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Fuß & Sprunggelenk 12 (2014) 34—41 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com ScienceDirect Review zum Themenschwerpunkt Behandlung der Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion Grad IV The treatment of posterior tibial tendon dysfunction grade IV Monika Horisberger, Alexej Barg, André Leumann, Victor Valderrabano Orthopädische Universitätsklinik, Behandlungszentrum Bewegungsapparat, Universitätsspital Basel, Schweiz Eingegangen am 3. November 2013; akzeptiert am 28. November 2013 Online verfügbar seit 6. Dezember 2013 SCHLÜSSELWÖRTER Pes planovalgus; Arthrodese; Subtalare Arthrodese; Triple-Arthrodese; Tibialis-posterior- Dysfunktion Zusammenfassung Die Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion ist eine häufige, graduell ablaufende Über- lastungserkrankung. Durch die Inkompetenz der Tibialis-posterior-Sehne entwickelt sich eine zunehmende Valgusfehlstellung des Rückfußes mit langfristigem Versagen der statischen medialen Haltestrukturen,Verkippung des Talus in der Malleolengabel und asymmetrischer Valgus-Arthrose des oberen Sprunggelenks (OSG). Die Thera- pie dieser weit vorangeschrittenen Deformität verlangt eine genaue präoperative Analyse der biomechanischen und biologischen Faktoren, eine korrekte Stadienzu- teilung und stadiengerechte Verfahren. Nur bei Fällen mit mehrheitlich intaktem Knorpelüberzug des OSG und noch verbliebener Flexibilität der tibiotalaren Deformi- tät kann das OSG erhalten werden. Bei weiter vorangeschrittener Arthrose kommen die Implantation einer OSG-Prothese in Kombination mit Arthrodesen des Rückfußes oder eine tibiotalokalkaneare/pantalare Arthrodese in Frage. KEYWORDS Acquired flatfoot; subtalar arthrodesis; triple arthrodesis; tibialis posterior dysfunction Summary Posterior tibial tendon dysfunction is a frequent, staged degenerative disease. Due to incompetence of the posterior tibial tendon, a progressive valgus deformation of the hindfoot develops. This leads to failure of the static medial restraints and tilting of the talus. This results in asymmetric ankle osteoarthritis. Treatment of such advan- ced deformity asks for detailed preoperativ analysis of biomechanical and biological factors, staging and stage-adopted surgical techniques. Only in cases with merely intact joint cartilage the ankle can be preserved. In cases with more advanced joint degeneration mostly a total ankle replacement or tibiotalocalcanear/pantalar arthrodesis has to be performed. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Dr. phil. Victor Valderrabano, Chefarzt, Orthopädische Universitätsklinik Basel, Osteoar- thritis Research Center Basel, Universitätsspital Basel, Spitalstrasse 21, CH-4031 Basel, Tel.: +41 61 265 71 97; Fax: +41 61 265 78 29. E-Mail: [email protected] (V. Valderrabano). http://dx.doi.org/10.1016/j.fuspru.2013.12.001

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Page 1: Behandlung der Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion Grad IV

Fuß & Sprunggelenk 12 (2014) 34—41

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

ScienceDirect

Review zum Themenschwerpunkt

Behandlung derTibialis-posterior-Sehnendysfunktion Grad IV

The treatment of posterior tibial tendon dysfunctiongrade IV

Monika Horisberger, Alexej Barg, André Leumann, Victor Valderrabano ∗

Orthopädische Universitätsklinik, Behandlungszentrum Bewegungsapparat, Universitätsspital Basel, Schweiz

Eingegangen am 3. November 2013; akzeptiert am 28. November 2013Online verfügbar seit 6. Dezember 2013

SCHLÜSSELWÖRTERPes planovalgus;Arthrodese;Subtalare Arthrodese;Triple-Arthrodese;Tibialis-posterior-Dysfunktion

ZusammenfassungDie Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion ist eine häufige, graduell ablaufende Über-lastungserkrankung. Durch die Inkompetenz der Tibialis-posterior-Sehne entwickeltsich eine zunehmende Valgusfehlstellung des Rückfußes mit langfristigem Versagender statischen medialen Haltestrukturen,Verkippung des Talus in der Malleolengabelund asymmetrischer Valgus-Arthrose des oberen Sprunggelenks (OSG). Die Thera-pie dieser weit vorangeschrittenen Deformität verlangt eine genaue präoperativeAnalyse der biomechanischen und biologischen Faktoren, eine korrekte Stadienzu-teilung und stadiengerechte Verfahren. Nur bei Fällen mit mehrheitlich intaktemKnorpelüberzug des OSG und noch verbliebener Flexibilität der tibiotalaren Deformi-tät kann das OSG erhalten werden. Bei weiter vorangeschrittener Arthrose kommendie Implantation einer OSG-Prothese in Kombination mit Arthrodesen des Rückfußesoder eine tibiotalokalkaneare/pantalare Arthrodese in Frage.

KEYWORDSAcquired flatfoot;subtalar arthrodesis;triple arthrodesis;tibialis posteriordysfunction

SummaryPosterior tibial tendon dysfunction is a frequent, staged degenerative disease. Due toincompetence of the posterior tibial tendon, a progressive valgus deformation of thehindfoot develops. This leads to failure of the static medial restraints and tilting ofthe talus. This results in asymmetric ankle osteoarthritis. Treatment of such advan-ced deformity asks for detailed preoperativ analysis of biomechanical and biologicalfactors, staging and stage-adopted surgical techniques. Only in cases with merelyintact joint cartilage the ankle can be preserved. In cases with more advancedjoint degeneration mostly a total ankle replacement or tibiotalocalcanear/pantalararthrodesis has to be performed.

∗ Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Dr. phil. Victor Valderrabano, Chefarzt, Orthopädische Universitätsklinik Basel, Osteoar-thritis Research Center Basel, Universitätsspital Basel, Spitalstrasse 21, CH-4031 Basel, Tel.: +41 61 265 71 97;Fax: +41 61 265 78 29.

E-Mail: [email protected] (V. Valderrabano).

http://dx.doi.org/10.1016/j.fuspru.2013.12.001

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Einleitung

Die Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion stellt diemit Abstand wichtigste Ursache der erworbe-nen Pes planovalgus-Deformität dar. Aufgrundvon Mikrotraumata, Hypovaskularität und einemAlterungsprozess verlängert sich die Sehne, ver-liert ihre normale glänzende, weißliche Farbeund erscheint gelblich. Oft finden sich — voreiner vollständigen degenerativen Ruptur — Längs-risse und Auffaserungen der Sehne. Mikroskopischzeigen sich als Zeichen der myxoiden Degene-ration eine erhöhte Mucin-Konzentration, welchedie normale Anordnung der Kollagenfasern störtund die Reißfestigkeit herabsetzt [9] sowie eineveränderte Kollagenzusammensetzung des Sehnen-gewebes. Reparative Vorgänge führen auch zu einererhöhten Angioneogenese und Fibroblasteneinwan-derung. Im Zuge der Tibialis-posterior-Insuffizienzkommt es — entsprechend der biomechanischenFunktion der Tibialis-posterior-Sehne und ihrerdann überhand nehmenden Antagonisten — zueiner zunehmenden Abflachung des Fußlängsge-wölbes verbunden mit einer Abduzierung desVorfußes, einer Valgisierung des Rückfußes sowiezunehmender Schädigung der statischen media-len Stabilisatoren (Lig. deltoideum, Plantarfaszie,Spring-Ligament) [2,5,10,12,14,31].

Eine von Johnson und Strom geschaffene Eintei-lung des Schweregrades erleichtert die klinischeBeurteilung und den Behandlungsentscheid [21](Abb. 1). Im Stadium I steht die Tendosynovi-tis im Vordergrund. Die Patienten klagen über

Abbildung 1. Behandlungsoptionen bei Tibialis-posterior-Sehneninsuffizienz Grad IV. Wesentlich ist dieUnterscheidung in Grad IV A bzw. B und die sich darausergebenden therapeutischen Konsequenzen (OSG: oberesSprunggelenk; USG: unteres Sprunggelenk).

Schmerzen und Schwellung im Verlauf der Tibialis-posterior-Sehne. Die Funktion der Sehne ist nochunbeeinträchtigt. Im Stadium II führen die eingetre-tenen Verlängerungen der Sehne zu funktionellenProblemen, welche sich in einer Valgisierung desRückfußes, Abduktion des Vorfußes und Kollapsdes medialen Fußgewölbes äußern. Der Einbein-zehenstand ist zum Teil nicht mehr durchführbar.Diese Deformität ist jedoch passiv noch vollstän-dig redressierbar. Im Stadium III ist die Deformitätrigide geworden und kann nicht mehr aktiv oderpassiv redressiert werden. Zunehmend entwickeltsich eine Arthrose des unteren Sprunggelenks mitvalgischer Fehlstellung. Der Einbeinzehenstand istnicht mehr möglich. Von M. Myerson wurde dieserKlassifikation noch ein Stadium IV hinzugefügt. Hierhat die fortbestehende Fehlstellung des Rückfu-ßes zu einem Versagen der medialen Stabilisatorenund zu einem Valgustilt des Talus in der Malleolen-gabel mit chronischer exzentrischer Belastung deslateralen Gelenkanteiles des oberen Sprunggelenks(OSG) geführt, was schlussendlich die Degenerationdieses Gelenkteils initiiert [9,27,31]. Das StadiumIV wurde aufgrund dieser Dynamik durch Blumanet al. weiter eingeteilt in ein Stadium IV A mitflexiblem Tilt des Talus aber noch ohne wesentli-che OSG-Degeneration und ein Stadium IV B, wo esbereits zu einer Gelenkdegeneration und/oder rigi-der Fehlstellung gekommen ist [6]. Das Ausmaß desRückfuß-Valgus korreliert dabei nicht in allen Fällenmit der OSG-Beteiligung [5].

Die folgende Zusammenstellung wird sichauf die klinische und radiologische Beurteilungsowie Behandlungsoptionen dieses letzten Sta-diums der Tibialis-posterior-Sehnendysfunktionkonzentrieren.

Besonderheiten in der Diagnostik

Betroffene Patienten stellen sich in diesem spätenStadium zumeist mit chronischen Schmerzen, wel-che belastungsabhängig aufgrund der Deformitätoder als Ruhe-/Anlaufschmerz aufgrund der arthro-tischen Veränderungen des OSG auftreten. Zudemberichten die Patienten über eine seit Jahren odergar Jahrzehnten vorbestehenden Deformität, wel-che meist beide Füße betrifft.

Klinisch findet sich in manchen Fällen eingrotesker Pes planovalgus mit vollständig eingebro-chenem Fußlängsgewölbe, sodass der subluxierteTaluskopf den Boden praktisch berührt und sichdort Hornhaut ausbildet. Die medialseitige OSG-Silhouette ist verplumpt und geschwollen. Weiterfällt die ausgeprägte Valgusfehlstellung des Rück-fußes bei der Betrachtung von hinten auf. Aus

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diesem Blickwinkel lässt sich zudem das ,,Toomany toes sign‘‘ als Ausdruck der Abduktions-fehlstellungskomponente objektivieren [18]. Dereinbeinige Zehenspitzenstand, insbesondere diekonkrete Aufrichtung in den Zehenspitzenstandsowie die damit verbundene Varisierung des Rück-fußes (das Verbleiben in dieser Position kannaufgrund einer Kompensation durch Plantarfas-zie und Unterschenkelmuskulatur maskiert werden)sind nicht mehr möglich. Schmerzen im lateralenOSG-Bereich können einerseits durch ein fibulokal-kaneares Impingement und andererseits durch dielaterale OSG-Degeneration hervorgerufen werden.In Extremfällen kommt als Differentialdiagnoseplötzlich akzentuierter lateraler Schmerzen aucheine Stressfraktur der distalen Fibula in Frage [5].In Zusammenschau mit der radiologischen Bild-gebung gelingt die klinische Differenzierung derSchmerzgenese in der Regel ohne Probleme. Weitertritt beim rigiden fortgeschrittenen Pes plano-valgus ein kompensatorischer Vorfußvarus hinzu,was zu einem Abheben des ersten Strahls, ,,Firstmetatarsal rise sign‘‘, führen kann [17]. Der klini-sche Bewegungsumfang von oberem und unteremSprunggelenk muss aktiv und passiv evaluiert wer-den. Dabei ist darauf zu achten, dass das ,,echte‘‘Bewegungsausmaß der jeweiligen Gelenke unter-sucht wird, da mit fortschreitender Rigidität desRückfußes kompensatorisch eine Mitbewegung imChopartgelenk stattfindet, welche dazu führenkann, dass das im einzelnen Gelenk noch vorhan-dene Bewegungsausmaß überschätzt wird. Zudemmuss die OSG-Stabilität, insbesondere die mediale(Lig. deltoideum, Spring-Ligament) und lateraleBandstabilität untersucht werden, da dies dietherapeutische Entscheidungsfindung beeinflusst.Funktionell kann die Tibialis-posterior-Sehne aufSchmerz, Schwellung und Überwärmung untersuchtwerden. Eine spezifische Prüfung der Muskelkraftgelingt, wenn der Rückfuß in Plantarflexion undEversion gebracht wird und der Patient dann gegen

den Widerstand des Untersuchers zu invertierenversucht. Abschließend sollte auch das Schuhwerkdes Patienten einer Inspektion unterzogen werden.Oft weist es charakteristische medialseitig ver-stärkte Abnützung auf (Tabelle 1).

Radiologisch sind auch beim Stadium IV des Pesplanovalgus die konventionellen stehenden Stan-dardaufnahmen nötig. Dies schließt eine anteropo-steriore (a.p.) Aufnahme des OSG, ein seitlichesund dorsoplantares (d.p.) Bild des Fußes sowieeine Saltzman-Aufnahme des Rückfußes ein [29].Damit lassen sich einerseits die oben beschriebenenstrukturellen Auffälligkeiten des Pes planovalgusnachvollziehen, andererseits liefern sie beim Pesplanovalgus Grad IV auch Angaben über das Aus-maß der Degeneration im unteren und oberenSprunggelenk. In unklaren Fällen empfiehlt sich dieDurchführung eines SPECT-CTs zur genaueren Dar-stellung metabolisch aktiver Gelenkdegeneration[26].

Behandlungsoptionen

Während die Tibialis-posterior-SehnendysfunktionGrad I und II zumeist die Domäne der konser-vativen Orthopädie ist, bleibt bei höhergradigerDysfunktion oft nur noch ein operatives Vorgehen.Orthesen zur Korrektur der Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion Grad IV müssen darauf abzielenauch den Talustilt zu korrigieren. Selbst wenn diesgelingt, ist es unsicher, ob das Fortschreiten derDegeneration im OSG verhindert wird, da selbstin derartigen Orthesen die biomechanischen Ver-hältnisse bei Versagen der statischen medialenStabilisatoren nicht normalisiert werden können[5,31]. Aus diesem Grund favorisieren einige Auto-ren bei den meisten Patienten in diesem Stadiumeine operative Korrektur [5,7,22]. Bluman undMyerson gehen sogar so weit zu sagen, dass jedemPatient mit Tibialis-posterior-Insuffizienz Grad IV,

Tabelle 1 Einteilung der Tibialis-posterior-Insuffizienz nach Johnson und Storm, modifiziert nach Myerson [21,27].

Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV

Tibialis-posterior-Sehne Tendosynovitis,Degeneration

Elongation,Degeneration,Partialruptur

Elongation,Degeneration,Ruptur

Elongation,Degeneration,Ruptur

Deformität: Pesplanovalgusabductus et supinatus

Nein Flexibel Fixiert Fixiert

Schmerz Medial Medial, lateral Medial, lateral Medial, lateralToo many toes sign Negativ Positiv Positiv Positiv1st Metatarsale rise sign Negativ Positiv Positiv PositivOSG-Deformität/Arthrose Nein Nein Nein ja

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der keine Kontraindikation aufweist, eine Opera-tion angeraten werden sollte [5].

Das untere Sprunggelenk ist in diesem Stadiumbereits so rigide und degeneriert, dass es nichterhalten werden kann. Eine Arthrodese in diesemBereich lässt sich also nicht vermeiden. Aufbauenddarauf kommen grundsätzlich operative Verfahren,welche das OSG erhalten und solche, die es opfern,in Frage. Das Problem bei letzteren ist, dass meistgleichzeitig versteifende Operationen an weiterenRück- und Mittelfußgelenken durchgeführt werdenmüssen, um einen plantigraden Fuß zu erreichenund damit ein sehr steifes Konstrukt entsteht. VielePatienten klagen danach über Restbeschwerdenund sind in der Funktionalität eingeschränkt [31].

Die Untereinteilung in eine Tibialis-posterior-Sehnendysfunktion Grad IV A und B hilft hier,eine differenzierte Operationsindikation zu stel-len. Beim Grad IV A liegen keine wesentlichendegenerativen Veränderungen und ein noch rever-sibler Tilt im OSG vor. Diese können deshalb in

der Regel mit OSG-erhaltenden Eingriffen behan-delt werden. Beim Grad IV B wird zumeist dasOSG geopfert [31], wenngleich in dieser Gruppe dieBehandlungspalette mit zunehmender Erfahrungbei Umstellungsosteotomien etc. breiter gewordenist. Gelenkerhaltende Therapieversuche bei Grad-IV-B-Deformität resultieren gemäß Bluman undMyerson zumeist in persistierenden Beschwerden,Rekurrenz der Fehlstellung [5] und Fortschreitender Gelenkdegeneration. (Abb. 1).

Pes planovalgus Grad IV A

Die Behandlung des Grad IV A beinhaltet die Kor-rektur der Rückfußachse — obligaterweise mit einerSubtalar-, Double- oder Triplearthrodese und gele-gentlich einer supramaleollären Korrekturosteoto-mie — sowie der Pes planovalgus-Komponenten imMittel- und Vorfuß durch Arthrodesen und/oderOsteotomien [1]. Weiter müssen der mediale

Abbildung 2. A) Bei dieser 74-jährigen Patientin bestand ein seit langem bekannter und vormals mit konservativenMaßnahmen therapierter Pes planovalgus bei Tibialis-posterior-Insuffizienz. Im Verlauf kam es zu einer Zunahme desValgusalignements mit Degeneration im USG und beginnendem Tilt des Talus in der Malleolengabel ohne wesentlichearthrotische Veränderungen entsprechend einem Grad IV A.B) Die Deformität des Rückfußes wurde mittels aufrichtender modifizierter Double-Arthrodese korrigiert. Der Taluswurde durch eine supramalleoläre Tibiavarisationsosteotomie in der Malleolengabel zentriert. Sämtliche Osteotomienund Arthrodesen heilten problemlos. Die Patientin war danach in normalem Schuhwerk gehfähig.

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Bandapparat inklusive das Springligament rekon-struiert und, falls insuffizient, auch der lateraleBandapparat in seiner Funktionalität wiederher-gestellt werden [5]. Gewarnt sei vor reinenWeichteilkorrekturen, welche rasch zum Rezidivführen [11,13,31]. Zur coronaren Achsenkorrekturreicht üblicherweise eine korrigierende subtalareArthrodese, welche wir mit zwei kopfversenken-den kanülierten Schrauben (je eine im Bereich dervorderen und hinteren Gelenkfacette) rotationssta-bil fixieren. Damit kann in vielen Fällen auf diezusätzliche Morbidität einer Arthrodese weitererGelenke verzichtet werden (höhere Non-union-Rate, größere Rigidität des Rückfußes) [15,32]. Beider Arthrodese des Rückfußes muss darauf geach-tet werden, dass die Achse korrekt ist, das heißtin 5◦-Valgus fixiert wird. Bei zuviel Varus ist dieAdaptationsfähigkeit aufgrund der Blockierung desRückfußes und der Mittelfußbeweglichkeit unnö-tig eingeschränkt, bei zu viel Restvalgus bestehtein Rezidivrisiko mit vermehrt lateralseitigen

Schmerzen im OSG [9]. Sollten bereits degenera-tive Veränderungen in Teilen des Chopart-Gelenksvorhanden sein oder die Abductus- und Vorfußvarus-komponenten nicht genügend korrigiert sein, sollteeine korrigierende Triple-Arthrodese oder allenfallszur Minimierung der Morbidität eine modifizierteDouble-Arthrodese (subtalar und talonavikular)[30] durchgeführt werden. Dabei muss sorgfältigdarauf geachtet werden, dass der nach medialsubluxierte Taluskopf rezentriert, das Gewölbeaufgerichtet, der maskierte Vorfußvarus berück-sichtigt und die Abductuskomponente des Mittel-und Vorfußes korrigiert werden. Im Rahmen derTriple-Arthrodese resultiert meist ein Spalt im Kal-kaneokuboidalgelenk, der mit autologer Spongiosaoder Allograft gefüllt werden muss. Eine vollstän-dige ossäre Korrektur der Deformität ist wichtig [9],da die rekonstruierten Weichteilstrukturen ansons-ten rasch versagen [5,20].

Zur Rekonstruktion der Bandstrukturen medialund lateral stehen verschiedene Techniken zur

Abbildung 3. A) 74-jährige Patientin mit Tibialis-posterior-Sehneninsufifzienz, welche bereits zu einer ausgedehn-ten OSG-Degeneration mit praktisch ubiquitärer Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten und Deformation des Talusgeführt hat.B) Da die Patientin gleichwohl Wert auf ein möglichst rundes, flüssiges Gangbild und Bewegungsmöglichkeit im OSGlegte, wurde eine Double-Arthrodese mit einer OSG-Prothese der neuesten Generation kombiniert.

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Abbildung 4. A) 54-jährige Patientin, welche eine ausgeprägte Arthrose des OSG und USG entwickelte. Der Gelenkspaltin beiden Gelenken ist praktisch aufgehoben.B) Man entscheidet sich in dieser Situation zur Durchführung einer tibiotalokalkanearen Arthrodese mittels Marknage-lung. Die Patientin war danach in einem Schuh mit Abrollrampe problemlos und schmerzfrei mobil.

Verfügung. Falls der Kapsel-Band-Apparat nach jah-relanger Schädigung noch eine genügende Gewebe-qualität aufweist, kann er gedoppelt und reinseriertwerden. Ansonsten können lokale Gewebe (Periost-lappenplastik) und separat entnommene Autografts(Sehnenplastiken, z.B. Plantarissehnengraft) ver-wendet werden. In Extremfällen kommen Allograftsoder künstliche Materialien zur Anwendung [31].In der Literatur gibt es einige Kontroversen überdie genaue Art der Rekonstruktion. Eine Vielzahlvon Verfahren mit unterschiedlichen Ergebnissenund auf unterschiedliche Komponenten der Defor-mität fokussiert, wurden beschrieben [5,11,19,25].Die Tibialis-posterior-Sehne sollte obligat inspiziertund, falls nötig, rekonstruiert, mit der Flexor-digitorum-longus-Sehne tenodesiert oder am Osnaviculare gerafft und reinseriert werden. Solltepostoperativ nach Realignement ein zu kurzerGastroc-Soleus-Komplex resultieren, sollte dieserz.B. mittels Gastroc-Soleus-Release verlängert wer-den, bis eine plantigrade Fußstellung erreicht wird[5].

Bislang herrscht keine Einigkeit darüber, bis zuwelchem Arthroseausmaß ein gelenkerhaltenderEingriff versucht werden sollte [5]. Langzeitstu-dien müssen hier in Zukunft mehr Klarheit schaffen.(Abb. 2).

Pes planovalgus Grad IV bei der Tibialis-posterior-Insuffizienz Grad IV B besteht eine vielgrößere Rigidität der Verkippung im OSG und/odereine lateral betonte OSG-Arthrose. In diesem Sta-dium ist die etablierteste Behandlungsoption einetibiotalokalkaneare Arthrodese oder gar eine pan-talare Arthrodese [4]. Diese Eingriffe gehen aber oftmit residuellen Schmerzen, Gangunregelmäßigkei-ten/Hinken, einem erhöhten Energiebedarf sowielangfristig dem Risiko der Anschlussdegenerationeinher [3,8,28,31]. Viele Patienten sind auf speziellangepasstes Schuhwerk angewiesen und zum Teil inihrer Alltagsmobilität eingeschränkt.

Wenn diese Einschränkungen nicht in Kaufgenommen werden sollen, bietet sich die Kor-rektur der Rückfußachse durch Subtalar-, Double-oder Triple-Arthrodese in Kombination mit der

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Implantation einer OSG-Prothese an [5,7,33].Hierbei ist darauf zu achten, dass die Rückfuß-deformität unbedingt vollständig korrigiert wird,da nur dann langfristig eine gute Funktion undBeständigkeit der OSG-Prothese erreicht werdenkann [23,24]. Dies umfasst auch die Rekonstruk-tion der statischen medialen Stabilisatoren, da essonst gehäuft zu einem Rezidiv-Valgus kommt [5,16](Abb. 3).

In Fällen mit ausgeprägter Deformität oder nichtbeherrschbarer Instabilität sowie bei relevantenKomorbiditäten und Kontraindikationen für die Pro-thesenimplantation bleibt als letzte Strategie dieDurchführung einer tibiotalokalkanearen oder pan-talaren Arthrodese. Diese wird in unserer Klinikmittels Marknagelung durchgeführt, was zu einerhohen Durchbauungsrate und relativ raschen axia-len Belastbarkeit führt. Da damit ein sehr rigiderRückfuß resultiert, muss auf die Herstellung nor-maler Achsenverhältnisse intraoperativ peinlichstgeachtet werden (Abb. 4).

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonfliktvorliegt.

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