IIause der ,,Gesellschaft zur Befiirderung gemeinniitziger Tiitigkeit".

Der Vorsitzende, Herr K o l l i b a y gedenkt zun~chst der Toten, welche die Gesellschaft im Laufe des Jahres zu verzeichnen hat: das alte Ehrenmitglied, Herr Dr. Bo l l e , Herr Polizeirat K u s c h e l , Herr Dr. Roy und Frau H e l e n o V i e w e g geb. Br o c k h a u s . Die Anwesenden erheben sich zum Ged~chtnis der Dahingeschiedenen yon ihren Sitzen.

Herr H e i n r o t h hiilt darauf einen 1 l/~stfindigen, durch 31 Lichtbilder illustrierten Vortrag fiber ,,Beobachtungen beider Ein- biirgerung der Brautente Lampronessa sponsa", der besonders abgedruckt wird. Eine Anfrage des Herrn K r a u s e , ob die Eierschalen yon der alten Ente aus der NisthShle entfernt werden, beantwortet der Vortragende dahin, dafs dies nicht der Fall sei, denn bei einem l~estflfichter braueht ftir eine Reinigung der

Page 6: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

96 Bericht fiber die 59. Jahresversammlung 1909.

Nestmulde, da sie ja nicht zur Aufzueht der Jungen diene, nicht gesorgt za werden. Herr Kol l ibay regt die Frage an, ob man es bei Einftihrung ausl~ndischer Tierformen nicht mit einer sogenannten ,,Verf~lschung" der heimischen Fauna zu tun habe. Herr H e i n r o t h meint dazu, dafs, da die Brautente eine yon den in Deutschland heimi- schen Anatidengattungen recht verschienene Form sei, irgend welehe Mischlinge nicht zu beffirchten sind, and dars wir unter unseren heimi- schen baumbriitenden Eaten keine Art haben, die als Parkvogel in Betracht kommt, denn an ein Heranziehen der Schellente oder des G~nses~gers sei doch wohl nicht zu denken. Aurserdem k5nne man eine neu eingeffihrte Art auch gesetzlich besser schiitzen als eine als Jagdwild in Deutschland bekannte Form. F r e i h e r r y o n B e r l e p s ch ~ufsert sich dahin, dais ffir ausl~ndische, hier ein- gebfirgerte Tiere wohl ein dauernder Schutz nStig sei, denn selbst der Fasan verschwinde sofort, wenn der Mensch ihn nieht hege.

Nachdem Herr K o I I i b a y noch inzwischen telegraphisch ein- getroffene Griifse der Herren yon L u c a n u s (Berlin) T i s c h l e r (Heilsberg)~ He lm (Chemnitz), L a k o w i t z (Danzig), v. T r e s k o w (Charlottenburg) verlesen hat, ergreift Herr S o k o I o ws k y das Wort zu einem Vortrage fiber ,C. Hagenbecks $traufsenzucht in Stellingen bei Hamburg". 4 Lichtbilder und zahlreiche Photo- graphieh erliiutern seinen mit grofsem Interesse aufgenommenen Bericht, tier besonders abgedruckt wird.

Herr H e i n r o t h erwidert dem Vortragenden, dais man sich hfiten mtisse, die bisherigen Erfolge H a g e n b e c k s zu optimistisch_ aufzufassen. Von einer eigentlich gegltickten Zucht des Straus kSnne nach allen bisherigen Erfahrungen erst die Rede sein, wenn die Tiere etwa das erste Lebensj ahrglticklich erreicht h/itten, denn nut zu hRufig stellen sich ganz unerwartet bei Jungen im Alter yon etwa einem halben Jahr Beinbrtiche ein, deren Ursache wohl aufzu geringe Hiirte der Laufknochen zuriickzuftihren ist In den afrikanischen Straufsenfarmen bringt dieses Ubel bis zu 70 o/o Verluste. Auch die Rentabilitiit der Straufse ist selbst bei f~r den Straus gtinstigen tropischen undsubtropischen Gebieten nicht immer gut. Der Straufs braucht verh/iltnismRfsig sehr viel Bodenfi/iche, und den Straufsen- farmen in Australien z. B. war es bisher nicht m6giich, Dividende zu erzielen. Auch bei Herrn F r i e d r i c h F a l z - F e i n , der seine Straufse mit hntilopen,,Zebras u. s. w. unter sehr gtinstigem!Klima auf etwa 1 Quadratkilometer laufen 1/ifst, hatte sich die Straus zwar ausgezeichnet angelassen, nach einigen Jahren jedoch waren yon etwa einem Dutzend nur noeh 3 Sttick tibrig, und die yon den Weibchen gelegten Eier erwiesen sich zuletzt als unbefruchtet. Das Zttchten yon Straufsen dutch mehrere Generationen hat wohl sicher seine grofsen Schwierigkeiten.

Herr S ok ol o w s k y weis darauf hin, dafs er sich besonders in Deutsch-Stidwest-Afrika Erfolge mit der Straufsenzucht ver- spreche. Die Kapkolonie z. B. exportiere gegenw/irtig ffir 37 000 000 Mark 8traufsfedern.

Page 7: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

Ber/cht llbor die 59. Jahresversammlung 1909. 97

Nach einer kleinen Frfihstiickspause ergreift Herr Lenz das Wort zu einer kurzen Schilderung des ibm untersteliten Labecker Museums.

Das im Museum vorhandene Material setzt sich vorwiegend aus Geschenken zusammen. Den Grundstock bilden Privatsamm- lungen, das Geb~ude ist Eigentum des Staates Lfibeck. Besonders hervorzuheben sind die ornithologischen Kollektionen aus Brasilien, dem malayischen Archipel und Alaska. Sch5ne Raubvogelgruppen, insbesondere eine Zusammenstellung der verschiedenen Kleider yon Gypa~tus und der Horste bei Liibeck vorkommender Raub- vSgel sind hervorzuheben, ferner ist die ,,Brutkolonie an der Ostseekfiste" besonders interessant. Herr Lenz weist darauf hin, dafs eine Trenaung yon wissensehaftlicher uad Schau- sammlung wegea Platzmangels bisher nicht mSglich gewesen sei, und bittet die Teilnehmer an der Jahresversammlung bei ihrem Besuch des Museums aueh die aaderen Tiergruppen, besonders die Sluge- und Gliedertiere eines Blickes zu wiirdigen. Zur weiteren Belehrung iiberreicht der Vortragende den Anwesenden eine An- zahl ,,F~ihrer durch das Lfibecker Museum".

Nachdem der Vorsitzende Herrn Lenz den Dank der Ge- sellschatt ausgesprochen, h~ilt Herr Hag e n eiaen 15ngeren Vortrag fiber den Vogelzug bei Liibeck (folgt ausfiihrlich).

Im Ansehlufs hieran fiigt Herr K o l l i b a y noch hinzu, dafs man auch in Lfibeck, soweit nur irgead ang~agig, ZugvSgel beringen solle, and warnt dringend davor, mit dem A.bsehufs oder Einfangen interessanter YSgel zu engherzig zu sein. Dean aur durch ge- naue Kenntnisse, zu deren Erlangung eben h~iufig Belegstficke nStig sind, kSnne man Vog.e.lschutz und Wissenschaft fSrdern.

Herr Blohm gibt eine Ubersicht Uber die bei Liibeck Lament- lich im Winter vorkommenden Anatiden und schildert ia aaschau- licher Weise, welch' riesige Entenschw~rme sich im Winter an eisfreien Stellen einfinden and wie diesen VSgeln seitens der Fischer durch geschickt unter Wasser aufgestellte Netze nachgestellt wird. Dabei werden nicht selten Tausende der verschiedensten Arten yon Enten an einem Tage erbeutet, ohne dafs sich den Fischern gesetzlich irgendwie beikommen lafst, deal die letzteren haben vor Gericht immer die Entschuldigung, dafs sie die Netze zum Fisch- fang ausgelegt hatten und die Eaten nur zuf~llig hineingeraten seien.

Hierauf ergreift F r e i h e r r yon B e r l e p s c h das Wort zu einer Schilderung einiger interessaater Beobachtungen, die er bei einer Reise ins arctisehe Gebiet im Frfihjahr gemaeht hat: so ist die Elster im nSrdlichen Norwegen nicht nur ungemein h~ufig, sondern geradezu Hausvogel geworden, und ungeseheut treibt sie ihr Wesen vor den Fiifsen der Menschen und Zugtiere. Dabei wimmelt es in derselben Gegend yon Wachholderdrosseln und Weindrosseln, die Elster scheint demnach dort kein Feind des Kleingefliigels zu sein. Die Weindrossel briitet dort auch h~iufig auf hohen B~umen, nicht wie sonst gewShnlich nur in der N~he der Erde.

Journ. f. Orn. LVIIL Jahrg. Januar 1910. 7

Page 8: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

98 Bericht fiber die 59. Jahrosversammluag L909.

Die ElfenbeinmSwe, (l~agophila eburnea), deren Verbreitung an- scheinend mehr durch die L~tngen- als dutch die Breitengrade bedingt ist, denn sie finder sich fast nut zwischen Nowaja-Semlja und dem 270 5. L., hat die Eigenttimlichkeit, stets zu erscheinen, wenn ein Schufs abgefeuert wird, um dana nach dem Blut und den Abf~llen der yore Schtitzen erlegten Robben u. s. w. zu suchen. Sie tritt niemals sehr zahlreich auf, hSchstens 6--7 Stfick kann man zugleich beobachten. Zahlreiche Versuche haben den Vor- tragenden gelehrt, dafs diese MSwen beim hufsuchen der Schweifs- fiihrte sich nicht durch das huge leiten lassen, lediglich der Schufs ist es, welcher die Tiere auch aus sehr welter Entfernung herbei- zieht; der Vogel mus also wohl durch die durch Jahrhunderte gehen- den Erfahrungen, welche er mit den Robbenj~tgern gemacht hat, die Bedeutung des Gewehrknalles kennen gelernt haben, huffallender- weise finder man unter den ElfezJbeinmSven fast nar alte, ausge- fiirbte, also reinweifse Stficke, nur eine jugendlich semmelbraune MSve konnte von einem Expeditioasmitgliede erbeutet werden. Die hngabe h. E. B r e h m s fiber das sehr zahlreiche Vorkommen der Eiderente und deren GewShnung an den Menschen best~ttigt F r e i h e r r v. Ber lep sch nach seinen Erfahrungen auf ciner kleinen Insel am Nordkap in vollem Mafse. Dort geht diese Ente in die ftir sie vom Menschen errichteten Nistvorrichtungen und zeigt keinerlei Scheu. Den Nestern werden die Daunen entnommen, und soviet Eier, als derbetreffende Besitzer der Brutkolonie gerade niitig hat, die fibrigen iiberliifst man den Enten zum Ausbrfiten.

Hieran schliefst der Vortragende noch einige Daten fiber den Star. Er weist zun~tchst darauf hin, (lafs dieser Vogel aufser auf den friesischem Inseln stets nut c i n e Brut im Jahre macht. Das Ausfiiegen der Jungen erfolgt innerhalb einer BL'utkolonie im Zeitraum yon ganz wenigea Tagen, und ganz kurze Zeit darauf verlassen dann sSmtliche YSgel den Brutort, um sich in Obstplantagen und an andere nahrungversprechende Stellen zu begeben. Es ist dabei besonders hervorzuheben, dais die Stare niemals an ihren Brutorten zu Obstsch~idlingen werden; man kann also ruhig in Kirschpflanzungen StarkSstea aufh~tngen, ohne be- ffirchten zu mtissen, dafs die dort briitenden VSgel sp~iter fiber die Kirschen herfallen werden. So werden in einer gewissen Kirsch- plantage j~hrlich etwa Tausend Stare ausgebrtitet, aber gerade diese Kirschenpflanzung ist vollkommen vor ihnen sicher. Andererseits ist in der Mannsfelder Gegend der Star hie Brutvogel, und auch Versuche, ihn durch Aush~ingen geeigneter Kiisten dort anzusiedeln, sind nicht gegltickt, aber gerade dort erweist er sich als arger Kirschenriiuber. Spiiterhin, nach Beendigung der Mauser pfiegen die Stare noch im September auf einige Tage an ihre Nistpl~itze zurtickzukehren, um dann schliefslich, soweit sie dies tiberhaupt tun, den Herbstzug anzutreten.

Der Vorsitzende dankt Herrn F r e i h e r r n v. B e r l e p s c h ffir seine interessanten husf0hrungen und weist daraufhin, dafs

Page 9: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

Bericht llber die 59. Jahresversammlung 1909. 99

die Elster auch in anderen Gegenden, so z. B. in Stidungarn, we sie auch yon Menschen nicht gestSrt wird, zum ganz ver- trauten Hausvogel geworden ist und fiihrt als Parallelfall zu dem Benehmen der ElfenbeinmSwen den Rohrweih an, welcher auf der Bekassinenjagd, durch den Schufs angelockt, das gefliigelte oder getStete Wild dem Schiitzen h~iufig vor der Nase wegstiehlt.

Herr H e r b s t teilt mit, dafs man in Ltibeck auf eine Ein- gabe der Besitzer yon Kirschplantagen hin den hbschufs der in Massen vorhandenen Stare in den betreffenden Pflanzungen ge- statten mufste. Es hat sich dabei herausgestellt, dafs im ersten Jahre die Stare, nachdem sie drei Tage lang bescho~sen waren, verschwanden. Im folgenden Jahre geniigte zu ihrer Vertreibung das Schiefsen w~hrend eines halben Tages. Im dritten Jahre brauchte nur einmal ein,Gewehr auf sie abgeschossen zu werden, und in diesem Jahre sind sie in der betreffenden Gegend iiberhaupt nicht mehr eingekehrt.

Zum Schlufs macht Herr V o i g t die knwesenden darauf aufmerksam, dafs die Eiersammlung des kiirzlich verstorbenen Dr. Rey yon den Erben kiiuflich abzugeben ist. Der Weft ist auf 20000 Mark geschiitzt.

Nach Schlufs der Sitzung land um 2 Uhr in den R~iumen der ,,Gesellschaft zur BefSrderung gemeinniitziger Tatigkeit" ein gemeiusames Mittagessen start, an das sich um 31/2 Uhr nachmittags eine Dampferfahrt die Untertrave hinab bis Travemtinde schlofs. W~hrend der Fahrt wurden an den Flufsufern zahlreiche M5wen, insbesondere auch JLarus marinus und fuscus, sowie viele Brach- viigel und Uferschnepfen beobachtet, aufserdem auch einige Fisch- reiher. Nach der Dampferfahrt besichtigte man das dem Liibecker Heimatschutz-Verein ftir den Vogelschutz iiberlassene Gel~nde des Priwalls, einer ausgedehnten, vorwiegend aus Weideland be- stehenden, in der Lfibecker Bucht liegenden Insel. Leider war das Wetter recht ungtinstig, denn eiu .schliefslich immer heftiger und andauernder einsetzender Regen erschwerte ornithologische Beobachtungen und machte das an sieh schon feuchte Geliinde recht unwegsam. Immerhin hatten die Teilnehmer das Vergntigen, stattliche Schwiirme yon Brachv5geln, Tringen, Stock- und Kriek- euten, sowie kieine Trupps yon husternfischern beobachten zu kSnnen, und besonderes Interesse erregte ein zahlreicher Schwarm yon Brandenten, deren leuchtendes Schwarz-weifs-rot im Fluge priichtig zur Geltung kam. Unter strSmendem Regen traf man auf den Bahnhof in Travemtinde ein, um um 7 Uhr 22 Minuten die Fahrt nach Liibeck anzutreten. Zum gemeinsamen hbendessen war der Ratskeller in hussicht genommen worden, und dort blieben die Teilnehmer bis zu recht vorgerfickter Nachtstunde in ebenso gemtitlicher als angeregter Stimmung beisammen. Auch der Priisi- dent der Gesellschaft, Herr S c h a 1 ow, war inzwischen aus Berlin eingetroffen und konnte nunmehr den Vorsitz iibernehmen.

7*

Page 10: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

100 Bericht fiber die 59. Jahresversammlung 1909.

Am Sonntag den 26, September vormittags 9 Uhr trafen sich die Teilnehmer zu einer Fahrt mit dem Motorboot, das sie die Wakenitz hinauf bis zum Ratzeburger See ftihrte, und zwischen Schilf und Binsen, Dickichten, Erien- brtichen, Viehweiden und malerisch gelegenen Fischerh~uschen ging die Fahrt auf den verschlungenen Wegen dieses stillen Fliifs- chens hinauf, auf dessen Spiegel zahlreiche Wasserhtihner ihr Wesen trieben, und man glaubte es den Liibecker Herren gern, dais an diesen lauschigen Stellen im Frtihjahr ein ebenso zahl- reiches als vielseitiges Vogelleben herrscht, huf der Rtickfahrt wurden die Teilnehmer noch auf ein ZaunkSnignest, das in ein an der Decke eines Stallgeb~iudes befindliches Rauchschwalbennest eingebaut war, aufmerksam gemacht und hatten Gelegenheit, die selbst gezimmerte NisthShle der Weidenmeise (/J. salicarius) in hugenschein zu nehmen. Nach der Rtickkehr wurde die Mittags- rast in der ,,Hoffnung" abgehalten, und hierauf begab man sich in das Museum, wo Herr Professor Dr. L e nz mit anderen Lfibecker Herren in liebenswfirdigster Weise die Ftihrung tibernahm. Ganz besonders fesselte die Aufmerksamkeit der Besucher eine pzacht- roll aufgestellte Gitnses~tgerfamilie, verschiedene Raubvogel-Horste aus der Umgebung Ltibecks, sowie die von Herrn Dr. Bieder- mann-Imhoof (Eutin) gestiftete Bartgeiergrupl)e. Leider drSngte die Zeit, :sodas es nicht mSglich war, tiefcr in die Sch~itze des Museums einzudringen, denn um 6 Uhr 23 Minutea nachmittags brachte die Eisenbahn die bis zuletzt auf der Jahresversammlung ausharrenden Teilnehmer -- es mSgen etwa noch 15 gewesen sein -- nach Wis m a r, woselbst das Hotel ,,Stadt Hamburg" Unter- kommen gewShrte.

Am Montag den 27. September friJh 8 Uhr standen zwei Wagen bereit, in welchen die Ornithologen trotz recht zweffelhaften Wetters die Fahrt nach der Insel Poel an- traten. Diese besteht zum grSl'sten Tell aus schwerem, sehr frucht- barem Boden, sodal's sich auf ihr StrandvSgel kaum erwarten liessen. Nut einige Turmfalken und die auch sonst ffir ein solches Geliinde charakteristischen Singviigel waren anzutreffen. Nach mehrsttindiger Fahrt wurde das ,Seebad" Gollwitz erreicht, dessert P~ichter, Herr Lemcke, die Gesellschaft mit einem treff- lichen Imbifs erquickte. Ein Gang an den nahen Strand fiihrte zu einigen kleineren Uferschwalbenkolonien in der steil abfallenden, sandigen Lehmwand, und zahlreiche MSwen, sowie verschiedene Eaten und kleinere SumpfvSgel konnten in welter Ferne beob- achtet werden. Von dem ursprtinglich geplanten Besuch einer kleinen gegeniiberliegenden Insel, des sogenannten Langen Werders, wurde wegen Zeitmangels Abstand genommen, und so bildete die Rtickfahrt nach Wismar am bTachmittage dieses Tages den Schlufs der Jahresversammlung. Mit dem Geftthl des wi~rmsten Dankes

Page 11: Bericht über die 59. Jahresversammlung der Deutschen ornithologischen Gesellschaft in Lübeck und Wismar, vom 24. bis 27. September 1909

Bericbt fiber die 59 Jahresversammlung 1909. 101

gegen die Lfibecker Herren, insbesondere gegen Herrn Hagen, dem ortskundigen und liebenswtirdigen Fiihrer, schieden die Teilnehmer yon einander. Dr. O. t t e i n r o t h .

Beobachtungen bel einem Einbiirgerungsversueh mit der Brautente (r, a m p r o n e s s a sponsa (L.)).

Von Dr. O. He in ro th . (Hierzu Tafel L-IV).

Es ist ein knappes Vierteljahrhundert her, ich besuchte da- reals in Dresden die Unter-Sekunda, dais ich, so oft es irgend meine freie Zeit erlaubte, in die dortige, unter dem Namen ,,Grofser Garten" bekannte, herrliche K6nigliche Parkanlage hinauszog, um die dort recht zahlreich vorkommenden Brautenten zu beob- achten. Ursprtinglich waren aus dem Dresdener Zoologischen Garten einige Stficke dieserEntenart, denen man wohl zur rechten Zeit die Flt'tgel zu beschneiden vergessen hatte~ n~tch den nahe gelegenen Teichanlagen des ,,Grofsen Gartens" gefiogen, und dort batten sich die YSgel in einigen Jahren recht zahlreich vermehrt, so dais ich im Herbst des Jahres 1888 einmal 75 Sttick auf und unter einer fruchttragenden Eiche versammelt sah. Da ich schon damals zu jeder J,'threszeit und zu jeder Tages- und NachtstuMe meine Beobachtungen angestellt hatte, so war ich als Abiturient des Gymnasiums mit den Lebens~ gewohnheiten yon Lampronessa als wildem Parkvogel vollkommen vertraut, ein Umstand, der mir, als ich beinahe 20 Jahre spiiter als Direktorial-Assistent des Berliner Zoologischen Gartens selbst Ein- btirgerungsversuche mit der Brautente machen konnte, sehr zu statten kam. Soviel stand nach meinen Erfahrungen bei mir lest, dais die Verbreitung dieses Vogels tibet" den benachbarten Tiergarten und andere GewSsser Berlins am bcsten in der Weise erMgen mtisse, dafs man ira Zoologischen Garten erbriiteten und aufgezogenen Jungen nicht, wie es gewSnlich geschieht, die Hand eines Fltigels am- putierte, sondern dafs man die jungen Enten sich einfach ganz selbst fiberl~is indem man es ihnen freistelit, yon ihren Fltigeln Gebrauch zu machen, so viel sie wollen.

Es hat nun gewisse $chwierigkeiten, sich ohne wesentliche Kosten die nStige Anzahl yon Enten heranzuziehen, denn wenn die Brautente auch unter recht ungiinstigen iiul'seren Umst~nden verh~ltnismiifsig leicht zur Fortpfianzung schreitet, so hapert es doch im tierg~trtnerischen Betriebe gewShnlich mit dem Erfolge. LSfst man niimlich der alten Ente ihr Gelege, das sie, sogar im fiugunfAhigen Zustande, oft recht geschickt zu verbergen weirs, und erteidet die Brut auch wirklich nicht durch Ratten, Raubtiere oder den Strahl des Gartenschlauches ein tragisches Ende, so er- scheint schliefslich die besorgte Mutter mit ihren munteren winzigen jungen Entchen. Abet was dann? Oberliif~t man die Familie ihrem