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31. August 2008, früher Abend. Mein Flieger hebt vom Boden am Flughafen Frankfurt-Main ab und das Abenteuer „Erasmus“ beginnt. Ich fühle mich sehr unvorbereitet. Ich weiß kaum etwas über die Stadt, in der ich die nächsten 6 Monate verbringen werde. Ich habe nicht einmal eine Stadtkarte von Málaga bei mir, nur die Adresse von einem Hostal, in dem ich in dieser Nacht übernachten werde. Ich weiß noch nicht so recht, was mich erwartet, aber ich denke mir, dass das wohl allen, die so etwas machen, ähnlich geht. Kann man überhaupt wissen, was einen erwartet? Kann man sich genügend vorbereiten? Kann (oder muss) man vor Beginn des Abenteuers alle Even- tualitäten ausschließen? Und, sollte jemand alle diese 3 Fragen guten Gewissens mit einem deutli- chen JA beantworten können, wo, frage ich im Ge- genzug, bleibt dann das Abenteuer? Ich schaue mich unter den anderen Reisenden um und suche nach Anzeichen, die mir vielleicht verra- ten könnten, wer von ihnen vielleicht auch Student und auf dem Weg in sein Auslandssemester sein könnte. Ich finde keinen, der meinen Kriterien ent- spricht, also lehne ich mich wieder in meinem Sitz zurück und versuche, den Flug zu genießen. Beim Check-In wurde mir ein Fensterplatz zuge- teilt. Ich könnte also den Ausblick genießen, mir die Alpen und die Pyrenäen anschauen und bestau- nen. Mein Fenster besteht jedoch nur aus Wand, da mein Platz genau zwischen zwei Fenstern ist. Kein Ausblick also, Mist. Ich unterhalte mich statt- dessen mit meiner Nachbarin, einer älteren Frau aus Málaga. Sie bringt ihre Tochter und ihre Enkel- tochter aus Deutschland mit und wird mit ihnen am Wochenende auf ein Flamenco-Festival gehen. Mitte März 2009, später Nachmittag. Ich bin seit knapp 2 Tagen wieder zu Hause. Ich erinnere mich an den Flug nach Málaga noch so, als wäre es erst gestern gewesen. Es überrascht selbst mich, wie viele Details ich vom ersten und den darauf folgen- den Tagen noch beschreiben kann. Im Rückblick kommen mir die 6 Monate in Málaga jedoch vor wie ein sehr kurzer Traum, ein kurzes Intermezzo meines normalen Lebens. Es scheint, als wäre ich nie weg gewesen, als wäre alles noch so wie vorher. Und doch bemerke ich, dass sich so einiges verändert hat. Die Zeit in Málaga hat Spu- ren hinterlassen. Und ich befinde mich im Jet-Lag zwischen Erasmus und realem Leben. Ich möchte in meinem Bericht gerne festhalten, von welchen Spuren ich genau spreche. Ich möchte allen, die dies le- sen, erzählen, was ich in Málaga erlebt und miter- lebt habe. Was mich dort geprägt und was meinen Aufenthalt so ein- zigartig und he- rausragend ge- macht hat. Ich möchte, dass sich Studenten, die diesen Bericht lesen, daran inspirie- ren. Und ich möchte diejenigen, die Zweifel haben, dazu ermutigen, es trotzdem auszuprobieren. Ich möchte die wichtigsten Stationen vor, während und 1 Up until then, travel and the idea of going far away had just been a dream, and dreaming is very pleasant as long as you are not forced to put your dreams into practice. That way, we would avoid all the risks, frustations and difficulties, and when we are old, we can always blame other people – preferably our parents, our spouses or our children – for our failure to realise our dreams. Paulo Coelho ERASMUS MALAGA Blick von der Alcazaba

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Page 1: Bericht Erasmus Malaga - Startseite TU Ilmenau · nach meines Aufenthaltes erzählen, damit diejeni-gen, die noch nie Erasmus oder etwas vergleichba-res erlebt haben, einen Einblick

31. August 2008, früher Abend. Mein Flieger hebt vom Boden am Flughafen Frankfurt-Main ab und das Abenteuer „Erasmus“ beginnt. Ich fühle mich sehr unvorbereitet. Ich weiß kaum etwas über die Stadt, in der ich die nächsten 6 Monate verbringen werde. Ich habe nicht einmal eine Stadtkarte von Málaga bei mir, nur die Adresse von einem Hostal, in dem ich in dieser Nacht übernachten werde. Ich weiß noch nicht so recht, was mich erwartet, aber ich denke mir, dass das wohl allen, die so etwas machen, ähnlich geht. Kann man überhaupt wissen, was einen erwartet? Kann man sich genügend vorbereiten? Kann (oder muss) man vor Beginn des Abenteuers alle Even-tualitäten ausschließen? Und, sollte jemand alle diese 3 Fragen guten Gewissens mit einem deutli-chen JA beantworten können, wo, frage ich im Ge-genzug, bleibt dann das Abenteuer? Ich schaue mich unter den anderen Reisenden um und suche nach Anzeichen, die mir vielleicht verra-ten könnten, wer von ihnen vielleicht auch Student und auf dem Weg in sein Auslandssemester sein könnte. Ich finde keinen, der meinen Kriterien ent-spricht, also lehne ich mich wieder in meinem Sitz zurück und versuche, den Flug zu genießen. Beim Check-In wurde mir ein Fensterplatz zuge-teilt. Ich könnte also den Ausblick genießen, mir die Alpen und die Pyrenäen anschauen und bestau-nen. Mein Fenster besteht jedoch nur aus Wand, da mein Platz genau zwischen zwei Fenstern ist. Kein Ausblick also, Mist. Ich unterhalte mich statt-dessen mit meiner Nachbarin, einer älteren Frau aus Málaga. Sie bringt ihre Tochter und ihre Enkel-

tochter aus Deutschland mit und wird mit ihnen am Wochenende auf ein Flamenco-Festival gehen.Mitte März 2009, später Nachmittag. Ich bin seit knapp 2 Tagen wieder zu Hause. Ich erinnere mich an den Flug nach Málaga noch so, als wäre es erst gestern gewesen. Es überrascht selbst mich, wie viele Details ich vom ersten und den darauf folgen-den Tagen noch beschreiben kann. Im Rückblick kommen mir die 6 Monate in Málaga jedoch vor wie ein sehr kurzer Traum, ein kurzes Intermezzo meines normalen Lebens. Es scheint, als wäre ich nie weg gewesen, als wäre alles noch so wie vorher. Und doch bemerke ich, dass sich so einiges verändert hat. Die Zeit in Málaga hat Spu-ren hinterlassen. Und ich befinde mich im Jet-Lag zwischen Erasmus und realem Leben.Ich möchte in meinem Bericht gerne festhalten, von welchen Spuren ich genau spreche. Ich möchte allen, die dies le-sen, e rzäh len , was ich in Málaga erlebt und miter-lebt habe. Was mich dort geprägt und was meinen Aufenthalt so ein-zigartig und he-rausragend ge-macht hat. Ich möchte, dass sich Studenten, die diesen Bericht lesen, daran inspirie-ren. Und ich möchte diejenigen, die Zweifel haben, dazu ermutigen, es trotzdem auszuprobieren. Ich möchte die wichtigsten Stationen vor, während und

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Up unti l then, travel and the idea of going far away had just been a dream, and dreaming is very pleasant as long as you are not forced to put your dreams into practice. That way, we would avoid al l the r isks, frustat ions and dif f icult ies, and when we are old, we can always blame other people – preferably our parents, our spouses or our chi ldren – for our fai lure to real ise our dreams.

Paulo Coelho

ERASMUSMALAGA

Blick von der Alcazaba

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nach meines Aufenthaltes erzählen, damit diejeni-gen, die noch nie Erasmus oder etwas vergleichba-res erlebt haben, einen Einblick haben können.

VorüberlegungenDie Zeit „Erasmus“ begann nicht erst mit dem Flug zum Zielort. Erasmus beginnt, wenn der erste Wunsch aufkeimt. Es beginnt mit dem ersten Ge-danken, es einfach ausprobieren zu wollen. Das Fernweh hatte mich also wieder gepackt. Nie halte ich es lange an einem Ort aus.Ich war mir schon zu Beginn meines Studiums si-

cher, dass ich einen Teil davon im Ausland verbrin-gen möchte. Ob als Praktikant oder Student, oder beides; wo, wann und wie, das wusste ich noch nicht so recht. Am Ende war es eine Verkettung glücklicher Umstände, die mich erst dazu brachten mich zu bewerben.Mein drittes Semester war vorbei und viele, so wie auch ich, dachten schon an ihre zukünftige Stelle als Praktikant, die man laut Studienplan im fünften Semester wahrnehmen sollte. Doch wie sollte ich mich bewerben? Was hätte ich überhaupt groß an-zubieten gehabt? Ich hatte keinen Plan. Und genau während dieser planlosen Phase veranstaltete das IfMK einen Informationsabend, in dem man dem interessierten Student alternative Möglichkeiten zur Gestaltung des letzten Studienabschnitts vorstellte.Es zeigte sich nämlich, dass die Bewerbungen für Erasmus und ähnliche Programme seit der Umstel-lung des Studiengangs zum Bachelor deutlich zu-rückgingen. Uns wurde sogar mitgeteilt, dass sich aus der ersten Bachelor Matrikel (2005) nicht ein einziger für ein Studium im Ausland beworben hat-te. Dass dies im krassen Gegensatz zum eigentli-chen Ziel von Bachelor und Bologna steht, brauche

ich nicht zu betonen. Es sollte doch gefördert wer-den, sich innerhalb Europas auszutauschen. Und so wurde durch die Verdichtung des Studiengangs auf dreieinhalb Jahre ziemlich genau das Gegenteil erreicht. Die Studenten finden keine Zeit für solche Aktivitäten, also wird sich nicht beworben.Es wurde uns also deutlich gemacht, wie man sein Studium anders gestalten kann. Wie man sich selbst den vorgegebenen Rahmen so verbiegen kann, dass er genau zu dem passt, was man ei-gentlich machen möchte. Und siehe da, es klappt.Die Idee mich für Erasmus zu bewerben war also in meinem Kopf festgesetzt. Außerdem sah ich die

Chancen, auch wirklich vom Institut ausgewählt zu werden, als sehr hoch an. Wenn sich wirklich kaum jemand bewirbt, dann kann es ja nicht so schwer sein.Was auf den ersten Blick als Verdrän-gung und Aufschiebung der Bewerbun-gen für ein Praktikum begann, verwan-delte sich schnell zur echten Alternati-ve. Verdrängung, ja, aber sinnvoll! In den nächsten Wochen informierte ich mich also, über die Möglichkeiten, die verschiedenen Partneruniversitäten des

IfMK und die Voraussetzungen, sich zu bewerben.

Bewerbung & KurswahlMeine endgültige Wahl fiel auf Málaga. Nach lan-gem hin und her habe ich mein erstes Ziel Cardiff aufgegeben und mich für den Süden Spaniens ent-schieden. Eine gute Wahl. Die Kurse überzeugten mich. Die Universität bietet einen guten Mix aus allen Richtungen an (PR, Werbung, Produktion, Journalismus) und verbindet seine Kurse mit sehr viel Praxis und Gruppenarbeit, was für mich enorm wichtig war. Ich muss ehrlich sagen, dass bei mir die Lage der Stadt, mit dem Mittelmeer direkt vor der Tür, eine untergeordnete Rolle spielte. Erstmal.Die Bewerbung war problemlos, alle Materialien eingereicht dauerte es keine zwei Wochen bis ich die Zusage vom Institut bekam. Dazu muss ich al-lerdings auch gestehen, dass ich meine Dokumen-te erst wenige Tage vor der Deadline abgegeben habe. Ich hatte immer Respekt davor, dass man viel planen muss, und ich las auch überall, dass man mindestens 1 Jahr vorher anfangen sollte zu

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Orangenbäume

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planen. Ich will das auch gar nicht anzweifeln. Aber es geht auch in 6 Monaten, und das ist, wie ich fin-de, immer noch genug.Ich freute mich riesig über die Zusage und in den kommenden Wochen wühlte ich mich durch die vielen Kurse auf der Webseite der „Universidad de Málaga“. Das „Learning Agreement“, ein Formular, in welches ich alle Kurse, die ich belegen möchte, eintragen musste, sollte nämlich bis Anfang Juni schon eingereicht werden. Es dient dazu, die Kur-se, die man belegt, von beiden Universitäten zu bestätigen. Erst danach bekam ich meine ersten Raten der Erasmusförderung überwiesen. Es wur-de mir gesagt, dass ich mich bis schon so früh ent-scheiden müsse, und dann nicht mehr wirklich et-was an den ausgewählten Kursen ändern könne. Das stimmte nicht mal im Ansatz, was ich als sehr positiv empfand. Das Dokument wurde von Málaga nicht gleich zurückgeschickt, sondern bis zur An-kunft von uns, den Eras-musstudenten, aufbewahrt. Nichts stand fest, alles konn-te geändert werden. Das war auch nötig, da die meisten Kurse, die ich mir auf der Webseite herausgesucht hatte, nur im Sommersemes-ter angeboten wurden, und ich war ja im Wintersemester dort. Also keine Bange, alles kann vor Ort ohne Probleme angeglichen werden.

Letzte Vorbe-reitungen & ReiseAlles in allem muss ich leider zugeben, mich vorher kaum vorbereitet zu haben. Planen ist nicht meine Stärke und so kam der Tag des Abflug immer näher. Im Sommer kümmerte ich mich dann noch um meinen Antrag beim Bafög-Amt in Heidelberg. Jedes Amt in Deutschland verwaltet ein anderes Land, in Il-menau müsste ich mich bewerben, wenn ich nach Kanada möchte. Und Heidelberg kümmert sich e-ben um Spanien. Nach Tonnen an Dokumenten, was aus deutschen Bafög-Anträgen wohl schon bekannt sein sollte, bekam ich dann ohne größere

Probleme die Zusage für mein Auslandsbafög. Der monatliche Betrag war etwas höher als mein nor-maler Satz in Deutschland und meine Förderzeit, normalerweise die Regelstudienzeit, verlängerte sich um den Aufenthalt in Málaga. Also nur Vorteile.

Ich konnte es also kaum erwarten. Und am letzten Augusttag ging die Reise auch endlich los. Ich kam spät am Abend in Málaga an. Das erste, woran ich mich erinnere, ist die Hitzewelle, die mir noch nachts um halb elf entgegen schlug, als ich das Flugzeug verließ. Der Spätsommer in Málaga hat es immer noch in sich. Es wurde auch die folgen-den Wochen nachts nur selten kälter als 27°, was das schlafen nicht unbedingt erleichtert. Aber wer will schon schlafen in Málaga. Dazu jedoch später mehr.Da ich entschieden habe, ohne Wohnung nach Málaga zu gehen, bezog ich erste einmal mein

Zimmer in einem Hostel, das etwas außerhalb lag. Mit der Wohnungssuche wollte ich dann in den nächsten Tagen beginnen. Die Vorteile, keine feste Wohnung zu haben, wenn man frisch ankommt, liegen, für mich jedenfalls, klar auf der Hand. Wie sollte ich in einer fremden Stadt, in einem fremden Land, von Deutschland aus, eine Wohnung finden, die mir gefällt? Ich musste mir doch vorher die Ge-gend ansehen, ich musste doch wissen, wo in der Stadt welches Viertel ist und wie die Stadt und ihre Einwohner ticken, bevor ich entscheiden konnte, ja,

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Calle Marqués de Larios

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hier möchte ich wohnen. Außerdem möchte ich sehen, mit wem ich zukünftig zusammen wohnen werde. Es war klar, dass ich in eine WG ziehen möchte. Aber von weit weg einen Vertrag für 6 Mo-nate unterschreiben, ohne das Zimmer, die Woh-nung, das Haus, die Straße und die Stadt auch nur einmal gesehen zu haben. Nunca.

wohnenEinfach. Eine erste Wohnung hatte ich am dritten Tag. Zwar fand ich sie über eine Agentur, die eine Vermittlungsgebühr von 40€  verlangte, zwar blieb

ich dort nur 3 Monate und im Nachhinein würde ich es denke ich auch anders machen, aber ich musste diese Erfahrung einfach machen. Nachher ist man ja immer schlauer. Und schlecht war sie ja nun auch nicht. Eben nur nicht optimal. Die Agentur (wie hieß die doch gleich??) führte uns an nur ei-nem Tag durch 6 Wohnungen mit insgesamt 12 freien Zimmern. Eine Quote, die man mit privaten Anzeigen wohl kaum erreicht hätte. Wenn mir ein Zimmer gefiel, musste ich einfach nur als erste HIER, ICH schreien, also dann natürlich in Spa-nisch, und schon war es meins. In der letzten Wohnung wurde ich fündig. Direkt gegenüber der Kathedrale, quasi im Schmelztiegel des Tourismus von Málaga, lag meine neue Bleibe, direkt in der Innenstadt. Unweit aller Bars, der Einkaufsstraßen und natürlich einer Haltestelle, an der der Bus zum

Campus fuhr. Und auch am Meer war ich in weni-ger als 5 Minuten zu Fuß. Gegenüber auf gleicher Höhe gab es alle paar Tage Live-Musik. Ein Club für Geschiedene und Verwitwete mit Bar lud zwei Mal pro Woche zum Tanzen und Singen ein. Der feurige Flamenco drang direkt in unsere offenen Fenster. Preislich war die WG auch ok, ich zahlte 275€ im Monat, inclusive Gas, Strom und Wasser. Und Internet gabs auch. Allerdings nicht unseres.Warum ich nur 3 Monate in der Wohnung blieb? Nun ja, nennen wir es der Einfachheit halber Un-stimmigkeiten mit einem Mitbewohner. Aber auch die schlechten Erfahrungen gehören zum Leben im Ausland. Die Entscheidung, nach einer neuen WG

zu suchen, war allerdings das Beste was mir hätte passieren können. So kam ich durch un-sere Nachbarin, der ich regel-mäßig im Aufzug begegnete und die sich immer freute, wie sich mein Spanisch nach und nach verbesserte, zu meiner neuen WG. Ihre Tochter hatte nämlich ein freies Zimmer in ihrer Mietwohnung, direkt am Hafen und direkt am Meer. Eine 5er WG mit zwei Ameri-kanerinnen und einem spani-schen Pärchen, alles Studen-ten. Das Zimmer war zwar von der Größe her mehr als Ab-stellraum gedacht, aber ich hatte mein eigenes Bad, meine super tollen neuen Mitbewoh-

ner und ein ganz neues Lebensgefühl. Dort wohnte ich dann die restliche Zeit meines Aufenthalts und genoss das bunte WG Leben in vollen Zügen.Ich würde es sehr empfehlen, einfach ins Blaue nach Málaga zu fahren und sehen, was man dort vorfindet. Keiner braucht Angst zu haben, dass er nichts findet, es gibt mehr als genug auf dem Woh-nungsmarkt. Und findet man auch nicht gleich das richtige, umziehen kann man immer.

studierenDas Unileben fing für uns als neue Erasmusstuden-ten erst einen Monat nach unserer Ankunft an, je-denfalls für diejenigen, die schon da waren, um den Sprachkurs mitzumachen. 4 Stunden täglich konnte

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mein erstes ZimmerKathedrale

der Park vor der Kathedrale

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man hier kostenlos sein Spanisch auffrischen, be-vor man mit dem eigentlichen Studium in Málaga beginnt. Nach einem Einführungstest wurde ich einem bestimmten Sprachniveau zugewiesen und dort von mehreren, sehr engagierten Lehrern unter-richtet. Die Teilnahme war freiwillig, klar. Und es lohnte sich auch hinzugehen. Mir hat es sprachlich sehr geholfen, den Kurs zu machen. Außerdem lernte ich schon Unmengen an anderen Studenten aus ganz Europa kennen, mit denen ich dann den ersten Monat in Málaga umherzog.Anfang Oktober ging es dann richtig los. Die ersten Tage an der UMA. Ich kam mir fremd vor, klar, aber dennoch war ich voller Tatendrang und stürzte mich in die erste Woche, die als eine Art Orientierungs-woche diente. Am Aushang informierte ich mich über die laufenden Veranstaltungen und stellte mir einen ersten Plan zusammen, was ich alles besu-chen könnte. In jeder ersten Veranstaltung, Vorle-sung oder Seminar, gab der Professor einen Über-blick über das, was im Laufe des Semesters hier so gemacht und was von mir selber erwartet werden würde. Ich legte bei meiner Wahl der Kurse großen Wert darauf, dass sie praktisch verankert sind, was in Málaga kein größeres Problem ist, da es kaum theoretische Kurse gibt. Außerdem wollte ich so viele Seminare wie möglich, in denen man im Team arbeitet, da ich so hoffte, den Kontakt zu den spanischen Studenten zu finden. Das schöne ist, dass ich in jeden Kurs, der mich interessierte, auch einmal reinschauen konnte, und selbst nach einem Monat noch wechseln konnte. Das Learning-Agreement, wie anfangs schon erwähnt, musste erst jetzt fertig gemacht werden. Meine endgültige Wahl fiel also dann auf die folgenden Kurse:

„Realizavión Audiovisual“Dieser Kurs war der zeit- und arbeitsinten-sivste. Aber es gab ja auch neun ECTS-Cre-dits. Inhalte waren die Gestaltung und die Produktion von TV-Sendungen, wie etwa Nach-richten oder Magazinen. Er bestand einmal aus einer wöchentlichen Vorlesung, in der uns die theo-retischen und technischen Details der TV-Produkti-on erklärt wurden und zum anderen aus einem wö-chentlichen, einstündigen Praktikum, welches im Lehrstudio der UMA abgehalten wurde. Die Inhalte der Vorlesung waren mir überwiegend schon aus Ilmenau bekannt, lediglich die spanischen Begriffe

musste ich mir einprägen. Während der Praktika erarbeitete ich zusammen mit 16 (!) anderen Teammitgliedern eine von insgesamt drei Live-Sendung im Studio, die jeweiligen Jobs, die jeder während einer Sendung durchführte, wurden zu Anfang eines jeden Praktikums festgelegt. Bei-spielsweise mussten wir ein Magazin produzieren, angefangen vom Konzept bis zur Live-Sendung. Der Dozent ist zu Erasmus-Studenten sehr freund-lich, erstmal. Die Prüfung ist sehr schwer und es gibt nicht wenige spanische Studierende, die durchfallen. Dennoch ist die Zeit, die man hier in-vestiert, nicht verloren und nicht umsonst. Der Kurs ist sehr zu empfehlen.

„Creatividad Publicitaria“Der Kurs, der am meisten Spaß brachte. Der Do-zent, Marcial, ist ein echtes Entertainment Talent und versteht es die Themen, die sich um die kreati-ve Arbeit bei der Produktion von Werbung drehen, sehr interessant und verständlich rüberzubringen. Langweilig wurde es selten, ich ging gerne hin. Zu-dem gab es noch ein Praktikum. In einem Team von 5 Leuten musste ich relevante Probleme der Werbung lösen. Unser erstes Projekt bestand da-rin, für die neuen Deo-Sprays von Axe ein Lied zu

schreiben. Die Melodie durfte von einem bekannten Werk stammen, aber es musste auch verständlich gemacht werden, warum gerade dieser Song auf das Konzept, dass wir mit Axe verfolgen wollten, passt. Natürlich musst das Lied auch im Studio eingesungen werden und live präsentiert werden. Kritik vom Dozenten und des kompletten Seminars eingeschlossen. Alles in allem eine sehr spaßige

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mein Team aus „Creatividad Publicitaria“

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Zeit mit meinen spanischen Kollegen. Auch dieser Kurs würde ich jedem wärmstens empfehlen.

„Cartel Publicitaria“Ein netter Nebenbeikurs. In der Vorlesung wurde die Entwicklung von Werbeplakaten vom Mittelalter bis heute besprochen, im dazugehörigen Seminar musste ich zwei Poster zu jeweils einem bestimm-ten Thema erstellen. Jede Woche brachte man sei-ne aktuelle Version mit und diskutierte darüber mit allen im Seminar. Der Dozent ist sehr freundlich und hilfsbereit, die Prüfung durften wir Erasmus-Leute mündlich ablegen. Damit wurde uns die Chance gegeben, uns besser zu erklären, wenn wir nicht genau die Frage verstanden hatten.

„Fotografía Artística y Publicitaria“Für Fotointeressierte ein Muss. Ich lernte alles über Bildgestaltung, technische Mittel, sowohl analog oder digital. Im Studio wurde mehrere Praktika ab-gehalten, wo die theoretischen Kenntnisse gefestigt werden konnten. Außerdem lernte ich in der Dun-kelkammer der Universität alles über das Entwi-ckeln der Negative und der Bilder. Das schöne ist, dass alle Labore im-mer allen offen stehen. Wenn man Bilder ent-wickeln möchte, geht man einfach hin, und der Techniker bereitet alles vor, damit man loslegen kann. Zum Abschluss musste ein Werbefoto geschos-sen werden, dass von einem Kunstwerk in-spiriert ist. Einziger Minuspunkt ist, dass die Dozentin etwas zickig und gerade gegenüber aus-ländischen Studenten nicht gerade freundlich ist. Dies lässt ich aber auf schlechte Erfahrungen in früheren Jahren zurückführen, habe ich mir sagen lassen.

„Medios Publicitarios“Der langweiligste, aber zugleich einfachste Kurs. Um es kurz zu machen, leicht verdiente Punkte, aber nix gelernt und Zeit verschwendet. Wenn die Dozentin mal da war, sah man ihr an, dass sie kei-ne Lust hatte. Die Inhalte waren für Studierende im dritten Semester einfach lächerlich. die Praktika

waren halbherzig durchgeführt und die Prüfung war einfach nur ein Witz. Nicht zu empfehlen, nur wenn man auf die Punkte angewiesen ist!

Neben den Kursen gibt es natürlich noch genügend anderer Angebote an der Uni in Málaga. Es gibt beispielsweise eine Cafetería wo es den ganzen Tag über kleinere Sachen und über Mittag ein gan-zes Menü gibt. Das Angebot ist preislich ok und das Essen ist auch recht gut. Außerdem ist dort der Treffpunkt und Arbeitsplatz für alle Teamtreffen und Meetings, da Räume zum arbeiten an unserem Institut rar sind. Ich konnte mich dort zwar nie so recht konzentrieren, da Spanier sehr laut reden und der Geräuschpegel dementsprechend hoch ist, a-ber irgendwie ging es immer.Was sehr schön war: Direkt in der ersten Woche sah ich ein bekanntes Gesicht. Ich wusste anfangs nicht woher, aber nach kurzem Gespräch stellte sich heraus, dass Ari, von den kanarischen Inseln, in Ilmenau Erasmus gemacht hatte. Er wusste also, wie wir uns vorkamen, anfangs, und half uns sehr. Auch wenn er abends mit seinen Freunden losge-

zogen ist, hat er uns fast immer mitgenommen. Eine einzigarti-ge Möglichkeit, d a s i c h d e r K o n t a k t z u Spaniern eher in Grenzen hielt und sich auf die Arbeit an der Uni beschränk-te , was sehr schade wa r,

aber auch nachvollziehbar. Jedes Semester kom-men 600 Erasmus-Studenten nach Málaga, die meisten davon wollen mehr feiern als studieren, aber das kann ja jeder machen wie er/sie lustig ist. Es ist nicht einfach, jedes halbe Jahr eine neue Person in den Freundeskreis zu integrieren, ihr al-les zu zeigen, mit den Sprachschwierigkeiten um-zugehen und ihm das Leben in Spanien nahe zu bringen. Zudem wohnen 90% der spanischen Stu-dierenden in der Nähe der Uni oder gar nicht in Málaga, was den Kontakt nach den eigentlichen Veranstaltungen an der Uni natürlich weiter er-schwert. Die feierwütige Erasmus-Gemeinde hat

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Fotoprojekt „Fotografía Artística y Publicitaria“

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eben andere Ziele, womit wir auch schon bei dem wohl interessantesten Kapitel des Auslandssems-ters wären.

Freizeit in MálagaDas Zentrum von Málaga erstreckt sich von der großen Einkaufsstraße, der „Calle Marqués de La-rios“, bis zum neuen Bahnhof. Hier findet man al-les, was man so braucht, viele Läden, viele Bars, viele Menschen, viel Leben.Wie in jeder größeren Stadt gibt es unzählige Seh-enswürdigkeiten und Museen. Pablo Picasso wur-de in Málaga geboren, zum Beispiel. Also gibt es ein Museo Picasso, welches mir aber nicht gefallen hat. Wenige interessante Bilder, langweilige Auf-machung und verdammt teuer. Aber die Touristen stehen trotzdem immer schlange. Ich würde da e-her das Museum für zeitgenössische Kunst emp-fehlen. Das CAC befindet sich direkt am einzi-gen großen Flussbett (Fluss gibt es nur bei sehr starkem Regen) der Stadt, in der Nähe des Ha-fens. Hier werden wechselnde Ausstellungen verschiedener Künstler ausgestellt, und das Beste, es ist kostenlos, immer!Außerdem zu empfehlen ist die Alcazaba, die auf einem Hügel über Málaga thront. Man hat einen tollen Blick auf Málaga und im Spätsom-mer sind die Sonnenuntergänge dort einfach atemberaubend! Eintritt kostet hier auch nur 50 Cent, das ist für Studenten mehr als angemes-sen.Natürlich ist Málaga auch Küstenstadt. Der gro-ße Hafen im Süden der Stadt trennt die beiden Strandabschnitte „Malagueta“ und „Huelín“. Mal-agueta ist eher der Touristenstrand, Huelín dage-gen ein echter Geheimtipp. Dort gibt es auch noch die echten alten Strandbars mit dem besten fri-schen Fisch in ganz Málaga. An Spießen wird die-ser, mit grobem Salz eingerieben, über Holzkohle gegrillt. Himmlisch. Und im Winter, wenn die Sonne mal rauskommt, lohnt es sich immer in eine Bar zu gehen, um einen Kaffee zu trinken.Cafés gibt es in Málaga mehr als man zählen kann. Ehrlich. Überall. Und außerdem gibt es an mehre-ren Ecken der Stadt Teterías, mit frischen Tee und toller Atmosphäre. Die beste liegt etwas versteckt in der Calle Andrés Pérez. Sie heißt „El Harén“ und biete auf zwei Stockwerken Entspannung pur. Dort finden auch regelmäßig Kulturveranstaltungen

statt, wie etwa Lesungen oder Konzerte. Auch Bauchtanz gab es dort regelmäßig zu bewundern.

Wenn es um Essen geht, kommt man in Spanien natürlich nicht um Tapas herum. In der Innenstadt, nördlich der großen Einkaufsstraße, findet man etwas für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel. Es dauert ein bisschen, bis man die richtigen Bars gefunden hat, das El Pimpi etwa, das Lechuga am Plaza de la Merced, oder das el beato. Abends Ta-pas essen zu gehen ist einfach das Beste! Nur an die Zeiten muss man sich erstmal gewöhnen, vor 22 Uhr geht hier keiner raus um etwas zu essen. Ich musste mich auch erst daran gewöhnen. Alles in Spanien ist etwas später. Will man nach den Ta-pas noch ausgehen, in Bars oder Clubs, kann man sich schon auf eine lange Nacht einstellen. Die meisten Bars haben bis um 4 Uhr offen, und dann

geht es in den Clubs erst richtig los. Natürlich kann man das nicht jeden Tag/jede Nacht machen, aber zu feiern gab es in Málaga echt genug. Mittwochs beispielsweise gab es immer eine Eras-mus-Party in einer Bar in der Stadt. Eine tolle Mög-lichkeit, sich mit Freunden auszutauschen oder auch einfach nur zu feiern. Was daran natürlich nicht so toll war: Den Kontakt zu spanischen Men-schen habe ich dadurch kaum gefunden.

Reisen in Andalusien & SpanienWenn man schonmal im Süden von Spanien ist, dann sieht man sich natürlich auch die Städte und Dörfer an, die um Málaga herum so zu sehen sind.

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eines Nachts in Málaga

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Und hier schon gleich der erste Tipp: Anfang Sep-tember findet in Guaro, einem kleinen Bergdorf 40 Minuten nördlich von Málaga, ein Flamenco-Festi-val statt. Es heißt „Festival de la Luna Mora“. Ein Traum. Die Einwohner des weißen Dorfes schalten jegliches elektrisches Licht aus. Sie stellen um die 10000 Kerzen auf und feiern bis spät in die Nacht. Ein echtes Highlight sind die Flamenco-Tänze. Hier würde ich empfehlen, dass man sich vorher im FNAC Karten kauft. Für 10-20€ zeigen hier die besten spanischen Tänzerinnen und Tänzer ihre Darbietungen. Als ich dort war, war das Fest fern von jeglichem Tourismusgeschäft und die Spanier waren begeistert von dieser Feier! Also, Auto mie-ten und hinfahren, ich würde jeder Zeit wieder hin-gehen.Autos zu mieten ist übrigens überhaupt nicht teuer. Wenn man es geschickt anstellt, und bei „Auriga Crown“ am Bahnhof oder am Flughafen mietet, kann man Autos für 33€ bekommen, für 4 (!!!) Ta-

ge, mit unbegrenzten Kilometern und 2 Fah-rern! Zuschlagen.Ansonsten sind natürlich jegliche Orte in Andalusien und auch weiter von Interesse. Ich war eigentlich überall, in Granada, Sevil-la, Jaén, Córdoba (mein absoluter Favorit!!), Gibraltar und Tarifa. Die Landstraßen in den Bergen nördlich von Málaga fand ich am interessantesten. Enge Serpentinen, kleine weiße Dörfer und klare Seen, fast wie in den Alpen. Die Landschaft dort ist einfach nicht zu überbieten. Die Strecke von Málaga über El Burgo, Ronda, El Bosque bis nach Arcos de la Frontera ist einfach atembe-raubend und wunderschön.

ConclusiónNun, was gibt es noch groß zu sagen. Anpacken und bewerben. Keine Zweifel haben. Ausprobieren. Ich habe es nicht bereut, im Nachhinein. Klar, ich hatte auch Zweifel, und ich hatte auch Tage, an denen ich gerne einfach in einen Flieger nach Deutschland gestiegen wäre, weil mir Spanien und Málaga einfach nur auf die Nerven ging. Das Leben als Erasmus ist ein ständiges Hoch und Runter, wie bei einer Achterbahn. Aber auch die negativen Er-fahrungen gehören dazu. Die 5 Monate in Málaga gehören nun zu mir, eine Erfahrung die mir kein Mensch mehr nehmen kann. Und von der ich auch immer gerne wieder erzähle.

Eramus Malaga - Matthias Koning - [email protected]

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Festival de la Luna Mora