beiträge zur klinik der überzähligen knochen am ellenbogengelenk

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(Aus dem orthopS.dischen Institu~ [Leiter:' Dozent l)r. M. Sehapiro] und dem I~6ntgcninstit.ut [Leiter: Dr. S. Liwschtitz] ~'Iinsk, WeiBrugland). Beitriige zur Klinik der iil)erziihligen Knoehen am Ellcnbogengelenk. Voll Dr. B. Feinl)erg, Sekundi~rarzt des orthol~. Inslituts, Mit 3 Tcxtabbildungen. (E.ingegangen om 16. ~Vo.ceml~er 1929.) Die Fr,uge, ob echte iiberz~ihlige Knochen am E[lenbogengelenk vorkommen kSmmn, scheint bis heute noch nicht gel6st zu scin. In der anatomischen Literatur fin(let m~m dariiber gar keine Angaben. Und ~uch die ldinische Literatur dariiber ist sehr diirftig; wobei (lie wenigen beschriebenen Fifile yon iiberzShligen Knochen yon versehiedenen Autoren versehieden gedeutet werden. Datum halten wir es fiir angebracht, die v(m uns beobachteten Fiille mitzut.eilmt, um so mehr, als diese Frage nicht, nut yon ttleoretiseh-wi~senschaft- lichem, sonderu auch von praktisehem Int.eresse ist. I~6ntgenau:t'nahmen des Ellenbogengehmkes, (lie eines Traumas oder arthrit.ischer Ver/inderungen wegen gemacht, werden, zeigen manchmal in dec N'ahe der Kondylen Schatten, die seharfe Konturen und Knoehenstruktur besitzen. WShrend einige Autoren sie fib" ein Produkt traumatischer oder entztind- lieher Natm' haIten, betraoh~en andere sie als echte angeborene iiberziihlige Knochen am Fllenbogengelenk. M~ul fin(let sie entweder an der dorsaIen Seite des Gelenks in der Triccp.ssehne als sog. Patella cubiti (Kicnb6ck), oder an einem der Kondylen. Die erste Form wurde aueh wm Pfi~zne.r, Cilenal und Tillesen ultter dem Namen ,,Sesamum cubiti" als ein rundcr oder ovaler Knoehenk6rper, der in der Sehne des 5I. triceps am oberen Rande der Fossa oleerani eillgelagert ist, besehrieben. l[~ber die gntstehung dieses Knochens sind die Meinungen recht vet'- schieden. Virchow, Pfitznerund Sudeek halten ihn fiireineehtes Sesam- bein; K i c n b 5 c k , K o t z, K 5 h I e r -- fiir eine nich ~ geheilte Oh,cranonfraktur ; Frangenheim -- fiir den Ausgang eines Traumas; Pauly -- fiir einen nicht konsolidierten Ossifieationskern, der manehmal als doppetter Kern an der oberea Ellenbogenepiphyse vorhamten ist.

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Page 1: Beiträge zur Klinik der überzähligen Knochen am Ellenbogengelenk

(Aus dem orthopS.dischen Institu~ [Leiter:' Dozent l)r. M. Sehapiro] und dem I~6ntgcninstit.ut [Leiter: Dr. S. Liwschtitz] ~'Iinsk, WeiBrugland).

Beitriige zur Klinik der iil)erziihligen Knoehen am Ellcnbogengelenk.

Voll

Dr. B. F e i n l ) e r g , Sekundi~rarzt des orthol~. Ins l i tu t s ,

Mit 3 Tcxtabbildungen.

(E.ingegangen om 16. ~Vo.ceml~er 1929.)

Die Fr,uge, ob echte iiberz~ihlige Knochen am E[lenbogengelenk vorkommen kSmmn, scheint bis heute noch nicht gel6st zu scin. In der anatomischen Literatur fin(let m~m dariiber gar keine Angaben. Und ~uch die ldinische Li teratur dariiber ist sehr diirftig; wobei (lie wenigen beschriebenen Fifile yon iiberzShligen Knochen yon versehiedenen Autoren versehieden gedeutet werden.

Da tum halten wir es fiir angebracht, die v(m uns beobachteten Fiille mitzut.eilmt, um so mehr, als diese Frage nicht, nut yon ttleoretiseh-wi~senschaft- lichem, sonderu auch von praktisehem Int.eresse ist.

I~6ntgenau:t'nahmen des Ellenbogengehmkes, (lie eines Traumas oder arthrit.ischer Ver/inderungen wegen gemacht, werden, zeigen manchmal in dec N'ahe der Kondylen Schatten, die seharfe Konturen und Knoehens t ruktur besitzen.

WShrend einige Autoren sie fib" ein Produkt t raumatischer oder entztind- lieher Natm' haIten, betraoh~en andere sie als echte angeborene iiberziihlige Knochen am Fllenbogengelenk. M~ul fin(let sie entweder an der dorsaIen Seite des Gelenks in der Triccp.ssehne als sog. Patella cubiti ( K i c n b 6 c k ) , oder an einem der Kondylen. Die erste Form wurde aueh wm Pf i~zne . r , C i l e n a l und T i l l e s e n ultter dem Namen ,,Sesamum cubiti" als ein rundcr oder ovaler Knoehenk6rper, der in der Sehne des 5I. triceps am oberen Rande der Fossa oleerani eillgelagert ist, besehrieben.

l[~ber die gn t s tehung dieses Knochens sind die Meinungen recht vet'- schieden. V i r c h o w , P f i t z n e r u n d S u d e e k halten ihn f i i r e i n e e h t e s Sesam- bein; K i c n b 5 c k, K o t z, K 5 h I e r -- fiir eine nich ~ geheilte Oh,cranonfraktur ; F r a n g e n h e i m - - fiir den Ausgang eines Traumas; P a u l y - - fiir einen nicht konsolidierten Ossifieationskern, der manehmal als doppetter Kern an d e r oberea Ellenbogenepiphyse vorhamten ist.

Page 2: Beiträge zur Klinik der überzähligen Knochen am Ellenbogengelenk

4 6 8 ]3. Fe inbe rg :

i.~berz~thlige Knochen des zweitell Typus, (lie man an den Kondy len finder., werden yon manchcn Forschern als a.lt.c Kondylenf rak turen , yon anderen - - als post t raumatisehe, yon den dr i t ten wieder - - als arthri t ische und yon den wenigsten -- als angeborene, 6berztihlige Erseheimmgen angesehen.

, J a p i o t besehreibt einen iiberzShligen Knoehen an beiden Ellenbogen- geMlken als eine selten vorkommende AnomMie. S u d e e k nimmt, an, dab es sich in einigen Fiil]en um arthrit isehe Vertinderungen, in anderen ual Ossifiea- tionsprozesse in den Sehnen der Vorderarmmuskeln handelt . G r a s c h e meint , dab nach einem Trauma, in friiher Jugend zugezogen, sieh dann spSter in der Apophyse kn6eImrne Vergnderungen ausbi lden kSnnen. C r i 11 o w i c It, der 3 ])'iille VOlt pathologiseher Knoehemleubi ldung an den Humeruskondylen besehrieb, die sieh naeh einem Trauma alhnS, hlieh entwickelt haben, hSlt diesen Prozeg f/Jr eine }Ietaplasie, set es, dab unter dem Einflul3 eines Traumas sich alas Periost verknbchert , oder in dem jungen Bindegewebe sieh Knoehenelemente als End- ausgang der posttraumat, ischen E n t z 6 n d u n g bilden. A l b a n K 6 h l e r h~ilt (lie iiberzS~hlige Knoehenueubi ldung am Ellenbogengelenk fiir eine groBe Seltenheit mid besehreibt einen Fall, wo sich am mediMen Condylus ein freies Knoehen- stiiek yon .grbsengr6ge befand. I ndem er zwei Fglle erw~h,xt, (lie ihm von W i t t e k mitgetei l t wurden, spricht er sieh gegen Knochenb ikhmg in kurzer Zeit naeh einem Trauma aus und glaubt, (lab (tie Knoehen jahrelang vorhanden waren und beim R6ntgen wegen T r a u m a zufSllig entdeckt wurden. W 6 1 f i n g besehreibt eineu Fall, bet dem sieh am mediale~i Condylus ein Knochen, am lateralen vier kleine Knoeheu b~anden . Am medialen Condylus war eine Fraktur l in ie zu erkemmu. ])al)ei sagt er folgendes: , ,Eehte tiberz~thlige Knoehen sind noch yon n iemand besehrieben; es handelt, sich sicher um Produkte eines Traumas ." F r o m me hSlt (lie iiberzS, hligen Knoehen fiir Ausgangspmlkte der Raehitis tarda. Dabei bihlen sich ~n geeigneten Stellen die Loeser ,~chen U m b a u . zonen, in denen dam~ leicht unter Einf lug von Traumen Abrigfral~turen ent- stehen kGnnen.

Alte diese obenerwS.hnten Theorien sind noch sehr weig davon, i~l diese Frage Klarhei t zu bringen, und dieser Ums tand zwingt uns, unsere Fi~lle genauer mitzuteilen.

Fal l 1. R. 30 Jahre att, Lohnarbeiter, kam mit KIagen iiber Schmerzen im rechten Ellbogengelenk ins [nst.itut. :Gin Trauma soil an diescr Stelle vor 6 Monaten statt,gefunden haben, l)er damal.s bchandelndc Arzt verordnere guhe und Umschlii, ge wegea :Bl,ltmlterlauf und, da keino Fraktur vermutet wurde, sehickte cr deTl Pat, ient.en naeh ether ~Voche wieder zur Arbeit.

T a s t, b e f u n d : Am inneren Condyl us taster man cinch barren KOrper yon der (Ir6 Be ether Bolmc, der kaoehenhart, wenig beweglich, aber sehmerzhaft ist,. S~mtliche Be- wegungen im Ellenbogengelenk sind mlbehirtdert und schmerzlos. ROntgenogramm (Abb. 1): Ant rechte~l Condylus me(lialis befindet sich 1 cm entfemt yon ihnl ein freier Knochen yon runder Form, glatt kont.uriert, 1.5 ;< 1,2 cm im Durehschnitt, yon norma.ler Krloehen- st.nd~tur. Der distale Tell des Knoehens projiziert sieh im Gelenkspalt des Ellenbogengelenks (Dr. Liwschtitz).

Unser erster Gedanke war, (tag es sieh um eine Abr igfraktur des Con- dylus medialis humeri handel t . ])a die RSnder jedoeh glatt, und der Condylus mediMis ganz normal wareiL was gegen eine Fra.ktnr spraeh, wurde naeh Ver- ordnung des g6nt.genologen aueh das andere Elienbogengelenk ger6ntgt .

Page 3: Beiträge zur Klinik der überzähligen Knochen am Ellenbogengelenk

I~eitrhge zur 1,~linil< dcr /ibcrzMfli'4('n ] ( n o e h e n ~un ]';llcnbogen.'.z'elecd<. 46!)

] ~ , i ~ n t ~ ( ~ n o g r a m m (Abh. :2): A m l inken ( .ol([xl t - : mcdiaIis bt ' f indet sieh (d)enfalls ein fr~'ier ]<,nochen mit e twas ~c.zaekten l: , i inderu, rundt , r Form, 1.8 x I em im Durchschn i t t . l){,r lr ehen licgt. (),6 cm yore C{ ] ldylus ilILtT]IIIS l )umeri entfe~ nt .

Somi t haben wi t es mi t e inem FMI vtm doppelse i t iger Kn ,~ehenh i ldung a n den inne, 'en K o n d v l e n b~'ider glh:nbc~gengclenke zu t tm. Bei,[e K n o e h e n

AB],. 1. Abb. ".

liegcn > ,mmet r i s ch an &'n ,m'dia lcn K , ,ndvh 'n und s ind yon gleivhcr (;r(iBe I I ] |d JgOl'lll.

Dieser l~efun(l, s, m ie ([as Vehle)t .ied(m "]'r:uumas ant li)fl<en l,;lh.nt)()g(m sl)ri('hl ganz sicher ~eV,,n F rak tn r . Au('h ti(,gt.,lit, A n n a h m ( r eim,r a r th r i t i s chen \ 'er ' i i)Merung r~eht fern. (la s,)nst (lh, K o n t u r e n und (tie 1,~n(>th4'nstrul<tur vicl weniger se]mrf u.,t(l (h 'utl ich au~gepriigt, wiir(:n.

V~r,,~(ler ill (l,'r An;lln)lese ii()e}l im Nt~ttus i)r~esens fi.n(bm wit Zcich(.~t v,m I-I.a('hitis lar(la. S()nlit bh.'ibt n u r die A n n a h m e . (la[.-; os s i ' h ill (tiesem lealh~ uln eim. l{,)ngcnitMe Anomali( ' , nii.m]ieh u m freie akzessoriseh(' l (no(:hen am (:,m- dy lus mt,dia.lis hand(-'lt, l)i( 'ser "lTatsache widerspr ich t nicht (lie Mein)ulg Pa u INs. ([al,~ es sich in die.-.'cn FMlen u m losgetrcm~te ()ssifie~ti~mske~ne hande l t , dram ;uteh ([ieser P~oze a ka)m, wemt ,~fieht din'oh f r~unu~ oder sonsti~(' Nelfii(.[igun~ herrorg~,rufcn, in sein,.'m (h ' tmd als kon~eni tMm' .l~,ihhmgsfeh[er ;mges(.'hen WC'l'l 1.('11.

Wie aus <ten l {6n tgenogra )nmen I u n ( t "2 ers i :h t l ich , li,,gt d,.,v l ( n o c h , . . n am r( 'chtvn (. ' ,)ndylus tiefer als a.m l inken. Wahrsch(,ilfli( 'h tri igt d a r a u d;~s Tr:.tt l l l la, S(!t l l l l t l tlll([ ( lamit erkl{ircn si(.h auch (lie 8e.lllllet'z(_q,t.

Page 4: Beiträge zur Klinik der überzähligen Knochen am Ellenbogengelenk

470 B. l"einbt . rg: Bcitritge zur Klinik drr iiberzMdigen Knochcn ~tm Ellenl)~*g(mgelcnk.

Fa l l 2: F. 27 ,Iahre alt, M(,tallarl)eitor, kla~t, ohm, ein Trauma anzuKehen, fiber Schmerz(-'n im recht.en Elh'nbogen~elenk, h~mpt.~ti(.hlieh am i~M.l(,ren ('.,'mdylus.

[)ic vermutct,! J)ia~nos(,: Epikondyliti.~ soil nun dur(.h R6ntgenst, rahle~.} kontrolliert werden. R6nt~eno~ramm (AM). 3). Augerer Condylus ohnc BeJang. Am imlcre~t Candyhls I)cfindet sich eiu Knocht, n yon Gr613c 1.5 ~ 1,11 cm, ovaler Form, glat.ten }~.orlturen urtd norn/a]er J(ll~)chellstrlfl~tur.

,%mit haben wi t es a~lch in d i e sem Fal le mit e inem fiberziihligen K n o c h e n zu t un , der keine Bcschwerden hervor r ie f , ke in T r a u m a in der A n a m n e s c aufwies mM als solcher zu- fiillig t)eim H6nt.gcn en tdeck t win 'de. U n d WCml im cr~telt Fail(, (las dol)l)elte V,)rkomm(,n ([cr Kn.,)c:he~t f(ir ( 'ine angcl)orene AnomMi( , spricht., sn spr icht <let" zweite einsciti<~e~. ( loeb nicht. ([:~g(,g(-m.

Wk' schon ob( 'n crwiilmt., gch6rclL (liest, t-~(ffun(lc k l in isch , ~vi(' auch r6ntg(mol~)gisch, zu (Ion Sc l tcnhc i ten . Vor a.lIcm, wcil wi t sit, - h n c Anlal" sclt( 'n zu Gesicht bekomm( .n . Bci (Icr ])m'(:hsi(:ht v(m 356 Ell, ml~og(mgchmk- ~ufllahlllcll (tcr l(*tztcn 2 ,IMu'c im l~.iintg(m- insti tut , f;uld( 'n wit k(,im.n ('inzig~'n FMI yon fiberziihliK(,n l (mwh(,n. ('riser(, b(,idcn Fiillc schcin(,n s,)mit g;mz ( . inwandfrei zu hcstii-

:\bb. 3. liM('n, ~l tl.l v(m ;ti l th Th(,oritm die kong(mitah, dic ri(:htigst(! .sci.

Die aufg('worfcn(~ [!'raTe ist nicht, n u t m dia.gnostischcr und th('rap(,utisclwr I t ins ich t , .aon(l~'rn au('b in (ler I 'nfal l i . )( '~ut;a 'htmt~ wm groL~cr Bedcu tmlg .